art 10 1007 s00482 013 1385 z

background image

Schmerz 2014 · 28:65–66
DOI 10.1007/s00482-013-1385-z
Online publiziert: 19. Februar 2014
© Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.  
Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg - 
all rights reserved 2014

M. Mayrhofer

Abteilung für Technikrecht, Institut für Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre,  
Johannes Kepler Universität Linz

„Off label use“ von Analgetika 

in der perioperativen 

Kinderschmerztherapie 

aus rechtlicher Sicht

Österreichische interdisziplinäre 

Handlungsempfehlungen zum perioperativen 

Schmerzmanagement bei Kindern

Analgetika und sonstige Arzneimittel

bedürfen nach dem Arzneimittelrecht

grundsätzlich einer behördlichen Zulas-

sung entweder des österreichischen Bun-

desamts für Sicherheit im Gesundheits-

wesen oder der Europäischen Kommis-

sion [vgl. § 7 Arzneimittelgesetz (AMG)].

1

Die arzneimittelrechtliche Zulassung gilt

nicht pauschal, sondern ist ihrem Ur-

sprung nach regelmäßig auf bestimm-

te Patientengruppen, Indikationsgebiete,

Darreichungsformen oder Dosierungen

beschränkt. Aus verschiedenen rechtli-

chen (vgl. § 42 AMG), ökonomischen

und ethischen Gründen sind Arzneimittel

nicht immer für alle medizinisch indizier-

ten Anwendungsgebiete und -arten zuge-

lassen.

2

Speziell in der Kinderheilkunde

werden Arzneimittel in der Regel außer-

halb des Umfangs der Zulassung („off la-

1 

 Bundesgesetz vom 2. März 1983 über die 

Herstellung und das Inverkehrbringen von 

Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG), 

BGBI 1983/185 idF BGBI l 2013/162.

2 

 Vgl. Kopetzki, „Off-label-use“ von Arzneimit-

teln. In: Ennöckl et al. (Hg) Über Struktur und 
Vielfalt im Öffentlichen Recht – Festgabe für 
Bernhard Raschauer (2008) 73 (73 f); Thöni/

Stühling/Staudinger, Rechtliche Rahmenbedin-
gungen zum Off-label-use in Österreich, RdM 

2008, 109 (110).

bel use“)

3

oder mitunter auch ohne Zulas-

sung („compassionate use“ oder „unlicen-

sed use“) angewendet.

4

Die rechtliche Bewertung des „off la-

bel use“ fällt unterschiedlich aus, je nach-

dem, ob das AMG als Maßstab heran-

gezogen wird

5

oder nicht

6

. Nach richti-

ger, Wortlaut und Telos des AMG hinrei-

chend beachtender Auffassung spielt das

AMG (jedenfalls) für den stationären (pe-

3 

 Vgl. die Ausführung zu „off label use“ bei Kin-

dern bei Bachinger/Plank, „Off-Label-Use“ von 

Arzneimitteln – Medizinischer Alltag und juris-

tische Konsequenz wie Haftung und Kosten-
erstattung, RdM-ÖG 2008, 21 (24 f). Die EG-Ver-
ordnung über Kinderarzneimittel 1901/2006, 

ABI 2006 L 378/1, hat bislang das mit ihr ver-

folgte Ziel, dass auch für die Behandlung von 
Kindern und Jugendlichen Arzneimittel verfüg-
bar sind, deren Wirksamkeit und Unbedenk-
lichkeit speziell für diese Zielgruppe angemes-

sen und ethisch vertretbar untersucht wurden, 
nicht erreicht.

4 

 Kopetzki, „Off-Label-Use“ (FN 2) 75.

5 

 Vgl. insbesondere die von Bachinger/Plank, 

„Off-Label-Use“ (FN 3) 21, vertretene Ansicht, 

wonach der „off label use“ nur unter den Rah-
menbedingungen des § 8 Abs. 1 Z 2 AMG recht-
lich zulässig sein soll. IdS auch Müller, „Off-La- 
bel-Use“ von Arzneimitteln zwischen medizi- 
nischer Notwendigkeit und ökonomischer 

Zweckmäßigkeit, RdM 2011, 49 (50).

6 

 Kopetzki, „Off-label-use“ (FN 2) 78; Thöni/

Stühlinger/Staudinger, Rechtliche Rahmenbe-
dingungen (FN 2) 110.

rioperativen) Einsatz von – aus der An-

staltsapotheke beziehbaren – Arzneimit-

teln keine Rolle.

7

Die Zulassungspflicht

von Arzneimitteln gemäß § 7 AMG be-

steht lediglich für die Abgabe oder das Be-

reithalten für die Abgabe; die Anwendung

am Patienten ist jedoch nicht zulassungs-

pflichtig. Dementsprechend richtet sich

das Zulassungsregime des Arzneimittel-

rechts an pharmazeutische Unternehmen,

Importeure und Apotheken, (grundsätz-

lich) jedoch nicht an Ärzte. Für deren Tä-

tigkeit einschließlich der Verabreichung

von Arzneimitteln bestehen ohnehin spe-

zifische Vorgaben in Gestalt der ärztli-

chen Fürsorge- (vgl. § 49 Abs. 1 Ärztege-

setz) und Sorgfaltspflicht. Speziell die pe-

rioperative Anwendung eines Arzneimit-

tels hängt daher nicht vom Umfang einer

arzneimittelrechtlichen Zulassung ab.

8

7 

 Vgl. dazu und zum Folgenden mit umfas-

sender Begründung und weiteren Nachweisen 
Kopetzki, „Off-label-use“ (FN 2) 77 f.

8 

 So im Ergebnis auch die Rechtsprechung: 

OGH 11.06.2008, 7 Ob 113/08f [= RdM 2009, 

26 f (Kopetzki)]. Ebenso wenig präjudiziert eine 

arzneimittelrechtliche Zulassung die Beurtei-

lung des therapeutischen Nutzens einer Arz-
neimittelspezialität durch den Hauptver-
band der Sozialversicherungsträger (vgl. 

VfSlg 17.686/2005).

65

Der Schmerz 1 · 2014

  |

Schwerpunkt

background image

Maßgeblich für den zulassungsüber-

schreitenden Einsatz von Arzneimitteln

sind die allgemeinen berufs- und haf-

tungsrechtlichen Rahmenbedingungen

für ärztliches Handeln.

9

Die Anwendung

eines Arzneimittels muss dem jeweiligen

Stand der medizinischen Wissenschaft

entsprechen und darf erst nach entspre-

chender Aufklärung (mitunter auch über

den „off label use“) und Einwilligung des

gesetzlichen Vertreters des Kindes oder

des „einsichts- und urteilsfähigen“ Kindes

selbst (§ 173 ABGB) erfolgen. Der „off la-

bel use“ ist unter diesen Voraussetzungen

erlaubt und ggf. geboten, sofern die Ver-

abreichung des Medikaments medizinisch

indiziert und Erfolg versprechend ist.

10

Allerdings trifft den Arzt, der ein Arz-

neimittel „off label“ anwendet, eine höhe-

re Begründungslast, weil er die Anwen-

dung nicht „einfach“ mit der Zulassung

rechtfertigen kann, sondern andere Quel-

len anführen muss – zu denken ist u. a.

an wissenschaftliche Publikationen oder

Richtlinien von Fachgesellschaften. Da-

rüber hinaus kann eine Anwendung nach

den für „Heilversuche“ geltenden Grund-

sätzen

11

zulässig sein, wenn eine standard-

mäßige Behandlung nicht zur Verfügung

steht oder keinen Erfolg verspricht.

9 

 Vgl. Kopetzki, „Off-label-use“ (FN 2) 92 ff. All-

gemein zu diesen Rahmenbedingungen z. B. 

Jesser-Huß, Zivilrechtliche Fragen des Arzt-Pa-

tienten-Verhältnisses. In: Resch/Wallner (Hg) 
Handbuch Medizinrecht (2011) Rz 26, 59 ff.

10 

OGH 11.06.2008, 7 Ob 113/08 f [= RdM 2009, 

26 f (Kopetzki)]; vgl. auch Thöni/Stühlinger/

Staudinger, Rechtliche Rahmmenbedingungen 
(FN 2) 111 f.

11 

Vgl. insbesondere § 8c Abs. 3 Kranken-

anstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG), 
BGBI 1957/1 idF BGBI l 2013/81, über die ver-
pflichtende Einbindung einer Ethikkommission.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. M. Mayrhofer
Abteilung für Technikrecht, Institut für 
Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre, 
Johannes Kepler Universität Linz
Altenbergerstr. 69, 4040 Linz
Österreich
michael.mayrhofer@jku.at

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  M. Mayrhofer gibt an, dass kein 
Interessenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen 
oder Tieren.

Zusammenfassung · Abstract

Schmerz 2014 · 28:65–66   DOI 10.1007/s00482-013-1385-z
© Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg -  
all rights reserved 2014

M. Mayrhofer

„Off label use“ von Analgetika in der perioperativen

Kinderschmerztherapie aus rechtlicher Sicht. Österreichische

interdisziplinäre Handlungsempfehlungen zum

perioperativen Schmerzmanagement bei Kindern

Zusammenfassung

Arzneimittel sind nicht immer für alle medi-
zinisch indizierten Anwendungsgebiete und 
-arten zugelassen. Speziell in der Kinderheil-
kunde werden Arzneimittel in der Regel „off 
label“ angewendet. Die Zulassungspflicht 
von Arzneimitteln gemäß § 7 Arzneimittelge-
setz (AMG) besteht lediglich für die Abgabe 
und Bereithaltung, nicht jedoch für die An-
wendung am Patienten. Dies gilt auch spe-
ziell im perioperativen Bereich. Für die ärzt- 
liche Tätigkeit gibt es Vorgaben in Gestalt 
der ärztlichen Fürsorge- und Sorgfaltspflicht. 
Die Anwendung eines Arzneimittels darf erst 

nach entsprechender Aufklärung und Einwil-
ligung erfolgen. Der „off label use“ ist unter 
diesen Voraussetzungen erlaubt und ggf. ge-
boten, sofern die Verabreichung des Medika-
ments medizinisch indiziert und Erfolg ver-
sprechend ist. Darüber hinaus kann eine An-
wendung als „Heilversuch“ zulässig sein.

Schlüsselwörter

Arzneimittelgesetz · Anwendung ohne 
Zulassung · Zulassungspflicht · Fürsorge- und 
Sorgfaltspflicht · Anwendungsbegründung

Off label use of analgesics in pediatric perioperative pain

therapy from a legal perspective. Austrian interdisciplinary

recommendations on pediatric perioperative pain management

Abstract

Pharmaceuticals are not always licensed for 
all medically indicated areas and types of ap-
plication. The off label use of pharmaceuti-
cals is particularly common in pediatrics. The 
obligatory licensing of pharmaceuticals ac-
cording to § 7 AMG (drug registration and ad-
ministration act) only applies to the dispens-
ing and provision but not for the use in pa-
tients, particularly in a perioperative setting. 
For medical practice there are standards in 
the form of the medical obligation for wel-
fare and diligence. Pharmaceuticals can on-
ly be used after obtaining appropriate in-

formed consent. The off label use of medi-
cations is allowed and sometimes necessary 
under these prerequisites as long as the ad-
ministration of the medication is medically 
indicated and shows promise of success. Fur-
thermore, an application can be permissible 
for“curative intent”.

Keywords

Drug regulation act · Off label use · Drug 
approval · Hippocratic oath · Application 
rationale

Weiterführende Literatur und

Rechtsprechung

Kopetzki, „Off-label-use“ von Arzneimitteln. 
In: Ennöckl et al. (Hg) Über Struktur und 
Vielfalt im Öffentlichen Recht – Festgabe für 
Bernhard Raschauer (2008) 73

Jesser-Huß, Zivilrechtliche Fragen des 

Arzt-Patienten-Verhältnisses. In: Resch/Wall-

ner (Hg) Handbuch Medizinrecht (2011) 81; 
OGH 11.06.2008, 7 Ob 113/08f [= RdM 2009, 

26 (Kopetzki)]

66 | 

Der Schmerz 1 · 2014


Wyszukiwarka

Podobne podstrony:
art 10 1007 s11096 013 9846 0
art 10 1007 s11427 012 4407 7
art 10 1007 s00044 011 9581 9 i Nieznany (2)
art 10 1007 BF02980046 id 69338 Nieznany (2)
art 10 1007 BF02853186 id 69336 Nieznany
art 10 1007 s11908 000 0055 3
art 10 1007 BF02853186
535 0a56c Art 10 orto 04 08 czamara
Nielaty, ART 10 UPN, Postanowienie z dnia 25 listopada 2010 r
art 10 1617 s11527 006 9205 x
art. 10 konkordatu, lokal
Wykład, art 10, Wizje końca stulecia
Prawo wekslowe, ART 10 PR. WEKSL, 1970
kk, ART 10 KK, Wyrok z dnia 29 września 2009 r
535 0a56c Art 10 orto 04 08 czamara

więcej podobnych podstron