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/1/

G"tzen

/2/

I. Teil


/3/
,G"tzen" Teil I.
Inhalt:
Quellenverzeichnis zum Teil I ---- 4 Seiten
Teil I (Nummeriert von 1-220;
aber durch a,b,c,d, usf.
Einfgungen) Total 228 Seiten
(unterteilt in
20 Abschnitte.)
Achtung!
Bei der Quellenverzeichnisnummer /39/
fehlt die Dokumenten Nummer. Es handelt sich um den Wetzelschen-Handschrift-
Entwurf. Darf ich Dr. Servatius bitten, diese No. In das Quellenverzeichnis unter
/39/ einsetzen zu wollen.
Adolf Eichmann
6 - 9 - 61.

/4/
G"tzen
Inhalt:
Worte fr den Lektor
Leitspruch + Widmung
Vorwort - - - - - - - - - 8 Seiten.

Adolf Eichmann
Haifa, den
6 - 9 - 61

/5/ AE: 1

Beim Anlesen und berfligen(sic) dieses Manuskriptes, mu ich feststellen, da
es mir zu leer und zu oberfl"chlich erscheint. Auch habe ich die Absicht, mich mit
dem ,Antisemitismus" n"her auseinanderzusetzen. Hierzu aber ben"tige ich noch
einiges Quellenstudium. Aus diesen Grnden wei ich nicht, und habe ich nicht
den Mut zu entscheiden, ob dieses so bleiben kann wie es ist und in einem zweiten
Manuskript - gewissermaen als Fortsetzung - das mir fehlend Erscheinende zu
bringen, oder ob ich dieses Manuskript gelegentlich vervollst"ndigen soll.
An Dr. Servatius m. d. B. um Kenntnisnahme und Beurteilung.
(Unterschriftskrzel) XI. 61.
P.S. Es ist eben doch nicht so leicht, als Gefangener ein Manuskript von sich zu
geben, welches dann erst noch einer Zensur unterzogen wird; da fhlt man sich
beim Schreiben nicht frei genug; dies mu man bercksichtigen. W"re es nur eine
,Lektorenzensur"; oder w"re ich zurck, dann wrde es sicherlich fr mich als
Skribent einfacher sein.
Am liebsten w"re mir, ich k"nnte es ausfhrlicher u. freundlicher neufassen.
(Unterschriftskrzel)
/6/

/The page numbered /19/ with Eichmann`s
instructions to the censor and instructions
regarding the use of this manuscript, should,
in my opinion, be here.
E. Friesel,10/1999/

/7/ AE: (2)
Meine pers"nliche Meinung zuvor:
Die Art meines ,Schreibens" ist eher ,sddeutsch-bajuvarisch" zu nennen. Sollte
der Lektor aus diesem Raume stammen, ist es m"glich, da es fr das Buch von
Vorteil w"re. (Es m"ge lediglich ein Hinweis sein; meine Meinung ist nicht
kompetent.)
Betr.: Vermerk fr den Lektor:
1.) Ich kann dieses Geschehen - so sehr ich mich anfangs auch bemhte es anders
stilistisch zu formen - nicht anders wiedergeben, als in einem sachlich-nchternen
,Amtsstil". Heitere Sachen zu schildern, liegen mir mehr; aber selbst eine
leichtere, beschwingtere Feder ist hier, die Natur der Sache respektierend,
abwegig.
Wenn andere eine gewisse ,Satzauflockerung" vornehmen wollen, bin ich damit
einverstanden, denn es ist m"glich, da es dadurch leichter lesbar wird; doch ist es
mir am liebsten, wenn es so bleiben kann.
2.) Ich habe einfach darauf los geschrieben, so wie der Schreibstift es wollte; auf
Interpunktionen und Absatzbildung nicht sonderlich geachtet. Solange der Sinn
nicht ver"ndert wird, bin ich mit textlicher Umgestaltung einverstanden. Auch
Streichungen k"nnen vorgenommen werden; keinesfalls aber Hinzufgungen. z.B.
das Vorwort k"nnte gestrichen werden.
3.) Der Teil I behandelt Schwerpunkte im seinerzeitigen Geschehen im Altreich +
sterreich + B"hmen M"hren + Generalgouvernement, verbunden damit, die
Stellung des Befehlsempf"ngers im Durcheinander mit seiner Innenschau.
Der Teil II befat sich mit den Reparationsangelegenheiten in 12 europ"ischen
L"ndern. Die Kristallpunkte sind dokumentarisch belegt und fhren von
Schwerpunkt zu Schwerpunkt.
Der Teil III spiegelt das Verh"ltnis zwischen
/8/ AE: (3)
dem "ueren Geschehen von damals und meinen inneren Gefhlen wieder und
letzlich(sic), nach dem Sturz des eben noch Gltigen, sehe ich mich langsam und
nach und nach, zu einer mich befriedigenden Weltbildvorstellung gelangen.
4.) Als Titel schwebt mir ,G"tzen" vor. Ich dachte auch schon an ,Gnothi seauton".
Jedenfalls wnsche ich nicht, da dem Buch ein anderer Titel gegeben wird, ohne
mich vorher zu befragen. Ich stelle diese beiden daher zur Wahl frei. Ich bin auch
damit einverstanden, falls Uneinigkeit bezglich eines Titels entstehen sollte, statt
meiner, die Einverst"ndniserkl"rung meines Verteitigers(sic) Hr. Dr. Servatius
einzuholen.
5.) Der Einband und Schutzumschlag m"ge einfarbig gehalten sein; etwa Perl.- oder
Taubengrau, mit klarer liniensch"ner Schrift. Es ist klar, da ich kein Pseudonym
wnsche, da es nicht in der Natur der Sache liegt.
6.) Die Quellenangaben sind so zu verstehen:
Eins.) Teil I.
Eckige Umrandung mit fortlaufender Nummeration. Die Nummern geben im
Anhang des Buches dann die Dokumentennummern der israelischen
Staatsanwaltschaft wieder.
z.B. [1] Dokument 1182
/9/ AE: (4)
b.) Teil II.
Hier ist genau dasselbe wie unter a.), nur habe ich fr das Manuskript die runde
Umrandung (1) gew"hlt, aus dem einzigen Grunde, damit die Nummern nicht
verwechselt werden.
Aber da beim Druck unter Umst"nden ja fortlaufend durchnummeriert wird, f"llt
sowohl runde, wie eckige Umrandung fort und es bleibt im Druck lediglich die
Hinweisnummer auf das Quellenverzeichnis im Anhang stehen.
Die den Dokumentennummern vorausgesetzten Buchstaben besagen:
N = von Gericht angenommenes Beweisstck der Verteitigung(sic).
T = von Gericht angenommenes Beweisstck der Anklage.
(Viele der unter T laufenden Dokumente wurden auch seitens der
Verteitigung(sic) eingebracht; sie behielten(sic) aber, da das Gericht das Stck ja
schon hatte, mit der T-Nummer stehen).
Es fehlen mir bei einer ganzen Anzahl
/10/ AE: (5)
der Dokumenten-Nummern die Gerichtsnummeration; ich habe sie leider auch
nicht. Aber Hr. Dr. Servatius resp. Herr RA Westenbruch sind im Besitze einer
Liste, aus der diese sofort zu entnehmen sind.
7.) Ob die von Herrn Dr. zur Verfgung gehaltene Zeittafel zu den 5 Skizzen
ebenfalls dem Anhang zugefgt werden sollen, berlasse ich Hr. Dr. Servatius.
8.) Ich bitte Herrn Doktor Servatius, dem Verlag Auftrag geben zu wollen, an meinen
Freund, dem(sic) Prior des Pr"m. Klosters (Fr. Bernardus) ein Exemplar zu
schicken, ebenfalls der Studentin nach Kanada, mit freundl. Gren von mir.
Meine Brder m"gen bitte dafr sorgen, da meine Frau zehn Exemplare
bekommt, die sie in meinem Namen an meine Freunde, die sie nach eigener Wahl
bestimmen mag, sowie an meine S"hne mit der Bemerkung versieht:
Eins.) ,Im Auftrage meines Mannes mit freundlichen Gren und der Bemerkung
,So war es", bersandt
Name m. Frau.
Zwei.) ,Im Auftrage Deines Vaters lieber (Name des Sohnes) mit herzlichen Gren
gewidmet."
9.) Ein Exemplar fr mich.
Adolf Eichmann
Haifa, den 10-9-61.

/11/ AE: 3
/Pages /11/ to /17/ were found here, although
they seem to belong to the drafts.
E. Friesel, 10/1999/


,---- und er wrde seine Schattenwelt
fr wahr, die wahre Welt aber fr
unwirklich halten."
Aus Platon`s H"hlengleichnis,
,Staat"; 7. Buch.
/12/ AE: 4
Bemerkung: Dies Manuskript (Vorw., Teil I-III) gilt solange als noch nicht
abgeschlossen, bis ich eine letzte Lesung vorgenommen habe; es ist dies eine von
mir eingebaute Sicherung, damit nicht Wortkonstellationen, zu meinem Nachteil
falsch ausgelegt und gedeutet werden k"nnen. /Satz gestrichen, aber noch lesbar:
Die letzte Lesung erfolgt erst nach der Besprechung mit Dr. Servatius./
Vorwort
/von hier bis S. 15 unten durchgestrichen, einzelne Zeilen unleserlich gemacht/
Ich befinde mich im Gef"ngnis in Israel. Die Beweisaufnahme ist abgeschlossen
und in acht Tagen folgen die Pl"doyers des Generalstaatsanwaltes und meiner
Verteitigung(sic). Es werden sodann etwa zwei bis drei Monate vergehen, bis der
Gerichtshof zu einem Urteil gelangen wird. M"glicherweise geht es dann weiter
an die h"here Instanz; m"glicherweise auch nicht. Wie dem auch sei; ich sagte
w"hrend des Prozesses einmal auf eine Frage des Ankl"gers im Kreuzverh"r,
darauf werde ich antworten, wenn ich mich eines Tages hinsetzen werde um an
die jetzige und kommende Jugend, zu ihrer Warnung, einige Kapitel zu schreiben.
Vorausgesetzt, da ich dazu die Genehmigung erhalte. Dann wrde ich ,das Kind
beim Namen nennen".
Nun, der Pr"sident des Gerichtshofes verlangte die ,Nennung" bereits w"hrend
des Verfahrens von mir. Ich gehorchte und sagte, da das Geschehen mit den
Juden, welches die damalige deutsche Reichsregierung w"hrend der Jahre des
letzten groen Krieges in`s Werk setzte, das kapitalste Verbrechen in der
Menschheitsgeschichte darstelle. -
Ich habe mich also entschlossen, die Zeit des Wartens auf das Urteil zu bentzen,
besser gesagt auszuntzen, und da(sic) in die Tat

/13/ AE: 5
umzusetzen, was ich verkndete. Es drfte kaum schaden; eher hingegen zum
Nachdenken anregen, wie es einem Menschen so im Leben ergehen kann. Ich war
von tausend Idealen beseelt und schlitterte gleich vielen anderen in eine Sache
hinein, aus der man nicht mehr herausfand. Ich habe heute einen zeitlichen
Abstand von den Geschehnissen, der zwischen 16-29 Jahren liegt. Und vieles
ehemals Gltiges ist ungltig geworden. Ehemals ,weltanschauliche Werte" habe
ich als Germpel, allm"hlich im Laufe der Jahre ber Bord geworfen. /8 Zeilen
bis Ende des Abschnitts unleserlich gemacht/
Weil ich H"lle, Tod und Teufel sah, weil ich dem Wahnsinn der Vernichtung
zusehen mute, weil ich als eines der vielen Pferde in den Sielen mit eingespannt
war und gem" dem Willen und den Befehlen der Kutscher weder nach links noch
nach rechts ausbrechen konnte, fhle ich mich berufen und habe das Verlangen,
hier zu erz"hlen und Kunde zu geben von dem, was geschah. Es ist sicher ein
trauriges Resume, wenn ich feststellen mu, da ich in der Lage bin, das

/14/ AE: 6
ungeheure Volumen alleine der organisatorischen Voraussetzungen, welche das
Geschehen erm"glichten, zu umfassen und zu bersehen. Die meisten jener
Akteure, die ja nun so oder so in die Geschichte eingehen werden, kannte ich,
sprach zum Teil mit ihnen und vermag sie ann"hernd zu beurteilen.
/2 Abschnitte von 8 bzw. 5 Zeilen unleserlich gemacht/
Ich werde das Leben jener Zeit schildern, so wie es war, so wie ich es erlebte und
gesehen habe. Nichts werde ich zu besch"nigen versuchen. Ich schreibe zu
niemandes Ruhm und Ehre; was sind es fr verlogene, selbstbeweihr"uchernde
Begriffe! Was ich gestern noch glaubte anbeten zu men, liegt heute im Schutt
des Gestrzten.
Ich werde den V"lkermord am Judentum schildern, wie er geschah und gebe dazu
meine Gedanken von gestern und heute. Denn nicht nur die Felder
/15/ AE: 7
des Todes mute ich sehen mit eigenen Augen, die Schlachtfelder auf denen das
Leben erstarb, ich sah weit Schlimmeres. Ich sah, wie durch wenige Worte, durch
den einzigen knappen, kurzen Befehl eines Einzelnen, dem die Staatsfhrung als
Befehlsgeber dazu die Macht verlieh, solche Lebensausl"schungsfelder
geschaffen wurden. Und ich sah die Unheimlichkeit des Ablaufens der
Todesmaschinerie; R"dchen in R"dchen greifend, gleich dem Werk einer Uhr.
Und ich sah jene, die da achteten auf den Gang des Werkes; auf den Fortgang. Ich
sah sie, das Werk stets von neuem aufziehen; und sie beobachteten den Zeiger der
Sekunden, welche eben dahineilten; dahineilten, wie die Leben zum Tode.
Den gr"ten und gewaltigsten Totentanz aller Zeiten.
Den sah ich.
Und ihn zu beschreiben, zur Warnung schick ich mich an. Adolf
Eichmann
6 - 9 - 61.
/3 nachtr"gliche Zus"tze:
(Siehe dazu meine Funote bezglich der Wortw"gung. Gilt sinngem" fr alle
Kapitel.)
(Anschlieend folgt mein Schluwort, welches ich in meinem Prozess zu
Jerusalem gehalten habe.)
Bemerkung: Man darf diese und andere schriftstellerischen Worte keinesfalls mit der
Waage der juristischen Paragraphen w"gen.
/16/
,G"tzen"
Dieses ist mein Schluwort, welches ich in dem Prozess zu Jerusalem am /Platz
fr Datum offengelassen/ 1961, gem" meinen Erfahrungen und gem" meinen
Empfindungen, gehalten habe:
/17/ AE: 8.
/I. Teil, unleserlich gemacht/
/18/ AE: 1
Teil I
-(1)-
/3 Zeilen samt Zus"tzen unleserlich gemacht, die 4. durchgestrichen, aber
leserlich:
wei, mit wem man es zu tun hat./
Als ein Menschenkind, trat ich am 19. M"rz 1906 in das Leben. In Solingen, im
Rheinland, wurde ich geboren, als erster Sohn der Eheleute Wolf und Maria
Eichmann. Wenige Tage nach meiner Geburt wurde ich auf den Namen Adolf
Otto, nach dem Ritus der evangelischen Konfession, helvetischer Richtung,
getauft. Noch als kleines Kind zog ich mit meinen Eltern nach Linz a/Donau,
Ober"sterreich, wo mein Vater als kaufm"nnischer Direktor der Linzer
Straenbahn und Elektrizit"tsgesellschaft t"tig war und sich glaublich(sic) in den
zwanziger Jahren pensionieren lie um ein Elektrowarenunternehmen zu grnden.
Nach Besuch der Volksschule und vier Jahren Realschule absolvierte ich
zwei Jahrg"nge einer h"heren technischen Bundeslehranstalt. In den Jahren 1925
bis 1927 war ich als Verkaufsbeamter der ,Ober"sterreichischen Elektrobau
A.G." in Linz a/Donau, sodann bis Juni 1933, als Verkaufsbeamter der
,sterreichischen Vacuum Oil Company A.G.", Filialdirektion Linz und
Salzburg, t"tig gewesen.
Das damalige Linz a/Donau war ein vertr"umtes, kleines, liebliches und
sauberes Provinzhauptst"dtchen, im Zentrum des vorwiegend b"uerlichen
Ober"sterreich. Da war das weizenschwere Innviertel, das
/19/
/Found here. - In my opinion, belongs
to page numbered /6/.
E. Friesel, 10/1999/

Bemerkung fr die Zensur:
1.) Diese schriftstellerische Arbeit kann nicht mit der Waage der Rechtsparagraphen
gewogen werden. /Signaturkrzel/

2.) Dieser Manuskriptverband darf ohne der Zustimmung von Dr. Servatius, nicht
ver"ffentlicht werden. (Gilt fr das gesamte Manuskript).
Ich bin mit Dr. Servatius dahingehend verblieben, da, falls er dieses Manuskript
nicht zur Ver"ffentlichung ausgeh"ndigt bekommt, (und zwar bis zu seiner
Rckkehr nach Deutschland vor Weihnachten) ihm Gelegenheit gegeben sein
m"ge, bei der Vernichtung des Geschriebenen, anwesend zu sein.
/Signaturkrzel/

/20/ AE: 2
braunkohlenreiche Hansruckviertel, das damals schon dem Fremdenverkehr sehr
erschlossene Traunviertel mit seiner Perle Gmunden am Traunsee, und dem
ober"sterreichischen Hausberg, dem Traunstein, dem W"chter der beginnenden
Hochalpenwelt.
Ganz besonders verliebt aber war ich in das reizvolle Mhlviertel. Das Viertel, der
vielen sagenumwobenen Ruinen und Burgen. Und hier war es das obere
Mhlviertel, da(sic) ich ganz besonders in mein Herz geschlossen habe.
Die Heimat eines Adalbert Stifter; der ewige B"hmerwald, dessen Ausl"ufer tief
in das Obere Mhlviertel hineingreifen, mit den romantischen, braunw"sserigen,
kleinen linken Flchen. Die vielen hurtigen forellenbewohnten B"che, die sich
durch das, gegen die Donau zu abfallende, b"hmisch-m"hrische Granitplateau,
seit undenklichen Zeiten ihren Weg zum groen Wassersammler Donau, bahnen.
Diesen herrlichen Fleck der Erde durfte ich meine zweite Heimat nennen und in
diesem Kleinod Ober"sterreich, verlebte ich dank der steten Frsorge meiner
Eltern eine herrliche, unbeschwerte Jugendzeit.
Und auch als junger Mann - wie man zu sagen pflegte - waren es Tage von
Liebe, Lenz und Leben, die mir geboten wurden. Motorsport, Bergsport, Arbeit,
Kaffeehaus, Freunde auch Freundinnen - warum auch nicht - fllten die Tage und
Jahre aus.
Gar manche heimelige Weinstube lockte

/21/ AE: 3
zur Einkehr und in ihren alten Gem"uern lie es sich gut sitzen. Eine solche
Weinstube kannte ich, deren Existenz bis in das dreizehnte Jahrhundert
zurckzuverfolgen war. Und der ,Gumpoldskirchner" schmeckte nach jedem
Viertel besser auch ohne Schrammeln und Zigeunermusik. Man lebte im
Ph"akenland; eben in Ober"sterreich. Und fuhr man auf den Postlingberg, das
Wahrzeichen von Linz, dann war der erste Weg mit der kleinen Freundin, zu
Meister Bugele, dem Oberg"rtner der herrlich-sch"nen Gartenanlagen auf diesem
Berg, mit seinen tausend oder mehr Rosenst"cken. Ihn um einen Strau Rosen fr
die Angebetete zu bitten, war fr diesen Meister der Blumen, Str"ucher und
B"ume stets groe Freude, kannte er mich doch schon als kleinen Lausbuben,
wenn ich Samstags an der Hand meines Vaters, die Anlagen besuchte. Mein alter
Herr hatte seinerzeit viel zur Hebung dieser Augenweide, welche damals zum
Besitztum der Linzer Straenbahn- und Elektrizit"tsgesellschaft geh"rte, getan
und meinen Freund Bugele, zum Oberg"rtner dieses Paradises(sic) bestellt. -
Nichts h"tte diese heiter-frohe und unbeschwerte Lebenslust zu st"ren vermocht
w"ren die ,G"tter" nicht auch bis nach Ober"sterreich gekommen. Bei mir
klopften sie bereits seit 1931 an, und ab und an auch schon frher; sie
vereinnahmten mich dann genau am 1. April 1932.
/22/ AE: 4
Ja Freunde, heute zurckschauend, es sind bald 30 Jahre her, mu ich sagen
,wenn es dem Esel zu gut geht, dann geht er auf`s Eis, um zu tanzen."
-(2)-
Nun ja, es gab damals verschiedenartig eingestellte junge Leute, so wie es solche
zu allen Zeiten gegeben haben mag und immer geben wird. Ich war durch die
Schule und Gesellschaft in der ich mich bewegte, kurz durch meine Umgebung
die mich beeinflute - und welche Umgebung vermag einen jungen Menschen
nicht zu formen - zur nationalistischen Richtung hin gelenkt worden.
Und welchem Nationalisten brannten nicht /gestrichen: die Worte/ das Wort
,Versailles". Natrlich verstand man im Anfang nichts davon. Aber das
Verst"ndnis hierfr wurde schon geweckt; Zeitungen, Gespr"che und Bcher
sorgten dafr. Und man erz"hle einem jungen Menschen in dieser Richtung
tendierend, von nationaler Schmach, von Verrat, vom Dolchsto, welcher der
deutschen Armee zuteil ward, von nationaler Not und Elend; Herrgott, da packt es
einen halt, da ger"t das Blut in Wallung. Und dann h"rt man durch die
Propaganda, da da eine Partei ist, welche die Schmachbeseitigung auf ihr Banner
geschrieben hat. Die Beendigung der nationalen N"te versprach, den Dolch aus
der Wunde zu ziehen sich anschickte, die Gleichberechtigung auf dem
wehrm"igen Sektor zu erk"mpfen bestrebt war und die Arbeitlosgkeit in die
unterste H"lle verdammte. Und dann
/23/ AE: 5
sitzt man in solch einem Weinstberl, vor seinem ,Viertel", im Bierstberl vor
seinem ,Krgerl" oder im Caffee vor seinem ,Schwarzen" und liest den
,V"lkischen Beobachter", man liest vom Tod der SA und SS-M"nner; man
liet(sic) heldische Worte ber heldischen Tod; ber mannhaftes Sterben und
furchtlose Treue. Und ich sag es noch einmal, welchen Burschen, nationalistischer
Tendenz, ,packte" es da nicht.
Da war kein Wort von Jude und Judentum; und la(sic) man es ab und zu in
besonderen Artikeln, wer nahm solches ernst? Wer machte sich dieserhalb
berhaupt berlegungen. Mag sein die lteren und Alten. Uns Burschen
interessierte alleine, und einzig und alleine, das Heldische. Mit zu helfen an der
Beseitigung, an der Ausrottung einer Schmach.
Rot sah man beim Wort ,Versailles". Bereit zu allem, dieses Wort, im Sinne von
Schmach, zu vernichten, zu zerstampfen; dafr auch wenn es sein mu zu leiden.
Es mute ausgel"scht werden. Und diejenigen, welche dazu aufforderten waren
unsere G"tter.
So mu es in alten, in uralten Zeiten gewesen sein, wenn man den Heldensagen
trauen konnte.
Aber warum sollte man ihnen denn nicht trauen?

/24/ AE: 6
Die >Herz"ge<, die >Gefolgschaft<; die Herzogstreue und Gefolgschaftstreue.
Ich verschrieb mich den G"ttern mit Haut und mit Haren(sic). Ja, teilweise diesen
G"ttern zuliebe verlie ich das ,Landel ob der Enns", mein geliebtes
Ober"sterreich. Freilich war der Abschied vom Landl schwer, der Abschied von
Eltern und Geschwistern; der Abschied von meiner Verlobten. Vorbei war das
regelm"ige Wochendverleben(sic) in fr"hlicher Zweisamkeit, sei es in
Sdb"hmen, sei es in Ober"sterreich. Vorbei war es, eigener Herr seiner Zeit zu
sein. Fremdes, Unbekanntes lag vor mir. Aber Dienst an den G"ttern, meinem
Vaterland zuliebe schien mir gleichwichtig zu sein, denn sonst w"re ich ja
geblieben.
Tausend und mehr Str"nge zogen mich zu bleiben, aber ebenso viele zogen mich
zu den G"ttern.
Und ich diente ihnen.
Ich diente ihnen mit dem ganzen Glauben den ich aufzubringen vermochte;
kein Opfer schien mir zu gering.
Keine Strapaze zu gro.
Ja, je gr"er Opfer und Strapazen und Entbehrungen, desto gr"er schien mir die
Tat fr das Werk, welches die G"tter versprachen zu tun.

Schlafen auf nackter Erde, im Stroh, auf Strohs"cken, scharfer und sch"rfster
/25/ AE: 7
Exerzierdienst bei der Truppe; vom Robben abgeschundene Ellenbogen und Knie;
Kadavergehorsam und Einschr"nkung der Freizgigkeit tauschte ich ein, gegen
das gutbrgerlich eingerichtete behagliche Elternhaus, gegen Kaffeehaus und
Weinstberl, gegen Motorsport, Bergsport und dem Zusammensein Jungverlobter.
Wahrlich, ich diente den G"ttern aus freien Stcken; wahrlich ich opferte ihnen
zuliebe viel.
Aber was galt es schon; wenn nur das Vaterland frei werden konnte und Not und
Elend der Deutschen ein Ende fand.
Im Jahre 1934, an einem sonnigen Herbstmorgen kam ich von dem ersten
Bataillon des Regimentes SS 1 nach Berlin, zum SD-Hauptamt versetzt, am
Anhalter Bahnhof an. Nach durchfahrener Nacht war eine kleine Erfrischung sehr
wichtig und brauchbar. Ich begab mich in einem(sic), dem Bahnhof
gegenberliegenden, Friseurladen und lie mir nach erfolgter Rasur, heie
Kompressen auf`s Gesicht legen, um die bern"chtigkeit zu verscheuchen. Und
schlenderte sodann in eine ,Aschinger-Kneipe", gleich neben dem Friseur. Einige
Mollen Helles und ebensoviele Schn"pslein, dazwischen ein ordentliches
Gullasch(sic)
/26/ AE: 8
mit frischen, knusprigen Br"tchen, waren just das richtige Frhstck fr einen
Unteroffizier in der SS-Verfgungstruppe, der Vorl"uferin der sp"teren Waffen
SS.
Als solcher hatte ich mich freiwillig zum Sicherheitsdienst des Reichsfhrers SS,
gemeldet. Sicherheitsbegleitpersonal fr die G"tter. Warum auch nicht; ich stellte
es mir sehr interessant vor. Erst sp"ter sollte ich draufkommen, da ich einem
Irrtum zum Opfer gefallen war. Das Begleitpersonal fr die G"tter hie
Reichssicherheitsdienst. Der Sicherheitsdienst des Reichsfhrers SS, war etwas
ganz anderes.
Vorl"ufig ahnte ich aber noch nichts.Vorl"ufig suchte ich ein Kaffeehaus. Kaffee
war fr alles gut. Gut zum d"sen, gut um den Geruch von Aschingers Biermollen
zu t"ten und bei der Truppe benutzten wir ihn Jahr und Tag zum Fleckenputzen an
unseren schwarzen Uniformen. Freilich, zum Exerzierdienst hatten wir feldgrau
oder was am l"stigsten war, hellgraue bis fast an das Weiliche grenzende
Drilliche, welche leicht schmutzten.
Mit souver"ner Unteroffiziersruhe im Bauch, begab ich mich nun zu der mir
befohlenen Dienststelle, ein Palais in der Wilhelmstrae 102, um mich zum
/27/ AE: 9
Dienst zu melden. Ob ich verheiratet oder ledig sei. Dies war die erste Frage, die
mir der Offizier vom Dienst stellte. Ledig. Natrlich, meine Braut war ja in
Sdb"hmen, und an eine Heirat wegen meiner vorbergehenden Verhinderung im
Augenblick nicht zu denken.
Ledige sind kaserniert; wenn Sie heiraten, k"nnen Sie drauen wohnen, gab man
mir zur Antwort.
Na sch"n dachte ich mir, irgendwo mu der Mensch ja hingeh"ren. Zu den Eltern,
in die Kaserne oder zur Ehefrau.
Also ging ich zum Kammerbullen. Bisher hatten wir Unteroffiziere stets so eine
Art stillschweigend geduldeter Ordonanzen zur pers"nlichen Dienstleistung zur
Verfgung gehabt; je vier Unteroffiziere eine Ordonnanz(sic). Er trank frei,
rauchte frei auf unsere Kosten und hatte seine vier Unteroffiziere zu Freunden, die
ihn gegen Tod und Teufel verteitigten(sic), fra er etwas gegen das
Dienstreglement aus. Auerdem hatte er nur allerleichtesten Exerzierdienst. Aber
meistens verstand er es, sich sogar von diesem zu drcken.
Hier aber schmi mir der Kammerbulle meine blauweikarrierten Bettklamotten
an meinen pers"nlichen Kragen; Decken und Leintuch folgten und dann damit auf
die Stube.
Was dann noch an Kramzeug mehr war,
/28/ AE: 10
war der bliche Kasernenzinober(sic), war altbekannt und nichts Neues.
Nachmittags wurde ich vereidigt. Zwar hatte ich beim Tode des
Reichspr"sidenten Generalfeldmarschall von Hindenburg den Fahneneid auf
Fhrer, Reichskanzler und Vaterland geleistet; jetzt also nochmal, aber in einer
anderen Form; mit der Geheimhaltungsverpflichtung.
Mich hatte es an sich schon mehr als stutzig gemacht, als ich zwecks
Eidesleistung im Dienstanzug mit Stahlhelm, zu einem SS-Offizier gefhrt wurde
und dabei einige museum"hnliche R"ume durchschreiten mute, auch sah ich
einen Sarg in einem dieser R"ume stehen, mit groer Glasplatte, indem(sic) ein
menschliches Gerippe lag, aber ich hatte zu sehr auf meine Fe zu achten, denn
meine schweren Stiefel vertrugen sich nicht mit dem glatt gewichsten, gl"nzenden
Fuboden und bei Kurven hatte ich Mhe nicht auszurutschen.
Merkwrdig dachte ich mir; alles sehr merkwrdig. Aber m"glicherweise war der
Stab in einem Museum untergebracht, ging es mir durch den Sinn. Man fand die
Dienststellen in jener Zeit ja an allen Ecken und Enden, wo man sie nie vermutet
h"ttte. Auerdem kam ich von der Truppe und hatte mich um solchen Kram

/29/ AE: 11
nicht zu kmmern. Behandelt wurde ich ohnedies, als sei ich Rekrut, der eben erst
frisch eingezogen war. Und es ist erstaunlich, zu welchem Ma an Leiden,
einem(sic) eingedrillter Kadavergehorsam mit einem geh"rigen Schu Idealismus
gepaart, f"hig macht. Natrlich mu es jedem rechtschaffenen Unteroffizier
schwer, sehr schwer fallen, wenn er im Verein der elf weiteren Stubengef"hrten,
mit denen er zusammenwohnte, von denen nur zwei, ebenfalls gediente
Unteroffiziere waren, der Rest aber eine Kaserne h"chstens vom
H"hrensagen(sic) kannte - allenfalls, auf Grund eines ,Schnellsiederkurses" von
acht Wochen, - Samstag fr Samstag den Boden zu schruppen, die Hocker und
Tische zu scheuern hatte und im Spind nach einer anderen, neuartigen Ordnung
die Klamotten zu legen kamen (sic). Und sich dabei von einem Feldwebel der
,allgemeinen SS" also zivilen SS, der ebenfalls als ,Waffentr"ger der Nation"
seine Dienstzeit noch nicht einmal angefangen hatte, sondern seinen Rang in dem
SD, von der allgemeinen SS, also Zivil SS, mitbrachte, kommandieren zu lassen,
wobei ihm seine herzliche Genugtuung, es den ,Herrn Unteroffizieren von der
Truppe" einmal ,geben" zu k"nnen, auf tausend Meter Entfernung, anzumerken
war.
Es war auch keine Freude, frh morgens im Park des Palais, zum Exerzieren

/30/ AE: 12
anzutreten. Nicht des exerzieren Wegens (sic); dies war im Gegenteil noch das
einzig erfreuliche(sic) an dem ganzen Dienstbetrieb. Nein, das Wurmende und der
nagende Zorn kam daher, da Hanswrste denen selbst die Bedienung an einem
Maschienengewehr(sic) fremd war, Sonntagsexerziermeister der allgemeinen SS
also, uns hier die "desten und bl"desten Bewegungen machen lieen; wir drei
Gedienten der ,Stube zw"lf", wurden durch diese Taktik zwar bis an den Rand
unserer Geduld getrieben; aber wir parierten; wir gehorchten.
Nach wenigen Tagen kam ich dahinter, da ich an der verkehrten Stelle gelandet
war, und ein Abgang zum Reichssicherheitsdienst, nicht gestattet wurde.
Jetzt war der Galeerenstr"fling fertig. Mit unsichtbaren Ketten fhlte ich mich an
einen Karteitrog angebunden und hatte die Aufgabe, im Verein mit einem halben
Dutzend anderer Kameraden, die Freimaurerkartei, aus Zehntausenden von
Karteikasten bestehend, zu schreiben, zu ordnen und einzuordnen.
Der schwerste Kampf, der in diesen Tagen auszufechten war, war der Kampf
gegen den Schlaf.
Man wird einwerfen, ja groer Herrgott, wenn ich irgendwo gegen mein Wollen
mit einer Arbeit, welche mir gegen den

/31/ AE: 13
Strich geht, als freier Mensch, eingespanntt werden soll, da macht man einfach
Schlu damit, oder man ist ein Waschlappen, dem eben nichts besseres gebhrt.
Kaserne na ja, gut und sch"n; da hat man zu gehorchen, da(sic) wei ein jeder.
Aber in einer Kanzlei, in einem Amt, da hau ich einfach auf den Tisch, sage
meine Meinung und wetze aus dem Tempel raus. Noch dazu wenn man
inzwischen ein Kerl von 28 Jahren geworden ist.
Genau dieselben Gedanken hatte auch ich um jene Zeit und mit mir eine Anzahl
meiner Stubengef"hrten.
Aber da waren die G"tter, denen ich ja dienen wollte.
Und die weltanschauliche Schulung, der man uns am Anfange unterzog, brachte
uns noch n"her an sie.
Das Leben des alten Preuenk"nigs, Friedrich des Groen wurde uns in den
lebendigsten Formen, von Meistern auf diesem Gebiete, lebensnahe gebracht.
Volksbindung und Blutsbande in den leuchtendsten Farben idealisiert.
Der Dienst am Volk, der Dienst am Fhrer als ein geheiligtes Privilegium
gepredigt. Fr die Freiheit des Vaterlandes alles hinzugeben, als h"chste
Verpflichtung und freudiges, jederzeitiges Wollen, eingeh"mmert.
Und ich glaubte es; mit allen Fasern

/32/ AE: 14
meines Glaubens, den aufzubringen ich in der Lage war.
So tat ich denn meinen Dienst; Schreibtischdienst, der mir weder physisch noch
psychisch lag; der fr mich eine Qual bedeutete; zu dem ich mich jeden Tag auf`s
Neue selbst k"mpfend besiegen mute, ehvor ich an das befohlene Tagewerk
ging.
(3)
Der Mensch gew"hnt sich an alles, wenn es sein mu. Und nachdem die Macht
der Gewohnheit groe Prozents"tze des Widerwillens an der nichtbehagenden
T"tigkeit verschluckt hatte, die weltanschaulichen Belehrungen einen weiteren
Teil unter den Tisch schlug(sic), blieben relativ nur noch geringe Rckst"nde des
Widerwillens an der Oberfl"che und auch diese wurden alsbald bertncht durch
die nicht ableugbaren Erfolge der Fhrung des Reiches, die sie fr das deutsche
Volk erlangten. Die groe politische Linie sah unsereiner ja nicht.
Auslandsmeldungen durch Presse und Rundfunk gelangten noch nicht zu uns;
dazu waren wir zu geringe Diener an Volk und Staat. Die internationalen
Verflechtungen im politischen Geschen(sic), waren damals auch mir noch
,B"hmische D"rfer".
Aber auch ich sah das Verschwinden der Arbeitslosenarmeen, die Militarisierung
der Rheinlandzone,

/33/ AE: 15
die Wiederherstellung der Wehrhoheit; den frenetischen Jubel der
Millionenmassen, wenn die G"tter sich zeigten. Und meine Verhaftung an diese
war eine stets fhlbarere.
Aber es waren schlielich doch nur irdische G"tter. Bewut und unbewut wehrte
ich mich, ihnen mit meinem allerletzten inneren Ich zu verfallen. Das Vaterland,
die Freiheit, ja.
Bedingungslos!
Die Seele, da(sic) was dann kommt, wenn die Stunde da ist, und diese irdischen
Werte aufh"ren Gegenstand des Hoffens, Glaubens und Wirkens zu sein, dies
behielt ich als ein Privatissimum, ber welches ausschlielich nur ich selbst
entscheiden konnte und wollte. Hier lie ich auch die G"tter nicht heran, so sehr
ich ihnen sonst gl"ubig verfallen war.
Hier war die elterliche Erziehung und die innere Bindung an die von Generation
zu Generation berlieferten Werte noch zu stark, um dem
Einbruchsversuchen(sic) nachzugeben. Hier war ich stur.
Stur wie die neuen schweren Panzer, welche eben zur Hebung der Herzensfreude
und als sichtbare Garanten der Freiheit, in Erscheinung traten.
Stur wie die Kurse der neuen Bombengeschwader, welche unbeirrbar am

/34/ AE: 16
berliner Himmel dahindonnerten.
Meine Bindung an die Kirche! Fast alle meine Kameraden waren l"ngst aus den
Religionsgemeinschaften ausgetreten und wetzten nun den Schnabel in Zoten und
Verleumdungen gegen Kirche und Klerisei.
Und hatten sie Alkohol im Bauch, dann wollte damit einer den anderen, im
Wettstreit mit ihrer Dummheit, bertrumpfen. Natrlich war ich dann stets
besonders eine willkommene Zielscheibe, freilich nicht b"se gemeinten,
Kameradenspottes. Schon in der Kaserne fing es an. Es geh"rte zum neuen Ton,
selbstverst"ndlich den Kirchenaustrittschein zu bringen. Nicht da von seiten der
Obrigkeit darauf gedr"ngt wurde; dies w"re unwahr. Mag sein, da dies im
Parteileben blich war. Bei den SS-Verfgungstruppen und selbst auch im SD-
Hauptamt, war es nicht blich. Aber der Kameradenspott grob, ja saugrob, freilich
landserhaft gutmtig, doch nicht ohne Stachel und Dorn, der sorgte dafr und
auch die Hoffnung auf schnelles Avancement tat das ihre, diese Austrittsscheine
im allgemeinen baldigst zu holen.
Bei der Truppe hatte ich dieser halb bald Ruhe.
Denn wie es unter jungen Menschen schon einmal so blich ist, z"hlte alles
andere oftmals nicht halb so viel,

/35/ AE: 17
wenn der Betreffende ein guter Sportler ist.
Das gefrchtete Ger"t in jener Zeit, war die Eskladierwand. Eine zwei Meter und
einiges, hohe und starke Bretterwand, ber die es in mehr oder weniger eleganter
Weise hinber zu wetzen galt. Hier arbeiteten die Hintern, Knie und Fuspitzen,
verzweifelt mit der Muskulatur der Arme, um die runden 70 Kilogramm
Landserlebendgewicht, auf die andere Seite zu bef"rdern.
Die ,Taugenichtse" gingen in das Vermerkbuch des ,Spie"; zwecks
Dienstleistung in der Kche zum verhaten Kartoffelsch"len, zum
Abortbrillenputzen, denn gelernte Optiker gab es stets nur sehr wenige, oder gar
keine, und diese T"tigkeit wurde dann meistens von diesen Nichtsk"nnern
verlangt, wenn die brige Kompanie Ausgang hatte, und mit Fr"ulein Braut in`s
Grne abhauen konnte.
Ich hatte den Vorzug - in jener Zeit hatte ich noch eine turnerische und sportliche
,Ader" - mhelos und sogar elegant ber jene Wand zu kommen und wurde
auszeichnungshalber, zwecks leichter Hilfeleistung, welche nur mit Fingerspitzen
gegeben werden durfte, vom Kompaniechef abgestellt. Dies war eine bliche
Erleichterung.

/36/ AE: 18
Aber in der Regel hatten die Hilfeleister ihre allergr"te Freude an einer
Behinderung und Erschwerung, statt umgekehrt. Dies geh"rte ebenfalls zum
allgemeinen ,Flachs" und Ulk. Freude auf Kosten anderer. Ja, das Kasernhofleben
war eben rauh aber herzlich. Ich leistete damals in Wahrheit, vorzgliche
Hilfestellung. Es gengte meist ein leichter Druck auf eine der in der Luft
herumorgelnden Hinternbacken, und der Kerl war drber. Das Znglein an der
Wage(sic) gewissermaen. Und da gerade Samstag vormittag war und der
Stabsfeldwebel keine Notierungen zu machen hatte, kamen die Herren der
Kompanie alle mit ihren geehrten Br"uten zu ihrem Wochenendvergngen.
Ich wurde seit damals, so wenig die Motive selbst auch zusammenhingen, in
religi"sen Dingen nicht mehr bel"stigt.
Als ich 1935 Hochzeit machte, fand diese in der evangelischen Kirche zu Passau
statt; in Uniform.
Hier freilich versuchten meine damaligen Vorgesetzten zu intervenieren und
wiesen auf die Unm"glichkeit hin.
Aber die Panzer waren ja auch stur. -
Erst im Herbst 1937, ich war jedenfalls schon seit einer kleinen Ewigkeit
Hauptfeldwebel, trat ich ohne Druck oder Zwang, aus freien Stcken und in voller
berlegung aus dem evangelischen Religions-

/37, 38/ AE: 19
Verband aus und bezeichnete mich ab dieser Zeit, als ,gottgl"ubig". Daran hat
sich bis heute nichts ge"ndert. Ich wurde weder ein Kirchenfeind, noch war ich je
antiklerikal. Ich sah die Notwendigkeit religi"ser Gemeinschaften aus ethischen
und aus Grnden der Erziehung als wichtig an, aber ich wollte frei und ohne
kirchliche Bindung im Verkehr zwischen meinem Herrgott und mir sein.
Auerdem widerte mich der seinerzeitige Kampf innerhalb der evangelischen
Kirche so an, da ich nichts mehr von ihr wissen wollte. Die eine Seite war Feuer
und Flamme fr die neuen G"tter und ihr Tun; die andere Seite bek"mpften sie
auf Tod und Teufel.
/Der folgende Abschnitt ist gegenber von S. 17 nachtr"glich notiert, geh"rt
offenbar hierher:
Nicht die Tatsache des Kampfes gegen den damaligen Staat selbst war es, der
mich zur Distanzierung zwang, als vielmehr die berlegungen, ,da es kaum
g"ttlichen Wnschen entsprechen mochte", wenn seine verordneten Diener sich
derart eifernd und gegenseitig verunglimpfend, in irdische Belange einlieen und
sich gegenseitig ,in die Wolle" bekamen. Hinzu kamen meine Zweifel in
glaubensm"iger Hinsicht, die ich an anderer Stelle noch einmal streife./
Da lobte ich mir damals die r"misch-katholische Kirche; sie holte ihren
Wertmastab erst gar nicht aus der Kiste. Sie war gewohnt in Jahrhunderten zu
denken, zu messen und zu w"gen. W"re ich damals Katholik gewesen und nicht
Protestant, ich w"re stur als solcher im Kirchenverbande geblieben. Man hatte
sich ja schon seit drei langen Jahren daran gew"hnt gehabt, da ich einer der ganz
wenigen, wenn nicht der einzige war, der hier so lange stur blieb. Freilich mu ich
einschr"nkend hinzufgen, da ich auf der anderen Seite aber auch in keiner

/39/ AE: 20
Form etwa missionierend oder sonst irgendwie predigend t"tig geworden bin.
Solches h"tte ich nie und nimmer getan. Ich verteitigte(sic) ausschlielich meine
eigene pers"nliche Stellung zu den mir anerzogenen Werten und berlieferungen;
bis auf den Tag, an dem ich aus eigener Erkenntnis, die Dinge in einer mich
innerlich befriedigenderen anderen Helle sah.
Ja, und wie war es mit der Judenfrage in jener Zeit und wie stand ich zu ihr.
Als ich im Herbst 1934 in das SD-Hauptamt versetzt wurde, gab es dort berhaupt
noch kein Referat und keinen Sachbearbeiter, der sich mit Juden zu besch"ftigen
hatte. Dies war erst im Laufe des Jahres 1936 der Fall.
W"hrend des Prozesses, und zwar innerhalb des etwa 10 Tage dauernden
Kreuzverh"res, frug mich einer der drei Richter, oder war es der
Generalstaatsanwalt, bezglich meiner seinerzeitigen Einstellung zum Programm
der ,Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter Partei", ob es mir bekannt
gewesen sei, und ich doch zweifelsohne gewut haben mute, da diese Partei
den Kampf gegen das Judentum, als einen nicht zu bersehenden Faktor ebenfalls
auf ihr Panier geschrieben hatte; also mte ich doch auch Antisemit gewesen
sein.
Ich konnte diese Frage sehr einfach und wahrheitsgem" beantworten, indem ich

/40/ AE: 21
sagte, da ich den Judenprogrammpunkt wohl gekannt habe, doch niemals
Antisemit war. Nun, diejenigen der israelischen Polizeibeamten, mit denen ich
w"hrend der Voruntersuchung laufend zu tun hatte, kannten die n"heren
Umst"nde, die mich berechtigten, eine solche Antwort zu geben. Auch mit einem
Psychiater unterhielt ich mich ber diese Frage. Es ist blich, da Angeklagte in
gr"eren Prozessen im Laufe der Voruntersuchung sich mit solchen Fach"rzten
zusammensetzen, der(sic) dann auf Grund der Unterhaltung, seine Teste macht.
Diese Unterhaltung setzt natrlich eine freiwillige Bereitschaft seitens des
Angeklagten voraus, denn sonst w"re der Test ja schlielich auch wertlos.
Nun, ich will zu dieser Frage jetzt auch hier Stellung nehmen; und ich mu auf
eine kleine Sekunde in mein Elternhaus zurckgehen.
Meine erste Mutter starb sehr frh; mein Vater heiratete zum zweiten Mal. Er
mute es, denn wir waren fnf kleine Kinder und es gab mit den
Wirtschafterinnen, K"chinnen und Stubenm"dchen, die in einer zweij"hrigen
,mutterlosen" Zeit den Haushalt meines Vaters zu fhren hatten viel rger. Wie
es schon so geht. -
Mit der zweiten Mutter, die selbst keiner jdischen Familie entstammte, kam aber
jdische Verwandtschaft in unsere Familie.

/41-42/ AE: 22
Tanten, Onkel, sp"ter Cousinen. Wenn man klein ist, dann w"chst man
automatisch in seine Umgebung hinein. Unsere Familie, nicht nur die engere, ich
meine die gesamte Sippschaft, geh"rte zu den seltenen Familienverb"nden, von
denen man behaupten konnte, da niemand dem anderen seine W"sserchen trbte.
Es war ein fr"hliches, herzliches Verbundensein ohne Arglist, Lug oder Trug.
Egal, ob Jude, jdisch versippt oder Nichtjude.
/1. Zusatz von Seite gegenber: Meine Eltern und damit meine Familie war weder
judenfreundlich, noch judenfeindlich. Das Problem als solches, war eben ein
v"llig Familienfremdes gewesen; es stand niemals in irgend einer Form zu(sic)
Debatte./
Mein alter Herr selbst hatte u.a. auch Juden zu Freunden.
/2. Zusatz von Seite gegenber: W"ren es keine Juden gewesen, w"ren sie auch
befreundet gewesen. Mein Vater kmmerte sich um diese Dinge ebensowenig,
wie etwa, was es am Abend zu essen g"be./
Ich erinnere mich noch des jdischen Hopfenh"ndlers Taussig aus Urfahr bei
Linz. Ich glaube es war der Nachbar unseres damaligen Gartens am Hang des
P"stlingbergs. Und wir Kinder kamen zur Erdbeerzeit aus unserem Garten in
Taussig`s Gehege und schnabelten dort, mit seinem Einverst"ndnis und
Einladung, allm"lig(sic) die Erdbeerbeete leer, nachdem unsere schon l"ngst von
uns Kindern abgeerntet waren.
Ich war noch ein sehr kleiner Lausbub, aber ich erinnere mich zu genau, eines
anderen jdischen Freundes meines Vaters, der mir, war er Gast meiner Eltern,
auf dem Flgel stets sehr feurig die Marseillaise vorspielte /3. Zusatz von Seite
gegenber: und vorsang ,Allons enfants de la patrie"./ Er war gebrtiger
Franzose, aber l"ngst

/43/ AE: 23
naturalisierter sterreicher. In der Volksschule kam ich neben einem Juden zu
sitzen; wir wurden Freunde. Ich in seinem Elternhaus, wie das schon so geht, er in
dem meinen. Die Freundschaft hielt eigentlich lange an. Genau gesagt, bis wir uns
aus den Augen verloren, durch meinen Abgang von Linz a/Donau, im Jahre 1933.
Eingemale trafen wir uns auch auf der Reise, letztmalig in Grnau im Almtal, bei
einem Raseur. Es machte ihm offenbar nichts aus, da ich das Abzeichen der
NSDAP angesteckt hatte und mir machte es nichts aus, da er Jude war. Im
Gasthof tranken wir unser Getr"nk und kmmerten uns den Teufel ob Jude oder
Nichtjude. /6 Zeilen gestrichen, noch lesbar: Mein Religionslehrer, der
evangelische Pfarrer Tiebel in Linz, ein Junggeselle aus Ostpreuen, erz"hlte uns
w"hrend des Religionsunterrichts oftmal von seinem Amtsbruder - wie er ihn
nannte - dem Rabbiner in [Ortsname]./ Noch als SS-Obersturmbannfhrer, kte
ich sehr herzlich meine halbjdische Cousine, die mich mit ihrem Vater in Berlin
auf meiner Dienststelle besuchte und man brach am Abend in einer netten
Weinstube in Berlin, einigen netten Flaschen den Hals.
Und warum sollte ich meine bildhbsche

/44/ AE: 24
zwanzigj"hrige halbjdische Cousine nicht ken, sagte ich zu meinem
,st"ndigen Vertreter", dem SS-Sturmbannfhrer Gnther; so was kann doch
unm"glich Reichsverrat sein. Er hatte diesbezglich strengere Auffassungen.
In Budapest hatte ich auch entfernte Verwandte sitzen. Meine dortige Cousine,
eine Psychiaterin, war mit einem jdischen Schuhindustriellen verheiratet, von
dem sie aber geschieden war und just um die Zeit, als ich 1944 nach Budapest
befohlen wurde, war sie mit einem jdischen Dozenten an der Universit"t
Budapest, verlobt.
Gemeinsam tafelten wir zu Abend. Meine Tante, meine Cousine, ihr jdischer
Verlobter und ich in der Uniform eines SS-Obersturmbannfhrers. So, wie es mir
mit den Juden in der Verwandtschaft meiner zweiten Mutter erging, "hnlich
erging es mir mit der Verwandtschaft meiner Frau bezglich der Cechen. Ich
feiere brigens in wenigen Tagen hier im Gef"ngnis in Israel, den dreiigsten
Jahrestag unserer Verlobung; seit 26 Jahren bin ich verheiratet.
Die Verwandtschaft meiner Frau besteht aus Cechen und ehemaligen
sterreichern, also B"hmen mit der Muttersprache Deutsch. Seit 1648 ist ihre
Familie in

/45-46/ AE: 25
Sdb"hmen ans"ig gewesen. Und ein Holzbalken im Hofe zeigt eine noch
frhere Jahreszahl.
Als ich dienstlich im Jahre 1939, nach Prag versetzt wurde hatte ich genau
dasselbe herzliche Zusammenleben mit meinen cechischen Schw"gern, es waren
die Ehem"nner der Schwestern meiner Frau, wieder aufgenommen. Der eine
davon war w"hrend der Zeit des(sic) cechoslovakischen Republik
Artillerieoffizier gewesen, der andere zur Zeit der Besatzung durch uns, aktives
Widerstandsmitglied und Kommunist. Seine Tochter, meine Nichte also, studierte
irgendwann nach 1945, Welthandel in Moskau.
Ich wei, da meine beide Schw"ger glhende cechische Patrioten waren und ich
achtete ihren Nationalismus. Ich h"tte mir eher die Zunge abgebissen, als das(sic)
ich sie angezeigt h"tte, oder selbst eine Verhaftung vornahm, zu der ich berechtigt
gewesen w"re. Die verwandtschaftlichen Bande waren st"rker als die zu meinen
G"ttern; obgleich sie auch durchaus nicht schwach waren.
Ich hate weder den Cechen, noch den Juden, noch irgend jemanden anderen.
/Zusatz von Seite gegenber: Ich hatte auch nie von irgend jemanden(sic)
pers"nliches Leid erfahren./
Die ganze Erziehung die ich geno feite mich darber hinaus vor solchen
Gefhlen. Ich kannte sie nicht. Ich lebte in einer Welt, die gegens"tzlich
beispielsweise von der, junger Corpsstudenten der schlagenden Verbindungen

/47/ AE: 26
war. Hier n"hrte(?) diese, der Geist eines Ritter von Sch"nerer mit seinen
antisemitischen Ges"ngen und Predigten. Hier wurde das Wort Arier, betont und
deutlich ausgesprochen, ein Wort, welches erst sp"t, sehr sp"t berhaupt in
meinen Wortschatz gelangte.
H"tte ich nicht innerhalb eines solch innigen und herzlichen Familienverbandes
gelebt, ein Verband, zu dem sich dann die Familien meiner Frau hinzugesellten,
m"glich da auch ich von solchen Gedankeng"ngen angesteckt worden w"re.
Aber ich wurde es nicht und dies ist entscheidend.
/zweieinhalb Zeilen unleserlich gemacht/ Als in Linz einmal Pfadfinderfhrer, von
irgendeiner Tagung kommend in unserem sch"nen Landeshauptst"dtchen einige
Tage verweilten und die einzelnen ausl"ndischen Pfadfinder auf Brgerfamilien
aufgeteilt wurden, da brachte mein Vater einen franz"sischen Pfadfinderfhrer als
Gast mit nach Hause. Ich sprach um jene Zeit - genau wie mein zweit"ltester
Bruder Emil - recht ordentlich franz"sisch, da unsere Mutter, ein gutes
franz"sisch und englisch sprach und uns durch Conversation, die Sprache
mhelos eintrichtern wollte.
Dieser junge Franzose war ein pr"chtiger

/48/ AE: 27
Mensch und ich fhlte mich nach Art der Halbwchsigen glcklich, ihn zum
Freunde gewonnen zu haben. Wir verlebten gemeinsam frohe unbeschwerte Tage,
schwelgend in Romantik, Bubenfreundschaft und P"stlingbergroseng"rten und
tauschten unsere bndischen Lieder aus dem ,Zupfgeigenhansel" des
Wandervogels, und aus anderem aus. Und sp"ter, als auch fr mich die Franzosen
mit die Verk"rperung von Versailles schlechtwege wurden, selbst da gelang es
keiner Macht, in mir auch nur die leisesten Hagefhle gegen auch nur irgend
einen Franzosen als solchen zu erzeugen.
Und ich lernte eigentlich schon recht frh, da das Einzelindividuum keinesfalls
zu identifizieren ist mit Nation oder Glauben oder gar Politik.
Die Worte Rasse, Volkstum und "hnliche gelangten gleichermaen erst sp"t in
meinen Wortschatz, so wie ich es bezglich des Wortes ,Arier", schon feststellte.
Und auch da, klassifizierte ich das Verh"ltnis zwischen dem Individuum und den
fr mich neuen Begriffen nicht anders, als wie ich es bis dahin zwischen
Individuum und Nation tat.
Selbstverst"ndlich bin ich kein Heiliger; als w"hrend des Krieges der
Bombensegen ganze Stadtviertel in Null komma Nichts in Schutt und Asche legte,
und tausende Deutscher verreckten und ver-

/49-50/ AE: 28
kamen, verschmorten und zerrissen wurden, da habe auch ich in der Hitze-
Leidenschaft ungez"hlte derbe und derbste Flche gegen die Bombenwerfer vom
Stapel gelassen.
Auch ich bin kein Heiliger und habe als die Israeler mit den Franzosen und
Engl"ndern gypten angriffen in der Hitze der durch die Presse entfesselten
Leidenschaften, derbe und derbste Worte gegen die Angreifer gebraucht. Ich bin
nicht anders als andere auch. Aber dies ist eben eine Reaktion die ausgel"st wird,
der man sich je nach Temperament hingibt und die dann mit Worten ihr Ende
findet. Dies bezieht sich weder auf den einzelnen Engl"nder, Franzosen, Juden
oder Nordamerikaner; weder auf den einzelnen Ruen, Polen, Jugoslawen, noch
auf einzelne andere.
Sie ist - es kommt mir jedenfalls so vor - irgendwie natrlich; denn nur kranke
oder teilnahmslose Menschen, oder der Weise, die sind gefeit von(sic) diesen
menschlichen Schw"chen; andere nicht, besonders dann nicht, wenn sie
/Fortsetzung gestrichen und ersetzt durch Zusatz von Seite gegenber: anl"lich
der Beispiele die ich nannte, durch Zerst"rung praktisch, und durch die Presse
knstlich, in einem erweckt, ausgel"st werden./
So also konnte ich sagen, ich bin nie ein Antisemit gewesen, denn es stimmt. Und
w"hrend der sogenannten Kampfzeit der NSAP, nahm weder ich, noch die mir
geistig verwandten Meinesgleichen, den Judenbek"mpfungsprogrammpunkt der
Partei auch nur im leisesten ernst. Ja,


/51/ AE: 29
man beachtete ihn nicht einmal. Seinetwegen fhlte man sich ja auch in gar keiner
Form mit der Partei verbunden. Die Anziehungspunkte lagen, wie ich schon sagte,
auch fr mich, auf einem ganz anderen Sektor. Wenigstens war es so im
"sterreichischen Bergland. Ich beachtete ihn ebenso wenig und er war fr mich
ganz genau so bedeutungslos, wie die ,Bek"mpfung" der Kirche und Klerus.
------- ----------
Dies also war mein Ich, als ich meine Anfangszeit im SD-Hauptamt zu Berlin
verbrachte.
Unverbildet, unkompliziert, nicht faul und nicht fleiig; und eine derbe
Kasernenhofschale nach auen, schtzte mein Innenleben.
Zwar war meine T"tigkeit nicht nach meinem Geschmack, aber die steten
weltanschaulichen Hinweise auf Eid und Verpflichtung, lieen in mir nach und
nach keine anderen berlegungen mehr aufkommen.
Ich gehorchte und blieb meinen G"ttern verbunden, indem ich mich befehlen lie
und gegen den Stachel nicht l"ckte.
-(4)-
Ein halbes Jahr nach meiner Versetzung nach Berlin, heiratete ich. Seit dem 15.
August 1931, war ich verlobt und die Hochzeit fand am 21. M"rz 1935 in Passau
statt.
Bis der M"belwagen meiner Frau aus der

/52/ AE: 30
Cechoslowakei nach Berlin kam, und die Zoll- und sonstigen Formalit"ten
erledigt waren wohnten wir - es waren etwa drei Wochen - in einer Pension und
bezogen dann ein nettes, kleines, einstockhohes Einfamilienh"uschen mit Garten,
in dem es sich ruhig und gemtlich leben lie.
Tagsber schob ich meinen Dienst, mit der Gleichf"rmigkeit eines Uhrwerks und
Abends und Wochenende arbeitete ich im Garten oder wir rekognoszierten und
inspizierten in Berlin und n"here Umgebung herum.
Ich lie mir ber einen Kameraden manches F"lein guten Pf"lzerweines aus
seinem Heimatgau kommen. Und je nach Witterung und Jahreszeit, verdrckte ich
manches Tr"pflein unter dem Schatten einer japanischen Blutbuche oder
innerhalb des geschmackvollen Mobiliars, dem Ausstattungsgut meiner Frau, im
Living(?). Ab dem Augenblick der Dienst fr mich vorbei war, lie ich die G"tter
sein, wo sie waren und mein ausschlieliches Interesse galt dem famili"ren
Beisammensein.
Meine dienstliche T"tigkeit war auch - wie ich zu sagen pflegte - zum
Knochenkotzen. Tausende von Freimaurersiegeln und Mnzen mute ich
katalogisieren und einordnen; meine kmmerlichen, allerletzten Lateinreste
feierten in jener Zeit noch einmal fr"hliche Urst"nd. Mein Chef war

/53/ AE: 31
ein dienstgradgleicher, verbummelter Student an der Berliner Universit"t und
selbst Berliner; ungedient und nie bei der Truppe gewesen; aus der zivilen, bzw.
allgemeinen SS, kommend.
Er war als ,Museumdirektor", als Referent des Freimaurermuseums in der
Wilhelmstrae 102 t"tig, und ich war ihm als einer seiner ,Sachbearbeiter"
zugeteilt worden. Viel Wrdezeigen und Dreischrittvomleibetaktik waren die
hervorstechensten(sic) Eigenschaften des ,Direktors", und wir Kasernhofblten
nahmen ihn gewaltig auf die Schippe. Besonders, wenn er mit tierischem Ernst
seine surrealistischen ,halbverwesten" Leichen aus Modellierpaste formte und sie
mit berdimensionalen Wrmern und Asseln garnierte. Und war ihm solch ein
Prunkstck gelungen, dann hinein in einen Sarg und aufgestellt, zur Schau; etwa
in den ,Andreassaal".
Und Professor Schwarz-Bostaunitzel, der stocktaube ehemalige Verteitiger(sic)
am Appellationsgerichtshof in Kiew, zur Zarenzeit, und nunmehrige Leiter der
Abteilung Freimaurerei des SD-Hauptamtes machte mit dem donnernden Ba
seiner Stimme und in seiner deutsch-russischen Aussprachsweise, die offiziellen
Besucher des Museums anl"lich der Fhrungen durch dieses, mit kurzem
Hinweis auf die ,Geschmacklosigkeit und das Verworren-Dekadente der
freimaurerischen Geistesverbildung" aufmerksam; nicht ohne

/54-55/ AE: 32
bissigen Nebenbemerkungen, wobei durch pl"tzliches Kopfheben sein spitz
auslaufender Knebelbart wie eine Parallele, zur Decke und Fuboden gebracht
wurde und gleichsam als kleiner Keil von ihm abstand: ,und so etwas waren dann
Studienr"te und Studiendirektoren, verantwortlich fr die Erziehung unserer
Kinder", war sein sarkastischer Abschlu und seine /Fortsetzung auf der Seite
gegenber: Physiognomie erinnerte stark an einen eifernden babylonisch-
assyrischen Priester./
Ich sah, wie hier b"ser Heck-Meck getrieben wurde, um die Freimaurerei ad
absurdum zu fhren und dachte in meinem Sinn, na, wenn sie nichts anderes
finden und Wurmkram und Leichen mit Ton und Modellin pr"parieren men,
dann scheint mir nicht viel dahinter zu sein. Ich hatte das Wort Freimaurerei zum
allerersten mal genau am 1. 4. 1932, geh"rt. Ich meine, wissentlich zum ersten
mal geh"rt, und das kam so:
Ich wurde durch Kollegen so etwa Anfang 1932 als Gast der Linzer ,Schlaraffia"
im ,Vereinshaus" zu Linz eines Ortsverbandes der sogenannten ,Allmutter-
Praga" eingefhrt. Kaufleute, rzte, Rechtsanw"lte, Knstler usf. z"hlten zu ihren
Mitgliedern. Der Brauch dort war witzig und das V"lkchen war harmlos-humorig.
Narrenkappen"hnliche Kopfbedeckungen, mit vielen Orden und
Verbandsauszeichnungen, zierten die K"pfe der Mitglieder. Einen ausgestopften
Vogel, einen Uhu, der in einer Ecke, auf bevorzugtem Platze aufgestellt war,
mute man beim

/56/ AE: 33
Eintritt, die H"nde ber die Brust gekreuzt, und sich verneigend, begren. Ein
Erzmarschall leitete den offiziellen Teil des Beisammenseins und Klavizimbel
hie das Klavier. Na, wie ich schon sagte, harmlos-fr"hlich; Jude wie Christ saen
hinter Bier und Wein, das heit man h"tte nicht gewut wer Jude war, wer Christ,
aber in so einer kleinen Stadt, kannten ja viele, Viele.
Am 1. 4. 1932 trat ich in die SS ein. Der damalige SS-Oberscharfhrer Dr. Ernst
Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in der Kanzlei nach seinem Vater, war schon eine
bedeutende Pers"nlichkeit innerhalb der "sterreichischen NSDAP. Er wollte
wissen, ob ich in irgendwelchen Vereinen oder Verb"nden w"re, wenn ja in
welchen und warum.
Und ich sagte ihm, da ich als Gast bei den Schlaraffen verkehre. Raus aus dem
Freimaurerhaufen, das ist eine ganz gef"hrliche Bande, sagte er mir. Nun er war
damals noch nicht Chef der Sicherheitspolizei und des SD, noch kein General der
Polizei und der WaffenSS, und noch nicht Mitglied des Reichstages. Ich konnte
ihm daher sagen, von der Freimaurerei wte ich nichts, da ich davon bisher nie
etwas geh"rt h"tte, aber eine gef"hrliche Bande ist es ganz bestimmt nicht, so viel
wte ich inzwischen sehr genau. Kaltenbrunner und ich kannten uns schon viele
Jahre von der Strae her.

/57/ AE: 34
Man grte sich und sprach, so wie es der Tag und die Stunde mit sich brachte.
Unsere V"ter hatten gesch"ftlich "fter miteinander zu tun.
Aber ich kann die ganze Sache kurz abtun, indem ich erkl"re, da auf mein
weiteres Kommen als Gast bei der ,Schlaraffia" Linz gerade um diese Zeit herum
kein Wert mehr gelegt wurde, weil ich in vorgerckter Stunde und in vorgerckter
Laune, den ebenfalls um jene Zeit in vorgerckter Laune befindlichen
ober"sterreichischen humoristischen Schriftsteller Franz Resl, im Rosenstberl zu
Linz auf eine Flasche Wein eingeladen hatte. Er war Erzschlaraffe, ich war nur ein
lausiger Gast; ich war damals 26 Jahre alt und er so zwischen fnfzig und sechzig;
ich war ein Niemand, er aber war ein bedeutender Schriftsteller; wenn auch ber
sterreichs Grenzen hinaus eigentlich wenig bekannt. Aber trotz allem: diese
meine Frechheit berstieg den Rahmen des Gewohnten. Dies war mein erstes
Erlebnis mit der ,Freimaurerei".
-(5)-
Obwohl also der Antisemitismus in einem der Parteiprogrammpunkte fixiert
wurde, blieb ich demgegenber unempf"nglich; nicht einmal aus Wissen oder
Wollen, sondern ganz einfach aus dem Grunde, weil er nicht zu meiner
Vorstellungswelt geh"rte, und weil ich nichts mit ihm anzufangen wute.

/58/ AE: 35
Zum vielen Bcherlesen hatte ich es in jenen Jahren nicht gebracht. Sehr zum
Kummer meines Vaters. Mit irgendwelchen ,ismen" hatte ich mich aus Indolenz
nicht auseinander gesetzt; und pers"nlich hatte ich keine Feinde; weder Juden
noch Nichtjuden.
Die Gnthersche Rassenlehre habe ich bis zum heutigen Tage nicht gelesen,
ebenso wenig den Rosenberg'schen ,Mythus des 20. Jahrhunderts" oder Mathilde
Ludendorff. Dem Mystizismus war ich nie verfallen. Fr mich haben bis zur
Gegenwart weder die klar"ugig-nordischen Rassevertreter das Licht, noch die
dunkel"ugigen Semiten die Finsternis oder umgekehrt verk"rpert. Ich habe
solches stets fr einen ausgesprochenen Kohl gehalten und halte solches noch
immer dafr.
Freilich, in dieser Vorstellung whlten und bohrten Himmler und andere. Auch
kleine Diener, wie besagter Professor Schwarz-Bostaunitzel, schwelgte in seiner
mystischen Vorstellungswelt und pendelte in seinen verschiedenartigen
geometrischen Figuren herum, um einem diese ganze Angelegenheit nach Art der
alten Alchimisten schmackhaft zu machen. Seine Diagramme, seine Pentagramme
und Hexagramme, dargestellt in den verschiedenartigsten Formen und
Bedeutungen geschmckt mit Dutzenden von weiteren Symbolen, fanden in
meinem wein- und bierfrohen Soldatengemt keinen Platz. -
Als ich um jene Zeit im SD-Hauptamt war, hatte Himmler einem solchen
modernen Alchimisten

/59/ AE: 36
in dem Park, in dem wir unsere morgendlichen Exerzierbungen absolvierten, ein
kleines Laboratorium eingerichtet. Er sollte darin Gold machen. Angeblich konnte
er es. Dieser Goldmacher hie merkwrdigerweise Tausend.
Himmler war auf dem Wege, die SS zu einem Orden mit besonderem Brauchtum
zu formen, in dem sich Gedankengut der alten Germanen mit dem des Deutschen
Ritterordens, Materialismus, Romantik, Gottgl"ubigkeit und anderes mehr
mengte. Die Brauer dieses Gemisches saen im SS Rasse- und
Siedlungshauptamt, und von dort aus wurde dieses Geistesgut in den Orden
gepumpt. -
-(6)-
Im Jahre 1936 sprach mich ein SS-Untersturmfhrer von Mildenstein an, der seit
kurzer Zeit ebenfalls im SD-Hauptamt t"tig war. Er hatte eine Judenabteilung
eingerichtet und suchte nun Personal, um seine Sachgebiete zu besetzen. Er
erz"hlte mir, da er Diplom Ingenieur von Beruf sei, in Pal"stina gewesen w"re
und nun noch einen Sachbearbeiter gen"tige, ob ich Lust h"tte. Ich hatte Lust. Ich
h"tte alles angenommen um jene Zeit, wenn ich dadurch nur von meinen
verdammten Mnzen und Siegeln, die mir schon beim Halse heraushingen,
fortgekommen w"re.
Und so kam ich fort.
Die Abteilung hie II 112; der Hauptabteilungschef blieb derselbe wie bisher,
infolgedessen war die Personalabteilung des SD-Hauptamtes nicht erst gro zu
befragen, sondern es brauchte

/60/ AE: 37
ihr lediglich eine formlose Ordnungsmeldung gemacht werden.
Herr v. Mildenstein hatte sich die Bearbeitung der Zionisten vorbehalten, ich hatte
die jdische Orthodoxie und ein dritter Mann die Assimilanten zu bearbeiten.
Dazu kamen noch drei Hilfskr"fte, als Schreiber und Aktenschieber. Herr von
Mildenstein leitete das Ganze. [1]
Meine erste T"tigkeit in diesem neuen Laden, war das Lesen eines Werkes von
Adolf B"hm. Es war eine ausfhrliche Schilderung des Wirkens und Wollens der
Zionistischen-Weltorganisation.
Ich sollte eine Kurzdarstellung des Inhaltes herausarbeiten.
Dies war meine erste bewute Kontaktaufnahme mit dem Judentum.
Mildenstein war ein liberaler und toleranter Geist; fern allem Fanatismus,
Mystizismus und Radikalismus; und aus der Znaimer Gegend, aus M"hren,
stammend; er war stets freundlich, ruhig, und hatte ein mildes Gemt. Er sah die
Judenfrage nicht vom rassischen und nicht vom religi"sen Standpunkt, sondern
einzig und alleine von der politischen Warte aus. Er war mein erster und zugleich
mein bedeutenster(sic) Meister und Lehrer auf diesem Gebiet und seine
Anschauungen von den Dingen habe ich mir zu eigen gemacht, da sie mich
beeindruckten und berzeugten. Ich habe diese Anschauung bis zum Ende
beibehalten.
Leider schied von Mildenstein bereits nach einigen Monaten aus. Er war einer der

/61-62/ AE: 38
wenigen, dem es gelang. Freilich, sein Beruf kam ihm dabei zu Hilfe, sonst w"re
es sicher nicht gegangen. Er war Straenbaufachmann; als solcher erhielt er den
Befehl, in Nordamerika die Autobahnen zu studieren. Als er von seiner
Studienreise zurckkam, wurde er von irgend einem anderen Ministerium
vereinnahmt, da um jene Zeit der Reichsautobahnbau, mit aller Macht
vorangetrieben werden mute.
/Abschnitt gestrichen, noch lesbar: Seine Stelle als Abteilungsleiter bernahm ein
junger Mann, der aber bereits nach kurzer Zeit zu(sic) Milit"r eingezogen wurde
und mit der bernahme der Judenabteilung im SD-Hauptamt durch Wisliceny,
und sp"ter durch Six kam auf l"ngere Zeit eine gewisse Stabilit"t in den Laden./
/ersetzt durch Zusatz von Seite gegenber: Es wechselten dann in der Folgezeit
kurz hintereinander die Abteilungsleiter. Jeder hatte sein eigenes System soeben
als gltige Norm von sich gegeben, schon war er wieder abgel"st und ein anderer
trat an seine Stelle. Schlielich bernahm Prof. Dr. Six die Zentralabteilung und
setzte einen seiner Vertrauten als Leiter der Abteilung ,Judentum", ein./
Es wurde im Laufe dieser Zeit mit der Anlage von Sachakten begonnen, eine
Sachkartei wurde aufgestellt, eine Generalaktenhaltung aufgezogen und laufende
Berichterstattung fr die Vorgesetzten, bildete die Hauptarbeit, der wir
nachzukommen hatten. Dem Berichterstattungswesen, waren alle anderen
Arbeiten unterzuordnen.
Himmler und Heydrich men in jener Zeit auf ihren Nachrichtenapparat, dem
SD-Hauptamt, sehr stolz gewesen sein. Ein mir vorliegendes Dokument aus jener
Zeit, zeigt die stattgefundenen Besichtigungen auf, und man ersieht, da



/63/ AE: 39
die Dienststelle innerhalb weniger Tage von 150 Offizieren der Kriegsakademie
besucht wurde, da Heydrich den(sic) Reichsauenminister v. Ribbentrop das SD-
Hauptamt zeigte, ferner sind 150 Offiziere des Reichskriegsministeriums
verzeichnet sowie der Besuch des Chef(sic) der jugoslawischen
Geheimpolizei. [2]
In jener Zeit bestand meine Hauptarbeit im Lesen von Fachzeitungen und
Zeitschriften sowie im Verdauen der einschl"gigen Werke. In rauhen Mengen
lagen die Zeitungen auf und ich "rgerte mich jedesmal, wenn ich die in
hebr"ischen Lettern gedruckten jiddischen Zeitungen sah, denn die konnte kein
Mensch lesen. Also ging ich eines Tages daran und kaufte mir in einer
Buchhandlung ein Lehrbuch zum Studium der hebr"ischen Sprache. ,Hebr"isch
fr Jedermann" hie es und ein gewisser Samuel Kaleko hatte es verfat. Nach
einem Jahr Selbststudium kam ich nicht mehr zgig weiter, auch war mir das
Alleinebffeln l"ngst zu langweilig geworden und ich suchte auf dem Dienstweg
um die Genehmigung nach, die weitere Unterrichtserteilung durch einen
Rabbiner, gegen ortsbliches Stundengeld von drei Reichsmark, zu gestatten.
Offenbar aus politischer Sorge, wurde mir diese Genehmigung nicht erteilt.
M"glicherweise w"re der Bescheid ein positiver gewesen, wenn ich gesagt h"tte,
dann sperrt man

/64/ AE: 40
eben einen Rabbiner solange ein, bis er mir die Sprachte vermittelt hat. Es wurde
ja in der damaligen Zeit durch die Geheime Staatspolizei am laufenden Bande
eingesperrt. Aber mir kam nicht einmal die Idee zu einem solchen Tun,
geschweige denn, da es mir ein Vergngen bereitet h"tte, auf diese Art und
Weise, mir fehlendes Wissen zuzulegen. [3]
-(7)-
Jedes Jahr einmal, im Herbst, hielten die G"tter Heerschau. Sie stiegen von ihrem
Olymp herab und zeigten sich in breiter Front den Massen, die sie aufboten.
Milit"rparaden, Paraden der SA u. SS, Aufm"rsche der anderen
Parteiorganisationen. Konferenzen, Kongresse, Resolutionen, Ansprachen und
Paroleausgabe. Die Fhrung teilte ihren Gl"ubigen mit, was sie geschafft hatte
und was sie plante.
Es w"re ungerecht zu sagen, sie h"tte nichts getan. Sie lag wahrlich nicht auf der
faulen Haut. Und sie hatte in krzester Frist fr das deutsche Volk soviel getan,
besonders in wirtschaftlicher Hinsicht, da der gewaltige, jubelnde Beifall der
Masse, echt war. So etwas an rauschender, impulsiver Begeisterung konnten(sic)
selbst Goebbels nicht knstlich hervorrufen.
Ich war zum ersten mal auf einem solchen Parteitag, der jeweils in Nrnberg
stattfand; ich wurde dienstlich dorthin

/65/ AE: 41
geschickt. Nicht um an Paraden und Aufm"rschen teilzunehmen, nicht um mir
Reden anzuh"ren und Versammlungen zu besuchen, sondern um
nachrichtendienstlich t"tig zu sein. Denn das SD-Hauptamt war um jene Zeit
nichts anderes, als eine einzige groe, straff gelenkte und organisierte
Spionageorganisation. Sie war niemanden anderen unterstellt, als Himmler und
auf dessen Befehl, hatte sie ihr Grnder Heydrich, zu leiten.
Eine groe m"chtige Boykottbewegung mit der Zentrale in Nordamerika k"mpfte
gegen das nationalsozialistische Deutsche Reich. Nicht grundlos; dies war selbst
mir damals schon klar geworden. Wenn wir w"hrend der Truppenausbildungszeit
aus irgendwelchen Grnden dermaen geschliffen wurden, da uns das Wasser
am Arsch zu kochen anfing, wie wir im rauhen Landserjargon zu sagen pflegten,
dann erzeugten die augenblicklichen Leiden in uns Landser frchterliche
Vorstellungen im Hinblick auf Vergeltung an die uns schleifenden Ausbilder,
nach der Dienstzeit. Zwar khlten diese furchtbaren Vors"tze nach beendeter
Tagesdienstleistung, nach dem Motto ,gehabte Schmerzen hat man gerne" ebenso
rasch wieder ab, als sie aufflammen konnten, und verbrannten bei einem oder
auch mehreren halben Liter Bier in der Kantinie(sic), restlos.

/66-67/ AE: 42
Aber wenn ich so sah, besser gesagt gelesen hatte, was die Abteilung I des
Reichsaussenministeriums an Judengesetzen seit 1935 erlassen hatte, dann konnte
ich die Boykottbewegung gut verstehen. Sie war eine ganz natrliche Reaktion.
Wenn ich bedenke, da in jener Zeit, sich ein Berliner Rabbiner namens Prinz von
seiner Gemeinde verabschiedete, um nach Nordamerika auszuwandern und sagte,
er wolle drben mitarbeiten an der Schaffung eines m"chtigen Reservoirs aus dem
das Judentum Kraft und Hilfe erhalte, dann wute ich, der ich mich unter den
Zuh"rern befehlsgem" befand, sehr wohl, was Prinz damit meinte; und ich
konnte ihm gar nicht Unrecht geben. Der anwesende Kriminalbezirkssekret"r
/Zusatz von Seite gegenber: der Geheimenstaatspolizeileitstelle Berlin/, welcher
die Versammlung auftragsgem" zu berwachen hatte, verlie sich auf mich und
ich mich auf ihn, bezglich einer allf"llig notwendig sein sollenden Aufl"sung
und Inhaftnahme des Sprechers. Ich tat nichts dergleichen, denn meine
berlegungen verboten mir, mich diesbezglich an den Kriminalbeamten zu
wenden, da ich wie gesagt dem Sprecher von seinem Standpunkt aus gesehen
Recht geben mute und es tausendmal tausend Prinzen gegeben hat, so da eine
Inhaftnahme

/68/ AE: 43
eines einzelnen, das Problem ohnedies nicht l"ste. Gem" dem Befehl den ich
erhielt, machte ich sp"ter meinen Bericht, indem ich alles wahrheitsgem"
schilderte und auch meinen berlegungen breiten Raum lie. Ich habe nie wieder
etwas darber geh"rt; Prinz wanderte nach Nordamerika aus.
Ich hatte die Nrnberger Gesetze ja nicht geschaffen; nicht dabei mitgeholfen und
hatte auch als ausfhrendes Organ nichts damit zu tun, denn ich geh"rte einer
Nachrichteninstitution an und keinem exekutiv-t"tigen Polizeiapparat.
Da die G"tter hier einem verh"ngnisvollen Irrtum anheimgefallen waren schien
klar, aber Auswchse gibt und gab es nach jeder Revolution und dann sagte man
sich immer noch, da nie etwas so hei gegessen werde, wie es gekocht wrde.
Selbst groe Teile der Judenschaft sagten und dachten genau dasselbe. Und dann
sollte das Ziel der Manahmen sein, die Auswanderung der Juden aus dem Reich
anzukurbeln; freilich waren diese Manahmen dazu nicht sehr geeignet. Die
L"sung durch eine planvoll gelenkte Auswanderung ging auch mir in's Hirn ein.
Denn inzwischen hatte ich ja nun gelesen, da die Juden im Laufe der Geschichte
in vielen europ"ischen L"ndern

/69/ AE: 44
dann stets als Sndenb"cke herzuhalten gehabt haben, wenn ber ihren Rcken
oder auf ihre Kosten, die Masse von augenblicklichen Schwierigkeiten oder
belst"nden irgendwelcher Art abgelenkt werden konnte.
Also war eine gelenkte und planm"ig organisierte Auswanderung von allen
beln, noch das kleinste; und dem abgewanderten Juden taten die Gesetze ja nicht
mehr weh. Viel schlimmer war es mit der Bedr"ngnis, denen(sic) sie unterworfen
waren, bis zur Zeit der Auswanderung. Aber ich konnte hier weder den G"ttern
noch ihren Unterg"ttern hindernd in den Arm fallen, dazu fehlte mir jede
M"glichkeit. Ich hatte auf meinem Sektor nachrichtendienstlich t"tig zu sein und
die erhaltenen Meldungen und Mitteilungen in Berichtsform auf dem Dienstwege
weiter zu geben. Meine Vorgesetzten verarbeiteten diese Mosaiksteinchen aus
vielen Referaten und Sachbearbeitungen kommend, zu einem Bild und legten es
den Unterg"ttern zur gef"lligen Kenntnisnahme vor. Dergestalt, konnten sich auch
die G"tter selbst jederzeit solche ,Bilder" betrachten.

Nun also war ich in Nrnberg. Es war das Jahr 1937. Festliche
Parteitagsatmosph"re, groe gewaltige Sportfelder, Stadione, Hunderttausende

/70/ AE: 45
fassend, l"rmendes Gedr"nge in den alten, heimeligen Gassen und G"ss'chen
innerhalb der Mauern des mittelalterlichen Nrnberg. Das Rot der tausend und
abertausend Fahnen leuchtete im Schein der pr"chtigen Frh-Herbstsonne.
Ein Nachrichtenmann mu, will er etwas h"ren und Agenten, Mitarbeiter,
Vertrauensm"nner oder Zutr"ger, wie alle die Fachausdrcke auf diesem Gebiet
lauten, werben, berall herumkriechen. Zur damaligen Zeit waren es fr
unsereinen insonderheit die netten kleinen verrauchten biergeschw"ngerten
Br"ustuben in denen ganze Ausl"ndergruppen von den ihnen zur Verfgung
gestellten Betreuern gastlich bewirtet, gefhrt, eben so richtig betreut wurden.
Hier galt es also mit mehr oder weniger Glck, durch Verbindungen und
Beziehungen, Kontakt mit den Besuchern aus fernen L"ndern zu bekommen.
Aus einem Dokument, welches mir hier vorliegt entnehme ich folgende Worte,
die ich damals in meinem Dienstreisebericht u.a. verwendete:
,Der Groteil machte den Eindruck von mehr oder minder fragwrdigen
Existenzen, die zum Teil von der fixen Idee besessen sind, als Fhrer von Parteien
und Organisationen in ihren L"ndern

/71/ AE: 46
einstmals berufen zu sein." Lediglich ein einziger fand ,Gnade vor meinen
Augen", ein nordamerikanischer Staatsangeh"riger, welcher ausgezeichnete
Verbindungen zu dem Leiter der ,Anti-Nazi-Liga", der Befehlsstelle der
Boykottorganisation gegen Deutschland, haben wollte.
Aber da dieser Fall auch nicht ganz klar war insbesondere bezglich der Frage ob
das SD-Hauptamt hierfr noch zust"ndig sei, bemerkte ich abschlieend, da ich
um Weisung b"te, ob der SD diese Angelegenheit selbst bearbeiten soll, oder ob
sie dem Propagandaministerium abzutreten ist.
Ich habe nie mehr etwas darber geh"rt, so da ich annehme, da meine
Vorgesetzten in ihrem Ratschlu entschieden, die Sache abzutreten. [4]
(8)
Einige Tage sp"ter, trat ich zusammen mit meinem mir vorgesetzten
Abteilungsleiter eine Dienstreise nach Pal"stina und gypten an. Der Zug brachte
uns durch Polen und Rum"nien nach Constanza und von hier aus ging es mit der
,Romania" nach Konstantinopel, Pir"us, Beyruth, Haifa und Alexandrien.
Moscheen, Akropolis, der Berg Carmel, das graeco-romanische Museum in
Alexandrien wurden besucht, ebenso das "gyptologische Museum in

/72/ AE: 47
Cairo. Die Pyramiden von Gizeh sahen wir ebenso wie die von Sakarat; die
ehemals heiligen Stiergr"ber; ein Abstecher in die "gyptische Wste ein anderer in
die lybische Wste wurde unternommen. Der vor 3 einhalb Jahrtausenden
verstorbenen(sic) Pharao Tutenchamon samt seinen Sch"tzen, welche dank der
Kunstfertigkeit der Arch"ologen ihrem langen Schlaf entrissen wurden und einer
staunenden Nachwelt zur Schau gestellt sind, erfreute auch mein Auge und
Wissen und auch ich konnte nur staunen. Staunen ber die hohe Kultur der
Menschen jener grauen Vorzeit und meine Gedanken verloren sich weitab vom
,Staats- und Gegenwarts-Bejahenden", in Zonen und Regionen, in denen die
Wandelbarkeit und das ewige Werden und Vergehen allen Lebens, ja schlielich
allen Sein`s, die fhrende Rolle spielten. Alles eitle Hoffen und Streben, scheint
einem beim Anblick vergangener Jahrtausende, nichts als flchtiger
Menschentand zu sein; und ich beneidete in diesem Augenblick alle Arch"ologen
und Geologen, denen es meiner Meinung nach verg"nnt sein mute, in solchen
Gedanken und berlegungen ungest"rt Tag fr Tag schwelgen zu k"nnen, dieweil
es fr unsereinem(sic), im Trubel des Alltags, lediglich oasenhafte
Glcksmomente sein durften.
Aber unsere Chefs hatten uns ja nicht all dieser Dinge wegen auf Dienst-

/73/ AE: 48
reise geschickt sondern - wie immer - hatte die Sache ihren Grund in einer
informativen Bereicherung, in einer politischen Nachrichtensammlung.
Durch Vermittlung des Vertreters der offiziellen ,Deutschen-Nachrichten-
Agentur" in Jerusalem, Dr. Reichert, besuchte mich Monate vor unserer Reise, in
Berlin ein jdischer Funktkon"r auf Pal"stina. Gem" Weisung meiner
Vorgesetzten wurde der Besucher zum Gast des Reichssicherheitshauptamtes
erkl"rt und ich erhielt den Befehl, ihn zu betreuen. Wir aen zusammen in der
,Traube" am Zoo und unterhielten uns, denn jeder wollte ja vom anderen da(sic)
wissen, was ihm an Wissen zu seiner gegenst"ndlichen Sache fehlte. Mein
Interesse galt dem zionistischen Leben in Pal"stina. Das Ende vom Lied war eine
Einladung des Gastes an mich, ihn in Pal"stina zu besuchen.
Ich erhielt Befehl, diese Einladung anzunehmen. So also kam es zur Reise, der
sich mein damals unmittelbar vorgesetzter Abteilungsleiter anschlo. Ich fuhr als
,Schriftleiter des Berliner Tageblattes" und mein Vorgesetzter als ,Student der
Auslandwissenschaftlichen Fakult"t der Universit"t zu Berlin", deren Dekan unser
gemeinsamer n"chsth"herer Vorgesetzter in jener Zeit war. Als Angeh"rige des
Sicherheitshauptamtes h"tte man ja damals

/74/ AE: 49
schlielich und endlich auch fahren k"nnen, denn der mich Einladende wute ja,
wer ich war und letztlich hat es der englische Geheimdienst ohnehin
herausgebracht, aus welchem Nest diese beiden V"gel waren; genauso, wie uns
ein Mitglied des Secret-Service, oder ein solches des 2-eme Bureau, wenn sie
nach Deutschland kamen, in der Regel ja auch sehr schnell bekannt wurden. Man
tat sich gegenseitig nichts, man war sehr h"flich zueinander, nur man erleichterte
dem Kollegen von der anderen Seite nicht gerade seine Arbeit, oder wenn, dann
hatte es schon seinen besonderen Grund, der auf Gegenseitigkeit lag. Aber es war
ja schlielich Frieden.
Wir waren etwa sechs Stunden in Haifa, und fuhren dann programmgem" mit
unserem rum"nischen Dampfer nach Alexandrien und gedachten innerhalb der
n"chsten 14 Tage, drei Wochen, zum eigentlichen Pal"stina-Besuch zu starten.
Aber da bedauerte man es englischerseits, da man nicht in der Lage w"re, ein
diesbezgliches Visum erteilen zu k"nnen. Gut, dann mu eben der Berg zu
Mohamed kommen. Dr. Reichert und der jdische Funktion"r wurden von uns
nach gypten eingeladen. Zu uns gesellte sich noch der Vertreter des DNB in
Cairo, so da wir alle fnf Mann hoch eine ganz sch"ne Nachrichtenbande
bildeten.

/75/ AE: 50
Wir tafelten im Mena-Hotel, bei den Pyramiden von Gizeh und ferne von uns
waren ,Nrnberger Gesetze". -
Ich selber kam allerdings nicht auf meine Kosten bei dieser Dienstreise in den
,Nahen Orient", will ich den dienstlichen Sektor betrachten, weil ich das jdische
Leben in Pal"stina durch das englische Einreiseverbot ja nicht zu sehen bekam.
Privat und pers"nlich hatte ich durch die Flle des Erlebten eine sch"ne
Bereicherung erfahren.
Mein mir vorgesetzter Reisegef"hrte, ursprnglich aus dem Zeitungswesen
kommend, hatte mehr Erfolg in dienstlicher Hinsicht fr sich buchen k"nnen,
denn ihm gengten ja auch die wirtschaftlichen und politischen Meldungen, die er
aus erster Hand, soweit sie den Nahen Orient betrafen, bekam. [5]

Nun, nach diesem mehrw"chischem(sic) Aufenthalt in sonnigen Landen, kamen
wir wieder in die sp"therbstliche, ja fast schon winterliche Landschaft unserer
,Festung" Deutschland zurck. Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er auch
erz"hlen, heit es; aber er kann auch Vergleiche anstellen. ber Italien und die
Schweiz fuhren wir nach Berlin zurck. Viel Tolernaz, viel Liberalismus sah ich
und es war da(sic), was mir am meisten auffiel. Ich kannte es aus meiner langen
sterreich-

/76/ AE: 51
zeit her; vom Elternhaus, aus der Schule, kurz das ganze Leben in sterreich war
ein einziges groes Toleranzpatent gewesen, so wie Kaiser Joseph II es sich wohl
ertr"umt haben mag, will ich die Zeit bis etwa 1932, ansetzen.
Aber es war bei mir durch die inzwischen verlebten, ber fnf Jahre
Totalitarismus bereits leicht bertncht worden. Nicht ausgel"scht; im Gegenteil,
die Reiseerlebnisse verwischten wieder einen Groteil der Tnche. Ich sah den
,Strmer" mit einem Male wieder deutlicher - obgleich er im SD-Hauptamt
weder gesch"tzt noch beachtet oder gelesen wurde; ich sah sein Herumwhlen im
Pornographischen; im verworrenen mittelalterlichen Mystizismus schlimmer
Pr"gung. Ich sah das Reichsinnenministerium bei seiner fleiigen Gesetzes- und
Verordnungsfabrikation, die Geheime Staatspolizei bei ihren
Verhaftungsbefehlen, das Propagandaministerium bei der Herausgabe des
Verbotes fr Juden die ,Bank im Park" zu benutzen, das
Reichswirtschaftsministerium bei seiner T"tigkeit die Juden aus dem
Wirtschaftsleben auszuschalten und das Ausw"rtige Amt bei seiner
Behinderungsarbeit, bezglich einer an sich gewnschten Auswanderung der
Juden.
Das Reich, bzw. dessen Fhrung wollten es doch - so nahm ich stets an - und die
Mehrzahl der Juden trachtete im Hinblick auf die Lebenserschwerung dasselbe

/77/ AE: 52
Ziel anzustreben.
Und das Sicherheitshauptamt besorgte sich die Nachrichten und fabrizierte
Berichte. Das alles schien mir gleich wie eine Katze, welche sich in ihren eigenen
Schwanz beit.
Da fand beispielsweise 1938 in Evian ein(sic) internationale Konferenz statt und
der britische Botschafter in Berlin sprach den Deutschen Reichsauenminister v.
Ribbentrop darauf an, ob die Rechsregierung bereit sei, bei der L"sung der
Emigrantenfrage, insbesondere bei der F"rderung der Auswanderung von Juden
deutscher Staatsangeh"rigkeit, mit den brigen interessierten Staaten
zusammenzuarbeiten. Denn kein Land sei bereit, die auswandernden deutschen
Juden aufzunehmen, wenn sie mittellos w"ren. Ob daher die Reichsregierung
bereit sei, bei der Transferierung von Kapital in jdischen H"nden, mitzuwirken.
Nachdem die Reichsregierung einer F"rderung der Auswanderung eigentlich
grunds"tzlich keinerlei Hemmnisse in die Wege legte, h"tte man annehmen
men, da eine solche Anfrage seitens offizieller britischer Stellen, freudige
Zustimmung gefunden h"tte.
Nicht so bei Ribbentrop.
Er teilte dem britischen Botschafter mit, da er eine Zusammenarbeit mit anderen

/78/ AE: 53
interessierten Staaten ablehnen me, da es sich um ein innerdeutsches Problem
handele. Auch die Frage, ob Deutschland eine Transferierung von Kapital in
jdischen H"nden erleichtern k"nne, me verneint werden.
Es k"me daher eine Zusammenarbeit mit den in Evian tagenden M"chten fr
Deutschland nicht in Frage. Der Staatssekret"r Weizs"cker schickte diese
Stellungnahme am 8. Juli 1938 an zehn in Frage kommende deutsche Botschaften
und Gesandtschaften, zur Kenntnisnahme ab.
Also, statt Auswanderungserleichterung, ein Handicap, eine Erschwerung. [6]
Statt dessen aber erging an alle diplomatischen und berufskonsularischen
Vertretungen im Ausland eine Aufforderung des Ausw"rtigen Amtes, ber alle
Regierungsmitglieder, Parlamentarier, Wirtschaftler, Wissenschaftler, hohe
Offiziere und Journalisten, soweit sie als jdisch, jdisch versippt, oder als
Freimaurer galten, zum Zwecke der Errichtung einer Kartothek, zu berichten. [7]
Und in einem Telegramm Kennedy`s an das Staatssekretariat in Washington vom
Dezember 1938, kommt Ribbentrop infolge seiner gegen das Judentum
geschleuderten, h"chst undiplomatischen Verbalinjurien, alles andere, als gut
weg. [8]

/79/ AE: 54
Wir Referenten im SD-Hauptamt, erhielten Anfang 1938 von unserem
Abteilungsleiter die Weisung, Material fr eine Denkschrift zusammen zu stellen,
in der darzulegen sei, da die Judenfrage auf der augenblicklichen Basis nicht zu
l"sen ist, wegen finanzieller Schwierigkeiten usw., und da man daran herantreten
me, eine auenpolitische L"sung zu finden, wie sie bereits zwischen Polen und
Frankreich verhandelt wurde. Ich schrieb damals folgendes:
1.) ,Das Ergebnis der Volksz"hlung abwarten."
2.) ,In 10 Jahren giebt(sic) es in Deutschland bei gleichbleibender Tendenz nur noch
etwa 60.000 Juden."
(Unter gleichbleibender Tendenz verstand ich die stagnierende Haltung des
Ausw"rtigen Amtes im Hinblick auf die Auswanderung von Juden, in Verbindung
mit der Verproletarisierung der Juden, durch die gesetzgeberische T"tigkeit der
hierfr zust"ndigen Zentralinstanzen.)
3.) ,Wenn die mittellosen Juden abgewandert sind kommen die Kapitalisten an die
Reihe, die durch wirtschaftliche Manahmen bis dahin langsam entkapitalisiert
sein k"nnen, mit Hilfe von Stapomanahmen."
(Darunter war zu verstehen, die von der Geheimen Staatspolizei in jener Zeit
durchgefhrten Beschlagnahmen und Einziehungen der Verm"genschaften).

/80/ AE: 55
So war der Status, so wurde es praktiziert. Es war die Katze, die sich ewig im
Kreise drehend in ihren eigenen Schwanz bi.

Ich schrieb dann weiter als Vorschlag:
,Sie ist ferner dann zu l"sen, wenn dem SD-Hauptamt keinerlei Hemmungen
auferlegt werden"; und ich nahm als Beispiel ein gerade in jenen Tagen
aufgetretenes Problem im Hinblick auf das Jugenderziehungsclearing. Ich lebte
damals gerade im Kampf mit den wirtschaftlichen Einschr"nkungen, welche den
Juden auferlegt wurden, worunter auch die auswanderungshemmenden
Devisenvorschriften z"hlten.
Ich vertrat den Standpunkt der ,arme" Jude will genau so gerne und so schnell
auswandern wie der ,reiche" Jude. Einem jeden war es lieber, je schneller, desto
besser; n"mlich das Ausland zu gewinnen. Und an sich wollte es ja auch die
Reichsregierung. Sei es aus Neid oder Knickrigkeit, sei es aus Dummheit oder
Unverst"ndnis, oder aus blindem Ha, die meisten dieser Stellen f"rderten diese
Auswanderung nicht, sondern hemmten sie; bewut und unbewut.
Was nutzte es, in Fragen des Jugenderziehungsclearings devisentechnische
Schwierigkeiten zu machen, die obendrein meistens nur formeller und rein
paragraphenm"iger Natur waren? Weder dem Deutschen noch dem Juden war
dabei gedient.
Und warum mute das Reich dem reichen

/81/ AE: 56
Juden das Geld abnehmen, und dem Reichsfiskus einverleiben, anstatt mit einem
Teil dieses Geldes die Auswanderung zu finanzieren. Natrlich - so dachte ich -
sollte der ,reiche" Jude mehr bekommen, denn es war ja sein Geld, aber ein Teil
seines Geldes sollte er zwecks Finanzierung der jdischen Kultusgemeinden und
der Finanzierung der Auswanderung verm"gensloser Juden zur Verfgung stellen.
Denn eine Auswanderung war teuer. Reisekosten, Vorzeigegeld usf. An Stelle
eines zehn Jahre langen elenden Dahintreibens, konnte nach meiner Idee eine
Auswanderung zgig und flott in die Wege geleitet werden und die Juden
dergestalt im Besitze ihrer Gesundheit und physischen Kraft neues Land betreten.
Einen durch jahrelanges, zermrbendes Warten krank Gewordenen, nahmen die
Einwanderungsl"nder ohnedies kaum auf.
Nein, so wie dies damals praktiziert wurde ging es nicht; und Ribbentrop irrte hier
sehr, obgleich er Reichsauenminister war, und es h"tte wissen sollen. Bei jedem
Reisebroinhaber h"tte er sich dieserhalb besser informieren k"nnen, als bei
seinen Legationsr"ten und Unterstaatssekret"ren.

Auerdem schlug ich in diesem L"sungsvorschlag als letzten Punkt, allmonatliche
Besprechungen in dieser Angelegenheit zwischen

/82/ AE: 57
allen an der Sache beteiligten Stellen vor, damit das hemmende Gegeneinander
innerhalb der Beh"rden in Fortfall k"me und schlielich Zurverfgungstellung
von L"ndereien fr die Juden, und setzte dazu in Klammer, das Wort
,Madagaskar". [9]

Aber all dies war hoffnungslos, bei der Sturheit der deutschen Brokratie. Ich will
nicht einmal sagen deutsche Brokratie, eine jede Brokratie ist egal weg, gleich
stur. Nur die Nachrichtendienste aller L"nder neigen eher zur Beweglichkeit; es
liegt in der Natur ihrer Aufgabe.
Auch das SD-Hauptamt war um jene Zeit noch lange nicht so verbrokratisiert,
wie es sp"ter werden sollte. Natrlich verlangt eine jede Beh"rdenarbeit ihr Ma
an Schematismus, dies ist klar; aber er drfte keinesfalls zum Selbstzweck
ausarten.
-(9)-
Kurze Zeit nach der ,Wiedervereinigung sterreichs mit dem Deutschen Reich",
wurde ich nach Wien versetzt, um dort als Referent des SD-Oberabschnittes
,Donau", die Auswanderung der Juden lenkend zu betreiben. Es war Frhjahr
1938. Aber was sah ich, als ich nach Wien kam; ein zerschlagenes jdisch-
organisatorisches Gebilde. Von der Geheimen Staatspolizei geschlossen und
versiegelt. Die jdischen Funktion"re saen in Haft. Die Juden wollten
auswandern, aber keiner kmmerte sich um sie.

/83/ AE: 58
Sie wurden von Beh"rde zu Beh"rde geschickt. Standen halbe Tage lang und
mehr Schlange, und muten dann h"ren, da diese Stelle seit gestern nicht mehr
fr ihren Fall zust"ndig w"re.
Systemlos, ordnungslos; das Resultat war Verdru, rger und Verstimmung auf
beiden Seiten, wenn nicht noch rgeres.
Als erstes hielt ich den Assessoren und Regierungsr"ten der Staatspolizeileitstelle
Wien, Vortr"ge, wie sie am besten jede Auswanderung behindern und verhindern
k"nnen. Darber war nicht viel mehr zu sagen als wie: ,gleichbleibende
Tendenz". Dann entwickelte ich ihnen meinen von meinen Vorgesetzten
genehmigten Plan. Enthaftung der jdischen Funktion"re, Wiederer"ffnung all
jener jdischen Organisationen, soweit sie der Auswanderung dienlich waren.
Ferner die Genehmigung einer jdischen Zeitung in welcher alles Wissenswerte
ber die Auswanderung und der damit verbundenen Dinge zu lesen war.
Auftreibung von Reichsmarkbetr"ge(sic) zur Anfangsfinanzierung der jdischen
Organisationen, Einstellung von Hilfskr"ften und Errichtung jdischer
Wohlfahrtsstellen zwecks Betreuung der Kranken und Alten. -
Nach all den unwahren Vorwrfen, die ich in den letzten fnfzehn Jahren ber
mich habe ergehen lassen men, mag es der Leser schwerlich glauben, da ich
solches tat. Daher setzte ich jetzt im Anschlu an diese Zeile eine

/84/ AE: 59
Nummeration. Sie weist auf die Quellen hin. Und dies sind die Dokumente, in
denen alles viel ausfhrlicher steht, als ich dieses hier mit mageren Worten zu
schildern in der Lage bin. [10]

Als ich das jdisch-organisatorische Leben so in Gang gebracht hatte und bei der
Geheimen Staatspolizei - Wien, auf Verst"ndnis bezglich der ,neuen Linie" traf,
da bewarb ich mich um eine freigewordene Abteilungsleiterstelle beim SD-
Unterabschnitt in Linz a/Donau. In dieser Stadt wohnten meine Eltern, dort war
ich aufgewachsen. Nach dorthin wollte ich nun wieder zurck.
Freilich, es war die unterste Instanz innerhalb des Gebildes des
Sicherheitsdienstes, aber ich w"re wieder zu Hause gewesen und wer wei,
vielleicht h"tte ich wegen bernahme des elterlichen Gesch"ftes die
Genehmigung bekommen, meinen Dienst eines Tages zu quittieren. Schicksal. Ich
sage immer, es kann niemand ber seinen eigenen Schatten springen.
Denn mein Chef in Berlin Prof. Dr. Six hatte von meinem Vorhaben Kenntnis
erhalten und so schrieb er am 16. Mai 1938 meinem damaligen Vorgesetzten, dem
SS-Oberfhrer Naumann nach Wien, da ich keinesfalls von Wien fortzugehen
habe, da er mich, falls ich in Wien nicht bleiben wolle, notfalls durch den Chef
des SD -Hauptamtes, wieder nach Berlin zurckversetzen lassen wrde.

/85/ AE: 60
Ja, so war es schon 1938; im Frieden. Ich war nicht mehr Herr meiner
Freizgigkeit; ich hatte zu gehorchen und da(sic) zu tun, was mir befohlen
wurde.
Ich habe meinen S"hnen sp"ter oft und oft gesagt, seht zu, da ihr nie Offiziere
werdet, denn dann seid ihr nicht mehr frei. Inzwischen war ich n"mlich l"ngst
zum Offizier avanciert und meine Verhaftung an die G"tter war noch bindender,
als vorher geworden.

Ich hatte also befehlsgem" in Wien zu bleiben. Die Einschr"nkungen, denen die
Juden unterworfen wurden, waren immer fhlbarere. Das Amt des
Reichskommissars fr die Wiedervereinigung sterreichs mit dem Deutschen
Reich war fleissig t"tig, auch auf dem Sektor ,Juden", Verordnung um
Verordnung herauszugeben.
Die Beh"rden behandelten die Juden gelinde gesagt schroff und unsachlich,
gem" den von h"heren Orten ergangenen Weisungen, soda der seine
Auswanderungspapiere komplett machen Wollende, hier nie auf einen grnen
Zweig kam. Denn ein Teil der Dokumente, wie zum Beispiel die ,Steuerliche
Unbedenklichkeitsbescheinigung" hatte lediglich eine Laufzeit von sechs
Wochen, nach der sie ungltig wurde und die Schlangensteherei zur Erlangung
einer neuen Bescheinigung, von vorne angefangen werden mute. Dazwischen

/86/ AE: 61
aber wurden dann wieder andere Papiere ungltig, so da es einer Schraube ohne
Ende gleichkam.
Die jdisch-politischen Funktion"re klagten mir ihre Not. Dr. L"wenherz, Dr.
Rottenberg und Kom. Rat Storfer hatten t"glich neue Anliegen, die sie mir
vorbrachten.
Die Anklage gegen mich sagte, da die Dokumente es ja beweisen wrden, da
ich fr alles, in des Wortes wahrster Bedeutung, die zust"ndige und
verantwortliche Stelle im Hinblick auf Judenfragen in Wien, gewesen w"re.
Obwohl es, wie ich sofort nachweisen werde nicht zutraf, so kann ich der Anklage
rein augenscheinlich, so Unrecht nicht einmal geben.
Denn man braucht ja nur einmal die Flle der von Dr. L"wenherz dem
Amtsdirektor der israelitischen Kultusgemeinde Wien gefertigten
Aktennotitzen(sic) ber die jeweils mit mir gehabten Rcksprachen in jener Zeit -
soweit es sich um solche handelt, welche damals, und nicht erst nach 1945
angefertigt wurden - vornehmen.
Er kam buchst"blich mit allem und jedem zu mir.
Nun, es liegt mir ferne, mich besser machen zu wollen, als ich war. Warum aber
mag L"wenherz, Rottenberg, Storfer und andere, hohe jdisch-politische
Funktion"re denn ausgerechnet zu

/87/ AE: 62
mir gekommen sein? Ich war zu jener Zeit im Range eines Leutnant, sp"ter
Oberleutnant und dann Hauptmann; es gab ja Stellen von entscheidenderer
Bedeutung. Meine Dienstellung(sic) war lediglich die eines Referenten bei einem
SD-Oberabschnitt; also nicht einmal im exekutiven, sondern nur im
nachrichtenm"igen Dienst.
Mein Jargon soll hart gewesen sein, so sagen die Zeugen von 1960 und 1961. In
der Tat, ich mu es zugeben, mein Ton war kasernhofm"iger Natur. Und
trotzdem wei ich, da er frei war von beleidigendem Tenor, frei war von
Rpeleien, frei war von Gebrll, kurz frei war von jener Begleitmusik, die der
Wald- und Wiesenzivilist zu gerne jedem ,Kasernhofton", unterstellt.
Wie denn w"re es sonst m"glich, da man heute noch in einer solchen
L"wenherz'schen Aktennotitz(sic) lesen kann, wie er bei mir beschwerdefhrend
vorspricht und mir klagend mitteilt, die Juden wrden auf dem Wohnungsamt der
Stadt Wien, ,schroff" behandelt. [12]
Dies setzt doch voraus, da die Juden weder von mir, noch von meinen mir
damals unterstellten Offizieren, Unteroffizieren und M"nnern, schroff behandelt
wurden.
Und berall dort, wo ich sachlich fr mich keine Zust"ndigkeit erblicken konnte,
/88/ AE: 63
ja darber hinaus nicht einmal die Polizei zust"ndig war, setzte ich mich an das
Telephon oder sprach bei der federfhrenden Beh"rde vor, um, auch dort in
meinem ,Kasernhofton", da(sic) abstellend zu erbitten, was L"wenherz drckte.
Nicht immer gelang es mir; ich versuchte es.
Aber die jdischen Funktion"re muten letztlich mit der Kasernhofpflanze
manierlich ausgekommen sein; denn auch sie konnten mit mir frei von der Leber
weg sprechen, ohne sich ihre Worte zehnmal berlegen zu men, ehvor sie das
Gehege ihrer Z"hne verlieen.
Und man konnte dies in jener Zeit nicht berall tun, ohne Gefahr zu laufen, dies
wuten die Funktion"re. -
Das Reich drckte auf Auswanderung. Die Juden wollten auswandern. Und alles
was dem dienlich war tat ich, war ich zust"ndig fr den einen oder anderen Fall,
dann war es ohnedies klar; war ich nicht zust"ndig, dann wetzte ich ab, und
versuchte es zu erledigen.
So kam es, da man mir in den Ohren lag, und mir die Sprnge eines lahmen
Amtsschimmels darlegte, der vor lauter Paragraphenreiterei berhaupt nicht mehr
geradeaus marschieren konnte. Und man schlug mir jdischerseits eine

/89/ AE: 64
gewisse Zentralisierung der beh"rdlichen Arbeit vor.
Na, dies war ja nun gerade da(sic), wo man bei den Beh"rden, egal welchen
Landes auf unserer Erde, stets in das Fettn"pfchen trat.
So etwas, was ich mir nun durch mein Kasernhofgehirn gehen lie, war auch in
der preuisch-deutschen Verwaltungsgeschichte noch nicht dagewesen.
Ich dachte so in meinem Sinn, alles was beh"rdlicherseits mit der Ausstellung von
Papieren an auswandernwollende Juden, zu tun hat, ran(sic) unter ein einziges
Dach, und dann unter SD-Leitung. Dann mu doch solch ein verdammter
Reisepa anstatt in 10 oder 12 Wochen oder noch l"nger, in gut und gerne 2mal
24 Stunden fertig sein k"nnen.
Gedacht getan. Ich meldete dies alles meinem Chef, dem Inspekteur der
Sicherheitspolizei und des SD, der in Personalunion gleichzeitig den SD-
Oberabschnitt ,Donau" fhrte.
Er machte die n"tigen Wege, fhrte die notwendigen Verhandlungen mit dem
Reichskommissar Brckel; und auf dem Verordnungswege wurde die
,Zentralstelle fr jdische Auswanderung in Wien", geschaffen, zu der alle in
Frage

/90/ AE: 65
kommenden Beh"rden ihre Sachbearbeiter abzustellen hatten.
Die Leitung hatte der SD-Fhrer des Oberabschnittes Donau. Ich wurde von ihm
mit der Durchfhrung der Aufgabe betraut, wie der Befehl es in der damaligen
Terminologie besagte. [13]
Tats"chlich wurden Reisep"sse jetzt in zwei, h"chstens drei Tagen fertig.
Einhundertdreiigtausend oder einhundertvierzigtausend solcher Reisep"e
konnten in etwa Jahresfrist ausgefolgt werden.
Nun, wenn die Anklage in dem Prozess gegen mich behauptet, es w"re eine
Zwangsauswanderung gewesen mit all ihren blen Begleiterscheinungen, so hat
sie damit eigentlich recht. Ich kann es auch nicht anders bezeichnen.
Aber zu bedenken w"re doch auch dieses: ich habe die forierte Auswanderung ja
nicht befohlen, wenngleich ich sie unter den gegebenen Umst"nden als die noch
beste Alternative ansah und auch als beste L"sungsm"glichkeit im Hinblick auf
die von der Reichsregierung eingenommene Stellung, den Juden gegenber.
Die jdisch-politischen Funktion"re, mit denen ich ja am laufenden Bande diese
Angeheiten(sic) besprach, waren in Anbetracht der den Juden entgegengebrachten
Tendenz, ja derselben Meinung.

/91, 92/ AE: 66
Auf meinem eigenen Mist ist die Sache nicht gewachsen. Irgendwo her mu ich ja
die Anregungen bezogen haben. Von den Reichsstellen aber konnte ich solches
nicht beziehen; dazu brauche ich nur auf die offizielle Stellungnahme
Ribbentrop`s hinweisen. Und wenn man ferner sagt, ja damals ist weit und breit
von einer Vernichtung der Juden noch keine Spur gewesen und trotzdem hat
dieser Eichmann hier ein Auswanderungstempo vorgelegt, da einer Sau grauste,
dann mu ich nur sagen, da das Ergebnis alleine z"hlt. Und kein ,h"tte" und kein
,wenn" und kein ,aber".
Ich setze den Fall, die Auswanderung in jener Zeit w"re durch mich behindert
worden, wie die Ribbentrop'sche Haltung es ja automatisch im Gefolge hatte,
dann wrde man mir heute dieserhalb den Strick drehen.
Also wie man sieht, was immer ich auch tat, ,gefangen wird der Kerl auf alle
F"lle". - Hay que tener paciencia!
/Zusatz auf Seite gegenber: Hay que tener paciencia! (Man mu Geduld haben;
span. Sprichwort in Argentinien wird es fr alles Unklare gebraucht, hat also
eine(sic) spezifischeren Sinn, als die bloe bersetzung)/
Bueno, was tat sich in jener Zeit also weiter.
Die Paausstellung und die dazu notwendigen Papierkramgeschichten liefen jetzt
in einer unkomplizierteren Maschinerie. Das Komplizierte, hatte ich l"ngst nach
Kasernenhofart abgeschliffen.
Aber die Auswanderung kostet viel Geld; sehr viel Geld sogar. Und woher sollte
man

/93/ AE: 67
solches bei der allgemeinen Verarmung der jdischen Massen nehmen. Sie waren
ja aus dem gesamten wirtschaftlichen und gewerblichen Leben, sagen wir es kurz,
aus allen Lebensgebieten schlechtweg, hinausgedr"ngt.
Da sollten Vorzeigegelder in Devisen vorhanden sein; die Reisekosten waren zu
bezahlen; fr die dringensten(sic) Untersttzungsf"lle muten von der jdischen
Kultusgemeinde Wien ber ihr Wohlfahrtsamt Mittel aufgebracht werden; der
Beamten- und Angestelltenk"rper dieser jdischen Kultusgemeinde in der H"he
von etwa 500 K"pfen mute bezahlt werden und vieles andere mehr.
Keine Reichsstelle half; allen war dieses schnurz und egal. Diese Stellen befahlen
nur ,Raus mit den Juden".
L"wenherz kam zu mir. Ich h"tte ja sagen k"nnen, was geht dies alles mich an.
Ich h"tte dieses schon viel frher sagen k"nnen. Vielleicht stnde ich heute besser
da, denn ich h"tte mich von Haus aus nie so tief in diese Dinge eingelassen. Ich
mochte L"wenherz und Rottenberg und Storfer gut leiden; sie mochten
zweifelsohne auch mich. So lernte man sich immer n"her kennen. Und so luden
sie alles bei mir ab. Alles. Buchst"blich alles.
Sie hatten in mir einen Menschen gefunden, der sie anh"rte; stundenlang, ohne die
Geduld zu verlieren. Nicht so wie sie

/94/ AE: 68
dies bei anderen Beh"rdenvertretern gew"hnt waren. Dazu kam dann, da
dasjenige, was miteinander abgesprochen wurde, dann auch irgendwie tats"chlich
funkte.
Also, jetzt war der Geldjammer an der Reihe. Ich selbst habe kein Geld; ich
pers"nlich war immer schon verm"genslos gewesen und blieb es. Ich habe
keinerlei buchhalterische St"rken; Kontobcher und dererlei Dinge, sind mir stets
ein Greuel gewesen. Und ob ich pers"nlich hundert oder fnfhundert Mark in der
Tasche hatte, war mir egal. Ich hatte zum Geld kein pers"nliches Verh"ltnis. In
meinem Haushalt schaltete und wirtschaftete meine Frau; darber war ich froh
und so brauchte ich mich selbst um diese Dinge nicht zu kmmern.
Und jetzt auf einmal wurde ich mit solchem Greuel angegangen. Aber ich mu es
sagen, wenn es sein mu, dann befat man sich auch mit Dingen, die man nicht
versteht. Und in meinem finanztechnischen Unverstand - denn nur solcher konnte
in seiner Harmlosigkeit solchen Dingen gegenber, so etwas zustande bringen,
was ich nun in die Wege leitete - stellte ich mir die Angelegenheit gar nicht
einmal so schwierig vor. Die jdischen Funktion"re muten nur

/95/ AE: 69
in das Ausland fahren, dazu verschaffte ich ihnen die Genehmigung, von den
jdischen Hilfsorganisationen Dollars erbitten und damit nach Wien
zurckkommen. Dann verkauft die Kultusgemeinde einen Teil dieser
Dollarbetr"ge an Juden, welche noch viel Geld hatten zu einem Mehrfachen des
amtlichen Kurswertes und mit diesem Reichsmarkerl"s bezahlte sie Geh"lter fr
ihre Angestellten, Untersttzung, Reisekosten fr die verm"genslosen Juden und
gab ihnen jenen Dollarbetrag als Darlehen, welchen sie als Vorzeigegelder
ben"tigten.
Manche der Einwanderungsl"nder witterten darin ein Gesch"ft und erh"hten diese
nun laufend.

So war alles gut und sch"n, aber ich dachte nicht daran, da wir unter strengster
Devisenbewirtschaftung standen.
Nun, auch dieses konnte ich dann endlich mit ,H"ngen und Wrgen" einer
Erledigung zufhren, indem ich den Reichsbankrat Wolf aus Berlin, er war im
Reichwirtschaftsministerium, in der Devisenbewirtschaftungsabteilung t"tig, nach
Wien eingeladen hatte. Wir kannten uns schon von Berlin her. Ich erkl"rte ihm
meinen Plan. Er besprach dann diese Angelegenheit mit seinem Staatssekret"r,
welcher sie genehmigte. Es war dies auch gut so,

/96/ AE: 70
denn mir wurde bereits vorgeworfen, da meine Praktiken zu einer theoretischen
Unterbewertung der Reichsmark fhren me(sic), indem hier der Dollar
gewissermaen offiziell, zu Schwarzmarktpreisen in Reichsmark verh"kert
wrde.
Damit und wie man aus den L"wenherz'schen Aktennotitzen(sic) weiter
entnehmen kann, mittels anderer finanzieller Angelegenheiten, wurde der
geldliche Teil dieser Dinge erledigt. [14]

Am 10. November wurde von der politischen Fhrung des Reiches auf dem
j"hrlichen Treffen in Mnchen, am 9. Nov. 1938, als Vergeltung fr die
Niederschieung eines deutschen Botschaftsrates in Paris durch einen Juden, zu
einer Vergeltungsaktion im ganzen Reichsgebiet aufgerufen.
Die offizielle Berichterstattung in jener Zeit durch den SD-Oberabschnitt Donau
zeigt dokumentarisch, da, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die
Dienstellen(sic) der Geheimen Staatspolizei und des SD, scheinbar durch einen
Fehler in der Nachrichtenbermittlung, erst dann dieserhalb verst"ndigt wurden,
als die Synagogen und die H"user der israelitischen Kultusgemeinden bereits
brannten. Jdische Gesch"fte wurden zertrmmert und die Juden zu Tausenden
eingesperrt.
------ Die G"tter wandelten sich offensichtlich zu

/97/ AE: 71
G"tzen. Diese Befehle waren nicht nur unsinnig, sie waren verbrecherisch.
Die Gesetzesfabrikation, die sah derjenige nicht, der nichts damit zu tun hatte. Die
praktische Durchfhrung der gesetzlich verankerten Manahmen, betraf nicht den
SD-Angeh"rigen, denn er hatte keinerlei exekutive Vollmachten.
Aber die folgen der ,Reichskristallnachtbefehle", die trafen in ihrer Unsinnigkeit
diesmal auch mich. Denn was ich mit Mhe in sterreich wieder aufgebaut hatte,
n"mlich ein funktionierendes jdisch-organisatorisches Leben, freilich mit
Blickpunkt auf Auswanderung, wurde in einer einzigen Nacht wieder zerschlagen.
Das Bromaterial, Karteikarten, Akten, die Auslandskorrespondenz, kurz alles
wurde ein Raub der Flammen. Dazu kam(sic) die Verhaftungen von Funktion"ren
der jdischen Organisationen. Ich tat interessenbedingt was ich konnte, um zu
retten was noch zu retten war. Aber viel war es nicht. Die Funktion"re bekam ich
allm"lig(sic) frei.
Ich erspare mir das Anfhren von Einzelheiten, denn es s"he mir zu sehr nach
Selbstbeweihr"ucherung aus. Ich mute nun wieder einmal aufbauend t"tig
werden.
Scharfe und sch"rfste Bestimmungen gegen die Juden, hatten diese
Zerst"rungsbefehle obendrein zur Folge. Auch in finanzieller Hinsicht. Eine
Verfgung des Devisenfahndungsamtes in Wien besagte, da Juden von ihren

/98/ AE: 72
Konten monatlich nur noch Betr"ge bis zum H"chstwert von vierhundert
Reichsmark abheben k"nnen.
Dies w"re fr den Betrieb der jdischen Kultusgemeinde ein vernichtender Schlag
gewesen, w"re diese Verfgung auch auf sie ausgedehnt worden.
Aber sie wurde ausgenommen und konnte von ihren Konten, Summen in jeder,
dem Bedarf entsprechenden H"he abheben. Die Zentralstelle fr jdische
Auswanderung gab bei Abhebung gr"erer Betr"ge jeweils ihre Befrwortung
dazu. - [15]
Bei jungen Juden war oftmals der Nachweis ber einen erlernten praktischen
Beruf die Voraussetzung fr die Erteilung einer Einwanderungsgenehmigung.
Also muten auch solche Stellen geschaffen, und hier bei den "rtlichen Staats-
und Parteistellen um Verst"ndnis dafr geworben werden. Natrlich blieb auch
solches Bemhen, bei der uneinheitlichen Ausrichtung der diversen Amtstr"ger
schlielich an mir h"ngen.
Da heit es beispielsweise in einer Aktennotitz(sic) von Dr. L"wenherz ber eine
Rcksprache mit mir, am 9. M"rz 1939, ,Der Leiter des Pal"stinaamtes erhielt
den Auftrag einen Bericht ber die M"glichkeit der Errichtung einer
landwirtschaftlichen Hachscharah (Umschulung) auf dem Gute Markhof zu
erstatten und darauf

/99/ AE: 73
hinzuweisen, welche staatlichen und Parteistellen, fr und gegen die Errichtung
dieser Hachscharah sind."

In demselben Aktenvermerk von Dr. L"wenherz und Dr. Rottenberg heit es dann
weiter: ,Herr SS-Hauptsturmfhrer Eichmann erkl"rte sich bereit, die Gebeine
Herzl's zwecks berfhrung nach Pal"stina freizugeben, jedoch unter der
Voraussetzung, da aus diesem Anla die jdischen magebenden Organisationen
neue Einwanderungsm"glichkeiten fr 8.000 Personen aus der Ostmark verschafft
werden (sic), und beauftragte die Gefertigten, diesbezglich gelegentlich ihrer
Anwesenheit im Auslande, die erforderlichen Verhandlungen zu fhren."

Natrlich konnte ich hier nicht selbst freigeben. Wie jedermann wei, sind fr
solche Exhumierungsgenehmigungen viele Wege bei den hierfr zust"ndigen
Beh"rden erforderlich. Und um jene Zeit der ,Nachreichskristallnacht", hatte auch
ich bei den verschiedensten Beh"rden, in allen Dingen wenn es sich um Juden
handelte, groe Schwierigkeiten.

Es ist nachtr"glich immer sehr leicht, jemanden - ich spreche jetzt von mir - mit
diktatorischen Vollmachten ausgestattet darzustellen und die Konstruktion so zu
fhren, da dieser Mensch dann

/100-101/ AE: 74, 74a
einfach in Bausch und Bogen verantwortlich fr alles gemacht wird. Es ist
interessanter, es liest sich leichter und es ist unter Umst"nden auch gar nicht
inopportun.
Nur - wieder meine Person herangezogen - es trifft nicht zu und ist daher nicht
wahr. [16]

Wenn ich heute, nach 22 Jahren so die Dokumente jener Zeit betrachte, dann mu
ich mich fragen, wie ein vernnftiger Mensch ausgerechnet mir Ha und
Vernichtungswillen unterstellen kann. Im Gegenteil, ich mu den jdisch-
politischen Funktion"ren gegenber doch sicherlich wohlwollend eingestellt
gewesen sein; frei ohne jeden pers"nlichen Ha, denn man k"nnte ja fast von
einem gegenseitigen dienstlich bedingten Vertrauen sprechen, da(sic) unschwer
aus und zwischen den Zeilen jener Dokumente herauszulesen ist.
/Einschub Text von Seite gegenber:
Da kam einmal an einem Vormittag der von der israelitischen Kultusgemeinde,
Wien, mit brigen jdischen Beamten dieser Institution, in die Zentralstelle fr
jdische Auswanderung, eingebaute Jurist zu mir. Ein Dr. Sowieso; den Namen
habe ich vergessen.
W"hrend der Nacht hatte die Staatspolizei, Verhaftungen vorgenommen. Wir
besprachen das Ereignis und er meinte dann: ,frecher Judenlmmel greift
harmlosen deutschen L"wen an". Und im selben Atemzuge meinte er, aber er
we, zu wem er solches sagen k"nne.
Ich sagte ihm, da habe er zwar recht mit seinem Wissen, aber wenn er solches
anderw"rts anbringe, me er sich nachher unter Umst"nden in einer Polizeizelle
sagen ,H"ttest du das Maul gehalten, w"rest du ein Weiser geblieben"; diese
bersetzung hatte mir einer meiner Lateinlehrer fr ,Si tacuisses philosophus
mansisses" gegeben. Wohingegen einmal mein Maschinenbauprofessor anl"lich
einer Statikprfung zu mir sagte: ,Gehirn ausgeschaltet, Schnauze l"uft leer mit".
Und ich sagte dem Juristen, ich m"chte nicht gerne haben, da er sich solche
Selbstvorwrfe eines Tages machen me, weil uns beiden damit nicht gedient
w"re; denn es ,s"e", und ich mte fr ihn intervenierend t"tig werden./
Aber meine Aufgabe soll es nicht sein, auf diese Stellen im einzelnen
hinzuweisen; m"gen dies Berufenere eines Tages tun oder auch lassen, mir ist es
egal. Ich war daneben f"rmlich so etwas wie eine Beschwerdestelle, zu der man
mit allen Anliegen kommen konnte, und ich wahrte sicherlich eine tendenzlose
Korrektheit gegenber den Juden und Nichtjuden; und ganz sicher kamen sie
nicht zu mir

/102/ AE: 75
voll, von pers"nlicher Angst.
Freilich l"t es sich nicht leugnen, da sp"ter mit zunehmenden Kriegsgeschehen
die Verordnungen und Befehle auch meiner Vorgesetzten, welche ich an die in
Frage kommenden Dienststellen weiterzuleiten hatte stets sch"rfer und radikaler
wurden.
Aber noch war es in Wien nicht so weit. Wenngleich der zunehmende Druck der
staatlichen und parteilichen Leitung in sterreich, nach einer beschleunigten
Entjudung, stets fhlbarer wurde.
W"re ich wirklich der "Haer", der ,Bluthund", der ,ordin"re Fletz" gewesen, so
wie mich manche Zeitgenossen nach 1945 gerne darstellten, dann wrde man dies
zweifelsfrei irgendwie sogar zwischen den Zeilen der L"wenherz'schen
Aktennotitzen lesen k"nnen, aber mir will wirklich scheinen, als ob es das
Gegenteil w"re. Ich spreche hier natrlich von den Dokumenten, die vor der
Beendigung des Krieges angefertigt wurden. Und dabei ist der Stil beispielsweise
von Dr. L"wenherz als durchaus trocken und sachlich zu bezeichnen.
Das damalige amtliche Deutschland, an seiner Spitze das Ausw"rtige Amt,
schufen eine ,Schraube ohne Ende", ,eine sich in den Schwanz beiende Katze",
und es hatte schlielich als seiner Weisheit letzten Schlu, kaum andere Befehle
zu erteilen als solche, wie sie zur Reichskristallnacht fhrten. Andere M"chte, zu
deren Sprecher sich in Berlin der britische Botschafter machte, erkl"rten, ,keine
Juden ohne Kapital".
Ja, in drei Teufels Namen, was sollte denn da noch an M"glichkeiten zur
Verfgung stehen. Ich habe es oft fast schon beweint, in jener Zeit meine

/103/ AE: 76
H"nde nicht in die Tasche gesteckt und die Stellungnahme vieler anderer, auch
mir zu eigen gemacht zu haben. Ich stnde wahrlich heute besser da.
/gestrichen: Bueno, ich habe sie aber nun einmal wie man sieht nicht ,in die
Tasche gesteckt". Ein weiterer Satz unleserlich gemacht./
/nachtr"glicher Zusatz zum Schlu des Abschnitts: Ob aber dann die Mehrzahl der
Juden aus sterreich h"tte auswandern k"nnen, m"gen andere berprfen./
Ich ging in Wien damals den Mittelweg zwischen jenen beiden Extremen,
n"mlich: der Auswanderungsbehinderung auf der einen Seite, verbunden mit
versch"rftem gesetzgeberischen Druck durch die amtlichen deutschen Stellen; und
der Erkl"rung des Auslandes andererseits, keine verm"genslosen Juden
aufnehmen zu wollen.
-(10)-
W"hrend des Prozesses gegen mich, wurde einige Male der Hitler'sche Ausspruch
in seiner Rede vor dem deutschen Reichstag am 30. Januar 1939 erw"hnt:
,Ich will heute wieder ein Prophet sein. Wenn es dem internationalen
Finanzjudentum in- und auerhalb Europas gelingen sollte, die V"lker noch
einmal in einen Weltkrieg zu strzen, dann wird das Ergebnis nicht die
Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die
Vernichtung der jdischen Rasse in Europa." [17]
/zwei Zeilen unleserlich gemacht/
Es passt zum M"rchen ,der Protokolle der Weisen von Zion" und den
,Ritualmordm"rchen".
Natrlich ist das internationale private Grokapital zu einem guten Hauptteil

/104/ AE:
77
mitschuldig, ja urs"chlich verantwortlich an der Not der V"lker, fr den Kummer
und das Leid, als Gefolge der von ihm heraufbeschworenen Kriege. Aber t"richt
ist es, hier von einem jdischen internationalen Finanzblock sprechen zu wollen.
Soferne es sich hier um Juden handelt, die auch in den gewaltigen internationalen
Finanzkartellen mit drin saen, handelte es sich ganz zweifellos um Juden, denen
ihr Judentum genau so wenig oder so viel bedeutete, als die katholischen oder
protestantischen Finanzmagnaten sich um Katholizismus oder Protestantismus
gekmmert haben m"gen. Das vorherrschende Charakteristikum gerade dieser
Juden war ihre assimilatorische Einstellung. Nicht immer zur Freude des wirklich
berzeugten Juden.
Nein, die internationale Hochfinanz war und ist mit das gr"te aller bel; daran
gibt es nichts zu rtteln. Aber hier den Tenor auf das Wort ,Jude" zu legen, heit
die Sachlage verkennen.
Und Hitler verkannte die Sachlage, wie so oft, so verh"ngnisvoll oft; so auch hier.

/105/ AE:
77a
Ich will da(sic), was ich eben sagte, genauer erkl"ren. Es m"gen die Jahre 1936
und 1937 gewesen sein; da ging eine Abteilung des damaligen SD-Hauptamtes
der Angelegenheit ,Internationales Finanzjudentum", Internationale jdische
Hochfinanz" nach. Ich pers"nlich hatte sachlich nichts damit zu tun, denn der
Schwerpunkt lag hier bei der ,Wirtschaftsforschung". Aber ich habe manche Akte
gelesen, die im Zusammenhang mit diesem Nachforschen entstand. Auch hatte ich
Gelegenheit, zu jener Zeit mit dem einen oder anderen hierfr zust"ndigen
Referenten ab und an ber diese Fragen zu sprechen. Ich entsinne mich noch, da
gerade das Ergebnis der Untersuchungen ber den ,Unilever-Konzern" vorlag; es
war ein gewaltiges Margarine und Seifenkartell und es waren diesem noch weitere
groe Unternehmungen angeschlossen. Seine wirtschaftlichen Verflechtungen
waren wahrhaft internationale. Seine Aktienpaketinhaber, wenn ich nicht irre auch
Teile seiner Verwaltungsratsvorsitzenden, waren zum Teil Juden, oft und oft
genannt, mit ebenfalls internationalem Klang. Ja, man sprach Teile des Unilever-
Konzernes direkt als Familiengebilde an.
Es stimmte auch, da einzelne Namenstr"ger innerhalb dieses Wirtschaftsgebildes
lebhafte Beziehungen beispielsweise zur ,Anti-Difamations-Liga", zur ,Anti-
Nazi-Liga", zu dem Leiter der Boykottbewegung gegen Deutschland, Samuel
Untermyr, hatten und auch zu vielen anderen politischen und wirtschaftlichen
Zentren, wie das nun eben einmal so das Getriebe der Multi-Million"re in der
Hochfinanz, mit sich bringt.
Nun, meine Einstellung zur Boykottbewegung habe ich geschildert. -
Es konnte trotz eifrigen Nachforschens - der Hebel dieser Ermittlungst"tigkeit
wurde damals in Holland angesetzt und erstreckte sich auf eine ganze Reihe von
L"ndern, ein-
Fortsetzung siehe auf dem
Beiblatt No 1 !!!

/106/ AE: 77b
1. Beiblatt zur Seite 77a
schlielich der USA, - nichts anderes ,gefunden" und festgestellt werden, was
nicht ebenso auch auf irgend einen Wald und Wiesenkaufmann, welche sich
dieser Boykottbewegung angeschlossen hatte, festgestellt h"tte werden k"nnen.
Sicherlich sind ihre finanziellen Untersttzungen gr"er gewesen, als die jener
minderer(sic) Bemittelten. Dafr aber auferlegten ihnen die Rcksichtnahme(sic)
auf ihre Wirtschaftsbetriebe ein ungleich h"heres Ma an Vorsicht und
Zurckhaltung, als solches die kleinen Leute notwendiger Weise zu beachten
gehabt h"tten.
Mit anderen Worten: nichts Belastendes ergab sich, was der Mhe wert gewesen
w"re, es lauthals in alle Welt hinauszuposaunen. Und das SD-Hauptamt sa
damals - wie man fachm"nnischerweise zu sagten(sic) pflegte - sehr gut im
Unilever-Konzern drin.
W"re wirklich etwas festgestellt worden, dann w"re dies unter Anfhren aller
Einzelheiten sp"testens bei der Besetzung Hollands durch Goebbels Vermittlung
einer internationalen Presse und sicher auch dem diplomatischen Korps in Berlin
bekannt gegeben worden; wie dies nun einmal so blich war. Da es bis 1945
aber nicht geschah, ist eine Best"tigung der Richtigkeit meines Geschilderten.

Natrlich war es ein ,geflgeltes Wort", das internationale ,Finanzjudentum".
Aber man nehme doch einmal die Summe aller Multimillion"re

/107/ AE: 77c
mit Dollarbasis her, und dann sehe man nach wie hoch die Zahl der jdischen und
wie hoch die Zahl der nichtjdischen Dollar-Multimillion"re ist; unter Beachtung
der von ihnen vertretenen Dollarsummen.
Ebenso mache man es mit den Vorsitzenden der Aufsichtsr"te von
Unternehmungen, Konzernen und Kartellverb"nden, denen einige Bedeutung in
internationaler Hinsicht zuzumessen ist; zwar ist nicht unbedingt und
notwendigerweise Aufsichtsr"ten, Mitgliedern der Exekutivkomitees(sic) und
Vorsitzenden solcher K"rperschaften der Status eines Multimillion"rs
zuzusprechen, wohingegen ihr wirtschaftlicher Einflu ein enormer sein kann.

Was sieht man? Sicher nichts anderes, als da(sic), was auch wir seinerzeit im
SD-Hauptamt sahen. Die Zahl der Juden, war im Vergleich zur Zahl der
Nichtjuden sehr gering.
Der einzelne Konzern, der einzelne jdische Finanzmagnat, der einzelne
nichtjdische Aufsichtsratvorsitzende oder Dollar-Multimillion"r, vermochte
gegen das Reich nicht mehr zu unternehmen, wie eine Stecknadelspitze gegen
eine Elefantenhaut.
Erst in ihrer Zusammenballung, in dem Einigsein des Groteiles der
internationalen Hochfinanz zur Zielerreichung, da wird diese Macht finster und
gef"hrlich.
Aber ab diesem Augenblick hat der Jude als solcher damit nichts mehr zu tun; er
ist nur noch ein Prozentsatz im Volumen ,Einhundert"; ein Prozentsatz, der
haushoch entfernt von einer Majorit"t ist.

/108/ AE: 77d
So war es jedenfalls in jenen Jahren, von denen ich spreche.
Und nachdem mir solches, als kleiner Referent bekannt war, um wieviel mehr
mute es den Fhrungsspitzen bekannt gewesen sein. Denn fr sie wurden ja
diese Nachrichtenuntersuchungen gefhrt und an sie gingen ja die
Berichterstattungen.
Wenn ich sage, da wir Referenten im Reichssicherheitshauptamt, bei einer
solchen Rede Hitlers, daher nur an die Erzielung einer propagandistischen
Wirkung glaubten, dann mag dies seine Richtigkeit haben. Am 30. Januar 1939
hat meines Erachtens in ganz Deutschland im Ernst niemand an eine physische
Vernichtung des Judentums gedacht. Der Gedanke selbst schon w"re auch zu
absurd gewesen; und ich wage dies zu behaupten trotz aller wirklich sehr scharfen
Manahmen, welche bis dahin gegen die Juden Anwendung fanden.
Denn, da jede Politik in allen L"ndern eine einzige groe Lge und ein einziger
groer Betrug ist, dies wute auch damals schon ein jeder Mensch in allen
L"ndern, sofern er nur Zeitung lesen konnte.
Der Jude wurde - wie schon so oft in seiner Geschichte - auch von der obersten
Fhrung des Reiches als Katalysator benutzt, an dem sich alle ihre Mierfolge
und prophylaktisch auch alle eventuell kommenden Schwierigkeiten und
Ungelegenheiten, niederzuschlagen hatten.
An dieser Grundeinstellung hat sich nichts ge"ndert; so entstand das
Propagandabild der ,Protokolle der Weisen von Zion", so entstand das
,Ritualmordm"rchen", zu seiner Zeit. Es ist dies beileibe nicht erst meine
Einstellung zu den Dingen, seit ich hier als

/109/ AE: 77e
Staatsgefangener in einem israelischen Gef"ngnis sitze. Ich verdanke diese meine
Kenntnis im Wesentlichen der Erkenntnis meines Lehrer auf diesem Gebiet, dem
Freiherrn von Mildenstein. Er sah die Dinge leidenschaftslos und nchtern, so wie
sie in Wahrheit lagen. Frei von Mystizismus, frei von ,Strmerauffassung" und
frei von propagandistischen Truggebilden.
Die Richtigkeit seiner Auffassung konnte ich in langen Jahren, an Hand der
amtlichen Unterlagen best"tigt finden.
Da der einzelne jdischen Finanzmagnat genau so schlecht oder genau so gut
wie der einzelne nichtjdische Finanzmagnat gewesen ist - und alle zusammen
noch immer so sein werden - ist eine sonnenklare Angelegenheit, hat aber mit
Judentum nichts zu tun.
Ich denke in diesem Augenblick an eine andere Geschichte, die man mir erz"hlte,
deren Glaubwrdigkeit oder Nichtglaubwrdigkeit sehr leicht nachzuprfen ist.
(Zusatz fr den Lektor: sollte es nicht stimmen, dann bitte diesen Absatz in
Fortfall kommen zu lassen. Der Gew"hrsmann, der es mir erz"hlte war ein zwar
gediegener Wirtschaftler, aber ich habe es mit eigenen Augen nicht amtlich
gesehen. Daher meine Vorsicht.)
Als dem Volkswagenwerk in Deutschland von der englischen Besatzungsbeh"rde
die Wiederingangsetzung des Betriebes erlaubt wurde, geschah dies mit der
Auflage, fr jeden verkauften Volkswagen ,Eintausend Deutsche Mark" an
England abzuliefern.
Dies ist zum Beispiel solch ein Raubzug der Hochfinanz. Konkurrenzneid und
Wirtschaftsangst diktieren hier dem einzelnen Verbraucher den mittelalterlichen

/110/ AE: 77f
2. Beiblatt zu 77a.
,Zehent" auf. Diese Summen flieen netto in die Taschen der daran interessierten
englischen Kapitalistenkreise. Da das englische Volk, der englische Arbeiter,
davon keinen Pfennig sieht, ist klar. Es ist der Tribut, den der Volkswagenk"ufer
dafr zu bezahlen hat, da die englische Kleinwagenindustrie eben einen gewissen
Prozentsatz weniger Wagen abstoen kann. Soviel ich wei, haben Juden
beispielsweise hier nicht mit zu tun gehabt.
Aber man wird mir vorhalten, da es doch unleugbar sei, da den Juden im
Vergleich zu seiner Gesamtbev"lkerung in Deutschland, ein
unverh"ltnism"ighoher Anteil an Bank und B"rse, an Kunst, Schriftum(sic),
Film und Theater zukam; ferner am Handel im allgemeinen, an gewissen
Berufssparten wie rzten usf., auf dem Gebiete der Rechtssprechung und
Erziehung und was dergleichen nochmehr sein mag.
Jawohl, da mu ich sagen, da dies stimmt. Und es war ja auch die Masche, in
welche die nationalsozialistische Propaganda immer wieder hineinhaute.
Es war dies wohl mit gewissen zeitgeschichtlichen Abweichungen in der einen
und anderen Form so, seit Jahrhunderten und noch l"nger.
Es fhrte diese Tatsache auch immer wieder mit zu Pogromen und
Wirtschaftsdruck auf die Juden.
Viele schlachteten diese Tatsache zu ihrem Vorteil aus; die Landesfrsten zum
Wohle ihrer
/111/ AE: 77g
Privatschatulen(sic); und die Politiker zum Fange der Stimmen die sie ben"tigten,
um ,an den Drcker zu kommen". Alle bentzten diese fr ihre pers"nlichen
Ambitionen willkommene Gelegenheit, um unter spekulativer Ausntzung
erwachter Neidtriebe im Menschen, ihr Ziel zu erreichen, da(sic) sie sonst
mangels eigener Geistesgaben kaum oder viel schwerer h"tten erreichen k"nnen.
/ein Satz unleserlich gemacht/
Zweierlei Ursachen sind es, denen die Juden ihr Los zu beklagen hatten.
Die Jahrhunderte w"hrenden Exile, in welche die Juden lange vor der
Zeitenwende abgefhrt wurden. Nach Babylonien, nach gypten. Gewisse
Berufszweige waren ihnen hier gestattet, andere untersagt. Selbst in
Mittelalterlicher(sic) Zeit war es oft noch so. Und wenn man nachsieht, was ihnen
damals erlaubt war, betreiben zu drfen, dann waren es in der Mehrzahl der F"lle,
jene Berufe in welchen die Juden der Neuzeit einen gr"eren Anteil hatten, als es
ihrer Gesamtzahl zur Einwohnergesamtzahl entsprach. Es war ganz klar, sie
waren darauf zwangsl"ufig spezialisiert worden.
Zum anderen trug Schuld daran die Tatsache, da den Juden die M"glichkeit zur
Eigenstaatlichkeit verwehrt war.
Und da nun jeder Nationalismus potenzialer Egoismus ist, so sollte anf"nglich das
Problem in Deutschland durch Auswanderung gel"st werden. Dies war nicht neu,
dies hatte zahlreiche Pr"zedenzf"lle in der Geschichte, ich erinnere nur an die
Judenaus-
/112/ AE: 77h
treibungen Isabellas der Katholischen. Die "ueren Deklarationen der Motive
wechselten im Laufe der Zeiten. Das Motiv selbst blieb sich stets gleich.
/nachtr"glicher Zusatz: Ich pers"nlich wies stets und nachdrcklich darauf hin,
da nur Eigenstaatlichkeit das Problem l"se. Aber hier unterlag ich
stellungsm"ig sowohl als auch im Kampf mit Lgen und Gegenpropaganda./
Und ich behaupte heute, da das ganze menschliche Zusammenleben, zumindest
in seiner zweitausendj"hrigen neueren Zeit - aber sicherlich auch vordem - eine
einzige groe und gewaltige Betrugs- und Lgensymphonie ist. Bernard Shaw,
der Menschenkenner und Sp"tter, erz"lt(sic) uns eine nette Geschichte:
,Sobald eine Lge popul"r geworden ist, da(sic) werden alle M"rchen, ist es
unm"glich sie einzuholen, wenn sie einmal einen Vorsprung hat.
Von Lord Melbourne, dem Mentor der K"nigin Victoria, als diese den Thron
bestieg, erz"hlt man sich, er habe bei einer Zusammenkunft mit seinen
Ministerkollegen, mit seiner Person die Tre des Beratungszimmers verstellt und
ihnen zugerufen: ,Es ist mir ganz egal, was fr eine gottverdammte Lge wir
erz"hlen men, aber nicht einer von Ihnen verl"t dieses Zimmer, bevor wir uns
auf eine und dieselbe gottverdammte Lge geeinigt haben."

So viel zu diesem Kapitel. -
_____________
/104+113, 114/ AE: 77+78

-(11)-
Die deutschen Panzer rasselten durch Prag. Die goldene Stadt an der Moldau.
>Slata Praha<, wie der Ceche zu seiner Hauptstadt, der baulich sch"nsten aller
mitteleurop"ischen Hauptst"dte, wenn nicht darber hinaus, sagt. Wer an der
Moldau steht und seine Blicke ber die steinernen Heiligen der Karlsbrcke,
hinauf zum Hradschin und Veitsdom gleiten l"t
und hierbei nicht dem Zauber der Jahrhunderte sinnierend erliegt, kann kein
Lebender mehr sein.
Ich kannte Prag noch aus tiefster Friedenszeit. Ich kannte Prag, als es noch zur
K.u.k."sterreich-ungarischen Monarchie /verschrieben, Korrektur gegenber auf
S. 113/ geh"rte und ganz besonders verstehend und liebend lernte ich diese
reizvolle Feste an der Moldau in den Jahren 1931 bis 1933, kennen.
Aus den vertr"umten G"s'chen(sic) der Altstadt und des Hradschin, umwehte
einen der Hauch des Mittelalters; von Gewerbeflei und Baukunst kndend.
Und tausend alte Sagen und mehr raunten sich durch das lauschende
/verschrieben, Korrektur gegenber auf S. 113/ Ohr. Und vergoldet leuchteten
hundert Trme und Kuppeln in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne.
Oh, wie liebte ich Prag.
Doppelt heimelig war sie mir, diese Stadt; als st"dtebauliches Kleinod und meine
Verlobte in jenen Jahren, meine sp"tere Frau, war obendrein in der
Cechoslowakei beheimatet.
In wenigen Tagen, werden dreiig Jahre vergangen sein, seit jener Zeit, da ich
Prag zu lieben anfing.
________________

Mitte 1939 erhielt ich Befehl nach Prag zu fahren und mich bei dem dortigen
Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, zu melden. Es sollte das
Spiegelbild der ,Zentralstelle

/115/ AE: 79
fr jdische Auswanderung, Wien", aufgezogen werden.
Genau war es der 28. Juli 1939, an dem in Prag die Zentralstelle zu arbeiten
anfing.
Bis dahin gab es noch keine einheitlich geregelte Auswanderung. Wer von den
Juden auswandern wollte, mute sich die notwendigen beh"rdlichen Dokumente
selbst beschaffen. Damit ging er zur Durchlascheinstelle der Geheimen
Staatspolizei, die darber entschied, ob dem Betreffenden die Auswanderung
genehmigt wurde oder nicht.
Nach Errichtung dieser ,Zentralstelle fr jdische Auswanderung Prag", wurde
der jdischen Kultusgemeinde Prag bertragen, dafr zu sorgen, da die
auswandernden Juden die gesetzlichen Voraussetzungen erfllten. Der
Durchlaschein, der zum Verlassen des ,Protektoratsgebietes" berechtigte, wurde
nunmehr von dieser Zentralstelle ausgegeben. Es waren eine groe
Anzahl Dokumente notwendig, um in jener Zeit in das Ausland auswandern zu
k"nnen und ich gehe kaum fehl, wenn ich sage, da diese Anzahl fr Juden und
Nichtjuden so ziemlich die gleiche war. Dazu geh"rten:
1.) Wohnungsnachweis von der Polizeidirektion;
2.) Polizeiliches Fhrungszeugnis;
3.) Sichtvermerkerteilung durch den Oberlandrat Prag;
4.) Gesuch um Ausstellung eines Reisepasses, an die Polizeidirektion Prag und an das
Oberlandratsamt in Prag;

/116/ AE: 80

5.) Formblatt fr einen Auswanderungspa, von der Polizeidirektion in Prag;
6.) Best"tigung des Magistrates der Stadt Prag, ber die Bezahlung der
Gemeindeabgaben;
7.) Gesuch an die Gruppe VII/Wirtschaft/ des Reichsprotektors;
8.) Gesuch und Fragebogen an die Steueradministration zwecks Erlangung einer
,Steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung";
9.) Ausgefllter Fragebogen des staatl. Gebhrenamtes;
10.)Antrag auf Mitnahme des Umzugsgutes an die Revisionsabteilung des
Finanzministeriums und an die Nationalbank;
11.)Verzeichnis des Umzugsgutes an die Revisionsabteilung des Finanzministeriums;
12.)Verm"gensbekenntnis fr das Devisenschutzkommando der Zollfahndungsstelle.
13.)Best"tigung der Bezahlung der Auswanderungssteuer, Abgaben bezglich des
Umzugsgutes usf. im Sinne der Regierungsverordnung No 287/1939;
und anderes mehr.

Wie man sieht, war es - nicht nur in Prag - alleine schon schwer, diese Vielfalt
von Bestimmungen zu erfllen. Fr den Einzelmenschen oft eine Qual. Es hatte
die Schaffung einer zentralen Stelle schon recht viel fr sich; freilich hatte sie
auch ihre Nachteile.
Und es m"gen diejenigen werten und bewerten zwischen Vorteil und Nachteil,

/117/ AE: 81
die in die Notwendigkeit kamen, im(sic) Besitze solcher Bescheinigungen zu
gelangen. Sie werden es wissen.
Ich sagte diejenigen, welche in die Notwendigkeit kamen.
Ja, und da geht mir durch den Sinn:
Ich trat der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter Partei bei, weil sie gegen
das Unrecht von Versailles k"mpfte,
/eine Zeile unleserlich gemacht/
Gegend(sic) das Diktat;
Gegen Besatzung;
Gegen nationale Schmach;
/eine Zeile unleserlich gemacht/
Gegen Landraub.

Und was brachten wir?
Unrecht;
Diktat;
Besatzung;
Nationale Schmach;
/eine Zeile unleserlich gemacht/
Landraub.
Es ist wahr; genau da(sic), brachten wir!
Genau da(sic), alles, rasselte im Gefolge unserer Panzer, gegen da(sic) wir
einstens uns erhoben und aufstanden.
Alles dies und noch viel mehr diktierten wir anderen V"lkern auf.
Es ist wahr: ein Unrecht schafft das andere Unrecht nicht aus der Welt.
Und unsere damalige Fhrung h"tte solches erkennen men. Sie waren die
verantwortlichen Politiker.
/118/ AE: 82
/gestrichen, offenbar daraufhin als Schlusatz auf die vorige Seite gesetzt: Sie
waren die verantwortlichen Politiker./
/7 Zeilen bis zum Schlu des Abschnitts unleserlich gemacht/
/weitere 6 Zeilen unleserlich gemacht/
/6 Zeilen bis zum Schlu des Abschnitts gestrichen, zum Teil noch lesbar: . Form
geworden w"re; nicht da ich predigend oder schreibend diese Ideologie landein,
landab verkndet h"tte, etwa einem Reichsredner gleichend. Nein, dies nicht./
/weiterer Abschnitt von 5 Zeilen unleserlich gemacht/
/9 Zeilen bis Ende der Seite gestrichen, noch lesbar: Und diese Einstellung war
es, die mich weiterhin als Diener im Tanz um die G"tter verharren lie. Freilich,
es war damals schon schwer, sehr schwer aus diesen Reihen zu brechen; selbst
wenn man es wollte.
Aber ich mu es gestehen, ich dachte um jene Zeit nicht mehr und noch nicht von
neuem an eine Losl"sung von meinem Dienst, nachdem mein/

/119/ AE: 83
/2 Zeilen bis zum Abschnitt unleserlich gemacht/

Am 27. September 1941 wird Heydrich zum Stellvertretenden Reichsprotektor fr
B"hmen und M"hren ernannt.
Des Ehrgeizigen und sehr Machthungrigen Wunsch, ist erfllt: sein Sprung in das
gr"ere politische Geschehen.
Ich h"rte ihn bei irgendeiner Gelegenheit einmal sagen, da es ihm eine
Genugtuung bedeute, aus dem Negativum der polizeilichen ,T"tigkeit", nunmehr
in eine ,positive Aufbauarbeit" gestellt zu sein.
Doch scheint diese, seine Erkl"rung ohne weiteren Belang gewesen zu sein, denn
er behielt seine Stellung als Chef der Sicherheitspolizei und das SD auch
weiterhin, in Personalunion, bei.
Darber hinaus war er SS-Obergruppenfhrer und General der Polizei, Mitglied
des Deutschen Reichstages, zeitweilig Vorsitzender der ,Internationalen
Kriminalpolizeilichen Kommission", um einige seiner wichtigsten Funktionen
und Titel zu nennen.
Sein geheimes Ziel aber war die Verdr"ngung Ribbentrops, und sich selber als
Reichsauenminister sehend. Dazu sollte ihm das Sprungbrett in die hohe Politik,
als des Reiches Protektor fr B"hmen und M"hren, dienen.
Er hatte sich als ,Architekt" das Gebilde eines Reichssicherheitshauptamtes
geschaffen, da(sic)

/120/ AE: 84
er in z"her Kleinarbeit, aus kmmerlichen Anf"ngen heraus, zu jener m"chtigen
Institution ausbaute und als dessen Chef und Beherrscher er als Person
schlechterdings unangreifbar wurde.
Mut und Entschlossenheit, gepaart mit Draufg"ngertum war ihm keineswegs
abzusprechen gewesen, besonders wenn es sich darum handelte seinem Ehrgeiz
und seiner Eitelkeit zu fr"nen.
Er wollte sich in den Besitz von Tapferkeitsauszeichnungen setzen.
Zu diesem Zweck lie er sich in seiner knappen Freizeit ber seine Beziehungen,
in die Uniform eines Luftwaffenmajors stecken und an einer ,Messerschmitt"
ausbilden. Tats"chlich beteiligte er sich dann auch als J"ger an K"mpfen ber dem
Kanal, scho einige Feindflugzeuge ab, und erhielt Frontflugspange und Eisernes
Kreuz. Himmler verbot ihm daraufhin jedwede weitere Fliegerei. -
Auch diesen Wunsch hatte er sich also erfllt.

Auf einer Pressekonferenz in Prag, hatte Heydrich sich in seiner impulsiven Art
dazu hinreien lassen, einen unm"glich kurzen Termin fr die ,Entjudung
B"hmens und M"hrens" zu nennen.
Um seinen Worten einigermaen nachkommen zu k"nnen, wurde in der Folgezeit
Theresienstadt von deutschen Truppen, welche dort in Garnison lagen ger"umt
und die cechische Zivilbev"lkerung durch das

/121/ AE: 85
zust"ndige Ministerium der Protektoratsregierung, umgesiedelt.
Ein vorliegendes Dokument, beschreibt die Besprechung mit Heydrich, an der
auch ich teilnahm. Ich habe das Original nicht gesehen. Das mir zur Verfgung
stehende Dokument - eine Ablichtung - zeigt weder Briefkopf noch
Tagebuchnummer, weder Signum noch Unterschrift, so da ich nicht zu ersehen
vermag, wer diese Notitzen(sic) machte, von welcher Dienststelle sie gemacht
wurden; kurz, ich kann dieses Dokument solange nicht als amtlich ansehen,
solange ich das Original nicht gesehen habe. Hinzu kommt, da ich die
Angelegenheit anders in Erinnerung habe; wenngleich ich nicht behaupten will,
da nach so langer Zeit, es sind inzwischen zwanzig Jahre mit all ihrer Turbulenz
darber hinweggegangen, meine Erinnerung untrglich w"re. [18]
Heydrich frug auch mich in jener Zeit um meine Meinung, wie ich mir - nun er
sich einmal als Reichsprotektor festgelegt habe - eine L"sung vorstelle. Er frug
Dutzende von Personen und Stellen. Ich sagte ihm, er m"ge eine Stadt mit
gengendem Hinterland zur Verfgung stellen. In diese(sic) Stadt k"nnten die
Juden von B"hmen und M"hren angesiedelt werden; das Hinterland hat die
ben"tigten landwirtschaftlichen Produkte zu liefern. Die laufende Auswanderung
wrde im Laufe der Jahre das Problem

/122/ AE: 86
sodann von selbst l"sen. So geschah es dann auch; jedoch ohne Hinterland.
/1 nachtr"glich hinzugefgte Zeile gestrichen und unleserlich gemacht/
Die wenigen hundert Hektar Land waren zu wenig und die Auswanderung war
inzwischen auch verboten worden. Hinzu kam, da in der Folgezeit alle
m"glichen Partei- und Staatsdienststellen des Reichsgebietes, in der Dr"ngelei,
ihre Juden los zu werden, Himmler in den Ohren lagen, ihrerseits Juden nach
Theresienstadt schicken zu k"nnen. Hinzu kam ferner, da Himmler /1 Zeile
unleserlich gemacht/ eines Tages befahl, Theresienstadt zu einem Muster-Alters-
Ghetto umzugestalten, um hier dem Ausland zu zeigen, wie das Deutsche Reich
die Judenfrage l"se. Es war dies eine der von Himmler befohlenen Tarnungen.
/zweieinhalb Zeilen bis Ende des Abschnitts unleserlich gemacht/
Theresienstadt war dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, in Prag
unterstellt. [19] Der Befehlshaber wiederum unterstand einmal fr
Angelegenheiten des Protektoratsbereiches, dem H"heren SS- und Polizeifhrer
fr B"hmen und M"hren, als dem bevollm"chtigten Vertreter Himmlers, des
Reichsfhrers SS und Chefs der Deutschen Polizei;
zum anderen demselben, in seiner Eigenschaft als Staatssekret"r fr das
Sicherheitswesen in B"hmen und M"hren. Es war dies der SS-Gruppenfhrer und
Generalleutnant der Polizei und der Waffen SS, K. H. Frank.

/123-124/ AE: 87
Zum dritten hatte der Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Prag die Befehle des
Reichssicherheitshauptamtes zu beachten, soferne ihnen Reichshorizont
zuzumessen war, und Frank kein Veto einlegte.
Bis zum Tage, an dem gegen Heydrich die Bombe geworfen wurde, an deren
Splitterverwundung er am 5. Juni 1942 starb, befahl auch Heydrich als Chef der
Sicherheitspolizei und Reichsprotektor, seinem Befehlshaber der
Sicherheitspolizei in Prag, unmittelbar.
/Zusatz von Seite gegenber: Es war eine komplizierte Stellung, alleine schon im
Hinblick auf die Befehlswege und die dadurch bedingten Kontrollm"glichkeiten./
Von Zeit zu Zeit traten die Dienststellen der Sicherheitspolizei auf Dr"ngen der
"rtlichen Vorgesetzten oder der parteilichen Instanzen, an das
Reichssicherheitshauptamt heran, eine vorgeschlagene Anzahl von Juden zwecks
Auflockerung der Besiedlungsdichte in Theresienstadt, nach dem Osten zu
deportieren, denn die Auswanderung von Juden in europ"ische oder
auereurop"ische L"nder, war von Himmler mit Wirkung vom 10. Oktober 1941,
verboten worden.
Solche Ansuchen konnte nur Himmler pers"nlich entscheiden und daher wurden
sie entweder vom Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes, meinem
inzwischen unmittelbaren Vorgesetzten, SS Gruppenfhrer und Generalleutnant
der Polizei Mller, oder von dem Nachfolger Heydrichs, dem SS
Obergruppenfhrer und General der Polizei und der Waffen SS, Dr.
Kaltenbrunner, als Chef der

/125/ AE: 88
Sicherheitspolizei und des SD, unterschrieben, an Himmler weitergeleitet.
Dieser genehmigte oder verwarf. [20]

Ich sagte, da die Einrichtung und der Betrieb des Ghettos Theresienstadt von
Himmler zur Tarnung befohlen wurde. Also wurden alle Ansuchen, welche die
Dienststellen des Roten Kreuzes, bei den zust"ndigen Reichsstellen, wie dem
Ausw"rtigen Amt, insoweit es sich um das Internationale Rote Kreuz handelte
oder bei der Kanzlei des Fhrers oder Reichskanzlei, sofern der Antrag vom
Deutschen Roten Kreuz ausging, ber Himmler geleitet, der als letzte Instanz
erlaubte oder verbot. So wurde Theresienstadt im Juni 1943 von dem
Generalhauptfhrer des Deutschen Roten Kreuzes, Hartmann besucht, als
Vertreter des Herzogs von Koburg, /fast 2 Zeilen unleserlich gemacht/ und am 5.
April 1944, von einer Kommission des Internationalen Roten Kreuzes selbst. [21]
Auch ich nahm an diesen Besichtungen(sic) befehlsgem" teil. Es ist natrlich
heute leicht zu sagen, ja h"tten Sie denn damals den Kommissionen nicht sagen
k"nnen, ist ja alles Schwindel, ist ja alles Tarnung Himmlers, der damit die
Welt"ffentlichkeit irre fhren will.
Abgesehen davon, da ich unter Eid stand; abgesehen davon, da die Tatsache der
Judent"tungen im Juni 1943 auch im Ausland unwiderlegbar bekannt war und es
im April 1944 bereits alle Spatzen vom Dach pfiffen; abgesehen von der Tatsache
ferner, da ich an die n"chste Mauer gestellt worden w"re, um erschoen zu
werden, abgesehen von

/126-127/ AE: 89
diesem allen, was h"tte es der Sache gentzt? Ich konnte ja nichts abstellen,
genauso, wie ich nichts in Gang setzen konnte.
Es waren in der ganzen Judenangelegenheit zu viele Befehlsgeber eingeschaltet.
Angefangen von Hitler ber Himmler, Heydrich und Kaltenbrunner, ber Krger,
dem H"heren SS- u. Polizeifhrer im Generalgouvernement; den
Einsatzgruppenchefs im Osten, den SS Generalen Nebe, Rasch, Ohlendorf,
Stahbecker(?), Jaeckeln und andere; den SS Generalen Globocnigy, Katzmann
und andere im Generalgouvernement; dem Oberdienstleiter Brack /Schreibung
dieses Namens auf Seite gegenber verdeutlicht/ in der Kanzlei des Fhrers; dem
SS General Pohl, den H"heren SS- und Polizeifhrern im Reichsgebiet und den
besetzten Gebieten; den Gauleitern und Reichsstatthaltern, den Reichsleitern, dem
Reichsminister des Ausw"rtigen; dem Reichspropaganda- und
Reichsjustizminister; dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht; und andere
mehr.
Was schon h"tte hier ein Mann mit dem Dienstgrad eines Oberstleutnants zu tun
vermocht?
Nichts!
Die doppelte und dreifache jederzeitige Kontrollm"glichkeit, seitens der
Vorgesetzten, denen ein jeder Befehlsempf"nger, ohne jede Ausnahme, innerhalb
des Gebildes der Sicherheitspolizei unterworfen war, sorgte ebenfalls fr eine
linientreue Beibehaltung des von der Fhrung vorgeschriebenen Kurses.
Und dieses automatisch arbeitende Kontrollsystem - die Skizzen welche dieser
Arbeit angehangen sind, veranschaulichen dies - nicht nur innerhalb der
Sicherheitspolizei, erm"glichten es den G"ttern mit, zu G"tzen zu werden.
/am Rand Verweis auf: Skizzen/
-----,------


/128-129/ AE: 90-90a
-(12)-
Aus Grnden der besseren bersicht bin ich mit meinen Betrachtungen, soweit es
sich um B"hmen und M"hren handelte, der Zeit vorausgeeilt. Ich mu daher jetzt
wieder etwas zurckschalten, um den Betrachtungen nachkommen zu k"nnen,
was sich inzwischen auerhalb des Protektoratsbereiches zugetragen hatte.
Wir schreiben den 1. September 1939.
Um fnf Uhr frh haben sich die deutschen Divisionen in Richtung auf Polen in
Bewegung gesetzt.
Deutsche Sturzkampfbombergeschwader belegen die polnischen
Bereitschaftsstellungen mit Bomben.
Die Summe der deutschen, englischen und franz"sischen Unvernunft in der
Polenfrage, lieen(sic) es zum Kriege gegen dieses Land kommen. Die Tragik des
Schicksals hatte den polnischen Marschall Pilsudsky zu frh sterben lassen. Unter
seiner Staatsfhrung, w"re es nie und nimmer zum Kriege gegen dieses Land
gekommen.
Die Furie des Krieges raste durch Polen und nach einigen Wochen standen sich an
der Demarkationslinie sowjetrussische MWD-Beamte, deutsche Geheime
Staatspolizeistellen, sibirische Infanterieregimenter und deutsche
Grenadiereinheiten, in fast friedensm"iger Grenzsicherung gegenber.
/Einschub von Seite gegenber (gekennzeichnet als 90a):
Am 21. September hatte Heydrich seine Amtchefs und in Polen t"tigen
Einsatzgruppenchefs zu einer Besprechung nach Berlin zusammengerufen.
Auch ich bin in der Anwesenheitsliste eines Protokolls erw"hnt, aber ich war um
diese Zeit noch gar nicht in Berlin und ebensowenig war ich Einsatzgruppenchef.
(Dieses Dokument tr"gt im brigen auch weder Unterschrift noch Signum.
Freilich lag mir nicht das Original, sondern nur eine Photokopie vor.)
Es mu sich um einen Irrtum handeln; ich habe an dieser Besprechung nicht
teilgenommen. Mein ehemaliger Vorgesetzter, Prof. Dr. Six, der an dieser
Besprechung teilnahm, wurde dieserhalb als Zeuge 1961 in Deutschland befragt.
Er erkl"rte, da ich an keinerlei Amtchefbesprechungen teilgenommen habe. Mein
Vorg"nger in Berlin, ein Regierungsrat Lischka unterschrieb noch am 16. Oktober
des gleichen Jahres, Schreiben seines Dezernates, die Reichszentrale fr jdische
Auswanderung betreffend. Dr. L"wenherz stellte in seiner Aktennotitz(sic) vom
17. Dezember 1939 erstmalig fest, da ich ihm mitgeteilt habe, da ich nunmehr
die Reichszentralstellengesch"fte zu bearbeiten habe.
Also hatte ich vordem dienstlich in Berlin nichts zu suchen. Ich arbeitete in Wien
und Prag in den Auswanderungszentralstellen.
Heydrich hatte in dieser angefhrten Besprechung die Ghettoisierung der Juden
im Generalgouvernement befohlen./

Am 6. Oktober verkndet Hitler die Nationalisierung der neu zum Reich
hinzugekommenen Ostprovinzen und be-

/130/ AE: 91
auftragt mit der Durchfhrung Himmler, unter Ernennung zum Reichskommissar
fr die Festigung deutschen Volkstums. Als Chef der Deutschen Polizei und als
Reichsfhrer SS, hatte er in organisatorischer Hinsicht auer einem
Verm"genstr"ger keine andere neue diesbezgliche Institution zur Durchfhrung
der ihm von Hitler bertragenen zus"tzlichen Aufgabe n"tig. Die
Regierungsstellen des Generalgouvernements, wie der deutsche(sic) besetzte
polnische Teil nunmehr hie, waren bereits im Aufbau.
Als Verm"genstr"ger ber das gesamte Verm"gen - bewegliches und
unbewegliches - der im Zuge der Nationalisierung zu Deportierenden, fungierte
die um jene Zeit errichtete Haupttreuhandstelle Ost.
Die Deportationen erfolgten nach dem Generalgouvernement.
Am 30. Oktober erteilte Himmler folgenden Befehl: ,In den Monaten November
und Dezember 1939, sowie in den Monaten Januar und Februar 1940, sind
folgende Umsiedlungen vorzunehmen:
1.) Aus den ehemals polnischen, jetzt reichdeutschen Provinzen und Gebieten, alle
Juden.

2.) Aus der Provinz Danzig-Westpreuen, alle Kongrepolen


3.) Aus den Provinzen Posen, Sd- u. Ostpreuen und Ostoberschlesien, eine noch
vorzuschlagende Anzahl besonders feindlicher

/131/ AE: 92
polnischer Bev"lkerung.

4.) Der H"here SS- u. Polizeifhrer Ost (Generalgouvernement), gibt die
Aufnahmem"glichkeiten des Gouvernement fr die Umzusiedelnden bekannt und
zwar getrennt nach Kreishauptmannschaften und gr"eren St"dten.

5.) Die H"heren SS- u. Polizeifhrer Weichsel, Warthe, Nordost, Sdost und Ost,
bzw. die Inspekteure und Befehlshaber der Sicherheitspolizei, legen gemeinsam
den Umsiedlungsplan fest.


6.) Verantwortlich fr den Abmarsch und fr den Transport ist der H"here SS- u.
Polizeifhrer innerhalb seines Gebietes; verantwortlich fr die Unterbringung im
neuen Wohngebiet ist die polnische Verwaltung bzw. Selbstverwaltung." [22]

Dies war der erste Deportationsbefehl. Dutzende sollten ihm noch folgen. Im
Zuge dieses Befehles setzten sich die angeschriebenen SS und Polizeigener"le am
8.11.1939 beim Generalgouverneuer in Krakau zu ihrer ersten Beratung
zusammen. Ihre Besprechungspunkte waren die von Himmler befohlene
Unterbringung und Ansiedlung von in das Reich zu nehmenden Volksdeutschen,
aus den Baltenl"ndern und Wolhynien, sowie die Deportierung von Juden und
Polen.
Der General der Polizei Krger, der H"here SS- u. Polizeifhrer Ost
(Generalgouvernement) fhrte denVorsitz; der Generalmajor der Polizei,

/132-133/ AE: 93
SS-Brigadefhrer Streckenhach(?), der Befehlshaber der Sicherheitspolizei im
Generalgouvernement war mit der Zentralplanung der Ansiedlung und der
Deportation im Ostraum beauftragt. Er hatte auch gem" den ihm erteilten
Weisungen, die Verhandlungen mit der Reichsbahn, zwecks
Zurverfgungstellung von Transportzgen zu verhandeln. Dieser Besprechung
zufolge sollten bis Ende Februar 1940, rund 1 Million Juden und Polen aus den
neuen Ostprovinzen in das Generalgouvernement deportiert werden. Eine Zahl,
welche in der Praxis infolge der auftretenden Schwierigkeiten, in dem gesteckten
Zeitraum auch nicht ann"hernd eingehalten werden konnte.
Heydrich schaltete sich jetzt als Chef der Sicherheitspolizei und des SD,
pers"nlich mit in diese Angelegenheit ein und zergliederte das Gesamtvorhaben in
mehrere Nahpl"ne; er stellte die Zust"ndigkeiten fr Deportation und
Zielstationen im Einzelnen fest.
Aus welchen Orten der Abtransport erfolgt, habe der zust"ndige Inspekteur der
Sicherheitspolizei zu bestimmen, im Auftrage des H"heren SS- u. Polizeifhrers.
Ebenso bestimmt dieser nach Vorschlag der Landr"te, wann und wieviel Personen
aus den einzelnen Kreisen abgeschoben werden.
Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Krakau hat im Auftrage des H"heren
SS- u. Polizeifhrers die Zielstationen fr die Transporte bekannt zu geben. -
/Einschub von Seite gegenber: Ehrgeiz, Geltungsbedrfnis und Machthunger
feierten in diesen Wochen und Monaten Triumpfe(sic). Jeder der "rtlichen
Hoheitstr"ger war entschlossen, sein Maximum an Zust"ndigkeit in das Treffen zu
werfen und hieraus diktatorische Rechte abzuleiten. Ein "rtlicher Befehl jagte den
anderen. - /
Und jetzt ging es los.
Alles strzte sich auf die Arbeit.
Jedem ging es zu langsam.

/134/ AE: 94
/Die ersten 4 Zeilen nachtr"glich hinzugesetzt: Die Zust"ndigkeiten berschnitten
sich oft und die daraus resultierenden Schwierigkeiten wurden nicht beobachtet,
denn jeden der Hoheitstr"ger beselte(sic) ausschlielich lokaler Egoismus./
Ein heilloses Durcheinander war die Folge.
Falsche Zielbahnh"fe. berbelegung der Zge. Mangelnde
Nachrichtenbermittlung zwischen Absender und Transportempf"nger.
Kopflosigkeit berall.
Der ganze Fahrplan kam in Unordnung. Die Leidtragenden waren die Ohnedies
von der Deportierung Betroffenen.
___________

Im Dezember 1939 bekam ich Befehl, mich zur Dienstleistung in Berlin, bei dem
Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes, Mller zur Dienstleistung (sic) zu
melden. Meine Bitte um Abstandnahme von meiner Person zur dienstlichen
Verwendung in Berlin, unter Hinweis darauf, da meine Familie in Wien lebe und
sich auf eine bersiedlung nach Prag vorbereite, mir Berlin daher aus diesem
Grunde ungelegen sei, wurde abschl"gig beschieden.
Wird man zum Truppendienst eingezogen, dann hat man sich, ohne mit der
Wimper zu zucken, zu fgen; aber zum Zwecke einer beh"rdlichen Dienstleistung
glaubte ich einen solchen Antrag stellen zu k"nnen. Jedoch der Hinweis auf den
Kriegszustand, lie meinerseits keine weitere Rekursm"glichkeit mehr zu.
In Berlin war ,auf dem Papier" schon seit Monaten eine Reichszentralstelle fr
jdische Auswanderung gegrndet worden. Ihr Leiter war, gem" der Verfgung
des Reichsmarschalls

/135/ AE: 95
G"ring, in seiner Eigenschaft als Beauftragter fr den Vierjahresplan, Heydrich.
Zum Gesch"ftsfhrer bestellte Heydrich seinen Amtchef IV, Mller.
Des weiteren hatten noch gem" G"ring'scher Weisung, einige h"here Beamte
des Innenministeriums, des Ausw"rtigen Amtes und der Dienststelle des
Beauftragten fr den Vierjahresplan, im Ausschu dieser Reichszentrale t"tig zu
sein.
Ich bekam den Auftrag, nunmehr diese Dienststelle praktisch einzurichten, damit
sie fr den Parteienverkehr funktioniere, sowie gem" den Weisungen des
Gesch"ftsfhrers, die Dienstgesch"fte zu fhren.
Des weiteren wurde ich mit der Koordinierung der Deportationstransporte betraut.
Die entprechende Verfgung erlie der Chef der Sicherheitspolizei und des SD
am 21. Dezember 1939.
Meine Amtsbezeichnung war ,Sonderreferent IV R"; das heit Sonderreferent fr
R"umung im Amte IV des Reichssicherheitshauptamtes. [23] Die Bezeichnung
Sonderreferent erkl"rt sich daraus, da es ein neues Referat innerhalb des Amtes
IV des Reichssicherheitshauptamtes war, also des Geheimen Staatspolizeiamtes,
und der n"chste etatm"ige Gesch"ftsverteilungsplan erst im Februar 1940 f"llig
war.
Ab dieser Zeit war ich sodann planstellenm"iger Referent IV D 4, im Amt IV
des Reichssicherheitshauptamtes. Ich hatte also von Anfang an keine anderen
Befugnisse, als jeder der brigen etwa 100 bis 150 Referenten des
Reichssicherheitshauptamtes sie auch hatten.

/136-137/ AE: 96
Nach etwa 1 j"hriger Unterbrechung hatte ich nun wieder in Berlin t"tig zu
sein.
Schade, ich w"re lieber in den Provinzen geblieben; und am liebsten in einer
m"glichst kleinen Provinzstadt. Aber mein Wille wurde nicht gefragt; ich hatte zu
gehorchen.
Aber wer dachte um die weihnachtliche Zeit des Jahres 1939 schon daran, da der
Krieg weitergehen wrde. Alles rechnete mit einer Regelung zwischen
Deutschland, Frankreich und England. /1 Zeilen unleserlich gemacht/
Ich las um jene Zeit ,Kant; die Kritik der praktischen Vernunft". Das mich
Umgebende fand ich fr mich unpraktisch und von Vernunft war nicht viel zu
spren.
Die Weihnachtsfeiertage verbrachte ich im Kreise meiner Familie. Meine Frau
war ber die Versetzung nach Berlin "rgerlich und erkl"rte mir sehr entschieden,
da sie keinesfalls nach Berlin zu ziehen gedenke. /1 Zeile unleserlich gemacht
und ersetzt durch von Seite gegenber: und sie hat ihren Willen auch durchgesetzt
und zog nicht in die Reichshauptstadt um. Zwar hatten weder meine Frau, noch
ich das Geringste gegen Berlin und die/ Berliner, im Gegenteil, wir verlebten von
1935 bis 1938 drei volle, glckliche Jahre in den Mauern der Reichshauptstadt,
lernten sie lieben und mit ihr, die Berliner. Aber unser beider Animosit"t gegen
groe St"dte, entsprang sicherlich den(sic) uns innewohnenden Hang zum
Landleben, denn darin wuchsen wir beide ja auf; meine Frau, als Tochter eines
Bauern, mehr noch als ich; obgleich auch mich tausend Stricke aus die(sic)
Steinhaufen der

/138/ AE: 97
St"dte zog, wo der Blick nicht frei schweifen konnte, wo er dauernd an hundert
mal hundert Ecken anstie, wo der erdige Taugeruch mit den ersten Strahlen der
aufgehenden Sonne nie hinkam; wo Vogelgezwitscherkonzerte nie stattfanden;
wo man durch die Ordonnanz erst erinnert werden mute, da in 15 Minuten
Sonnenuntergang sei und man sich daraufhin in den Wagen setzte, um 10 Minuten
bis zum gewohnten Beobachtungsplatz zu fahren und dann 5 Minuten das
Schaupsiel des glutroten Untergangens der Lebensspenderin genieen konnte.
Fnf Minuten alleine; Ruhe; stilles Genieen. - Oder wie war es selbst in Wien.
Ob Winter, ob Sommer, ob es sch"n war oder in Str"men vom Himmel herunter
kam, ich konnte einfach die Kraft nicht aufbringen, mich hinter dem(sic)
Schreibtisch zu setzen, ehvor ich nicht frhmorgens auf dem Kahlenberg gefahren
war, um den angehenden Tag zu schauen.
Ich wei, meine Kameraden von damals legten es als eine wunderliche Marotte
von mir aus. Sie gew"hnten sich daran.
Als ich noch Feldwebel war und ber keinen Wagen verfgen konnte, als ich
allmorgentlich um Punkt halb acht, die Straenbahn der Linie 21, von Berlin-Britz
zum Anhalter Bahnhof, eine halbe Stunde

/139/ AE: 98
bentzen mute, da ging ich eben frh genug von Hause fort, um einige Kilometer
zu Fu zu gehen. Nicht um des Fumarsches wegen, aber es war da an einem
S"gewerk eine Fichte gewachsen und diese Fichte inmitten des H"usermeeres, die
tat es mir an. In ihr sah ich den B"hmerwald, die W"lder des Mhlviertlerlandes;
schweigend, grndunkel, rauschend und raunend. Und indem ich mit dieser
Fichte, einem Narren gleich, meine allmorgentliche(sic) Zwiespr"che gehalten
hatte, ward ich froh und innerlich heiter und frei. Gerne opferte ich ihr die
morgendliche Zeit.
Drei lange Jahre sprach ich mit ihr; und sie kannte meinen Kummer, sie kannte
meine Freude und auch mein Leid; meistens jedoch war es Freude. Auch hier
gew"hnten sich meine Kameraden von damals daran, da ich erst unterwegs auf
die Straenbahn zustieg, und an diese meine eigenbr"dlerische Gewohnheit.

In dem Prozess gegen mich, hier in Jerusalem frug mich einer der Richter
anl"lich des Kreuzverh"res, ob ich nach dem Kant'schen Imperativ gelebt habe.
Frei konnte ich sagen, jawohl ich habe mich zumindestens bemht nach der
Kant'schen Forderung mein Leben auszurichten, beziehungsweise, nach

/140-142/ AE: 99
ihr zu leben. Ich war zumindestens bemht, stets so zu handeln, da die
Richtlinien meines Willens, jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen
Gesetzgebung h"tten gelten k"nnen. /weitere anderthalb Seiten unleserlich
gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenber:
Allerdings h"tte ich ab einem bestimmten Zeitpunkt erkannt, da ich nach dem
mir einsichtsm"ig innewohnenden Sittengesetzt(sic) nicht mehr handeln k"nne,
da ich dazu nicht mehr Herr meiner Handlungsfreiheit war. Ich h"tte danach
handeln men. Dies stimmt. Es ist in der Theorie auch ganz leicht und sch"n zu
sagen. Aber im wirklichen Leben, k"nnen Umst"nde eintreten, die einen daran
hindern. Eine unbeschr"nkte M"glichkeit zum praktischen Handeln, ist dem
Befehlsempf"nger in Kriegszeiten nur in den selteneren F"llen m"glich. Und nur
in den selteneren F"llen entsprechen Befehle im Kriege dem Prinzip einer
allgemeinen Gesetzgebung; dem mir innewohnenden Sittengesetzt(sic). Und dann
unterhalte man sich einmal w"hrend des Krieges mit einem vorgesetzten SS
General ber die Ethik in diesem Zusammenhang. Er tritt dich in den Hintern!
Aber nicht nur in der SS alleine.
So sieht die Praxis aus.
Als weltfremder Narr wirst du verschrieben und entsprechend der
Kriegsgerichtsordnung behandelt, weil der Gegner ja auch nicht psalmodierend
und hosianasingend einherschreitet.
Man wird im besten Falle auf Fahneneid und Volksnotstand hinweisen und zur
Ordnung gerufen.
Von einem praktischen Handeln also, kann da mangels Befehlsbefugnis seitens
des Befehlsempf"ngers keine Rede mehr sein; was anderes ist seine innere
Einstellung zu dem Geschehen, da(sic) er als der Kant'schen Forderung
zuwiderlaufend erkennt. Aber solches ist ohne Resultat nach auen hin./

/143-144/ AE: 100-101
/ganze Seite 143 und die ersten sechseinhalb Zeilen auf Seite 144 unleserlich
gemacht/
-(13)-
W"hrend meiner 1 j"hrigen Abwesenheit von Berlin, also vom Frhjahr 1938
bis zum Sp"therbst 1939, hatte sich das organisatorische Gefge der
Sicherheitspolizei und des SD, wesentlich ver"ndert.
Die beiden Haupt"mter Sicherheitspolizei und SD, wurden zu einer Zentrale
vereinigt,
/gestrichen, aber noch lesbar: Fortsetzung befindet sich in Arbeit
Adolf Eichmann 12-8-61/

/145/ AE: 101
/noch einmal die Zeilen der vorigen Seite, gestrichen/
Das Reichssicherheitshauptamt bestand nunmehr aus sieben mtern; und zwar die
mter: ,Personal", ,Verwaltung"; ,Lebensgebietsm"ige Gegnerbeobachtung";
Weltanschauliche und Lebensgebietsm"ige Gegnerbek"mpfung" oder kurz
Geheimes Staatspolizeiamt genannt; ,Verbrecherbek"mpfung", oder
Reichskriminalpolizeiamt; ,Spionage und Gegenspionage - Ausland", oder
Abwehr genannt und ,Wissenschaftliche Gegnererforschung". Hauptamtchef war
Heydrich; mein unmittelbarer Vorgesetzte(sic) der Leiter des Geheimen
Staatspolizeiamtes, oder Amt IV, SS-Gruppenfhrer und Generalleutnant der
Polizei Mller.
Die nachgeordneten Instanzen des Reichssicherheitshauptamtes waren im
Reichsgebiet, die Inspekteure der Sicherheitspolizei u. des SD, sowie die
Staatspolizeistellen und die SD-Abschnitte; in den besetzten Gebieten, die
Befehlshaber der Sicherheitspolizei u. des SD und die Kommandeure der Sipo u.
des SD. [24]
Zwei Aufgabengebiete hatte ich also zu bearbeiten, die Auswanderung und die
Koordinierungsangelegenheiten im Hinblick auf die Transporte der befohlenen
R"umung der neuen deutschen Ostprovinzen. Eine T"tigkeit, mit der ich praktisch
am 2. Januar 1940 in Funktion trat.

/146-147/ AE: 102
Fr mich pers"nlich begann nun sehr gegen meinen Willen eine Zeit der
Familientrennung, die erst im Jahre 1952, in Argentinien ihre Beendigung fand.
Natrlich war ich bis 1945 oft und oft ber das Wochenende mit meiner Familie
beisammen, aber was will dies alles besagen.
Am Sylvestertag 1939 fuhr ich von Wien ab, nahm Begrungsaufenthalt bei
meinen Eltern in Linz, dasselbe bei meiner Schwiegermutter auf ihrem Hof in
Sdb"hmen und gedachte in gestreckter Fahrt mit meinem 3,4 Merzedes-Benz
durchzupreschen bis zur Autobahn bei Dresden, und dann war es nur noch ein
Katzensprung von etwa 140 Kilometer, bis Berlin. Aber aus irgendeinem Grunde,
der mir heute nicht mehr sicher /versehentlich gestrichen: in/ Erinnerung ist,
/Zusatz von Seite gegenber: ich glaube, die Schneeketten hatten Schuld,/ kam ich
nur bis zu einem Ort so etwa am Kamm der Berge hinter Aussig. Ich habe keine
Karte hier, es drfte zum Erzgebirge geh"ren, wenn ich mich nicht t"usche.
Dicker Winter; und rger im Bauch. Da h"tte ich ja ebensogut noch den
Sylvesterabend mit meiner Frau und meinem Kind gemeinsam feiern k"nnen,
zumal ja jetzt die Stunden des Beisammenseins doch nur noch sehr gez"hlte sein
wrden.
Hoffentlich geht der verdammte Krieg bald aus, dachte ich in meinem Sinne und
verfluchte den Befehl, der mich nun an Berlin band. Ein anst"ndiges Gasthaus
gesucht, Wagen versorgt und dann nichts wie hinein mit dem ,Trkenblut" um
den rger hinunter zu splen. ,Trkenblut" war meine beliebte Spezialit"t, so ab
und an. Halb Sekt, halb Rotwein; das Zeug

/148/ AE: 103
verkroch sich gut und gerne hinter die Binde. Die sylvesterliche Stunde schuf
einigen Betrieb in diesem Wirtshaus. Wintersportler, Einheimische und ein SS-
Hauptmann. Zu essen gab es in jener Zeit noch alles, wonach man begehrte, und
die Kche es bieten konnte. Ich philosophierte d"send fr mich alleine, die Nase
tief in's Glas steckend dahin; den gelinden Jahreswendenrummel lie ich ohne
groe Teilnahme meinerseits, nicht mehr als eben noch empfindend, an mir
abprallen. Die n"tige Bettschwere lupfte mich dann in die Federn. -
Es gibt kaum sch"neres an Winterbildern als frostiger Rauhreifmorgen in den
Bergen. Strauch und Baum, H"us'chen und D"rfer, verzuckert. Und die schr"gen
Morgensonnenstrahlen lassen die Myriaden der Eisbrillanten vom schwarzviolett
ber blaustes Blau und Rot wie nie gesehen, bis zum hellsten Gelb dir
entgegenleuchten und da hast du den Wunsch nur zu schauen und nimmer satt zu
werden. Und die unendliche Reinheit der Natur sagt dir mit jedem leuchtenden
Krisall(sic), wie schlecht sein Sch"pfungsprodukt, der Mensch, in Wahrheit in
seinem Handeln doch geworden ist. Nicht da ich Spezielles am Menschenwerk
damit meine; nicht da ich selbst mich im besonderen damit bezeichnen will;
nicht besser noch schlechter war auch ich, und bin ich, als die groe Masse des
Durchschnitts. Aber wenn ich das allgemeine Tun und Wollen der Menschen, -
mich eingeschlossen, -

/149/ AE: 104
bedenke, und sehe die unberhrte Reinheit der Natur, dann berkommt mich oft
ein heies und sehnendes Verlangen, nach den Leben, die mir in unendlicher
Manigfaltigkeit noch bevorstehen. Die tausend mal tausend Tode, die wir
organische Seinsformen, zu durchlaufen haben, sie sind nicht schlimmer, als die
tausend mal tausend Geburten, die jeden von uns noch harrend erwarten.
/etwa 3, teilweise berschriebene, Zeilen unleserlich gemacht/ -
Mein Glaube an die G"tter, kam in jener Zeit in arge Bedr"ngnis. Die von ihnen
befohlenen Flammen des 10. November 1938 lieen mich stutzen. Aber ich hatte
mit der exekutiven T"tigkeit ja nichts zu tun gehabt. Jetzt aber war ich mitten drin.
Ab dem 21. Dezember 1939.
Wenn dem Menschen nachhaltig etwas gegen seinen Strich geht, dann wird er
kr"tig. Und das pl"tzliche Herausreien aus dem Kreise der Meinen, ging gegen
mein Wollen. Freilich Hunderttausenden ging es in jener Zeit ebenso. Denn Krieg
war im Lande. Und niemand wurde gefragt ob es ihm passt oder nicht. Auch ich
hatte nur zu gehorchen, aber die Dienstleistung im Geheimen Staatspolizeiamt
war mir l"stig genug. Wie hatten wir im Sicherheitsdienst bisher berheblich auf
die Angeh"rigen der Sicherheitspolizei gesehen, wir dnkten uns besser als jene.
Und jetzt war ich einer derselben. Freilich, auch die Hunderttausende

/150-151/ AE: 105
und sp"ter die Millionen wurden nicht lange gefragt, wo und bei wem sie zu
dienen wnschten. Sie wurden befohlen und hatten ihren Dienst gehorchend zu
schieben.
Einer(sic) der ersten dienstlichen Fragen Mllers, war die Angelegenheit meiner
bernahme in das Beamtenverh"ltnis.
/zweieinhalb Zeilen unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenber:
Nun, ich hatte nichts gegen Beamte oder gegen das Beamtentum im allgemeinen.
Aber wie soll ich das einmal ausdrcken, ohne irgend jemanden ,auf den Schlips
zu treten". Man mu wissen, da mein Vorgesetzter ein sogenannter ,Nur-
Beamter" war. Reichskriminalpolizeidirektor. Da kann man nicht gut sagen,
wissen Sie, ich habe kein Interesse an einer bernahme in den Beamtenstand,
weil ich mir dann vork"me, als wrde ich in eine verstaubte Mottenkiste gesetzt
werden und Ellbogenschoner wrden hinfort meine begerenswertesten(sic)
Weihnachtsgeschenke sein. Und dieser Zustnad wrde dauern, bis ich mein
fnfundsechzigstes Lebensjahr erreicht h"tte und damit reif fr die endliche
Pensionierung geworden w"re. Auf ein solches ,Lebensl"nglich" m"chte ich nicht
gerne eingehen. - Man sollte einen Tiger nicht reizen, denn die Vorsicht ist eine
Tugend. Und ich hatte es an dieser Tugend ohnedies, wei Gott, oft genug fehlen
lassen. Daher sagte ich, da ich von mir aus mein diesntliches Verh"ltnis zur
Truppe nicht aufgeben m"chte; zumal nicht jetzt, w"hrend der Kriegszeit. Dies
klang auf alle F"lle gut und gab mir die Hoffnung, aus der
schreibtischgebundenen Beh"rdenluft inees Tages bei gutem Wind und Glck
wieder verschwinden zu k"nnen. Mir ging die Versetzung nach Berlin, sehr gegen
meinen Strich./
Und im Verdru mit mir selbst verbrachte ich meine Tage. Es gelang damals zu
meiner Freude nicht, mich aus meinem militanten Verh"ltnis zu l"sen und in den
Beamtenstand zu berfhren. Die Grnde lagen wohl darin,d a ich von der
Personalabteilung des Sicherheitsdienstes nicht freigegeben wurde. So ist es auch
unter anderem mit zu verstehen, da ich von meinem Ausfhrungsrecht, /fast zwei
Zeilen unleserlich gemacht/ als Referent an einer Beh"rde keinen Gebrauch
machte, sondern mir meine Weisungen stets einholte; ein Recht, da(sic) mir
zustand und da ich hinfort fr mich in Anspruch nahm. Daher konnte ich mich
nie irren, so trug ich auch keine Verantwortung, und so erregte ich auch nicht den
Neid jener schon lange dienenden Beamten, die l"ngst schon gerne Referenten
geworden w"ren. -

Nun, die Auswanderung ging den normalen Weg: Zahlenm"ig wurde sie infolge
der Kriegsl"ufte zwar immer geringer.

/152-153/ AE: 106
Dessen ungeachtet ntzte ich jede M"glichkeit, um sie im Rahmen der
bestehenden Verordnungen und Erlae zu f"rdern.
Die Deportationsangelegenheiten waren ein einziges groes Chaos geworden,
durch das niemand mehr durchschaute. Nur Beschwerden kamen; von allen Ecken
und Enden.
/Zusatz von Seite gegenber: Mit einem Wort, ich traf die miserabelsten Zust"nde
an. Jeder hatte so seinen Privatdeportationsplan, nachdem er glaubte, fr seinen
Gaubereich im Sinne des ,Fhrerbefehls" als erster die Vollzugmeldung machen
zu men.
Die Provinzspitzen der neuen deutschen Ostgebiete kmmerten sich den Teufel
darum, ob solches Vorgehen zu Stockungen und Schwierigkeiten im
Generalgouvernement fhren mute und da die deutsche Reichsbahn bei diesem
Durcheinander ihren Fahrplan l"ngst schon nicht mehr einhalten konnte. Und am
meisten hatten darunter und mit Recht, diejenigen zu klagen die da gem" der
Befehle von h"chster Stelle deportiert wurden./
Meine Aufgabe war es also, jetzt erst einmal durch Koordinierung der Transporte,
diese aufgetretenen Mist"nde abzustellen. /am Rand Ziffer 25/ Sie wurden auch
sehr bald abgestellt, soweit das berhaupt nur m"glich war. Die Durchfhrung der
Transporte, waren nicht der Durchfhrung der Deportation gleichzusetzen.
Hierfr waren gem" den Himmler- und Heydrich'schen Befehlen, andere
Dienststellen beauftragt. Auch die Planung oblag nicht meinem Referat;
ebensowenig die Leitung der Deportation, sowie die Auswahl der zu
deportierenden Personen, ihre Konzentrierung und ihre Behandlung. Die
Tatsache, da ich mit der Koordination der Deportationstransporte betraut wurde,
beweist keine besondere Machtvollkommenheit, die mir bertragen wurde,
sondern belegt, da ich auf ausdrcklichen h"heren Befehl Heydrichs t"tig, und
dem Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes, unterstellt wurde. /am Rand
Ziffer 26/

Wenn jemand etwas koordinieren soll, dann mu er in der Regel zuerst einmal
alle an den Handlungen Beteiligten, ,unter einen Hut bringen" um ihnen eine
arbeitsm"9ige Ausrichtung zu geben. Dies tat

/154/ AE: 107
auch ich. Zum 8. Januar 1940 wurden alle an den Transporten beteiligten
Dienststellenvertreter zu einer Besprechung nach Berlin befohlen. An der
grunds"tzlichen, Bestehenden Befehlsgebung durfte nichts ge"ndert werden. Aber
keine Dienststelle konnte durch die neuen Anweisungen, die ich jetzt in
transportm"iger Hinsicht zu erlassen hatte, knftig ohne vorherige Genehmigung
durch mein Referat, Zge in Gang setzen. Natrlich, Berlin war weit und wenn
ich sage, es konnte niemand mehr ohne Erlaubnis einen Transport durchfhren,
dann war dies zwar auch die Regel, die eben da und dort trotz allem immer mal
wieder durch eine Ausnahme best"tigt wurde. Denn die "rtlichen Gauleiter und
Reichsstatthalter oder die Oberpr"sidenten der Provinzen, unterstanden nicht den
Befehlen des Reichssicherheitshauptamtes. Im Gegenteil, diese Stellen waren
erlam"ig sogar berechtigt, den in ihrem Hoheits- oder Befehlsbereich t"tigen
Staatspolizeistellen oder anderen Dienststellen der Sicherheitspolizei und des SD
Weisungen zu erteilen, denen diese nachzukommen hatten. Oft und oft war diese
merkwrdige Regelung eine quelle des rgers und der Grund zahlreicher
Unzuk"mmlichkeiten.
Aber es lag mit im Funktionellen des doppelt- und dreifachen Kontrollsystemes.
Aus all diesen berlegungen heraus befahl Heydrich zu einer Zentralkonferenz
zum 30. 1. 1940, zu der diesmal die "rtlichen Dienststellenleiter

/155/ AE: 108
und Einheitschefs geladen wurden. Er umri ihnen das gewaltigste
V"lkerwanderungsprogramm der Neuzeit, und bermittelte die Befehle
Himmlers, welche dieser in seiner Eigenschaft als Reichskommissar fr die
Festigung deutschen Volkstums gab. Wiederholte die bisher schon befohlenen
Zahlen und Personengruppen, erg"nzte diese durch 30.000 Zigeuner und befahl
erstamls die Deportierung von etwa 1000 Juden aus dem Altreichsgebiet; aus
Stettin, nach dem Generalgouvernement.
Genau 14 Tage gab er Zeit; zu diesem Termin mute diese Deportation beendet
sein. Der Grund hierfr war, da die "rtlichen Stellen, von denne ich vorhin
sprach, idese Deportation durchgefhrt wissen wollten, denn dadurch gedachten
sie das lokale Wohnungsnotbel zu l"sen und hatten daher im Einvernehmen mit
Himmler diese Deportation besprochen.
Die Leitung all dieser Unternehmungen, lag bei Stellen, welche meinem Referat
bergeordnet waren. Ich hatte lediglich mit dem Reichverkehrsministerium die
Fahrplanerstellung und was damit zusammenh"ngt zu bearbeiten, nachdem mir
sowohl von den Deportierungsbeh"rden als auch von den Aufnahme"mtern des
Generalgouvernements die hierfr notwendigen Unterlagen eingesandt wurden.
Es ist dies zwar nur ein einziger Satz; aber welche Flle von Schwierigkeiten,
Arbeit und berredungsknste, Vertr"stungen und Mahnungen zur Geduld,
Appellationen an die Vernunft und auch scharfes Durchgreifen zur belabstellung
diese T"tigkeit verlangte, dies alles

/156-157/ AE: 109
zeigt dieser eine Satz nicht an. Ein jeder der "rtlichen Verantwortlichen wollte als
erster seine Deportationsarbeiten beendet wissen; ohne jede Rcksichtnahme. /am
Rand Ziffer 27/
Er war ein strenger Winter; trotzdem muten die Deportationen durchgefhrt
werden. Keiner der Befehlsgeber lie etwa verlauten, diese Vorhaben bis zum
Anbruch des Frhjahrs aufzuschieben; zu einer ahreszeit etwa, welche alleine
schon durch die besseren klimatischen Verh"ltnisse einen groen Teil vieler
Schwierigkeiten in Fortfall gebracht h"tte. Es ist heute leicht reden, ,der
Eichmann hat die Deportationen durchgefhrt. Er ist der Verantwortliche."
/Zusatz von Seite gegenber: Im Nachhinein ist es immer leicht das Maul
aufzureien und einfach mit Behauptungen irgendwo hinein zu poltern. Dies war
schon zu allen Zeiten in der Geschichte so gewesen. Und h"tten wir gesiegt, dann
h"tten eben jene, die heute von einer federfhrenden Zust"ndigkeit nichts mehr
wissen wollen, noch vernehmlicher ihre Verdienste um die
,Fhrerbefehldurchfhrung" in alle Welt hinausposaunt, als sie dies damals schon
taten. So aber mute eine neue ,Masche" gefunden werden. Und die hie:
,Eichmann"; 1 Jahrzehnte lang. Man sehe sich das Ergebnis, in der Literatur,
kurz in der gesamten Publizistik bis zum Beginn des Kreuzverh"res, dem ich
unterzogen wurde an. Da erst konnte ich zum ersten Male, den verlogenen
Herrschaften in ihre Hinterteile ,treten", so wie sie es auch verdienten". Aber es
w"re ein Wunder, wenn meine gerechte Abwehr schon Erfolge zeitigen wrde.
Trotzdem: es ist mir ein Trost aus tiefstem Grunde, denn ,den letzten beien
immer die Hunde"./
Ich kann diesen Nichtwissern nur empfehlen, sie m"gen es einmal versuchen, mit
dem Dienstgrad und als Hauptmann, einem Dutzend Generalen und einem
weiteren Dutzend Provinzhoheitstr"gern und hohen Beamten, entgegenzustellen.
Da wrden sie ihre Wunder erleben. Noch dazu in einer Zeit, wo jene sich an das
Blitzkriegstempo gew"hnten. Noch dazu in meiner Stellung als Referent, bar jeder
Sondervollmacht; eben nur als Referent, wie der Name es alleine schon besagt.
Und dies alles, bei einer bewuten Dezentralisierung der Grundbefehle durch
Himmler. W"re ich damals Himmlers Referent gewesen, dann freilich h"tte ich
ein anderes Durchschlagsverm"gen an den Tag legen k"nnen. So war ich ja nicht
einmal der alleine schaltende Referent eines

/158-159/ AE: 110
der etwa 12-14 Himmler'schen Hauptamtchefs, sondern nur der eines Amtchefs,
welcher seinerseits wieder dem Hauptamtchef unterstellt war. Die Dokumente
zeigen dies in aller Klarheit auf. Aber selbst schon die damaligen
Gesch"ftsverteilungspl"ne zeigen die Richtigkeit meiner Darstellung in aller
Deutlichkeit.
/9 Zeiten gestrichen, noch lesbar: Natrlich nach 1945, wollten gerade die
"rtlichen Stellen und die Zentralinstnzen welche seinerzeit so verbissen die
Zust"ndigkeiten versuchten und diese auf hundersten Besprechungen wie die
L"wen verteidigten, von solche Dingen nichts mehr wissen. Heute schreiben wir
1961; und es ist mir nur ein Trost aus tiefstem Grunde: den Letzten beien immer
die Hunde./
/ersetzt durch Text von Seite gegenber: ber den Umfang der Dezentralisation
der exekutiven T"tigkeit gibt ein Fernschreiben, da(sic) ich am 30. M"rz 1940 an
den Inspekteur der Sicherheitspolizei und das SD nach Posen richten mute,
beredtes Zeugnis.
,Betrifft: Technisches Vorgehen bei der Aussiedlung der Wolhyniendeutschen.
Verschiebung von etwa 120.000 Polen.
Vorgang;: Ohne.
Ich bitte in einem Bericht das technische Vorgehen und die vorgesehene
Abwicklung der Ansiedlung der Wolhyniendeutschen im Warthegau, in allen
Einzelheiten mitzuteilen."

Die Voraussetzung dieser Aussiedlung war die von Himmler befohlene
Aussiedlung der Polen. Ich, der ich den Fahrplan mit dem
Reichverkehrsministerium erledigen sollte, kannte nicht einmal ein einzhiges
Detail; und dies im M"rz 1940. -
Daraufhin entschied dann nach Erhalt eines diesbezglichen Aktenvermerkes das
Reichsverkehrsministerium, da die Reichsbandirektion Posen, auf 48stndigen
Abruf, die notwendigen Zuge zur Verfgung stellt.
Am Rand Ziffer 28/

Im M"rz 1940 wurde wieder einmal eine sachliche und personelle Umsolidierung
des Reichssicherheitshauptamtes, vorgenommen. Ich hatte ab dieser Zeit das
Dezernat innerhalb des Geheimen Staatspolizeiamtes, welches sich mit
Judenangelegenheiten besch"ftigte, mit zu bernehmen, das heit, es wurde
meinem Referat mit eingegliedert. Nicht da ich dadurch fr s"mtliche
Judenangelegenheiten des Reichssicherheitshauptamtes zust"ndig geworden w"re,
sondern eben nur fr diejenigen des Amtes IV. Es gab solche

/160/ AE: 111
noch im Amt II, im Amt III und auch im Amt VII, desselben
Reichssicherheitshauptamtes. Ja auch die mter V und VI besch"ftigten sich
damit, soferne ihr Aufgabengebiet am Rande damit berhrt wurde.
________

Im Nichtvorhandensein einer jdischen Eigenstaatlichkeit sah ich das Problem
Nummer 1. Nicht bin ich vermessen genug, damit etwa behaupten zu wollen, da
diese meine ,geniale" Erkenntnis etwa pl"tzlich des bels Wurzel entdeckt, und
ich damit den Stein der Weisen in's Rollen gebracht h"tte. Nein, solches ist
akkut(?) und bekannt bereits seit dem achten Jahrzehnt unserer Zeitrechnung und
zog sich durch alle zwanzig Jahrhunderte hindurch.
Aber in tausend und mehr Verhandlungen mit den jdischen Funktion"ren
h"rte ich stets wiederkehrend den Jammer nach eigenem Land. Ob man mir's
glaubte oder nicht, soll mich nicht st"ren und ist mir egal, aber ich war froh und
tatenlustig, als ich von meinen Vorgesetzten, nach dem polnischen Feldzug, die
Zustimmung bemerken konnte, gem" meinem Vorschlag den Juden einen der
vier knftigen Distrikte in denen dann das Generalgouvernement unterteilt war,
zum jdischen Siedlungsgebiet freizugeben. Mir schwebte ein Protektoratsstatus
"hnlich dem der Slowakei war; nicht dem von B"hmen und M"hren.

/161/ AE: 112
Es war mir klar, so etwas geht nicht von heute auf morgen, solches mu werden
und braucht seine Zeit. Auerdem war zerschlagen jedes friedensm"ige
organisatorische Leben in polnischen Landen; dazu kam das Durcheinander der
Himmler'schen V"lkerwanderung vom Osten nach Westen und von West nach
Ost; chaosmehrend durch den Ehrgeiz "rtlicher Machthaber.
Mein damaliger Vorgesetzter, der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und das SD
in Prag, war von Heydrich mit der Durchfhrung des von mir mit jdisch-
politischen Funktion"ren wie Dr. L"wenherz, Stonfer(?) und Edelstein geborenen
Planes beauftragt worden. Niskr am San, war das vorl"ufige Sprungbrett.
Pionieren gleichend sollten vorl"ufig die ersten zweitausend von hier aus, nach
vorgefatem Plane, Aufnahmem"glichkeiten fr Nachkommende schaffen.
Und als die ersten Zge ausgeladen waren, Menschen und Material, Handwerker
und rzte, Baust"be und Verwaltungsleute, da haute der inzwischen zum
Generalgouverneur bestellte ,Polenfrank", in das Kontor und machte mit einem
Befehl alles wieder zunichte. Er war mit seiner Gegenvorstellung zu Hitler
gelaufen und dieser schlo sich ihm nunmehr an.
Damit war diese Hoffnung entschwunden, denn

/162-163/ AE: 113
Frank's politisches Ziel war die Entjudung seines Befehlsbereiches. Der damalige
Befehlshaber der Sicherheitspolizei und das SD in Krakau, mit dem
Zust"ndigkeitsbereich Generalgouvernement teilte mir mit, Frank habe Befehl
gegeben, mich bei Betreten des Generalgouvernements festzunehmen. Abgesehen
von der Unsinnigkeit einer solchen Weisung, denn kein "rtlicher Befehlshaber der
Sicherheitspolizei konnte einen Referenten des Reichssicherheitshauptamtes
festnahmen, es sei denn er h"tte dazu den Befehl von Mller, dem Chef des Amtes
IV, von Heydrich dem Chef der Sicherheitspolizei u. d. SD, wie Himmler dem
Reichsfhrer SS und Chef der Deutschen Polizei /Zusatz von Seite gegenber:
vom zust"ndigen Milit"rbefehlshaber/ oder von Hitler dem Staatschef und
Reichskanzler; trotzdem: Frank war der ,alleinige Diktator" in seinem
Generalgouvernement.
_________

Kaum war in Compiegne die Unterschriftstinte des Waffenstillstandsvertrages
zwischen Deutschland und Frankreich trocken geworden, gebar ich nach dem
Fiakso von Nisko am San, die Ausgrabung des alten ,Madagaskarprojektes". Eine
M"glichkeitsverwirklichung war nunmehr gegeben. Jedenfalls arbeitete ich den
Plan einmal aus. Heydrichs Ehrgeiz kam mir hierbei zu statten. M"glich, da er
sich schon, als Gouverneur dieser Insel sah. Nebenbei, versteht sich; unter
Beibehaltung seiner bisherigen, m"chtigen Stellung.

/164-165/ AE: 114
Ich selbst konnte ja Himmler oder Hitler dieses Projekt nicht zum Vortrage
bringen. /etwas mehr als 1 Zeile unleserlich gemacht/ Und Heydrich's Verlangen,
seine Finger in auenpolitische Dinge zu stecken, war allseits bekannt. Auch hier
schwebte mir vor ein Protektorat. Der Anfangsstatus war mir ziemlich belanglos!
Ich hatte diesbezglich auch keinerlei Einflu. Die Zeit nur konnte Rat und
Endgltiges schaffen. Und nun aber, da Hitler seine Genehmigung zu Madagaskar
erteilte, da fing das Rennen der anderen Stellen des Reiches an. Jeder
beanspruchte ressortbedingte Federfhrung und Primat, an der Bearbeitung dieses
fr ihn neuartigen Falles. Und eh ich mich richtig versah, hatte ich es mit zwanzig
und mehr Referenten zu tun. Und ein jeder hatte sein ,wenn" und sein ,aber", so
wie seine Vorgesetzten es ihm befahlen. Es kam eine Gemeinschaftsarbeit
zustande, die nicht im Sinne der Anfangsvorstellung lag.
Aber wie gesagt, die Zeit wrde Rat und den entdltigen Status erst schaffen.
Mein diesbezglicher Kummer war nicht sehr gro, denn ich pers"nlich gedachte
die Dinge der Insel an Ort und Stelle zu steuern. Dazu hatte ich mir bereits die
Genehmigung meiner Vorgesetzten erwirkt. Es w"re bestimmt kein
Konzentrationslager geworden. Und sieben Millionen Rinder auf dieser Insel,
waren ein beruhigender Schatz /Zusatz von Seite gegenber: mit einer der
landwirtschaftlichen Ausgangsbasen/, mit dem alleine man schon viel anfangen
konnte. Bis hoch in das Jahr 1941 arbeitete ich an der Realisierung.

/166-167/ AE: 115
Aber der weitere Verlauf des Krieges und die politische Radikalisierung
machten den Plan durch Hitlers Gebot, dann ein Ende. /am Rand Ziffer 29;
weitere anderthalb Zeilen unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite
gegenber: mich packt noch heute, wie damals, ein unb"ndiger Zorn, wenn ich an
die verdammte Kopflosigkeit, Starrk"pfigkeit und torheit unserer eigen(sic)
Machthaber von ehemals denke. Aber nicht nur diese alleine waren es.
Natrlich sind meine Projekte von damals fr die Ohren aller Polen und
Franzosen nicht wholklingend. Aber man stelle sich einmal einen dampfkessel
vor, der durch unsinnige Hezmethoden ber den zul"ssigen Atmosph"rendruck
weiter geheizt wird. Es wird immer weitergeschrt; der Kessel wird zerreien,
wenn ich keiner um das Ventil kmmert.
Mit dem Heizen hatte ich nichts zu tun. Auch der Dampfkessel unterstand nicht
meiner Kontrolle. Jedes Ministerium hatte hier seine eigenen ,Kesselinspektoren"
und keiner, der da gesagt h"tte, da es so nciht weiter gehen k"nne. Ich hatte dazu
keine M"glichkeit, denn ich geh"rte nicht zu dem Gremiuzm der ,Inspektoren".
Ich versuchte mich mit dem Ventil zu besch"ftigen, um eine Ausreichm"glichkeit
zu finden. Ob sie gut oder schlecht war, darber hatte ich keine M"glichkeit zu
befinden. Mir kam es darauf an, eine Explosion zu verhindern. Mochten sich dann
sp"ter Berufenere als ich, mit einer endgltigen Normalisierung befassen. Ein
Provisorium, dies war das Maximum dessen, was ich vorschlagen und ersinnen
konnte. Und auer den wenigen damaligen jdischen Funktion"ren hatte ich nicht
einen, der heutigen Schreier und Wortverdreher, die mir dabei halfen.
Aber was sage ich: ,halfen"; Schwierigkeiten und Ungelegenheiten hatte man mir
bereitet.
Jawohl, ich scheue mich nicht das Kind beim Namen zu nennen; denn die war die
Tatsache!/ - - - - - - - -

Schon gleich zu Beginn des Jahres 1941 berief die Abteilung Ie des
Reichsministerium des Innern, zu einer wichtigen Besprechung. S"mtliche daran
interessierten Instanzen des Reiches wurden dazu geladen. Im Wesentlichen
handelte es sich um die Eingliederung neu zum Reich gekommener
Personenst"nde, in die Reichsbrgergesetzordnung. Einen ersten diesbezglichen
Vorschlag des Ministerium des Inneren, hatte Hitler verworfen. Einen neuen,
sch"rferen, hatte diese Abteilung nunmehr entworfen. Dieser Verordnungsentwurf
trat dann am 25. Okrober, als 11. Verordnung zum Reichsbrgergesetz, in Kraft.
Er verkndete die Ausbrgerung s"mtlicher Juden bei berschreitung der
Reichsgrenze, und Einziehung ihres Verm"gens, zugunsten des Reiches. /am
Rand Ziffer 30/
Noch im gleichen Jahre erfolgte ein weiterer einschneidender Schritt; n"mlich die
Kennzeichnung der Juden. Ein Stern aus gelbem Stoff; sichtbar zu tragen. Frank,
der Staatssekret"r fr das Sicherheitswesen in B"hmen und M"hren machte den
Antrag, die Reichskanzlei und das Innenministerium wurden bemht und
Goebbels als Reichs-

/168/ AE: 116
minister fr Volksaufkl"rung und Propaganda erwirkte bei Hitler den Auftrag fr
die Kennzeichnung der Juden, im Reichsgebiet und in B"hmen und M"hren. Am
15. September 1941 trat diese Verordnung in Kraft. Zwei Jahre vorher, am 23.
November, hatte Frank sie fr das Generalgouvernement schon befohlen. /am
Rand Ziffer 31/ ______

-(14)-
Am 21. August 1939 fuhr Ribbentrop nach Moskau um auf Hitlers Befehl, den
Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion zu unterschreiben. Aber am 22. Juni 1941
setzten sich deutsche Divisionen aus ihren Bereitstellungsd"mmen(?) heraus, zum
Angriff gegen die Sowjets in Bewegung. Genau da(sic), was Hitler in seinem
Buch, der politischen Fhrung des Reiches w"hrend des ersten Weltkrieges
vorwarf, als Fehler; genau dies, tat er nun selbst. Und damit vernichtete er sich
und sein Reich. Auch Bismarck'sche Lehren waren fr ihn diesbezglich ohne
Belang.
Ich wei es noch heute, wie ich damals mit Kameraden den Pakt mit Ruland
feierte; mit Bier und mit Wein, so war es der Brauch. Und ich wei noch heute die
Gefhle, die mich beherrschten, als ich von den Vorbereitungen h"rte, zum Krieg
gegen die Sowjets. Es gab auch in der SS zwei nach auen nie in Erscheinung
getretene gefhlsm"ige Richtungen. Eine politisch links empfindende und eine
extrem rechts tendierende Ein-

/169-170/ AE: 117
stellung. Meine gefhlsm"igen politischen Empfindungen, lagen links /Zusatz
von Seite gegenber: das Sozialistische mindestens ebenso betonend wie das
Nationalistische/. Und unsere Meinung damals war, da er Nationalsozialismus
und der Kommunismus der sozialistischen Sowjetrepubliken eine Art
,Geschwisterkinder" seien. Und es mag auch sein, da diese Einstellung
besonders dem "sterreichischen SS-Angeh"rigen lag. Denn seine damaligen
Feinde waren nicht Sozialdemokratie und Kommunismus; dies wurden durch die
"sterreichische Aristokratie genau so bek"mpft wie auch er; diese hatte um jene
Zeit die Fhrungsstellen in den ,Heimwehren" inne und ihre Kampfangsage galt
den Natioanlsozialisten, Sozaildemokraten und Kommunisten, gleichermaen. Ja,
es gab Zeiten, wo sich die Anh"nger dieser zwei Richtugnen durch Burgfrieden
und gegenseitige Hilfe und Untersttzung im Kampf gegen ihren
Hauptwidersacher, einig waren. Keinesfalls aber sich gegenseitig verrieten und
schlechtestenfalls ,Gewehr bei Fu" standen, wie man zu sagen pflegte.
Mag sein, da diese Einstellung der Linkstendenz seinen Anfang in jener Zeit
nahm, wie dem immer auch sei, sie war jedenfalls vorhanden.
Und der 22. Juni 1941 sah uns mimutig und unzufrieden. Aber wir gehorchten,
wie der Eid es befahl.

/171/ AE: 118
/erster Abschnitt gestrichen, noch lesbar: Die ??? bei Minsk und Bialystok waren
l"ngst geschlagen. Die Beuteaufr"umekommandos hatten ihre T"tigkeiten bereits
grndlich beendet. Und nur noch etliche Dutzend halbausgeschlachteten Panzer
standen in den Feldern der ausgeklungenen Schlacht./

Im Herbst des Jahres 1941 teilte mir mein vorgesetzter Amtchef mit, da ich mich
gem" Befehl Heydrichs, bei ihm zu melden h"tte.
Wurde man zu Heydrich befohlen, dann war eins gegen tausend zu wetten, da
vorerst stundenlanges Warten im Vorzimmer einem bevorstand. Der verschobene
Stundenplan des Terminkalenders geh"rte zu den Tagt"glichkeiten des
Vielbesch"ftigten. hnlich erging es mir auch mit den h"ufigen Vorsprachen bei
meinem amtchef, wenngleich die Wartezeit hier auch nicht ann"hernd so lang
war, als die, beim Chef der Sicherheitspolizei selbst. Es war klar, Rangh"here
rangierten immer zuerst, wie sp"t sie auch kommen mochten, und sie lange der
dienststellenm"ig Geringere, schon wartete. Genau so war es, wenn Besucher
aus der Ferne pl"tzlich aufkreuzten. Nun, dies war alles verst"ndlich. Und nach
dem Motto: ,Die H"lfte seines Lebens, wartet der Soldat vergebens", ergab man
sich mit Gleichmut in sein Warteschicksal.
Da mein Verh"ltnis zu den Adjutanten ein kameradschaftlich-freundliches war,
half stets ein Gl"s'chen Wein oder Armagnac ber die

/172/ AE: 119
Langeweile des Wartezimmer hinweg und Haustratsch mit dem Adjutanten
verkrzte die Zeit. Aber alles hat einmal ein Ende. Ich meldete mich gehorsamst,
wie befohlen, zur Stelle.
,Der Fhrer hat die physische Vernichtung der Juden befohlen. Globocnigg(?) hat
vom Reichsfhrer seine diesbezglichen Weisungen erhalten. Er soll demnach
dazu die Panzergr"ben bentzen. Ich m"chte wissen, was er macht und wie weit er
gekommen ist. Fahren Sie zu ihm und berichten Sie mir ber da(sic), was Sie
gesehen und geh"rt haben."
Damit war ich entlassen.
Ich mu'te mir erst einmal den Begriff ,physische Vernichtung" ordentlich durch
den Kopf gehen lassen, um die ganze Bedeutung ermessen zu k"nnen. /1 Zeile
unleserlich gemacht/ Etwas Unbekanntes, Neues, Ungewohntes. Bisher
Nichtgeh"rtes, mute ich verdauen. Ein Blitz aus dem eben noch fr"hlichen
Geplauder mit dem Adjutanten.
Obwohl Heydrich ruhig sprach; nicht das blich Nerv"s-Laute, da(sic) ihn sonst
auszeichnete. Donnerwetter sagte ich nur, dies ist allerhand. Und mit diesen
Gedanken stieg ich ein Stockwerk h"her, um mich bei Mller zu melden.
Ich teilte ihm den erhaltenen Befehl mit, aber er schien ihn schon zu kennen, denn
seine Bemhrungen galten dem Unterschreiben

/173/ AE: 120
des Marschbefehles, den sein Adjutant fr mich schon ausgestellt hatte.
Ich fuhr los. ble Vorstellungen ber da(sic), was ich zu sehen bekommen
wrde, im Kopfe. Der einzige Trost war meine Feldflasche, die ich mir mit einem
Liter Rotwein gefllt hatte. Sie war mit braunem Filz berzogen, wie eben
Feldflaschen berzogen zu sein pflegen und nur am Gewicht und am Schwinden
meiner Vermutungsschilder(?), merkte ich, da ich sie mir irgendwo in einem der
Flecken die ich mit meinem Fahrer druchfuhr, wieder auffllen lassen mte.
So kam ich nach Lublin.
Am n"chsten Tage fuhr ich mit einem Adjutanten Globocniggs zu der Stelle, ber
die ich berichten sollte.
Globocnigg war um jene Zeit SS Brigadefhrer und Generalmajor der Polizei.
Seine Dienststellung war die eines SS- u. Polizeifhrers des Distriktes Lublin im
Generalgouvernement. Er unterstand dem H"heren SS- u. Polizeifhrer im
Generalgouvernement und Staatssekret"r fr das Sicherheitswesen, in der
Regierung des Generalgouverneuer in Krakau, SS Gruppenfhrer und General der
Polizei, Krger. Er und damit seine vier SS- u. Polizeifhrer, waren Himmler
unmittelbar untergeordnet. So viel also zum Personellen.
Nach etwa zwei Stunden Fahrt, es m"gen auch nur anderthalb Stunden gewesen
sein, kamen wir zu einer Waldlichtung, an der zur rechten Straenseite ein
Bauernh"us'chen stand.

/174/ AE: 121
Dort hielt der Wagen.
/gestrichen: Eichmann Fortsetzung folgt: 15-8-61./
Wir wurden von einem Ordnungspolizisten mit aufgekrempelten Hemd"rmeln,
offenbar bei der Arbeit selbst mit Hand anlegend, empfangen. Die Art seiner
Stiefel und der Schnitt seiner Reithose, deutete auf einen Offizier. Bei der
Vorstellung wute ich, da ich es mit einem Hauptmann der Ordnungspolizei zu
tun hatte. Der Name ist mir in den Nachkriegsjahren lange Zeit entfallen gewesen.
Erst durch die Literatur, erinnnerte ich mich wieder. Sein Name war Wirth.
Meine Vorstellungsbilder, waren traumhaftschrecklich gewesen und die Wirkung
machte sich in innerer und sicher auch "uerer Beklemmung bemerkbar. Es ging
mir in den letzten Tagen so, wie ich es aus meiner Schulbubenzeit her kannte,
wenn ich ein schlechtes Zeugnis nach Hause zu tragen hatte. Je l"nger der
Heimweg war, desto besser. Also ging ich auf langsamg geschaltet, im
Zeitlupentempo nach Hause und zwecks Zeitstreckung studierte ich s"mtliche
Schaufenster der Gesch"fte, mit doppelter Grndlichkeit, um den Augenblick der
bergabe meines Zeugnisses, so lange hinauszuz"gern, wie eben noch m"glich.
/Anmerkung der Schreibkraft: denn ein schlechtes Zeugnis wurde mit brutalen
Schl"gen und Demtigungen geahndet/
Zwar konnt ich jetzt meine Schulbuben-

/175/ AE: 122
manieren nicht zur Anwendung bringen. Ich konnte meinem Fahrer nicht sagen,
er solle nur mit Traktorengeschwindigkeit fahren. Er jagte auf guten Straen mit
seinen achtzig Stundenkilometern und manchesmal auch mehr dahin und auf den
schlechten Fahrstrecken, entsprechend gedrosselt. Heute und gestern versuchte ich
es eben mit Rotwein und ablenkenden Gespr"chen.

Besagter HauptmannWirth also, fhrte uns auf einen kleinen Waldweg zur linken
Seite der Strae und da standen unter Laubb"umen zwei kleinere Bauernh"user.
Ich kann nich nicht mehr mit Sicherheit erinnern, ob dort im Augenblick unseres
Besuches gearbeitet wurde, aber Wirth erkl"rte uns seinen Auftrag.
Demzufolge hatte er s"mtliche Fenster und Tren hermetisch zu verschlieen. In
den R"umen wrden nach Arbeitsbeendigung Juden kommen, welche durch die
auspuffgase eines russischen U-Bott-Motors, die in diese R"ume geleitet wrden,
get"tet werden.
Das war alles, was er zu sagen hatte.
Von Panzergr"ben war nichts zu sehen. Juden oder Leichen sah ich keine. Und ich
mu sagen, ich fhlte mich sehr erleichtert; denn das H"ren und Sprechen ist stets
etwas anderes als Tun

/176/ AE: 123
oder Sehen. Dies wird jedermann mir best"tigen. Und das alte
Soldatensprichwort, da nichts so hei gegessen wird, als es gekocht wurde,
beruhigte mich doch sehr und ich wei heute noch, da mir auf der Rckfahrt in
der Entspannung der Nerven der Rotwein und die Zigaretten besonders
bek"mmlich waren. Denn wenn ich es damals rckschauend betrachtete, was
wurde im Laufe der Jahre nicht schon alles befohlen und dann widerrufen. Ich
nahm das Vergasen einfach nicht ernst. Nach Berlin zurckgekehrt, machte ich
meine Meldung Mller und Heydrich.
Kommentarlos wurde sie zur Kenntnis genommen.
Heydrichs nerv"se Art und sein kurzes milit"risches Verhalten Untergeordneten
gegenber, sein hoher Rang und seine enorme Dienststellung, lieen keinerlei
pers"nliche Fragestellungen zu.
Anders war es bei Mller. In seiner bajuwarischen, gemtlicheren Art, lie es
es zu, da man pers"nliche Anliegen, Frangen und Wnsche jederzeit vorbrignen
konnte, die er auch vom anfang bis zum Ende geduldig anh"rte und nie
unterbrach. Aber selten bekam man darauf eine Antwort. Die Regel war ein
sofortiges Einschwenken auf irgendwelche dienstlichen Obliegenheiten, so, als ob
Wnsche oder Pers"nliches nie Gegenstand des Vortrages gewesen w"ren. Nie
wute man, woran

/177/ AE: 129
man war. Das einzige, welches zu Erwarten stand, tat sich kund durch ein ,ja,ja!",
verbunden mit einem dnnen, v"terlichen L"cheln. Gerade so, als wolle er sagen,
ja mein Lieber, ich verstehe dies alles, aber da k"nnen wir gar nichts machen.
Mller selbst rhrte sich in all den Jahren, in denen ich unter ihm zu arbeiten
hatte, nur ganz selten von seinem Schreibtisch weg; das heit, er nahm keinen
Urlaub, war fast nie krank und machte selten eine Dienstreise. Er arbeitete bis sp"t
am Abend und selbst dann trug ihm sein Fahrer Aktentaschen, voll von
Arbeitsmaterial in den Wagen, die er in seiner Privatwohnung noch durchnahm.
Es liegen bei den Dokumenten der israelischen Anklage unter anderen, zwei
Fernschreiben vor, die Mller selbst zu sp"ter Stunde des ,Heiligen Abends",
unterschrieb. Sonntage und Feiertage arbeitete er rastlos durch.
Nicht nur ich, auch andere Zeugen k"nnen bekunden, da er sich in buchst"blich
alle Vorg"nge, von auch nur einiger Bedeutung, ja selbst Einzelf"lle betreffend,
weisungsgebend pers"nlich einschaltete, sobald sie seine Amtszust"ndigkeit
betrafen. /am Rand Ziffer 32/ Ich selbst war w"chentlich mindestens zweimal bei
ihm zur Rcksprache. Entweder befohlen, oder ich suchte darum nach. Im Laufe
der Zeit wurden die Tage so

/178/ AE: 125
zur Routine, da man ohne zu bertreiben, von festgesetzten Tagen und Stunden
sprechen konnte. Und wen ich jedesmal nur 25 Akten mitnahm, um mir die
Weisung des Chefs einzuholen - es waren aber meistens mehr - dann kann ich
mir berschlagsm"ig ausrechnen, da es im Laufe der Jahre zirka 10.000 bis
15.000 Vorg"nge waren, zu denen entweder er selbst die Weisung
beziehungsweise den Befehl gab, was zu veranlassen sei, und den Rest seinerseits
seinem Chef zur Weisungseinholung unterbreitete. Denn Mller selbst war keine
besonders entschlufreudige Natur. Eher war er der vorsichtige, "ngstliche
Brokrat. Und er verlangte auch von seinen Referenten die sture Einhaltung der
brokratischen Vorschriften. Dies alles wird ebenfalls best"tigt von dem Mann,
der ihn besser kennen mute als viele andere, jenem SS-Standartenfhrer und
Regierungsdirektor, der gegen Kriegsende eine Zeitlang der papierm"ig amtliche
Vertreter Mllers war und seine diesbezglichen Feststellungen in einer
Zeugenaussage niederlegte.
Eines steht fest, Mller war einer der M"nner, welche stets bestens ber alle
Vorkommnisse unterrichtet waren. Er hatte nicht nur die Funktion als Chef des
Geheimen Staatspolizeiamtes, sondern auch die des Generalgrenzinspekteurs
inne.
--------

/179-180/ AE: 126
Es mu Januar 1942 gewesen sein, da mir Mller den Befehl gab, nach Kulm
/Schreibung des Namens auf Seite gegenber verdeutlicht/ bei Posen zu fahren
und ihm Bericht ber die dort in Durchfhrung befindlichen T"tungen an Juden,
zu machen.
Ich mu sagen, da meine Besorgnisse, Furchtbares zu sehen, diesmal nicht so
arge waren, als im vergangenen Herbst. Wenngleich ich in den Berichten, die
innerhalb des Reichssicherheitshauptamtes als Geheimumlauf zirkulierten, viel
und laufend von Erschieungen im Osten inzwischen gelesen hatte. Aber ich hatte
es nicht angeordnet, ich hatte es nicht zu bearbeiten, ich konnte es auch nicht
beeinflussen oder abstellen; ich konnte es mir nicht einmal als Wirklichkeit so
richtig vorstellen, denn ich hatte es auch noch nie gesehen. Einen Augen- oder
Tatzeugen hattte ich nicht gesprochen. Ich wurde also, im damaligen Warthegau
angekommen, von einem Beamten der dortigen Staatspolizeistelle nach Kulm
gelotst.
Was ich allerdings jetzt dort zu sehen bekam, dies war das Grauen schlechtweg.
/Zusatz von Seite gegenber: Und meine Vorstellung, ich k"nnte "hnlich gut
davonkommen, wie letzten Herbst bei Lublin wurde durch die gr"lichste
Wirklichkeit, die ich je sah, gewandelt./ Ich sah nackte Juden und Jdinnen in
einen geschlossenen Omnibus ohne Fenstern, einsteigen. Die Tren wurden
zugemacht und der Motor angelassen.

/181/ AE: 127
Das Auspuffgas entstr"mte aber nicht in's Freie, sondern in das Innere des
Wagens, Ein Arzt im weien Kittel, machte mich auf ein Guckloch beim
Fahrersitz aufmerksam, wodurch man in das Innere des Wagens sehen konnte und
forderte mich auf, den Vorgang anzusehen.
Das konnte ich nicht mehr. Mir fehlten auch die Worte, meine Reaktion zu diesen
Dingen wieder zu geben, denn es war alles zu Unwirklich. Ich glaube, da ich
mich selbst in jenem Augenblick gar nicht mehr bewut unter Kontrolle hatte. Ich
war auch nicht f"hig gewesen, den Befehl Mllers, die Zeit der T"tung zu
stoppen, durchzufhren. Ich hatte darauf vergessen gehabt; und w"re auch
physisch nicht f"hig dazu gewesen. Dann setzte sich dieser Omnibus in
Bewegung. Ich selbst wurde zu einer Art Waldwiese gefahren und als ich dort
ankam, bog auch schon dieser Omnibus ein, er fuhr an eine ausgehobene Grube;
die Tre wurde aufgemacht und heraus purzelten Leichen; in die Grube hinein.
Eine ber die andere. Das war ein schauriges Inferno. Nein, es war ein
Superinferno. Eben sah ich sie noch lebendig. Nun waren sie samt und sonders
tot. Und dann sprang ein Zivilist in die Grube, kontrollierte die Mnder und brach
mit einer Zange die Gold-
/Zusatz: Fortsetzung siehe Seite 128/

/182-184/ AE: 128, a-b
z"hne aus. -
/Siehe Seite 128a und b/ 128a
Wenn ein Mensch pl"tzlich vor eine Sache gestellt wird, die er sich in seiner
Grauenhaftigkeit auch nicht im Ungef"hren vorher hatte ausmalen k"nnen,
trotzdem er mit einigen Worten auf ungeheure Geschehen vorbereitet wird und
sich mit blen Vorstellungsbildern bereits herumzuplagen hatte, dann tritt ein
Zustand ein, der von einem Nichtpsychologen nur sehr schwer wieder gegeben
werden kann.
Ich wei noch, da ich mich in die Haut meines Handrckens zwicken mute, um
festzustellen, da ich wach bin, da das, was ich sehe, Wahrheit ist, und da ich
nicht nur tr"ume.
Ich kann mich erinnern, als man mich an jenem Maiabend in Buenos Aires
berfallen hatte, dreiig Meter von meiner Wohnung entfernt, Fe und H"nde
zusammenband und mich mit einem Personenwagen auf eine Quinta brachte, in
ein Pyjama steckte und mich mit den Fen an ein Bett fesselte, nachdem mir die
Augen verbunden waren; da zwickte ich mich ebenfalls in die Haut meines
Handrckens, um festzustellen was nun eigentlich da(sic) ist, tr"ume ich, oder
hat sich da(sic), was ich mir eben einbilde, wirklich zugetragen.
So "hnlich, erging es mir auch damals. Ich selber hatte mit den Dingen nichts zu
tun. Meine mir befohlene Aufgabe war, nur zu sehen und darber zu
128b
berichten. Ich wei nicht, ob wenn man mit solchen Dingen als Befehlender oder
Ausfhrender zu tun hat ebenfalls solche Art L"hmungserscheinungen oder
Einbildungen Platz greifen, aber mein Realit"tsbewutsein war irgendwie v"llig
ver"ndert. Es kam eibnem Hin- und herklettern vom noch Denkbaren, zm
Unwirklichen gleich; eine verschobene Welt, in der ich nur Wellen sah, auf denen
sich alles bewegte.
Aber dann f"llt mir pl"tzlich ein, na mut doch mal kontrollieren, ob dies alles
Wahrheit ist; der Zwickschmerz best"tigts dann. Es ist merkwrdig und
erstaunlich, in welche Situationen ein Mensch kommen kann, und frchterliche
Vorstellungskomplexe beherrschten mein Wachsein und verlieen mich selbst
nicht im Schlafe /anderthalb Zeilen unleserlich gemacht, die folgenden Zeilen in
ver"nderter Schrift/. Ob nicht auch mangelnde Civilcourage mit einer der Grnde
waren, da man dies alles mitmachen konnte; dies frug mich einer der Richter,
w"hrend des Prozesses gegen mich. Dies ist richtig, und tr"fe auch zu und ich
sagte ihm etwa, Civilcourage habe das deutsche Offizierskorps nicht gekannt. Es
ist wahr; und das Wort selbst besagt es ja f"rmlich schon.
Pflicht; Befehlserfllung; Gehorsam und Treue! Aber Civilcourage kam im
Dienstreglement nirgends vor.
Es ist eigentlich sehr bedauerlich mu ich sagen.

/zurck auf Seite 128/
Ich fuhr nach Berlin.
Ich hatte nur Mller zu berichten. Nach der Meldung sagte ich ihm, ich h"tte nur
eine andere Dienstverwendung, dafr sei ich nicht der richtige Mann. Rein
nervlich halte ich solches nicht aus; das sei keine politische L"sung! Diesmal
antwortete er mir: Der Soldat an der Front kann sich auch nicht aussuchen wo er
gerne k"mpfen m"chte. Er hat doch seine Pflicht zu tun, wo man ihn hinstellt.
________

Kamen mir bislang schon "fter Bedenken, ob das Tun der G"tter selbst bei gr"ter
Nachsicht noch als G"tterhandeln zu bezeichnen w"re, dann hatte ich als der
Weisheit letzter Schlu mir stets noch sagen k"nnen, mit Ausnahme der Flammen
vom 10. November 1938, hast Du ja noch gar nichts von all dem Greuel gesehen.
Es sind alles Berichte. Teils waren es H"rensagenberichte, teils freilich dienstliche
Berichte. Aber zwischen dem Buchstaben und dem Bild war es eben ein
gewaltiger Unterschied. Besonders dann, wenn man - wie ich - damit ja
dienstlich gar nicht befat ist. Und auch Mller hatte es nicht befohlen; auch er
h"tte es nicht abzustellen vermocht.
/ca. 1 Zeile durchgestrichen, neu geschrieben/
Jetzt aber diente ich G"tzen; dies wurde mir klar.

/185-186/ AE: 129
/5 Zeilen durchgestrichen, ersetzt durch Text auf Seite gegenber:
Alles da(sic), fr welches ich mich tats"chlich begeistern konnte, eine L"sung
des Problems auf politischer Basis zu suchen und zu finden, daran mitarbeiten zu
k"nnen, zum Whole beider Parteien, war in mir zerbrochen worden. Von dem
Schaurigen selbst, will ich gar nciht weiter sprechen, denn meine an sich sensible
Natur revoltiert beim Anblick von Leichen und Blut.
Und dabei w"re es ein Leichtes, ein Kinderspiel geradezu gewesen, im
Vergleich zu der jetzt befohlenen Gewaltl"sung, zumindestens ein Provisorium
einer politischen L"sung zu schaffen; es h"tte ja nichts Endgltiges zu sein
brauchen. W"hrend eines Krieges begngt sich jeder oft nur mit einer Teill"sung
der Probleme, wenn es eben nicht anders geht. Der Frieden br"chte schon
automatisch Kl"rendes, Festes.
Wie hatte ich mir, von meiner Warte aus, den Kopf zerbrochen, um nach
Auswegen zu suchen.
Zu eienr solchen Gewaltl"sung aber hatte ich von mir aus wahrhaftig nichts dazu
beigetragen und ich konnte meine H"nde, wie weiland Pontius Pilatus in
Unschuld waschen. Aber wem konnte selbst dieses dienen?
Wer den Tiger reitet, kann jedoch nicht mehr absteigen./
Dabei war mein Vaterland in Not. Der rieg gegen Ruland und Angland in vollem
Gange. Und am 11. Dezember 1941 hatte Deutschland den USA den Krieg
erkl"rt. Alles unvorstellbar. Der Befehl Mllers: Dort habe ich meine Pflicht zu
tun, wohin ich gestellt wrde. Ein aussuchen gibt es fr den Soldaten nicht. -
Ausweglos; l"ngst schon war ich fr die Dauer des Krieges, gleich den anderen
Angeh"rigen des Sicherheitsdienstes, zur Kriegsdienstleistung /ca. 2 Zeilen
gestrichen/ verpflichtet worden. Da wurde man nicht gefragt; es war eine
Verfgung von Oben!
Vielleicht h"tte ich, wenn ich den Befehl bekommen h"tte, zu t"ten oder T"tungen
zu befehlen, sagen k"nnen: nein, es kann mir niemand befehlen, Zivilisten zu
t"ten, wenn diese sich nicht aktiv gegen die Kriegsgesetze vergangen haben. Aber
ich bekam ja soclhe Befehle nie. Jemand, der in einem Einsatzkommando war und
T"tungsbefehle bekam, der h"tte die M"glichkeit gehabt; ob mit Erfolg oder ohne
bleibt dahingestellt.

/187-188/ AE: 130
Einige wenige F"lle sind nachweisbar, wo es den betreffenden Ansuchenden
gelungen ist, sich von der Befehlsausfhrung entbinden zu lassen. Ich wei nicht
utner welchen Umst"nden, denn ich h"rte darber, selbst erst in Israel. Aber wie
dem auch sei. Ich sa in Berlin hinter dem Schreibtisch und hatte nichts
diesbezgliches zu befehlen.
Mir fehlte zu einem Ansuchen um Versetzung mit der Hoffnung auf Erfolg jede
entsprechende Untermauerung. Ich hatte es ja eben wieder erlebt gehabt. Genau
wie schon einmal im Sp"therbst 1939. /Zusatz von Seite gegenber:
Ab meiner Versetzung zur Geheimen Staatspolizei unterstnad ich erst recht dem
Zwang.
uerlich durfte ich mich dagegen freilich nicht in Form von Disziplinlosigkeiten
hinreien lassen. Innerlich stand ich gegen Zwang und Druck und nahm, den
Rahmen der befohlenen Subordination nicht verlassend, auch in Worten dagegen
Stellung.
Es ist klar, ohne Erfolg; denn mein unmittelbarer Vorgesetzter, dem ich solches
vortrug, stand ja selbst auch unter dem Zwang und Druck. Ja, wahrscheinlich
mehr noch als ich selbst. Denn der Grad seines Wissens an Geheimvorg"ngen,
war sicherlich ungleich gr"er als meiner. In dem Ma ich die Nutzlosigkeit einer
pers"nlichen Opposition gegen diesen Druck erkannte, in dem Mae fgte ich
mich, nach dem Prinzip des Gummiballes diesem Zwang, und erkannte ihn
schlielich als eine Art Gesetzm"igkeit, der ich mich nicht zu entziehen
vermochte, an. Ich lebte in einem Zustand, in dem man sich mit dem Neuen
schwer zurecht fand, denn es k"mpften in mir die Produkte genossener Erziehung,
mit dem Totalit"tsanspruch der neuen, freiwillig gew"hlten Fhrer. Freilich, im
Augenblick dieser Wahl, ahnte ich nicht ihre umfassenden Forderungen an meine
Gesamtperson; an meine physische und psychische Pers"nlichkeit.
Und so konnte ich schlielich froh sein, wenn ich mir, alles in allem, doch noch
eine gem"igte - brgerliche Form und Art, die sich niederschlagsm"ig in
meiner T"tigkeit darbot, bewahrte. Denn ich lebte in einer Umgebung, in der die
sthetik der Toleranz dahin schwand, wie der Schnee in der M"rzsonne.
Ich hatte es innerlich dazu gebracht, da ich (Fortsetzung n"chste Seite im 2.
Drittel)/ nicht einmal fr meinen tagt"glichen Brokram in der Aktenbearbeitung
Entscheidungen zu treffen brauchte. Wegen jedes Detailfalles, stand mir jederzeit
der Weg zu meinem Amtchef offen. Pers"nlichen inneren Belastungen konnte ich
dadurch aus dem Wege gehen. Ich ging diesen Weg seit meiner, gegen meinen
Willen befohlenen Versetzung. Meine diesbezgliche Gepflogenheit war
referatsbekannt und darber hinaus. /anderthalb Zeilen unleserlich gemacht/ Hatte
ihn mein Chef entschieden, dann selbstverst"ndlich traf ich die angeordneten
sicherheitspolizeilichen Vorkehrungen. Dazu war ich ja eidlich verpflichtet.
So gerne ich im Nachrichtendienst t"tig war,
Fortsetzung siehe Seite 131!

/189-190/ AE: 131
so l"stig war mir der exekutive Teil des Polizeidienstes.
So sehr ich die Befehlsgebung der deutschen Reichsregierung aus Sorge um das
Reich, mit stets pessimistischerer Betrachtung beobachtete, egal ob es sich um die
mir unn"tig erscheinenden Serien der Kriegserkl"rungen handelte, oder um
Befehle im Hinblick auf die Judenfrage, mmir blieb in anbetracht meines
Dienstgrades als SS-Oberstleutnant und meiner Dienststellung als Referent, als
Befehlsempf"nger also, nichts anderes brig, als zu gehorchen. Die
Verantwortung hatten die verantwortlichen politischen Fhrungsstellen und die
"rtlichen und sachlichen Befehlsgeber dieser Reisspitzen zu tragen.
Ich war eingespannt, und konnte auf legalem Wege nicht anders marschieren;
gleich tausenden anderen Oberstleutnanten. Mochten die anderen Tun(sic), was
sie glaubten; ich konnte sie nicht hindern; ich hatte es auch nicht zu verantworten.
Meine Aufgabe war es, meinem Fahneneid getreu zu bleiben und wie ich es eben
wieder geh"rt hatte, meine Pflicht dort zu tun, wohin der Befehl mich stelle.
/3 Zeilen unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenber:
Aber eines erkannte ich jetzt mit aller Deutlichkeit, da das ,handeln men"
nach einem dem Menschen innewohnenden Sittengesetz fr mich schwer, wenn
nicht unm"glich wurde, bedingt durch die Gesetze des Krieges, denen ich
unterworfen war und die mich willen- und wollensm"ig, entgegen meiner
inneren Auffassung, banden und unfrei machten.
Freilich erkannte ich dieses bereits ab der Zeit meiner Versetzung zum Geheimen
Staatspolizeiamt, im sp"therbst 1939; jedoch nicht mit der jetzigen
erschreckenden Deutlichkeit. Denn ich lebte bis zum Herbst 1941 in dem Wahn
einer politischen L"sungsm"glichkeit. Da solches eine Wahnvorstellung
meinerseits war, dies mute ich nunmehr erkennen.
Und ich erkannte auch, da sich die damaligen Fhrer des Reiches um sittliche
Forderungen nicht kmmerten; schon gar nicht um Kantsche Auffassugnen von
den Dingen. Sie scherten sich den Teufel darum. Ihre Einstellung glat alleine nur
noch dem Augenblick und selbst da versagten sie infolge Plan- und
Ideenlosigkeit, und verloren im sinnlosen Hin und Her, jede Initiative des
Handelns auf dem Sektor der Kriegsfhrung.
Aber auch auf der anderen Seite, auf der Seite verschiedener Fhrungsmitglieder
der verschiedenen damaligen Feindseiten, kann man keinesfalls fr sich in
Anspruch nehmen, etwa ethisches Wollen, fr sich gepachtet zu haben.
Die Politik ist und bleibt eine ganz gew"hnliche Hure. (Fortsetzung siehe Seite
131a und b)!

/192/ AE: 131a
Nicht da ich heute etwa dem verlorenen Kriege nachtrauern wrde. Ich stehe seit
langem ber meiner diesbezglichen Nachkriegseinstellung.
Mein einziges Wollen w"re, Kriege und deren unausbleibliche Folgen,
unm"glich zu machen. Aber wenn ich die Dinge von damals beschreibe, dann
mu ich mich rckversetzend zu ihnen einfinden. Ich mu sie gleichsam noch
einmal erleben und durchleben, damit ich sie hier wiedergeben kann.
Ich stehe auch heute noch auf dem Standpunkt da der Krieg dem deutschen Volk
ursprnglich aufgezwungen worden ist. Wirtschafts und Konkurrenzneid standen
hier Pate. Ich bin mir aber dessen nicht sicher, da er unvermeidbar gewesen
w"re, h"tte unsere eigene Regierung ein anderes Verhalten gezeigt. Sicher bin ich
mir hingegen, da der Krieg seine Ausweitung durch Dummheit und Verkennung
aller Realit"ten seitens unserer eigenen Fhrung erfuhr; dies kommt noch zu allem
brigen dazu. -
Und so teilte sich das deutsche Volk nach und nach in mehrere Gruppen,
zus"tzlich zu denen, welche ohnedies schon bestanden.
Diejenigen, deren Ausrichtung und Einstellung rein trieblich bedingt war; ihre
Problemstellung war einfach und umkompliziert.
Diejenigen, welche "uerlich wohl mitgingen und eidgetreu den Befehlen
gehorchten; innerlich aber Distanz nahmen, aus Grnden die ich eben schilderte.
Und drittens diejenigen, welche sich nunmehr sowohl innerlich, als auch "uerlich
distanzierten, ja sabotierten.
/folgende Zeile angefangen, gestrichen/

/193/ AE: 131b
Die Konsequenz dieser Uneinheitlichkeit bei den Befehlsempf"ngern fand
letztlich in einem geringeren Durchstehverm"gen seinen sichtbaren Ausschlag.
Daran "ndert auch nicht die haltung der Zivilbev"lkerung in den Zentren der
Bombenschlachtfelder und nichts der Opfermut einzelner Divisionen und
Armeen; auch nichts "nderte daran die sture eidgetreue Einstellung der
Kriegsmarine und Fliegergeschwader. Es griff allenthalben, nach und nach, eine
Dekonzentration, eine Zerstreuung Platz, als genaues Spiegelbild, des Verhaltens
der Fhrung des Reiches. Sie glaubte in ihrer berheblichkeit, in Zeiten des
Krieges Manahmen durchfhren zu k"nnen, die unter normalen Zust"nden
unm"glich gewesen w"ren und bedachte - von allem sonstigen jetzt einmal
absehend - nicht die unausbleiblichen psychologischen Folgen.
Ich geh"rte nicht zu der Gruppe, die sclielich zu einem ,20. Juli 1944" fhrte;
ich geh"rte nicht zu der rohesten Gruppe, deren innere und "uere Einstellung
gleich blieb. Ich z"hlte zu jenen, die "uerlich gehorchten, nichts taten was sie mit
ihrem geleisteten Eid in Konflikt brachten(sic) und ehrlich und aufrichtig dienten
und ihre befohlene Pflicht erfllten. Durch die innere Einstellung jedoch kam es
zu einer Art Pers"nlichkeitsspaltung; ein Zustand der hinderte. Ein Zustand, der
jeden Schwung und jeden Elan t"ten mute. Ein Zustand, unter dem der einzelne
mehr litt als er jemals zugeben wollte, oder zugab. Und er bet"ubte sich selbst,
durch ,Pflicht" und ,Eid"; und ,Treue" und ,Ehre".
/S. /191/ war plaziert gegenber Seite 131a, dort allerdings kein Verweis darauf.
Der gestrichene Abschnitt im unteren Drittel ist teilweise noch lesbar: . in der
bloen Existenz der Gattung Mensch zu erblicken, besser gesagt, ich zweifelte in
solchen Momenten daran, da die Natur einen solchen je erwog. Dann aber mute
ich solche Gedanken wieder verwerfen, denn die Gesetzm"igkeit der Natur kennt
nicht den Zufall und kennt nicht gewollten Verderb. Wir Menschen sind es
ausschlielich selbst, die dem Natrlichen in's Handwerk pfuschen wollen./
/zurck auf Seite 131, nach 3 unleserlich gemachten Zeilen:/
Aber abgesehen davon gleichgltig, was es fr ein Staat ist: Verr"ter und
Befehlsverweigerer, Saboteure und Selbstverstmmler erfahren in Zeiten des
Krieges,

/194/ AE: 132
seitens der Staatsfhrung jene Behandlung, /2 Zeilen unleserlich gemacht/ die auf
Fahneneidbruch steht.
Mir ist auch nicht bekannt geworden, da sich daran selbst nach 1945 etwas
ge"ndert h"tte und die auch nach diesem Jahre vorgekommenen Verbrechen an
der Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und andere Greuel, sind Leion. Und dies
trotz Magna Carta, UNO und anderen Sicherungsbestimmungen. Menschliche
Unzul"nglichkeit, heute und gestern, wohin man auch sieht. Nichts hat sich
ge"ndert.
Aber nicht die Taten unserer seinerzeitigen Machthaber will ich damit
besch"nigen. Ich diene in dieser Arbeit niemandem; und ich besch"nige nichts.
Wie ich berhaupt durch meine Erfahrung jeden besonderen Obrigkeitsrespekt
verloren habe.
/Abschnitt von 10 Zeilen unleserlich gemacht/
Frwahr, ich schreibe zu niemanden Lob und mir ist es egal, ob meine arbeit
gelesen, egal, ob sie gelobt oder verdammt wird.
/2 Zeilen unleserlich gemacht/
Ich will nur warnen. Und warnende Worte sind weder Honig noch Milch. Sie sind
drr und trocken wie die Dornenbsche der Pampa, oder wie bleichende Knochen
in der Wste.
______________

/195-196/ AE: 133
/auf S. 195 oben steht nur: groer Absatz!/

Die Leute selbst, die ich an den Stellen der T"tung oder mit
Vorbereitungsarbeiten zu dieser sah, waren durch die Einschaltung der ,Kanzlei
des Fhrers" zur Verfgung gestellt worden.
Der Oberdienstleiter Brack von dieser Kanzlei, dessen Name in einigen
Dokumenten, welche w"hrend des Prozesses gegen mich, auch aufscheint, hatte
diese Angelegenheit mit Himmler selbst direkt geregelt. Er hatte die T"tung der
Geisteskranken durchzufhren gehabt und bot nach Beendigung seiner T"tigkeit
das Personal, welches ihm zur Verfgung stand Himmler an, worauf Brack dieses
Globotnigg zur Verfgung stellte. Wirth war urspr"nglich Beamter der mittleren
gehobenen Laufbahn, an einer Kriminalpolizeistelle im Sdwesten des Reiches.
Ich sah ihn in der Uniform eines Offiziers der Ordnungspolizei und w"hrend des
Prozesse zeigte mir mein Verteitiger(sic) eine Photographie, die ihn als SS-
Sturmbannfhrer wiedergab. Wirth leitete die Vergasungst"tungen im
Befehlsbereich Globocniggs.

In Kulm wiederum, hing in dieser Sache der Gauleiter und Reichsstatthalter
Greiner pers"nlich. Er korrespondierte diesehalb mit Himmler. /am Rand Ziffer
33/ Bothmann, der Leiter der Vergasungsstelle Kulm, kam ebenfalls aus dem
Euthanasiestab Bracks, von der ,Kanzlei des Fhrers", genau wie Wirth.

/197/ AE: 134
Aber auch das Reichssicherheitshauptamt war den T"tungen durch Auspuffgase
direkt beteiligt, wie dies w"hrend des Prozesses vorgelegte Dokumente
einwandfrei bewiesen haben. Aber es war nicht das Amt IV, welches hier seine
Finger drin hatte, sondern das Amt II. Ein ganzes Bndel an Schriftverkehr liegt
hier vor. Diese Omnibusse wurden fr den vorgesehenen Zweck durch das Amt II,
entsprechend umgebaut und dann zu den Einsatzgruppen nach dem Osten
geschick. Dies besagen die Dokumente mit aller Deutlichkeit.

Es wird mit nie erkl"rlich werden, warum Mller mich mit einer sturen
Gleichf"rmigkeit in jener eit von Ort zu Ort der T"tungen schickte, obgleich er
meine jeweilige Verfassung nach Rckkehr zur Berichterstattung kannte.
Obgleich er wute, da mit eben derselben Sturheit meinerseits die Bitte um
Transferierung kam, obzwar auch ich wute, da mit eben derselben Automatik
nicht darauf eingegangen wurde. Mller hatte sicher mit den Gaswagen pers"nlich
nichts zu tun. Und wen ein zeitweiliger formeller Zwischenvorgesetzter auf dem
Dienstweg zwischen mir zu Mller, mit Namen Hartel, nach 1945 in Nrnberg
sagte, Mller habe ihn nach dem Osten geschickt, um ,hart" zu werden, und als er
Kommandos zum Erschieen aus pers"nlichen oder nervlichen Grnden nicht
bernehmen konnte, ihm

/198-199/ AE: 135
erkl"rt, er me eigentlich nicht ,Hartel", sondern ,Weichel" heien, so kann ich
dies nur schwer glauben.
Unter Ausrichtung auf diese Aussage, frug mich der Generalstaatsanwalt im
Kreuzverh"r, ob Mller mich auf Grund meiner Berichterstattung nicht auch statt
,Eichmann" mit ,Weichmann" bezeichnet habe; ich mute diese Frage verneinen.
Mller hat auch diesen Einsatzgruppen nicht die T"tungsbefehle gegeben; diese
Befehlsgebung nahm Heydrich vor, wie aus den Aussagen der Einheitschefs ganz
klar hervorgeht. Nie gab mir Mller irgendwelche Befehle fr die Kommandos
die zu besuchen er mir befahl. Nichts anderes als zu seiner pers"nlichen
Unterrichtung wurde ich in Marsch gesetzt. Wie gesagt, es wird mir ewig ein
R"tsel bleiben, warum er mich dazu ausersah, wo es Dutzende konstitutionell
robustere Naturen als mich, gab.
/Zusatz von Seite gegenber: Ich will meinen ehemaligen Vorgesetzten weder
entlasten, noch belasten mit Dingen, von denen ich nichts Genaues wei. Eine
Entlastung ist bei seinen gehabten Zust"ndigkeiten ohnehin nicht m"glich und
eine Belastung berlasse ich den Dokumenten denn da steht alles viel genauer
verzeichnet, so genau, wie es mir nach inzwischen vergangenen rund 20 Jahren,
nicht mehr m"glich ist, die Dinge wieder zu geben./
Aber es hat auch keinen Zweck ber solche Dinge heute nachzudenken;
Geschehenes kann man nicht ungeschehen machen. Ich bekam den Befehl und
hatte die Berichterstattungsreisen anzufhren(?).
Daher schicke ich mich zur Schilderung der n"chsten Inmarschsetzung meiner
Person nach Minsk an.
Es war um dieselbe Zeit, etwa Januar 1942, als ich die Weisung erhielt ihm ber
die Vorg"nge in der genannten

/200/ AE: 136
Stadt zu berichten. Es war bitterkalt und ich trug einen langen, geftterten
Ledermantel und nahm mir die entsprechende Alkoholreserve mit, denn ohne
dieser konnte ich diesen Befehlen nur unter stetigem Sinnieren nachkommen. Der
Alkohol aber schuf einige Bet"ubung. Es ist klar, da der Grad, nie zur
Trunkenheit heranlangen durfte, denn ich fuhr ja in Uniform mit Fahrer, in einem
Polizeifahrzeug. Aber es ist erstaunlich, welche Alkoholmengen der Mensch bei
aufgepeitschten Nerven braucht, um sie einigermaen in Rand und Band zu
halten. Freilich w"re Schnaps besser gewesen als Rotwein, aber Schnaps trank ich
nur, wenn Wein nicht erh"ltlich war.
Ich kam an einem Abend an. Und am n"chsten Tag hatte ich mich versp"tet. Die
mir genannte Stunde war l"ngst berschritten, so kam ich erst zur Stelle, als die
letzte Gruppe erschoen wurde.
Als ich den Exekutionsort anfuhr, knallten die Schtzen in ununterbrochenem
Dauerfeuer in eine Grube vom Ausma mehrere groer Zimmer. Sie schossen mit
Maschinenpistolen. Angekommen sah ich eine jdische Frau mit einem kleinen
Kind in den Armen in der Grube. Ich wollte das Kind herausreien, aber da
zerschlug eine Kugel den Kopf des

/201-202/ AE: 137
Kindes. Mein Fahrer wischte mir vom Ledermantel kleine Gehirnstcke. Ich stieg
in meinen Wagen. -
Berlin, sagte ich meinem Fahrer. -
Ich aber trank Schnaps, als sei es Wasser. Ich mute trinken.
Ich mute mich bet"uben.
Und ich dachte an meine eigenen Kinder; um jene Zeit hatte ich zwei.
Und ich dachte ber den Unsinn des Lebens nach.
/3 Abschnitte unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenber:
Und ich fand keine Ordnung mehr, im Wollen und Willen des Waltens. Es war
unsagbar schwer, in diesem Chaos berhaupt noch an etwas zu glauben./

/203-204/ AE: 138
Und ich stellte mir vor, als sei da(sic), was die christlichen Konfessionen mit
H"lle bezeichnen, nicht etwas Knftiges, mit dem sie die Menschen verwarnen,
sondern es konnte nur so sein, da wir uns samt und sonders bereits in dieser
,H"lle" befanden.
/gute 12 Zeilen unleserlich gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenber:
Es war die einzige Erkl"rung.

Glaube und Liebe; Ethik, sthetik; die ganze Erziehung; alle Sorge und Hoffnung
legten die Eltern in ihr hinein.
Das denkende Hirn machte sodann den eigenen Versuch der Vorstellungsformung
im Rahmen der passenden M"glichkeit. Es fand dazu untere anderem die Brcke
und Hilfe, in Kant. /6 Zeilen bis Ende der Seite unleserlich gemacht/

/205/ AE: 139
Wie konnte ich all dieses einpassen und in Gleichklang bringen, zu dem was ich
sah? Es war zum verzweifeln.
Aber die berlegungen gingen noch weiter.
Der Grund meines innneren Anschlues an die Partei, war das Unrecht. Es war
das Diktat von Versailles. Und jetzt brachten wir selber das Unrecht in vielfacher
Form. Das Oberhaupt des Staates pers"nlich befahl es.
Meine eigenen Gerichtsherren und der h"chste Gerichtsherr der SS- und
Polizeigerichtsbarkeit, befahlen dies alles, und sie befahlen auch mir.
/11 Zeilen unleserlich gemacht/

Und hier versuche nun einer mal Ordnung zu machen und all diese vielen,
divergierenden Komponenten auf eine innerlich beruhigende Resultante zu
bringen. Es ist ein Ding der Unm"gkeit(sic).
/206/ AE: 140
In solche ein inneres Gestrpp brachte einen die damalige Reichsfhrung. Im
Nachhinein ist es fr Dritte immer leicht reden. Aber was h"tten sie selbst in einer
solchen Lage getan?
Ist der Motor eingeschaltet und sind die Wellen gekuppelt, dann men die R"der
laufen, egal ob der Schlauch, die Seele des Reifens, platzt, egal ob selbst der
Reifen zerfetzt wird, sie men laufen, und wenn es nur noch auf zerschlagenen
Felgen dahingeht; solange, bis der Motormann anderen Sinnes wird, oder der
Wagen zum Teufel geht.
Mit einem solchen Rade bin auch ich vergleichlich; sind viele vergleichlich. Aus
eigener Kraft kann solch ein Rad nicht abspringen, selbst wenn es merkt da bei
dem Motormann nicht mehr alles in Ordnung sein kann.
Dies ist das Los der Befehlsempf"nger. Nun ich's nicht "ndern konnte, tat ich das
einzige, was ich tun konnte. Gehorsam fhrte ich die mir erteilten Befehle aus.
W"re Frieden gewesen, dann w"re es leichter fr mich meine Lage zu "ndern, im
Vergleich zu dem totalit"ren Anspruch des Staates, auf die Person, die er in
Kriegszeit erhebt; gleichgltig, was er befiehlt.
_______________
/207/ AE: 141
-(15)-
Ich mu nun abermals zeitlich wieder etwas zurckschalten, und nocheinmal
das Jahr 1941 beleuchten.
Die von Himmler befohlenen Deportationen erstreckten sich von zeitweiligen
Unterbrechungen abgesehen auch in dieses Jahr hinein. Aus Ostpreuen, und zwar
aus jenem neu zu dieser Provinz hinzu gekommenen Kreisen, aus dem
Warthegau, ja auch sogar aus Wien.
Ich habe ein Fernschreiben vor mir liegen, welches am 13. Februar 1941 an alle
Staatspolizeistellen auer Wien ausging, und von mir unterschrieben wurde.
Es heit darin u.a.:
,Betrifft: Evakuierung der Juden aus Wien in das Generalgouvernement. In
Anbetracht der besonders gelagerten Verh"ltnisse in Wien, hat der Fhrer die
Evakuierung der in Wien ans"igen Juden angeordnet.
Die Staatspolizeistelle Wien hat (bereits) am 1. Februar 1941, eine Verfgung
erlassen, nach der Juden, die in Wien ihren st"ndigen Wohnsitz haben, das
Gaugebiet Wien nicht verlassen drfen."

Diese Hitlerverfgung hatte sich gem" einer Aussage Baldur von Schirachs, des
ehemaligen Gauleiters von Wien, anl"lich einer Vorsprache, die er bei Hitler
hatte, ergeben. Daher auch konnte die Staatspolizeistelle Wien - Gauleiter,
Reichsstatthalter und Oberpr"sidenten hatten gegenber ihren "rtlichen Stellen
Weisungsrecht - eine

/208/ AE: 142
Sperrverfgung fr ihren Zust"ndigkeitsbereich erlassen, ehvor noch das
Reichssicherheitshauptamt hiermit befat wurde. /am Rand Ziffer 34/
Aber am 15. M"rz muten bereits s"mtliche Evakuierungstransporte aus den
eingegliederten deutschen Ostgebieten, bzw. Wien, in das Generalgouvernement
eingestellt werden. Die Operationsabteilungen des deutschen Generalstabes,
wnschten fr ihre Aufmarschpl"ne gegen Ruland in den Bereitstellungsr"umen,
freie Hand zu haben, und durch keinerlei sonstige Transportbewegungen gest"rt
zu werden.
Mller unterzeichnete den entsprechenden Einstellungsrunderla. /am Rand Ziffer
35/

Im Juli 1941 schickte G"ring, in seiner Eigenschaft als Reichsmarschall, als
Beauftragter fr den Vierjahresplan und als Vorsitzender des Ministerrates fr die
Reichsverteitigung(sic), an Heydrich eine Bestallungsurkunde, die ihn
erm"chtigte alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher
und materieller Hinsicht, fr eine Gesamtl"sung der Judenfrage im deutschen
Einflugebiet in Europa zu treffen. Er wnschte diesbezglich in B"lde einen
Gesamtentwurf vorgelegt zu erhalten. /am Rand Ziffer 36/
Die Bemhungen Heydrichs, den euro"ischen Auftrag zu erhalten, hatte(sic)
insoferne ihre Schwierigkeiten, als sein diesbezglicher Nebenbuhler, der
deutsche

/209-210/ AE: 143 a
Reichsauenminister, auf diesem Gebiete ohne jeden Zweifel, seine nicht
abzusprechenden federfhrenden Zust"ndigkeiten nachweisen konnte. Es hatte
zwischen Heydrich und Ribbentrop ohnedies schon gengend Mitrauen gegeben,
seit der Madagaskarplan wieder einmal aktuell wurde. /Zusatz von Seite
gegenber: 143a
Obwohl mir aus eigener Erfahrung bekannt ist, wie sehr die Zentralinstanzen
bemht waren, auf ihrem Gebiet auch s"mtliche Zust"ndigkeiten im Falle einer
Madagaskar-Verwirklichung in ihre H"nde zu behalten, so habe ich nie etwas
davon geh"rt, da der Chef der ,Kanzlei des Fhrers", Philip Bouhler, zum
gouverneur dieser Insel vorgeschlagen worden w"re, noch da irgend jemand aus
der Kanzlei des Fhrers, hier unmittelbare diesbezgliche Wnsche oder
Hoffnungen hatte. Es war dieses ausschlielich ein Kampf zwischen Heydrich
und Ribbentrop. Die anderslautende Darstellung des Oberdienstleiters Brack von
der "Kanzlei des Fhres", die er im Jahre 1947, in Nrnberg abgab, ist sicherlich
nur aus Verteitigungsgrnden(sic) abgegeben worden. Hingegen wei ich mit
Sicherheit, da es insbesonders die ,Kanzlei des Fhrers" war, welche laufend
Versch"rfungspunkte eingebaut wissen wollte und da sie es war, welche meine
ursrpngliche Madagaskar-Konzeption umkrempelte. Bouhler hat im Mai 1945 in
Zell a/See im Salzburgischen (sterreich) Selbstmord begangen und Brack wurde
1948 in Landsberg hingerichtet./
Heydrich jedenfalls brachte seine Zust"ndigkeitsrechte fr diese
Madagaskarl"sung durch eine schriftliche Versicherung der hierfr zust"ndigen
Reichsspitze, G"ring, zu erhalten und bekam sie.
Von der diesbezglichen Idee Heydrichs, bis zur vollzogenen Unterschrift,
vergingen Monate. Es ist falsch, annehmen zu wollen, da derartige Vollmachten
gewissermaen im Schnellverfahren so zwischen Tr und Angel erledigt wurden.
Heydrich mute hier erst seinen Boden pr"parieren.
Wochen sp"ter erst, wurde das Madagaskarprojekt durch den deutschen
Botschafter in Paris, Abetz, der neue Vorschl"ge machte, endgltig zu Grabe
getragen. Doch davon soll sp"ter die Rede sein, wenn ich auf Frankreich zu
sprechen komme.
Aber diese G"ring'sche Formulierung pate auch afu den neuen Pariser
Vorschlag, os da sie keinerlei nderung zu erfahren brauchte.
Offiziell wurde das Madagaskar-Projekt erst Anfang 1942 zu den Akten gelegt.
Im Herbst 1941, genauer gesagt, ab Oktober, wurde das Deportationsprogramm,
welches

/211/ AE: 144
durch die milit"rischen Operationsvorbereitungen zum Feldzug gegen Ruland
unterbrochen werden muten, von oben wieder angekurbelt und die
Wiederinangriffnahme befohlen.
Die erste Welle bestand aus zusammen 20.000 Juden aus Berlin, Wien, Prag,
K"ln, Hamburg, rankfurt, Dsseldorf und Luxemburg.
Mein Referat erhielt die Deportierungsst"tten, die Zahlen der aus diesen
Bereichen zu deportierenden uden, und den Termin genannt. Es wurde befohlen
wer deportiert werden mute und welche Personenkategorien nicht evakuiert
werden durften. Himmler selbst befahl sogar den Umfang des zuzulassenden
Gep"ckes. Als Aufnahmeort hie es, besetzte russische Gebiete oder
Litzmannstadt; eine Konzession an die fahrplantechnisch zust"ndige Beh"rde,
also an das Reichsverkehrsministerium. Es war dies das erste und auch
gleichzeitig letzte mal, da eine solche M"glichkeit zugelassen wurde. In alle
Zukunft wurde dann stets nur noch eine einzige Zielstation befohlen.
Denn folgendes trug sich zu:
Kurz ehvor der Befehl zur Vorbereitung zu dieser ersten groen Judendeportation
- wenn von der Deportation aus Stettin Anfang 1940 abgesehen werden soll -
ergangen war, kam ich aus dem Befehlsbereich Globocnigg, aus Lublin zurck.
Ich sah dort die Vorbereitungen

/212-213/ AE: 145
zur Judent"tung. Ich hatte auch von den Erschieungen in den besetzten
russischen Gebieten gelesen. Wenngleich ich der Annahme war, da den Juden
aus dem Reich nicht das gleiche Schicksal zugedacht wurde, - ich glaubte dies aus
dem Inhalt der befohlenen Richtlinien zu entnehmen -, so wute ich aber ganz
bestimmt, da im Groghetto Litzmannstadt, bisher von solchen Dingen
berhaupt noch keine rede war. Also wurden die Fahrpl"ne fr Zielstation
Litzmannstadt zurecht gemacht, und seitens des Reichsverkehrminiseriums
erstellt.
Dem voraus aber mute die Einverst"ndniserkl"rung des zust"ndigen
Hoheitstr"gers ber Litymannstadt eingeholt werden. Ich verhandelte mit dem
zust"ndigen Mann des Regierungspr"sidenten belh"r /Schreibung des Namens
auf Seite gegenber verdeutlicht/. Mit welchen kleinen Tricks ich sein halbes oder
dreiviertel Einverst"ndnis erzielte, wei ich heute nicht mehr. Es ist wahr, da ich
den alleine darber verfgenden Regierungspr"sidenten pers"nlich nicht
aufsuchte, da mir seine ablehnende Einstellung, Juden aufnehmen zu wollen,
bekannt war.
Der Fahrplan war fertig; vielleicht war sogar schon ein Zug in das Ghetto
angekommen, ich wei dies heute auch niciht mehr; da schrieb belh"r ein
geharnischtes Fernschreiben an das Reichsinnenministerium und andere
Zentralinstanzen, beschwerte sich ber

/214/ AE: 146
mich, da ich wie durch ,Rot"uscher oder Zigeunermethoden" berfahren h"tte
und verlangte Einstellung der Transporte und meine Bestrafung.
Die Sache ging bis zu Himmler, nachdem sich auch das Heeresoberkommando
auf Seite des Regierungsprasidenten mit einschaltete, da es fr die
Rstungsindustrie angeblich bangte, welche im Ghetto aufgezogen wurde; sie
verlangten, die Juden sollten nach Warschau transportiert werden. Himmler
schrieb dem Oberkommando, da es dabei bleibe und Heydrich teilte dem
Regierungspr"sidenten mit, da die Juden nach Litzmannstadt k"men, und da
ferner eine Bestrafung meiner Person nicht erwogen werde, da ich Befehl hatte.
Aber wie gesagt, in Zukunft wurde mir nie wieder die Wahl zwischen einigen
Zielstationen berlassen, sondern sie wurden in der knappen milit"rischen Form,
wie das brige auch, befohlen. (am Rand Ziffer 37/

Ende Oktober bereits folgte solch ein n"chster Befehl, n"mlich 50.000 Juden aus
dem Gebiet des Grodeutschen Reiches einschlielich dem Protektorat B"hmen
und M"hren in die Gegend von Minsk und Riga zu schaffen. Die Akion sollte bis
Ende November abgeschlossen sein. /am Rand Ziffer 38/ Aber einmal begann sie
versp"tet und die Zahl betrug 30.000

/215/ AE: 147
Hier also wurden neben der Anzahl, Deportationsgebiete, und Termin innerhalb
welcher die Deportation durchgefhrt sein mu, auch das Aufnahmegebiet
genauest befohlen. Es war dies die zweite groe Evakuierungswelle aus dem
eigentlichen Reichsgebiet. Ich habe im Quellenverzeichnis auch ein Dokument
mit angefhrt, welches als Beweisstck der Anklage dem Gericht vorgelegt
wurde, und sich unter anderen mit dieser Deportation befat, aber ich mu dazu
sagen, da mich der Inhalt desselben befremdet, so wie ich es schon bemerkte, als
ich die Grndung des Theresienst"dter Ghettos behandelte. Denn erstens zeigt das
Dokument keinen Briefkopf auf, keine Buchnummer, kein Signum, keine
Unterschrift oder Dienstsiegel. Wer es geschrieben hat, ist also nicht ersichtlich.

Bei dieser Gelegenheit komme ich auf ein anderes merkwrdiges Dokument
zu sprechen. Das sogenannte ,Wetzel-Schreiben". Dr. Wetzel war
Amtsgerichtsrat. Er machte in den Jahren 1941 auf 1942 im Rosenberg'schen
Ostministerium Dienst, in einer juristischen Abteilung. Es existiert ein
Dokumentensatz, der folgendermaen aussieht:
Eins.) ein handschriftlicher Entwurf
Zwei.) ein maschinengeschriebener Klartext
Drei.) ein maschinengeschriebner Entwurf
Vier.) ein maschinengeschriebenes Schreiben an eine Dienststelle des
Ostministeriums.
Keines der vorgenannte Dokumente tr"gt eine Unterschrift oder Signum.

/216/ AE: 148
Der Briefentwurf, Entwurf und Klartext gehen zurck auf den handschriftlichen
Entwurf. Demzufolge h"tte Dr. Wetzel mit dem Oberdienstleiter Brack von der
,Kanzlei der Fhrers" verhandelt, wegen der Vergasung der Juden. Es steht nicht
so deutlich geschrieben, aber es ist der unmiverst"ndliche Sinn.
Es sind einige Wortlcken freigelassen, manche Wortreste nur angedeutet. Ich
wei nciht, wie das Original dieses Entwrufes aussieht, ich hatte nur eine nicht
immer deutliche Ablichtung vor mir. Aber unschwer ist unter dem
Vergr"erungsglas zu erkennen, da niemals mein Name und Dienstgrad, sowie
Dienststelle geschrieben sind, wie dies der Klartext dann pl"tzlich verzeichnet.
Ich habe es vor Gericht als ein einwandfreies Falsifikat, wenigstens soweit es
mich betrifft, bezeichnet und die Empfehlung anheimgestellt, das Original oder
die Ablichtung durch einen Fachmann untersuchen zu lassen. Abgesehen davon,
habe ich nie ber solche Dinge verhandelt.
Auf diese Art hatte sich die Literatur in den letzten 1 Jahrzehnten dieser Sache
angenommen und man konnte dann lesen wie: , Vorschlag Eichmann, Vergasung
der Juden, u.".m."
So also kommen M"rchen zustande. /der folgende Satz, einschlielich einiger
W"rter auf der neuen Seite, unleserlich gemacht/

/217/ AE: 149
Die israelische Polizei hat mir fairerweise diesen handschriftlichen Entwurf
ebenfalls vorgelegt; ohne diesen h"tte ich heute keine M"glichkeit gehabt, die
zwar nicht signierten, gesiegelten oder unterschriebenen Schreiben, welche eben
nur maschinengeschriebene Entwrfe darstellen, zu entkr"ftigen, insoweit es sich
um meine Person handelt. /am Rand Ziffer 39/
Es kann nicht anders sein, als da irgend jemand, lange ehvor die israelischen
Beh"rden diese Dokumente besaen - ich nehme an, in den ersten
Nachkriegsjahren - zu solch einer merkwrdigen Handlung schritt.

/die ersten 3 Zeilen des neuen Abschnitts gestrichen, noch lesbar: Heydrich hatte
bekanntlich durch G"ring im Juli 1941 die Vollmacht erhalten, die europ"ische
Judenfrage ,in einer den/

Heydrich hatte von G"ring den Auftrag, alle erforderlichen Vorbereitungen fr
eine Gesamtl"sung der Judenfrage, im deutschen Einflugebiet in Europa zu
treffen.
Als Auftakt plante er eine Besprechung mit allen Staatssekret"ren, der in Frage
kommenden Zentralinstanzen.
Himmler hatte zwar fr die besetzten russischen Gebiete gem" des Hitler-
Befehles, den ich aus Heydrichs Munde vernahm, die physische Vernichtung der
Juden bereits seit Monaten anlaufen lassen. Und eben hatte ein Spezialkommando
im Warthegau auch schon damit angefangen. Auch Globocnigg

/218/ AE: 150
bereitete, im Generalgouvernement die Vernichtung der Juden gem" der
Befehlsgebung Hitler-Himmler, vor.
Der Madagaskarplan war tot. Und am 20. Januar 1942 fand unter Heydrichs
Vorsitz im Geb"ude der ,Internationalen-Kriminalpolizeilichen-Kommission",
Am Groen Wannsee bei Berlin die Mehrmals verschobene Besprechung statt.
Ich hatte mit einer Stenotypistin das Protokoll zu erledigen, nachdem ich
schon Wochen vorher, Heydrich, das fr seine Rede ben"tigte zahlenm"ige
Unterlagenmaterial besorgen mute.
Der Staatssekret"r des Reichsinnenministeriums, Dr. Stuckart, der sonst so
vorsichtige und abw"gende Beamte, ging an diesem vormittag sehr forsch an das
Werk, indem er knapp und formlos erkl"rte, die ,Zwangssterilisierung" und die
gesetzlich noch zu erlassende Anordnung ,Mischehen sind geschieden", sei die
einzige L"sungsm"glichkeit des Mischehen- und Mischlingsproblems.
Auch Luther vom Ausw"rtigen Amt, der "uerst aktive Unterstaatssekret"r
Ribbentrops, brachte zu Heydrich(sic) Staunen seine Wunschliste vor, aus der die
Bedenkenlosigkeit des Ausw"rtigen Amtes, Deportationen aus den beeinfluten
L"ndern Europas durchzufhren, klar hervorging.

/219/ AE: 151
Der Staatssekret"r Bhler trug Sorge, man k"nne bei dieser Gelegenheit das
Generalgouvernement, in dessen Regierung er sa, stiefmtterlich behandeln und
bat darum, mit dem Generalgouvernement zu beginnen. Denn einmal seien die
Juden seines Gebietes als Seuchtr"ger zu bezeichnen und zum anderen stnden
weder arbeitseinsatzm"ige Grnde, noch Transportschwierigkeiten einer
Umsiedlung hindernd im Wege.
Es nahmen ferner teil, der Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes
SS-Gruppenfhrer Hoffmann, Gauleiter Dr. Meyer, der Pr"sident des
Volksgerichtshofes, damals als Staatssekret"r fr das Reichsjustizministerium, Dr.
Freisler, der bevollm"chtigte Vertreter der Parteikanzlei und andere mehr.
Seitens der Polizei waren auer Heydrich und Mller als Amtchef IV
des Reichssicherheitshauptamtes, noch die Befehlshaber der Sicherheitspolizei
und des SD, Dr. Sch"ngarth nd Dr. Lange vertreten.
Dachte Heydrich, durch eine wohlgesetzte Rede berzeugend wirken und wie die
Praxis es bislang zeigte, gegen allf"llige Bedenken und Vorbehalte Stellung
nehmen zu men, so konnte auf dieser Konferenz das gerade Gegenteilige
festgestellt werden. In seltener Einmtigkeit und freudiger Zustimmung, forderten
diese Staatssekret"re ein beschleunigtes Durchgreifen. Und es war die
sachbearbeitende, federfhrende Prominenz, welche sich zur Beschlufassung
hier versammelt hatte. Und ihre Entscheidungen waren endgltig,

/220/ AE: 152
denn sie waren von ihren Ministern und Chefs, bevollm"chtigt, nicht nur
bindendes Einverst"ndnis zu erkl"ren, sondern teilweise sogar, ber von Heydrich
Erhofftes, hinauszugehen. Und es wurde eine offene, unverblmte Sprache
gesprochen.
Wenn ich so, als Protokollant dieser seinerzeitigen Staatssekret"rbesprechung,
hier in Israel erstmalig die Aussagen der verschiedenen an dier Konferenz
teilgenommenen Gr"en studierte, die sie nach 1945, in eben derselben Sache von
sich gaben, und wenn ich ferner die Aussagen ihrer Chefs in jenen Zeiten lese,
dann mu ich nur sagen, da es ebenfalls zum Staunen ist, wie wenig Mut diese
ehemaligen Befehlsgeber, aufbrachten. Und solchen Kadetten hatte man
Gehorsam bis in den Tod geschworen!
Es waren in Wahrheit doch alles kleine, billige, armselige Geister ohne jeden
Charakter. Geister, denen lediglich das Lametta ihrer hohen Dienstgrade oder die
Durchschlagsm"glichkeit ihrer Dienststellung, in den Tagen ihres Glanzes, das
n"tige Auftreten und die Haltung verlieh. Aber h"tte ich dies alles schon damals
im Herbst 1939 erkannt, es h"tte mir solches ebenso wenig gentzt, wie auch
anderen. Die Zivilisten in den mtern, freilich, die

/221-222/ AE: 153
hatten es leichter Der Uniformtr"ger hatte nur zu gehorchen. /am Rand Ziffer 40/
Das Protokoll dieser Konferenz war lang, obgleich ich das Unwesentliche nicht
einmal hatte stenographieren lassen.
Heydrich arbeitete mit seinem Blaustift und lie zum Schlu nur noch einen
Extrakt gelten; den hatte ich zu bearbeiten und er wrude dann nach weiteren
mancherlei nderungen durch Heydrich, an die nichtsicherheitspolizeilichen
Teilnehmer der Konferenz, als ,Geheime Reichssache" zur Absendung gebracht.
Die von Stuckart abgegebenen Erkl"rungen, er pl"diere fr Zwangsscheidung und
Zwangssterilisierung waren neue Tatbest"nde, in einer Sch"rfe, wie sie selbst
Heydrich berraschen muten. Die Art und Weise der brokratischen Bearbeitung
im Hinblick auf die Detailregelung war noch unklar. Es wurde daher seitens der
Konferenzteilnehmer besprochen, da in Zeitkrze eine Besprechung der
Sachbearbeiter der zust"ndigen entralinstanzen in den R"umlichkeiten meines
Referates, in der Kurfrstenstrae 116, stattzufinden habe. Sie h"tte ebenso gut im
Amte II des Reichssicherheitshauptamtes /Zusatz von Seite gegenber: als die fr
juristische Dinge zust"ndige Dienststelle der Sicherheitspolizei - und wie die
okumente es zeigten, sich auch mit Judenangelegenheiten befate, die mit
Juristerei kaum oder schon gar ncihts mehr zu tun hatten - / stattfinden k"nnen;
obzwar sie in der Prinz-Albrechtstrae reichlich wenig Platz hatten. Die
Wannseekonferenz selbst wurde aus diesem Grunde auch nicht in der
Heydrich'schen Zentrale der Albrechtstrae abgehalten. Auerdem fanden in
jener Zeit umfangreiche Umbauten im Innern

/223/ AE: 154
des Hauses statt. Es war ja ein Haus mit hundert Winkeln und Ecken, noch aus der
alten Kaiserzeit stammend, und fr einen modernen Beh"rdenapparat kaum noch
geeignet. Den Dienstr"umen der Amtchefs, insonderheit aber denen des Chefs der
Sicherheitspolizei, wurden durch Innenarchitekten der Stil der neuen Zeit
aufgepr"gt. Ich fand ihn sch"n, weil er einfach und sauber war.
Diese Besprechungen h"tten ebenso gut aber auch im Innenministerium oder in
der Parteikanzlei, dem Auw"rtigen Amt, oder selbst wieder am Wannsee
stattfinden k"nnen. Warum Heydrich gerade meine Dienststelle dazu bestimmte,
wei ich nicht. Aber er bestimmte es jedenfalls so. Denn da ich sachlich nicht
damit befat worden bin, zeigt die erste diesbezgliche Sitzung am 6. M"rz 1942.
Weder ich, noch irgendeiner der Angeh"rigen meines Referates, hatte daran
teilgenommen. Das Besprechungsprotokoll mit der Anwesenheitsliste, zeigte dies
deutlich. Der fr diese Fragen zust"ndige Referent im Reichsministerium des
Innern, Regierungsrat Dr. Fledscher erl"uterte im einzelnen die Meinung seines
Staatssekret"rs, bezglich seines am 20. Januar gemachten Vorschlages.
Es war eine reine Angelegenheit der Juristen des Innenministerium, der
Parteikanzlei, des Ausw"rtigen Amtes, der Reichskanzlei, des Rassepolitischen
Amtes der NSDAP, des Rasse und

/224/ AE: 155
Siedlungshauptamtes, des Amtes II des Reichssicherheitshauptamtes, des
Propagandaministeriums und der anderen zentralen Beh"rden.
Diese Besprechung endete mit dem Einverst"ndnis aller Anwesenden, jedoch
Beschle wurden nicht gefat, da die Teilnehmer ja nur Referenten, ohne
Entscheidungsbefugnisse waren.
Am 27. Oktober des gleichen Jahres fand eine weitere Besprechung statt, mit
ungef"hr demselben Teilnehmerkreis. Diesmal war auch ich zugegen und mit mir,
einige Herren meines Referates. Auch anl"lich dieser Besprechung wurde
lediglich geredet; gel"st wurde ichts. Die Protokolle zeigen es einwandfrei auf.
Es war und blieb auch jetzt eine Angelegenheit der Juristen. Mein Dezernat hatte
den brokratischen Kram der Protokollerstellung und der Einladung zu besorgen.
Es ist auch ganz klar; Aufgabe der Polizei ist es nicht, Erkenntnisse zu geb"ren,
oder Sterilisationsmanahmen durchzufhren, auch nit den Gesetzestext im
Hinblick auf Zwangsscheidung zu erbrten. Dies ist Aufgabe der zust"ndigen
Ministerien, der verschiedenen zentralen Beh"rden und mter. Niemals aber
Angelegenheit der Polizei.
Auch in dieser Konferenz, /2 Zeilen einschlielich eines Wortes auf der folgenden
Seite unleserlich gemacht/

/225/ AE: 156
wurden die Ergebnisse der Planung der Staatssekret"re weder ge"ndert, noch
weiterentwickelt.
Das Ergebnis auch dieser Konferenz war nicht die Anordnung der Durchfhrung
der geplanten Manahmen. Es kam berhaupt nie dazu. Es hatte sich irgendwie
totgelaufen. Auch war ich weder mit der Planung noch mit der Durchfhrung von
Sterilisationsmanahmen befasst; es wurden auch keine Manahmen zur
Geburtenverhinderung festgelegt. Das Protokoll selbst l"t darber hinaus
keinerlei Schlu zu, da beispielsweise ich aktiv an dieser Besprechung
teilgenommen h"tte. /am Rand Ziffer 41/
/anderthalb Zeilen unleserlich gemacht/
Ich lese in Reitlingers ,Endl"sung", im siebenten Kapitel, auf Seite 195: ,.
Tats"chlich hat sich in diesem Allerheiligsten der Endl"sung - wo nicht einmal
die Gestapo ohne Bewilligung Zutritt hatte - ein Zusammensto zwischen den
Zivilisten und der SS zugetragen. Gottfried Boley, der Hans Lammers und die
Reichskanzlei vertrat, erkl"rte in Nrnberg, da einige der Anwesenden dem
Machtanspruch der Gestapo entgegentraten, besonders als einer von Eichmanns
Bluthunden ausgeplaudert hatte, da die Gestapo Verzeichnisse der Halbjuden
fhre, um sie des heimlichen Abh"rens von feindlichen Rundfunksendungen und
"hnlicher Dinge beschuldigen zu k"nnen." (Reitlingers Quellen: Prozess XI No
2419, XI NG 2586-J und No 2419 Affidavit Gottfried Boley)
Ich kann dazu nur sagen,
/226/ AE: 157
da bei den Besprechungen stets gr"te Einigkeit herrschte. Bezglich der ersten
Sitzung wei ich es nicht aus eigener Erfahrung, bestimmt aber im Hinblick auf
die zweite Konferenz. Und man kann es mir auf das Wort glauben, da wenn es
zu einem Zusammensto auf meiner Dienststelle zwischen den beteiligten
Instanzen gekommen w"re, ich das Recht des ,Hausherren" in Anspruch
genommen haben wrde, die Ordnung h"tte ich sicher sofort wieder hergestellt.
Aber nichts, rein gar nichts derartiges passierte.
Und als weiteren Beweis dafr, da Herr Boley offensichtlich nur ein flotter
Erz"hler war, noch dieses:
Ein Legationsrat vom Ausw"rtigen Amt schrieb an das
Reichssicherheitshauptamt, zu meinen H"nden, oder Vertreter im Amt, am 17.
Februar 1943, also 3 Monate sp"ter, ich mochte eine listenm"ige Erfassung
der im Deutschen Machtbereich ans"igen fremden Staatsangeh"rigen ,jdischer
Rasse" vornehmen.
Darauf teilte ich ihm am 24. Februar fernmndldich mit: ,da es mir nicht
m"glich ist, der vorgetragenen Bitte des Ausw"rtigen Amtes zu entsprechen, da
die listenm"ige Erfassung dieser Personen nicht kriegsentscheidend sei, und ich
daher kein Personal fr diese Arbeiten abstellen kann."
Am 26. Februar kam ein weiterer Brief des Ausw"rtigen Amtes an meine
Dienstbeh"rde, in der(sic) es u.a. heit:

/227-228/ AE: 158
,. Die von Ihnen mndlich vorgetragenen Argumente erscheinen daher zur
Begrndung der Ablehnung der vom Ausw"rtigen Amt vorgetragenen Bitte nicht
ausreichend." /am Rand Ziffer 42/
/ein paar W"rter gestrichen, ersetzt durch Text von Seite gegenber: Das
Ausw"rtige Amt hatte also, wie man sieht das Recht und die Befugnisse/ der
Polizei ohne weiteres solche Auflagen zu machen; und es erhellt dies auch ein
weiteres Schreiben des Ausw"rtigen Amtes vom 27. Februar 1943 an seine
Dienststelle in Brssel mit: ,. Das Ausw"rtige Amt teilt dem
Reichssicherheitshauptamt jeweils mit, wenn gegen die Anwendung der
allgemeinen Judenmanahmen auf fremde Staatsangeh"rige keine Bedenken
bestehen. Dies ist hinsichtlich der italienischen Juden noch nicht geschehen. Es ist
jedoch nach Ablauf des 31. M"rz hiermit zu rechnen." /am Rand Ziffer 43/
Ich hatte eigentlich vorgehabt, diese Schreiben des Ausw"rtigen Amtes erst sp"ter
zu behandeln, aber durch die Boley'sche Aussage - auf die ich gleich wieder
zurckkommen werde - nahm ich sie jetzt schon vor und mu damit gleich noch
eine andere Urkunde besprechen, auf die man in anbetracht der Tatsache, da ich
zehn Jahre in Argentinien lebte, groe Bedeutung legte. Es ist ein von mir ,im
Auftrage" unterschriebenes Fernschreiben vom 27. Januar 1944, herausgegeben
als Runderla, mit der Weisung, alle Juden argentinischer Staatsangeh"rigkeit
festzunehmen und sie in das Interniertenlager Bergen-Belsen (nicht

/229-230/ AE: 159
zu verwechseln mit dem Konzentrationslager Bergen-Belsen) zu berfhren.
Ich wei nicht, wann Argentinien damals Deutschland den Krieg
erkl"rte, es ist auch v"llig unwichtig, obzwar ich glaube, da sie diese Manahme
ausl"ste. Ich habe dazu den Befehl gehabt, eine solche Weisung, ,im Auftrage"
ausgehen zu lassen. Aber was wichtig in diesem Zusammenhang ist, da solches
auch nicht mein Amtchef, oder der Chef der Sicherheitspolizei und des SD,
anordnen konnte, sondern das Ausw"rtige Amt, wie solches dessen angefhrtes
Schreiben vom 27. Februar 1943, einwandfrei best"tigt. /am Rand Ziffer 44/
/Zusatz von Seite gegenber: Man sieht also, da es richtig ist, wenn ich sagte, die
Polizei selbst hat nichts zu ,geb"ren", sondern sie bekam von den Ministerien ihre
Weisungen./
Und um auf die Boley'sche Erz"hlung zurckzukommen: Wenn also dem
Ausw"rtigen Amt solche Schwierigkeiten bereitet werden muten gezglich der
Anlegung von Listen bestimmter Judenkategorien, dann wird man es mir wohl
glauben, da wir 3 Monate vorher, also zur Zeit der Herbstkonferenz ganz
bestimmt keine Verzeichnisse der Halbjuden gehabt haben k"nnen.
Es wurde eben damals in Nrnberg recht viel geschw"tzt, was den Tatsachen
nicht entsprach. /weiterer Zusatz von der Seite gegenber: Der Legationsrat Dr.
Grell best"tigte dies auch noch im Jahre 1961, in einer Zeugenaussage in
Deutschland./ Nun gut, Boley war auch kein Befehlsgeber. Wer will es ihm
verbeln. Dokumente lagen um jene Zeit kaum vor. Also konnte man munter
drauf los reden.

/231-232/ AE: 160
/gleich oben auf der Seite Zusatz von gegenber, Seite 160a:
Richtig ist, da wenn Einzelerhebungen befohlen wurden, diese auch
polizeilicherseits durchgefhrt wurden. Und wenn solche von besonderer
,Reichswichtigkeit" waren, hatte diese Eruierungst"tigkeit auch vom Referat des
Richssicherheitshauptamtes gefhrt zu werden. Ich erinnere mich noch der vielen
Arbeit, welche ich mit einer ganz besonders geheim zu haltenden
Ermittlungst"tigkeit hatte, n"mlich die Abstammung der ,Di"tk"chin des
Fhrers", zu bearbeiten. ,Mit gr"ter Beschleunigung unter Beteiligung eines
m"glichst geringsten Personenkreises" so lautete der Befehl.
Das Ende vom Lied war, da die Di"tk"chin, nach den Nrnbergergesetzen,
,zweiunddreiigstel" Jdin war.
Das war damals dermaen aufregend, da mein Chef s"mtliche in dieser
Angelegenheit angelaufenen Akten, samt Nebenakten von mir verlangte. Ich habe
nie mehr etwas darber geh"rt. Nur das eine, da Hitler kurz vor seinem Tode
seine ,Di"tk"chin" ehelichte. Es war Eva Braun./
Und weil ich schon dabei bin, Aufkl"rungen zu geben noch dieses: Die
Bemerkung Reitlingers ,. wo nicht einmal die Gestapo ohne besondere
Bewilligung Zutritt hatte...""stammt auch aus Zeugenaussagen aus der Zeit, kurz
nach dem Kriege, wo einige "ngstliche Herren glaubten, sich mit solchen
Hinweisen eine Art Alibi zu verschaffen. Ich kann dazu nur bemerken, da wenn
Herren wie Boley, einer der ,Teilnehmer von elf Ministerien und
mter"(Reitlinger ,Endl"sung" Seite 195) Zutritt hatten, diesen auch alle
Angeh"rigen der Sicherheitspolizei haben muten, ja darber hinaus kamen ja im
Rahmen des allgemeinen Parteienverkehrs alle m"glichen Personen zu
Vorsprachen und Auskunftseinholung, egal ob es der damalige Pfarrer Grber war,
der heutige Probst zu Berlin, der solches selbst noch w"hrend des Prozesses gegen
mich hier in Israel als Zeuge der Anklage best"tigte, da er auf meiner
Dienststelle zwecks Interventionen war, oder die hunderte und aberhunderte von
anderen Personen, Juden und Nichtjuden. Ich kann ruhig sagen Tausende m"gen
es in all den Jahren gewesen sein. Von den Reisepaantragstellern zwecks
auswanderung ganz zu schweigen, denn dieses h"rte im Oktober 1941 auf, weil
Himmler das Verbot der Judenauswanderung erlassen hatte.
Aber man kann sich dieserhalb ja auch beim damaligen evangelischen
Oberkirchenrat oder

/233/ AE: 161
bei dem ,st"ndigen Gesch"ftsfhrer der Fuldaer Bischofskonferenz" erkundigen,
der h"ufig bei mir vorsprach. Er war damals im Bischofsrang. Ferner beweisen
hier als Dokumente vorliegende Gesch"ftsverteilungspl"ne, da ich ab einer
gewissen Zeit nicht einmal mehr mit meinem Referat alleine in dem
Dienstgeb"ude in der Kurfrstenstrae untergebracht war, sondern zwei weitere
Referate, mit denen ich nichts zu tun hatte, dort ebenfalls eingewiesen wurden.
/am Rand Ziffer 45/
Also, wie man sieht, es wurde wirklich das Blaue vom Himmel herunter
geschw"tzt; und wollte ich alles, was die Publizistik an derartigem Kohl fr bare
Mnze nahm, aufkl"rend bearbeiten, dann mte ich einige Sekret"re zur
Verfgung haben.
Zu den staatspolizeilichen T"tigkeiten des Amtes IV, des
Reichssicherheitshauptamtes, ganz besonders aber mein Referat betreffend, mu
ich generell feststellen, da das Erkennen wer zu behandeln ist und was zu
unternehmen ist, nicht seitens des Amtes IV fixiert wurde. Soweit es sich um
Volkstums- oder Rassefragen handelte, waren dies innerhalb der
Sicherheitspolizei und des SD, vornehmlich das Amt III, unter Umst"nden
gegebenenfalls auch das Amt VII; ferner das Rassepolitische Amt der NSDAP,
das Rasse und Siedlungshauptamt, das Reichsinnenministerium das Ausw"rtige

/234/ AE: 162
Amt, die Parteikanzlei, die Reichskanzlei, der Reichsfhrer SS, und viele andere
mehr. Hier wurde alles federfhrend bedacht, besprochen, aufgestellt, genehmigt;
von den Chefs der zentralen Instanzen verabschiedet unter Beteiligung aller daran
interessierten Stellen, um dann als Weisugnen, Richtlinien und Verordnungen,
dem Amte IV des Reichssicherheitshauptamtes, zur polizeilichen Durchfhrung
zugeleitet.
Wie in allen L"ndern, so hatte auch in Deutschland die Polizei diesbezglich nicht
aus sich heraus entscheidend zu bestimmen, sondern sie hatte ihre Weisungen und
Befehle, denen gem" sie verfahren mute.
Ich mae mir mangels Durchschau nicht an, hier fr das ganze Geheime
Staatspolizeiamt zu sprechen; insoweit aber es sich um meine ehemalige T"tigkeit
in diesem Amte handelt, und bezglich des Sektors, den ich zu bearbeiten hatte,
kann ich dies um so bestimmter tun. Etwa eintausendsechshundert Dokumente,
welche mir in Israel vorgelegt wurden, zu denen ich Stellung hame und die zu
einem groen Teil dem Gericht als Beweisstcke, sowohl seitens der Anklage, als
auch druch die Verteitigung(sic) eingebracht wurden, erh"rten diese meine
Feststellung, ohne jeden Zweifel.

/235/ AE: 163
Im Frhjahr 1942 erhielt ich von meinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem
Generalleutnant der Polizei, Mller den Befehl nach Auschwitz zu fahren und ihm
ber das Vorgehen des Kommandanten des Konzentationslagers Auschwitz,
gegen die Juden, zu berichten. -
H", der Kommandant sagte mir, da er mit Blaus"ure, t"te. Runde Pappfilze
waren mit diesem Giftstoff getr"nkt und wurden in die R"ume geworfen, worin
die Juden versammelt wurden. Dieses Gift wirkte sofort t"tlich.
Die Leichen verbrannte er auf einem Eisenrost, im Freien.
Er fhrte mich zu einer flachen Grube, worin eine groe Anzahl von Leichen
gerade verbrannt wurden.
Es war ein grauenhaftes Bild, da(sic) sich mir darbot. Nur durch dem(sic)
Rausch und die gewaltigen Flammen gemildert.
Er bentzte zur Verbrennung irgend ein l.
Ich nehme davon Abstand, auch hier wiederum meine damaligen Gedanken und
berlegungen zu schildern, den(sic) einmal m"chte ich nicht einen allf"lligen
Vorwurf h"ren, da es im Nachhinein billig w"re, dieserhalb
Konstruktionsversuche zu machen und zum anderen hatten ja meine
Versetzungsgesuche keinerlei Erfolg, so da mir in diesen Dingen ein
Beweisantreten nicht leicht ist. Wenngleich

/236-237/ AE: 164
mir meine Verteitigung(sic) mitteilte, da der Zeuge Dr. St"ttel in sterreich, sich
dessen gut entseinne, da ich dauernd um Versetzung zur allgemeinen
Polizeiverwaltung nachsuchte.
So war es auch.
/Weiterer Abschnitt auf Seite gegenber, gestrichen, aber noch lesbar: Und zum
dritten nehme ich an dieser Stelle deswegen jetzt keine weitere Stellung, da ich an
einem anderen Punkt meiner Betrachtungen auf das Grunds"tliche der Sache noch
zu sprechen komme./
Erb"rmlich sind die Unwahrheiten, welche H" ber mich nach 1945 aussagte.
Aber sie sind als solche, zum Teil durch seine eigenen Aussagen, da er an anderer
Stelle, anders berichtete, leicht zu erkennen, macht man sich die Mhe seine
Aussagen zu studieren, dazu die Literatur und die Dokumente als
Vergleichsmaterial bentzend.
So sagte H" beispielsweise, ich w"re bereits im Juni 1941, kurz nach dem
Besuch Himmlers in Auschwitz, bei ihm gewesen, und von mir habe er alle
Einzelheiten ber die T"tungsm"glichkeiten erfahren. Er spricht, da ich ihm ber
das Vergasen mittels Auspuffgase gesprochen habe. Aber da es eine solche
M"glichkeit berhaupt gibt bzw., eine solche in den K"pfen /mehrfach korrigiert,
schlielich auf Seite gegenber verdeutlich: einiger/ SS u. Poliezi enerale
schwirtte, erfuhr ich selbst ja zum erstenmal im Sp"therbst 1941, als ich bei dem
damaligen Generalmajor der Polizei Globocnigg war, der dem General der Polizei
und der Waffen SS Krger, unmittelbar unterstellt gewesen ist. Wenn H" weiter
sagt, da ich ihm Einzelheiten ber die Deportationspl"ne mitgeteilt h"tte; dann
kann solches

/238-239/ AE: 165
allerfrhestens um den 20. 3. 1942 gewesen sein, denn um diese Zeit genehmigte
der Staatssekret"r Weizs"cker /Schreibung des Namens auf Seite gegenber
verdeutlicht/ im Ausw"rtigen Amt zum ersten mal Deportationen aus Frankreich.
Freilich hatte der deutsche Botschafter in Paris, Abetz, dieserhalb bei Hitler und
Himmler, vorgebohrt gehabt; aber davon erfuhr auch ich erst im Sp"therbst 1941,
zum ersten mal. Der erste Deportationsbefehl aus dem Westen, also aus
Frankreich und Belgien und Holland, gr"ere Kontingente betreffend, den
Himmler ber den Amtchef IV erteilte, lag in meinem Referat erst kurz vor dem
Juni 1942 vor.
H" hatte die ersten Versuchsvergasungen in Auschwitz aber bereits am 23. Sept.
1941 gemacht, wie aus seinen eigenen Aussagen hervorgeht. Als ich zum ersten
mal nach Auschwitz kam, lief die Vergasung bereits. H" verbrannte die Leichen
auf Eisenrosten. Und eben darber was H" treibt hatte ich Mller ja zu berichten;
dies war ja der Grund, warum er mit den Befehl gab, nach Auschwitz zu fahren.
Nach eigener Aussage hatte H" aber mit dem Verbrennen auf Eisenrosten erst im
Sommer 1942 begonnen.
Er erw"hnt dann ferner, ich h"tte ihm gegenber von Erschieungen im Osten
gesprochen. Solches aber hatte ich

/240/ AE: 166
zum erstenmal im Winter 1941/42 erlebt.
Ich selbst entsinne mich noch, in Auschwitz blhende Blumen in G"rten, gesehen
zu haben. Es mu also Hochfrhjahrszeit gewesen sein.
H" hat sich um ein ganzes Kalenderjahr, bezglich meines ersten Besuches -
gelinde gesagt - geirrt.
Mller hat mir keinerlei Befehle bergeben, die ich ihm etwa h"tte berbringen
sollen. Auch keine andere Person gab mir solche oder "hnliche anweisungen.
Ich selbst habe ihm nie einen Vorschlag ber die technische Durchfhrung einer
Vergasung gemacht; im Gegenteil, ich war heilfroh, wenn ich von solchen Sachen
nichts h"ren und sehen brauchte.
Ich hatte weiter nichts mit diesen Dingen zu tun, als jene elenden Befehle
auszufhren, die mir mein Chef erteilte, weil er ber alle diese Manahmen
pr"zise informiert sein wollte.
H" unterstand auch nicht dem Reichssicherheitshauptamt, sondern - wie die
Dokumente es haarscharf beweisen - den SS-Verwaltungs- und
Wirtschaftshauptamt. Er bezog daher auch von dort seine Befehle.
Seine unmittelbaren Vorgesetzten waren der SS-Obergruppenfhrer und

/241-242/ AE: 167
General der Waffen SS, Pohl und der SS-Gruppenfhrer und Generalleutnant der
Waffen SS, Glcks.
Im brigen wurde durch Aussagen von Zeugen, wie auch durch eigene Erkl"rung
des Dr. Sigmund Rascher, Leiter der "rztlichen Experimente der Luftwaffe, einem
englischen Hauptmann Payne-Best gegenber von Rascher zugegeben, da er die
Gaskammern erfunden habe, und solches in Auschwitz vorlegte.
H"tte ich dieserhalb ach nur im Geringsten mich seinerzeit gewissermaen
mitarbeitend bemerkbar gemacht, dann w"re es mehr als sicher, da ich von
vielen anderen Personen diesbezglich in den Prozessen nach 1945, genannt
worden w"re. Es blieb H" und zum Tiel Wisliceny vorbehalten, sich solcher
unwahrer Behauptungen, auf diesem Gebiete, zu bedienen. /am Rand Ziffer 46/
Dabei bentte H" zur besseren Glaubwrdigkeit, Untermalungen aus meinem
privaten Leben, beziehungsweise Erl"uterungen ber meine Einstellung,
Charkter(sic) und dergleichen.
Ganz allgemein gesagt, er versuchte hier die Verantwortung fr die Geschehnisse
von dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, dem er angeh"rte, auf die
Diensthstellen des Chers der Sicherheitspolizei und des SD, zu verlagern und
bediente sich hierbei insonderheit meiner Person.
/Zusatz von Seite gegenber: Es ist ein Unfug, ein SS-Hauptamt gegen das andere
ausspielen zu wollen. Natrlich habe ich selbst heute licht reden, denn ich brauche
mich ja nur auf die Unzahl der zur Verfgung stehenden Dokumente berufen.
Heute gewinnt man diesbezglich ein klareres Bild, als in den Jahren 1945 bis
1948/
Es erhebt sich letztlich noch die Frage, warum Mller mich, einen

/243/ AE: 168
seiner Referenten, fr diese Reisen aussuchte und sie nicht selbst unternahm. Nun,
dies mag einmal daran gelegen haben, da Mller sich kaum von seinem berliner
Bro fortbegab. Er sa wie die Spinne im Netz und die St"rke seiner Stellung
beruhte vor allen Dingen darauf, da er ber alles und jedes, bestens informiert
war. Zum anderen aber h"tte es wie eine Einmischung des
Reeichssicherheitshauptamtes in die Angelegenheiten des SS-Wirtschafts- und
Verwaltungshauptamtes ausgesehen, h"tte er als Amtchef des RSHA, diese
Fahrten selbst gemacht. -

Die Auswirkungen der Wannseekonferenz, oder wie sie damals amtlich nie, der
Staatssekret"rbesprechung am Wannsee, auf die besetzten oder beeinfluten
Gebiete in West-, Sd- und Nordeuropa, schilder der zweite Teil dieser Arbeit.
Aus dem Reichsgebiet ausschlielich dem Protektorat B"hmen und M"hren,
muten die Deportationen, gem" der Himmler'schen Befehlsgebung, jetzt mit
gr"ter Beschleunigung durchgefhrt werden.
Im Generalgouvernement, besorgten dies die "rtlichen Beh"rden der Regierung
des Generalgouverneurs.
Waren Schwierigkeiten mit dem Reichsverkehrsministerium zu verzeichnen,
da(sic) infolge Waggonmangel oft nur schwer oder gar-

/244-245/ AE: 169
nicht nachkommen konnte dann setzte Himmler, seinen Feldadjutanten und Chef
des Pers"nlichen Stabes den General der Waffen SS Wolff in Marsch, diese
Angelegenheiten mit dem Staatssekret"r im Reichsverkehrsministerium Dr.
Ganzenmller, zu erledigen.
In einem Schreiben Ganzenmllers an Wolff vom 28. 7. 1942 heit es:
,Unter Bezugnahme auf unser Ferngespr"ch vom 16. Juli, teile ich Ihnen folgende
Meldung meiner Generaldirektion der Ostbahnen (Gedob /Schreibung auf Seite
gegenber verdeutlicht/) in Krakau zu Ihrer gef"lligen Unterrichtung mit:
Seit dem 22. 7. f"hrt t"glich ein Zug, mit je 5000 Juden von Warschau ber
Malkimia nach Treblinka, auerdem w"chentlich ein Zug mit 5.000 Juden von
Przemysl nach Belzek. Gedob steht in st"ndiger Fhlung mit dem
Sicherheitsdienst in Krakau. Dieser ist damit einverstanden, da die Transporte
von Warschau ber Lublin anch Sobibor /Schreibung auf Seite gegenber
verdeutlicht/ (bei Lublin) solange ruhen, wie die Umbauarbeiten auf dieser
Strecke, die Transporte unm"glich machen (ungef"hr Oktober 1942).
Die Zge wurden mit dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei im
Generalgouvernement vereinbart. SS- und Polizeifhrer des Distrikts Lublin, SS-
Brigadefhrer Globocnigg, ist verst"ndigt."

Darauf antwortete Wolff am 3. August 1942,

/246/ AE: 170
an Ganzenmller:
,Fr Ihr Schreiben vom 28. Juli 1942 danke ich Ihnen - auch im Namen des
Reichsfhrers - herzlich. Mit besonderer Freude habe ich von Ihrer Mitteilung
Kenntnis genommen, da nun schon seit 14 Tagen t"glich ein Zug mit je 5000
Angeh"rigen des auserw"hlten Volkes nach Treblinka fhrt und wir doch auf
diese Weise in die Lage versetzt sind, diese Bev"lkerungsbewegung in einem
beschleunigtem(sic) Tempo durchzufhren. Ich habe von mir aus mit den
beteiligten Stellen Fhlung aufgenommen, so da eine reibunslose Durchfhrung
der gesamten Manahmen gew"hrleistet erscheint. Ich danke Ihnen nochmals fr
die Bemhungen in dieser Angelegenheit und darf Sie gleichzeitig bitten, diesen
Dingen auch weiterhin Ihre Beachtung zu schenken." /am Rand Ziffer 47/
In Treblinka und Belzek hatte Globocnigg auf Befehl Himmlers und Krgers,
Vergasungslager errichtet. Solche und "hnliche Dokumente waren freilich in den
ersten Zeiten der Nachkriegsprozesse nicht immer gleich zur Hand. Daher konnte
man isch in Nrnberg getrost auf mich ausreden. Heute ist solches nicht mehr
m"glich. Diese beiden Dokumente sind in Himmlers eigenem Kommadostab
aufgefunden worden. Denn das Schreiben Ganzenmllers ist das
Originalschreiben, w"hrend die

/247/ AE: 171
Wolff'sche Antwort darauf ein von diesem signierter Durchschlag des Schreibens
an Ganzenmller ist. -
Alles Grunds"tzliche wurde h"eren Ortes ausgearbeitet; und tauchten selbst bei
untergeordneteren Arbeiten einmal Schwierigkeiten auf, sofort wurden diese von
den Befehlsgebern selbst unmittelbar untereinander, und pers"nlich behoben.
Nur nach 1945, da schob man solches fleiig auf die seinerzeitigen
Befehlsempf"nger, da atten die ehemaligen Chefs mit solchen Fragen
selbstverst"ndlich gar nichts zu tun, und sie wuten berhaupt von solchen
Dingen nicht das Geringste. ,Nachher sollte es sich um einen Schimmel und nicht
um einen Rappen gehandelt haben."
Im M"rz 1942 klate das Reichsverkehrsministerium ber Unzutr"glichkeiten, bei
der Benutzung der rtlichen Verkehrmittel, durch Juden. Es befate sich mit einer
Neuregelung betreffend der Benutzung der Verkehrsmittel durch Juden, und
beabsichtigte diese den Beh"rden seines Bereiches bekannt zu geben, womit der
Chef der Sicherheitspolizei und des SD, einverstanden war. Es bedeutete dies eine
weitere Einschr"nkung, im Vergleich zu einigen bereits herausgegebenen Erlaen.
Zur einheitlichen Linienwahrung mute nunmehr ein allgemeiner
Polizeirunderla folgen. Hier hatte mein Dezernat die Wnsche des
Reichsverkehrsministerium und des Reichspostministeriums entgegen-

/248-249/ AE: 172
zu nehmen und Heydrich unterzeichnete dann am 24. M"rz 1942 den
Erg"nzungserla. /am Rand Ziffer 48/
/Zusatz von Seite gegenber: berall im damaligen deutschen Machtbereich
herrschte im Jahre 1942 gewissermaen Hochbetrieb. Rckschauend k"nnte man
fast in Versuchung geraten zu sagen, es wre wie bei einem Bauern gewesen, der
Grobes Wetter ahnend noch schnell seine Ernte unter Dach und Fach zu bringen,
sich bemht.
Dazu kam der Tod Heydrichs Anfang Juni 1942 als Folge eines Bombenattentates
auf ihn, der die Reichsspitzen in einer bisher ungeahnten Aktivit"t, auf dem
Gebiet der Deportierungen und sonstiger Endl"sungsmanahmen zeigte.
Hitler, goebbels, Himmler, das ausw"rtige Amt, die Gauleiter, die Staatssekret"re
fr das Sicherheitswesen, die Parteikanzlei und wie die befehlenden Zentralen alle
heien haben m"gen, legten eine unerh"rte Durchschlagskraft und ein fanatisches
Wollen, mit pers"nlicher Detailanordnung und laufenden h"chstpers"nlichen
Kontrollen an den Tag. - /

Auf Grund eines Erlaes Hitlers vom 7. Oktober 1942, dem eine Weisung Hitlers
vom 18. August voranging, wurde Himmler die verantwortliche Fhrung der
Partisanenbek"mpfung im Generalgouvernement bertragen.
Im Zuge der Erledigung dieser Aufgabe erlie Himmler folgende Anordnung:
,Die Kreishauptmannschaft Zamosc wird zum ersten deutschen Siedlungsbereich
im Generalgouvernement erkl"rt.
Der Bereich soll die neue gesicherte Heimat werden fr
Eins.) Umsiedler aus Bosnien;
Zwei.) Gef"hrdete volksdeutsche Umsiedler aus den besetzten Ostgebieten;
Drei.) Volksdeutsche und Deutschst"mmige aus dem brigen
Generalgouvernement, die zur Behebung ihrer jetzigen Notlage, aus
sicherheitspolizeilichen Grnden in diesen Bereich umgesiedelt werden men.
Vier.) Sonstige Umsiedlergruppen.
Die Gesamtleitung bei der Durchfhrung dieser Aufgabe liegt in den H"nden
meines Vertreters im Generalgouvernement, des H"heren SS- u. Polizeifhrers im
Generalgouvernement, Staatssekret"r fr das Sicherheitswesen, SS-
Obergruppenfhrer und General der Polizei, Krger,

/250/ AE: 173

in Zusammenarbeit mit meinen Haupt"mtern.
Die notwenigen Aussiedlungen von Polen aus dem Bereich fhrt mein Vertreter
im Generalgouvernement in seiner Eigenschaft als Staatssekret"r fr das
Sicherheitswesen durch.
Am 11. Oktober informiert der Leiter der Umwandererzentralstelle Litzmannstadt,
die in Zamosc eine Nebenstelle gem" dem Befehl Himmlers eingerichtet hatte
und fr die Dauer ihrer T"tigkeit dem H"heren SS- u. Polizeifhrer im
Generalgouvernement unterstellt war, meinen Vertreter in meinem Referat in
einem Erfahrungsbericht ber die, durch das Rasse- und Siedlungshauptamt
vorgenommene, Einteilung der zu deportierenden Polen in Wertungsgruppen.
Gem" einem Befehl Himmlers vom 3. Oktober und einem weiteren vom Anfang
November, wurde bestimmt, da die zur Wertungsgruppe I und II, durch das
Rasse- u. Siedlungshauptamt eingestuften Polen, durch eine Auenstelle dieses
Hauptamtes in Litzmannstadt zur Eindeutschung zu gelangen haben. Die
arbeitsf"higen Angeh"rigen der Wertungsgruppe III, wurden nach Berlin
verbracht, um dort die in der Rstungsindustrie besch"ftigten Juden abzul"sen
und die arbeitsf"higen Angeh"rigen der Wertungsgruppe IV, wurden in das
Konzentrationslager Auschwitz abbef"rdert. Die zu den Wertungsgruppen IIII
und IV geh"renden Altersgruppen bis zu 14 Jahren und ab 60 Jahre und die
Nichtarbeitsf"higen der Gruppen wurden im Generalgouvernement in sogenannte
,Rentend"rfer" untergebracht und zwar

/251/ AE: 174

in den Distrikten Warschau und Radom. Sie erhielten dort pro Familie Wohnung
und je Famalie(sic) Hektar Land zugeteilt. Himmler hatte zuerst die
Altersgrenze der zu Evakuierenden von 10 bis 60 Jahre festgelegt, lie sich aber
dann durch den Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes Mller, berzeugen,
da das Alter von 10 auf 14 Jahre hinaufgelegt werden me.
Das von mir geleitete Referat hatte bei diesen Aktionen den Befehl erhalten fr
die, gem" den bestehenden Anweisungen nach Berlin und nach auschwitz zu
deportierenden Polen, beim Reichsverkehrsministerium die
Fahrplanangelegenheiten zu erledigen. Durch die ,Rasse- u. Siedlungshaupt-
Wertungsgruppen III und IV, ergaben sich die Zahlen und damit die Anzahl der
Transportzge. Die Bestimmung der zu deportierenden Personengruppen und die
Zielbestimmung der Deportation lag nicht bei meinem Referat, ebensowenig der
Pransport selbst oder die bergabe. /am Rand Ziffer 49/
Himmler pers"nlich gab, wie blich, so auch hier, bis in Einzelheiten hinab, selbst
Anweisungen, an die in Frage kommenden Beh"rden.
-----------
Auf Befehl Heydrichs muten im M"rz 1942 weitere 55.000 Juden aus dem
Altreich und dem Protektorat B"hmen und M"hren sowie aus der Ostmark
deportiert werden. Es ist ein Dokument der Staatspolizeistelle Dsseldorf ber
eine diesbezglich in meinem Referat stattgefundene Besprechung erhalten
geblieben. Ich hatte Befehl den Besprechungsteil-

/252-253/ AE: 175

nehmern zu er"ffnen, da SS-Gruppenfhrer Heydrich die Leiter der
Staatspolizeistellen pers"nlich fr die Durchfhrung der Richtlinien
verantwortlich mache.
Des weiteren hatte ich ihnen mitzuteilen: ,Damit einzelnen Stapostellen der
Versuchung, ihnen unbequeme "ltere Juden mit abzuschieben, nicht weiter
ausgesetzt sind, sei zur Beruhigung gesagt, da diese im Altreich verbleibenden
Juden h"chstwahrscheinlich schon im Laufe dieses Sommers bzw. Herbstes nach
Theresienstadt abgeschoben wrden, da als Altersghetto vorgesehen sei. Diese
Stadt wrde jetzt ger"umt und es k"nnten vorl"ufig schon 15-20.000 Juden aus
dem Protektorat dorthin bersiedeln. Dies geschieht, um nach auen das Gsciht zu
wahren".
/Zusatz von Seite gegenber: Es war eine der von Himmler befohlenen
Tarnungsvorschriften. Und wenn nach 1945 verschieden ,Zeugen" behaupteten,
da ich es gewesen w"re, der sie ,hinter das Licht" gefhrt habe, so ist dieses
Dokument der schligste Beweis dafr, da ich es ganz bestimmt nicht tat,
sondern von mir aus ohneVerschleierung und Tarnung die Dinge so weiter gab,
wie mir dies befohlen wurde./
Der berichtschreibende Beamte der seinerzeitigen Staatspolizeistelle Dsseldorf,
teilte seinem Chef ferner mit da ,das sogenannte Sonderkonto WS dem Referat
IV B 4 des Reichssicherheitshauptamtes (also meinem Referat) zur Verfgung
stnde, da nach der 11. Verordnung zum Reichsbrgergesetz, das
Reichssicherheitshauptamt an das Verm"gen der Juden nicht mehr heran kann.
Um diesem Fond ausreichend Gelder zur Verfgung zu stellen, wird geboten, die
Juden in n"chster Zeit zu erheblichen ,Spenden" fr das ,Sonderkonto W"
anzuhalten."
Nun hier hat der damalige Beamte die Angelegenheit - wie man zu sagen pflegte
- ,in den falschen Hals bekommen".
Auch ich war sehr erstaunt, als man mich

/254/ AE: 176

in Israel nach einem ,Sonderkonto W", da(sic) von meinem Referat gefhrt hatte
sein sollen, befragte. Erst die im Laufe der Zeit eingehenden Dokumente, schufen
auch hier Klarheit.
Die 11. Verordnung zum Reichsbrgergesetz wurde auf Betreiben der Abteilung
I, des Reichsministeriums des Inneren im November 1941 erlaen und machte die
Aberkennung der Staatsangeh"rigkeit der Juden und die Einziehung ihres
Verm"gens zugunsten des Reichsfiskus bekannt. Die Einziehung nahmen die
jeweils zust"ndigen Oberfinanzpr"sidenten vor.
Die jdischen Organisationen unterhielten weiterhin ihre Konten bei ihren
Banken, zur Bestreitung organisationseigener Auslagen.
Nachdem den Juden nun ohnehin ihr Verm"gen enteignet wurde, kamen die
Juristen des Reichssicherheitshauptamtes oder auch irgendwelcher
,Staatsplizeistellen dahinter, da ,Spenden" fr ihre jdischen Organisationen,
durch den Gesetzgeber nicht verboten waren. Also, wurden sie zu solchen
,Spenden" aufgerufen. Denn hatte der Fiskus einmal das gesamte Verm"gen,
dann ar es schwer und zeitraubend, auf dem Wege der Antragstellung bei den
zust"ndigen Finanzbeh"rden hier wieder Gelder locker zu machen.
Zum Zwecke der Einzahlung solcher Spenden, er"ffneten die jdischen "rtlichen

/255/ AE: 177

Organisationen dann bei ihren Banken ein ,Sonderkonto W", von dem diese
Organisationen nach vorheriger Freigabebescheiderteilung durch ihre zust"ndige
Geheime Staatspolizeistelle, Abhebungen vornehmen konnten. Das Geld diente
sodann der Bezahlung der jdischen Funktion"re, sowie der Angestellten und
sonstigen Hilfspersonals, Untersttzung, Krankenbehandlung, alle weiteren
sachlichen Bedrfnisse und auch Bezanhlung der Transportkosten bei der
Deportation. Dies letztere war die eigentliche Veranlaung, da den Juristen,
welche auf diese Art ,Gesetzeslcke" draufkamen, seitens der Chefs, diese
Angelegenheit genehmigt wurde. Weder ich pers"nlich, noch sonst jemand
meines Referates hat - wie die Dokumente es einwandfrei beweisen - mit diesem
,Sonderkonto W" etwas zu tun gehabt. /am Rand Ziffer 50/

Auch gegen das dunkelh"utige Volk der Zigeuner, aus nicht gekl"rten fernen
Landen stammend, wurden sicherheitspolizeiliche Aktionen im Rahmen der
,Blutschutzgesetzgebung" durchgefhrt. Ich hatte gem" Befehl hier den Teil zu
bearbeiten, welcher mir zugewiesen war: Fahrplanerstellung.
Anl"lich der ,Heydrich-Besprechung" vom 30. Januar 1940 bermittelte
Heydrich den mit der Umsiedlung bzw. Deportation beauftragten,
/256/ AE: 172

eingeladenen "rtlichen Befehlsgebern, den Befehl Himmlers, unter anderem auch
30.000 Zigeuner in das Generalgouvernement zu deportieren. Weder ich och mein
Dezernat war auch hier fr ihre Konzentrierung, noch fr deren Festnahme oder
Einweisung in ein Konzentrationslager zust"ndig.
Nur anl"lich der bereits geschilderten ersten Deportationswelle im Jahre 1941,
als mir zum ersten und gleichzeitig letzten male zwei verschiedene Zielstationen
zur Fahrplanerstellung zur Verfgung standen, ,schickte" ich neben den 20.000
Juden auch 5.000 Zigeuner, statt in Gegenden, von denen ich h"rte oder gelesen
hatte, da dort vernichtet wrde oder Vorbereitungen hierfr getroffen wrden,
nach Litzmannstadt. Die Beschwerdefhrung des Oberpr"sidenten belh"r in
dieser Angelegenheit gegen mich, habe ich bereits geschildert.
Ich war weder fr die Umsiedlung, noch fr die Erfassung verantwortlich. Ich
fhrte auf Befehl des Chefs der Sicherheitspolizei lediglich die Fahrplanm"igen
Agenden bezglich der Transporte der Zigeuner aus dem Reichgebiet durch.
Der ehemalige Kriminalbeamte Fritz Friedel sagt in seiner schriftlichen Erkl"rung
am 12. Juni 1949, im Gef"hgnis zu Bialystok folgendes:
,Bereits vor 1933, war in Mnchen eine Zentrale fr Zigeuner errichtet worden.

/257/ AE: 179

Von dieser Zentrale war vorgeschrieben, da s"mtliche Zigeuner listenm"ig zu
erfassen und zu registrieren seien. Beauftragt hiermit waren die damaligen
Landeskriminalpolizeistellen, die Zigeunerkarteien zu fhren hatten. Nach 1933
erging von der Zigeunerzentrale Anordnung, die Zigeuner strenger zu
kontrollieren und in Strafrckf"llen in Konzentrationslager einzuweisen. Dann
erging m. Erinnerung nach im Jahre 1943 von Amt V (Reichskriminalpolizeiamt)
des Reichssicherheitshauptamtes, Berlin, ein Erla, demzufolge s"mtliche igeuner
festzunehmen und als asoziale Elemente in ein Konzentrationslager einzuweisen
waren."
Sowei der Bericht dieses Kriminalbeamten. Nun, im Jahre hat er sich
offensichtlich geirrt, denn es war nicht 1943, sondern wie die Dokumente es
beweisen, im Jahre 1940/41. /am Rand Ziffer 51/

Wie sehr sich die damalige h"chste SS-Fhrung in Detailangelegenheiten
pers"nlich bearbeitend, einh"ngte zeigt ein Schreiben meines Chefs, des Amtchefs
IV, Mller, an den schon erw"hnten General der Waffen SS und Chef des
Pers"nliches Stabes des Reichsfhrers SS, vom 17. Sept. 1942. Dieser hatte
Mller in Evakuierungsangelegenheiten von Juden welche als Arbeiter bei einer
Erlgesellschaft(sic) t"tig waren, telephonisch gesprochen, mit dem Ziel der
Vermeidung einer Arbeitsunterbrechung bei dieser Gesellschaft und daher
Koppelung

/258-259/ AE: 180

der Deportation mit der Zurverfgungstellung von Ersatzkr"ften.
/auf Seite gegenber war Zusatz vorgesehen, gestrichen, aber noch lesbar:
Egal, ob es kleinere Einzelf"lle waren oder ob es sich um Waggonerstellung fr
Hunderttausende handelte, auf alle F"lle zeigten die Herren damals eine
erstaunliche Aktivit"t - eine Aktivit"t, von der manche nach 1945 nichts mehr
wissen wollten, da sie je von ihnen an den Tag gelegt wurde./

Ich sagte, da ich mich an die Aufgaben hielt, die durchzufhren gem" dem
Gesch"ftsverteilungsplan und der Zust"ndigkeitsbegrenzungen, meine mir
befohlene Pflicht war. Stur lehnte ich in all den Jahren alles, was da sonst noch so
herangetragen wurde ab.
Freilich kamen alle m"glichen Stellen mit den ausgefallensten Wnschen und
Antr"gen. Von meinem damaligen Amtchef mu ich sagen, da er mich - wenn
ich von den Dienstreisen zu den todesfeldern, zu denen er mich schickte, absehe -
im allgemeinen von zus"tzlichen Auftr"gen verschonte /3 Zeilen unleserlich
gemacht/ und darber hinaus Akten, die ich ihm mangels Zust"ndigkeit anl"lich
der Rcksprachen bergab, geduldig und stets ohne Vorwurf, quasi als Irrl"ufer,
auch bernahm. Dies mu ich sachlich und nchtern feststellen. Er hatte fr
brokratische Notwendigkeiten vollstes Verst"ndnis; denn er war der geborene
Brokrat und mich hatte er im Laufe der Jahre dazu gebracht.
Eines Tages, am 16. Nov. 1942 bekomme ich mit dem Posteingang ein Schreiben
des ,Pers"nlichen Stabes des Reichsfhrers SS", betreffend des Aufbaues einer
Sammlung von Skeletten in der Anatomie Straburg. Und da

/260/ AE: 181

konnte ich folgendes Merkwrdige lesen:
,Der Reichsfhrer SS hat angeordnet, da dem Direktor der Anatomie Straburg,
SS-Hauptsturmfhrer Prof. Dr. Hirt, der zugleich Leiter einer Abteilung des
Institutes fr wherwissenschaftliche Weckforschung im Amt Ahnenerbe ist, fr
seine orschungen alles Notwendige zur Verfgung gestellt wird. Im Auftrage des
Reichsfhrers SS bitte ich deshalb, den Aufbau der geplanten Skelettsammlung zu
erm"glichen. Wegen der Einzelheiten wird sich SS-Obersturmbannfhrer Sievers,
mit Ihnen in Verbindung setzen."

Eine Woche sp"ter schickt der Pers"nliche Stab an den genannten Sievers eine
Abschrift des vorgenannten Schreibens zur Kenntnisnahme.
Fr so etwas war ich nicht zust"ndig. In den reichlich vorhandenen Dokumenten,
liegt auch keinerlei Reaktion meinerseits vor. Wie schon so oft; man richtete zwar
an mich Schreiben ber Schreiben, aber es findet sich nirgends eine Antwort oder
Stellungnahme meinerseits. Dies bemerkte auch einer der Richter in dem Prozess
gegen mich.
Ich konnte ja gar nichts anderes tun, als - mangels Zust"ndigkeit, - die Akte
meinem Chef zu bergeben. Was er damit machte, entzog sich meiner
Kenntnisnahme.
In den Nrnberger Prozessen, war (Fortsetzung siehe umseitig!)

/261/ AE: 181a

auch ein Tagebuch Sievers, Gegenstand der gerichtlichen Er"rterungen. Da steht
unter dem 28. April 1943: ,Reichssicherheitshauptamt IV B, SS-Sturmbannfhrer
Gnther. Untersuchungen jetzt m"glich." Dies war Sievers Eintragung ber ein
am gleichen Tage, um 10.45 Uhr gefhrtes Telephongespr"ch mit Gnther. Also
hat es sechs Monate gedauert, bis Mller sich der Sache, ber Gnther entledigte.
Hierzu ist die Zeugenaussage des ehemaligen Regierungsdirektors
Huppenkotlen(?) interessant, der sowohl kurz nach 1945, als auch im Jahre 1961
u.a. sachlich und trocken feststellte, da es zu Mllers Gepflogenheiten geh"rte,
ber den Kopf des Referenten hinweg, irgend einen Referatsangeh"rigen mit
Sonderauftr"gen zu betrauen. Der so Betraute hatte seinem Referenten gegenber
bezglich eines solchen Sonderauftrages selbstverst"ndlich keine
Berichterstattungspflicht, sondern in der Regel war er Allen gegenber dem zur
Verschwiegenheit verpflichtet, wenn solche Auftr"ge unter ,Geheime
Reichssach" liefen.
Gnther geh"rte zu meinem Referat.
Am 21. Juni 1943 schrieb mich Sievers abermals an. Er nimmt Bezug auf ein
Schreiben meines Referates vom 25. 9. 1942 und wiederholte zwischenzeitliche
pers"nliche Besprechungen und teilte mit, da die Arbeiten im
Konzentrationslager Auschwitz am 15. 6. 43 wegen der Seuchen-

/262/ AE: 182

gefahr beendet seien. Ein SS-Hauptsturmfhrer Dr. Bruno Beger habe sie
durchgefhrt. Er schreibt weiter: ,Insgesamt 115 Personen, davon 79 Juden, 2
Polen 4 Innerasiaten und 30 Jdinnen sind bearbeitet worden. Diese H"ftlinge
sind z. Zt. Getrennt nach M"nnern und Frauen in je einem Krankenhaus des
Konzentrationslagers Auschwitzuntergebracht und befinden sich in Quarant"ne.
Zur weiteren Bearbeitung der ausgesuchten Personen ist nunmehr eine sofortige
berweisung an das Konzentrationslager Natzweiler erforderlich, was mit
Rcksicht auf die Seuchengefahr in Auschitz, beschleunigt durdhgefhrt werden
mte. Ein namentliches Verzeichnis der ausgesuchten Personen ist beigefgt.
Es wird gebeten, die entsprechenden Anweisungen zu erteilen."
Nun, auch dieses Schreiben wurde von mir nicht beantwortet, sondern gem" der
bestehenden Weisung, als unzust"ndig dem Amtchef bergeben.
Denn es hatte ber Verlegungen einzig und alleine das SS-Wirtschafts- u.
Verwaltungshauptamt zu entscheiden und zwar dessen Amtsgruppe D, n"mlich
die ,Inspektion fr das Konzentrationslagerwesen" unter dem SS-Gruppenfhrer
u. Generalleutnant der Waffen SS, Glcks. Es heit da u.a. in den Richtlinien
dieser ,Inspektion": ,Verlegungen in andere Lager, vor allen Dingen in Stufe III
beim Reichssicherheitshauptamt bzw. Reichskriminal-

/263/ AE: 183

polizeiamt zu beantragen, gibt es nicht. Verlegungen werden grunds"tzlich nur
von hier verfgt."
Also, ein ganz klarer und einwandfreier Fall von Unzust"ndigkeit meinerseits;
und Mller kann m.E. nur das eine getan haben, den Vorgang an Glcks
abzutreten. Anders ist es brokratisch nicht denkbar. Von mir jedenfalls ist auch
auf dieses Schreiben keine Reaktion erfolgt.
Und anl"lich des Prozesses gegen Sievers in Nrnberg erkl"rte dieser: ,ich sagte
schon, da Himmler, Wirth in Straburg besucht hat. Ich war bei diesem Besuch
nicht zugegen. Wie mir Hirth dann mitteilte, sollte er sich auf Weisung von
Himmler mit Glcks unmittelbar in Verbindung setzen und sich allenfalls meiner
Vermittlung bedienen, wenn er nicht selbst nach Berlin kommen konnte."
Sievers wurde nun von seinem Verteitiger(sic) gefragt, ob der Inspektion fr das
Konzentrationslagerwesen, Glcks der Befehl Himmlers schon vor der
Rcksprache Sievers mit Glcks bekannt war. Darauf antwortete er: ,Ja, der
Befehl Himmlers lag bei Glcks bereits vor, als ich auf Bitte Wirth's mit Glcks
sprach."
Er wird dann weiter gefragt, warum denn ein derartiges Schreiben an mich noch
notwendig war, wenn Glcks diesen Befehl schon kannte. Es ist dies eine V"llig
klare und logische Frage des Verteitigers(sic). Darauf gab Sievers eine Antwort,
die deutlich

/264/ AE: 184

erkennen l"t, da der damalige Angeklagte Sievers sich mit allen Mitteln aus der
Affaire, in der er durch seine Ahnerben-Geschichte und gegenst"ndlich durch
seine Schreiben steckte, zu ziehen bestrebt war. Dies ist menschlich verst"ndlich.
Aber es scheiterte eben daran, weil von mir nichts vorlag, infolge der
Nichtbearbeitung bzw. Abgabe der Akten an meinen Vorgesetzten.
Mller und Glcks verhandelten direkt. Beide waren Amtchef; beide waren
Generalleutnant; der eine der Polizei, der andere der Waffen SS.
Nun, ich habe angefangen diese Angelegenheit zu schildern und will zum
Abschlu dieser traurigen Sache noch das Ende beschreiben: Sievers schreibt am
5. Sept. 1944 an den Pers"nlichen Stab des Reichsfhrers SS, zu H"nden von SS-
Standartenfhrer Ministerialrat Dr. Brand: ,Gem" Vorschlag vom 9. 2. 42 und
dortiger Zustimmung vom 23. 2. 42 wurde durch SS Sturmbannfhrer Prof. Dr.
Hirth die bisher fehlende Skelettsammlung angelegt. Infolge Umfang der damit
verbundenen wissenschaftlichen Arbeit sind Skelettierungsarbeiten noch nicht
abgeschlossen. Hirth erbittet im Hinblick auf etwa erforderlichen Zeitafuwand fr
80 Stck Weisungen, falls mit Bedrohung Straburg rechnen ist, wegen der
Behandlung der im Leichenkeller der Anatomie befindlichen Sammlung.
Er kann Entfleischung und

/265/ AE: 185

damit Unkenntlichmachung vornehmen, dann allerdings Gesamtarbeit umsonst
und groer wissenschaftlicher Verlust fr diese einzigartige Sammlung, weil
danach Hominalabgsse nicht mehr m"glich w"ren. Skelettsammlung als solche
nicht auff"llig. Weichteile wrden deklariert, als bei bernahme Anatomie durch
Franzosen, hinterlassene alte Leichenreste, und zur Verbrennung gegeben. Erbitte
Entscheidung zu folgenden Vorschl"gen:
1.) Sammlung kann erhalten bleiben.
2.) Sammlung ist teilweise aufzul"sen.
3.) Sammlung ist im Ganzen aufzul"sen.
Sievers
SS-Standartenfhrer."

Ich bin kein Jurist, kenne auch den ganzen Vorgang zu wenig. Aber eines
dokumentiert Sievers durch sein eigenes Fernschreiben hier, da der Vorschlag
von ihm, bzw. Seinem Amt seinerzeit gemacht wurde, solch eine
Skelettsammlung anzulegen. Und ich stehe auf dem Standpunkt, wenn man schon
so etwas vorschl"gt, dann mu man auch nachher den Mut haben, es
einzugestehen und nicht versuchen, die Sache auf ,kleinere Leute" abzuw"lzen.
Aber ich habe die Wahrnehmung gemacht, da von wenigen Ausnahmen
abgesehen, mit zunehmender Dienstgradh"he, die Abw"lzungsbereitschaft eine
stets gr"ere wird. /am Rand Ziffer 53/

/266-267/ AE: 186

Im Anschlu an das eben Geschilderte, mu ich mich mit einer anderen
makaberen Angelegenheit befassen.
Die Einsatzgruppen im Osten, und die Kommandos der SS- u. Polizeifhrer im
Generalgouvernement, sowie das Kommando welches Himmler mit dem
Reichsstatthalter Greiner im Warthegau angesetzt hatte, hinterlieen zahlreiche
Massengr"ber. Diese sollten nunmehr im Hinblick auf das Vorw"rtsdr"ngen der
Roten Armee verwischt werden; das heit die Leichen sollten ausgegraben und
verbrannt werden.
Der SS-Standartenfhrer Blobel /Schreibung des Namens auf Seite gegenber
verdeutlicht/ erhielt dazu den Befehl. Er war bis Ende 1941, Chef eines
Sonderkommandos der Einsatzgruppe C, unter dem Befehl des SS-Brigadefhrers
und Generalmajors der Polizei Dr. Dr. Rasch /Schreibung des Namens auf Seite
gegenber verdeutlicht/, im Bereich der 6. Armee des Generalfeldmarschall von
Reichenau /Schreibung des Namens auf Seite gegenber verdeutlicht/, t"tig. Er
wurde dann gem" seiner eigenen Aussage nach Berlin strafversetzt und ,erhielt
im Herbst 1942 die Aufgabe als Beauftragter Mllers sich in die besetzten
Ostgebiete zu begeben und die Spuren der Massengr"ber die von den
Hinrichtungen der Einsatzgruppen stammten, zu verwischen. Diese Aufgabe hatte
er bis zum Sommer 1944." /Abfhrungszeichen gestrichen, bergang von Zitat zu
Referat unklar/
Diese Angaben habe ich einer eidesstattlichen Erkl"rung Blobels vom 6. Juni
1947, die er in Nrnberg abgab, entnommen. Zu Blobels Kommando geh"rten
etwa 4-6 SS-M"nner, die aus seinem frheren

/268/ AE: 187
Einsatzkommando stammten.
Bis zum Mai 1941 war er Fhrer des SD-Abschnittes fr Dsseldorf. Von Beruf
war er Architekt.
Da er nun Mller unmittelbar unterstellt war, hatte er diesem laufend und direkt
zu berichten, bzw sich bei ihm zu melden. In einem Hause neben der Dienststelle,
in der mein Referat untergebracht war, muten in einem der Stockwerke gem"
Befehl des Amtchefs IV fr durchreisende G"ste stets einige freie Zimmer zur
Verfgung gehalten werden. In solchen wohnte Blobel mit seiner Begleitung
dann, wenn er zur Berichterstattung nach Berlin kam. Aus diesem Grunde lie er
sich auch seine Privatpost an meine Dienstanschrift kommen. Man k"nnte sagen,
da der Mann meines Referates, welcher die Hausaufsicht fhrte, ihn
wirtschaftlich zu betreuen hatte. Und da dieser Mann neimenaden wirtschaftlich
betreuen durfte, es sei denn, er h"tte von mir, oder meinem Vertreter, dazu den
Befehl erhalten, ist es richtig, wenn es heit, da Blobel von meinem Referat
wirtschaftlich betreut wurde. Damit sich keine falsche Auffassung einschleicht,
m"chte ich den Zusatz machen, soweit es sich um die privaten-pers"nlichen
Bedrfnisse, als da sind Wohnung, Privatpost, Lebensmittelmarken, handelt. Dies
war alles.
Schon ein Versuch des Standartenfhrers Blobels, der Hauswache des
Dienstgeb"udes in der Kurfrstenstrae 116, Befehle zu erteilen,

/269/ AE: 188

fhrte zu einem Zusammensto mit ihm und einer dienstlichen Beschwerde
meinerseits, denn kein Referatsfremder durfte der Wache dienstliche Weisungen
geben. Dies war eine allgemein gltige Regel und beweist, da der
Standartenfhrer Blobel nicht zu meiner Dienststelle geh"rte. Selbstverst"ndlich
konnten die im selben Hause untergebrachten anderen Referenten, dieser
Hauswache Befehle erteilen; aber auch ein solcher war Blobel nicht. W"re mir
dieses Kommando unterstanden, oder auch nur Teile desselben, oder h"tten
Angeh"rige meiner Dienststelle zu diesem Kommando geh"rt, dann h"tte Blobel
diess ganz sicher anl"lich der vielen Verh"re oder w"hrend des Prozesses gegen
ihn, an irgendeiner Stelle zum Ausdruck gebracht. Er war aber nach seinen
eigenen Worten ,Beauftragter des SS-Gruppenfhrers Mller". Er unterstand
daher ihm direkt und niemanden anderen. /am Rand Ziffer 54/
Es blieb dem Berater fr Judenfragen bei der deutschen Gesandtschaft in der
Slowakei, dem SS-Hauptsturmfhrer Wisliceny vorbehalten, neben seinen
zahlreichen Unwahrheiten, auf welche man sich in Nrnberg geeinigt hatte,
weitere zus"tzliche, ber mich zu erfinden darunter auch die Behauptung, Blobel
w"re mir unterstanden, bzw. ich h"tte ihm sachliche Anweisungen erteilt.
Blobel selbst, fr den solches doch sicherlich eher entlastend gewirkt h"tte, straft
aber Wisliceny Lgen. Es verlohnt sich auch

/270/ AE: 189

nicht, n"her auf das Wisliceny'sche Gerede einzugehen, denn es ist sowohl von
meiner Verteitigung(sic), als auch von mir, im Laufe des Prozesse gegen mich, an
hand der vorliegenden damaligen amtlichen Unterlagen aufgedeckt worden.
Ich finde es auch gar nicht mehr der Mhe wert, weitere diesbezgliche Worte
ber ihn verlieren, denn es charakterisiert ihn zur Genge, was er in einem
mehreren handgeschriebenen Ausfhrungen der seinerzeitigen
mordamerikanischen Besatzungsmacht vorschlug. Er entwickelt dieser darin
seinen Plan, wie man am besten meiner Person habhaft werden k"nnte. Er hatte
mehrere Vermutungen ber meinen damaligen aufenthalt.
Solche Vorschl"ge ausgerechnet von Wisliceny unterbreitet, haben irgendwie
einen Sch"nheitsfehler, ganz bestimmter Art. Schlielich war er ja einmal mein
vorgesetzter Abteilungsleiter in Judenangelegenheiten, im SD-Hauptamt gewesen.
Er schlug also eine etwa sechs Wochen dauernde Suchaktion unter seiner
Beteiligung vor. W"hrend dieser Zeit sollte meine Frau ber mich verh"rt werden,
meine damaligen Kameraden, die schlielich auch seine waren, des weiteren alle
meine Verwandten und Bekannten, soweit Wisliceny ber sie Bescheid wute.
In ,loyalster Weise" trug er der nordamerianischen Besatzungsmacht seine
diesbezgliche Hilfe beziehungsweise Mitarbeit an und ,er war fr"hlich wie eine
Lerche", heit es in einem nordamerikanischen Bericht. /am Rand Ziffer 55/

/271/ AE: 190

-(16)-
Es scheint mir von Bedeutung zu sein, einmal einen ganz bestimmten Teil der
damaligen nationalsozialistischen Terminologie zu streifen. Durch die laufenden
Tarnungsbefehle Himmlers, wurden verschiedene Worte und Begriffe im Laufe
der Zeit so vieldeutig, das da (sic) z.B. was mit den Insassen eines
Transportzuges wirklich geschah nur die Stelle mit absoluter Sicherheit wute, die
solche Transportzge an der Zielstation zu bernehmen hatte.
Die Befehle, was tats"chlich zu geschehen habe, gingen von den Befehlsgebern
direkt an die durchfhrende Stelle.
Natrlich kannte man die Einstellung der Befehlsgebung in genereller Hinsicht,
soweit man an den Gesamtarbeiten irgendwie mit eingespannt war.
Ich sprach von ,man". Damit sind alle Zentralbeh"rden in Berlin und alle
Beh"rden der mittleren Instanzen, soweit sie an den Deportations- und sonstigen
sicherheitspolizeilichen Arbeiten mittelbar oder unmittelbar, federfhrend oder
auch nur am Rande mitbeteiligt, eingeschaltet waren, zu verstehen.
Aber genau gewut, was beispielsweise mit dem Transport aus dort und dort,
geschah, oder geschehen wird, ob die Transportteilnehmer get"tet wurden, ob sie
in einem Konzentrationslager verbleiben, oder ob sie zur Arbeitsleistung in eine
der Rstungsindustrien kamen, alles dieses wuten diese Stellen nicht. Auch ich
selbst

/272/ AE: 191

habe solches nie und zu keiner Stunde gewut. Es war auch von mir in keinerlei
Weise abh"ngig oder zu beeinfluen. Genau so wenig, wie ich oder andere Stellen
solches im Hinblick auf die Deportationsbefehlsgebung h"tten tun k"nnen.
Dies alles hatten sich die Befehlsgeber ausschlielich selbst vorbehalten.
Solche Worte der Tarnung waren unter anderen
,Sonderbehandlung";
,Abwanderung nach dem Osten";
,Arbeitseinsatzverbringung nach dem Osten";
,Evakuierung nach dem Osten";
,Endl"sung der Judenfrage" usf.
Niemand auer der Letzstelle(sic), wute, ob die wahre Bedeutung des Wortes in
Anwendung gebracht wurde, oder ob Himmler, oder das SS-Wirtschafts- und
Verwaltungshauptamt (Inspektion fr das Konzentrationslagerwesen) oder der
Chef der Sicherheitspolizei - dieser jedoch auch nur in selteneren F"llen - in
Abweichung der genannten Wortgebilde, hierfr, der Letzstelle(sic) das Wort
,t"ten", befahl.
Himmler befahl dem Chef der Sicherheitspolizei ein bestimmtes Kontigent, aus
einem bestimmten Territorium, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, nach
einem bestimmten Zielort zu deportieren. Und das SS-Verwaltungs- u.
Wirtschaftshauptamt erhielt von ihm Befehl, was mit den Deportierten zu
geschehen hat.
Dies ergibt sich eindeutig aus den Dokumenten.

/273/ AE: 192

Schon das Wort ,Sonderbehandlung", ganz allgemein als ,t"ten" aufgefat, hat in
Wirklichkeit die verschiedensten Definitionen, beziehungsweise
Auslegem"glichkeiten gehabt.
So zum Beispiel anl"lich der von Hitler und Himmler befohlenen
Polendeportation; hier verstand man unter ,Sonderbehandlung" folgendes:
Das Rasse und Siedlungshauptamt erkannte, wer zu den von diesem Amt
aufgestellten Wertungsgruppen I bis IV einzuordnen sei. Himmler oder sein
jeweils "rtlicher Vertreter, der H"here SS- und Polizeifhrer, entschied, was mit
den einzelnen Wertungsgruppen zu geschehen habe; n"mlich,
Eins.) zum Arbeitseinsatz in das Reich;
Zwei.) zur Deportation aus den neuen Ostgebieten in das Generalgouvernement;
Drei.) Aufteilung in Rentendrfer im Generalgouvernement.
Vier.) In das Konzentrationslager Auschwitz, oder
Fnf.) Eindeutschungsf"hig.

Dies alles fiel unter dem(sic) Begriff ,Sonderbehandlung".
Es sind noch Vordrucke, bzw. Formulare des Rasse- u. Siedlungshauptamtes
erhalten geblieben, in denen es heit:
,Betrifft: ,Sonderbehandlung" - (Name) Bezug: Erla des Reichsfhres SS-S IV
D 2 ... Hierdurch erfllt der Obengenannte
/274/ AE: 193

in rassischer Hinsicht die Voraussetzungen, die an einzudeutschende
Fremdv"lkische gestellt werden men. Er gilt als eindeutschungsf"hig."

Ein anderes Formblattbeispiel:
,Betrifft: ,Sonderbehandlung" - (Name)
Hierdurch erfllt der Obengenannte in rassischer Hinsicht nicht die
Voraussetzungen, die an einzudeutschende Fremdv"lkische gestellt werden
men. Er gilt als nicht eindeutschungsf"hig. /am Rand Ziffer 56/

Es ergib sich zweifelsfrei, da das Wort ,Sonderbehandlung" in solchen F"llen,
mit ,T"tung" nicht das Geringste zu tun hat. Das Wort wurde hier ohne
Zweideutigkeit, also ohne eine Tarnungsabsicht, fr eine auergew"hnliche
Behanldung einer Personengruppe gew"hlt, die nach einer Befehlsgebung
Himmlers, in verschiedene Kategorien eingeteilt wurde; gleichgltig ob
,eindeutschungsf"hig" oder nicht,wurde diese Musterung als ,Sonderbehandlung"
bezeichnet.

Wenn ich solches heute schreibe, dann ist es mir als spr"ch ich vom Geschehen
aus fernen, unwirklichen Welten. Ja, der Mensch kann es in seiner Torheit zu ganz
unwahrscheinlichen berheblichkeitsleistungen bringen. -

/275/ AE: 194

Ein anderes Beispiel, aus den Richtlinien des Chefs der Sicherheitspolizei u. des
SD, nach denen die sogenannten Kriegsdelikte zu bearbeiten waren. Sie stammen
vom 26. Sept. 1939, und es heit da:

,Sonderbehandlung" (Exekution)
. Sonderbehandlungen werden grunds"tzlich bei II A bearbeitet, mit Ausnahme
von F"llen, der Sonderbehandlung gegen Geistliche, Theologen und
Bibelforscher, fr die II B zust"ndig ist." /am Rand Ziffer 57/

Hier also heit ,Sonderbehandlung"" ganz einwandfrei ,t"ten". Solche F"lle
entschied - die Richtlinien weisen ausdrcklich darauf hin - Himmler pers"nlich.

Zwei weitere Beispiele:
,Betrifft: ,Sonderbehandlung" von Juden.
Bezug: Bericht v. 6. 5. 42 - II B 2
Der Reichsfhrer SS- und Chef der Deutshcen Polizei aht angeordnet, da die in
vorstehenden genannten Bericht n"her bezeichneten Juden (es folgen sieben
Namen) im Ghetto Neuhof, in Gegenwart ihrer Rassegenossen aufzuh"ngen sind."

,Betrifft: ,Sonderbehandlung" von Juden.
Bezug: Bericht v. 27. 3. 42 - II B 2
Auf Anordnung des Reichsfhrers SS

/276/ AE: 195

und Chef der Deutschen Polizei, ist die von dort gegen die Juden (es folgen vier
Namen) vorgeschlagene Sonderbehandlung, druchzufhren."

In beiden F"llen handelte es sich um Fernschreiben des
Reichssicherheitshauptamtes an eine Staatspolizeistelle, die den Antrag auf
Sonderbehandlung stellte. Das Reichssicherheitshauptamt war in disen F"llen
nichts anderes, als die Stelle, welche solche Antr"ge befehlsgem" an Himmler
weiter zu leiten hatte und seine jeweilige Anordnung an die antragstellende
Beh"rde durchgab.
Auch hier ist ganz einwandfrei unter ,Sonderbehandlung", t"ten zu verstehen.
/am Rand Ziffer 58/

Die Deportationstransporte liefen unter dem Betreff wie: ,Endl"sung der
Judenfrage", ,Sonderbehandlung", ,Evakuierung nach dem Osten", so wie es
befohlen wurde. Alle par(sic) Monate kamen diesbezglich neue Weisungen.
Sie gingen nach Auschwitz, dem Generalgouvernement, nach Riga
oder in den Warthegau. Hier war ,Sonderbehandlung", ,Endl"sung",
,Evakuierung" usf. nicht gleich zu setzen dem Worte ,t"ten", denn es erfolgte
sowohl Arbeitseinsatz, als auch T"tung.
Himmler selbst befate sich ganz pers"nlich mit der Tarnung.

/277/ AE: 196

Einen Bericht des Inspekteurs fr Statistik, Dr. Korherr, ber den zahlenm"igen
Stand der Judenangelegenheiten in Europa, ber Deportationen,
Sterblichkeitsziffern und Auswanderungszahlen vom Frhjahr 1943, best"tigt
Himmler im April desgleichen Jahres an den Chef der Sicherheitspolizei mit den
Worten, da er diesen Bericht aus Tarnungsgrnden fr sp"tere Zeiten fr gut
halte; im brigen wnsche er da nach dem Osten evakuiert werde, was berhaupt
nur menschenm"glich ist. Er verlangte nur noch Berichte mit zwei Zahlen, die
ihm jeden Monat vorzulegen seien: Zahl der in dem Berichtsmonat deportierten
Juden und die Zahl der in den einzelnen L"ndern noch vorhandenen Juden.

-(17)-
Als eine der Folgen des Todes Heydrichs, den eine gegen ihn geschleuderte
Bombe am 29. Mai 1942 in einem Vorort von Prag traf, wurde das Dorf Lidice in
B"hmen, dem Erdboden gleich gemacht; seine Beowhner wurden entweder
erschoen oder deportiert.
Etwa hundert Kinder aus diesem Dorf wurden gem" einem Befehl des H"heren
SS- u. Polizeifhrers fr B"hmen und M"hren, Generalleutnant der Polizei, K. H.
Frank, durch das Rasse und Siedlungshauptamt, Nebenstelle Prag, zur
Umwandererzentralstelle nach Litzmannstadt, deportiert.

/278/ AE: 197

Diese Kinder hatte man in Eindeutschungsf"hige und Nichteindeutschungsf"hige
unterteilt. Die ersteren wurden in das Kinderheim ,Brocken" berfhrt und
bezglich der nichteindeutschungsf"higen Kinder schrieb der damalige Leiter der
litzmannst"dter Umwandererzentralstelle an alle m"glichen Dienststellen, mit der
Bitte um Weisung, was mit diesen zu geschehen habe.
Auch mein Referat schrieb er an.
Mein Dezernat war fr cechische Angelegenheiten nicht zust"ndig. Trotzdem
hatte Gnther der ,St"ndige Vertreter" von mir, aus einem Grunde, den ich
mangels jedweder Zust"ndigkeit nicht einzusehen vermag und ihn auch nicht
erkl"ren kann, der Umwandererzentrale geantwortet, da die
nicheindeutschungsf"higen(sic) Kinder, an die Staatspolizeistelle Litzmannstadt
zu bergeben seien, die weiteres veranlaen werde.

Die Anklage beschuldigte mich nun, ich h"tte diese Kinder der Sonderbehandlung
zufhren lassen und sie seien get"tet worden.
Es ist eine jener aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen gegen mich,
denn ich habe mit der gesamten Angelegenheit berhaupt nichts zu tun gehabt.
Weder mit der Deportation, noch mit irgend einer Weisung, was mit den Kindern
geschehen soll.
Die Kinder sollten auch gar nicht get"tet

/279/ AE: 198

werden und wurden auch nicht get"tet. Sie sollten gem" dem Wissen des
damaligen SS-Obersturmbannfhrer Krumeg(?), dem Leiter der
Umwandererzentrale in Litzmannstadt, laut seiner Zeugenaussage vom 6. Juni
1961, einem Polentransport in das Generalgouvernement angeschlossen werden.
Und nach einer eidesstattlichen Erkl"rung der Frau Waltraut Elise Freiberg,
welche vor dem Notar Dr. Kurt Merling in Bremen am 21. Juni 1961, abgegeben
wurde, befanden sich noch am 20. Januar 1945 in einem Heim in Puschkau
(ehem. Gen. Gouv.), etwa dreiig Kinder aus Lidice.
Fr die mir seitens der Anklage vorgeworfenen Handlungen, hat die
anklagebeh"rde keine Beweise erbringen k"nnen. /am Rand Ziffer 59/

Abgesehen davon, da ich mich selbstverst"nldich meiner Haut zu wehren gehabt
habe, wenn mir Dinge zur Last gelegt werden, mit denen ich nichts zu tun hatte,
ist es ein erschtterndes Bild und unsagbar traurig,wenn man so sieht welches
Unheil die Ausgeburt des Krieges ber die Menschheit bringt. Alle, die gesamte
Kriegsgreuel ist im h"chsten Mae besch"mend; auch ich sch"me mich ber alle
Maen, egal ob ich damit zu tun hatte oder nicht.

/280/ AE: 199

Es wird allm"lig(sic) wirklich Zeit, da dem Menschen endlich der Schutz gegen
machtlsterne Ehrgeizlinge zuteil wird, der solches Geschehen unm"glich macht;
denn deren akute Gef"hrlichkeit ist im Zeitalter der nuklearen
Maenvernichtungsmittel gr"er denn je. Und bei Fortdauer des jetzigen
Zustandes ist die Zukunft der Menschheit unheilschwanger, jederzeit bereit neuen
gewaltsamen Tod, neue Tr"nen und neues Leid zu geb"ren und damit neuen
Grabeshauch ber die Menschheit zu bringen.
Und die das Leid zu tragen haben, werden genau wie bisher die Unbeteiligten,
und letzten Endes ebenso die Befehlsempf"nger sein und bleiben.
Und wenn wir Jetzigen schon zu beschr"nkt waren, eine nderung
herbeizufhren, dann sollten unsere Kinder aus unserem Unverstand die Lehren
ziehen und den Schritt zur Anpassung, an die menschlichen Wnsche tun. Es w"re
ein Schritt nach vorw"rts; wir Alten gingen auf dem Gebiet des menschlichen
Zusammenlebens, h"chstens einem solchen zurck. Uns hat der Mut dazu
offenbar gefehlt. Die Jugend der V"lker mu sich einig werden. Die
organisatorischen Erstvoraussetzungen bestehen ja in Form der tausende von
Jugendverb"nde.
Setzt Euch zusammen und werdet eins! Dann schafft den
Eigenstaatlichkeitsgedanken mit den partikularistischen Hoheitsrechten

/281-282/ AE: 200

und den gesamten politischen Anhang ab. Schafft Euch statt dessen eine zentral
regierende K"rperschaft, zum Nutzen und Wohle aller V"lker der Erde.
/Zusatz von Seite gegenber:
Eine solche K"rperschaft mit allen notwendigen bernationalen
Regierungsvollmachten auszustatten, bedarf selbstverst"ndlihc einer
berwindung instanzieller und ideeller Hemmungen. Auch sind die
Zust"ndigkeitsverlagerungen, mit gewissen Anfangsschwierigkeiten zweifelsohne
verbunden.
Aber zugegeben, Mord und Vernichtungsbefehle m"gen unter Aufwand
geringerer Hemmungen und Schwierigkeiten seitens der Staatsfhrung erteilt
werden k"nnen, so bleibt immer noch die Frage offen, ob es sich nicht lohnt,
selbst allergr"te Schwierigkeiten, egal welcher Natur, dann in Kauf zu nehmen
und an ihrer Bereinigung zu arbeiten, wenn dadurch Friede, Freude und Glck
unter die Menschen gebracht werden kann.
Bisher h"rte man stets von Blut, Schwei und Tr"nen./
Und wenn eine solche Renaissance das m"nnliche Geschlecht nicht schafft, er
w"re m"glich, denn es hat leider auf diesem Gebiete nur Unheil gebracht, dann
sollen die Frauen es versuchen. Denn sie sind in Wahrheit die Erhalter und
Bewahrer des Lebens. Man kann zu ihrem K"nnen auf diesem Gebiete jedenfalls
mehr Vertrauen haben, als zu den abgentzten diesbezglichen Knsten der
M"nner.
Es heit, die Frauen lieen sich von den Gefhlen leiten, wohingegen wir M"nner
uns den Vernunftsstandpunkt zu eigen machen wten. Abgesehen davon, da ich
von einer Vernunft auf dem Gebiete der Politik ohnedies bis jetzt nichts gemerkt
habe, frage ich mich, was etwa dagegen spr"che, wenn weibliche
Gefhlsbestimmtheit, einmal den m"nnlichen Unvernunftsstandpunkt auf diesem
Gebiete abl"sen wrde. Schlechter und schlimmer kann es niemals werden;
hingegen h"tte die Menschheit die Aussicht, da es sehr wahrscheinlich besser
wrde.

/283/ AE: 201

Da habe ich vor mir wieder solch ein Beispiel m"nnlicher ,Vernunft" liegen. Es
ist ein Schreiben des Chefs des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes, an
Himmler, vom April 1944.

,Reichsfhrer!
Ich bersende hierbei eine Karte des Reichsgebietes mit dem
Generalgouvernement, den Ostlanden und den Niederlanden, in welchem nach
dem Stand vom 31. 3. 1944, alle Konzentrations- und Arbeitslager eingezeichnet
sind.
Es bestehen jetzt:
Im Reichsgebiet ----------------- 13 Konzentrationslager
Im Generalgouvernement ------- 3 - -
Im Ostland ------------------------ 3 - -
In den Niederlanden ------------ 1 - -
__________
Total 20 Konzentrationslager

Auerdem werden folgende Arbeitslager unterhalten:
Im Reichsgebiet ----------------- 130 Arbeitslager
Im Generalgouvernement ------ 3 - -
Im Ostland ------------------------ 30 - -
In den Niederlanden ------------- 2 - -
__________
Total 165 Arbeitslager

Zu Eickes Zeiten gab es insgesamt 6 Lager; jetzt 185!
Heil Hitler!
Gez. Pohl
SS-Obergruppenfhrer und
General der Waffen SS."
/am Rand Ziffer 60/

/284-285/ AE: 202

Bei dem genannten Eicke, handelt es sich um den Vorg"nger von Glcks, dem
Inspekteur fr das Konzentrationslagerwesen. Im Jahre 1941, bekam der SS-
Gruppenfhrer und Generalleutnant der Waffen SS, Eicke, Befehl, eine
Fronteinheit zu bernehmen. ,Eickes-Zeiten" h"rten demnach 1941 auf. Ab dieser
Zeit, bis zum April 1944, wurden 179 Konzentrations- und Arbeitslager neu
errichtet.

Ulrich von Hutten /Schreibung des Namens auf Seite gegenber verdeutlicht/, wo
sind deine Tage!
Wahrlich, es ist wirklich keine Lust mehr zu leben. Es ist mir unglaublich und
erklingt mir unwahrscheinlich, da ich selbst mitten drinn in all disem Geschehen
stand.
Wenn solche Zust"nde wenigstens mit dem Jahre 1945 aufgeh"rt h"tten zu
bestehen; aber wieviele Konzentrationslager mag es wohl heute geben?

-(18)-
/ Bemerkung auf Seite gegenber:
Falls die auf Seite 202 bis 204 von -Anfangszeichen- bis -Endzeichen-
geschrieben(sic) Zeilen besser in Fortfall kommen sollen, dann bittte streichen./
ber eines freue ich mich, da es mir ein Schicksal erm"glicht hat, ber all solche
Dinge noch frei und frank reden und nicht etwa vom H"rensagen, sondern
erlebnisbedingt, aus eigener Anschauung heraus, diese Dinge niederschreiben zu
k"nnen.
Aus keiner pers"nlichen Verbitterung heraus, kommen meine Worte, denn ich
habe gelernt ich selbst zu erkennen und in dem Mae ich mich erkannte, sah ich
auch

/286/ AE: 203

die Fehler, welche ich machte.
Kant setzte dieses Selbsterkennen zur Vorbedingung meiner Grundhaltung, zu
meinem praktischen Bewutsein; und auch Sokrates, jener Weise der Antike,
macht dieses Selbsterkennen zu etwas Prim"ren, zu einer zu stellenden
Voraussetzung schlechtweg, fr alle meine ausrichtung auf die ethischen Werte.
Aber was ntzt mir in der Praxis die ganze Selbsterkenntnis und alle sch"nen
Lehren verstorbener und lebender Weisen, wenn die jewielige Staatsknute mich
unter Vormundschaft stellt.

Als Schler gr"hlten wir vor etwa vierzig Jahren, zum Leidwesen unserer
Professoren,

,Ihr Leut vernehmt die Moritat,
Die sich einst zugetragen hat;
Er war vor rund zwotausend Jahr,
Islauverhar, Islauverhar.

Da war in Griechenland zu seh'n,
Die wundersch"ne Stadt Athen;
Dort lebt zur Zeit des Perikles,
Sokrates, Sokrates.

Auf Markt und Straen blieb er steh'n,
Wo Mann und Weib vorber geh'n;
Sprach jeden an O anthrope,
Gnothise, gnothise.

/287-288/ AE: 204

Die Gendarmerievon Athen
Fand dieses Treiben gar nicht sch"n;
Drum packt ihn eines Tag's am Arm,
Ein Gendarm, ein Gendarm.

Der schleppt auf das Disterichon,
Den altersschwachen Mann davon;
Und dorten sprach der Staatsanwalt,
Macht's ihn kalt, macht's ihn kalt.

In einer finsteren Kerkernacht.
Da ward er endlich umgebracht;
Mit einem Becher Schierlingssaft,
Ekelhaft, ekelhaft."

Ja, auch dieser Weise mute sein Leben der menschlichen Unvernunft und
Einsichtslosigkeit hingeben.
Auch er vermochte sich gegen die Staatsgewalt nicht anders durchzusetzen, als
durch seinen Opfertod.
Die von seinen Freunden erwirkte Fluchtm"glichkeit ausschlagend, verwie(sic)
er auf die gesetzlichen Bestimmungen; er empfahl ihnen, nach seinem Tode den
G"ttern einen Hahn zu opfern und trank den Becher aus. Soweit die Geschichte,
wie sie auf uns kam. Ich war kein Sokrates; ich war auch kein Giordano Bruno.
/Zusatz von Seite gegenber: Und selbst einem Geist von dem Format eines Platon
gelang es nicht, den tyrannen Dionysios von seiner staatspolitischen Linie
abzubringen und statt dieser, platon'sche Staatsfhrungsvorstellungen zu
praktizieren./

-(19)-
Auf Weisung des deutschen Reichsauenministers von Ribbentrop, fand am 3. u.
4. April 1944 in Krummhbel, eine Arbeitstagung der Judenreferenten der
deutschen Missionen

/289-290/ AE: 205

in Europa statt. Sie wurde beschickt von zwei Gesandten, zehn Doktoren, einigen
Legationsr"ten, Konsulen, Regierungsr"ten und anderen. Der Gesandte Prof. Dr.
Six bergab nach der Begrung, den Vorsitz an den Gesandten Schleier
/Schreibung des Namens auf Seite gegenber verdeutlicht/. Dieser sprach nun in
seinem Er"ffnungsreferat ber ,Aufgaben und Ziele der antijdischen
Auslandsaktion". Ihm schlo sich Dr. Six ber ,Die politische Struktur des
Weltjudentums" an. Es folgte weiter ein Vortrag des Legationsrates Dr. von
Thadden /Schreibung des Namens auf Seite gegenber verdeutlicht/:
,Judenpolitische Lage in Europa, bersicht ber den Stand der antijdischen
Exekutivmanahmen".

Der Gesandte Dr. Six stellte fest, da das Judentum in Europa seine biologische
und gleichzeitig seine politische Rolle ausgespielt habe; die physische
Beseitigung des Ostjudentums entziehe dem Judentum die biologischen Reserven.
Nicht nur in Deutschland, auch international, me die Judenfrage zu einer
L"sung gebracht werden.

Der Legationsrat von Thadden schlo seine Ausfhrungen an die Vertreter der
Missionen mit der Bitte der Unterdrckung jeder, auch antijdisch getarnten
Propaganda, die geeignet ist, die deutschen Exekutivmanahmen zu hemmen oder
zu behindern. Ferner, Vorbereitung des Verst"ndnisses in allen V"lkern, fr
Exekutivmanahmen gegen das Judentum. Des weiteren laufende
Berichterstattung ber die M"glichkeit, auf diplomatischen

/291/ AE: 206

Wegen, versch"rfte Manahmen gegen das Judentum in den einzelnen L"ndern
zur Durchfhrung zu bringen. Und letzlich(sic), laufende Berichterstattung ber
Anzeichen fr Gegenaktionen des Weltjudentums, damit rechtzeitig Gegenminen
gelegt werden k"nnen.
Es wurde davon Abstand genommen, die von dem Referenten vorgetragenen
Einzelheiten ber den Stand der Exekutivmanahmen in den einzelnen L"ndern,
in das Protokoll aufzunehmen, da dieselben geheim zu halten seien.
Es folgten schlielich noch etwa zwanzig weitere Referate, welche von den
einzelnen Tagunsteilnehmern gehalten wurden. /am Rand Ziffer 61/

Diese Dokumente sind mir - ich geh"rte nicht zu den Tagungsteilnehmern - mit
den anderen Unterlagen aus jener Zeit, hier in Israel vorgelegt worden und waren
ebenfalls Gegenstand der Er"rterungen w"hrend des Prozesses.

Ja, wenn ich gleichzeitig dazu die Zeugenaussage von Prof. Dr. Six, die er im
Jahre 1961 in Deutschland gemacht hat, lese und dazu die Zeugenaussagen des
ehemaligen Legationsrates Dr. von Thadden, aus den Jahren kurz nach dem
Waffenstillstand von 1945, dazu ferner einige der hier in Israel gegenst"ndlichen
Unterlagen aus der Korrespondenz Dr. Six mit dem Fhrer des damaligen SD-
Oberabschnittes Donau und

/292/ AE: 207

andere, dann mu ich schon sagen: merkwrdig; sehr merkwrdig ist dies alles. -

Ich hatte mit dem Legationsrat Dr. von Thadden in den Jahren bis 1945, sehr viel,
man k"nnte sagen, laufend zu tun gehabt. Denn er war eine Zeitlang Referent im
Ausw"rtigen Amt gewesen. Ein lebhafter Aktenverkehr verband ber unsere
unmittelbaren Vorgesetzten, sein Referat mit dem meinen. Hunderte solcher
Dokumente liegen heute noch vor.
Pers"nlich war Herr von Thadden eine liebenswerte Erscheinung; gem"igt,
ruhig, brokratisch-trocken. Nur eines verstehe ich nicht, wie er frank und frei in
Nrnberg behaupten konnte, er habe von den T"tungen berhaupt nichts gewut,
er me schon sagen, da der SS-Obersturmbannfhrer Eichmann, ihn nach Strich
und Faden belogen habe und wie er jetzt feststellen me, sogar sehr geschickt.
Dabei hatte er aber im April 1944 ber eben dieselben Angelegenheiten so
Eindeutiges vorzutragen gehabt, da dasselbe nicht einmal in das Protokoll der
Tagung Aufnahme finden konnte.
Es ist mir bekannt, da Lgen gerne und Vorzugsweise entstehen, wenn man
gefragt wird. Und nach 1945 wurde sehr viel gefragt. Ich trage Herrn von
Thadden auch pers"nlich nichts nach.
Ich stelle nur fest, durch solches und hnliches, hat sich dann zwangsl"ufig

/293/ AE: 208

ber meine Person eine Vorstellung herauskristallisiert, als sei ich in Wahrheit der
treibende und mit hauptverantwortliche Faktor an den Manahmen gegen die
Juden gewesen. Eine Vorstellung, die allerdings anl"lich des Prozesses gegen
mich erschttert wurde, und von vielen Uneingeweihten staunend zur Kenntnis
genommen werden mute, kurz eine Annahme, welche Schiffbruch erlitt.
Es sind solche Vorstellungen, die sich da breit machen konnten, die Folge, da ich
bei manchen der seinerzeit in Nrnberg in Haft Gehaltenen, gewissermaen zum
,deus ex machina" avancierte. In ihrer Misere hatten sie pl"tzlich erkannt, da,
indem sie alles auf mich abladen - weil ich ja nicht erreichbar war - sich ihre
eigene damalige Situation nur verbessern konnte.

Prof. Dr. Six war eine Zeitlang im SD-Hauptamt mein Vorgesetzter gewesen,
wenn ich von einem zwischen mir und ihm noch eingeschalteten Abteilungsleiter
und einem Hauptabteilungsleiter, absehen will. Er war auerdem um jene Zeit
Dekan der ,Auslandswissenschaftlichen Fakult"t der Universit"t zu Verlin"; aber
dies sagte ich ja schon einmal. Dr. Six war "uerst scharfsinnig und intelligent;
ihm ein ,X fr ein U" vorzumachen, war unm"glich. Wenn ich von meiner ,nach
1945er Warte aus" die Dinge so recht besehe, dann mu ich sagen, da das
,Auslandswissenschaftliche" der Krumhbler Konferenz, es best"tigt,

/294/ AE: 209

da es mit seiner Intelligenz eigentlich so recht betrachtet auch nicht recht viel
weiter bestellt sein konnte, als bei mir. Denn sie hat uns beiden einen gar argen
Streich gespielt kommt mir vor. Freilich, um keinerlei Miverst"ndnis
aufkommen zu lassen, verfgte ich nur ber jenen ,Hausgebrauchsgrad" an
Intelligenz, der mir eben so zukam; mich dieserhalb mit einem ehemaligen Dekan
messen zu weolln, erscheint mir frivol. Dieses beeile ich mich hinzu zu setzen.
Und ich h"tte das ganze Kapitel ,Intelligenz" kaum berhrt, h"tte Dr. Six dieses
nicht in seiner Zeugenaussage im Jahre 1961, von sich aus angeschnitten. Aber
wie dem immer auch sei, ich denke, wir h"tten beide besser daran getan, uns mit
anderen Dingen zu besch"ftigen, als mit der damaligen ,Weltanschauung". Und
ich meine dies nicht im Hinblick auf den heutigen wirtschaftlichen Status, mit
dem man gewissermaen als Folgeerscheinung vorlieb nehmen mu - obzwar ich
mich bezglich meiner "ueren Lage in den letzten zehn Jahren in Argentinien
keinesfalls beklagen m"chte, was mir umso leichter f"llt, da ich pers"nlich
ohnedies nie ein besonderes Verh"ltnis zum Geld oder Geldeswert gehabt habe -
sondern ich denke bei der Vergleichsziehung zwischen damals und heute, an
einen ethischen Gewinn, den man in einem direkt proportionalen Verh"ltnis zu
den inzwischen erreichten Lebensjahren h"tte fr sich buchen k"nnen, h"tte man
nicht teils aus eigener Torheit, teils umst"ndebedingt, ein jahrelanges ,geistiges
Vacuum" zu durchlaufen gehabt.

/295-296/ AE: 210

Aber auch Dr. Six trage ich pers"nlich nichts nach; ich mochte ihn als Mensch, in
der Zeit, da er mein Vorgesetzter war, gerne leiden.
Die Zeugenaussage von Prof. Dr. Six, bezglich des Versuchenk"nnens, sich von
Einsatzgruppen zu distanzieren, beziehungsweise davon los zu kommen, unter
Hinweis darauf, da es ihm selbst ja auch gelungen sei, hat den
Generalstaatsanwalt veranlat, in dem Verfahren gegen mich, darauf Bezug zu
nehmen.
Auch die Aussage des Herrn Von dem Bachzelewski - ehemals General der
Polizei - da die M"glichkeiten gegeben waren, sich einem Auftrag durch
Versetzungsgesuch zu entziehen, geht meines Erachtens, soweit es meine Person
betrifft, an den(sic) Kern der Sache vorbei.
Ich kennen Hernn Von den Bach-Zelewski nicht pers"nlich, ich habe aber ber
ihn stets nur Gutes und Lobenswertes, als Mensch, geh"rt.
Ich denke nun, da mir beide Herren recht geben, wenn ich sage, da es ein
gewaltiger Unterschied ist, wenn sich ein General der Polizei oder ein Amtchef im
Reichssicherheitshauptamt von etwas zurckziehen will, oder ob einer ihrer
Referenten bei ihnen mit solch einem Ansuchen vorstellig wird.
/Gestrichenes ersetzt durch Zusatz von Seite gegenber: Versetzungsgesuche, die
konnte man freilich machen, da hinderte einem(sic) niemand daran, aber ich
denke und da braucht/ man kein Wort mehr darber zu verlieren, weil solche eben
abschl"gig beschieden wurden. Besonders dann, wenn der betreffende Referent ja
ohnehin keiner Einsatzgruppe angeh"rt, niemanden

/297/ AE: 211
zu t"ten hat, keine Befehle dazu zu geben braucht, ja nicht einmal die
Deportationsbefehle von sich aus anzuordnen hat. Wenn solch ein Referent
beispielsweise im Reichssicherheitshaupamt, hinter dem Schreibtisch seinen
Dienst macht - und trotzdem um Versetzung einkommt - oder wenn er nach
Ungarn zum Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD versetzt wird und
damit sowohl diesem, als damit auch dem H"heren SS- u. Polizeifhrer, der
gleichzeitig sein Gerichtsherr ist, unterstellt wird. Oder wenn sich ein Referent
von einem Oberabschnitt zu einem Unterabschnitt, sagen wir zum Beispiel nach
Linz a/Donau, versetzen lassen will. Da heit es bei negativem Ausgang des
Ansuchens doch nur ,gehorchen und weiterdienen". Denn die Antworten lauten
doch dann jedesmal ungef"hr so: ,Was wollen Sie denn, Sie haben doch nichts
weiter als Ihre verwaltungsm"ige aktenarbeit zu erledigen. Kein Mensch verlangt
von Ihnen, da Sie t"ten sollen oder Befehle dazu geben. Auerdem leben wir
inmitten eines der gewaltigsten Kriege. Da haben auch Sie Ihre Pflicht zu erfllen;
und zwar dort, wo Sie hingestellt werden. Es kann sich w"hrend eines Krieges
niemand aussuchen, wo er gerne zu k"mpfen wnscht."
Genau solches h"rte man dann.
Stimmt es meine Herren? Hand auf's Herz! Ich will fr mich dadurch gar nichts
erreichen; auerdem ist die Beweisaufnahme in dem
/298/ AE: 212

Prozess gegen mich l"ngst abgeschlossen.
Es soll lediglich der Wahrheit dienen; und dem ein oder anderen kleinen
Dienstgrad von ehemals, die M"glichkeit geben, sich darauf berufen zu k"nnen.
Ich denke und dies kann mir niemand verwehren, dabei in erster Linie an meine
eigenen Referatsangeh"rigen von damals.
Ich kann diese Betrachtungen abrunden, mit einer Erkl"rung, welche Prof. Dr. Six
anl"lich seiner Zeugenaussage im Jahre 1961 abgab, in der es u.a. heit, da
schlielich fr jeden von uns noch die M"glichkeit bestand, sich zu erschieen,
falls dem Ansuchen um Versetzung, nicht stattgegeben wurde. Dieses stimmt!
Ich habe es offenbar bersehen, mich zur richtigen Zeit zu erschieen; bueno und
in logischer Auslegung dieser Alternative, habe ich eben heute die Konsequenzen
zu tragen.

Dr. Six hatte es fr sich erreicht, von einer Einsatzgruppe weg zu kommen. Er
hatte es wie gesagt als einer der sieben Amtchefs des Reichssicherheitshauptamtes
auch leichter. Er tauschte seinen Platz in der Sicherheitspolizei mit dem eines
Gesandten im Ausw"rtigen Amt. Aber trotzdem sieht er sich im April 1944, als
einer der Mageblichen, auf der Krummhbler Konferenz wieder.
(Fortsetzung siehe Seite 215)!

/299-300/ AE: 213-214

/Die beiden Bl"tter sind nicht beschrieben, mit groen Xen versehen; das erste
davon tr"gt recht oben den Vermerk: Nummer existiert nicht -
schr"g ber die Seite steht: Irrtmlich ausgelassen, durch einen Zusatz welchen
ich sp"ter einbaute./
/301/ AE: 215

Nicht er war der Initiator, sondern sein Reichsauenminister dies ist klar, und geht
aus den Dokumenten hervor. Aber auch er hatte selbst als Gesandter, zu
gehorchen und da(sic) zu machen, was ihm angeordnet wurde.
Um wievieles mehr an Gehorsam hatte ein Referent zu leisten. -
Himmler hatte im Oktober 1943 vor seinen SS-Gruppenfhrern, also vor seinen
SS-Gener"len, in Posen eine Rede gehalten. Unter anderen Punkten, behandelte er
das Kapitel ,Gehorsam".
Er fhrte aus:
,Gehorsam wird im soldatischen Leben morgens, mittags, und abends gefordert
und geleistet. Der kleine Mann gehorcht auch immer oder meistens. Gehorcht er
nicht, so wird er eingesperrt.
Schwieriger ist die Frage des Gehorsams bei den h"heren Wurdentr"gern in Staat,
Partei und Wehrmacht, auch hie und da in der SS. Ich m"chte hier etwas klar und
deutlich aussprechen:
Da der kleine Mann gehorchen mu, ist selbstverst"ndlich. Noch
selbstverst"ndlicher ist es, da alle hohen Fhrer der SS, also das ganze
Gruppenfhrer-Korps, vorbilder des bedingungslosen Gehorsams sind. -------- In
dem Augenblick aber, in dem der betreffende Vorgesetzte oder der Reichsfhrer
SS - das kommt ja fr das Gruppenfhrer-Korps in den meisten F"llen in Frage -

/302/ AE: 216

oder gar der Fhrer entschieden und den Befehl gegeben hat, ist er auch
durchzufhren, nicht nur dem Wort und dem Buchstaben nach, sondern dem
Sinne nach. Wer den Befehl ausfhrt, hat dies zu tun als getreuer Walter, als
getreuer Vertreter der befehlsgebenden Gewalt. Wenn Sie zuerst glaubten, dies
w"re richtig und jenes w"re nicht richtig oder sogar falsch, dann gibt es zwei
M"glichkeiten.
Wenn einer glaubt, er k"nne die Befolgung eines Befehles nicht verantworten,
dann hat er das ehrlich zu melden: ich kann es nicht verantworten, ich bitte mich
davon zu entbinden. Dann wird wohl in den meisten F"llen der Befehl kommen:
Sie haben das doch durchzufhren.
Oder man denkt: der ist mit den Nerven fertig, der ist schwach. Dann kann man
sagen: Gut, gehen Sie in Pension. Befehle men aber heilig sein."
/am Rand Ziffer 62/

Das h"rt sich nun ganz sch"n an. Aber wenn man bedenkt, da es sich ja hier um
SS-Gener"le handelt, auf welche Himmler diese, seine Worte mnzte, dann sieht
es schon anders aus. Bezglich der kleineren Dienstgrade heit es ja auch: er hat
zu gehorchen; wenn nicht: einsperren. Ja, es ist eben genau da(sic), was ich
sagte: unsere damaligen Chefs hatten es in dieser Hinsicht einfacher. Auerdem
ist

/303-304/ AE: 217

es eine alte milit"rische Erfahrung, seit Generationen: je weiter dienstgradm"ig
herunter, desto rcksichtsloser und strenger, ,wird mit ihnen Schlitten gefahren".
-------
/weiterer Abschnitt von 6 Zeilen unleserlich gemacht/

-(20)-
Der Mensch unserer Tage insonderheit der Stadtmensch lebte und lebt in der Hast
und der Hetzjagd, im tagt"glichen Kampf um seine Existenz. Diese Arbeiterei und
Plackerei, der er zur Versorgung seiner selbst und der seiner Angeh"rigen
unterworfen wurde /Zusatz von Seite gegenber: oft genug unter Umst"nden, die
ihn rein nervlich bis an den Rand des gerade noch Ertr"glichen treiben,/ ist zur
eigentlichen Inhaltsflle seines Daseins geworden. Und mit zunehmender Dichte
der Erdbev"lkerung wird dieser Daseinskampf in zunehmendem Mae
rcksichtsloser und brutaler.
Er l"t ihm zur Sammlung geister(?) Werte, an denen er sich innerlich aufrichten
k"nnte stets weniger Zeit und Mue. Ja, darber hinaus wird es ihm, infolge
seines abgek"mpften Zustandes in physischer und psychischer Hinsicht, stets
schwerer, berhaupt noch ein Interesse fr eine solche Wertesammlung,
aufzubringen. Dafr wird an Stelle solcher Verlangen ein potenzierter Egoismus,
verbunden

/305/ AE: 218

mit einer pessimistischen Grundeinstellung zu den Dingen des Daseins, und wenn
er es je noch bedenken sollte, zu den dingen berhaupt, allwaltend.
Eine auf dieses Milieu abgestimmte staatliche oder prarteiliche
Propaganda, wird hier stets ihre Erfolge zeitigen.
In Deutschland beispielsweise vegetierte zur Zeit des Werdens der
,Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" ein Millionarbeitslosenheer,
mehr schlecht als recht, dahin.
Die verschiedenen politischen Str"mungen mit ihren demagogischen
Aufrufen, werden dem Individuum mittels einer psychologisch spezialisierten
Propagandamaschinerie aufgedr"ngt, und beeinflut schlielich dessen sittliche
Grundhaltung durch Richtungsabdr"ngung in das von Partei oder Staat
gewnschte Denken und Tun.
Die ursprngliche Verschiedenheit der Gesinnung, den Einzelcharakteren
entsprechend, wird in eine Norm gebracht, wird ausgerichtet; soll gleichgeschaltet
werden. Damit aber geht die Voraussetzung einer individuellen Gesinnungsethik
verloren und an seine Stelle tritt eine staatliche oder parteiliche ,Massenethik",
besonderer Eigenart.
Das Individuum kann jetzt allenfalls wohl noch unterscheiden und
entscheiden, was wertvoll und was gem" seiner Einstellung und seinem
Empfinden nach den allgemein gltigen sittlichen

/306/ AE: 219

Werten zuwiderl"uft, aber er kann dem eigenen Denkresultat oder seinem eigenen
Empfinden dann keinen sichtbaren Ausdruck mehr verleihen, wenn der
Totalit"tsanspruch einmal staatlich-exekutiven Charakter angenommen hat, ohne
pers"nliche, leibliche Gefahr auf sich zu nehmen; ja, selbst solch ein Opfer wird
keine nderung des befohlenen Allgemeinzustandes herbeifhren.

/2 Zeilen unleserlich gemacht/
Der Handlungsfreiheit kann nur noch in jenen Bahnen Ausdruck verliehen
werden, deren Richtung und Ziele der Staatsfhrung genehm ist. Und anstatt da
die menschlichen Triebwerte im Hinblick auf ein gedeihliches Zusammenleben
der Menschen untereinander, zugunsten der moralischen Werte eine Unterordnung
erfahren, ist es gerade umgekehrt. Mit eine der Konsequenzen ist dann schlielich,
da an Stelle der gebotenen Rcksichtnahme auf die Interessen und Rechte
anderer V"lker, das Recht gesetzt wird, welches dem eigenen Volke alleine
ntzen soll, ohne Beachtung der Lebensnotwendigkeiten und des Lebens anderer
Gemeinschaften, ja sogar auf Kosten dieser.
Solange dieser Zustand nicht ge"ndert wird, gibt es unbarmherzig weiterhin
Katastrophen im V"lkerleben, so sicher wie das Amen in der Kirche. Und der
Parlamentarismus verstecke sich nicht hinter der Tr"stung, da solches doch nur
in

/307/ AE: 220

totalit"ren Staaten m"glich w"re und das(sic) diese alleine die ausl"senden
Ursachen w"ren. Die geschichte gibt darauf ganz eindeutige Auskunft.
__.__

/1 Abschnitt von 9 Zeilen unleserlich gemacht; danach dieselben drei
Abschluzeilen wie unten, gestrichen/

Des Schicksals Walten stellte mich in's Sein, in's Leben: als Mensch.
Und ihm entschwinde ich, gleich der Reise eines Wanderers in der Nacht.
Ein jeder hat auf diesem Gleise vieles, da(sic) Schmerzen und auch Kummer
macht.
Ende des Teiles I
Adolf Eichmann
6 - 9 - 61
/308-309/ AE: 221

/die erste Seite ist leer, auf die Rckseite des Blattes sind etliche dreistellige
Zahlen gekritzelt, offenbar Seitenberechnungen des ersten Manuskriptteiles/

/310/

Quellen zum Teil I
/1/ Dok. 1182
/2/ Dok. 1451 (T 107)
/3/ Dok. 5
/4/ Dok. 1168
/5/ Dok. 2, 38
/6/ Dok. 462 (T 110)
/7/ Dok. 77
/8/ Dok. 505 (T 115)
/9/ Dok. 1508
/10/ Dok. 1512, 1516, 1515 /daneben notiert, gestrichen: Dazu die L"wenherz-
Aktennotitzen, es sind deren glaublich 30. Aber die Nummern (Staatsanwalt No)
fehlen mir. Man mu sie hier einsetzen. Aber nur die vor 1945 von ihm
geschriebenen./
Dok. 1139
Dok. 1129 bis 1138
Dok. 1139, 1140

/11/ Dok. 1169
/12/ Dok. 1139
/13/ Dok. 1571 (N 33)
/14/ Dok. 1171, 1176 /daneben notiert gestrichen: und die L"wenherz-
Aktennotitzen, (diejenigen, welche vor 1945 geschrieben wurden.)/

/15/ Dok 91
Dok 108 /gestrichen, noch lesbar: Ich wei nicht auswendig, ob es genau
No 91 oder 61 ist. Bitte nachsehen./
Dok. 784.
/16/ Dok. 1129.
/17/ Dok. 296.
/18/ Dok. 1193,
/19/ Dok 889, 1236, /gestrichen: 1557/ 541, 172 (Seite 7),
/20/ Dok. 192, 1181, 1557,
/21/ Dok. 1194, 1058, 550, 855, 1197.
/22/ Dok. 1397, 1396, 1087,
/23/ Dok. 1398,

/311/

Quellenverzeichnis zum Teil I.
(Fortsetzung)

/24/ Dok. 1588, 36, 51, 554, 921.
/25/ Dok. 1399
/26/ Dok. 1398
/27/ Dok. 1485, 468, 1405, 1403, 1485, 14, 1458, 1488, 1461, 1400,
/28/ Dok. 1486, 1487
/29/ Dok. 172
/30/ Dok. 728, 738
/31/ Dok. 503, 197, 1064, 948, 1027
/32/ Dok. 874,

/33/ Dok. Poliakow ,schwarz" Seite 197 (Poliakov Dok. No 246)

/34/ Dok. IMT XIV, S. 467 (Aussage Schirach's vor dem Intern. Milit.
Tribunal)
Dok. IMT XIV, S. 560
Dok. 1634
Dok. 1462, 1407, 1408.

/35/ Dok. 1395
/36/ Dok. 461
/37/ Dok. 1247, 1248, 1545, 1544, 1446, 504, 1193, 406, 1197, 42
/38/ Dok. IMT XXIII Seite 534, PS-3921
Dok. 1193 (Seite 2), 138, 139.

/39/ Dok. hat Dr. Servatius. Wetzel'sches Handschreiben, samt den Entwrfen
und Klartext. Die Nummern habe ich nicht; men besorgt werden, da die Sache
wichtig und interessant ist.

/312/

/40/ 946, 890, 1101, 465, 947, 74, 597.
/41/ 841, 842, 876, 446, 877, 1206, 106, 878
/42/ 174
/43/ 701
/44/ 389
/45/ 1588, 36, 51
/46/ ,Der Kommandant von Auschwitz"
,Captain Payne-Best, the ?? Incident, London 1950, S. 186 u. 227."
,Die Zeugenaussagen des SS-Richters Morgan, in Nrnberg"
Wdie Zeugenaussagen H" in Nrnberg und in Polen"
,Filip Friedmann, This was Oswiccim"
,Bayle, Croix Gammee contre Cadmee(?)"

/47/ Dok. 1253
Dok. 1537

/48/ Dok. 1174
/49/ Dok. 285, 1411, 1412, 287, 286, 1413, 289, 284,
/50/ Dok. 119, 728, 738, 739, 187, 1175
/gestrichen, noch lesbar: (Die Dokumente ,Sonderkonto W" men noch
angefhrt werden. Ich kenne die Nummern nicht!)/

/51/ Dok. 1505, 468 (Seite 4 u 6), 1248
/52/ Dok. 1498,
/53/ Dok. 46, 913 (Seite 4), 175 (Seite 2) 912 (Seite 5775/76) 914, 874.
/54/ Dok. 843

/313/ AE: 4

/55/ Dok. 773, 6, 29, 500, 235, 129, 395
/56/ Poliakov (rot) Seite 301 u. 302
/57/ Dok. 410
/58/ Dok. 1254, 1255
/59/ Dok. 865, 866, 867, 868, 869, 936, 937, 938, 939, Dok. N 19., und Aussage
Krumez Antsgericht Frankfurt a/Main v. 6. 6. 1961.

/60/ Dok. 558
/61/ Dok. 168, 506; Zeugenaussagen: Six 1961 in Deutschland
v. Thadden 1945-1948 in Nrnberg
und 1961 in Deutschland
/62/ Dok. 150

/314/
G"tzen Teil II.
Inhalt
Quellenverzeichnis ............. 20 Seiten
Teil II. (Seite 1 - 193 und 2 Seiten (1a, 1b.) als ,Eingang"
(unterteilt in 15 Abschnitte)
194 Seiten (einhundertneunzig und sechs als laufende Blattzahl.
Adolf Eichmann /Unterschrift/
6 - 9 - 61

/315/

II. Teil

/316/
AE 1A = 1a,
Teil II
- 1 -
Wenn in den letzten 15 Jahren, Publizisten in Wort oder Schrift, sich mit meiner
Person besch"ftigten, dann kann man beim Studium der Ver"ffentlichungen die
Wahrnehmung machen, da es hier zum Beispiel heit: ja, eine Beteiligung
Eichmann's an den Massakern im Osten behaupten zu wollen, erscheint wohl
abwegig, aber er war der Verantwortliche fr die L"sung der Judenfrage in allen
von Deutschland besetzten oder beeinfluten brigen Gebieten Europas.
Nun, nachdem ich darauf in den Mittelpunkt solcher Beschreibungen gestellt
wurde, ist es fr mich nicht ganz einfach, gerade ber das Kapitel West- Nord-
Sd und Sdosteuropa zu sprechen, ohne bei schier jedem Satz in die pers"nliche
Verteidigungsstellung zu gehen. Solches aber langweilt. Auf der anderen Seite
aber, scheint es doch auch wieder selbstverst"ndlich, da jemand, der fr etwas
nicht verantwortlich war, also nicht der Drahtzieher, Initiator oder der Befehlende
war, wohl aber dessen beschuldigt wird, da sich ein solcher also, gegen falsche
Beschuldigungen zur Wehr setzt; denn sonst erg"be es ja ein falsches Bild. Ich
habe daher die beste und zugleich einfachste L"sung gefunden, in

/317/
AE 1B 1b
der Form, als ich glaube, da es hier fr die Erziehung eines objektiven Bildes das
Beste ist, weitgehend die damaligen amtlichen Dokumente selbst, mit ihren
eigenen Worten sprechen zu lassen. Dadurch wird erreicht, da selbst jede
m"gliche Unterstellung etwa, ich sei mit "Aalgl"tte oder Doppelzngigkeit" an
die Beschreibung der Materie herangegangen, von vorneherein verunm"glicht
wird. Eine solche Betrachungsweise, die ich mit pers"nlichen Erinnerungen und
Meinungen illustriere, scheint mir ein recht wahrheitsgetreues und anschauliches
Bild zu vermitteln, just da, was der Leser ja wissen will, n"mlich: was war denn
nun wirklich damals das. Was ist wahr und was ist Geflunker. Und der Leser
selbst wird es sein, der sich abschlieend eom klares Urteil ber das Tats"chliche
an dem Geschehen bilden kann.

/318/
AE 1
I
II. Teil
- 2 -
A. Frankreich
Am 21. Juni 1940 wurde in dem historischen Spreisewagen der "Internationalen
Schlafwagengesellschaft" in Campiegna der Waffenstillstand zwischen
Deutschland und Frankreich vereinbart.
Am 3. Aug. 1940 teilt der damalige ReichsauenministerJoachim von Ribbentrop,
dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Berlins, folgendes mit. (1) Hitler
habe gem" seinem Vorschlag den bisherigen Gesandten, Abetz, zum Botschafter
ernannt und ihm fr Frankreich u.a. folgende Aufgaben bertragen:
One.) Beratung der milit"rischen Stellen in politischen Fragen.
Two.) St"ndiger Kontakt mit der Vichy-Regierung und ihren Beauftragten im
besetzten Gebiet.
Three.) Beratung der Geheimen Feldpolizei und Geheimen Staatspolizei bei der
Beschlagnahme politisch wichtiger Dokumente.
Four.) Sicherstellung und Erfassung des "ffentlichen Kunstbesitzes, ferner des
privaten und vor allem jdischen Kunstbesitzes auf Grund besonderer hierzu
erteilter Weisungen.
Ferner hatte Hitler ausdrcklich angeordnet, da ausschlielich Botschafter Abetz
fr die Behandlung aller politischen Fragen im besetzten und unbesetzten

/319/
/gegenber S. 2/

Bemerkung fr die Zensur:
Diese schriftstellerische Arbeit kann nicht mit der Waage der Rechtsparagraphen
gewogen werden. (Unterschriftskrzel)

/320/
AE 2
Frankreich verantwortlich ist.
Weiter teilt Ribbentrop mit, da der Botschafter die Weisungen zur Durchfhrung
seiner Aufgaben von ihm erhalte und ihm ausschlielich hierfr verantwortlich
sei.
Dies war eine Bestellung mit ungeheuren Vollmachten: Und so nimmt es nicht
Wunder, da Abetz bereits in einer Besprechung am 17. Aug. 1940 anregt, die
Milit"rverwaltung in Frankreich m"ge anordnen, da mit sofortiger Wirkung
keine Juden mehr in das besetzte Frankreich hereingelangen. Ferner verlangte er
die Vorbereitung zur Entfernung aller Juden aus dem besetzten Gebiet und
schlielich die Prfung, ob das jdische Verm"gen im betzten Gebiet enteignet
werden kann. (2)
Der Chef der Milit"rverwaltung im besetzten Frankreich hatte diese
Angelegenheiten nun von der brokratisch-administrativen Seite aus zu
bearbeiten.
Um die gleiche Zeit hat das Ausw"rtige Amt in Berlin, den Pers"nlichen Stab des
Reichsfhreres SS, um Stellungnahme zu der Anfrage Abetz, ber antisemitische
Manahmen, die als Grundlage dienen k"nnten, sp"ter auch die Juden aus dem
nichtbesetzten Frankreich zu entfernen. (3)
Und am 20. Sept. 1940, beeilte sich Heydrich unter dem Briefkopf "Der Reichs-
/321/
AE 3
Fhrer SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern,
Aktenzeichen 5-IVD6-776/40 gRs.", dem Anfrager, SA Standartenfhrer,
Gesandten Luther, die Antwort zu geben.
Er habe keinerlei Bedenken gegen die Durchfhrung der von Abetz geplanten
Manahmen und sei auch mit deren Erledigung durch die franz"sischen Beh"rden
einverstanden.
Abetz aber ging bereits einen Schritt weiter als wie es bisher gesehen hatten, denn
er verlangte die Meldepflicht der im besetzten Gebiet ans"igen Juden, die
Kenntlichmachung der jdischen Gesch"fte und die Einsetzung von Treuh"nder
fr jdische Verm"gschaften, deren Besitzer geflohen waren. (4)
Eine entsprechende Einschaltung der in Frankreich stationierten deutschen
Sicherheitspolizei aber - so meinte Heydrich - sei empfehlenswert.
Und am 1. Oktober 1940 ergeht ein weiterer Vorschlag von Abetz in 19 facher
Ausfertigung, an die verschiedensten Zentralbeh"rden, indem er in Zukunft fr
das besagte Gebiet Frankreich, Kollektivausbrgerungsverfahren fr n"her
genannte jdische Personengruppem durchgefhrt wissen will. Er meint
abschlieend, da diese angeregt Manahme nur als erster Schritt zur L"sung des
Gesamtproblems anzusehen sei. (5)

/322/
AE 4
Die franz"sische Regierung in Vichy hatte inzwischen in der Person von Xavier
Vallat, einen "Kommissar fr Judenfragen" ernannt. Dieser sprach am 3. April
1941 in der deutschen Botschaft in Paris vor. Abetz berichtete an das Ausw"rtige
Amt, wie folgt:
"Damit in einer sp"teren Stufe "auch die alteingesessenen" durch die gleichen
Manahmen wie die ausl"ndischen und neu naturalisierten Juden erfat werden
k"nnen, ist schon jetzt ein Gesetz notwendig, da den franz"sischen
Judenkommissar erm"chtigt, "alteingesessene" Juden, die gegen die spezialen und
nationalen Interessen der franz"sischen Nation verstoen haben, zu
"ausl"ndischen" zu erkl"ren."
Er habe Xavier Vallat geraten, seiner Regierung in Vichy, ein solches Gesetz
vorzuschlagen. (6)
Bereits am 4. Okt. 1940 hatte die franz"sische Regierung ein Vichy einen eigenen
Judenstatut erlassen, in dem u.a. die Unterbringung jdischer Ausl"nder in
besonderen Konzentrationslagern vergesehen war; und mit Erla IVD6-229/40 v.
30 Okt. 1940 des Reichsfhrers SS-Chef der Sicherheitspolizei u. des SD, wurde
die Errichtung besonderer Konzentrationslager fr die Juden deutscher,
"sterreichischer, ?loslowatischer und polnischer Staatsangeh"rigkeit,angeordnet.
Dieses teilte der Beauftragte des Chefs der

/323/
AE 5
Sicherheitspolizei u. des SD, fr Belgien und Frankreich, mit dem Sitz Paris, Dr.
Knochen, dem Chef der Milit"rverwaltung Frankreich, am 28. Jan. 1941, mit. (7)
Ich habe hier an Hand der Dokumente einen kurzen Abri des legislativen
Fundamentes, welches zur Behandlung der Judenfrage in Frankreich geschaffen
wurde, aufgezeigt. Weder ich, noch mein Dezernat trat bisher dabei in
Erscheinung. Es wurde durch andere Dienststellen bearbeitet. Der in meinem
Referat kurze Zeit dienstlich t"tig gewesene SS-Hauptsturmfhrer Dannecker,
wurde gem" Befehl meines Amtschefs seiner T"tigkeit im
Reichssicherheitshauptamt enthoben und als Refernt dem Beauftragten des Chefs
der Sicherheitspolizei, nach Paris versetzt.
Inzwischen war gem" einer Anordnung G"rings die Auswanderung von Juden
aus dem Raum des ,Grodeutschen Reiches", auch w"hrend des Krieges, im
Rahmen der gegebenen M"glichkeiten, verst"rkt durchzufhren. Und da um jene
Zeit nur ungengende Ausreisem"glichkeiten, besser gesagt,
Einwanderungsbewilligungen, zur Verfgung standen, wrde eine Auswanderung
von Juden aus Belgien und Frankreich, diese wenigen M"glichkeiten weiterhin
schm"hlern. Daher sei eine Auswanderung aus diesen Gebieten zu verhindern.

/324/
AE 6
Abschlieend wird auf die zweifellos kommende Endl"sung der Judenfrage
hingewiesen. Dies wurde am 20. Maai 1941, allen Staatspolizeistellen, den
Beh"rden in Frankreich, den SD-Dienststellen, sowie dem Ausw"rtigen Amt in
Berlin, mitgeteilt. Ein Sachbearbeiter von mir hatte dieses Schreiben, gem" eines
Disposition meines Amtschefs om Reichsicherheitshauptamt, aufgesetzt; ich hatte
dem Sachbearbeiter (IVB4b) die Richtpunkte des Chefs diktiert.
Mein damaliger mir unmittelbar vorgesetzter Chef, der SS-Gruppenfhrer und
Generalleutnant, der Polizei Heinrich Mller, mu einige Tage krank oder
dienstlich unterwegs gewesen sein - eine Tatsache, welche zu den allergr"ten
Rarit"ten z"hlte - denn sein damaliger Vertreter Schellenberg, unterschrieb diesen
Runderla. Jener Schellenberg, der dann sp"ter nach der Ausbootung von Canaris,
zu unumschr"nkten Herren der Deutschen Spionage und Contraspionage, kurz
,Abwehr" genannt, werden sollte. (8)

Ich schnitt eben das Wort ,Endl"sung der Judenfrage" am. Um jene Zeit war
gem" meiner Erinnerung, unter diesem Begriff der bereits unter meiner
Mitwirkung fertiggestellte ,Madagaskarplan" noch zu verstehen, der diesen
,Betreff" fhrte und ber den an anderer Stelle dieser Arbeit

/325/
AE 7
ausfhrlicher berichtet ist. Die nun folgenden Zeilen, werden zeigen, wie dieser
Plan - abgesehen von der sp"teren milit"rischen und politischen Lage, durch
welche er berholt wurde - torpediert worden ist.
Ein Legationrat Dr. Zeitschel war in Paris zur Betreuung der dort befindlichen
Diplomaten angestellt worden. Dies teilte Abetz dem Milit"rbefehlshaber in Paris
mit. Dieser Dr. Zeitschel machte am 22. Aug. 1941, eine Aufzeichnung fr den
Botschafter Abetz. In dieser heit es, da die fortschreitende Eroberung und
Besetzung der weiten Ostgebiete, das Judenproblem in ganz Europa in krzester
Zeit zu einer engltigen, befriedigenden L"sung bringen k"nnte. Man mte dort
ein besonderes Territorium fr sie abgrenzen. Durch einfache milit"rische Befehle
k"nnten die Juden der besetzten Gebiete wie Holland, Belgien, Luxemburg,
Norwegen, Jugoslawien, Griechenland, in Massentransporten in das neue
Territorium abtransportiert werden und den brigen Staaten nahegelegt werden,
dem Beispiel zu folgen. Der Madagaskarplan sei zwar an sich nicht schlecht,
drfte aber auf unberwindliche Transportschwierigkeiten stoen, da die
Welttonnarge zu anderen Dingen wichtiger gebraucht wrde, als groe Mengen
von Juden auf den Weltmeeren spazieren zu fahren. Ganz abgesehen davon, da
ein Transport von

/326/
AE 8
1e Millionen jahrelang dauern wrde.
Er schl"gt dem Botschafter Abetz nun vor, diese Angelegenheit dem
Reichsauenminister vorzutragen, damit dieser sich mit dem bereits ernannten
Minister fr die Ostgebiete, Rosenberg, und dem Reichsfhrer SS Himmler
zusammensetze, um die ganze Sache in dem von ihm vorgeschlagenen Sinn zu
prfen.
Das Transportproblem der Juden in die Ostgebiete wrde selbst w"hrend des
Krieges durchzufhren sein.
Er bitte weiter, bei dieser Gelegenheit auch besonders zu betonen, da in
Frankreich nicht gengend Lager zu Interniereung zur Verfgung stnden und
man sich infolgedessen mit allen m"glichen Gesetzen und sonstigen Vorschriften
durchhelfen me, die doch im Ganzen gesehen, nur vorbergehende und nicht
duchrgreifende Manahmen seien.
Schlielich schl"gt er Abetz vor, dieses Problem auch dem gerade jetzt fr
Judenfragen sehr empf"nglichen Reichsmarschall G"ring, nahezubringen, da er
sicher in seiner augenblicklichen Einstellung und nach seinen Erfahrungen des
Ostfeldzuges, eine starke Sttze in der Durchfhrung der entwickelten Idee sein
k"nnte.
Soweit Dr. Zeitschel.
Nun, dies muten freudige Kl"nge in den Ohren des Reichsauenministers von

/327/
AE 9
Ribbentrop gewesen sein. Behaglich war ihm sicherlich nicht zu Mute bei dem
Gedanken einer federfhrenden Einschaltung des aktiven Heydrich mit seinen
auenpolitischen Ambitionen; im Falle Madagskar. Schlimm genug fr Ribbentop
war schon, da ausgerechnet Heydrich mit dem Posten eines ,Stellvertretenden
Reichsprotektors" fr B"hmen und M"hren betraut wurde. Und Heydrichs
Machthunger war grenzenlos. Dabei war Heydrich schlau, raffiniert und in seinem
Sinne, von einer architekten"hnlichen Konstruktosit"t beselt; sehr im Gegensatz
zu Ribbentrop. Jedenfalls mu Abetz auf willige und freudige Aufnahme gestoen
sein, denn kurze Zeit sp"ter, oder war es zur selben Zeit fiel der Madagaskarplan
als integrale L"sung.
Und fr Frankreich selbst hatte Abetz, anl"lich seiner Anwesenheit im
Hauptquartier die Genehmigung Himmlers erhalten, da schon jetzt alle in den in
Frankreich befindlichen Konzentrationslagern einsitzenden Juden nach dem Osten
deportiert werden k"nnen, sobald dies die Transportmittel zulassen.
Dieses Ergebnis teilt Dr. Zeitschel am 8. Oktober 1941 dem Beauftragten des
Chefs der Sicherheitspolizei und des SD fr Belgien und Frankreich, zu H"nden
Danneckers, mit. (F"lschlicherweise heit es in dem Dokument
,Obersturmbannfhrer

/328/
AE 10
Dannecker. Ich kann versichern, da Dannecker nie ber den Dienstgrad eine SS-
Hauptsturmfhrers (Hauptmann) hinauskam und die den Dienstgrad eines SS-
Obersturmbannfhrers (Oberstleutnant) innehatte).
Er bittet, nachdem es ihm also gelungen sei in deser Richtung die prinzipielle
Einwilligung Himmlers zu erreichen, nicht locker zu lasen und alle paar Wochen
einen Bericht nach Berlin loszulassen, mit der dringenden Bitte, baldm"glichst die
Juden vom besetzten Frankreich abzuschieben. (9)
Damit also war die Befehlsgebung zur Deprotation von Juden aus Frankreich
erreicht. Die Polizei bekam die entsprechenden Weisungen und hatte zu
gehorchen. Was h"tte es beispielsweise gentzt, wenn ein Einzelner etwa h"tte
verlauten lassen, nein, ich will nicht. Die SS- u. Polizeigerichtsbarkeit w"re
eingeschritten und an seine Stelle h"tte ein anderer die Arbeit weiter zu fhren
gehabt.
Der Milit"rbefehlshaber in Paris dr"ngelte, der Botschafter dr"ngelte und dieses
Dr"ngeln hatte der Beauftragte des Chefs der Sicherheitspolizei u. des SD
entgegenzunehmen. Denn Himmler hatte genehmigt.
Sobald es die Transportmittel zulassen.

/329/
AE 11
Wann lassen sie es zu?
Paris bedr"ngte das Reichssicherheitshauptmat. Mein Chef, der Amtschef des
Amtes IV, befahl die Verhandlungsaufnahme mit dem zust"ndigen Dezernat des
Reichsverkehrsministeriums. Der Reichsfhrer SS, Himmler, und der Chef der
Sicherheitspolizei u. des SD, Heydrich, bestimmten den Personenkreis,
bestimmten die Ausnahmen, bestimmten die Zielstation im Osten, bestimmten die
Gep"ckkilogrammgrenze; alles im Einvernehmen mit dem Ausw"rtigen Amt und
anderen, politischen Zentralinstanzen, unter Angleichung an die erster
Deportierungswellen von Juden aus dem Altreichsgebiet, sterreich und dem
Protektorat B"hmen und M"hen, im Herbst 1941.
Kein Dezernent im Reichsverkehrsministerium h"tte sagen k"nnen, wir haben
keine Zge, die Transportlage erlaubt es nicht. Alles zusammen war ein
brokratisches R"derwerk, in dem ein R"dchen ein das andere greift.
Die Triebr"der der Hauptwellen waren im Falle Frankreich, Dr. Zeitschel, Abetz
und Ribbentrop; ferner Himmler und Heydrich.
Es ist keine Theorie.
Die Dokumente beweisen es.

/330/
AE 12
Die Deportationen aus Frankreich liefen an.
Am 23. Oktober 1941 befahl Himmler in seiner Eigenschaft als Reichsfhrer SS
und Chef der Deutschen Polizei, die Einstellung, besser gesagt, die Verhinderung
der Auswanderung von Juden mit sofortiger Wirkung. Die Evakuierungsaktionen
hatten davon unberhrt zu bleiben. (10)
Die Deportation wurde jedoch um die Wende des Jahres 1941/42, infolge des
Weihnachtsurlauberverkehrs noch einmal verschoben. Dies teilte der Amtchef IV
des Reichssicherheitshauptamtes, SS Gruppenfhrer und Generalleutnant der
Polizei, Mller, am Heiligen Abend des Jahres 1941 um 23 Uhr dem Beauftragten
des C.d.S. fr Frankreich und Belgien mit. /10 Zeilen gestrichen, unleserlich/ (11)
Am 28.2.1942 bekam ich Befehl, der Dienststelle Paris auf deren Anfrage vom
27.2.1942, mitzuteilen, da

/331/
AE 13
tausend Juden sofort nach Beendigung einer im Augenblick im Gang befindlichen
Fahrplanbesprechung deportiert werden k"nnen. (12)
Aber es gab offenbar immer noch Schwierigkeiten, denn die Brokratie aller
L"nder arbeitet eben in einem brokratischen Tempo. Befehlsgem" hatte ich fr
den 4.3.42 eine Judenreferenten-Besprechung in Berlin, abzuberaumen gehabt. In
dieser hatte der zust"ndige Referent des Beauftragten des Chefs der Sipo u. des
SD in Paris, neuerlich auf die Dringlichkeit einer sofortigen Deportierung
hingewiesen. Auftragsgem" hatte ich ihm eine Abnahme fr den Monat M"rz
1942 zuzusagen (13) /2 gestrichene Zeilen/ und bekanntzugeben, da
vorbehaltlich der endgltigen Entscheidung durch Heydrich, schon jetzt mit der
franz"sischen Regierung in Verhandlungen wegen Abschubs von fnftausen
Juden nach dem Osten eingetreten werden k"nne. Weisungsgem" habe es sich
dabei zun"chst um m"nnliche, arbeitsf"hige Juden, nicht ber 55 Jahre alt zu
handeln. Ferner sei dafr zu sorgen, da die Juden franz"sischer
Staatsangeh"rigkeit, vor dem Abschub oder sp"testens am Tage der Deportation
ihre Staatsange-

/332/
AE 14
h"rigkeit verlieren, und die Verm"gensabwicklung me gleichfalls erledigt sein.
(14)
Hier spuckte die von der Abteilung I des Reichsinnenministeriums ausgekochte
11. Verordnung zum Reichsbrgerschaftsgesetze, in den K"pfen meiner
Vorgesetzten herum.
Als Deportierungsbeginn war gem" Fahrplanregelung durch das
Reichsverkehrsministerium der 23.3.1942 vorgesehen. (15)
Nachdem durch die Initiative des Staatssekret"rs fr das Sicherheitswesen in
B"hmen und M"hren, Ritt. Frank und dem Reichsminster fr Volksaufkl"rung
und Propaganda Dr. Goebbels die Kennzeichnungspflicht fr Juden fr das Gebiet
des ,Grodeutschen Reiches einschlielich B"hmen und M"hren" bei Hitler
erwirkt war, gingen die Stellen der besetzten Gebiete daran, nunmehr auch die
Juden dieser Gebiete der Kennzeichnungspflicht zu unterwerfen.
Der Milit"rbefehlhaber in Frankreich erlie die vom Ausw"rtigen Amt, Berlin,
genemigte Verordnung am 7. Juni 1942. Gleichzeitig damit erfolgte seitens des
H"heren SS- u. Polizeifhrers in Frankreich, dem Vertreter Himmlers fr dieses
Gebiet, SS-Brigadefhrer und Generalmajor der Polizei Oberg

/333/
fr Juden ein Verbot, "ffentliche Einrichtungen zu betreten und an "ffentlichen
Veranstaltungen teilzunehmen.
/Der H"here SS- u. Polizeifhrer war gem" einem Befehl Hitlers, einzusetzen
und war noch nicht lange Zeit im Amte gewesen.Doch versprach man sich seitens
des Milit"rbefehlshabers, wie auch seitens der Stellen der "rtlichen
Sicherheitspolizei durch diese neue Regelung eine gnstige Auswirkung im
Hinblick auf die Endl"sung der Judenfrage - gestrichen/. (16)


/334/AE 15
II
Ich sagte schon, da der Beginn der Deportierung aus Frankreich zum 23.3.1942
vorgesehn war und im wesentlichen auch eingehalten werden mute. Sehr
aufschlureich in diesem Zusammenhang ist ein Fernschreiben des Chefs des
deutschen Sicherheitspolizei fr Frankreich, Dr. Knochen, an mein Referat vom
20.3.1942, worin er mir mitteilt, da der Milit"rbefehlshaber endgltig mitgeteilt
habe, da er seinerseits keine Bewachungsmanschaften fr die Deportierung der
ersten tausend Juden aus Campigne, bzw. Drancy, stellen k"nne. Er bittet daher
mit dem deutschen Oberkommando des Heeres diese Frage der
Transportbegleitmannschaften zu regeln, da dieses ja auch den Befehl zu
Inhaftierung und Deportierung dieser Juden ber das Hauptquartier Hitlers erwirkt
habe. Als Transportabgang wurde jetzt der 28.3.1942 genant. (17)
Es ergibt sich daraus, da neben Dr. Zeitschel - Botschafter Abetz -
Reichsauenminister v. Ribbentrop auch das Oberkommando des Heeres, fr den
Beginn, bzw. Das Anlaufen der Deportierungen aus Frankreich, verantwortlich
ist.
Freilich mute letzten Endes das Ausw"rtige Amt seine Zustimmung zu solchen
Deportierungen aus dem Ausland geben; zwar war es in diesem Falle eine
lediglich formelle brokratische Notwendigkeit, da ja sein Chef pers"nlich, also
Ribbentrop, das Einverst"ndnis dazu gegeben hatte. (18)
/335/
AE 16
Am 26. Jan. 1942 teilte Himmler dem Inspekteur fr das
Konzentrationslagerwesen, dem damaligen Generalmajor der Waffen SS Gl"cks,
mit, da er sich darauf einzurichten h"tte 100.000 m"nnliche und 50.000
weibliche Juden in den Konzentrationslagern aufzunehmen. Groe wirtschaftliche
Vorhaben seien in n"chster Zukunft zu verwirklichen. Sein Chef der Gegeral der
Waffen SS, Pohl, wrde ihn im einzelnen unterrichten. (19) Und am 1. Februar
1942, schuf Himmler innerhalb der Konzentrationslagerleitung, eine straffere
organisatorische Fhrung. Er ernannte Pohl zum Hauptamtchef des Wirtschafts-
und Verwaltungshauptamtes, dem Glcks als Chef der Inspektion, als Chef der
Amtsgruppe D, unterstellt war. (20)
Befehlsgem" mute ich fr den 11.6.1942 wieder einmal eine Besprechung in
Berlin anberaumen, zu der ich die Judenreferenten aus Paris, Brssel und Den
Haag, auf dem Diesntweg, zu laden ahtte. Glcks hartte inzwischen
Aufnahmevorbereitungen in Auschwitz getroffen und Himmler befahl die
Deportation von 100.000 Juden aus Frankreich, 15.000 aus den Niederlanden und
10.000 aus Belgien.
Gem" Himmlers Weisung war Grundbedingung, da die Juden zwischen 16 und
40 Jahre alt sind, wobei er 10 % nichtarbeits-

/336/AE 17
f"hige Juden tolerierte. Ab 13.7. 1942 sollten diese Transporte gefahren werden
und zwar w"chentlich deren drei. (21)
Als Himmler diesen Befehl seinem Chef der Sicherheitspolizei u. des SD erteilte
lebte dieser noch. Aber am 29. Mai 1942 wurde er durch eine Bombe, verletzt.
Sieben Tage sp"ter erlag er seinen Verwundungen.
Heydrich war tot. Himmler selbst bernahm die Leitung seines
Reichssicherheitshauptamtes und sollte sie bis anfang Januar 1943 beibehalten.
Erst um diese Zeit wurde Dr. Kaltenbrunner zum Nachfolger Heydrichs in sein
Amt eingefhrt.
Der Tod Heydrichs l"ste allenthalben versch"rfte Aktionen auch gegen die Juden
aus. Himmler befahl nunmehr, in Abweichung seines ursprnglichen Befehles,
s"mtliche Juden, ohne Rcksicht auf Altersgrenzen und Geschlecht zu
deportieren. Und zwar sobald als m"glich; sowohl aus dem besetzten, als auch aus
dem unbesetzten Teil Frankreichs. Ich selbst wurde auf Befehl meines Amtchefs
Mller nach Paris in Marsch gesetzt, um diesen Himmler-Befehl zu berbringen.
(22)
Der von Dannecker am 1.7.1942, nach seinen Notitzen von ihm in Paris
abdiktierte Vermerk, weist zwar eine Reihe von brokratischen Unm"glichkeiten
und M"ngeln auf, so

/337/ AE 18
beispielsweise der ,Kopf" (RSHA = Reichssicherheitshauptamt, IV B4, in
Verbindung mit dem Ort ,Paris" gibt es nicht). Der Vermerk ist weder beglaubigt
noch gesiegelt. Es ist werder meine, noch Danneckers Unterschrift.
Jedoch sinngem" erkl"re ich ihn als ungef"hr richtig wiedergegeben.

L"ngst schon war Dr. Knochen in Paris zum SS-Standartenfhrer und Oberst der
Polizei bef"rdert worden und seine Dienststellung war die eines Befehlshabers der
Sicherheitspolizei und des SD, in Frankreich. Nach dem Himmler Befehl,
s"mtliche Juden aus Frankreich zu deportieren, wurden seitens der "rtlichen
Stellen in Paris die Kontakte mit den franz"sischen Stellen aufgenommen
insenderheit mit dem franz"sischen Polizeichef Darquier de Pellepoix und dessen
Vertreter Laguay. Mit dem Chef der Judenkartei in der Pr"fektur Paris, Direktor
Tulard; ferner mit dem Vertreter des Pr"fekten Seine, Direktor Garnier; dem
Direktor der antijdischen Polizei Schweblin u.a.m. (23)
Das Unausbleibliche nach einer solch scharfen Befehlsgebung von h"chster
Stelle, trat ein.
Die Deportationen begannen im groen Stil.

/338/AE 19
Am 10.7.1942 teilte Paris meinem Dezernat mit, da 4000 jdische Kinder bei der
Verhaftungswelle auftreten wrden und verlangte dringende Fernschriftliche
Entscheidung darber, ob die Kinder der abzutransportierenden staatenlosen
Juden,vom 10. Transport ab, mit abgeschoben werden k"nnen. Elf Tage sp"ter
erhielt ich seitens meines Vorgesetzten Befehl, Paris mitzuteilen, da, sobald der
Abtransport in das Generalgouvernement wieder m"glich ist, diese Kinder
deportiert werden men.
Ich hatte um jene Zeit selbst drei kleine Kinder. Mehr m"chte ich hier an dieser
stelle nicht sagen. (24)

Und wieder einmal mute ich zu einer Arbeitstagung an die Judensachbearbeiter
des Auslandes, Einladungen ergehen lassen, und zwar fr den 28.8.1942. Der
Grund hierfr war Himmlers Befehl den Abschub der staatenlosen Juden bis Ende
des Kalenderjahres 1942 abzuschlieen und als Endtermin fr die Deportation der
brigen Juden hatte er Juni 1943 angeordnet.
In diesem Zusammenhang ist eine der berchtigten Rademacherischen
handschriftlichen Notitzen auf einem solchen Ladungsschreiben an den SS-
Hauptsturmfhrer Richter, Bukarest,

/339/AE 20
- welche ber das Ausw"rtige Amt zu leiten waren - bemerkenswert.
Er schreibt hier, da siche die Tagung mit technischen Fragen der Lagerfhrung
besch"ftige und fast ausschlielich aus zwei Besichtigungen von Lagern bestnde.
Die Phantasiererei des Legationsrates Rademacher vom Ausw"rtigen Amt
best"tigt am deutschsten ein Vermerk, den ein SS-Unersturmfhrer Ahnert, fr
seine Vorgesetzten in Paris gefertigt hat und worin er die Besprechungspunkte
geanu schildert. Der Vermerk datiert vom 1. Sept. 1942. Die einzige Stelle,
welche etwas mit ,Lagern" zu tun haben k"nnte, ist jener Punkt, indem es heit,
da ich die Tagungsteilnehmer ersuchte, ,den Ankauf der durch den Befehlshaber
der Sicherheitspolizei Den Haag, bestekkten Baracken sofort vorzunehmen. Das
Lager soll in Ruland errichtet werden. Der Abtransport der Baracken k"nne so
vorgenommen werden, da von jedem Transportzug 3 - 5 Baracken mitgefhrt
werden." Ich habe hier einen Befehl meiner Vorgesetzten weiter gegeben.
Offenbar h"rte Rademacher irgend etwas und reimte sich eine Notitz nach seiner
Art, zusammen. (25)

/340 - 341/ AE 21
Himmler schrieb im Dezember 1942 an meinen Amtchef Mller: ,Ich ordne an,
da von den jetzt in Frankreich noch vorhandenen Juden łebenso von den
ungarischen und rum"nischen Judenł /Einfgung von Seite 340/ alle diejenigen,
die einflureiche Verwandte in Amerika haben, in einem Sonderlager zusammen
zu fassen sind. Dort sollen sie zwar arbeiten, jedoch unter Bedingungen, da sie
gesund sind und am Leben bleibem. Diese Art von Juden sind fr uns wertvolle
Geiseln. Ich stelle mir hierunter eine Zahl von rund 10.000 vor." (26)

So aber war der bisherige Ablauf in Frankreich. Jeder dr"ngte, und jedermann in
den verschiedenen Zentralinstanzen, so er mir eine eingermaen einflureiche
Stellung innehatte, wollte seine ,Lauterkeit als nationalsozialistischer
Amtsstelleninhaber" durch Antreiben und Vorschl"ge im Hinblick auf ,L"sung
der Judenfrage" unter Beweis stellen.
Den Druck, der dann von oben kam, mute die Polizei aushalten. Sie wurde
einfach befallen; ihr wurden Termine gestellt. Allen ging es zu langsam; alles
fand die verzapfte polizeiliche Brokratie fr zu langatmig. Die Polizei, welche
den gesamten Mist, der in den Zentralnstanzen zusammengebraut wurde, dann
durchzufhren hatte. Aber so war es und so wird es wohl auch /immer -
gestrichen/ bleiben. Daher sage ich,

/342/ AE 22
da der Polizeidienst, zumal den Dienst in einer politischen Plozei, das
Schlimmste ist, womit einem das Schicksal strafen kann. Es ntzt auch gar nichts,
wenn man etwa sagen wrde, da wenn jedermann seine Finger aus einer
politischen Polizei liee, es eben keine gebe. Solange es den Befehl gibt, in
Verbindung nit dem herrschenden System im Zusammenleben der V"lker,
solange wird es auch politische Polizeien geben. Trotz Cartas, UNO, nur trotz Tod
und Teufel.

Nun, ich will nicht jetzt fortfahren zu schildern, wie die Dinge weiter liefen.
Zuvor nur noch dies: w"re ich anstatt Befehlsempf"nger, Befehlsgeber gewesen,
w"re ich anstatt Adolf Eichmann, nun sagen wir einmal nur Dr. Zeitschel, dann
wrde ich nicht in der Lage sein, auch nur eine Zeile aus dem ganzen grausigen
Geschehen zu berichten; denn bei jedem Wort mte ich die Anklage h"ren ,Du
bist der Schuldige". Und die Feder wrd sich in meiner Hand streuben. Aber ich
habe, /Zeile gestrichen/, weder solche noch "hnliche Vorschl"ge gemacht. Daher
kann ich jenes, was geschah auch berichten. Dies fiel mir gewissermaen so
nebenbei gerade ein. Und wenn gleich solche Gedanken eingentlich in ein anderes
Kapitel dieser Arbeit geh"rten, so nahm ich mir trotzdem nicht die Mhe, es

/343/ AE 23
sorgsam abw"gend an seine, eigentlichen Platz festzunageln, de der Meinung, da
wer dies alles lesen will, ohnedies von selbst an diese Stelle kommt.
Es ist ein Vermerk der Beamten der Dienststelle das Befehlshabers der
Sicherheitspolizei u. des SD, Paris, vom 9.9.1942, erhalten geblieben. In diesem
lesen wir: ,Nach dem vom Reichsfhrer SS vertraulich bekannt gegebenen Plan
sollen die von Deutschland besetzten Gebiete bereits bis zur Mitte des Jahres 1943
judenfrei sein." (27)
Und der nunmehrige Unterstaatssekret"t im Ausw"rtgen Amt zu Berlin, Luther
informiert am 24. 9.1942 seinen Staatssekret"r v. Weizs"cker, da ihm der
Reichsauenminister eben telephonisch die /folgende - gestrichen/ Weisung
erteilt habe, da die Evakuierungen der Juden aus den verschiedensten L"ndern
Europas m"glichst zu beschleunigen seien. Luther hatte Ribbentrop kurz ber die
im Gange befindlichen Judendeportationen aus der Slovakei, Kroatien, Rum"nien
und den besetzten Gebieten Vortrag gehalten. Der Reichsauenminister - so f"hrt
Luther in seiner Dienstnotitz fort -, habe angeordnet, da das Ausw"rtige Amt
nunmehr an die bulgarische, an die

/344/ AE 24
ungarische und an die d"nische Regierung herantreten soll, mit dem Ziel, die
Judendeportationen aus diesen L"nadern in Gang zu setzen.
Nur bezglich Italien habe sich der Reichsauenminister das Weitere selbst
vorbehalten; denn diese Frage solle entsprechender zwischen Hitler und
Mussolini, oder zwischen den Auenministern Deutschlands und Italiens,
pers"nlich besprochen werden. (28)
Inzwischen hatte sich n"mlich nicht nur die Haltung Frankreichs bezglich der
weiteren Judendeportationen versteift, sondern auch - und ganz besonders -
seitens Italien wurden dem diesbezglichen Wollen der Deutschen
Reichsregierung, die gr"ten Schwierigkeiten in die Wege gelegt.
Auf die von Himmler befohlene v"llige Entjudung aller besetzten Gbiete, bis
Mitte 1943, schickte sein "stlicher Vertreter in Frankreich, der H"here SS u.
Polizeifhrer , /Zeile gestrichen/, an Himmler ein Fernschreiben, in dem er ihm
die besonderen Schwierigkeiten der Regierung Laval und die Einstellung Ptain`s,
schilderte; insbesonderlich im Hinblick auf eine Deportation von Juden mit
franz"sischer Staatsangeh"rigkeit. Die Haltung Italiens war fr

/345/ AE 25
die franz"sische Regierung gleichsam das Fanal.
Himmler schlo sich auch - wenigstens rein "uerlich - der durch Oberg?
Dargelegten Auffassung an und verfgte, da zun"chst keine Juden franz"sischer
Staatsangeh"rigkeit festgenommen werden drften. Damit war eine weitere
Deportation in gr"erem Stil zun"chst nicht m"glich.
Himmler hatte augenscheinlich seinen eigenen ,Entjudungsbefehl"
zurckgenommen; aber wie gesagt, nur augenscheinlich.
Er hatte um jene Zeit, es sit der September 1942 noch immer die Leistung seines
Reichsicherheitshauptamtes selbst in H"nden und er befrchtete ein Ausbreiten
einer versteifenden Haltung in der Judenfrage auf die anderen europ"ischen
L"nder, insoweit sie unter deutschem Einflu standen. (29)
Er schickte daher nun seinen h"chsten milit"rischen Dienstgrad ber den er
befahl, den SS-Oberstgruppenfhrer und Generaloberst der Polizei, Daluege, zur
Kl"rung der Situation nach Paris und Marseille. Vor allem konnte er sich an Ort
und Stelle ber eine neue Note der italienischen Regierung an Laval, dem
Ministerpr"sidenten der Vichy-Regierung,
/346/ AE 26
informieren, in der die Italiener den Franzosen mitteilten, da sie zwar keine
Einwendungen gegen Manahmen franz"sischerseits, in den von Italien besetzten
Gebiet, betreffend die Juden franz"sischer Staatsangeh"rigkeit machen, da sie
aber ihre H"nde von den Juden ausl"ndischer Staatsangeh"rigkeit weg zu lassen
h"tten.
Dies mute Laval naturgem" in groe Schwierigkeiten bringen. Er brachte dies
den deutschen Stellen offiziell zur Kenntnis und bat sie um entsprechende
Untersttzung.
Der Bericht Dalueges an Himmler liegt nicht vor; aber der Inhalt ist nicht sehr
schwer zu erraten. Im brigen werden die n"chsten Seiten, die nun folgende
Aktivit"t in gengendem Mae aufzeigen.
Neben dieser Informatinsreise des Generalobersten Daluege, schrieb der
Befehlshaber der Sicherheitspolizei u. des SD Paris, am 13. Jan. 1943 an meinen
Amtchef Mller und bat ihn, Himmler m"glichst umgehend von dieser Methode
der Itliener in Kenntnis zu setzten; und er schlo mit der Feststellung, da beim
derzeitigen Stand der Dinge nicht damit gerechnet werden k"nne, da in den
n"chsten Zeiten Juden franz"sischer Staatsangeh"rigkeit berstellt werden
k"nnen. (30)

/347/ AE 27
So also hatten sich die Dinge seit dem Schreiben des H"heren SS- u.
Polizeifhrers in Frankreich an Himmler, vom 26. Sept. 1942, versteift. Auch der
an der deutschen Botschaft unter dem Botschafter Abig diensttuende Gesandte
Schleier, berichtet am 23. Jan. 1943, an das Ausw"rtige Amt, da eine
grunds"tzliche Bereinigung der Judenfrage nur durchgefhrt werden k"nne, wenn
es gelingt, die Italiener auf die Linie der deutschen Judenmanahmen zu bringen
und er erbitttet Drahtanweisungen ber weitere Behandlung der Angelegenheit.
(31)
Der Schwerpunkt der Deutschen sicherheitspolizeilichen Dinge in dieser Hinsicht
auch der des Ausw"rtigen Amtes, wird nun vorbergehend nach Rom verlegt.
Ein Geheimbericht des franz"sischen Pr"fekten in Nizza, den dieser nach Vichy,
an seinen Ministerpr"sidenten gerichtet hat, gelangt zur Kenntnis der deutschen
Sicherheitspolizei in Paris und Dr. Knochen schickt ihn an Mller ebenfalls mit
der Bitte um umgehende Vorlage an Himmler, da er auerordentlich
aufschlureich fr die Haltung der Italiener in der Judenfrage sei. (32)
In diesem Zusammenhang ist es interessant, die damalige offizielle Lesart der
italienischen Haltung zu h"ren. Der Befehlshaber der IV. Italienischen

/348/ AE 28
Armee, hatte den zust"ndigen franz"sischen Stellen mitgeteilt, ,die italienische
Regierung gestatte nicht, da Personen, die sich einer anti-italienischen oder anti-
deutschen Propaganda hingeben k"nnteb, ihrer Aufsicht entzogen wrden." Dies
teilte der Befehlshaber der Sicherheitspolizei Dr. Knochen, am 3. Februar 1943,
dem deutschen Oberbefehlshaber West, ber den Milit"rbefehlshaber in
Frankreich, mit. Und er bemerkte, da auf eine Entfernung aller Juden aus allen
Grenz- und Kstendepartements des neubesetzten Gebietes, aus dringenden
Sicherheitspolizeilichen Grnden bestanden werden mte und bat um
Intervention bei dem italienischen Oberbefehlshaber in Sdfrankreich. (33)
Inzwischen wurde seitens des Ausw"rtigen Amtes die deutsche Botschaft in Paris
mobil gemacht und zur ersten offiziellen Fhlungnahme beim ital.
Auenministerium veranlat. (34)
Auch ich wurde durch meinen Amtchef Heinrich Mller nach Paris in Marsch
gesetzt, um Knochen, dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei, die Weisung ui
berbringen, ungeachtet aller Schwierigkeiten, die Deprtierung aller Juden
franz"sischer Staatsangeh"rigkeit durchzufhren. Ich berbrachte dies, gem"
Befehl meiner Vorgesetzten. Nichts zeigt deutlicher, meine

/349/ AE 29
Rolle als Nachrichtenbermittler, als der sofort nach meiner Auftragerledigung
von Dr. Knochen an Mller gerichtete Brief vom 12.Febr. 1943. Er nimmt auf
meine Mitteilung Bezug, nimmt ferner Bezug auf seine verschiedenen Berichte in
dieser Angelegenheit, geht sodann auf die m"glicherweise entstehenden
Komplikationen in politischer Hinsicht ein und teilt mit, falls die Deportationen
befohlen werden sollten, damit zu rechnen sei, da das franz"sische
Staatsoberhaupt Ptain, sich dagegen stellen wrde und sie verbeitet. Um die
Manahmen fr Gesamtfrankreich durchzufhren, sei Voraussetzung, da auch
im italienisch besetzten Gebiet, die Manahmen durchgefhrt werden drfen. (35)
Nun folgen einige aufregende Stunden. Sowohl im Reichsicherheitshauptamt, als
auch im Ausw"rtigen Amt.
Ribbentrop selbst, der sich pers"nlich die Regelung der Frage in Italien
vorbehalten hatte, wurde lebendig. Er teilte dem Chefadjudanten beim
Reichsfhrer SS - Himmler, dem General der Waffen SS Wolff, am 24. Februar
1943, morgens mit, da die Reichsfhrung SS, ihm unverzglich Mitteilung aller
ihrer Wnsche, die Judenfrage in Italien und den von Italien besetzten Gebieten
betreffend, machen m"ge. Diese sollten in Rom be-
/350/ AE 30
sprochen werden. Er wnschte alle Einzelheiten mitgeteilt zu haben, damit in
eingehender Besprechung mit Mussolini, eine klare, konkrete Regelung erzielt
werden k"nne. Es wurde ferner gebeten, dafr Sorge zu tragen, da diese Antwort
,uns noch am 24. Februar, vormittags in Rom zugehet". Dies schrieb der
Gesandte Sonnleithner, aus dem Sonderzug Ribbentrops, ,Westfalen", der sich
bereits auf dem Wege nach Rom befand.
Noch am gleichen Tage wurden dem Sonderzug die Wnsche durch
Fernschreiben gesandt. Ich hatte sie nicht bearbeitet, also men sie von Mller
an das Ausw. Amt gegeben worden sein; auerdem scheint es gem" den
Dokumenten so, als sei ein Teil der Wnsche auch direkt von Himmler
durchgegeben worden. N"mlich ,Judenmanahmen in Italien, gleich wie in
Deutschland". Ferner, da ,Judenmanahmen im neubesetzten Franreich und in
Griechenland von den italienischen Milit"rbefehlshabern in diesen Gebieten, nicht
weiter sabotiert werden sollen".
Auerdem wurde nach dieser ersten Reakiondas Reichssicherheitshauptat ersucht,
seine Wnsche noch zu konkretisieren und diese am 25. Februar, dem
Ausw"rtigen amt zu bermitteln. Bisher spielte sich dies alles innerhalb der

/351/AE 31
Regionen meiner Vorgesetzten ab. Aber im Ausw"rtigen Amt, wurde der
damalige Schabearbeiter, Legationsrat von Hahn seites seiner Vorgesetzten
entsprechen ,getreten", die vermaledeite ,Konkretisierung", endlich
herbeizuzaubern, auf die Ribbentrop in Rom wartete. Nun einen Himmler konnte
man nicht treten, meinen unmittelbaren Vorgesetzten, den Generalleutnant der
Polizei wollte man wohl auch nicht ber Gebhr hetzen. Aber da gab es ja im
Reichssicherheitshauptamt noch den Obersturmbannfhrer Eichmann; den konnte
man wohl treten. ,Weisungsgem" teile ich Ihnen mit, so schrieb mir Hahn, mittel
Schnellbrief am 25. Frebr., durch Boten berbracht, da der Herr
Reichsauenminister heute morgen erneut sich nach dem Verbleib der von Ihnen
in Aussicht gestellten Konkretisierung der Wnsche der Reichsfhrung SS, zur
Judenfrage in Italien und den von Italien besetzten Gebieten, erkundigt hat.
Der Gesandte Bergmann hat die bermittlung dieser Angaben fr heute abend
zugesagt." -
Ich mute ja selbst auf die ,Konkretisierung" warten, die meine Vorgesetzten
zusammen brauten. Ich konnte auch nichts weiter tun, als das Ausw"rtige amt,
gem" den erhaltenen Terminen, zu vertr"sten.

/352/AE 32
Schlielichbekam ich diese mit dem Befehl fr die Reinschrift und Vorlage wecks
Unterschrift durch Mller, Sorge zu tragen.
Sie bestanden aus einem alten Schreiben Himmlers an Ribbentrop v. 29. Jan. 43;
hier schrieb er unter u.a., da das Verbleiben der Juden im italienischen
Machtbereich fr viele Kreise in Frankreich und in ganz Europa der Vorwand
w"re, in der Judefrage leiser zu treten, weil darauf hingewiesen wrde, da nicht
einmal unser Achsenpartner Italien, in der Judenfrage mitginge.
Ferner wurden gem" der Bitte des Gesandten Bergamnn einige der wichtigsten
F"lle in dieser Angelegenheit angefhrt.
So, eine Mitteilung des Beauftragten des franz"sischen Polizeichefs Bousquet, an
den Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Paris, mit dem Inhalt der Note, welche
die italienische Regierung dem franz. Ministerpr"sidenten Laval berreicht hat.
Ferner den Bericht Marcel Ronaix, Missionsbeauftragter bei Laval, den dieser
nach einer Dienstreise, Laval erstattete, u.".m-
Mller unterschrieb die Reinschrift und das Schreiben ging am 25. Februar 1943
an das Ausw"rtige Amt aus. (36)
Unterschriftkrzel

/353/AE 33
Ich erhielt nun Befehl, unter Bezugnahme auf das Fernschreiben Dr. Knochens an
Mller, vom 13.1.1943, indem er meldete, da der Generaloberst der Polizei
Daluege, in Paris und Marseille zur Information war, dem Befehlshaber der
Sicherheitspolizei Paris, mitzuteilen, da sein Fernschreiben inhaltsgem" dem
Ausw"rtigen Amt mitgeteilt wurde und Ribbentrop mit Mussolini, die Haltung
Italiens zur Judenfrage zur Sprache bringen werde.
Der deutsche Botschafter v.Mackensen in Rom, erheilt im weiteren Verlauf der
Dinge den Auftrag, Mussolini am 18. Mrz 1943 eine Aufzeichnung Ribbentrops
zu berreichen und zwei Tage sp"ter wurde ihm unter anderem, im auftrage
Mussolinis mitgeteilt, da der ,vom Duce pers"nlich als besonders energische
bekante" Polizeiinspekteur Lospinoso, den Befehl erhalten habe, die
gegest"ndlichen Schwierigkeiten aus dem Wege zu r"umen. (37)
Genauere Angaben ber die T"tigkeit dieses neuen Mannes, vermittelt ein
Fernschreiben meines damaligen Chefs, Mller, an Knochen Paris, vom 2.4.1943.
Darin gibt er Bericht un Aweisung wie folgt: ,W"hrend meines Aufenthaltes in
Rom am 27.3.43, habe ich im Auftrage des Reichsfhrers SS, sowohl mit dem
deutschen Botschafter, als auch mit dem Chef der

/354/AE 34
italienischen Polizei, die Judenfrage in dem neubesetzten franz"sichen Gebeit
besprochen. Die italienische Polizei hat auf Grund einer klaren und energischen
Anweisung des Duce, den Generalinspekteur der italienischen Polizei Lospinoso
und als dessen Vertreter, den Vizequestor Luceri, mit einigen Mitarbeitern, in das
von Italien besetzte Gebiet entsandt, um in engster Zusammenarbeit mit der
deutschen Polizei, die Judenproblem wie sie insbesondere zu Zeit aufgetaucht
sind, im deutschen Sinne einer Regelung zuzufhren.
Generalinspekteur Lospinoso befindet sich bereist seit einigen Tagen in
Frankreich. Ich gebe hiervon Kenntnis, mit der Bitte, mit Lospinoso sofort
Verbindung aufzunehmen und zu erforschen, mit welchen Auftr"gen er versehen
ist. Ich bitte um Mitteilung."
Jetzt beginnt die Suche nach dem Generalinsekteur der italienischen Polizei.
Knochen mu an Mller Fehlanzeige durchgeben und dieser sieht sich gen"tigt,
am 9.4.43 abermals pers"nlich einzugreifen, indem er den Polizeiattach bei der
deutschen Botschaft in Rom veranlat, beim italinischen Polizeichef zu erwirken,
da Lospinoso entweder nach Berlin kommt, oder sich unmittelbar pers"nlich mit
dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei,

/355/AE 35
Paaris, in Verbindung setzt.
Auch ich wurde mit der Lospinoso-Suchaktion befasst, indem ich Befehl erhielt,
dem zust"ndigen Referenten im Ausw"rtigen Amt, Legationsrat Dr. von Thadden,
die Wnsche meines Chefs, zu bersenden. Sie gipfelten darin, auch das
Ausw"rtige amt m"ge sich in die Suchaktion mit einschalten. Mackensen, der
deutsche Botschaften in Rom wird erneut in Trab gesetzt; er schl"gt vor, da sich
der zust"ndige italienische Polizeifhrer mit dem zust"ndigen deutschen
Polizeifhrer treffen m"gen. Als Termin nannte er den 18. Mai, in der Dienststelle
des Befehlshabers der Sicherheitspolizei u. des SD in Paris Avenue Foche 72.
Aber selbst am 24. Mai mu der Befehlshaber dem Amtchef IV des
Reichssicherheitshauptamtes berichten, da auch die italienische Botschaft in
Paris weder ber Lospinoso noch ber seine geplante Reise Auskunft zu gben in
der Lage ist; und er bittet nochmals bei der italienischen Regierung anzufragen,
ob beraupt noch mit dem Besuch gerechnet werden kann.
Die Sache kl"rte sich aber am 1. Juni 1943 insofern auf, als die italienischen
Stellen anl"lich des letzten Besuches v. Mackensen im italienischen
Auenministerium, ,eine derartige Zusammenkunft fr zur Zeit als
unzweckm"ig erachten". (38)

/356/AE 36
Inzwischen tat sich in Frankreich etwas anderes. Laval, sowie der neue
Justizminister Cabolde hatten einen gesetzentwurf unterzeichnet, nachdem alle
seit dem 10.8.1927 naturalisierten Juden, fr staatenlos erkl"rt wurden. Dieses
Gesetz wurde mit den italienischen Beh"rden besprochen und am 30.6.1943
wurde mit Bosquet, dem franz"sischen Polizeichef vereinbart, wie die
betreffenden Juden, schlagartig mit dem Tage der Verkndung des Gesetzes
festzunehmen seien.
Dr. Knochen forderte von Mller die Abstellung von mindestens 250
Sicherheitspolizei zus"tzlich, fr die Dauer von 10 Tagen welche die franz"sische
Sprache einigermaen beherrschen mten.
Mller antwortete postwendend; die Wiederingangsetzung der Aktion sei zwar
erfreulich, zumal Himmler gerade in diesen Tagen eine Beschleunigung der
Arbeiten verlangt habe, aber er me leider mitteilen, da er zus"tzlich lediglich 4
Mann, abzustellen in der Lage w"re, und er verwies auf die, dem H"heren SS- u.
Polizeifhrer in Frankreich, zur Ver?gung stehenden Polizeikr"fte,von denen
jener, Kontingente abstellen m"ge. (39)

/357/AE 37
Dafr konnte am gleichen Tage, n"mlich am 2. Juli 1943, der H"here SS- u.
Polizeichef SS-Gruppenfhrer und Generalleutnant der Polizei Oberg an
Kaltenbrunner und Himmler die Nachricht durchgeben, da der franz"s.
Polizeichef Bousquet ein Vichy den Besuch von Lospinoso empfing, der ihm
mitteilte, da er sich z.Zt. mit der Konzentrierung von 60.000 Juden ausl"ndischer
Staatsangeh"rigkeit, im italienischen Operationsgebiet befae. /1 Zeilen
gestrichen/ Nach Bousquet, habe sich Lospinoso ihm gegenber ge"uert, da die
Deutschen sehr hart in der Durchfhrung der Manahmen gegen die Juden seien,
die Franzosen h"rter als die Italiener, w"hrend Italien eine humane L"sung
anstrebe.
Himmler verfgte, diese Meldung des H"heren SS- u. Polizeifhrers, dem
Reichsauenminister zu bermitteln. (40)
Auf Weisung seiner Vorgesetzten suchte der Legationsrat im Ausw"rtigen Amt,
Dr. von Thadden, am 16.10.43, meinen Chef, SS-Gruppenfhrer Mller auf,
wegen der technischen Ddurchfhrung der Judenfrage in den neubesetzten
Gebieten und fhrte dabei aus, da das Ausw"rtige amt, nach den Erfahrungen

/358/AE 38
in D"nemark besonderes Interesse daran habe, da Judenaktionen in anderen
Gebieten mit ausreichenden Mitteln und ausreichender Vorbereitung durchgefhrt
wrden, damit schwere politischen Komplikationen im Rahmen des M"glichen
vermieden wrden. Mller meinte dazu, auch das Reichssicherheitshauptamt habe
aus den Erfahrungen von Kopenhagen vieles gelernt. Der Zeitpunkt jedoch, zu
dem ausreichenden Polizeikr"fte zur Verfgung stnden, um die in den besetzten
Gebieten notwendigen Judenaktionen schlagartig durchzufhren, wrde fr die
Dauer des Krieges wohl nicht mehr kommen. Man k"nne daher nur mit den zur
Verfgung stehenden Mitteln das Beste herausholen, was bei dieser Aktion
m"glich sei, um die befohlenen Aktionen durchzufhren. Zu dem bisher von
italienischen Truppen besetzten Gebiet Frankreichs meinte er, da die
beschleunigte Durchfhrung einer Aktion ein sicherheitspolizeiliches Problem
erster Ordnung seu, dessen L"sung trotz der beschr"nkt zur Verfgung stehenden
Kr"fte sofort in Angriff genommen werden me. (41)
/gestrichen - Hitler hatte auf Vorschlag Rosenbergs angeordnet, in den besetzten
Gebieten Bibliotheken, ?, Logen und sonstige weltanschauliche und kulturelle
Einrichtungen aller Art nach entsprechendem Material zu durchforschen und
sicherzustellen.

/359/AE 39
Ebenfalls Kulturgter ,Die im Besitz oder Eigentum von Juden herrenlos oder
nicht einwandfrei zu kl"render Herkunft waren".
Mit der Durchfhrung dieser Aufgabe wurde der Einsatzstab Reichsleiter
Rosenberg beauftragt und im Zuge dieser Erfassung wurden auch die M"bel und
sonstigen Einrichtungsgegenst"nde aus jdischen Wohnungen ebenfalls
sichergestellt und diese fr die besetzten Ostgebiete zu dortigen Verwendung
abgefahren.
Auf Vortrag des Reichsleiters Rosenberg hatte Hitler durch Schreiben des
Reichsministers und Chef der Reichskanzlei vom 31.12.41, hierzu seine
Zustimmung gegeben.
Zeile unleserlich./

/360/AE 40
- 3 -
Holland:
Es fing mit 400 Judenan, welche in das Konzentrationslager Mauthausen, in
Ober"sterreich liegend, deportiert wurden.
Der Generalkommisar fr das Sicherheitswesen fr die besetzten niederl"ndischen
Gebiete hatte die Verfgung erlassen. Es war dies der H"here SS u. Polizeifhrer
beim Reichskommisar fr die besetzten niederl"ndischen Gebiete; sein Dienstgrad
und Mane war: SS Gruppenfhrer und Generalleutnant der Polizei Rauter. Der
Reichskommisar jener Zeit, war Dr. Seyss Inquart, der ehemalige "sterreichische
Regierungschef, zur Zeit der Wiedervereinigung sterreichs mit den Deutschen
Reich im Jahre 1938. Der Vertreter des Ausw"rtigen Amtes, beim
Reichskommisar, ein Gesandter Bene, teilte seiner Berliner Zentrale mit, da die
Deportation aus Anla der Niederschlagung eines SA-Mannes verfgt wurde und
der Gesandtschaftsrat Mohr, erg"nzte tags darauf, dam 26. Februar 1941, diese
Meldung seines Chefs mit dem Bemerken, da auch eine deutsche Patronille im
Amsterdamer Judenviertel mit Giftstoffen bespritzt worden sei.
Die Folge dieser Deportation war ein Sympathiestreik verschiedener "ffentlicher
Einrichtungen im Amsterdam.
Im Juni desselben Jahres wurde aber

/361/AE 41
noch etwa 260 Juden in ein Konzentrationslager ans Holland verbracht. Am 5.
Nov. 1941 ben"tigte der Legationsrat Rademacher vom ausw"rtigen Amt, eine
Stellungnahme des Reichssicherheitshauptamtes, zur Frage der weiteren
Behandlung der in deutschen Konzentrationslagern einsitzenden niiederl"ndischen
Juden. Er ben"tigte sie zur Beantragung der von der Schwedischen Gesandtschaft
als Schutzmachtvertretung der Niederlande, eingereichten diesbezglichen
Verbahnten.
Der Hauptanla hierzu war der, da dem Jdischen Rat von Amsterdam mitgeteilt
wurde, es seien bisher ber 400 dieser H"ftlinge verstorben.
Rademacher schrieb daher an Mller, da das Ausw"rtige Amt zwar grunda"tzlich
auf dem gleichen Standpunkt wie das Reichssicherheitshauptmat stehe und es
befrworte seinerseits die Reppressalien-Manahmen gegen Juden als Urheber
der Unruhen, aber es m"ge Sorge dafr getragen werden, da bei der Mitteilung
der Todesf"lle m"glichst nicht der Eindruck entstehe, die Todesf"lle ereigneten
sich jeweils in bestimmten Tagen. (42)
Im Juni 1942 wurde die Kenzeichnung der Juden angeordnet, der alsbald weitere
Beschr"nkungsauflagen, wie n"chtliches Ausgehverbot,
Verkehrsmittelbenutzungsverbot, Berufseinschr"nkungen usf., folgten. (43)

/362/AE 42
Der Vertreter des Ausw"rtigen Amtes beim Reichskommissar fr die besetzten
niederl"ndischen Gebiete, machte eine Vorlage bei seiner Berliner Zentralinstanz,
mit dem Vorschlag, s"mtliche niederl"ndischen Juden ihrer Staatsbrgerschaft fr
verlustigt zu erkl"ren. Dementgegen hielt das Ausw"rtige Amt unter dem 20. Juli
1942, es fr wnschenswert, durch eine Verordnung des Reichskommissars, die
niederl"ndische Judengesetzgebung dadurch der des Reiches anzupassen, da mit
sofortiger Wirkung alle niederl"ndischen Juden die ihren Aufenthalt im Ausland
haben, oder ihren Wohnsitz nach dem Ausland verlegen, Analog der 11.
Verordnung zum Reichsbrgergesetz vom 25.11.1941, ihre Staatsbrgerschaft
verlieren. (44) Wobei es unerheblich sie, ob der in Frage kommende Jude aus
freiem Antrieb das Land verlassen hat, oder deportiert wurde. Dieses wurde durch
den Unterstaatssekret"r Luther, dem Staatssekret"r im Ausw"rtigen Amt v.
Weizs"cker am 10. August 1942 mit der Bitte um Weisung vorgelegt und von
diesem genehmigt.
Schon am 29. Juli 1942 meldete der Vertreter des Ausw"rtigen Amtes in Den
Haag, Gesandter Bene, da die ersten beiden Deprtationstransporte ohne
irgendwelche Schwierigkeiten abgegangen seien und der H"here SS u.
Polizeifhrer (Rauter) daher

/363/AE 43
die Absicht habe, diese Organisation so zu f"rdern, da w"chentlich bis zu 4.000
Juden abgefahren werden sollten. (45)
Am 24. Sept. 1942 erfogte der erste groe Zwischenbericht des SS-
Gruppenfhrers und Generalleutnant der Polizei Rauter, in Form eines
pers"nlichen Schreibens an den Reichsfhrer SS und Chef der Deutschen Polizei,
Heinrich Himmler. Er schreibt u.a.
,Bis jetzt haben wir mit den strafweise nach Mauthausen abgeschobenen Juden,
zusammen 20.000 Juden nach Auschwitz in Marsch gesetzt. In ganz Holland
kommen ungef"hr 120.000 Juden zur Abschiebung. Im Einvernehmen mit dem
Reichskommissar schiebe ich aber auch alle jdischen Teile der Mischehen ab,
sofern aus diesen Mischehen keine Kinder hervorgegangen sind. Es werden dies
ca. 6.000 F"lle sein. Ich will versuchen, anstatt 2 Zge je Woche, deren 3 zu
erhalten. 30.000 Juden werden ab 1. Oktober abgeschoben. Ich hoffe, da wir bis
Weihnachten auch diese 30.000 Juden weg haben werden, soda dann im ganzen
50.000 Juden, also die H"lfte, aus Holland entfernt sein werden.
Am 15. Oktober wird das Judentum in Holland fr vogelfrei erkl"rt. Jeder Jude,
der irgendwo in Holland angetroffen wird, wird in die groen Judenlager
eingezogen. Es kann also kein Jude, der nicht privilegiert ist, sich mehr in Holland
sehen lassen.

/364/AE 44
Gleichzeitig beginne ich mit Ver"ffentlichungen, wonach Ariern, die Juden
versteckt gehalten oder Juden ber die Grenze verschoben oder Ausweispapiere
gef"lscht haben, das Verm"gen beschlagnahmt und die T"ter in ein
Konzentrationslager berfhrt werden; das alles, um die Flucht der Juden, die in
groem Mae eingesetzt hat, zu unterbinden. Das Judenlager Westerbork ist
bereits ganz fertig, das Judenlager Vught wird am 10. - 15. Oktober vollendet
sein.
Heil Hitler, Ihr gehorsamt ergebener Rauter."
Himmler schrieb auf die erste Seite dieses Geheimberichtes, ,sehr gut". (46)
Im April des darauffolgenden Jahres berichtete der Regierungsrat Z"pf, (Referent
beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei u. des SD, Den Haag, Generalmajor der
Polizei Dr. Harster) an mein Referat nach Berlin, da von den ursprnglich
gemeldeten 140.000 Juden, inzwischen 68.300 Juden das Land verlassen haben.
Und zwar 6.000 durch Auswanderung und Landesflucht; 4000 in reichsdeutsche
Konzentrationslager; 300 nach Theresienstadt und 58.000 in 60 Sonderzgen nach
dem Osten. (47)
Es ist ein Vermerk des SS-Brigadefhrers und Generalmajor der Polizei Dr.
Harster, vom 6.5.1943 erhalten geblieben, worin festgehalten ist, da Himmler

/365/AE 45
wnscht, da in diesem Jahre an Juden nach dem Osten abtransportiert wird, was
menschenm"glich ist. Da im Westen ein Bunawerk durch Luftangriff zerst"rt
wurde, soll ein neues Bunawerk in Auschwitz aufgebaut werden. Daher wurde vor
allem in den Monaten Mai und Juni eine H"chstzahl von Juden aus dem Westen
ben"tigt. Anzustreben sei fr den Monat Mai die Ziffer von 8.000 (aus Holland).
Zugvereinbarungen werden vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei Den Haag,
mit dem Reichssicherheitshauptamt getroffen.
S"mtliche portugisischen Juden (Sephardim) sind in einer Sonderbaracke des
Lagers Westerbork zusammenzufassen, damit sie dort durch SS-Gruppenfhrer
Rauter und dem Fhrer des Rasse- und Siedlungshauptamtes auf ihre
Abstammung geprft werden k"nnen. Der Reichsfhrer SS beabsichtigt, in
Deutschland ein Lager fr ca. 10.000 Juden franz"sischer, belgischer und
niederl"ndischer Staatsangeh"rigkeit zu errichten, die wegen ihrer Beziehungen
zum Ausland als Druckmittel zurckgestellt werden sollen. Gegebenenfalls sollen
sie sp"ter zum Austausch gegen deutsche Heimkehrer, auswandern drfen. (48)

/366/AE 46
Dem Ausw"rtigen Amt wird durch seinen Vertreter in Den Haag, am 29.6.43,
gemeldet, da der Befehlshaber der Sicherheitspolizei Den Haag in einem
Geheimbericht an seinen Reichskommissar, diesem mitteilt, da inzwischen der
Hunderttausenste Jude das Land verlassen hat. (49)
Noch im gleichen Jahr informiert Dr. Harster dem Vertreter des Ausw"rtigen
Amtes in Den Haag, da der Reichskommissar fr die besetzten niederl"ndischen
Gebiete, im Einverst"ndnis mit Himmler bestimmte, da die in den Niederlanden
in Mischehe lebenden Juden, bei Nachweis der Unfruchtbarkeit, vom Tragen des
Judensternes befreit werden. Die Sterilisierung wird von jdischen oder
niederl"ndischen rzten durchgefhrt, wobei dem leitenden Arzt beim H"heren
SS- i. Polizeifhrer, die Prfung der Unfruchtbarkeit obliege.
Dazu habe ich erg"nzend festzustellen, da diese Nachricht damals auch im
Reichssicherheitshauptamt wie eine Bombe platzte, ein Novum, welches bislang
alleine dastand und bis zum Ende des Krieges nicht nachgeahmt wurde. (50)
Am 28. Februar 1944, wendet sich der Reichskommissar Seyss-Inquart pers"nlich
an den Chef der ,Kanzlei des Fhrers", an den Reichsleiter Bormann.

/367/AE 47
Ein m"chtiger Mann jener Zeit, ein Mann von entscheidendem Einflu auf Hitler.
Ein Mann, der von allen respektiert wurde; einschlielich Himmler, Goebbels,
G"hring usf. Er teilte ihm also mit, da zwar die Juden aus dem niederl"ndischen
Volksk"rper aus.ieren seien, aber offen noch die Frage der Juden in Mischehen
w"re. Er sagte, da sie in Holland zwar weiter gegangen w"ren als im
Reichsgebiet und auch diesen Juden die Sterntragepflicht auferlegt h"tten und da
er auch angeordnet habe die jdischen Mischehenpartner, kinderloser Mischehen,
nach dem Osten zu deportieren, da seine Sicherheitspolizei auch einige hundert
solcher F"lle behandelte, aber dann von Berlin den Auftrag bekam, diese
Abtransporte nicht weiter durchzufhren. Daher verblieben ihm einige tausend
dieser Juden im Lande und hiermit wrde das Poblem der Mischehen
aufgeworfen. Dasselbe sei aber grunds"tzlicher Art und deshalb wende er sich an
ihn. Im gleichen Sinne habe er auch an Himmler geschrieben. Im einzelnen fhrte
er vier ,L"sungsm"glichkeiten" an.
Aber es scheint sich daran nicht allzuviel ge"ndert zu haben, denn der Gesandte
Bene gibt zum Juli1944,
/368/AE 48
wieder einen seiner regelm"igen halbjahresberichte an das Ausw"rtige Amt, und
teilt mit, da die Judenfrage fr die Niederlande als gel"st bezeichnet werden
k"nne. Er gibt die Zahl der Deportierten mit 113.000 aan; 4.000 Juden seien
verstorben; 2.500 seien zu Mischlingen bzw. Zu Ariern erkl"rt worden; in
Mischehe leben etwa 8.600; in den Niederlanden untergetaucht etwa 9.000; in den
Lagern bef"nden sich 3.600 evangelische Juden, Protektionsjuden, 44 trkische
Juden und in Frankreich 11 argentinische Juden. Zusammen, 140.711. (51)
/369/AE 49
- 4 -
Belgien:
Himmler hatte um den 11. Juni 1942 befohlen, 10.000 Juden aus Belgien nach
Auschwitz zu deportieren. Die deutsche Milit"rverwaltung beabsichtigte, den
gewnschten Abtransport durchzufhren und der Leiter der Dienststelle des
Ausw"rtigen Amtes in Brssel teilte am 9. Juli seiner Berliner Zentrale mit, da
der Milit"rverwaltungschef gegenw"rtig im Hauptquartier sei, um die
Angelegenheit mit Himmler zu er"rtern. Es seinen gewisse Bedenken geltend
gemacht worden, jedoch glaube die Milit"rverwaltung dann ihre Besorgnisse
zurckstellen zu k"nnen, wenn eine Deportation von Juden mit belgischer
Staatsangeh"rigkeit vermieden werden k"nne; denn fr Zwangsmanahmen
wrden die zur Verfgung stehenden Polizeikr"fte nicht ausreichen. (52)
Himmler hatte sich den Vorschl"gen des Chefs der Milit"rverwaltung
angeschloen und am 24. Sept. konnte Bargen, der Vertreter des Ausw"rtigen
Amtes in Brssel melden, da bis zum 15. Sept. insgesammt 10.000 staatenlose
Juden evakuiert wurden. Und bis Ende Oktober hoffe die Deutsche
Sicherheitspolizei in Belgien, etwa 20.000 des in Frage kommenden
Personenkreises

/370/AE 50
abtransportieren zu k"nnen. (53) Also hatte die Vorsprache des Chefs der
Milit"rverwaltung im Himmlers Hauptquartier eine Verdoppelung der
ursprnglich befohlenen Anzahl zur Folge gehabt. Jedoch - wieder ein Bericht
Bargen an des Ausw"rtige Amt vom 11. Nov. 1942 - ? besagt, da bis zu diesem
Zeitpunkt insgesamt 15.000 Juden deportiert wurden. Es h"tten sich auf Grund der
Judenverordnung des Milit"rbefehlshabers vom 28.10.1940, rund 42.000 Juden
ber 16 Jahre, gemeldet. Davon waren 38.000 nichtbelgische Staatsangeh"rige.
Insgesamt drften sich nach seiner Sch"tzung 52.000 bis 55.000 Juden,
einschlielich der nichtmeldepflichtigen Kinder, in Belgien gemeldet haben. In
der letzten Zeit seien illegale Abwanderungen nach Frankreich und nach der
Schweiz festgestellt worden und er sch"tze vorsichtig, wenn er sage, da nach der
Schweiz 3.000 bis 4.000 Juden abwanderten. (54)
Nun griff der Unterstaatssekret"r im Ausw"rtigen Amt Luther ein und richtete am
4. Dez. 1942 an die Dienststelle des Ausw"rtigen Amtes in Brssel einen Erla in
dem es u.a. heit:
,Wenn heute sich das in Belgien verbliebene Judentum ber die Anordnungen des
Milit"rbefehlshabers hinwegsetzt, ferner mit allen Mitteln versucht, seinen
/371/AE 51
jdischen Charakter zu verwischen und sich damit in schwer zu s"ubernde
Schlupfwinkel verkriechen, und wenn schlielich bereits Ans"tze zur Beteiligung
dieser Juden am aktiven Widerstand gegen die Besatzungsmacht festgestellt
werden, dann sollte ein energisches Zugreifen eine weitere Ausbreitung dieses
Gefahrendherdes verhindern.
Ich darf daher bitten, im Benehmen mit vom Milit"rbefehlshaber die
M"glichkeiten zu erw"gen, die getroffenen Manahmen, nunmehr auf alle Juden
in Belgien auszudehnen und diese bis zur m"glichen Durchfhrung der
Transporte, in Sammellager zusammenzufassen. Einzelfragen bezglich
Ausnahmebehandlung von Juden in Mischehen, solchen christlicher Konfession,
oder mit Kindern, k"nnten im Benehmen mit der Sicherheitspolizei gel"st werden.
Eine durchgreifende S"uberung Belgiens von den Juden, mu fruher oder sp"ter
auf alle F"lle erfolgen." (55)
Weisungsgem" hatte Bergen in Brssel diese Angelegenheit mit vom
Milit"rbefehlshaber, dem Milit"rverwaltungschef und dem "rtlichen Chef der
Sicherheitspolizei besprochen. Aber er mute seinem neuen Chef nach Berlin
mitteilen, da eine Abbef"rderung der Juden

/372/AE 52
nach Meinung der Milit"rverwaltung vor dem Frhjahr 1943 infolge Mangel an
Eisenbahnwagen nicht aufgenommen werden k"nne.
Inzwischen aber wrden die Vorbereitungen fr die weitere Abbef"rderung
getroffen und die ausl"ndischen Juden in einem Lager zusammengezogen. Infolge
Lagermangel aber k"nne man alle Juden nicht zusammenziehen. Da bei
Wiederaufnahme der Deportation auch die Abbef"rderung der etwa 4.000 Juden
belgischer Staatsangeh"rigkeit beabsichtigt sei, drften die Absichten der
Milit"rverwaltung mit den Wnschen des Ausw"rtigen Amtes bereinstimmen.
(56)
Und noch einmal ermahnt der Unterstaastsekret"r Luther in einem weiteren
Schreiben vom 25. Jan. 1943 seine Brsseler Dienststelle, indem er darauf
aufmerksam hin weist, da von vornherein darauf zu achten sei, bei der
Zusammenfassung der in Belgien ans"igen Juden in Lagern, nicht nur Juden
ausl"ndischer Staatsangeh"rigkeit, sondern auch die belgischen Juden mit zu
verhaften seien.
Auch das Reichssicherheitshauptamt erhielt eine Durchschrift dieses Schreibens.
Es wird darin bemerkt, da gebeten wird, ,auch von dort das Entsprechende zu
veranlaen". Was sollte da noch viel zu veranlassen sein. Andere hatten ja alles
bis in das Kleinste schon veranlat. (57)
Unterschritfkrzel

/373/AE 53
Am 9. April 1943 teilte Himmler dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Dr.
Kaltenbrunner folgendes mit:
,Das Wichtigste ist mir nach wie vor, da jetzt an Juden nach dem Osten
abgefahren wird, was berhaupt nur menschenm"glich ist. In den kurzen
Monatsmeldungen der Sicherheitspolizei will ich lediglich mitgeteilt bekommen,
was monatlich abgefahren worden ist und was zu diesem Zeitpunkt noch an Juden
brig blieb." (58)
Diesen Himmler-Erla mute das Reichssicherheitshauptamt an alle Stellen der
sicherheitspolizei und des SD ausgehen lassen.
Und so liest man in einem ,Einsatzplan" der Dienststelle des Befehlshabers der
Sicherheitspolizei in Brssel vom 1. Sept. 43, da in der Nacht vom 3. zum 4.
September erstmalig die vom Reichssicherheitshauptamt geforderte Erfassung der
belgischen Juden fr den Osteinsatz, mit einer Groaktion begonnen wurde. (59)

/375/AE 54
- 5 -
Italien
Die Dokumente - zum Teil bereits im Kapitel ,Frankreich" besprochen - zeigten
einmal die Haltung Italiens zur Judenfrage ganz klar, und sie zeigten aber zum
anderen ebenso klar, welche Pers"nlichkeiten des verflossenen
nationalsozialistischen Regimes, hier federfhrende Rollen spielten. Sie zeigten
ferner die Bemhungen der ehemaligen deutschen Reichsregierung, eine
nderung der italienischen Einstellung, zu erzwingen. Im Wesentlichen gelang
dies erst gegen Ende 1943. -
Der Gesandte Moelhausen telegraphiert am 6. Oktober 1943 an Ribbentrop, da
der SS-Obersturmbannfhrer Kappler in Rom - er unterstand gewissermaen als
Kommandeur der Sicherheitspolizei in Rom, dem Befehlshaber der
Sicherheitspolizie in Italien, Generalmajor der Polizei Dr. Harster, mit dem Sitz in
Verona - von Berlin einen besonderen Auftrag erhalten habe. Er sollte die in Rom
wohnenden achttausende Juden festnehmen lassen und nach Oberitalien bringen,
wo sie lequidiert werden sollten. Der Stadtkommandant von Raom, General
Stahel, teilt dem Gesandten Moelhausen mit, da er diese Aktion nur dann
zulassen werde, wenn sie im Sinne des Reichsauenministers l"ge.

/375/AE 55
Er pers"nlich sei der Ansicht, da es besser w"re, die Juden zu
Befestigungsarbeiten heranzuziehen und gemeinsam mit Kappler, wollte er dies
dem Generalfeldmarschall Kesselring, vortragen. (60)
Am 9.10. gab Ribbentrop zur Antwort, da auf Grund einer Anweisung Hitlers
diese 8.000 Juden in das Konzentrationslager nach Mauthausen, als Geiseln
gebracht werden sollen. (61)
Zu dem Vorgang sagt Kappler als Zeuge unter Eid, am 27. Juni 1961 im
Milit"rgef"ngnis zu Gaeta (Italien) aus, da er keinerlei Kenntnis von der Existenz
eines solchen Telegrammes Moelhausen an Ribbentrop gehabt habe: Er habe
dieses Telegramm erstmals anl"lich seines Prozesses im Jahre 1948 gesehen,
bzw. Von dessen Existenz, Kenntnis erhalten.
Wohl erinntert sich Kappler, an ein Telegramm, unterschrieben von Himmler, in
dem er auf die Notwendigkeit bestand, die Judenfrage auch in der Stadt Rom zu
l"sen. Er erinnerte sich ferner daran, da er bei dieser Gelegenheit zum ersten
Male den Begriff ,Endl"sung der Judenfrage" kennen lernte. Dieser Ausdruck
war ihm jedoch neu und es gelang ihm nicht, ihn zu entr"tseln. Zu jener Zeit
kreuzte bei ihm ein SS-Hauptmann Dannecker auf, und er hatte eine Vollmacht,
zur

/376/AE 56
Durchfhrung einer Judenrazzia. Diese Vollmacht war von dem General der SS
(Polizei), Mller, unterzeichnet. (62)
Meinen Namen hatte Kappler, nach seiner Zeugenaussage, erst nach 1945, durch
die Presse geh"rt, auch habe er weder Post noch Instruktionen erhalten, welche
meine Unterschrift getragen hatten.

Anl"lich einer informativen Besprechung zwischen Mller und Dr. von Thadden
am 16.X.1943, sagte Mller dem Legationsrat des Ausw"rtigen Amtes, da er
sich den Argumenten des Ausw"rtigen Amtes keinesfalls verschliee, die gerade
in Italien, insbesondere im Hinblick auf die Stellung der katholischen Kirche fr
eine schlagartige Aktion spr"chen. Aber die vorhandenen Kr"fte reichten nicht
aus, um eine solche in ganz Italien durchzufhren. Man werde daher
gezwungenermaen mit der Aufrollung der Judenfrage unmittelbar hinter der
Frontlinie beginnen und schrittweise nach Norden weitertreiben. Legationsrat Dr.
v. Thadden bemerkte dazu in seiner Vortrags-Notiz fr seinen Staatssekret"r, da
Mller offensichtlich auch seinerseits gewisse Sorge habe, wegen der praktischen
Durchfhrung des Hitler-Befehls, betreffend der Festnahme von 8.000 Juden in
Rom. (63)
In der Tat hatte die roemisch-katholische Kirche in Rom, durch den Bischof

/377/AE 57
Hudal, sich mit einem Schreiben an den Stadtkommandanten von Rom, General
Stahel gewandt, und gegen die Verhaftungen von Juden italienischer
Staatsangeh"rigkeit heftig Stellung genommen, mit dem Wunsche, da in Rom
und Umgebung diese Verhaftungen sofort eingestellt werden m"gen, da der Papst
sonst "ffentlich dagegen Stellung nehmen wird.
Die Kurie sei deshalb besonders betroffen, weil sich die Vorg"nge sozusagen
,unter den Fenstern des Vatikans abgespielt haben", best"tigte die Deutsche
Botschaft beim Heiligen Stuhl.
Eine abschrift dieses Schreibens gelangte seinerzeit auszugsweise, vom
Ausw"rtigen Amt, auch an mein Dezernat. (64) Jedenfalls leitete ich es sogleich
an meinen Chef weiter.
Aber all dessen ungeachtet hatte inzwischen die italienische Regierung ein Gesetz
verkndet, da alle Juden in Italien in Konzentrationslager zu bernehmen sind.
Gleichzeitig stellte das Reichssicherheitshauptamt in Berlin fest, da die von
Himmler in Italien befohlene Aktion, zur Erfassung der italienischen Juden zu
keinem nennenswerten Ergebnis gefhrt habe. Die von den verschiedenen Seiten
erfolgten Einsprche h"tten die erforderlichen Schritte solange hinausgez"gert,
bis die Mehrzahl der Juden sich hatte verstecken k"nnen. (65)

/378/AE 58
Wagner, der Nachfolger des wegen angeblichen Intrigenspiels in ein
Konzentrationslager eingelieferten Unterstaatssekret"rs Luther, schreibt am 14.
Dezember 1943 an den Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes Mller, ,da
der deutsche Botschafter Rahn, angewiesen wurde, der Faschistischen Regierung
die Genugtuung der Reichsregierung ber das so unbedingt notwendige Gesetz,
betreffend Rckfhrung aller Juden in Italien in Konzentrationslager,
auszudrcken. Wohingegen die Auslieferung der in den Lagern
zusammengefaten Juden zur Evakuierung in die Ostgebiete nicht zweckm"ig
erscheine. Ein derartiger Antrag soll vielmehr aus taktischen und politischen
Grnden solange zurckgestellt bleiben, bis die Erfassungsaktion der Juden durch
die italienischen Organe abgeschlossen sei; denn das Ausw"rtige Amt glaube auf
Grund seiner Erfahrung annehmen zu men, da im anderen Falle der Erfolg der
Erfassungsaktion, wesentlich beeintr"cktigt, wenn nicht gar vereitelt wrde.
Bei den in den letzten Monaten gezeigten mangelnden Eifer italienischer
Dienststellen zur Durchfhrung der von Mussolini befohlenen antijdischen
Manahmen, hielte es das Ausw"rtige Amt fr dringend wnschenswert, da die
Durchfhrung der Manahmen nunmehr

/379, 380/AE 59
laufend von deutschen Beamten berwacht wird. Daher erscheine der Einbau
eines Teiles der zur Zeit zum Einsatzkommano Italien geh"renden Kr"fte getarnt
als Berater, in den italienischen Apparat angezeigt und notwendig."
Abschlieend bittet das Ausw"rtige Amt, das Einsatzkommando Italien
entsprechend zu verst"ndigen und dem Hauptsturmfhrer Dannecker zu
veranlassen, wegen des etwaigen Einbaues von Beratern, mit dem
Bevollm"chtigten des Reiches, Botschafter Rahn, oder seinem Vertreter,
unmittelbar Fhlung zu nehmen. (66)

Anl"lich seines Pl"doyers in dem Proze gegen mich in Jerusalem, im Jahre
1961, sagte der israelische Generalstaatsanwalt unter anderem, da viele
Schriftsteller ihre bisher herausgegebenen Werke auf Grund der in dem Prozess
ge. und gewonnenen Erkenntnisse einer berarbeitung unterziehen mten. Ich
bin genau derselben Meinung. Ich selbst bin ebenfalls daran interessiert, da dort,
wo man bedenkenlos einfach meine Person als den Verantwortlichen
herausgestellt hatte, - ganz einfach lediglich als das Resultat einer Konstruktion,
einer Mutmaung, und diese als bare Mnze wiederspiegeln lie, - auf Grund der
Prozesserkenntnisse nunmehr die geschichtliche Wahrheit niederschlagsm"ig,
fest-
(/379/)
stellen m"ge.
Diesen meinen Wunsch wird wohl jedermann verstehen; denn ich bin ja
schlielich und endlich keine Herostratennatur.
Ich selbst habe mich daher bei der Abfassung dieser Arbeit bemht, mich dort
ganz esonders streng an die seinerzeitigen amtlichen Dokumente zu halten, wo ich
mich szs. mit dem sachlichen Geschehen befate.
Ich habe in den Zeilen dieses Buches mich in der Hauptsache auf die Dokumente
beschr"nkt, die das Linienfhrungsm"ige behandeln.
Die Flle der Nebendokumente, in denen meine Person natrlich auch stets eine
gewisse Rolle spielt, habe ich bei dieser Betrachtung auer acht gelassen, da sie
infolge des steten Wiederholens des sachlichen Inhaltes einmal und zum anderen
deswegen, weil ihnen keine grunds"tzliche Bedeutung zuzumessen ist, die etwa
neue Gesichtspunkte ergeben k"nnten, auf den Leser ermdend wirken wrden.
Eine Gesamtbehandlung, einschlielich der kleinsten Details, mu wohl
wissenschaftlichen Spezialbehandlungen vorbehalten bleiben.

/381/AE 60
Norwegen:
Am 17. November 1942, wurde von der norwegischen Regierung ein Gesetz ber
die Anmeldepflicht der Juden erlassen. Damit war die M"glichkeit einer
allgemeinen Erfassung, mit dem Ziel der Abschiebung der Juden aus Norwegen
gegeben worden.
Diese norwegischen Bestimmungen waren bedeutend umfassender, als die
deutschen Judengesetze. So wurden in Norwegen auch solche Personen, welche
der Abstammung nach Mischlinge sind, und in Deutschland als Mischlinge
behandelt wurden, rechtlich grunds"tzlich wie Juden behandelt.
Im November 1942, wurden aus Norwegen 532 Juden und im Februar 1943, 158
Juden nach Auschwitz deportiert.
Seitens des Reichssicherheitshauptamtes wurde der Befehlshaber der
Sicherheitspolizei beim Reichskommissar fr die besetzten norwegischen Gebiete
darauf hingewiesen, da gewisse jdische Personengruppen, darunter auch
jdische Mischlinge, die nicht als Juden gelten, nicht deportiert werden drfen.
(67)

/382/AE 61
- 7 -
D"nemark:
Das Ausw"rtige Amt teilte unter dem 17. September 1943, dem
Reichsbevollm"chtigten in D"nemark, Dr. Best mit, da Ribbentrop ihn ersuche,
Vorschl"ge zu unterbreiten, ber die Art der Durchfhrung des Abtransportes der
Juden aus D"nemark. Dies sei eine im Prinzip beschlossene Angelegenheit und
insbesondere m"ge er sich Gedanken darber machen, wieviel Polizeikr"fte er
dazu ben"tige. (68)
Vier Tage sp"ter machte der Gesandte von Grundherr, im Ausw"rtigen Amt zu
Berlin, seinem Staatssekret"r eine Vorlage, in der er festh"lt, da der neu in
Kopenhagen eingetroffene Befehlshaber der Sicherheitspolizei, SS-
Standartenfhrer und Oberst der Polizei Dr. Mildner, gegen den Abtransport der
Juden aus D"nemark Stellung genommen habe und sich mit Genehmigung von
Dr. Best, an Himmler ? gewandt habe. (69) Mildner selbst sagte dazu in einer
Erkl"rung am 22. Juni 1945, unter Eid: ,ich flog sofort nach Berlin, um dem Chef
der Sicherheitspolizei, Dr. Kaltenbrunner pers"nlich Vortrag zu halten. Der Chef
war abwesend. Ich ging zum Amtchef IV, SS Gruppenfhrer Mller, der in
meiner Gegenwart ein Blitz-Fernschreiben an Himmler im Sinne meines
Vortrages diktierte, kurz nach meiner Rckkehr nach Kopenhagen traf ber den
Chef der Sicherheitspolizei,

/383/AE 62
Dr. Kaltenbrunner, der definitive Befehl Himmlers ein: ,Die Judenaktion ist
sofort durchzufhren." (70)
Noch am 1. Oktober um 18,30 Uhr, erhielt der Bevollm"chtigte des Deutschen
Reiches in D"nemark ein Schreiben K"nig Christians X.; Best sandte diesen um
19,30 Uhr, am gleichen Tag, an den Reichsauenminister. Es war um 20, 10 Uhr
im Ausw"rtigen Amt. Das Schreiben des K"nigs lautete:
,Exzellenz, obwohl die vollziehende Gewalt gem" der mir am 29. August d.J.
berbrachten Mitteilung des Herrn Befehlshabers der deutschen Truppen in
D"nemark auf die deutsche Wehrmacht bergegangen ist, ist es mir jedoch -
nachdem ich mit einem Vernehmen bekannt gemacht worden bin, wonach man
Deutscherseits beabsichtigen sollte, Schritte gegen die Juden in D"nemark zu
unternehmen, - nicht nur aus menschlicher Sorge fr die Brger meines Landes,
sondern auch aus der Furcht vor den weiteren Konsequenzen in den knftigen
Beziehungen zwischen Deutschland und D"nemark daran gelegen, Ihnen
gegenber hervorzuheben, da Sondermanahmen hinsichtlich einer Gruppe von
Menschen, die seit mehr als 100 Jahren die vollen brgerlichen Rechte in
D"nemark genieen, die schwersten Folgen werden haben k"nnen. Christian X."

/384/AE 63
Dr. Best gibt Ribbentrop sodann einen Bericht ber die Lage, besonders in
Hinblick auf dem vom Milit"rbefehlshaber der deutschen Truppen in D"nemark
verh"ngten Ausnahmezustand und schliet mit den Worten: ,Die Aktion beginnt
heute um 21,50 Uhr." (71)
Es wurden insgesamt nicht mehr als 284 Juden erfat. Mein Vertreter im Referat
IV B4, des Reichsicherheitshauptamtes SS-Sturmbannfhrer Gnther hatte von
dem Amtchef IV, SS-Gruppenfhrer Mller, Befehl erhalten mit einigen beamten
nach D"nemark zu gehen, um den abtransport nach Theresienstadt in die Wege zu
leiten.
Dr. Best, der Reichsbevollm"chtigte, berichtete am 5. Oktober an das Ausw"rtige
Amt, da die Leitung der Judenaktion in D"nemark einheitlich in der Hand des
Befehlshabers der Sicherheitspolizei, SS-Standartenfhrer Dr. Mildner lag, der
alle Anordnungen fr die Durchfhrung erteilte. Er teilte weiterhin mit, da es
richtig sei, da der Befehlshaber der Sicherheitspolizei angeordnet habe, da
verschlossene Wohnungen nicht aufgebrochen werden sollten. (72)
In diesem Zusammenhang ist eine eidesstattliche Erkl"rung des ehemaligen
Legationsrates des Ausw"rtigen Amtes Dr. von Thadden vom 16. April 1948,
gegeben in Nrnberg, interessant, nachder ihm mein damaliger ,St"ndiger
Vertreter"

/385/AE 64
im Dezernat, eben der besagte SS-Sturmbannfhrer Gnther, im Anschlu an die
,D"nemark-Aktion" mitgeteilt habe, diese sei vermutlich von der Gesandtschaft
in Kopenhagen sabotiert worden. Ich h"tte bereits an Himmler berichtet und
werde den Kopf des Saboteurs fordern. N"here Angaben ber die Art der
Sabotage habe Gnther verweigert, nur beila"ufig erw"hnt, das Verbot,
verschlossene Wohnungen zu "ffnen. - Solches ist wie man aus Best's eigenen
Berichten gesehen hat, blanker Unsinn. Herr von Thadden ist hier zweifellos einer
T"uschung zum Opfer gefallen. (73)
Recht friedlich und h"flich und kein Wort ber eine erfundene Sabotage,
verhandelte ich gem" Befehl meines Chefs, dem Generalleutnat der Polizei
Mller, am 3. November 1943, in Kopnehagen mit dem Reichsbevollm"chtigten
Dr. Best, um Vorschl"ge entgegenzunehmen, die darin gipfelten, da Juden ber
60 Jahre nicht mehr festgenommen und deportiert werden, da Halbjuden und
Juden in Mischehe freigelassen und nach D"nemark zurckgebracht werden und
da die aus D"nemark deportierten Juden in Theresienstadt bleiben und von
Vertretern der d"nischen Zentralverwaltung und des d"nischen Roten Kreuzes
besucht werden k"nnen. Da ich keinerlei

/386/AE 65
Entscheidungen zu treffen befugt war, versprach ich Dr. Best, diese
Angelegenheit meinem Chef im Reichssicherheitshauptamt vorzutragen, und die
Vorschl"ge an ihn weiterzuleiten.
Der sehr vorsichtige Dr. Best erkundigte sich noch am gleichen Tage beim
Ausw"rtigen Amt, ob die Sache den besprochenen Weg genommen habe. Und
Wagner konnte ihm bereits kurz darauf berichten, da dem so sei. (74)
/387/AE 66
- 8 -
Slowakei
Der erste deutsche Gesandte in der Slowakei war Manfred von Killinger. Seine
haupts"chliche Aufgabe war, die erste politisch-organisatiorische Ausrichtung der
jungen slowakischen Regierung, im Hinblick auf die Zielsetzung der deutschen
Auenpolitik in die Wege zu leiten.
Er war es auch, welcher das ,Berater-System" zur Einfhrung brachte. Und in
einem Bericht ber die politische Lage in der Slowakei an das Ausw"rtige Amt
vom 13. Aug. 1940, bem"ngelte er, da die Berater noch nicht angelaufen seien,
da der gr"te Teil noch nicht eingetroffen w"re. (75)
Im September gibt sein Bericht Aufschlu ber die Lage des Judentums in der
Slowakei. Eine slowakische Regierungsverordnung v. 18.4.1939, legte fest, wer
dem Gesetz nach als Jude anzusehen sei. Er kndete dem Ausw"rtigen Amt ferner
Material ber den Stand des jdischen Gesamtverm"gens in der Slowakei an,
welches zur Zeit der Berichterstattung gerade von den slowakischen Beh"rden
festgestellt wrde. Nach offizieller Sch"tzung lebten um jene Zeit in der
slowakischen Republik, 90.000 Juden. (76)
Nachfolger v. Killingers, welcher als Gesandter nach Rum"nien abging, war
Ludin. Unter seiner Amtsfhrung komplettierte

/388/AE 67
sich auch das Berater-Corps; darunter auch der Berater fr Judenfragen, SS-
Hauptsturmfhrer Weisli?eng.
In einer anzahl von Erlaen, und Vereinbarungen zwischen dem
Reichsauenminister und Himmler, sowie zwischen deren Hauptamtchefs, wurde
die Stellung sowohl der Polizeiattachs, als auch der Berater genauest festgelegt.
Ausnahmslos waren die Berater den Polizeiattachs als Gehilfen zugeteilt, und
ihnen auch unmittelbar unterstellt. Beide kamen aus dem
Reichssicherheitshauptamt und wurden zur Dienstleistung im Ausland zu den
Botschaften oder Gesandtschaften, versetzt.
Die Polizeiattachs unterstanden bezglich ihrer T"tigkeit im Ausland
grunds"tzlich nur dem jeweiligen Missionschef und in dessen Abwesenheit, dem
jeweiligen Vertreter. Dies Attachs hatten, gem" den Abkommen, dienstliche
Auftr"ge des Missionschefs auszufhre. Allf"llige Weisungen der Dienststellen
des Reichsfhrers SS, muten ihnen ber das Ausw"rtige Amt, durch die Hand
des Missionschefs zugeleitet werden, der damit die politische Verantwortung fr
die auenpolitische Zweckm"igkeit dieser Weisungen bernahm, denn er konnte
ja von seinem Einspruchsrecht Gebrauch machen. /eine Zeile gestrichen/. (77)
/389/AE 68
Aus dieser Sachlage heraus wird es beispielsweise verst"ndlich, wenn das
Reichssicherheitshauptamt einen Berater zu einer Besprechung nach Berlin ladet,
der Missionschef sich dazu aber erst die Genehmigung seitens des Ausw"rtigen
Amtes einzuholen hatte; und nach deren Erteilung sodann der Berater der Ladung
erst Folge leisten konnte. (78)
Am 8.u. 9. Juli 1941 fuhren auf Einladung des Gauleiters von Oberochbenen, der
Berater fr Sozialpolitik und der, fr Judenfragen, von der Pressburger
Gesandtschaft, nach Ostober?klawien um dort Judenarbeitslager zu besichtigen.
Sie wurden von mehreren hohen Beamten des slowakischen Innenministeriums
und des Zentralwirtschaftsamtes begleitet. Dieser Besuch von Seiten der
Gesandtschaft sehr befrwortet, da "hnliche Einrichtungen in der Slowakei
geschaffen werden sollten. (79) Denn Ludin konnte seiner Berliner Zentrale am
22. Oktober berichten, da das slowakische Innenministerium keine Ausweisung
der Juden aus dem Gebiet der Slowakei beabsichtige, sondern eine interne
Zusammenziehung der juden an bestimmten Orten innerhalb der Slowakei
anstrebe. Es handele sich hierbei um die vom deutschen Berater angeregte
Bildung von Ghettos, nach dem Vorbild des Generalgouvernements. (80)

/390/AE 69
Aber mitten in diese Vorbereitungen hienein, platzte eine Aufforderung des
Unterstaatssekret"rs Luther, vom Ausw"rtigen Amt, da im Zuge der Manahmen
zur Endl"sung der Judenfrage Europas, die Deutsche Reichsregierung bereit sei,
sofort 20.000 junge, kr"ftige slowakische Juden auzunehmen und nach dem Osten
zu verbringen, wo Arbeitseinsatzbedarf besteht. /zwei Zeilen gestrichen/
Der Gesandte Ludin bekam am 16. Februar 1942 den Auftrag, das Einverst"ndnis
der Slowakischen Regierung herbeizufhren.
Und eine Handnotiz auf dem im Ausw"rtigen Amt, nach 1945 aufgefunden
Durchschlag, des an Ludin gerichteten Fernschreibens lautet: ,Slowakische
Regierung, Vorschlag mit Eifer aufgegriffen. Vorarbeiten k"nnen eingeleitet
werden.
Auch Himmler scheint sich selbst mit in diese Angelegenheit eingemengt zu
haben; jedenfalls schreibt Luther an eine andere Stelle hierber, anl"lich eines
europ"ischen Gesamtberichtes. (81)
Im April 1942 machte der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, SS-
Obergruppenfhrer und General der polizei und der Waffen SS, Heydrich, der
gleichzeitig auch die Position eines ,Stelvertretenden Reichsprotektors fr
B"hmen und M"hren" innehatte, dem slowakischen Ministerpr"sidenten Tuca,
einen Besuch. Einmal war es

/391/AE 70
ein H"flichkeitsbesuch, den ein benachbarter Regierungschef dem anderen
abstattete und zum anderen war es Heydrichs Wunsch, die angeschnittenen
Judendeportationsangelegenheiten, anzukurbeln und vorw"rts zu treiben.
Auch nun wurde seitens meines Vorgesetzten befohlen, mich fr eine Dienstreise
nach Pressburg vorzubereiten und das Ausw"rtige Amt kndete diese bereits am
13.M"rz 1942, seiner Gesandtschaft in Pressburg an. Ich sollte im Auftrag des
Chefs der Sicherheitspolizei, Vorbesprechungen zur Evakuieurng von 20.000
Juden aus der Slowakei, nach der inzwischen erzielten diesbezglichen
bereinstimmung zwischen Ausw"rtigen Amt - Gesandtschaft - Slowakischen
Regierung, mich den zust"ndigen Stellen in Pressburg, fhren. (82)
Nun, da der Hauptamtchef Heydrich selbst fuhr, war es berflig geworden,
mich mit den deutschen Wnschen nach der Slowakei in Marsch zu setzen. Erst
Ende Mai hatte ich sowohl weitere Wnsche meines Chefs, als auch ein
Handschreiben Heydrichs, an dem slowakischen Ministerpr"sidenten, im
Zusamenhang mit der gegenseitigen Absprache, dem deutschen Gesandten Ludin
zu bermitteln gehabt.
Hier wurde ich seitens des deutschen Gesandten in freundlicher Form gen"tigt,
dem slowakischen Innenminister Mach, den ich noch dunkel aus den Jahren
meines Wiener Aufenthaltes her kannte, als er noch lange kein

/392/AE 71
slowakischer Innenminister war, auf dessen, inzwischen an die Gesandtschaft
ergangener Einladung an mich, mit ihm gemeinsam zu Abend zu essen, keine
Absage zu geben.
Selbst Wisliceng mute in einer seiner vielen Erkl"rungen nach 1945 zugeben,
da man mich zu einer solchen Annahme n"tigen mute. In der Tat, ich ging all
solchen Dingen aus dem Wege, wann immer sich mir zum ,Ausdemwegegehen"
die M"glichkeit bot.
Nun ja, zwar war es eine private Einladung und das Essen war sicherlich nicht
schlecht; und Mach und ich kegelten, mal ,alle Neune", mal ,Fahrkarte", indessen
Ordonnanzen labende Getr"nke und Rauchzeug boten. Aber noch am frhen
Abend teilte mir Mach mit, da er eben aus Prag die Nachricht erhalten habe, da
gegen Heydrich eine Bombe geworfen wurde. Ich blieb noch eine Weile, w"hrend
der nunmehr laufend weiter Mitteilungen ber das Attentat kamen und furh
schlielich noch in selbiger Nacht nach Prag.
Es war der 29. Mai 1942.
Einige Tage sp"ter war Heydrich tot. Was mit dem Brief geworden ist, den ich
Ludin gab, wei ich nicht.-

/393/AE 72
Eine Aufzeichnung Luthers vom 29. M"rz 1942 gibt kund, da gem" Mitteilung
von Ludin, der slowakische Staatsrat die Evakuierung der Juden aus der Slowakei
positiv entschieden habe. Ein Mitglied des Staatsrates habe zwar opponiert, aber
ein Bischof habe daraufhin eine sehr positive Rede gehalten. Daraufhin sei der
Vorschlag, der Evakuierung zuzustimmen, einstimmig angenommen worden. Eine
Einschr"nkung wurde gemacht, n"mlich die, da bis zu einem bestimmten
Stichtag getaufte Juden, auszunehmen seien.
Ferner teilte der Gesandte Ludin an Luther noch mit, da drei
Evakuierungstransporte bereits abgegangen seien und die weiteren ohne
Verz"gerung folgen wrden. Und sobald die ersten 20.000 Juden evakuiert seien,
k"nne nit der Evakuierung der restlichen rund 70.000 Juden begonnen werden.
Luhter verfgte, da hiervon der Chef der Sicherheitspolizei und des SD,
umgehend zu benachrichtigen ist. (83)
Und Anfang Mai 1942 schrieb Luhter an Ludin, da die Reichsregierung bereit
sei, im Laufe des Monates Mai weitere 20.000 arbeitsf"hige Juden - von den
angekndigten 70.000 insgesamt, - aus der Slowakei abzunehmen und nach dem
Osten zu verbringen. Die Einzelheiten wrden wie bisher geregelt. (84)
Unterschriftskrzel

/394/AE 73
Einen genauen berblick ber die Angelegenheit vermittelt ein Schreiben meines
damaligen ,St"ndigen Vertreters" als Referent IV B4, im
Reichsicherheitshauptamt, SS-Sturmbannfhrer Gnther an den Legationsrat
Rademacher im Ausw"rtigen Amt, vom 15. Mai 42. Demnach wurden vom 25.
M"rz bis 29. April 42, die ersten 20.000 Juden aus der Slowakei nach Auschwitz
abgefahren, und am 4. Mai 1942 hatte die Abtransportierung von weiteren 20.000
Juden, nach Lublin eingesetzt. Die Bereitstellung von rollendem Material durch
die Slowakische Regierung erleichterte die technische Durchf"hrung der
Evakuierung erheblich, da es der Deutschen Reichsbahn auf Grund der
angespannten Verkehrslage nur schwer m"glich w"re, die erforderlichen
Sonderzge zur Verfgung zu stellen. (85)
Ludin teilte am 26. Juni 42 mit, da die Weiterfhrung der Depotation, bedingt
durch kirchliche Einfle auf einen ,Toten Punkt" angelangt sei.
Ministerpr"sident Tuca wnsche jedoch sie fortzusetzen und bittet die
Reichsregierung durch scharfen, diplomatischen Druck, um Untersttzung; Ludin
bat um Weisung, ob er in dieser Richtung verfahren k"nne.
Daraufhin beeilte sich Staatssekret"r Weizs"cker in einem Telegramm an
Pressburg zu erwiederen, da die von Tuca erbetene diplomatische Hilfe in der
Weise gegeben werden k"nne, da Ludin das slowakische Staatsoberhaupt
aufsuche und ihm gegeber

/395, 396/AE 74
zum Ausdruck bringe, da die Einstellung der Deportierung, in Deutschland
berraschen wrde.
In einer Besprechung mit Tuca am 30. Juni r"t Ludin kompromisslos, zu einer
100%igen L"sung. Zwar hatte erst krzlich der p"pstliche Pronuntius Msgr.
Burzio, den slowakischen Ministerpr"sidenten aufgesucht, um im Auftrage des
Heiligen Stuhles gegen die Fortsetzung der Deportation zu protestiern. Er habe
jedoch den Protest erst gar nicht entgegengenommen, da es in dieser Hinsicht fr
ihn eine h"here Instanz g"be, als den Papst, n"mliche seinen, Tuca`s, Beichtvater.
Dieser habe ihn gefragt, ob er die Judenaussiedlung als im Interesse seiner Nation
liegend, vor seinem Gewissen verantworten k"nne. Als Tuca diese Frage bejahte,
soll der Beichtvater keinen Einwand gegen diese Manahmen erhoben haben.
Dies erz"hlte Tuca dem Gesandten Ludin. (86)
Der Reichsauenminister v. Ribbentrop, verwarf am 21.7.1943 den Vorschlag von
Weizs"cker und lie Ludin mitteilen, da SS-Oberfhrer Dr. Veesenmayer in
n"chster Zeit den Staatspr"sidenten Dr. Tiso aufsuchen werde und ihm bei dieser
Gelegenheit die Sache bezglich der Judenaussiedlung vorzutragen habe. Und am
22. Dezember 1943 konnte Dr. Veesenmayer melden, da Tiso pers"nlich dafr
die

/397/AE 75
Gew"hr bieten wrde, da die Aktion so rasch wie m"glich zur Durchfhrung und
zum Abschlu gebracht wrde. (87) -
Inzwischen aber kam es im Jahre 1944 zu einem allgemeinen Aufstand in der
Ostslowakei und in dem Verlauf der Niederschlagung desselben wurde
deutscherseits zu scharfen Manahmen geschritten.
Es kam zu einer Vereinbarungen zwischen dem Gesandten Ludin und dem
inzwischen in der Slowakei installierten Befehlshaber der Sicherheitspolizei Dr.
Witiska einerseits und der slowakischen Regierung andererseits. Demnach waren
die deutschen Stellen mit einer Konzentrierung und Bewachung der Juden auf
slowakischem Gebiet einverstanden.
Am 4. Oktober 1944 intervenierte der slowakischen Ministerpr"sident bei Ludin,
er habe geh"rt, da man ohne die slowakische Regierung zu verst"ndigen, daran
ginge, die Juden aus der Slowakei abzutransportieren. Daraus aber wrden sich
zweifellos diplomatische Schwierigkeiten ergeben. Ludin sagte ihm, da die
Judenfrage jetzt auf alle F"lle radikal gel"st werden me und er den Rat g"be, im
Falle von Schwierigkeiten einfach darauf hinzuweisen, da die Reichsregierung
vom slowakischen Staat eine radikale L"sung verlange. Das Ausw"rtige Amt
feilte den Rat Ludins dann noch etwas feiner aus, indem

/398/AE 76
es formulierte, da die starke Beteiligung der Juden an den Aufst"nden und
Partisanenbewegungen im Interesse der Sicherheit des slowakischen Staates, eine
Radikall"sung der Judenfrage unumg"nglich notwendig mache. Und soferne es im
Interesse der Stellung der slowakischen Regierung unbedingt erforderlich sei,
k"nne hinzugefgt werden, da das Reich im Zuge der auf Wunsche der
slowakischen Regierung erfolgenden Partisanenbek"mpfung, auch seine Hilfe bei
der L"sung der Judenfrage gew"hrt habe. (88) -
Am 6. Oktober 1947, gab der ehemalige Gesandte Ludin u.a. folgende
eidesstattliche Erkl"rung, vor der Untersuchungsbeh"rde in Bratislava ab: ,Ich
kann angeben, da die Judendeportationen im Jahre 1942 ber auftrag des
Ausw"rtigen Amtes stattgefunden haben. Ich pers"nlich habe den diesbezglichen
Auftrag im Jahre 1942 erhalten. 1942 sind dann etwa 60.000 Juden aus der
Slowakei deportiert worden. Die letzte Judenaussiedlung ging durch den
Befehlshaber der Sicherheitspolizei." (89)
/399/
AE 77
- 9 -
Griechenland:
Der deutsche Milit"rbefehlshaber Saloniki-g"is hatte im Einvernehmen mit
dem griechischen Generalgouverneur von Mazedonien am 7. Juli 1942 eine
Anordnung ber den Arbeitseinsatz von Juden zu Ausbau der Strae
Saloniki - Katerim - Larissa - erlassen. (90)
Am 3. Januar 1943 flog gem" einem Befehl des Amtchefs IV im
Reichssicherheitshauptamt, Generalleutnant der Polizei Mller, mein
Vertreter, SS Sturmbannfhrer Gnther nach Soloniki, um dort
Verhandlungen in Judenangelegenheiten zu fhren. Der Unterstaatssekret"r
Luther schrieb an seinen Gesandten Altenburg nach Athen, ,da Gnther
selbstverst"ndlich mit ihm t"tig werden darf." (99)
Derselbe Gnther teilte am 25. Januar 1943 dem Ausw"rtigen Amt mit, da,
nachdem die erforderlichen Besprechungen zur Durchfhrung von
Evakuierungsmanahmen aus dem Raum von Saloniki, mit dem
Bevollm"chtigten des Deutschen Reiches in Griechenland, dem deutschen
Generalkonsul in Saloniki und der Heeresgruppe, sowie dem
Milit"rbefehlshaber Saloniki g"is, gefhrt wurden, eine Abordnung des bei
der Deutschen Gesavdtschaft in Pressburg diensttuenden Beraters fr
Judenfragen, erforderlich sei. Es wurde um Einverst"ndnis gebeten.
/400/AE 78
Eine dementsprechende Weisung des Ausw"rtigen Amtes an Pressburg, ging am
5. Februar 1943, aus. (92)
Am 6. Februar 1943, erlie der Milit"rbefehlshaber Saloniki - g"is, durch
seine Milit"rverwaltung, eine Kennzeichnungs- und
Ghettoisierungsverordnung. Er richtete diese anordnung an die jdische
Kultusgemeinde zu Saloniki, ,Kraft der dem Befehlshaber Saloniki - g"is
verliehenen Rechtsbefugnisse". -
Eine weitere Anordnung derselben Stelle vom 13. Febr. 43, besagt, da der
Pr"sident der Jdischen Kultusgemeinde zu Saloniki, alle Juden im gesamten
Bereich des Befehlshabers Saloniki - g"is zu betreuen habe. Am selben
Tage ordnete der Milit"rbefehlshaber durch seine Milit"rverwaltung ferner
an, da Juden nicht befugt seien, ihren Wohnsitz ohne Erlaubnis zu
verlassen. ,Zuwiderhandelnde werden auf der Stelle erschossen."
Straenbahnen und andere Verkehrsmittel seien fr Juden verboten, ebenso
verboten sei die Benutzung von Fernsprechern, das Betreten von Straen
und "ffentlichen Pl"tzen sowie der Besuch "ffentlicher Veranstaltungen,
nach Einbruch der Dunkelheit.
Am 15.6.43 teilt der Milit"rbefehlshaber Saloniki - g"is an den
Generalgouverneur von Mazedonien mit, da gem" einer h"heren Weisung,
das Eigentum an dem gesamten jdischen Verm"gen,

/401/
AE 79
welches sich in seinem Befehlsbereich befunden hat oder noch befindet, dem
griechischen Staat, vertreten duch den Generalgouverneur von Mazedonien, zu
Eigentum bertragen wurd. (93)

Wisliceng ist inzwischen in Saloniki eingetroffen und ist dort gem" den
verwendeten Dienstsiegeln einem anderen Befehlshaber unterstellt; n"mlich
dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, der funktionell
seinerseits wieder dem deutschen Milit"rbefehlshaber Saloniki - g"is
unterstellt ist.
Auf Grund der Erlae des Milit"rbefehlshabers, gibt nun Wisliceng die
Ausfhrungsbestimmungen dazu bekannt. Wie gro die Judenkennzeichen
zu sein haben, wer als Jude dem Gesetze nach zu gelten hat, usf. (94)
Die Flucht eines Einzeljuden veranlate am 21. M"rz 1943 den
Milit"rbefehlshaber anzuordnen, da 25 Juden als Geiseln festgenommen
wrden. Bei geringster Zuwiderhandlung gegen die vorgeschriebenen
Verpflichtungen, wrden diese erschossen werden. Ferner drfen Juden
auch innerhalb des Ghettos, nur zwischen 10 Uhr und 16 Uhr ihre H"user
verlassen. Zuwiderhandelnde werden sofort erschossen; Deutsche und
griechische Polizeikommandos wrden diese Anordnung besonders streng
berwachen. (95)



/402/
AE 80
In Saloniki befanden sich etwa 55.000 Juden. Der weitaus gr"te Teil von ihnen,
wurde deportiert.
Aus einem Runderla des Ausw"rtigen Amtes an die deutschen Missionen in
Budapest, Lissabon, Rom, und Ankara vom 30. April 1943 ist zu ersehen,
da zwingende milit"rische und sicherheitspolizeiliche Grnde, allgemeine
Manahmen gegen Juden auch auf das von deutschen Truppen besetzte
nordgriechische Gebiet, auszudehnen, notwendig machen. (96)
Wer allein ber Ingangsetzung oder Einstellung von Judendeportationen
entschied, und wer die taktischen Belange dabei beobachtete, zeigt ein
telegramm des deutschen Gesandten Neubacher, aus Athen an das
Ausw"rtige Amt vom 27. Nov. 1943. ,Bitte bei Chef des
Reichssicherheitshauptamtes anzuregen, da mit Abtransport hiesiger Juden
noch zugewartet wird. Es haben sich von ca. 8.000 Juden ber Aufforderung
des Sicherheitsdienstes, ca. 1.200 gemeldet; die brigen sind geflchtet oder
halten sich verborgen. Nach Abtransport der Juden, die sich gemeldet haben
und die wahrscheinlich das uninteressanteste Kontingent darstellen, besteht
berhaupt keine Aussicht mehr, an diejenigen heranzukommen, die fr uns
politisch wesentlich interessanter sind als die gemeldeten.

/403,404/
AE 81
Der H"here SS- u. Polizeifhrer und Chef des Sicherheitsdienstes sind derselben
Ansicht. Erbitte Bescheid an mich in Belgrad und an H"heren SS- u. Polizeifhrer
nach Athen."
Neubacher war um jene Yeit der Bevollm"chtigte des Ausw"rtigen Amtes fr
den gesamten Sdosten.
Dieses Telegramm leitete mir der Referent in der Abteilung DIII des Ausw.
Amtes, Legationsrat Dr. von Thadden, mit der Bitte, um entsprechende
Stellungnahme des Chefs des Reichsicherheitshauptamtes, General der
Polizei und der Waffen SS, Dr. Kaltenbrunner, zu.
Herr v. Thadden versah das nach 1945 aufgefundene Doppel seines
Schnellbriefes an mich, am 4. Dez. 1943 mit einer Handnotitz, die besagt, da
er mit mir die Sache besprochen habe und ich ihm mitgeteilt h"tte, da
Kaltenbrunner die Angelegenheit inzwischen direkt mit den Beteiligten,
telephonisch erledigt habe und der Abtransport daher durchgefhrt werde.
Auch dieses Beispiel zeigt andererseits, da mein Referat in den Dingen, im
Reichssicherheitshauptamt, die eines Nachrichten- und Befehlsbermittlers
war. Im Gegensatz von Presse und Literatur, sowie mancher unwahrer,
sogenannte Zeugenaussagen, habe ich nie etwas anderes behauptet. (97)
/405, 406/AE 82
- 10 - Jugoslawien:
Am 10. April marschierten die deutschen Truppen in Zagreb ein und am 12. April
wurde Belgrad besetzt. Im Verbande der Truppen war ebenfalls eine
Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD eingegliedert. Ihr Befehlshaber
war der SS-Standartenfhrer und Oberst der Polizei Dr. Fuchs. Dieser
Einsatzgruppe unterstanden zwei Einsatzkommandos, eines in Agram unter dem
SS-Sturmbannfhrer Beisner, das zweite in Begrad, unter SS-Sturmbannfhrer
Kraus. Nach Einrichtung einer deutschen Gesandtschaft in Agram, unter dem
Gesandten Kasche, wurde dieser, der SS-Sturmbannfhrer Helm als Polizeiattach
zugeteilt. (98) Der jugoslavische Raum war in drei Regionen aufgeteilt worden.
Der slovenische Teil, von welchem einige Kreise dem Reichsgebiet einverleibt
wurden; Kroatien, welches zu einem selbstst"ndigen Staate proklamiert wurde
und das von deutschen Truppen besetzte Serbien.
Eins.) Slovenien:
Heydrich erhielt ber Himmler Befehl, umgehend mit der ,Bereinigung der
Volkstumsfragen" in dem neu zum Reich gekommenen Gebieten im
Sdosten, zu beginnen. Es handelte sich im wesentlichen um die Evakuieurng
von 260.000 Slowenen nach Serbien; es war dies eine ursprnglich befohlene
Zahl, die soweit ich mich glaube erinnern zu k"nnen, auch nicht ann"hernd
erreicht wurde.
Ich erhielt um jene Zeit den Befehl,

/407/
AE 83
Einladungsschreiben zu einer am 6. Mai 1941 in Marburg anberaumten
Besprechung unter dem Vorsitz Heydrichs, an s"mtliche deutschen
Zentralinstanzen auszusenden. So an das Ausw"rtige Amt,
Reichswirtschaftsministerium, Reichinnenministerium, Beauftragten fr den
Vierjahresplan, Reichsfinanzministerium, Kanzlei des Fhrers, Rasse- und
Siedlungshauptamt, Reichsverkehrsminsterium u.a.m.
Die T"tigkeit der Evakuierung lief unter den Auspizien des Reichsfhrers SS
u. Chef der Deutschen Polizei, als Reichskommissar fr die Festigung
deutschen Volkstums. Das Konferenzziel war, da alle beteiligten
Zentralinstanzen nach dem Aussiedlungsgebiet ihre Vertreter zur Hitler -
Befehl - Durchfhrung abzustellen haben und dort die ihnen obliegenden
Ressortarbeiten an Ort und Stelle zu erledigen.
Meine Aufgabe war es fr die laufende Berichterstattung von ,oben nach
unten" und umgekehrt Sorge zu tragen.
Die Aussiedlungsbestimmungen selbst, war eine Angelegenheit des Amtes III,
des Reichssicherheitshauptamtes, sowie die des Rasse- u.
Siedlungshauptamtes. (99)
Zwei.) Serbien:
Am 11. Mai 1941 ergeht seitens des Milit"rbefehlshabers in Serbien, eine
Einladung zur Besprechung ber Judenangelegenheiten,

/408, 409/
AE 84
an den Generalbevollm"chtigten fr die Wirtschaft in Serbien, Generalkonsul
Neuhausen, an dem Bevollm"chtigten des Ausw"rtigen Amtes in Serbien, den
Gesandten Benzler, an den Chef der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des
SD, Dr. Fuchs, dem Feldkommandanten Oberst Keisenberg und an den Leiter der
Verwaltungsgruppe Oberkriegsverwaltungsrat Dr. Rantze. (100) Fnf Tage sp"ter
wurden die Juden von Belgrad aufgefordert, sich am 19.4.41, um 8 Uhr frh, bei
der St"dtischen Schutzpolizei, zu melden. (101)
Und seitens des Gesandten Benzler und Veesenmayer geht nunmehr
Forderung um Forderung nach Beseitigung dieser Juden aus dem serbischen
Raum, an das Ausw"rtige Amt, nach Berlin ab.

Am 8. Sept. 1941 schreiben Benzler und Veesenmayer an das Ausw"rtige
Amt: ,. Es ist daher dringend geboten, nunmehr beschleunigt fr
Sicherstellung und Entfernung zu mindestens aller m"nnlichen Juden zu
sorgen. Die hierfr in Frage kommende Zahl drfte ? 8.000 betragen."
Am 10. Sept. 1941, lassen Benzler und Veesenmayer aus Belgrad verlauten:
,Rasche und drakonische Erledigung serbischer Judenfrage ist dringenstes
und zweckm"igstes Gebot. Erbitte von Herrn Reichsauenminister
entsprechende

/410/
AE 85
Weisung, um beim Milit"rbefehlshaber Serbien, mit entsprechendem Nachdruck
wirken zu k"nnen. Seitens serbischer Regierung und Bev"lkerung, ist keinerlei
Widerstand zu erwarten, umso weniger, als bisherige Teilmanahmen sich bestens
bew"hrt haben. Gleichlautender Befehl von Reichsfhrer SS, an chef der
Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei, SS-Standartenfhrer Fuchs, wrde
Angelegenheit wesentlich f"rdern. (102)
Es ging anf"nglich darum, diese 8.000 Juden auf eigendeine, zu Rum"nien
geh"rende Donauinsel zu verbringen. Dies wurde jedoch von Ribbentrop
abgelehnt, da es ohne Zustimmung der Rum"nen nicht durchgefhrt werden
k"nne. Unterstaatssekret"r Luther teilte dies am 11. Sept. an Benzler mit und
bemerkte, da es anheimgestellt wrde, die Juden in Arbeitslager
sicherzustellen. (103)
Aber sofort, am 12. Sept., antwortet Benzler, da Unterbringung in
Arbeitslagern nicht m"glich sei, da infolge der inneren Zust"nde - Aufst"nde
- die Sicherung nicht gew"hrleistet erscheine. Es bliebe nur noch die
sofortige Abschiebung etwa nach dem Generalgouvernement oder Ruland,
was aber erhebliche Transportschwierigkeiten breiten drfte. Anderenfalls
me die Judenaktion vorl"ufig zurckgestellt werden, was gegen die ihm,

/411/
AE 86
von Ribbentrop, erteilten Weisungen sei. (104)
Am 13. Sept. legt der Legationsrat Rademacher seinem Unterstaatssekret"r eine
bemerkenswerte Aufzeichnung vor.
,Die Notwendigkeit der von der Dienststelle des Bevollm"chtigten des
Ausw"rtigen Amtes in Belgrad gewnschten Abschiebung der 1.200 m"nnlichen
Juden, wenn nicht nach Rum"nien, so doch nach dem Generalgouvernement oder
nach Ruland, vermag ich nicht einzusehen. Ruland ist als Operationsgebiet zur
aufnahme von Juden v"llig ungeeignet. Wenn sie schon in Serbien eine Gefahr
sind, sind sie in Ruland eine noch viel gr"ere. Das Generalgouvernement ist
bereits mit Juden bers"ttigt. M.E. mte es bei der n"tigen H"rte und
Entschlossenheit m"glich sein, die Juden auch in Serbien in Lager zu halten.
Wenn die Juden dort nach wie vor Unruhen schren, mu gegen sie mit
versch"rftem Standrecht vorgegangen werden. Ich kann mit nicht vorstellen, da
die Juden weiter konspirieren, wenn erst eine gr"ere Anzahl von Geiseln
erschoen ist." (105)
Benzler richtet am 28. Sept. ein erneutes dringendes Telegramm; fr den
Reichsauenminister pers"nlich. Er erinnert ihn

/412, 413/ AE 87
an seine Zusage, ihm zu helfen, die Juden, Freimaurer und englandh"rige Serben,
sei es donauabw"rts, sei es in Konzentrationslager in Deutschland oder im
Generalgouvernement, unterzubringen. Sofortige L"sung der Judenfrage sei im
Augenblick in Serbien die politisch wichtigste Aufgabe und Voraussetzung fr
Inangriffnahme der Beseitigung von Freimaurern und deutschlandfeindlicher
Intelligenz. Die im Gange befindliche milit"rische Aktion zur
Aufstandsbek"mpfung schaffe jetzt den geeigneten Zeitpunkt fr den Befinn der
Aktion. Zudem habe General B"hme, ebenso wie der Milit"rbefehlshaber, erneut
nachdrcklich gebeten, auch in ihrem Namen, m"glichst sofortige Abschickung
der Juden auer Landes zu erwirken. Es handele sich zun"chst um etwa 8.000
m"nnliche Juden, deren Unterbringung in Lager unm"glich sei, da diese Lager fr
Unterbringung von 20.000 Serben aus den aufstandsgebieten in Anspruch
genommen werden men.
Mit den restlichen etwa 20.000 Juden und Familienangeh"rigen, werden sie dort
selbst fertig werden men, die Abschickung auf eine Insel im Donaudelta
erscheine transportm"ig die einfachste L"sung und Benzler erbittet abschlieend,

/414/AE 88
zusammen mit Veesenmayer, in dieser Frage die erste Voraussetzung fr
angestrebte Dauerbefriedung sei, um dringende Untersttzung. (106)

Hierzu nahm Luther - zwecks Vorlage ber den Staatssekret"r, bei dem
Reichsauenminister - am 2. Oktober wie folgt Stellung:
,Wenn der Milit"rbefehlshaber mit Benzler dahingehend einig ist, da diese 8000
Juden in erster Linie die Befriedungsaktion im serbischen Altreich verhindern, so
mu meiner ansicht nach der Milit"rbefehlshaber fr die sofortige Beseitigung
dieser 8.000 Juden Sorge tragen. In anderen Orten sind anderer
Milit"rbefehlshaber mit einer wesentlich gr"eren anzahl von Juden fertig
geworden, ohne berhaupt darber zu reden.
Meiner Ansicht nach k"nnen wir dem rum"nischen Staatsfhrer, welcher ohnehin
gengend Sorgen mit der Abschiebung seiner eigenen Juden hat, nicht zumuten,
weitere 8.000 Juden aus fremden Staatsgebiet zu bernehmen.
Ich bitte daher um die Erm"chtigung, diese Frage mit Obergruppenfhrer
Heydrich, welcher in den n"chsten Tagen auf kurze Zeit von Prag nach Berlin
kommen wird, zu besprechen. Ich bin berzeugt, da wir im Einvernehmen mit
ihm

/415/AE 89
sehr bald zu einer klaren L"sung dieser Frage kommen k"nnen." (107)

Noch am selben Tage, um 22,20 Uhr, gab Ribbentrop bekannt, sofort mit
Himmler die Frage zu kl"ren, ob er die 8.000 Juden, nach Ostpolen schaffen
k"nne. Und mit Heydrich wurde vereinbart, da ein Sonderbeauftragter der
Reichssicherheitshauptamtes zur Regelung der Frage nach Belgrad kommen
werden. Drei Tage sp"ter schreibt Luther nach Belgrad, da ich in Begleitung des
Legationsrates Rademacher die Reise antreten wrde. Am 15. Oktober wurde
dieser Plan wieder aufgegeben, dann Luther mute Belgrad mitteilen, da nicht
ich, sondern andere, als Vertreter des Reichssicherheitshauptamtes, gemeinsam
mit Rademacher nach Belgrad k"men.
Auch hier scheint aber wieder etwas dazwischen gekommen zu sein, denn
Rademacher fuhr - wie sein Dienstreisegenehmigungsantrag den er an seine
Beh"rde richtete lautet - zwecks Liquidierung von 8.000 Juden, offensichtlich
alleine nach Belgrad, denn sein ausfhrlicher Dienstreisebericht beinhaltet nichts
ber andere Dienstreiseteilnehmer; auch die Akten besagen nicht diesbezglich.
(109)

/416/AE 90
In Serbien geschah in der Zwischenzeit folgendes:
Der Bevollm"chtigte Kommandierende General in Serbien, General der
Infanterie, B"hme, erlie am 10. Okt. 41, einen Befehl, demzufolge es notwendig
geworden sei, die Befehle des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht, in der
sch"rfsten Form durchzufhren.
Es seien daher in allen Standorten s"mtliche m"nnlichen Kommunisten, Juden
und eine bestimmte Anzahl nationalistischer und demokratisch gesinnter
Einwohner, als Geiseln festzunehmen.
Fr jeden get"teten oder ermordeten deutschen Soldaten oder Volksdeutschen
sind 100 Gefangene oder Geiseln zu erschieen; fr jeden Verwundeten deren 50.
Der Chef des Generalstabes des Bevollm. Kommandierenden Generals in Serbien
befahl am 19. Oktober 1941 die Exekution an 2.200 Festgenommenen, fr 10
gefallene und 24 verwundete deutsche Soldaten. (110)

Rademacher schrieb in seinem Dienstreisebericht vom 25. Okt. 41, da seine erste
Aussprache mit dem Gesandten Benzler und dem Staatsrat Turner auf der
Dienststelle des Milit"rbefehlshabers ergeben h"tte, da bereits ber 2000

/417/AE 91
dieser Juden als Repressalie fr berf"lle auf deutsche Soldaten erschoen waren.
Ins Einzelne gehende Verhandlungen mit den Sachbearbeitern der Judenfrage SS-
Sturmbannfhrer Dr. Weimann von der Dienststelle des Staatsrates Turner und
dem Leiter der Staatspolizeistelle (er meint hier den Chef der Einsatzgruppe der
Sicherheitspolizei) SS-Standartenfhrer Dr. Fuchs, und dessen Judenbarbeiterin
ergaben:
,1.) Die m"nnlichen Juden sind bis Ende dieser Woche erschoen, damit ist das in
dem Bericht der Gesandtschaft angeschnittene Problem ereldigt.
2.) Der Rest von etwa 20.000 Juden (Frauen, Kinder, alte Leute) sowie rund 1.500
Zigeuner, von denen die M"nner ebenfalls noch erschoen werden, sollte in
sogenannte Zigeunerviertel der Stadt Belgrad als Ghetto, zusammengefat
werden." (111)

Jetzt aber wurde es dem Staatssekret"r im Ausw"rtigen Amt, Herrn von
Weizs"cker zu Berlin, denn doch zu viel und er schrieb am 22. November auf
Grund einer Aufzeichnung, der Abteilung D III seines amtes vom 7. Nov., da
gem" Fhrererla vom 28.4.1941, der Bevollm"chtigte des Ausw"rtigen Amtes
fr die Behandlung aller in Serbien auftauchenden Fragen auen-

/418/AE 92
politischen Charakters zust"ndig sei und da demnach der Gesandte Benzler und
mit ihm das Ausw"rtige Amt sich mit dem Abtransport von Juden aus Serbien
nach anderen L"ndern zu befassen habe, es dagegen ber Benzlers und des
Ausw"rtigen Amtes Aufgabe hinausginge, darin aktiv mitzuwirken. Er habe heute
dem Gesandten Benzler mndlich dasselbe gesagt und es wrde sich empfehlen,
ihn noch entsprechen schriftlich zu unterrichten.
Dagegen fhrte Unterstaatssekret"r Luther in einer Notitz fr seinen Staatssekret"r
am 12. Dez. 1941, yu seiner Verteidigung in's Treffen, was er alles gem"
Weisung Ribbentrops unternommen habe und er daher annehmen mute, das es
im Sinne des Herrn Reichsauenministers lag, wenn sich das Ausw"rtige Amt ,in
diese an sich sicherlich, recht heikle Angelgenheit" einschaltete. (112)

Dieser ,Streit im Hause" scheint der Grund zu sein, weshalb sich auf einem
Telegramm Benzlers an das Ausw"rtige Amt vom 12. Sept. 41, fogende
handschriftlichen Vermerke finden: ,Bitte sofort mit Reichssicherheitshauptamt
sprechen, dann Bericht.
Luther, 12.9."
Unterschriftkrzel

/419/AE 93
,Nach Auskunft Sturmbannfhrer Eichmann, Reichssicherheitshauptamt, IV D
VI, Aufnahme im Reichsgebiet und Generalgouvernement unm"glich. Nicht
einmal die Juden aus Deutschland k"nnen dort untergebracht werden. Eichmann
schl"gt Erschieen vor.
Rademacher 13.9."

Dazu sagte Rademacher am 30. Juli 1948, in Nrnberg folgendes aus:
,Auf Grund der Notitz Luthers vom 12.9. bin ich am 13.9. zum Vortrag bestellt
worden. Ich erinnere mich noch genau, da ich ihm gegenber sa als ich mit dem
Reichssicherheitshauptamt telephonierte und da ich die handschriftlichen
Stichworte ber Eichmanns Antwort aufschrieb und w"hrend des Telepphonates
zu Luther hinberschob. Eichmann hat dem Sinne nach gesagt, da die Milit"rs
fr die Ordnung in Serbien verantwortlich seien und aufst"ndische Juden eben
erschieen mten. Auf meine Nachfrage wiederholte er einfach: ,Erschieen`
und hing auf."

Nun, ich habe nie eine solche uerung getan; sie ist von Rademacher frei
erfunden. Ich h"tte dazu auch gar keine Befugnis gehabt.
Wegen viel geringerer Angelegenheiten wurden zwischen dem
Reichssicherheitshaupt-
/420/AE 94
amt und dem Ausw"rtigen Amt und umgekehrt, hunderte von Schreiben
gewechselt. Ja, mit einer ausgesprochenen brokratischen Pedanterie darauf
geachtet, gegeseitige Stellungnahmen stets s"uberlich bei den Akten, gem" den
brokratischen Vorschriften, zu haben.

Ferner; man stelle sich vor, im Ausw"rtigen Amt sitzen sich zwei M"nner
gegenber. Beide kennen sich gut. Der eine von ihnen kennt den Telephonpartner
dienstlich sehr gut, der andere kennt ihn dienstlich gut.
Es wird schnell angerufen. Beide wissen wen und wo.
Rademacher tr"gt den Sachverhalt vor. Luther sitzt ihm dabei gegenber.
Rademacher schreibt die Auskunft auf die Akte.
Ich frage daher vom Standpunkt des Kriminalisten: meines Erachtens f"ngt in
einem solchen Falle ein Person kaum an zu schreiben: ,Nach Auskunft
Sturmbannfhrer Eichmann, R & H.A. IV D VI . ."
Luther wei dies alles, denn er sitzt ja gegenber und er kannte mich ja schon
lange.
Es kann auch nicht stimmen, da Rademacher meine angebliche Auskunft
w"hrend dieses angebliche Telephonat zu Luther ber den Schreibtisch hinber-

/421/AE 95
schob, denn wenn man seine Notitzen und Aussagen durchspielt, geht die Sache
nicht auf.
Des weiteren, mit keinem Wort werde ich im Laufe der weiteren diesbezglichen
Aktenbehandlung mehr erw"hnt, was doch sonst sehr nahe liegend w"re. Nein, es
ist schon so wie ich sagte, hier wurde infolge der Weizs"cker'schen Rgen
schleunigst ein zus"tzliches ,Entlastungsmaterial" nachtr"glich geschaffen, wie
solches in "hnlichen F"llen innerhalb der Zentralinstanzen gerne praktiziert wird.
Und letztlich ist in diesem Zusammenhang unter Umst"nden auch die Aussage v.
Weizs"ckers w"hrend des Nrnberger Prozesses nicht uninteressant. (113)
Abgesehen davon war meine Dienstbezeichnung nicht IV D VI, sondern IV B 4.

Kroatien:
Der deutsche Gesandte der kroatischen Republik in Adram, Kasche richtete an das
Ausw"rtige Amt nach Berlin ein Telephonat, in dem er mitteilte, das die
kroatische Regierung mit der Aussiedlung der Juden grunds"tzlich einverstanden
sei. Er halte es daher fr richtig, mit der Aussiedlung zu beginnen und zwar fr
das gesamte Staatsgebiet. Man k"nne es darauf ankommen lassen, ob sich im
Zuge der Aktion Schwierigkeiten ergeben, soweit es sich um die von Italienern

/422, 423/AE 96
besetzte Zone handele. (114)
Luther machte diese Mitteilung am 24. Juli 42, zum Gegenstand einer Vorlage bei
Ribbentrop.
Am 16. Oktober 42 meldete Kasche, da der kroatische Finanzminister Kosak
sich bereit erkl"rt habe, dem Deutschen Reich fr jeden ausgesiedelten Juden
Dreiig Reichsmark zur Verfgung zu stellen. Die schriftliche Best"tigung, sowie
die Zahlungsweise wrde mit dem Auenminister Lorkovic vereinbart. Die
Vorbereitungsarbeiten fr die Aussiedlung der Juden aus den von den Italienern
besetzten Zonen, werden von dem Polizeiattach durchgefhrt. Er b"te, das
Reichssicherheitshauptamt zu verst"ndigen. (115)
Aber die Italiener hatten sich die Durchfhrung doeser Aufgabe selbst vorbehalten
und eine berstellung der Juden an Deutschland abgelehnt. (116)

Inzwischen wurde dem Polizeiattach als Gehilfe ein SS-Hauptsturmfhrer
Abromeit unterstellt, welcher den Abtransport der Juden aus Kroatien, soweit
diese fr eine Evakuierung in Frage kamen, zu bernehmen und die
Transportzge von der Deutschen Reichsbahn zu bestellen hatte.
Die Erfassung der Juden wrden durch die jeweils zust"ndigen Polizeichefs bei

/424, 425/AE 97
den Grogespanschaften, gem" einer Anweisung der Hauptdirektion fr
"ffentliche Ordnung und Sicherheit, durchgefhrt werden. (117)

Am 22. April 1944 gibt der Gesandte Kasche einen Bericht ber die Judenfrage in
Kroatien an das Ausw"rtige Amt, worin er feststellt, da diese in Kroatien ,in
weitem Mae bereinigt" worden ist; es handele sich jetzt nur noch um
Manahmen in den Kstengebieten. Als Anlage fgt er einen Bericht seines
Polizeitattachs bei. Bekanntlich wurde die Judenaussiedlung aus Kroatien - so
heit es in diesem Bericht - im Sp"therbst 1942 durch die zust"ndigen kroatischen
Beh"rden, unter Einschaltung einer beratenden T"tigkeit des Polizeiattaches
durchgef"hrt. Es l"ge ein Schreiben des Reichssicherheitshauptamt vor,
demzufolge auf Befehl Himmlers die Judenfrage in Kroatien in schnellster Zeit
bereinigt werden soll. Auf Grund des Himmler-Befehls, wrde durch den
Befehlshaber der Sicherheitspolizei, im engsten Einvernehmen mit ihm, die
Judenfrage nochmals eingehendst geprft. (118)

/426/AE 98
- 11 -
Rum"nien:
Der Deutsche Gesandte in Rum"nien Manfred Freiherr von Killinger fordert vom
Ausw"rtigen Amt den Berater fr Arisierung- und Romanisierungsfragen SS-
Hauptsturmfhrer Richter, der zum Reichssicherheitshauptamt geh"rt, am
7.8.1941 an; man m"ge ihn nach Bukarest zurckentsenden.
Eine dahingehende Bitte des stellvertretenden Ministerpr"sidenten Mihai
Antonescu an Himmler, sei ebenfalls bereist auf dem Wege nach Berlin. (119)
Und Luther konnte in einem ausfhrlichen Lagebericht an Ribbentrop u.a. hierzu
bemerken, da es trotz streuben des Reichssicherheitshauptes, auf Antrag des
Ausw"rtigen Amtes gelungen w"re, Richter, der aus Rum"nien zurckgezogen
wurde, wieder nach Bukarest zu bekommen. (120)
Richter hatte alsbald zwei bedeutsame Unterredungen mit Mikai Antonescu. Die
eine am 12. Dez. 1941, die zweite am 23.1.1942.
In beiden Besprechungen handelte es sich vornehmlich um das Einverst"ndnis,
die rum"nische Regierung m"ge, in Anlehnung an den Himmler-Befehl,
betreffend Verbot der Auswanderung von Juden ans Deutschland und von
besetzten Gebieten, vom Oktober 1941, auch von sich aus ein solches Verbot fr
das

/427, 428/AE 99
rum"nische Hoheitsgebiet erlassen. Richter schreibt darber in seinem Bericht,
da der Chef der Sicherheitspolizei und des SD (Heydrich) von sich aus den
Berater (also ihn) davon in Kenntnis gesetzt habe. Der Chef der Sicherheitspolizei
wnsche nun, da auch die Auswanderung von Juden aus Rum"nien unter allen
Umst"nden unterbunden wird. - /1 Zeilen gestrichen, unleserlich/ (121)

Am 30.August 1941 wird in Tighina, zwischen dem Oberkommando des
deutschen Heeres, vertreten durch den Generalmajor Hauffe und dem Vertreter
des K"niglich Rum"nischen Groen Generalstabes, Brigadegeneral Tatarascu eine
Vereinbarung getroffen ber die Sicherung, Verwaltung und
Wirtschaftsauswertung der Gebiete zwischen den Flen Dujestc und Bug und
Bug und Dujepc. Dieser Vereinbarung lagen unter anderen ein Schreiben ,Hitlers
an den rum"nischen Staatschef Antonescu" v. 14.8.1941 und das
Antwortschreiben ,Antonescu an den Fhrer und Reichskanzler des Deutschen
Reiches, Hitler", zugrunde.
Im Punkt sieben des Vertrages heit es: ,Abschub der Juden ber den Bug ist zur
Zeit nicht m"glich. Sie men daher in Konzentrationslager

/429, 430/AE 100
zusammengefat und zur Arbeit eingesetzt werden, bis nach Abschlu der
Operationen ein Abschub nach Osten m"glich ist." (122)
Im April 1942 teilte der Reichskommisar fr die besetzten Ostgebiete den in
Frage kommenden Zentralinstanzen nach Berlin mit, da "rtliche rum"nische
Stellen in letzter Zeit etwa 10.000 Juden ber den Bug in das Reichskommissariat
Ukraine abgeschoben h"tten und die Abschiebung weiterer 60.000 rum"nischer
Juden, den Umst"nden nach zu befrchten sei. Auch das
Reichssicherheitshauptamt erhielt solch eine Beschwerde.
Gem" Befehl meiner Vorgesetzten schrieb ich daraufhin am 14. April 1942 an
das Ausw"rtige Amt, da bei den "rtlichen rum"nischen Stellen seitens der
rum"nischen Regierung auf unverzgliche Einstellung dieser illegalen
Judentransporte hinzuwirken w"re. Da angenommen werden, da seitens der
rum"nischen Regierung bedingungslos entsprochen wrde, /1 Zeilen
durchgestrichen, unleserlich/ wird zwecks Vermeidung einer Versch"rfung der
durch die illegale Abschiebung der Juden zwischen den "rtlichen Stellen bereits
enstandenen Spannungen, zun"chst von sicherheitspolizeilichen Manahmen
abgesehen.
Fr den Fall jedoch - so hatte ich weisungsgem" weiter zu schreiben - da die
rum"nische Regierung dem

/431/AE 101
Ersuchen um Einstellung nicht entspreche, oder aber "rtliche rum"nische Stellen
entgegen einer Weisung der rum"nischen Regierung handeln und weiterhin Juden
abschieben sollten, bleiben sicherheitspolizeiliche Manahmen vorbehalten.
Im Mai 1942, wurden diese, ber den Bug abgeschobenen Juden, in der Ukraine
liquidiert. Sie wurden von den "rtlichen Stellen gem" einer h"heren Weisung
get"tet. Die Literatur hat sich hierbei insbesonderlich meinen Satz bezglich der
,sicherheitspolizeilichen Manahmen" gemerkt. Jedermann aber, der auch nur
halbwegs lesen kann, vermag ohne geringste Mhe zu verstehen, da diese
Manahmen sicherheitspolizeilicher Natur nicht gegen die Juden zur Anwendung
zu bringen sind, sondern gegen die "rlichen rum"nischen Stellen, welche die
Abschiebungsmanahmen durchfhrten. Und jeder im Grenzdienst stehende wei,
da unter solchen Manahmen eine Sperrung der Grenze zu verstehen sei, Worte
welche man in dieser scharfen Form im gegenseitigen Verkehr, eben allgemeiner,
mit sicherheitspolizeiliche Manahmen, umschreibt. (123)

/432/AE 102
Um es gleich vorweg zu nehmen, nicht da die damalige Reichsfhrung gegen
eine abschiebung von Juden nach dem Osten gewesen w"re. Im Gegenteil. Gerade
um diese Zeit, Mitte 1942, lagen besonders scharfe Befehle Himmlers zur
Intensivierung der Judendeportationen nach dem Osten vor. Aber offensichtlich
hatte Rosenberg, der Reichsminster fr die besetzten Gebiete bei h"chster Stelle
gegen eine solche ,regellose und unkontrollierbare" Abschiebung in ,sein" Gebiet
Protes erhoben.
Denn etwa zu gleicher Zeit, als diese Aufregung durch den Berliner
Beh"rdenwald wehte, schrieb Mller an Luther, da vorgesehen sei etwa ab 10.
Sept. 1942, nunmehr auch Juden aus Rum"nien in Sonderzgen nach dem Osten
zu schaffen. Der zu erfassende Personenkreis erstrecke sich zun"chst auf
arbeitsf"hige Juden, soweit sie nicht unter die privilegierten Ausnahmen fallen.
Und an Himmler geht dieselbe Mitteilung, jedoch mit dem Bemerken, da der
arbeitsf"hige Teil arbeitseinsatzm"ig angesetzt wrde, der Rest der
Sonderbehandlung unterzogen werden soll. (124)
Luther schrieb daraufhin an Mller zurck, da grunds"tzlich seitens des
Ausw"rtigen Amtes keine Bedenken dagegen bestnden, da nunmehr auch

/433/AE 103
die Abbef"rderung der Juden aus Rum"nien nach dem Osten in Angriff
genommen wird. Bezglich des Umfanges des zu erfassenden Personenkreises
und der Haltung der rum"nischen Regierung schwebten jedoch noch
Ermittlungen, nach deren Abschlu man auf diese Angelegenheit zurckkommen
wrde. (125)
Am 15. September 1942 richtet Killinger ein Telegramm an das Ausw"rtige Amt
und teilt mit, da die rum"nische Regierung auf die Verbalnote der deutschen
Gesandtschaft vom 27. August noch nicht geantwortet habe, k"nne ein Termin
ber den Beginn der Aussiedlungsaktion nicht festgelegt werden. (126)
In der ganzen Angelegenheit kommt es zwischen Killinger und Luther einem
recht beachtlichen und energischen Briefwechsel in dessen Verlauf der oftmals
unbeherrschte Killinger blindlings mit Vorwrfen gegen andere vorgeht, ohne
sich die Mhe einer sachlichen Prfung zu nehmen. Der Anla hierfr ist
eigentlich sein eigener, ihm unterstellter SS-Hauptsturmfhrer Richter, der einige
Zeit sp"ter zu seinem Polizeiattach ? wird. Dieser hat sich von dem
stellvertretenden Ministerpr"sidenten Rum"niens, Mihai Antonescu ein
Handschreiben ausstellen lassen, demzufolge Rum"nien mit der

/434/AE 104
Aussiedlung der Juden nach dem Osten, einverstanden ist.
Nun, Richter war ein Mann, der aus dem Nachrichtendienst nicht nur kam,
sondern zu jder Zeit mit beiden Beinen darin stand. Die peinliche Beobachtung
brokratischer Feinheiten, eine ordnungsgem"e Aktenbearbeitung, absolute
Einhaltung des Dienstwegesund was dererlei Vorschriften nich sein mochten, lag
ihm nicht besonders. Verhandlungen mit untergeordneten Instanzen, etwa
Referenten, lag ihm ebenfalls nicht. Er verhandelte und trug vor, der Stelle, die er
als richtig fand und dies waren jeweils die Chefs. So auch gelang ihm als einziger
Berater der Sprung, zum Polizeiattach akkreditiert zu werden.
Natrlich entsprach die Form des Erlangung eines solchen Handschreibens von
einer solch hohen offiziellen Stelle, nicht den blichen diplomatischen
Gepflogenheiten. Und es ist nicht sehr verwunderlich, wenn Luther seitens des
Ausw"rtigen Amtes hierber dem Gesandten Killinger sein Erstaunen zum
Ausdruck gebracht haben mag.
Und Killinger reagierte hierauf sehr b"se, und sparte nicht mit Vorwrfen.
Wie das Ausw"rtige Amt annehmen

/435, 436/AE 105
k"nne, da er derart wichtige Fragen ausschlielich von einem SS-Offizier
erledigen lasse; oder: da der Berater die Vorarbeit auf seinem Befehl gemacht
hat, st eine Selbstverst"ndlichkeit.
Aber er verstnde andererseits nicht, da wenn schon ein so hoher Beamter der
rum"nischen Regierung, wie der Kommissar fr Judenangelegenheiten Lecca,
nach Berlin zu Verhandlungen k"me, dieser durch das Ausw"rtige Amt
gewissermaen zwischen Tr und Angel abgefertigt werde, was ganz zweifellos
zu Verstimmungen fhren me.
In seinem blinden Zorn schreibt er ber den postalischen Dienstweg zwischen
Gesandtschaft - Ausw"rtige Amt - Reichssicherheitshauptamt und umgekehrt und
unterstellt mir, ich h"tte mich nicht an diesen vorgeschriebenen Dienstweg
gehalten. Es ist ein Unsinn; durch nichts ist zu belegen, da ich mir heir einen
Formfehler in brokratischer Hinsicht h"tte zu Schulden kommen lassen; ja ich
hatt berhaupt mit dieser Sache nichts zu tun gehabt, weil Richter die
angelegenheit im Einvernehmen mit seinem eigenen Gesandten durchfhrte, was
Killinger merkwrdigerweise im selben Atemzuge eigenh"ndig best"tigte. Luther
selbst schreibt auf eine Akte schlielich resignierend vor der Sturk"pfigkeit seines
Gesandten, Killinger wolle einfach nicht verstehen.

/437, 438/AE 106
Und dies alles, als Luther etwa um die gleiche Zeit in einem Bericht an seinen
Minster schrieb, da das Reichssicherheitshauptamt von einer geradezu
bertriebenen Vorsicht sei. (127)

Am 9. Oktober 1942 erkundigt sich Gesandtschaftsrat Dr. Stelzer nach der
Verbalnote
Vom 27. August. Mihai Antonescu beeilte sich zu versichern, da er sie noch
nicht vergessen habe. Auch seine Besprechungen mit dem Reichsauenminister in
dessen Feldquartier, h"tten sich auf dieser L? bewegt; es sei daher eher an
Deutschland, nunmehr konkrete Vorschl"ge zu machen.
Richter suchte daher am 22. Oktober Mihai Antonescu auf. Dier erkl"rte -
offenbar sehr zu Richters Erstaunen - er habe der Aussiedlung der Juden aus
Rum"nien zugestimmt und es sei auch in Berlin diesbezglich verhandelt worden;
andererseits aber seien die Deportationen ber den Bug verboten worden. (Siehe
dazu mein Schreiben welches ich befehlsm"ig zu fertigen hatte und worin ich
mit sicherheitspolizeilichen Manahmen winken mute, fr den Fall die
Deportationen ber den Bug nicht eingestellt wrden.) Hier seu seiner Meinung
nach ein Widerspruch. Richter kommt zu dem Schlu, da der Staatschef
Mrschall Antonescu die Aussiedlung der Juden verschoben

/439/AE 107
habe. Und es gelingt Richter sich in den Besitz einer photokopierten Anordnung
des Marschalls zu setzen, in der es heit:
,Die Evakuieurng aus Siebenbrgen wird nur studiert. Die Durchfhrung wird
aufgeschoben. Sie wird nur dann begonnen werden, wenn der gnstige
Augenblick kommen wird. Bis dahin werden bis in die kleinsten Einzelheiten von
dem Innenministerium auf Grund der von Herrn M. Antonescu erteilten
Anweisungen Vorbereitungen getroffen. Marschall Antonescu."
Am 14. Dez. 1942 schreibt Luther an die Gesandtschaft nach Bukarest auf deren
Bericht vom 26. Nov., da die Tatsache, der Stockung im Hinblick auf eine
Judenaussiedlung aus Rum"nien zun"chst nicht schwer in`s Gewicht falle, da
w"hrend der Hauptwintermonate ein Abtransport ohnedies nicht gewnscht ist.
Gleichzeitig nimmt er positiv Stellung, zu einer Einladung welche - offensichtlich
durch Vermittlung der Gesandtschaft - rum"nischerseits an mich erging. Im
folgenden Januar lehnte ich wegen Arbeitsberlastung ab; eine diensth"fliche
Form die damals gang und g"be war. Besser gesagt und richtiger, bekam ich
Befehl,

/440/AE 108
die Einladung abzulehnen. (128) Da nichts l"stiger ist, als offiziellen Einladungen
nachzukommen und sie zu berstehen - jedenfalls fr mich - geh"rte es mit zu
meinen angenehmen Obliegenheiten, wenn ich solche ablehnen konnte. -
Und endlich am 2. November 1943m schrieb mir der Legationsrat von Thadden,
zu meinen oder meines Vertreters H"nden,
,Die Deutsche Gesandtschaft in Bukarest hat sich u.a. ge"uert:
Das Vorgehen gegen die Juden ist im wesentlichen eingeschlafen. Man nimmt
lediglich den reichen Juden das Geld ab und zieht "rmere Judem zum
Arbeitsdienst ein. Die Gesandtschaft zieht den Schlu, da die Rum"nen dem
jdischen Treiben freien Lauf lassen, um die Engl"nder und Amerikaner nicht zu
vergr"men. Eine nderung des rum"nischen Verhaltens drfte sich erst erzielen
lassen, wenn es zu einer Stabilisierung der Ostfront gekommen ist und die Sorge,
unbedingt den Versuch machen zu men, sich mit den Angloamerikanern gut zu
stellen, bevor die Russen rum"nisches Gebeit erreichen, nicht mehr berechtigt
erscheint." (129)

/426/AE 98
- 11 -
Rum"nien:
Der Deutsche Gesandte in Rum"nien Manfred Freiherr von Killinger fordert vom
Ausw"rtigen Amt den Berater fr Arisierung- und Romanisierungsfragen SS-
Hauptsturmfhrer Richter, der zum Reichssicherheitshauptamt geh"rt, am
7.8.1941 an; man m"ge ihn nach Bukarest zurckentsenden.
Eine dahingehende Bitte des stellvertretenden Ministerpr"sidenten Mihai
Antonescu an Himmler, sei ebenfalls bereist auf dem Wege nach Berlin. (119)
Und Luther konnte in einem ausfhrlichen Lagebericht an Ribbentrop u.a. hierzu
bemerken, da es trotz streuben des Reichssicherheitshauptes, auf Antrag des
Ausw"rtigen Amtes gelungen w"re, Richter, der aus Rum"nien zurckgezogen
wurde, wieder nach Bukarest zu bekommen. (120)
Richter hatte alsbald zwei bedeutsame Unterredungen mit Mikai Antonescu. Die
eine am 12. Dez. 1941, die zweite am 23.1.1942.
In beiden Besprechungen handelte es sich vornehmlich um das Einverst"ndnis,
die rum"nische Regierung m"ge, in Anlehnung an den Himmler-Befehl,
betreffend Verbot der Auswanderung von Juden ans Deutschland und von
besetzten Gebieten, vom Oktober 1941, auch von sich aus ein solches Verbot fr
das

/427, 428/AE 99
rum"nische Hoheitsgebiet erlassen. Richter schreibt darber in seinem Bericht,
da der Chef der Sicherheitspolizei und des SD (Heydrich) von sich aus den
Berater (also ihn) davon in Kenntnis gesetzt habe. Der Chef der Sicherheitspolizei
wnsche nun, da auch die Auswanderung von Juden aus Rum"nien unter allen
Umst"nden unterbunden wird. - /1 Zeilen gestrichen, unleserlich/ (121)

Am 30.August 1941 wird in Tighina, zwischen dem Oberkommando des
deutschen Heeres, vertreten durch den Generalmajor Hauffe und dem Vertreter
des K"niglich Rum"nischen Groen Generalstabes, Brigadegeneral Tatarascu eine
Vereinbarung getroffen ber die Sicherung, Verwaltung und
Wirtschaftsauswertung der Gebiete zwischen den Flen Dujestc und Bug und
Bug und Dujepc. Dieser Vereinbarung lagen unter anderen ein Schreiben ,Hitlers
an den rum"nischen Staatschef Antonescu" v. 14.8.1941 und das
Antwortschreiben ,Antonescu an den Fhrer und Reichskanzler des Deutschen
Reiches, Hitler", zugrunde.
Im Punkt sieben des Vertrages heit es: ,Abschub der Juden ber den Bug ist zur
Zeit nicht m"glich. Sie men daher in Konzentrationslager

/429, 430/AE 100
zusammengefat und zur Arbeit eingesetzt werden, bis nach Abschlu der
Operationen ein Abschub nach Osten m"glich ist." (122)
Im April 1942 teilte der Reichskommisar fr die besetzten Ostgebiete den in
Frage kommenden Zentralinstanzen nach Berlin mit, da "rtliche rum"nische
Stellen in letzter Zeit etwa 10.000 Juden ber den Bug in das Reichskommissariat
Ukraine abgeschoben h"tten und die Abschiebung weiterer 60.000 rum"nischer
Juden, den Umst"nden nach zu befrchten sei. Auch das
Reichssicherheitshauptamt erhielt solch eine Beschwerde.
Gem" Befehl meiner Vorgesetzten schrieb ich daraufhin am 14. April 1942 an
das Ausw"rtige Amt, da bei den "rtlichen rum"nischen Stellen seitens der
rum"nischen Regierung auf unverzgliche Einstellung dieser illegalen
Judentransporte hinzuwirken w"re. Da angenommen werden, da seitens der
rum"nischen Regierung bedingungslos entsprochen wrde, /1 Zeilen
durchgestrichen, unleserlich/ wird zwecks Vermeidung einer Versch"rfung der
durch die illegale Abschiebung der Juden zwischen den "rtlichen Stellen bereits
enstandenen Spannungen, zun"chst von sicherheitspolizeilichen Manahmen
abgesehen.
Fr den Fall jedoch - so hatte ich weisungsgem" weiter zu schreiben - da die
rum"nische Regierung dem

/431/AE 101
Ersuchen um Einstellung nicht entspreche, oder aber "rtliche rum"nische Stellen
entgegen einer Weisung der rum"nischen Regierung handeln und weiterhin Juden
abschieben sollten, bleiben sicherheitspolizeiliche Manahmen vorbehalten.
Im Mai 1942, wurden diese, ber den Bug abgeschobenen Juden, in der Ukraine
liquidiert. Sie wurden von den "rtlichen Stellen gem" einer h"heren Weisung
get"tet. Die Literatur hat sich hierbei insbesonderlich meinen Satz bezglich der
,sicherheitspolizeilichen Manahmen" gemerkt. Jedermann aber, der auch nur
halbwegs lesen kann, vermag ohne geringste Mhe zu verstehen, da diese
Manahmen sicherheitspolizeilicher Natur nicht gegen die Juden zur Anwendung
zu bringen sind, sondern gegen die "rlichen rum"nischen Stellen, welche die
Abschiebungsmanahmen durchfhrten. Und jeder im Grenzdienst stehende wei,
da unter solchen Manahmen eine Sperrung der Grenze zu verstehen sei, Worte
welche man in dieser scharfen Form im gegenseitigen Verkehr, eben allgemeiner,
mit sicherheitspolizeiliche Manahmen, umschreibt. (123)

/432/AE 102
Um es gleich vorweg zu nehmen, nicht da die damalige Reichsfhrung gegen
eine abschiebung von Juden nach dem Osten gewesen w"re. Im Gegenteil. Gerade
um diese Zeit, Mitte 1942, lagen besonders scharfe Befehle Himmlers zur
Intensivierung der Judendeportationen nach dem Osten vor. Aber offensichtlich
hatte Rosenberg, der Reichsminster fr die besetzten Gebiete bei h"chster Stelle
gegen eine solche ,regellose und unkontrollierbare" Abschiebung in ,sein" Gebiet
Protes erhoben.
Denn etwa zu gleicher Zeit, als diese Aufregung durch den Berliner
Beh"rdenwald wehte, schrieb Mller an Luther, da vorgesehen sei etwa ab 10.
Sept. 1942, nunmehr auch Juden aus Rum"nien in Sonderzgen nach dem Osten
zu schaffen. Der zu erfassende Personenkreis erstrecke sich zun"chst auf
arbeitsf"hige Juden, soweit sie nicht unter die privilegierten Ausnahmen fallen.
Und an Himmler geht dieselbe Mitteilung, jedoch mit dem Bemerken, da der
arbeitsf"hige Teil arbeitseinsatzm"ig angesetzt wrde, der Rest der
Sonderbehandlung unterzogen werden soll. (124)
Luther schrieb daraufhin an Mller zurck, da grunds"tzlich seitens des
Ausw"rtigen Amtes keine Bedenken dagegen bestnden, da nunmehr auch

/433/AE 103
die Abbef"rderung der Juden aus Rum"nien nach dem Osten in Angriff
genommen wird. Bezglich des Umfanges des zu erfassenden Personenkreises
und der Haltung der rum"nischen Regierung schwebten jedoch noch
Ermittlungen, nach deren Abschlu man auf diese Angelegenheit zurckkommen
wrde. (125)
Am 15. September 1942 richtet Killinger ein Telegramm an das Ausw"rtige Amt
und teilt mit, da die rum"nische Regierung auf die Verbalnote der deutschen
Gesandtschaft vom 27. August noch nicht geantwortet habe, k"nne ein Termin
ber den Beginn der Aussiedlungsaktion nicht festgelegt werden. (126)
In der ganzen Angelegenheit kommt es zwischen Killinger und Luther einem
recht beachtlichen und energischen Briefwechsel in dessen Verlauf der oftmals
unbeherrschte Killinger blindlings mit Vorwrfen gegen andere vorgeht, ohne
sich die Mhe einer sachlichen Prfung zu nehmen. Der Anla hierfr ist
eigentlich sein eigener, ihm unterstellter SS-Hauptsturmfhrer Richter, der einige
Zeit sp"ter zu seinem Polizeiattach ? wird. Dieser hat sich von dem
stellvertretenden Ministerpr"sidenten Rum"niens, Mihai Antonescu ein
Handschreiben ausstellen lassen, demzufolge Rum"nien mit der

/434/AE 104
Aussiedlung der Juden nach dem Osten, einverstanden ist.
Nun, Richter war ein Mann, der aus dem Nachrichtendienst nicht nur kam,
sondern zu jder Zeit mit beiden Beinen darin stand. Die peinliche Beobachtung
brokratischer Feinheiten, eine ordnungsgem"e Aktenbearbeitung, absolute
Einhaltung des Dienstwegesund was dererlei Vorschriften nich sein mochten, lag
ihm nicht besonders. Verhandlungen mit untergeordneten Instanzen, etwa
Referenten, lag ihm ebenfalls nicht. Er verhandelte und trug vor, der Stelle, die er
als richtig fand und dies waren jeweils die Chefs. So auch gelang ihm als einziger
Berater der Sprung, zum Polizeiattach akkreditiert zu werden.
Natrlich entsprach die Form des Erlangung eines solchen Handschreibens von
einer solch hohen offiziellen Stelle, nicht den blichen diplomatischen
Gepflogenheiten. Und es ist nicht sehr verwunderlich, wenn Luther seitens des
Ausw"rtigen Amtes hierber dem Gesandten Killinger sein Erstaunen zum
Ausdruck gebracht haben mag.
Und Killinger reagierte hierauf sehr b"se, und sparte nicht mit Vorwrfen.
Wie das Ausw"rtige Amt annehmen

/435, 436/AE 105
k"nne, da er derart wichtige Fragen ausschlielich von einem SS-Offizier
erledigen lasse; oder: da der Berater die Vorarbeit auf seinem Befehl gemacht
hat, st eine Selbstverst"ndlichkeit.
Aber er verstnde andererseits nicht, da wenn schon ein so hoher Beamter der
rum"nischen Regierung, wie der Kommissar fr Judenangelegenheiten Lecca,
nach Berlin zu Verhandlungen k"me, dieser durch das Ausw"rtige Amt
gewissermaen zwischen Tr und Angel abgefertigt werde, was ganz zweifellos
zu Verstimmungen fhren me.
In seinem blinden Zorn schreibt er ber den postalischen Dienstweg zwischen
Gesandtschaft - Ausw"rtige Amt - Reichssicherheitshauptamt und umgekehrt und
unterstellt mir, ich h"tte mich nicht an diesen vorgeschriebenen Dienstweg
gehalten. Es ist ein Unsinn; durch nichts ist zu belegen, da ich mir heir einen
Formfehler in brokratischer Hinsicht h"tte zu Schulden kommen lassen; ja ich
hatt berhaupt mit dieser Sache nichts zu tun gehabt, weil Richter die
angelegenheit im Einvernehmen mit seinem eigenen Gesandten durchfhrte, was
Killinger merkwrdigerweise im selben Atemzuge eigenh"ndig best"tigte. Luther
selbst schreibt auf eine Akte schlielich resignierend vor der Sturk"pfigkeit seines
Gesandten, Killinger wolle einfach nicht verstehen.

/437, 438/AE 106
Und dies alles, als Luther etwa um die gleiche Zeit in einem Bericht an seinen
Minister schrieb, da das Reichssicherheitshauptamt von einer geradezu
bertriebenen Vorsicht sei. (127)

Am 9. Oktober 1942 erkundigt sich Gesandtschaftsrat Dr. Stelzer nach der
Verbalnote
Vom 27. August. Mihai Antonescu beeilte sich zu versichern, da er sie noch
nicht vergessen habe. Auch seine Besprechungen mit dem Reichsauenminister in
dessen Feldquartier, h"tten sich auf dieser L? bewegt; es sei daher eher an
Deutschland, nunmehr konkrete Vorschl"ge zu machen.
Richter suchte daher am 22. Oktober Mihai Antonescu auf. Dier erkl"rte -
offenbar sehr zu Richters Erstaunen - er habe der Aussiedlung der Juden aus
Rum"nien zugestimmt und es sei auch in Berlin diesbezglich verhandelt worden;
andererseits aber seien die Deportationen ber den Bug verboten worden. (Siehe
dazu mein Schreiben welches ich befehlsm"ig zu fertigen hatte und worin ich
mit sicherheitspolizeilichen Manahmen winken mute, fr den Fall die
Deportationen ber den Bug nicht eingestellt wrden.) Hier seu seiner Meinung
nach ein Widerspruch. Richter kommt zu dem Schlu, da der Staatschef
Mrschall Antonescu die Aussiedlung der Juden verschoben

/439/AE 107
habe. Und es gelingt Richter sich in den Besitz einer photokopierten Anordnung
des Marschalls zu setzen, in der es heit:
,Die Evakuieurng aus Siebenbrgen wird nur studiert. Die Durchfhrung wird
aufgeschoben. Sie wird nur dann begonnen werden, wenn der gnstige
Augenblick kommen wird. Bis dahin werden bis in die kleinsten Einzelheiten von
dem Innenministerium auf Grund der von Herrn M. Antonescu erteilten
Anweisungen Vorbereitungen getroffen. Marschall Antonescu."
Am 14. Dez. 1942 schreibt Luther an die Gesandtschaft nach Bukarest auf deren
Bericht vom 26. Nov., da die Tatsache, der Stockung im Hinblick auf eine
Judenaussiedlung aus Rum"nien zun"chst nicht schwer in`s Gewicht falle, da
w"hrend der Hauptwintermonate ein Abtransport ohnedies nicht gewnscht ist.
Gleichzeitig nimmt er positiv Stellung, zu einer Einladung welche - offensichtlich
durch Vermittlung der Gesandtschaft - rum"nischerseits an mich erging. Im
folgenden Januar lehnte ich wegen Arbeitsberlastung ab; eine diensth"fliche
Form die damals gang und g"be war. Besser gesagt und richtiger, bekam ich
Befehl,

/440/AE 108
die Einladung abzulehnen. (128) Da nichts l"stiger ist, als offiziellen Einladungen
nachzukommen und sie zu berstehen - jedenfalls fr mich - geh"rte es mit zu
meinen angenehmen Obliegenheiten, wenn ich solche ablehnen konnte. -
Und endlich am 2. November 1943m schrieb mir der Legationsrat von Thadden,
zu meinen oder meines Vertreters H"nden,
,Die Deutsche Gesandtschaft in Bukarest hat sich u.a. ge"uert:
Das Vorgehen gegen die Juden ist im wesentlichen eingeschlafen. Man nimmt
lediglich den reichen Juden das Geld ab und zieht "rmere Judem zum
Arbeitsdienst ein. Die Gesandtschaft zieht den Schlu, da die Rum"nen dem
jdischen Treiben freien Lauf lassen, um die Engl"nder und Amerikaner nicht zu
vergr"men. Eine nderung des rum"nischen Verhaltens drfte sich erst erzielen
lassen, wenn es zu einer Stabilisierung der Ostfront gekommen ist und die Sorge,
unbedingt den Versuch machen zu men, sich mit den Angloamerikanern gut zu
stellen, bevor die Russen rum"nisches Gebeit erreichen, nicht mehr berechtigt
erscheint." (129)

/441, 442/AE 109
- 12 -
Bulgarien:
Dieses Land kannte eine der deutschen, "hnliche Judengesetzgebung. Seit 1942
wurde durch ein Erm"chtigungsgesetz die Bestimmung des Judenbegriffs
festgelegt, die Kennzeichnung durch den Judenstern, Namens und
Wohnungbeschr"nkungen eingefhrt, die gewerbliche und wirtschaftliche
Bewegungsm"glichkeit eingeschr"nkt und die Liquidierung jdischer Verm"gen
weiter vorgetrieben.
Am 27. Nov. 1941 sprechen der bulgarische Ministerpr"sident Popoff und der
deutsche Reichsauenminister v. Ribbentrop, anl"lich eines Empfanges in
Berlin, ber die Judenfrage, wobei Popoff den Vorschlag machte, sie im
europ"ischen Mastabe zu l"sen.
In seiner Berichterstattung vom 21. August 1942, teilt Luther seinem
Reichsauenminister mit, welche einleitenden Schritte er im Hinblick auf die ihm
erteilte Order, die ihn nach dem Topoff-Ribbentrop-Gespr"ch bermittelt wurde,
in die Wege geleitet habe. (130)
Und bereits am 15. Oktober waren die Besprechungen zwischen Deutschland und
Bulgarien soweit gediehen, da Luther dem Gesandten Beckerle nach Sophia
drahten konnte, unter Bezugnahme auf diese Verhandlugnen an die bulgarische
Regierung heranzutreten, um mit ihr die Frage eines Abtransportes, der nach den
neuen bulgarischen Verordnungen un? Juden, nach dem Osten zu erwirken. Er
schlug weiterhin vor, diese Juden im Interesse einer verm"gensrechtlichen
Kl"rung, analog der 11. Verordnung zum Reichsbrgergesetz vom 25. Nov. 1941,
auszubrgern.
Je nach aufnahme dieses Vorschlages regte er ferner an, zu bermitteln, da man

/443, 444/AE 110
bereit sei einen Berater zur Verfgung zu stellen. (131)
Die Antwort Beckerle`s traf bereits am 16. Nov. im ausw"rtigen Amt ein. Der
bulgarische Ministerpr"sident begrte grunds"tzlich die Manahmen, die Juden
nach dem Osten zu verbringen und begrte es ferner dankbar, wenn noch vor
dem Abtransport ein deutscher Berater nach Sofia abgestellt wrde, damit dieser
bei der Durchfhrung helfe. (132)
Es folgte nun ein Schriftwechsel zwischen dem Unterstaatssekret"r des
Ausw"rtigen Amtes Luther und dem Amtchef IV im Reichssicherheitshauptamt,
SS Gruppenfhrer und Generalleutnant der Polizei Mller, in dessem Verlauf man
sich einigt, da der in Paris, beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei als Referent
t"tige, SS Hauptsturmfhrer Dannecker, nach Sofia versetzt wird. Er wurde dort
dem Polizeiattach, als dessen Gehilfe, unterstellt. (133)
Die bulgarische Regierung hatte bereits ein Judenkommissariat errichtet und zu
dessen Leiter den Kommissar Belev ernannt. Er unterstand dem Ministerium fr
Inneres und Volksgesundheit. Beckerle berichtet am 8. Februar 1943, da er vor
der Einfhrung des Dannecker, mit dem bulgar. Innenminister Grabowski
gesprochen habe, der ihm seine feste Absicht, alle Juden umzusiedeln, best"tigte.


/445/AE 111
Grabowski gab zum Ausdruck, da er bereit sei, mit deutscher Untersttzung die
Juden aus den neuen bulgarischen Gebieten, Thrazien und Mazedonien, nach dem
Osten abzuschieben, da aber ein Abschub aus dem altbugarischen Teil vorl"ufig
nicht in Frage k"me.
Die Planung und alle Einzelfragen sollten mit dem Judenkommissar Belev
besprochen werden. Inzwischen hatte Belev dem Innenminister einen Vorschlag
zur Genehmigung durch den Ministerrat unterbreitet. (134) Dieser wurde am 12.
Februar 1943 vollinhaltlich angenommen. Und ohne den Beschlu abzuwarten,
hatte Belev von sich aus bereits Beauftragte nach Thrazien und Mazedonien
entsandt, um dort die M"glichkeiten der Zusammenziehung der Juden in Lager zu
prfen.
Er sagte ferner fr die ersten M"rztage die Bekanntgabe der Abfahrtsbahnh"fe
und der auf diese entfallenden Anzahl von Juden zu. Er rechnete damit, da ab
etwa EndeM"rz 1943 deportiert werden k"nne und die Gesamtzahl rund 20.000
Juden betragen wrde. (135)
Am 26.M"rz meldete Beckerle, da der Vizepr"sident der Sobranje, Pescheff,
dem Ministerpr"sidenten, eine von ihm und 42 weiteren Abgeordneten
unterzeichnete

/446/AE 112
Petition berreichte, in der gegen die Deportation von Juden Stellung genommen
wurde.
Daraufhin stellte der Ministerpr"sident den antrag, Pescheff das Mitrauen
auszusprechen. Die Mehrzahl der Abgeordneten stimmten gegen Pescheff. Als
Folge mute er von seiner Position als Vizepr"sident der Sobranje, zurcktreten.
(136)
Am 24. Juni 1943 meldete der Polizeiattach Hoffmann ber den Gesandten
Beckerle den Abschlu der Deportation aus Thrazien und Mazedonien mit
zusammen etwa 20.000 Juden. (137)
Unterschriftkrzel

/447/AE 113
- 13 -
Ungarn:
Es mag um den 10. M"rz 1944 gewesen sein, als mein Chef der SS-
Gruppenfhrer und Generalleutnant der Polizei, /eine Zeile gestrichen,
unleserlich/ Mller, mich auf einer Arbeitsstelle, etwa 80 km "stlich von Berlin,
im Kreise Wustrow, inspizierend kontrollierte. Ich hatte den Befehl, dort ein
Barackendorf, als Ausweichstelle fr ein allf"llig zusammengelegentes Geheimes
Staatspolizeiamt, aufzubauen. Er fand alles gut und sch"n und zweckm"ig.
Abschlieend sagte er: ,Eichmann Sie melden sich sofort bei dem Befehlshaber
der Sicherheitspolizei und des SD-Ungarn, SS-Standartenfhrer u. Oberst der
Polizei, Ministerialrat Dr. Gentke, in Mauthausen. Sie sind ihm als Referent zur
Dienstleistung zugeteilt. Der Reichsfhrer SS und Chef der Deutschen Polizei hat
die Evakuieurng s"mtlicher Juden aus Ungarn, aus strategischen Grnden, von
Osten nach Westen durchk"mmend, befohlen."
Ich versuchte noch einen Hinweis auf die noch l"ngst nicht fertiggestellte Arbeit
und bat um die Genehmigung, dieselbe zu Ende bringen zu drfen, aber die
Nutzlosigkeit dieser Bitte war mir bereits beim Beginn des Aussprechens
derselben klar geworden.
Ich bergab das Referat nun endgltig an meinen bisherigen ,St"ndigen
Vertreter" und

/448/AE 114
setzte mich nach Mauthausen in Marsch. Dort waren bereits die Befehlshaber der
Ordnungspolizei und der Sicherheitspolizei mit der Aufstellung und Einteilung
ihrer Kommandos besch"ftigt. Es wurde feldmarschm"ige Adjustierung
ausgegeben, die Kommandos wurden bewaffnet und vermunitioniert. Der
dazugeh"rige Kraftfahrzeugpark aufgestellt und es fuhren sodann die Kommandos
in drei Gruppen in Richtung Ungarn los. Das schnelle Vorauskommando aus
Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei unter dem SS-Obersturmbannfhrer
Krumeg, und etwa 24 Stunden sp"ter das Gros - ebenfalls Ordnungspolizei und
Sicherheitspolizei - unter meinem Kommando; abschlieend fuhr der Befehlsstab
mit den Befehlshabern. Im Aufmarschraum angekommen, wurde ich hinter der 1.
Panzerlehrdivision eingezogen und marschierte hinter diesem Vorhand, gem"
der befohlenen Aufmarschordnung. /1 Zeile gestrichen, unleserlich/
In Budapest angekommen, l"ste ich befehlsgem" die Marschordnung auf und die
verschiedenen Einheiten meines Marschverbandes - (denn nur w"hrend des
Marsches und allf"lligen Kampfeinsatz, falls der Einmarsch aus irgendwelchen
Grnden nicht reibungslos vonstatten gehen sollte,

/449, 450/AE 115
unterstand mir die Einheit) - meldeten sich bei ihren verschiedenen Dienststellen
und Chefs, zur Dienstleistung.
Wer vielen bisherigen Publikationen ber meine Person glauben schenkte, mute
zwangsl"ufig der Meinung sein, da /1 Zeilen gestrichen, unleserlich/ ich jetzt
hier zu schlaten und zu kurbeln anfing, um im Blitztempo, h"chst pers"nlich mit
meinem Kommando die Juden zu deportieren. Aber, wird er sicherlich schon
erstaunt gewesen sein, gelesen zu haben, da ich das Marschkommando aufl"ste,
als ich nach Budapest kam - es verlieben mir ur etwa 15 - 20 Mann, samt
Kraftfahrer und Wache eingeschlossen - so wird er bestimmt noch erstaunter sein,
die folgenden Seiten zu lesen, wobei ich mich streng an die offiziellen Dokumente
jener Zeit halte.
Der im Jahre 1961 in Deutschland als Zeuge vernommene ehemalige Legationsrat
Dr. Eberhard von Tahdden erkl"rte: ,Die Deportation der ungarischen Juden
wurde meines Wissens zwischen Hitler und Horthy, anl"lich ihres Treffens auf
Schlo Klessheim abgesprochen. Beim Treffen an Klessheim zwischen Hitler und
Horthy waren Ribbentrop und Himmler dabei. Heute wei ich, da Horthy ein
Ultimatum gestellt wurde." (138) Dieses Treffen fand am 17.M"rz 1944 statt. Am
19. M"rz um 13,00 Uhr drahete Veesenmayer an das Ausw"rtige Amt u.a.: ,Bin
nach glattem Verlauf der Fahrt heute um 11 Uhr, in Budapest

/451, 452/AE 116
eingetroffen und habe die Gesch"fte bernommen.
Gesandter von Jagow hat heute morgen dem Reichsverweser mitgeteilt, da er mit
sofortiger Wirkung abgerufen sei und hat sich von ihm verabschiedet, nachdem er
ihm meine Ernennung zum Reichsbevollm"chtigten und Gesandten mitgeteilt
hat." (139)
Der Zeuge Dr. Wilhelm H"ttl, sagte am 24. April 1947 in Dachau aus: ,Die
entscheidenden Besprechungen mit dem ungarischen Ministerpr"sidenten Sytojay,
sowie vermutlich auch mit Horthy, hat Dr. Veesenmayer selbst gefhrt. Erst durch
die in desen Gespr"chen erfolgten Abmachungen, wurde die Evakuierung
ausgel"st. Das hat mir Stojay selbst gesagt. Auch die Schaffung einer eigenen
ungarischen Stelle dafr, n"mlich des Staatssekretariates Endre`s, erfolgte, wie
mir der damalige ungarische Innenminister Andor Jaross erz"hlte, auf Wunsch Dr
Veesemayers." (140)
W"hrend dieses Anlaufens operierten, wie die Dokumente zeigen, SS-
Hauptsturmfhrer Wislicenz als Sachbearbeiter und SS-Obersurmbannfhrer
Krumey, der zwar rangm"ig ungleich h"her als Wislicenz stand, aber von der
sachlichen Arbeit keine Ahnung hatte, bei dem Kommandeur der
Sicherheitspolizei in Budapest, einem SS-Obersturmbannfhrer

/453/AE 117
und Oberregierungsrat Trenker. Bei etwaigen Beschwerden, so heit es in einer
Aufforderung an die jdischen Funktion"re in Budapest vom 20. M"rz, wenden
Sie sich an Krumey und Wislicenz. ber die Pester Israelitische Kultusgemeinde
verfgt einzig und alleine der Kommandeur der Sicherheitspolizei. (141)
Zwar weist dieses Dokument weder Briefkopf und Unterschrift auf, weder tr"gt es
eine Buchnummer, noch ist es berhaupt vollst"ndig: aber mir ist in Erinnerung,
da Wislicenz sich sogleich zu Anfang seines Eintreffens in Budapest mit den
jdischen Funktion"ren zusammensetzte und es ist mir auch bekannt, da die
exekutiven T"tigkeiten durch die Dienststellen der Kommandeure der
sicherheitspolizei wahrgenommen wurden, im Einvernehmen und nach vorheriger
Absprache mit der ungarischen Geheimen Staatspolizei und den jeweiligen,
"rtlichzust"ndigen ungarischen Gendameriekommandozentralen.
Der organisatorische Aufbau der Sicherheitspolizei und des SD in Ungarn sah an
seiner Spitze den H"heren SS- u. Polizeifhrer, als den "rtlichen Vertreter des
Reichsfhrers SS und Chef der Deutschen Polizei. Er war die h"chste Autorit"t
aller deutschen SS und Polizeieinheiten in Ungarn und deren

/454/AE 118
Gerichtsherr. So unterstand ihm auch der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und
des SD-Ungarn, Dr. Geschke.
Der ehemalige General der Polizei, von dem Bach Zelewski sagte als Zeuge 1961
in Deutschland: ,In den Gebieten, in denen zum H"heren SS und Polizei Fhrer,
ein Befehlshaber der Sicherheitspolizei geh"rte, war er dem H"heren SS u. Polizei
Fhrer unterstellt. Der H"here SS und Polizeifhrer erhielt niemals Befehle von
Reichssicherheitshauptamt. Wenn ein Befehl dieses Hauptamtes an den
Befehlshaber der Sicherheitspolizei erging, und dieser ihn dem H"heren SS-Pol.
Fhrer vorlegte, bestand die M"glichkeit, da er die Entscheidung Himmlers
einholte." (142)
Dem Befehlshaber der Sipo, unterstanden die Kommandeure der Sicherheitspolize
und des SD, deren es in ganz Ungarn glaublich 4 oder 6 gab, (143) und das
Sondereinsatzkommando ,Eichmann", unter meiner Fhrung.
Die Entstehung des Namens dieses Kommandos ist ebenso simpel wie
merkwrdig. Ein Sonderbevollm"chtigter Himmlers in Budapest, von dem noch
die Rede sein wird, klebte an ihm geeignet erscheinende Geb"ude
Beschlagnahmezettel an, mit der Aufschrift ,Sondereinsatzkommando -
Eichmann". Der Name war nicht mehr auszurotten. Die Aktion dieses Sonder-

/455/AE 119
bevollm"chtigten war eigenm"chtig, aber er war gedeckt durch seine Himmler
Vollmacht.
Fr ein Sondereinsatzkommando wrde es sich schon allein merkwrdig anh"ren,
da diese nur aus rund 20 Mann bestand.
Es wurde sp"terhin, da der Name offenbar unausrottbar wurde offiziell
,Sondereinsatzkommando - Ungarn" benannt, wie ein Schreiben des Chefs der
Sicherheitspolizei, Dr. Kaltenbrunner, an den Brgermeister der Stadt Wien,
Blaschke vom 30. 6.1944, von dem nach zu sprechen sein wird, besagt. (144)
Der SS-Obersurmbannfhrer Krumey, wurde zu meinem _St"ndigen Vertreter"
bestellt. Unser Chef war der inzwischen zum SS Oberfhrer bef"rderte Dr.
Geschke und der h"chste SS u. Polizeichef deutscherseits in Ungarn, der
Polizeigeneral Winkelmann. Dieser unterstand in politischen Angelegenheiten
dem Reichsbevollm"chtigten, Dr. Veesenmayer. Es war im Prinzip dieselbe
hierachisch-organisatorische Form, wie in allen brigen besetzten Gebieten auch,
nur da Veesenmayer und Winkelmann zueinander ein in sachlicher Hinsicht,
schlechtes Verh"ltnis hatten, da sich Winkelmann nur schwer subordinieren
wollte. Um es einmal kurz und vulg"r auszudrcken,

/456/AE 120
einer trachtete dem anderen zu befehlen. Fr uns Untergeordneten war es am
besten, man kmmerte sich nicht um die Streitereien der Groen, da man dabei
doch nur h"tte ,zermahlen" werden k"nnen, sondern tat stur seinen Dienst, wie er
befohlen war.
Am 31. M"rz 1944 hatte Ribbentrop groe Sorgen, und sein pers"nlicher
Botschafter Ritter gibt durch, ,Sonder-Geheimschreiber" an den
Reichsbevollm"chtigten Dr. Veesenmayer nach Budapest folgendes
Fernschreiben durch: ,Der Herr Reichsminister hat erfahren, da der
Obergruppenfhrer Kaltenbrunner beabsichtigt, w"hrend der n"chsten 14 Tage in
Budapest anwesend zu sein. Der Herr Reichsminister bittet Sie aus diesem Anla
um einen vertraulichen Bericht an den Herrn Reichsminister pers"nlich, welche
Aufgaben Herr Kaltenbrunner, neben dem Ihnen unterstellten General
Wineklmann dort hat und durchfhrt. Besch"ftigt er sich pers"nlich mit der
Regelung der Judenfrage oder mit welchen anderen speziellen Fragen? Der Herr
Reichsminster hat nach wie vor die Sorge, der SD k"nnte versuchen, sich in die
Ihnen zustehenden Aufgaben und Rechte mischen und bittet Sie, besonders darauf
zu achten,

/457/AE 121
da dies nicht geschieht." (145)
Nun ist es schwarz auf wei gegeben. Der General Winkelmann ist, ob er will
oder nicht, dem Reichsbevollm"chtigten unterstellt. Schlielich kann auch in
Ungarn kein deutscher General herumtanzen wie er gerne m"chte. Aber nun geht
in der Folgezeit das Rennen zwischen Veesenmayer und Winkelmann um die
Hegemonie bezglich der Judendeportation los, ein Rennen, bei dem
Veesenmayer, kraft seiner Vollmacht und Akkredition ber der ungarischen
Regierung, mhelos gewinnt.
Und schon am 15. April meldete Veesenmayer, da seine an die ungarische
Regierung gestellte Forderung, noch bis Ende des Monates 50.000 Juden zur
Arbeit in Deutschland, zur Verfgung zu stellen, angenommen wurde und er mit
Obergruppenfhrer Winkelmann die Einzelheiten des Abtransportes vereinbaren
wird. Er bat das Ausw"rtige Amt, ihm aber jetzt schon umgehend Weisung zu
erteilen, wohin der Transport im Reich geleitet werden solle. Das Ausw"rtige Amt
teilte ihm als Antwort mit, da die Waggengestellung und der Fahrplan durch
meine Dienststelle geregelt wrde, sobald die abschlieende Weisung von
Obergruppenfhrer kaltenbrunner vorliege. Diese Weisung bekam

/458, 459/AE 122
ich durch das Reichssicherheitshauptamt am 22. April. Und der beh"rdliche
Instanzenweg manifestiert sich in einem Schreiben des
Reichssicherheitshauptamtes, indem es das Ausw"rtige Amt darauf hinweist, da
der Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Ungarn durch Blitz-Fernschreiben vin
den Verhandlungen Veesenmayers mit der ungarischen Regierung und seiner
Vereinbarung mit dieser, wegen der 50.000 Juden, in Kenntnis gesetzt wurde und
angefragt wurde, ob unter Hinblick auf die Transportschwierigkeiten eine
Einschaltung des Reichssicherheitshauptamtes beim Reichsverkehrsministerium
fr erforderlich gehalten werde. (146)
Aber trotz allem und offensichtlich wegen der umst"ndlichen Brokratie, die im
Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes unvermeidbar war, ging es den
interessierten Stellen im Ausw"rtigen Amt nicht schnell genug und als ob sie
Rge von h"chster Stelle befrchteten, empfiehlt der Botschafter Ritter am 27.
April Veesenmayer im Falle weiterer Verz"gerung des Abtransportes, bei seiner
drahtlichen Berichterstattung deutlich zum Ausdruck zu bringen, da von seiner
Seite aus alles M"gliche und Notwendige zur schleunigen Durchfhrung der
Aktion geschehen ist, da der Abtransport der bereitgestellten Juden aber dadurch
verz"gert wird, da die fr Abtransport und bernahme der Juden zust"ndigen
Stellen, die notwendigen Anordnungen nicht treffen. (147)

/460/AE 123
Am 29. April meldet Veesenmayer an das Ausw"rtige Amt, da der erste
Transport von Budapest aus, abgegangen sei. Und am 11. Mai konnte er weiter
berichten, da eine Fahrplankonferenz am 6. Mai abgeschlossen wurde. Mit dem
Abtransport der rund 325.000 Juden aus dem Karpathenraum und Siebenbrgen
wrde am 15. Mai begonnen. T"glich seien 4 Zge mit je 3.000 Juden zum
Abtransport nach dem Zielort (Auschwitz) vorgesehen. Die von der ,OT" fr den
Arbeitseinsatz im Reich ben"tigten 100.000 Arbeitskr"fte, mten bei dem SS-
Verwaltungs- und Wirtschaftshauptamt angefordert werden, da ber die aus
Ungarn zum Abtransport kommenden Juden verfgt. (148)
Am 22. Mai traf in Budapest der Legationsrat von Thadden ein. An Ort und Stelle
hatte er sich ein Bild von der Lage der Dinge zu machen. Zur Frage der
Verm"gensbehandlung trug er dem Gesandten Veesenmayer seine Auffassung
vor. Aber er erkl"rte v. Thadden, da die Frage noch nicht spruchreif sei, sobald
er den Boden dafr gnstig halte, wolle er sie in Angriff nehmen. Der Gesandte
wies ihn darauf hin, da das eben zur Debatte gestandene Objekt in keinem
Verh"ltnis hinsichtlich der Gr"enordnung, zu den von den Dienststellen
Himmlers eingeleiteten Fischzuges stnde. Er habe in dieser auergew"hnlich
heiklen

/461,462/AE 124
Angelegenheit seinen besten Mitarbeiter, den Konsul Rokowski zu Himmler
geschickt. Herr von Thadden meinte in seiner Berichterstattung in dieser
Angelegenheit an das Ausw"rtige Amt, da soweit er aus Veesenmayers
Andeutungen entnehmen konnte, es sich um Geheimvertr"ge handele, welche
Winkelmann hinter dem Rcken von Veesemayer vorbereitet hat und mit denen
der Gesandte nicht einverstanden sei. (149)
Nun, worum handelte es sich bei diesen Dingen. Da ich sie selbst erlebt habe, ja
zum Teil selbst bearbeitet habe und sogar zum Teil auch selbst Ideen mit dazu
gab, schildere ich die Dinge am besten so, wie ich wei, da sie sich zugetragen
hatten.
Kurz nachdem ich im Monat M"rz des Jahres 1944 in Budapest war, erschien
eines Nachmittags auf meinem Hotelzimmer - (ich arbeitet und wohnte um jene
Zeit auf meinem Zimmer im Hotel, da mir noch keine Dienststellenunterkunft
nachgewiesen war) - ein SS-Obersturmbannfhrer der Waffen SS, Kurt Becker.
Da wir beide gleichrangig waren, ergab sich von Haus aus sogleich ein Verh"ltnis,
welches unter Gleichrangigen derselben Uniformfarbe, berlichermaen in den
meisten L"ndern der Erde dasselbe sein drfte. Ich konnte damals noch nicht
ahnen, da dieserselbe Herr Becker nach 1945, zu seiner eigenen Hautrettung, in
einer solch unversch"mten und die Tatsachen entstellenden Weise, ber meine
Person herzog und den in Nrnberg damals verlierenden /Feinden "chten -
durchgestrichen/ Alliierten und ihren Gehilfen, da erz"hlte, was sie am liebsten
h"rten; ohne Rcksicht, auf den Wahrheitsgehalt.
Und noch 1961, hielt es Becker, als Zeuge der israelischen Anklage in
Deutschland vernommen, so mit der Unwahrheit, ,da sich die Balken bogen."
Da er sich dabei eines Meineides schuldig machte, interessiert ihn offensichtlich
berhaupt nicht und scheint er im Eifer der erdichteten Unwahrheiten gar nicht
bemerkt zu haben, trotzdem ihm die ,Zeugenfragen" bereits ein oder zwei Tage
vor der Verhandlung bekannt gegeben wurden. Wahrlich, ein ,sauberes Spiel",
welches infolge seine Ungeheuerlichkeit verspricht, in die Geschichte der
,Juristik", einzugehen.
Dieser ehemalige SS-Obersturmbannfhrer Becker teilte mir um jene Zeit mit,
da er Sonder-

/463/AE 125
bevollm"chtigter Himmlers in Budapest sei; seine Aufgabe w"re es,
Verm"genswerte fr die Waffen SS sicherzustellen; kompletter gesagt, damit
Ausrstungsgegenst"nde fr dieselbe zu besorgen.
Das Interesse an seinem Besuch bei mir galt dem Datum des
Deportationsbeginnes. Ich konnte ihm um jene Zeit auch keine andere Auskunft
geben, als die, welche er wahrscheinlich ohnedies wissen mochte, da er ja
gewissermaen ,frisch gebacken" von Himmler kam.
In der Folgezeit sahen wir uns sehr oft, und allm"lig konnte ich ihm auch
genauere Details geben; er war ja schlielich Sonderbevollm"chtigter Himmlers.
So konnte ich ihm sagen, da Veesenmayer und Winkelmann mit den
Verhandlungen bei der ungarischen Regierung besch"ftigt sind, um die
Deportationspl"ne und Phasen zu besprechen und sehr genaue Details vermochte
ich ihm ber die operativen Vorarbeiten durch die ungar. Gendamerie zu
vermitteln, da ich hierber ja laufend informiert wurde, um meinen Chefs
berichterstattungsm"ig stets die neueste Lage zu geben; so, wie mir dies befohlen
war. Insoweit kamen wir gut aus. Nur als Herr Becker eines Tages anfing zu
dr"ngeln, da er in einer deportationnsschwangeren Luft, in einer berhitzten
Atmosph"re,

/464/AE 126
seine Himmler-Befehle schneller, besser und eleganter durchfhren k"nne und als
diese Dr"ngelei zunahm, da wurde ich - wie man zu sagen pflegte - linkisch.
Denn im ,Ruck-Zuck"-Verfahren arbeitet keine Beh"rde, auch die ungarische
Gendarmerie, so intakt und schlagkr"ftig dieses Korps auch war, machte darin
keine Ausnahme. DerAmtsschimmel braucht berall seine Zeit, egal ob in
Deutschland oder Ungarn. Auerdem, und dies war das Sch"nste, konnte ich sie
weder anlaufen lassen, weder abstellen, weder beschleunigen, noch verz"gern.
Daher fand ich seine Anwrfe ungerechtfertigt und mit der Besorgung eines
Brolraten schickte ich mich daran, dieserhalb eine dienstliche Meldung an meine
Vorgesetzten abzufassen, da ich nichts anderes annehmen konnte, da er dasselbe
auf seinem Dienstweg ebenfalls in die Wege leiten wrde. Sein Dienstweg war
kurz, denn er unterstand in jener Zeit, Himmler unmittelbar.
Mein rger wurde gro und gr"er, als er eines Tages damit anfing, Juden gegen
Abtretung von Verm"genswerten, auswandern zu lassen. Nun war die
Auswanderung von Juden um jene Zeit durch einen Befehl Himmlers strengstens
verboten. Und nur er selbst oder der Chef der Sicherheitspolizei, konnten
Ausnahmen zulassen. Um wieviel mehr

/465/AE 127
erstaunter war ich, als der Obersturmbannfhrer Becker solches ebenfalls, kraft
eigenen Entscheides, nunmehr genehmigen konnte.
Ich, der ich jahrelang inmitten der jdischen Auswanderung steckte und dienstlich
damit befat war, bis eben zu jenem genannten Verbot, mute in
Deportationsfahrpl"nen mit dem Reichsverkehrsministerium herumfummeln; mir,
der ich in Auswanderungserfahrung eine mehrj"hrige ,Schule" zu durchlaufen
hatte, wurde hier ein Polizeiferner zur Seite gesetzt, ohne da auch ich solche
Genehmigungen erteilen konnte. Ich mute mich im Gegenteil von dieser
polizeifernen Person noch dr"ngeln lassen mit der Deportation nunmehr endlich
zu beginnen, damit er seine ,Rosinen aus dem Kuchen" holen konnte, dabei genau
wissend, da ber Deportation alleine der Reichsbevollm"chtigte, der H"here SS-
u. Polizeifhrer, Himmler und Ribbentrop zu entscheiden hatten; und allenfalls
noch Kaltenbrunner. Da packte mich der Zorn; ein Zorn der umso schlimmer war,
als Becker ja infolge seiner Himmler-Vollmacht tats"chlich unangreifbar gewesen
ist. Er hatte eben den Befehl, gegen Verm"genswerte, alles zu genehmigen.

/466/AE 128
Dazu kam, da um jene Zeit die deutsche Abwehr gegen Devisenzahlung
ebenfalls Juden in das Ausland schleuste. Ich aber wie eine Pick-Neun da sa und
in wenigen Wochen, in wenigen Tagen, wrde ich Fernschreiben mit
abgegangenen Transportzgen an die befohlenen Stellen zu richten haben.
Berichte an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei fr das
Reichssicherheitshauptamt, nachrichtlich an den H"heren SS- u. Polizeifhrer;
dazwischen wieder Einholung von Detailausknften aus dem ungar.
Innenministerium oder an die Reichsbahndirektion Wien, wegen Anberaumung
einer Fahrplankonferenz, zu der ich Befehl erhielt. Dazwischen dem Befehlshaber
der Sicherheitspolizei auf Grund der Fahrpl"ne, die Zahl der befohlenen
Transportbegleitmannschaften auszurechnen, welche dieser in Verhandlung mit
dem Befehlshaber der Ordnungspolizei klarmachen mute. Die komplizierte
Korrespondenz bezglich der Variationen in der Behandlung von Juden der
verschiedenen ausl"ndischen Staatsangeh"rigkeiten und was dergleichen
brokratischen T"tigkeiten mehr waren.
Und da begann ich zu berlegen.

/467/AE 129
Ich dachte mir, was die k"nnen, da kannst Du auch. Ich schickte
Obersturmbannfhrer Krumey los und mit ihm den SS-Hauptmann Mislicenz. Ich
lie bei den jdischen Funktion"ren einmal sondieren, was fr eine
Auswanderungsgenehmigung fr sagen wir, 100.000 Juden, geboten wrde.
Devisen wurden geboten. Aber dies half mir nichts; es war nichts Neues. Abwehr
und der Sonderbevollm"chtigte waren darin ohnedies t"tig.
Wie ich nun im Einzelnen mit dem jdischen Funktion"r Joel Brand damals
zusammen kam, wer dies arrangierte, dies wei ich nicht mehr genau zu schildern.
Ich wei nur, da er eines Tages vor meinem Schreibtisch sa und wir zusammen
einen Plan besprachen; besser gesagt, ich entwickelte ihm meinen Plan.
Ich fuhr in jener kurzen, knappen Zeit, einigemale zwischen Berlin und Budapest
hin und her.
Irgendjemand hatte nun damals eine Zahl von 10.000 Lastkraftwagen geborgen.
War ich es, war es mein Chef in Berlin, der Generalleutnant Mller, war es
Himmler oder Becker, ich vermag es mit Genauigkeit nicht mehr zu sagen. Genau
wei ich noch, da ich meinem langj"hrigen Chef Mller einen Vortrag

/468/AE 130
hielt, 1,000.000 Juden an irgendwelche von den jdischen Organisationen
gewnschten Punkte zu transportieren. Dafr wurden eben die 10.000 LKW,
winterfest, mit Anh"ngern, unter der Zusicherung, dieselben nicht an der
Westfront einzusetzen, verlangt. 10%, also 100.000 Juden sollten, falls Joel Brand
mit gnstigem Bescheid aus dem Ausland zurckkam, sofort auf diesen Bescheid
hin als Vorschubleistung zur Auswanderung gebracht werden.
Es ist zum heulen und zum lachen; zum lachen, wenn ich bedenke, da dieses
Projekt seitens meiner Vorgesetzten genehmigt wurde. Himmler selbst
genehmigte es;
zum heulen, . doch darber sp"ter.
Jetzt ging alles schnell
Eine aus dem Ausland angekommenen Sendung Devisen in der H"he von etwa
120.000 Dollar, samt Auslandspost konnte sich Joel Brand bei mir abholen. Die
Post wurde nicht einmal kontrolliert; jede Auslandspost fr jeden wurde in jener
Zeit kontrolliert. Mir stand der Sinn nach anderen Dingen. Damit hielt ich mich
nicht mehr auf. Joel Brand sagte w"hrend meines Prozesses als Zeuge der
Anklagebeh"rde, darber aus, da er nicht wute wie ihm geschah; 120.000
Dollar, Post, 100.000 Juden Vorschubsleistung, Flug nach Konstantinopel -
Unterschriftkrzel

/469, 470/
AE 131
Eine Kuriermaschine der deutschen Luftwaffe brachte Joel Brand nach
Konstantinopel.
Krumez, als mein h"chster Dienstgrad in meiner Dienststelle, erhielt von mir
Befehl, Brand sicher nach Wien zu bringen. Der Befehlshaber der
Sicherheitspolizei u. des SD in Budapest bestimmte die Person, welche Brand zu
begleiten hatte, einen Bondy Grosz. Auch diesen brachte Krumey pnktlich zum
Flugzeug.
So, dachte ich in meinem Sinn: diese Sache geht auf alle F"lle in Ordnung; da
kann nichts mehr schief gehen. Und mit keiner Winper zuckte ich, als die ersten
Deportationstransporte rollten. Denn jeden Tag konnte Nachricht von Brand
kommen; konnte Brand selbst kommen und der Fahrplan wrde umgebaut nach
Spanien, Portugal, Rum"nien. Weiter wrden die jdischen Organisationen schon
sehen. -
Und was mich w"hrend des Proyesses gegen mich, sehr in Erstaunen versetzte
war die Tatsache, da Joel Brand, als Zeuge der Anklage, bis auf einiges
Weniges, genau wahrheitsgem" ber den Vorgang aussagte. Nicht richtig ist, da
ich gesagt haben soll, die Deportationstransporte wrden w"hrend der Zeit bis zur
Entscheidung eingestellt bzw. die Juden wrden in sterreich ,auf Eis gelegt"
werden. Ich sagte jedem, der es h"ren wollte, da ich befehlsm"ig zu sagen h"tte,

/471/AE 132
da die Transporte zufolge dem vorgesehenen Fahrplan solange laufen werden,
bis der Bescheid da sei. Diesen auftrag hatte ich.
Wie h"tte ich als Obersturmbannfhrer etwas aufhalten, beschleunigen oder
umstoen k"nnen, was ein halbes Dutzend hoher und h"chster Vorgesetzter von
mir, in den verschiedensten Instanzen und Zentralinstanzen befohlen hatten. Man
nenne mir einen Menschen in einem europ"ischen Land, der an meiner Stelle, so
etwas w"hrend des Krieges zu tun in der Lage gewesen w"re. /1 Zeilen
gestrichen, unleserlich/
Brand sagte, da Krumey beim Abflug zu ihm gesagt haben solle, es g"be auch
noch andere SS-Offiziere wie Eichmann. Es g"be auch noch Krumey`s und
Wislicenz`s. Daran m"ge er, wenn er bei seinen Freunden im Ausland w"re
denken. Obzwar der ehemalige SS-Obersturmbannfhrer seit langer Zeit selbst als
Angeklagter in einem deutschen Untersuchungsgef"ngnis einsetzt, sagte er - auch
darber als Zeuge vernommen - aus, da er solches nie gesagt habe.
Und es ist glaubwrdig, denn es w"re sicher keine Belastung fr Krumey
gewesen, h"tte er Brand`s Version best"tigt.
/5 Zeilen gestrichen, unleserlich/
/472/AE 133
/7 Zeilen gestrichen, unleserlich/
Nun, w"hrend des Prozesses gegen mich wurden im Zusammenhang mit dieser
Mission eine Reihe von Dokumente aus dem israelischen Geheimarchiv, seitens
der Anklagebeh"rde dem Gerichtshof als Beweismaterial vorgelegt und
eingebracht. Es ist nicht meine Aufgabe, hier diese Sache n"her zu beleuchten. Es
m"gen auch sicherlich noch "hnliche oder sogar erg"nzende Dokumente in den
Geheimarchiven Englands und Nordamerikas liegen und fr eine allf"llige
Ver"ffentlichung in sp"teren Zeiten aufbewahrt bleiben.
Mir bleibt lediglich die traurige Aufgabe festzustellen, da Brand - ohne eigenem
Verschulden - nicht wiederkam und da eine Art Best"tigung, nie einging. Die
Deportationen aber lieen andere weiterrollen, wie die n"chsten Dokumente
aufzeigen werden.
Nur Joel Brand und sonst keiner - so glaube ich - wird meinen Zorn und meinen
Schmerz nachfhlen k"nne, da die Dinge so und nicht anders liefen; und
umgekehrt kann ich den Zorn und Schmerz eines Joel Brand

/473/AE 134
nachfhlen, ebenfalls aus erster Quelle, da Papier, welches sonst stets so
geduldig ist, in diesem Falle offenbar nicht tauglich war. Denn die Ingangsetzung
von vorerst einmal 100.000 Juden noch ohne jede
ausl"ndische Gegenleistung, h"tte ein v"llig anderes Bild zur Folge gehabt. Mit
diesen oder "hnlichen Worten schlo ich meine diesbezgliche Stellungnahme vor
dem Gerichtshof, w"hrend des Prozesses gegen mich.

Nun der andere Punkt des von Herrn von Thadden angeschnittenen
Geheimabkommens seitens Winkelmann, hinter Veesemayers Rcken, war ein
Abkommen des Bevollm"chtigten Becker. Er kassierte gewissermaen den
Rstungsbetrieb des ,ungarischen Krupp", den sogenannten Manfred Weiss -
Konzern, bei Budapest, gegen die Auswanderung der Gesamten Familien dieses
jdischen Industriellen, nach Portugal.

Der Chef des Verwaltungs und Wirtschaftshauptamtes des Reichsfhrers SS, SS
Ober-Gruppenfhrer und General der Waffen SS Oswald Pohl, dem s"mtliche
Konzentrationslager unterstanden richtete am 24. Mai 1944 an himmler ein
Fernschreiben, indem er ihn um Genehmigung bat, der ,Organisation OT"

/474/AE 135
der deutschen staatlichen Grobaufirma, fr deren Bauvorhaben, jdische Frauen
aus Ungarn zufhren zu k"nnen. Himmler versah dieses Fernschreiben mit seinen
charakteristischen beiden groen ,HH" und es ist anzunehmen, da er Pohl dies
bewilligte. (150)
Etwa im Mai/Juni befaten sich die planenden K"pfe mit einer Deportierung der
Juden aus Budapest. Herr von Thadden schreibt an Veesenmayer da die
Presseabteilung des Ausw"rtigen Amtes beabsichtigt, beim Reichsauenminister
anzuregen, da man "uere Anl"e und Begrndungen fr die Aktion schafft wie
z.B. Sprengstoffunde in jdischen Vereinsh"usern und Synagogen;
Sabotageorganisationen; Umsturzpl"ne; berf"lle auf Polizisten;
Devisenschiebungen groen Stils, mit dem Ziel der Untergrabung des ungarischen
W"hrungsgefges. Der Schlustein unter eine solche Aktion mte ein besonders
krasser Fall sein, an dem man dann die Grorazzia aufh"ngt. Veesemayer wird um
Drahtstellungnahme gebeten.
Dieser aber mu dringen bitten, von jeder propagandistischen Aktion Abstand zu
nehmen, denn es sei berall bekannt, da seit Wochen jdische Vereinsh"user und
Synagogen unter scharfer Kontralle der ungarischen Polizei stehen, bzw. zum Teil
beschlagnahmt worden sind, das jdische Verm"gen ebenfalls beschlagnahmt,
bzw. gesperrt ist und da die Juden in ihrer Bewegungsfreiheit sehr eingeschr"nkt
seien. (151)

/475/AE 136
Blaschke, der Brgermeister der Stadt Wien, schreibt am 7. Juni seinem Freunde
Kaltenbrunner, da er jdische Arbeitskr"fte haben m"chte. Daraufhin bewilligt
ihm Kaltenbrunner, als Chef der Sicherheitspolizei, 4 Transporte mit zusammen
12.000 Juden und schreibt ihm, da davon etwa sch"tzungsweise 30 % an
arbeitsf"higen Juden abfallen drften. Sowohl die arbeitsf"higen, als auch die
nichtarbeitsf"higen Juden mten in bewachte Lager untergebracht werden.
N"here Einzelheiten m"ge er mit dem SS-Obersurmbannfhrer Krumey vom
Sondereinsatzkommando Ungarn, besprechen.
Es werden sodann /2 Zeilen gestrichen, unleserlich/ im einzelnen Richtlinien
fr den Einsatz dieser jdischen Arbeitsgruppen, die auf etwa 20 politische Kreise
von Nieder"sterrreich aufgeteilt werden, besprochen. (152)

,W"hrend bis zum 19. M"rz zahlreiche Juden aus der Slowakei nach Ungarn
wanderten, ist nunmehr eine umgekehrte Wanderbewegung festzustellen. Es
wrde die hiesige Arbeit erheblich erleichtern, wenn nunmehr auch in der
Slowakei grndlich gegen die Juden vorgegangen wrde. Falls entsprechende
Weisung erfolgt, wrde ich mich zu einer diesbezglichen Besprechung mit Ludin
in Pressburg treffen, um gemeinsam prktische Vorschl"ge auszuarbeiten." Dies
schreibt Veesenmayer am 14. Juni, an das Ausw"rtige Amt. Und General
Winkelmann richtet einige

/476, 477/AE 137
Tage sp"ter an Himmler ein pers"nliches Schreiben. ,Hochzuverehrender
Reichsfhrer! In der letzten Woche gab es hier eine gr"ere Zahl von Ereignissen,
die in anderen Gegenden wohl Besorgnis h"tten erregen k"nnen." Er kommt ber
Judenfragen und deren L"sungsbestrebungen auf ungarisch-innenpolitische Dinge
zu sprechen, charkterisiert Einzelfiguren des politischen Lebens und meint dann:
,Das beste w"re natrlich, wenn der Fhrer den Reichsverweser zu sich bestellte,
um ihm in aller Deutlichkeit seine Meinung zu sagen. Es mte aber auch so
gehen, da Veesenmayer endlich einmal strikte Anweisung erh"lt, hier auf den
Tisch zu schlagen. Mit seiner Verhandlungstaktik kommt er nun wirklich nicht
mehr weiter." Am 4. Juli - so schreibt er weiter - nahm er, Winkelmann an einer
Besprechung teil, welche Becker (der Sonderbevollm"chtigte Himmlers) mit dem
ungarischen Minister Imredy ber den ,Manfred - Weiss - Konzern", hatte. Unter
anderen ging es um die Frage der Nationalit"t des Generaldirektors. Die Ungarn
wnschten einen Ungarn. Becker erkl"rte, da eine solche Forderung g"nzlich
unannehmbar sei, denn Generaldirektor k"nne nur ein Mann werden, der seine
Befehle unmittelbar von Himmler entgegennehmen k"nne und dessen volles
Vertrauen haben me. Mit ,Reichsfhrers gehorsamster Winkelmann", endete
das Schreiben.
Dazwischen funkt eine Botschaft von Ribbentrop pers"nlich. Er bittet
Veesenmayer, der ungarischen Regierung mitzuteilen,

/478, 479/AE 138
da es nicht opportun ist, auf die verschiedenen ausl"ndischen Angebote
zugunsten der Juden einzugehen und er bittet um eine entsprechende
Sicherstellung der Angelegenheit. (153)

Und was tat ich in jener Zeit? Was trieben die Leute meines Kommandos? Man
wird es mir sicherlich nur schwerlich glauben, wenn ich sage, nie hatte ich in all
den letzten Jahren mehr freie Zeit und weniger zu tun, als w"hrend der Budapester
Monate. Und doch ist es so. Derjenige Leser, welcher die sicherlich sehr trockene
Aneinandereihung der Dokumente, nach ihrem chronologischen Ablauf, verfolgt,
sah und wird weiter sehen, da alles, buchst"blich alles, was auch nur
einigermaen von Bedeutung war, entweder von Veesenmayer oder Winkelmann
pers"nlich behandelt wurde. Hatte ich mich w"hrend der ,Berliner - Jahre"
geweigert, von dem mir eigentlich zustehenden kleinen Ausfhrungsrecht,
welches einem jeden Referenten zukam, Gebrauch zu machen und hatte in es mir
zur Gepflogenheit gemacht, in allen Dingen Weisung meiner Vorgesetzten
einzuholen, so brauchte ich selbst dieses in Ungarn sehr selten zu tun. Denn die
st"ndige Sorge beherrschte den Reichsbevollm"chtigten, wie den H"heren SS- u.
Polizeifhrer, einer k"nnte dem anderen den Rang in der Zust"ndigkeit ablaufen.
Daher trieb diese Sorge alleine schon den einen wie den anderen, und lie sie
Dinge anordnen und verhandeln, welche sie in normalem Zustand einem ihrer
Untergeordneten

/480, 481/AE 139
bertragen h"tten. Selbst der Befehlshaber der Sicherheitspolizei als Person, hatte
im Gegensatz zu anderen besetzten Gebieten, in Ungarn mit diesen Dingen aus
den angefhrten Grnden recht wenig zu tun. Was im Vergleich zu anderen
L"ndern sehr ins Auge fallend ist. Freilich mu ich billigerweise zugeben, da die
Maschinerie der ungarischen inneren Beh"rde so funktionierte, wie dies wohl
selten von einer anderen Beh"rde in einem anderen Gebiet um jene Zeit behauptet
h"tte werden k"nnen. Sie funktionierte nicht nur in Judenangelegenheiten,
sondern schlechtweg in allen ihren dienstlichen Obliegenheiten; und mehr als
einmal sagte ich zu mir selber, Donnerwetter, bisher glaubtest du, nur in
Deutschland wrde jene exakte Genauigkeit obwalten; hier siehst du mindestens
genau dieselbe peinlich saubere Akuratesse. Ich bewunderte um jene Zeit die
ungarische innere Verwaltung; nicht im Hinblick auf die Erledigung der
Judenangelegenheiten, sondern ich spreche ganz allgemein, von beh"rden-
sachlichen Standpunkt aus.
Krumey ging oft und oft schon am frhesten nachmittag zum Tennisspielen ab;
und etwa im Juni/Juli wurde er nach sterreich versetzt, denn es gab fr uns
wirklich herzlich wenig zu tun.
Es sagte noch 1961 als Zeuge in Deutschland vernommen hierber: ,Beobachtet
habe ich, da seine (Eichmann`s) Schreibkraft nicht viel zu tun hatte. Eichmann
hat auf der Dienststelle selbst wenig Zeit zugebracht. Er kam und ging wann er
wollte. Er hatte in Budapest ein ausgepr"gtes und zeitlich ausgedehntes
Privatleben."
Ich hatte ja nicht einmal personelle Befugnisse

/481/AE 140
bezglich der kaum zwanzig Angeh"rigen meines Kommandos; selbst diese
Arbeit erledigten andere, wie Krumey weiter best"tigt. Schon in Mauthausen
n"mlich sah und h"rte er, da Dr. Geschke die Sicherheitspolizei leitete. Von ihm
erhielt er bereits dort seine Auftr"ge. Und er erkl"rt ferner, da er von dem
Befehlshaber der Sicherheitspolizei - Ungarn, Dr. Geschke, von Ungarn, wo er
mein ,St"ndiger Vertreter" war, versetzt wurde; und nicht etwa von mir. (154)
Nun ja, ich kann verstehen, da dies alles noch keine Antwort auf die Frage ist,
was ich denn nun wirklich tat; sowohl dienstlich, als auch privat. Dienstlich:
solange die fahrplanm"igen Transporte liefen, hatte ich Ariso?fernschreiben
gem" den erhaltenen Abfahrtsmeldungen nach Auschwitz, ber den
Befehlshaber der Sicherheitspolizei - Ungarn an das Reichssicherheitshauptamt
zu senden; die Statistik zu fhren, meine Vorgesetzten in Ungarn t"glichen
mndlichen Bericht zu erstatten; mindestens w"chentlich einmal auch einen
schriftlichen Lagebericht zu geben. Dazu mute ich mir die Unterlagen aus dem
ungarischen Innenministerium besorgen; in der Regel direkt von Staatsekret"r
Endre. Ich bekam t"gliche Mitteilungen von der ungarischen Gendamerie; kurz
und gut, all jenes war meine Obliegenheit, was mit der befohlenen
Lageberichterstattung zusammen-

/482, 483/AE 141
hing, dazu kam all jene brokratische Arbeit, von der ich anfangs berichtete. Und
das ganze aufgeteilt auf etwa fnf bis sechs Mann. Weitere acht Personen z"hlten
zur Wache, waren Kraftfahrer und Schreibkr"fte. Der Rest war in der Provinz und
hatte darauf zu achten, da Juden bestimmter ausl"ndischer Staatsangeh"rigkeit
nicht deportiert wurden, so wie der Befehl es vorschrieb.

Privat: Ja, neben Motorsport und Segelsport am Plattensee (ich hatte entfernte
Verwandte in Ungarn) und neben zahlreichen privaten Besuchen und famili"r-
gesellschaftlichen Beisammensein hatte ich in den Jahren 1943 und 1944 ein
Steckenpferd, welches mir nach 1945 einigemale wieder einfiel, meistens aber der
Vergessenheit berantwortet blieb. Ich will es hier erz"hlen. Nach dem Unglck
von Stalingrad begann ich mich mit der berlegung der Konstruktion eines
Motors zu besch"ftigen, gerade stark genug, um einen bewaffneten Soldaten
wenige Meter hoch, kurze Strecken zu transportieren. Die taktischen, ja
strategischen M"glichkeiten bei Serienproduktion eines solchen Ger"tes schienen
mir enorme zu sein. Leider verstand ich von dem konstruktiven Teil der Seite
doch zu wenig, um diese Sache alleine weiter zu betreiben, denn ich war kein
Explosionsmotorenbauer. Das einzige, was ich tun konnte, war vorerst, da ich
mir einschl"gige neueste Literatur

/484, 485/AE 142
besorgte und mich mit Verbissenheit dem Studium hingab. Bedauerlicherweise
hatte ich auch in jener Zeit zu viel brokratisches Getriebe um die Ohren und die
zunehmenden Heftigkeiten der Bombenn"chte f"rderten die Angelegenheit
keinesfalls.
Trotzdem nahm ich nach einigem Studium Verbindung mit einer Kapazit"t auf
dem Gebiete des Hubschrauberbaues, dem Professor Flettmer auf; dem Erfinder
des Flettmer-Rotors; dem Erbauer von Kleinhubschrauber fr unsere U-Boote. Er
erz"hlte mir eines Tages, da seiner Tochter die Idee der sogenannten
Versorgungsbombe zuzuschreiben sei, denn inspiriert durch die propellerartige
Frucht des Ahornbaumes und ihr flatterndes, Zubodenfallen, w"re sie durch
berlegung, zur Versorgungsbombe gelangt.
Kurz und gut, der Mann schien mir richtig zu sein. Und er war zwar von meiner
Idee begeistert, besonders, als ich ihm die herrlichen milit"rischen
Ausrstungsm"glichkeiten entwickelte, aber infolge unseres latenten
Buntmetallengpasses, war das PS-Gewicht des deutschen Motors, beispielsweise
im Vergleich zu einem USA-Motor ungleich h"her. Ich glaube mich erinnern zu
k"nnen, da der Unterschied zwischen 30 oder 35% lag, zu ungunsten des
deutschen Motors oder noch h"her. Aber er versprach mir, die Sache in die Hand

/486, 487/AE 143
zu nehmen, zu studieren uund mit mir auf dem Laufenden zu bleiben. So war es
mir recht. Da ich nichts fr mich haben wollte, sondern fr die Sache, war es mir
egal, wer die allfalligen Anerkennungen oder gar Frchte aus dieser Sache erntete,
wenn die Idee nur der Verwirklichung n"her gebracht wrde und eine operative
Erleichterung fr die Truppe abgeben wrde. Daher war es auch v"llig berflig,
etwa einen Vertrag zu machen. Lediglich zum Schweigen gegenber Unbefugten
mute er sich verpflichten. Mein vornehmliches Interesse in jener Zeit galt mehr
dem Motor der Getriebereduktion /2 Zeilen gestrichen, unleserlich/, den
Drehbewegungsbertragungen und anderen einschl"gigen Dingen mehr, als allen
sonstigen Sachen.
Flettmer besuchte mich dann einige Male auf meiner Dienststelle; ich besuchte
ihn in seinem kleinen Werk und sah mir interessiert seine im Bau befindlichen
Kleinhubschrauber an. Ich wollt ja eigentlich dasselbe, nur einen
Kleinsthubschrauber, bzw. eine dem Hubschrauber "hnliche Konstruktion, oder
wie ich es damals kurz ausdrckte ,Motor-Rotor" mit dem allernotwendigsten
Drum und Dran.
Darber kam allm"lig Ungarn und ich hatte Zeit. Sehr viel Zeit. Aber leider war
Flettmer weit weg.; in Berlin. Und ich glaubte, ich me es zwingen. Ich
skizzierte, ich studierte und plagte mich ab, wie man eine oder zwei Divisionen
auf diese Art und Weise ,motorisieren" k"nnte. Aber Flettmer blieb stumm und
nichts ging weiter. Es kam

/488/AE 144
die V1 und sofort dachte ich getr"stet, den Kohl mit dem ,Motor-Rotor" braucht
nunmehr kein Mensch. Und ich sagte mir, da mich in diesem Stadium die
dmmsten S"ue auslachen wrden, wrde ich nur meinen Schnabel aufsperren.
Meinem Chef, dem Generalleutnant Mller, trug ich die Idee eines Tages des
mittleren Jahres 1943 vor. Aber ich h"tte sie ebensogut seinem Papierkorb
erz"hlen k"nnen. Er h"rte mir geduldig zu, sah mich an und l"chelte dnn, um
mich dann mit einer dienstlichen Angelegenheit wieder in den Alltag
zurckzurufen. Dies war einer meiner leider fruchtlosen privaten Besch"ftigungen
in Budapest. -

Wir stehen am Anfang Juli des Jahres 1944. Veesenmayer mu nach Berlin
berichten, da ihm Ministerpr"sident Sztojay mitteilte, Horthy habe die
Fortsetzung der Juden-Aktionen gestoppt; Sztojay bat ihn, sich bei Ribbentrop
dafr einzusetzen, da verschiedenen ausl"ndischen Angeboten zu Gunsten einer
Ausreise bestimmter jdischer Personenverb"nde, n"hergetreten werden k"nnte.
Auf Ribbentrop`s Vorschlag, genehmigte Hitler daraufhin einige dieser Angebote
unter der Voraussetzung, da der von Horthy vorrbergehend gestoppte
Abtransport der Juden nach dem Reich, sofort und schnellstens zu Ende gefhrt
wrde.

/499/AE 145
Aber die Dinge komplizieren sich immer mehr; wenige Tage danach, am 16.Juli,
drahtet Ribbentrop erneut nach Budapest: ,Hitler habe davon Kenntnis
genommen, da Horthy die derzeitige Regierung Sztojay abzuberufen und an ihre
Stelle eine Milit"rregierung einzusetzen gedenke. Er habe dies mit Befremden zur
Kenntnis genommen. Mit noch gr"erem Befremden habe Hitler vernommen, da
Horthy Verhaftungsbefehle gegen einzelne Minister und Staatssekret"re der
Regierung Sztojay, welche in letzter Zeit Manahmen gegen die Juden
durchgefhrt haben, erlassen h"tte.
Er drohte mit der sofortigen Abberufung Veesenmayers und der Ergreifung jener
Manahmen, die eine Wiederholung solcher Vorf"lle ein fr allemal ausschlieen
wrden. In diesem Falle, wrde Hitler in Zukunft jede Rcksicht fallen lassen.
Hitler hoffe jedoch, da Horthy einsehen wird, da jedes Abweichen von dem in
Klessheim beschlossenen Wege, Komplikationen in sich bergen wrde. (155)
/1 Zeile gestrichen, unleserlich/
Die Deportationstransporte wrden von Ordnungspolizei oder wenn "uerster
Personalmangel zu verzeichnen ist, gemischt mit Angeh"rigen der Dienststelle
des Befehlshabers der Sicherheitspolizei begleitet. Letzteres traf jedoch meiner
Erinnerung nach sehr selten ein. Die Verhandlungen zur Abstellung dieser Kr"fte
von der Ordnungspolizei, fhrten

/500/AE 146
jeweils die Befehlshaber dieser Polizeieinheiten unmittelbar. /4 Zeilen gestrichen,
unleserlich/
W"hrend eines Transportes, kam es glaublich auf slowakischem Gebiet einmal, zu
Ausschreitungen der Transportbegleitung gegen die Juden. Die deutsche
Gesandtschaft Budapest berichtet unter anderem darber an das Ausw"rtige Amt
am 2. August: ,Die Angelegenheit ist vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei
und des SD in Ungarn - das Sondereinsatzkommando des SS-
Obersurmbannfhrer Eichmann ist ausschlielich fr die technische
Durchfhrung der Judentransporte zust"ndig - untersucht worden, der ber das
Ergebnis dem Reichssicherheitshauptamt berichtet hat."
Ich glaubte dieses Dokument mit einschalten zu men, da es schlagartig erhellt,
da meine M"nner mit der exekutiven Angelegenheit nichts zu tun hatten, sondern
sich deren T"tigkeit ausschlielich auf die Dinge beschr"nkte, die ich im
Wesentlichen bereits beschrieben habe.
Und wie wenig selbst in technischen Dingen mein Kommando entscheiden
konnte, zeigt da ich sogar beim Vorliegen von Auswanderungsgenehmigungen,
an den Himmler-Befehl welcher der Sicher-

/501/AE 147
heitspolizei bermittelt wurde, gebunden war. Veesenmayer will Anfang August
vertraulich erfahren haben, da ich mich nochmals an das
Reichssicherheitshauptamt mit der Bitte wandte, endgltige Entscheidung
Himmlers herbeizufhren, ob die Ausreise einer sogannten ,Schweizer Aktion"
nach Pal"stina ber Rum"nien genehmigt werden k"nne. Ich hatte bisher in
Budapest vorgeschlagen lediglich nach Lissabon durch Westeuropa zu gestatten;
denn ich konnte aus eigener Vollmacht ja schlielich auch keinen Befehl meiner
Vorgesetzten um"ndern. Dieser Weg ber Lissabon aber war in solchen F"llen, im
Hinblick auf das Abkommen zwischen Ribbentrop-Himmler-Mufti, genehmigt.
(156)
Es gab ja - wie ich den jdischen Funktion"ren in Budapest oft und oft sagte,
schlielich auch die ,grne Grenze". Dazu brauchte es keiner Genehmigung, und
da mich der exekutive Teil nichts anging, interessierte mich auch die ,grne
Grenze" nicht.
Im August ging nun das Tauziehen zwischen Veesenmayer und der ungarischen
Regierung wegen des Beginnes der Deportation aus Budapest los. Mir wurde
daraufhin seitens des ungarischen Inneministeriums mitgeteilt, da damit
begonnen wrde; dann gab man wieder den gegenteiligen Befehl bekannt, kurz
und gut, es ging hin und her;

/502/AE 148
Das Resultat war schlielich, da Horthy die Deportation verbot. Dieses Verbot
wurde von Veesenmayer am 24. August um 10,20 Uhr nach Berlin durchgegeben.
Und am n"chsten Tag um 11,15 Uhr konnte er dem Ausw"rtigen Amt melden,
da ihm Winkelmann soeben telephonisch mitgeteilt habe, da Himmler um 3
Uhr frh, durch Fernschreiben den Befehl gab, jede Deportation von Juden
stengstens zu untersagen. (157)

Aber am 30. August geht es wieder von vorne an. Veesenmayer schreibt an
Ribbentrop, da anschlieend an die Vereidigung der neuen ungarischen
Regierung eine Ministerratssitzung stattfand, in der als Hauptgegenstand, die
Evakuierung der Juden aus Budapest zur Debatte stand. Es wurde beschlossen, die
Aktion sofort einzuleiten. (158)
Ich selbst war mit meinem Kommando schon l"ngst nicht mehr in Budapest, denn
der Befehlshaber der Sicherheitspolizei, Dr. Geschke, erteilte mir Befehl, mich
mit meinem Kommando in den Raum von Gro Nikolsburg zu begeben, um dort
durch die Abtransportierung von 10.000 Volksdeutschen diese einem russischen
Zugriff zu entziehen. Aus Neu Arad transportierte ein Teilkommando von mir ein
deutsches Wehrmachtlazarett ab, welches vorbergehend von der russischen
Besetzung

/503/AE 149
befreit war. Und am 22. September 1944, l"ste ich befehlsm"ig mit einem
Schluappell das Kommando auf. (159) Ich wurde nach Berlin in das
Reichssicherheitshauptamt zurckbefohlen, wurde jedoch angewiesen noch eine
Woche in Budapest zu bleiben und mich dann in Berlin zurckzumelden.

Inzwischen berichtet Veesenmayer seiner Berliner Zentrale, da die Ungarn die
eingegangenen Verpflichtungen zur L"sung der Judenfrage in Budapest als
innerstaatliche Manahme, bisher nicht nachgekommen seien und Legationsrat
Wagner als Gruppenleiter Inland II des Ausw"rtigen Amtes, schlug Ribbentrop
am 12. Oktober im Hinblick auf das N"hherrcken der Front vor, die deutsche
Haltung grunds"tzlich zu "ndern und entweder die Evakuierung der restlichen
Juden in eigener Regie, oder durch entsprechenden Druck auf die ungarische
Regierung, zur Durchfhrung zu bringen. (160)
/Unterstaatsekret"r Luther hatte inzwischen den in Berlin akkreditierten
ungarischen Gesandten bearbeitet, welcher am 18. Oktober zur Berichterstattung
nach Budapest reise und die ganze Angelegenheit seinem Ministerpr"sidenten und
dem Reichsverweser vorzutragen gedenke.
Auerdem habe er einen offiziellen

/504, 505/AE 150
Schritt deutscherseits bei der ungarischen Regierung in Aussicht gestellt und gibt
an Veesenmayer nunmehr die Anweisung zu erreichen, da die Manahmen
gegen die Juden in Ungarn entsprechen weiter zu betreiben seien. Und dann am
14. Oktober schreibt er da Ziel me daher in Ungarn sein:
1.) Die Juden auf dem Wege fortschreitender Gesetzgebung unterschiedslos aus dem
kulturellen und wirtschaftlichen Leben auszuschalten.
2.) Durch sofortige Kennzeichnung aller Juden die entsprechenden
Regierungsmanahmen erleichtern und dem Volke die M"glichkeit zu klarer
Distanzierung zu verschaffen.
3.) Die Aussiedelung und den Abtransport nach dem Osten vorzubereiten. -
durchgestrichen/

Der Leser dieser Zeilen wird sich allgemach darber wundern, warum ich, als der
Schreiber und gewissermaen im Geschehen gestandene zeitgen"ssische Chronist,
denn mir immer vom Tun und Handeln des Reichsbevollm"chtigten des
Ausw"rtigen Amtes, und allenfalls von dem des H"heren SS- u. Polizeifhrers
berichte. Haben denn - so wird er sich fragen- nicht auch anderer Stellen hier
mehr ihre Finger im Spiel gehabt, als er durch deutschreiber dargestellt ist? Will
der Schreiber etwa Himmler, Kaltenbrunner, seinen eigenen unmittelbaren
Vorgesetzten, Mller, kurz Namen denen man sonst auf Schritt und Tritt
begegnet, bewut aus den Belangen in Ungarn ferne halten? Etwa gar aus dem
Grund, weil er selbst dort t"tig war?
Ich darf darauf erwiedern, da dies keinesfalls so ist. Ungarn war im
Wesentlichen das ,Rennen des Ausw"rtigen Amtes". Nicht da, der
Sicherheitspolizei oder Himmlers. Ich habe s"mtliche Dokumente, die hier in
Israel in dem Prozess gegen mich, vorlagen und denen ich auch nur eineige
Bedeutung

/506/AE 151
im Hinblick auf die Linienfhrung oder zu derem besseren Verst"ndnis einr"umte,
herangezogen. Es ist nicht mehr davon da. Man kann auch nicht gur sagen, na ja
klar, das Reichssicherheitshauptamt hat seine Akten ja im Jahre 1945 verbrannt.
Dies stimmt zwar. Aber die anderen Zentralinstanzen taten es nicht. Und da
wurden eben nach 1945 alle die Schreiben mitgefunden, von denen im
Reichssicherheitshauptamt die Durchschl"ge verbrannt wurden. Sicher mag es
sein, da im Laufe der Zeiten das eine oder andere Dokument sich noch auffinden
wird; aber das Gesamtbild kann sich dadurch nicht mehr "ndern.
-,-
Kaum mag ich nach einigen Urlaubstagen bei meiner Familie - (soweit man in
diesem vorgerckten Kriegsstadium berhaupt noch von Urlaub sprechen kann) -
wieder in Berlin gewesen sein, da traf mich der Befehl meines Chefs, abermals
nach Budapest zurckzufahren. Was war geschehen?
Der H"here SS- u. Polizeifhrer dr"ngelte den deutschen Gesandten ?
Reichbevollm"chtigten.
Der Reichsbevollm"chtigte dr"ngelte die ungarische Regierung!
Das Ausw"rtige Amt und Veesenmayer dr"ngelten sich gegenseitig!
Wozu?
Die Deportationen waren dort eingestellt. Himmler hatte sie doch verboten, auch
Horthy hatte sie verboten. -
Aber in Ungarn waren inzwischen die

/507, 508/AE 152
,Pfeilkreuzler" unter Szalasi als Staatsoberhaupt, an die Macht gekommen. Und
Veesenmayer unterrichtete das Ausw"rtige Amt am 18. Oktober wie folgt: ,Mit
ge"nderter politischer Lage ist auch die Judenfrage hier in neues Stadium getreten.
Obersturmbannfhrer Eichmann, der auf Antrag des hiesigen H"heren SS- und
Polizeifhrers und Befehl des Chefs der Sicherheitspolizei heute nach Budapest
zurckgeholt ist, hat Verhandlungen mit ungarischer Regierung dahin
aufgenommen, da 50.000 m"nnliche, arbeitsf"hige Juden aus Budapest zum
Arbeitseinsatz nach Deutschland transportiert werden.
Aus Ver"ffentlichungen neuer Regierung ist im brigen zu ersehen, da auch
bisherige Ausnahmejuden, wieder zum Sterntragen verpflichtet werden." (161)
Noch am selben Tag berichtet Veesenmayer weiter: ,Trotz seitens Szalasi bereits
erfolgter grunds"tzlicher Stellungnahme, keinen ungarischen Juden weiterhin in
das Reich abtransportieren zu lassen, wird Innenminister versuchen,
ausnahmsweise Zustimmung zu beantragter, zeitweiser berlassung von 50.000
arbeitsf"higen, m"nnlichen Juden zu erlangen, die im Reichsgebiet fr
J"gerprogramm, und zur Abl"sung von russischen Kriegsgefangenen, die
anderw"rts dringen ben"tigt werden, eingesetzt werden sollen. Transport soll
durch Futrecks in Begleitung deutscher Kommandos erfolgen. Das
Einsatzkommando Eichmann

/509, 510/AE 153
wird abgesehen von teilweiser bernahme der Bewachung des Futrecks, nur
beratend mitwirken, w"hrend Aktion im brigen von ungarischer Gendarmerie
unter Leitung bisherigen Beauftragten fr Judenfragen Oberleutnant Ferencsy und
Oberleitung Staatssekret"r im Innenmi Laday, durchgefhrt werden soll. (162)
Und an den Reichsauenminister geht am 24. Oktober eine Geheime Reichssache
von Veesenmayer ab in der er seinem Minister berichtet:
,. teile ich mit, da ich gestern auf die dringende, wiederholte Bitte von SA
Obergruppenfhrer Winkelmann, Syalasi gebeten habe, uns wenigstens 25.000
Arbeitsjuden leihweise fr ein halbes Jahr fr die Verwendung im deutschen
J"gerprogramm zur Verfgung zu stellen. SA Obergruppenfhrer Winkelmann
hat an sich die Forderung auf 50.000 Arbeitsjuden erhoben, doch ist diese bisher
am Widerstand der ungarischen Regierungsstellen gescheitert. Ich hielt es fr
richtig, zun"chst eine Teilforderung zu realisieren, mit der Absicht, gegebenfalls
sp"ter erneut unsere Wnsche vorzubringen.
Szalasi hat sofort dieser Bitte entsprochen, hat lediglich zun"chst darauf
hingewiesen, da Ungarn selbst das Gros der ungarischen Juden fr
Schanzarbeiten brauche und hat mich gebeten die weitere Bearbeitung der
Angelegenheit zwischen Obergruppnefhrer Winkelmann und Minister Kowacs
in die Wege zu leiten." (163)

/511/AE 154
Folgendes war geschehen:
DerH"here SS- u. Polizeifhrer General Winkelmann wurde wiederholt bei
Veesenmayer vorstellig, da 50.000 Arbeitsjuden in das Reichsgebiet zu
marschieren h"tten.
Und er setzte sich darber hinaus direkt mit dem Chef der Sicherheitspolizei und
des SD, Dr. Kaltenbrunner in Verbindung, mit der Forderung meiner sofortigen
Wiederinmarschsetzung nach Ungarn.
Den Befehl dazu bekam ich.
Ich hatte zu gehorchen.
Ich h"tte keinesfalls etwa sagen k"nnen: ,nein ich will nicht; sucht Euch
jemanden anderen."
Krankspielen durfte ich nicht, denn ich hatte ja einen Fahneneid geliestet.
Auerdem sah ich zum krankspielen zu gesund aus.
Was war das J"gerprogramm?
Die letzte Anstrengung, die feindlichenBomberstr"me vom deutschen Himmel zu
verjagen.
Tausende und abertausende Einmannturbinenj"ger mit fantastischer
Geschwindikeit und Wendigkeit wurden gebraucht. Als sie fertig waren, standen
sie wie Hornissen auf den Autobahnen, auf Feldern, auf Flugpl"tzen, an
Waldesr"ndern. Aber sie stiegen kaum auf. Treibstoffmangel. Die Alliierten
hatten die deutschen Raffinerien - Duzende und aberduzende von
Kleinraffinerien, geschickt wie kleine

/512/AE 155
Schwalbennester in Bodenmulden und an Bergh"ngen gegen feindliche Flieger
sicher getarnt, - durch systematische Kleinarbeit, oft in Tiefangriffen, zerst"rt. Gut
noch war es nicht so weit.
Noch lautete der Befehl: J"gerprogramm. Dazu hatte Winkelmann Gott und die
Welt verrckt gemacht.
Dazu bekkam ich Befehl, mit dem ungarischen Inneministerium
Detailbesprechungen zu fhren.
Die Trecks;
Die Verpflegungslager;
Die N"chtigungslager;
Die Bewachung der Lebensmitteltransports;
Nur m"nnliche Juden;
Nur arbeitsf"hige Juden;
Zeitweise;
Leihweise;

Mir gelang die Verhandlung nicht, wie die Dokumente es besagen.
Neuer Vorsto Winkelmanns bei Veesenmayer. Dieser reduziert die
Winklemann`sche Forderung auf die H"lfte.
Er mu dieserhalb mit dem ungarischen Staatschef sprechen.
Szalasi genehmigt.
Die Einzelheiten mu Winkelmann mit dem Minister Karacs erledigen.

Ein nerv"ses, hektisches Getue. Eine Handlung planvoll lenkender,

/513/AE 156
verantwortlicher Fhrer?
Quatsch!
Irrsinn; die Leute dachten nur von heute auf morgen.
Sie befahlen! Nach dem Motto, besser ein unsinniger Befehl, als gar keiner.

Und was sagt derselbe General a.D. Winklemann im Jahre 1961 als Zeuge in
Deutschland vernommen?

,Himmler habe ihm erkl"rt, er sei an der Judenfrage in Ungarn nicht interessiert."

Dazu mu ich schon fragen; warum hat Himmler denn die Deportation der Juden
von Osten nach Westen durchk"mmend, aus strategischen Grnden, befohlen?
Wozu war denn dann Himmler bei der Hitler-Horthy Besprechung auf Schlo
Klessheim zugegen, wo die Dinge doch festgelegt wurden?
Warum ist denn der Obergruppenfhrer Winkelmann, als H"herer SS- u.
Polizeifhrer nicht gegen die Deportation eingeschritten? Er war doch die h"chste
SS u. Polizeiautorit"t als Vertreter Himmlers in Ungarn.
Warum wurde er dann wiederholt bei Veesenmayer wegen Durchfhrung der
Judendeportation vorstellig.
Warum holte er mich, durch Dr"ngen bei

/514/AE 157
Kaltenbrunner, denn wieder nach Ungarn zurck?

Und dann habe ich seine Erkl"rung gelesen: ,Eichmann h"tte in seiner
subalternen Art seine Machtbefugnisse berschritten, wenn er glaubte damit im
Sinne seines Befehlsgebers zu handeln."

Dazu auf ein Wort Herr General:
Ich wrde solches Ihrem inzwischen erreichten hohen Alter /1 Zeile gestrichen,
unleserlich/ zuschreiben. Aber wenn ich so bedenke, was fr ein alberner und
t"rrichter Mensch ich gewesen sein mu, Ihren Befehlen im Jahre 1944
nachzukommen, dann packt mich heute noch der Zorn ber mich, und das Mitleid
mit Ihnen Herr General!
Und da ich albern und t"rricht gewesen sein mu, beweist mir Ihre
ungeneralm"igen Worte. /Ich sitze hier in diesem israelischen Gef"ngnis, aber
ich habe den Mut, Ihnen dies zu sagen: - gestrichen/
/3 Ź Zeilen gestrichen, unleserlich/
Sie werden daher verstehen, da ich bei solcher Einstellung meiner Vorgesetzten
von damals ihren Untergebenen gegenber, mich umso genauer, und nur an den
Wortlaut der Dokumente halte.

/515, 516/AE 158
/Sicher auch meine Ansichten haben sich in sechzehn Jahren ge"ndert, aber ich
wrde nicht ich sein, wollte ich meine Gesinnungs"nderung oder Wandlung in
meinem Vorstellungsverm"gen ber die Dinge des Seins, in solch
abgeschmacktem Gesabbere von mir geben.
Dieses Herr General, waren die Worte, die ich Ihnen sagen wollte. (164)
gestrichen/
Sicher auch meine Ansichten haben sich in den letzten sechzehn Jahren ge"ndert,
aber ich wrde eine solche Haltung, wie Sie sie als mein damals vorgesetzter
General mir gegenber heute einnehmen, nie gegenber einem meiner mir damals
unterstellt gewesenen M"nner, Unteroffiziere oder Offiziere einnehmen, auer er
wrde sich so an die Unwahrheit klammern wie Sie. Dieses Herr General, waren
die Worte, die ich Ihnen sagen wollte. (164)
-,-
Und wie liefen die Dinge weiter:
/1 Zeilen gestrichen, unleserlich/ ,Ich bitte Sie, den Ungarn bei Durchfhrung
aller Manahmen, die sie in den Augen unserer Feinde kompromittieren, nicht
hinderlich in die Arme zu fallen, sondern sie vielmehr hierbei in jeder Weise zu
untersttzen, insbesondere liegt es sehr in unserem Interesse, wenn die Ungarn
jetzt auf das allersch"rfste gegen die Juden vorgehen." Dies drahtet Ribbentrop fr
den Gesandten pers"nlich, als Geheimvermerk fr geheime Reichssachen am 20.
Oktober. (165)

/Sollte hier Winkelmann und Veesenmayer aus diesem Grund einen planvollen
Vorschlag zwecks Anlegung von Lebensmitteldepots, N"chtigungslager, usf.
nicht zur Ausfhrung gelangen haben lassen, in dem sie sich nunmehr selbst in die
Detailverhandlungen mit Minister Kowacs einlieen? Personal! Gestrichen/

/517/AE 159
Am 31. Oktober legte der Leiter der Gruppe Inland des Ausw"rtigen Amtes
Leg.Rat Wagner, dem Reichsauenminister einen Lagebericht ber die Judenfrage
in Ungarn vor. In Ungarn habe es etwa 900.000 Juden gegeben. Davon seien bis
zum 10. Juli 437.402 in die Ostgebiete abtransportiert worden. Nach Einsetzen der
Regierung Szalasi sollen nun zun"chst 25.000 Juden zum Arbeitseinsatz in das
Reich gelangen und wegen weiterer 25.000, beabsichtigte Gesandter
Veesenmayer demn"chst zu verhandeln. (166)

Der zust"ndige Staatssekret"r im Ausw"rtigen Amt, also Ribbentrops engster und
n"chster Mitarbeiter war jetzt ein Herr von Steengracht. Er wurde vor dem
Internationalen Milit"r-Gerichtshof in Nrnberg vernommen und dort sagte er u.a.
folgendes aus:
,Es gab in Deutschland Stellen, die die Judenaktionen durchfhrten und betrieben.
Diese Organisationen griffen auch in das Ausland ber und schafften von dort
ohne Wissen des Ausw"rtigen Amtes und ohne sein Zutun die Leute aus dem
Ausland weg."

/2 Zeilen gestrichen, unleserlich/ Man k"nnte der Meinung sein, der Schreiber,
w"re einem Irrtum anheimgefallen. Nein, nein,

/518/AE 160
ich irrte mich nicht. Es stimmt so, wie ich es schrieb und es ist jederzeit in den
Quellen nachzuschlagen.
Ich hatte einmal vor vielen, vielen Jahren einen Lateinprofessor, der sich auch mit
mir abmhte. Viel habe ich mir nicht behalten. Aber sicher hatte er Ursache, mir
mehr als nur einmal folgendes ,geflgeltes Wort" entgegenzuschleudern:
,Sitacuisses philosophus manisisses."
Aber auch dieses hatte ich mir trotz oftmaliger professoraler Anwendung nicht bis
heute gemerkt, w"re dem lateinischen Zitat nicht jedesmal prompt die sehr
handgreifliche freie bersetzung gefolgt:
,H"ttest Du das Maul gehalten, w"rest Du eine Weiser geblieben."
Ein Mehr kann ich zu diesem Steengracht`schen M"rchen nicht sagen. (167)

Veesenmayer unterrichtet das Ausw"rtige Amt, da gem" einer Meldung von
mir an ihn, bis zum Berichtstag rund 27.000 marsch- und arbeitsf"hige Juden, in
das Reichsgebeit in Marsch gesetzt worden sind. (168)
In Budapest hatte sich inzwischen folgendes zugetragen: nachdem Veesenmayer
die Fumarschgenehmigung bei dem

/519/AE 161
ungarischen Staatschef erwirkte und Winkelmann die Einzelheiten mit dem
Minister Karacs beprochen hatten, wurde festgestellt, da dieser Fumarsch in
Ungarn ausschlielich durch Pfeilkreuzler, untersttzt von Einheiten der
Exekutive, durchzufhren sei. Deutsche Untersttzung, deutsche Bewachung und
deutsche Transportbegleitung wurde auf ungarischem Gebiet, durch die
ungarischen Beh"rden abgelehnt.
Und in den ersten Tagen scheint man sich im groen und ganzen auch an die
Veesenmayer - Winkelmannschen Forderungen gehalten zu haben, mit der
Ausnahme, da nicht nur m"nnliche Marschierer, sondern auch Frauen eingereiht
wurden; dann aber wurde offenbar in Marsch gesetzt, was an Juden gerade
angetroffen werden konnte.
Da ich, der Schreiber, gerade in diesem Punkte nach 1945 - wie man sehen wird
sehr zu unrecht - heftigst angegriffen wurde, will ich keine eigenen Worte
gebrauchen, um die Situation zu schildern, sondern mich hier auf ein Dokument
berufen und dieses sprechen lassen. Ein Dokument, welches ber jeden Zweifel
erhaben sein mu, wei man, welcher Art es ist.
Es handelt sich um ein Protokoll einer Sitzung in der Schwedischen Gesandtschaft
zu Budapest am 22. Nov. 1944 um 6 Uhr abends.

/520/AE 162
Die Teilnehmer waren: Legationssekret"r Raoul Wallenberg, Bevollm"chtigter
der schwedischen Gesandtschaft;
N. Krausz, Bevollm"chtigter der Schweizerischen Gesandtschaft;
Dr. K"rner, Bevollm"chtigter der Portugiesischen Gesandtschaft und
Polizeihauptmann Dr. Batiztalvy.

Der Polizeihauptmann, welcher um Diskretion ersuchte, gibt an, da die an der
ungarisch-"sterreichischen Grenze ankommenden Juden, dort dem
Bevollm"chtigten der Deutschen, bergeben werden. Er gibt weiter an, da
10.000 Juden auf den Landstraen verschwunden sind. Geflohen, gestorben, oder
erschoen. Nichts oder zu wenig ist vorbereitet worden.
Es folgte dann ein Bericht der Abgesandten der Schweizer Gesandtschaft, Dr.
Leopold Breszlauer und Ladislaus Kluger, ber ihre Erfahrungen, welche sie
w"hrend ihrer amtlichen Reise von Budapest, bis zur "sterreichischen Grenze,
zwischen dem 23. Und 27. November 1944, gesammelt hatten.
Dem Berict zu folge, sind von den bis zum 22. Nov. deportierten 25.000 Juden,
10.000 an die Deutschen bergeben worden; 6-7.000 sollen in den n"chsten Tagen
bergeben werden und weitere 6-7.000 wurden von den

/521/AE 163
Pfeilkreuzlern unterwegs teilweise niedergeschoen, teilweise sind sie den
Strapazen erlegen, teilweise krank.
Der ungarische Gendamerieoberstleutnant Ferencsy hat dem Protokoll dieser
Sitzung zufolge, das Kommando ber den gesamten Fumarsch.
Die Juden wurden in Budapest von den Straen und aus den H"usern, durch die
Polizei, haups"chlich aber durch die Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei
ausgehoben.
Die Bewachung oblag prinzipiell der Polizei, tats"chlich aber sei die "ffentliche
Macht durch die Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei ausgebt worden.
Die Deportierten wurden sodann ohne Rcksicht auf Alter und Geschlecht in
groen Gruppen, zu Fu nach den verschiedensten Richtungen, zumeist aber zur
ungar.-"sterreichishcne Grenze getrieben.
W"hrend des Marsches begleiteten ungarische Gendarmerie die marschierenden
Gruppen, unter Kontrolle der Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei.
Die Kommission konnte feststellen, da die Deutschen an der Grenze die
bernahme arbeitsunf"higer, alter oder kranker Personen, wie auch die von
schwangeren Frauen, verweigerte.
Im allgemeinen, so f"hrt der Bericht fort - haben wir feststellen k"nnen, da
diejenigen Juden, die innerhalb des Landes unmittelbar unter deutschem
Kommando arbeiten

/522/AE 164
ordentlich verk"stigt und anst"ndig behandelt werden; diejenigen Juden hingegen,
die unter Aufsicht der Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei zu arbeiten haben, in
grausamster Weise behandelt und sehr schlecht verk"stigt werden.
Von einer Gruppe von 4000 jdischen Arbeitsdienstlern, seien etwa 2.000
erschoen worden, die restlichen 2.000 seien zu Fu an die ungarisch-
"sterreichische Grenze, in schlechter physischer Kondition, sozusagen halbnackt
ohne Verk"stigung, aber viel Schl"ge, angekommen. Diese Gruppe sei von den
Deutschen in Deutschland zuerst desinfiziert, saodann eingekleidet und in Arbeit
gestellt worden.
Die bergabe und bernahme der Juden und in Hegyeshalem (ungar.-"sterr.
Grenze) von Gendarmen verrichtet, denen ungarische Honved behilflich ist.
Der Bericht enet mit der Feststellung der Kommission, da der Zweck der
gegenw"rtigen ungarischen Regierung zweilfellos dersei, das ungarische
Judentum vollst"ndig zu vernichten und laut einer Erkl"rung Szalasi vor dem
p"pstlichen Nuntius, werden sie nicht um Gnade bitten, aber sie geben auch keine
Gnade.
Ein abgesandter des Internationalen Roten Kreuzes vervollsta"ndigte das Bild der
Kommission.
Dr. Leopold Breszlauer und seine Kommisssionskollegen geben in ihrem Bericht
eine ganze Anzahl von Namen

/523/AE 165
jener Personen an, welche fr die Angelegenheit verantwortlich waren.
Dr. Leopold Berszlauer trat auch als Zeuge der Anklage, in den Proze gegen
mich, in Israel, auf.
Mit keinem Wort erw"hnte der Zeuge meinen Namen im Zusammehang mit
diesem Fumarsch.
Und Dr. Breszlauer h"tte es ganz sicher getan, er h"tte es tun men, h"tte ich
meine Finger in der Sache gehabt. (169)

Gem" einer eideststattlichen Erkl"rung, blieb es, dem SS-General Jttner, am 3.
Mai 1948, in Nrnberg, vorbehalten, hier ein M"rchen aufzutischen:
,Als wir ankamen (Jttner und Becker, der Sonderbevollm"chtigte Himmlers,
befanden sich auf einer Fahrt nach Budapest) fuhren wir also gleich zum H"heren
SS- u. Polizeifhrer. Winkelmann sagte mir damals, er w"re in dieser
Angelegenheit v"llig machtlos. Und er sagte mir, er w"re mir sehr dankbar, wenn
ich gegen das, was ich gesehen habe, Einspruch erhaben wrde. Ich verlangte nun,
da der fr die Ausfhrung des Transportes verantwortliche Mann zu mir geholt
wird. Mir wurde gesagt, das ist der Obersturmbannfhrer Eichmann. Ich forderte,
da er zu mir

/524/AE 166
geholt wrde und zwar wollte ich ihn in Gegenwart des H"heren SS- u.
Polizeifhrers und Becker`s sprechen. Eichmann war nicht da. Es kam ein
Vertreter, soviel ich wei ein Hauptsturmfhrer, den Namen wei ich nicht mehr."
Er habe ihn nun in scharfen Worten zurechtgewiesen und soforttige Abstellung
verlangt.
,Mir wurde in einer etwas schnoddrigen Weise von diesem Hauptsturmfhrer
entgegnet, er befolge auch nur Befehle und ich h"tte ihm gar nicht zu befehlen."
Jttner wollte sich sofort mit Himmler in`s Benehmen setzen, was er angeblich
dann auch getan haben will.
Hierzu wird der damalige SS- u. Polizeifhrer General Winkelmann im Jahre
1961 in Deutschland, als Zeuge vernommen. Er best"tigt die Aussage Jttners,
soweit sie sich auf die Schilderung des Fumarsches bezieht. Er erinnert sich aber
nicht, ob der Name Eichmann dabei gefallen ist.
Dem damaligen Aufsichtsratmitglied des durch Becker ,vereinnahmten"
Manfred-Weiss-Konzernes, General der Waffen SS - Jttner, habe ich nur eines
zu sagen:
Herr General, Sie scheinen mir nach bestem Wissen, der einzige General in der
preuisch-deutschen Milit"rgeschichte

/525/AE 167
zu sein, der sich von einem Hauptmann in schnoddriger Weise erkl"ren l"t, ,Sie
haben mir gar nichts zu befehlen."
Aber gestatten Sie, da ich nicht glaube, da Sie dieser einzige General sind.
H"tte Ihnen dies um jene Zeit einer meiner Hauptleute wirklich gesagt, dann
h"tten Sie ihn sofort eingesperrt und einsperren men. Auerdem h"tte der
General Winkelmann, der ja Ihrem Bericht zufolge zugegen war, als der fr
diesen Hauptmann zust"ndige Gerichtsherr, denselben sofort der SS- und
Polizeigerichtsbarkeit bergeben, weil er ihn h"tte bergeben men.
Auf den anderen Unsinn, den Sie in Ihrer eidesstattlichen Erkl"rung zum Besten
geben, kann ich - da ich in einem israelischen Gef"ngnis sitze - nichts anderes
angeben, als Ihnen empfehlen, studieren Sie den Bericht, besser gesagt, das
Protokoll der schwedischen, schweizerischen, portugisischen und spanischen
Gesandtschaften vom 22.Nov. 1944, ber den Fumarsch, ferner die
Berichterstattung des deutschen Gesandten und Reichsbevollm"chtigten SS-
Gruppenfhrer der Veesenmayer an das Ausw"rtige Amt und fragen Sie sich bei
Herrn General Winkelmann an, wie das damals mit seinen

/526, 527/AE 168
Verhandlungen bezglich der Einzelheiten des Marsches mit dem ungarischen
Minister Karacs war.
Mehr wnsche ich mit Ihnen nicht zu tun zu haben, als das ich Ihnen nur noch
dieses sage: Sch"men Sie sich Herr General; (170) Sie werden schon wissen
worber. -
- , -
H"tte der letzte ungarische Innenminister Vajna Gabor das
Gesandtschaftsprotokoll der Vertretung der neutralen M"chte in Budapest
gekannt, dazu die Veesenmayersche Berichterstattung nach Berlin, dann h"tte er
sicher in seiner Erkl"rung vom 28. August 1945, vor einer alliierten Stelle nicht
geschrieben: ,In Budapest wollte Eichmann auch die Frauen, Kindern und alte
M"nner deportieren, wogegen ich mich wiederholt einsetzte. Zum Schlu hat er
erkl"rt: dann bernehmen die Deutschen die Abtransportierung der Juden." (171)
Die Geschichte hat diese Herren inzwischen zu jenen gestempelt, zu denen man
vulg"rerweise zu sagen pflegt: Lgner.
In Weiterfhrung der Judenevakuierung aus Budapest ist grunds"tzliche
nderung eingetreten. So telegraphiert der deutsche Gesandte aus Budapest nach
Berlin. Szalisi hat angeordnet, da der Abtransport nicht mehr im Futreck,
sondern durch Transportmittel stattzufinden habe. Was praktisch, infolge Fehlens
solcher, Einstellung des Abtransportes gleichk"me.
Und noch am 23. Nov. 1944 unterrichtete Veesenmayer den Reichsauenminister,
da er heute Szalasi weisungsgem" ;itteilung gemacht habe und dieser gewillt
ist, trotz der technischen Schwierigkeiten, die Evakuierung der Budapester Juden
/Unterschriftkrzel/

/528/AE 169
energisch voranzutreiben. Und er wrde dafr sorgen, da durch laufende
Ausk"mmung, dem Wunsche des Herrn Reichsauenministers weitgehen
Rechnung getragen wrde. (172)

Der ehemalige Legationsrat Dr.Grell, zeitweilig der deutschen Gesandtschaft in
Budapest zugeteilt, hatte als einziger den Mut, anl"lich seiner Zeugenvernahme
im Jahre 1961, in Deutschland, freiweg von der Leber zu erkl"ren, jawohl, in
Nrnberg wurde auf diejenigen, welche tot oder nicht gefangen waren, abgew"lzt.
-
Dies war einmal in jenen Zeiten, infolge Mangel an Dokumenten m"glich, und
zum anderen, warum sollte solches ein untergeordneter Befehlsempf"nger auch
nicht tun, wenn es seinem Plane entspricht.
Bei einem kommandierenden General jedoch, bei einem Staatssekrat"r, bei
Reichsbevollm"chtigten und dererlei hochgestellten Pers"nlichkeiten mehr,
welche ja damals, in der Zeit des Geschehens befahlen, iniziierten und planten, ist
eine solche Haltung meines Erachtens nur als schamlos zu bezeichnen.
Heute stehen, dank der Forschert"tigkeit der letzten anderthalb Jahrzehnte bereits
solch eine gewaltige Flle an einwandfreien Dokumenten zur Verfgung, da ein
,Abw"lzen" in keinem Falle mehr

/529, 530/AE 170
m"glich ist. Sie bilden das Fundament fr knftige Geschichtsforscher, und diese
werden eines Tages, jenseits aller Leidenschaften und Subjektivit"tsverhaftungen,
jenseits aller politischen und propagandistischen Interessenbrcksichtigungen, ein
objektives Bild des Geschehens geben.
Ich darf von mir sagen, da ich der Meinung bin, mich als Angeklagter, w"hrend
des Prozesses gegen mich in Israel, bemht zu haben eine halbwegs objektive
Einstellung zu den Dingen zu zeigen, wenngleich es fr einen Angeklagten sehr
schwer ist, das Wort objektiv berhaupt nur in den Mund zu nehmen.
Dort wo ich micht selbst belasten mute, weil ich nun einmal die entsprechenden
Befehle bezog, tat ich dies, ohne zu wanken oder zu zaudern. Aber dort, wo
Unwahrheit, Feigheit ehemaliger Vorgesetzter, oder irgendwelche Interessen
mancher Publizisten w"hrend der lezten 1 Jahrzehnte, ihren geistigen Unrat auf
mich abluden habe ich dagegen Stellung genommen und solches auch zum
Ausdruck gebracht. Meine besten Verteidiger hierbei waren die Dokumente,
soferne ich sie als einwandfrei und echt befand; und dies waren, von einigen
Ausnahmen abgesehen, die sich in den Nachkriegsjahren auf dunkle Art und
Weise zwischen den echten Papieren gemengt haben m"gen, die weitaus
berwiegende Mehrzahl, kurz: fast alle.
Bei der Darstellung der Linienfhrung in der T"tigkeit der Judenverfolgung, habe
ich mich hauptsachlich auf Kerndokumente gesttzt. Der Schwerpunkt

/531, 532/AE 171
Der Verantwortlichen hat sich dabei ganz von selbst herauskristallisiert und durch
meine Bezugnahme auf das jeweilige Dokument habe ich die M"glichkeit
gegeben, ohne Mhe, meine Zeilen einer Nachprfung in sachlicher Hinsicht
unterziehen zu k"nnen.
Zw"lf L"nder habe ich in diesem Block behandelt; da, was mir damals, das von
uns besetzte oder beeinflute Ausland nannten. Und der Leser hat gesehen, da
der ehemalige Reichauenminister Joachim von Ribbentrop und seine Gehilfen
eifernd bestrebt waren, ihre Zust"ndigkeiten zu verteidigen. Sie lieen keinen
unkontrollierten Einbruch des Reichsfhrers SS und Chef der Deutschen Polizei,
in der Linienfhrung der Behandlung des Problems, in ihren Dokumenten zu.
- , -
Ich habe den Totentanz der G"tzen gezeigt. Jener G"tzen, denen auch ich diente.
Von ganz geringen Ausnahmen abgesehen, tanzten sie ina allen L"ndern Europas;
/Zeile gestrichen/ Es sei ferne von mir, diese hektische Katastrophenpolitik auch
nun mit einem Strich zu verteidigen; denn hier gibt es kein Verteidigen mehr, hier
gibt es nur ein Eingestehen. Obzwar es auch hier die Wiirkung der Ursache war.
Nationalistischer Superegoismus der Siegerm"chte nach dem ersten Weltkrieg.
Jener Egoismus, der zu Versailes fhrte, jener Egoismus, den Wirtschaftsneid und
Konkurrenzfurcht, gebar. Der da weder seinsehen wollte noch konnte, da runde
ziehen sie Millionen Deutsche auch haben wollen. Ohne diesen Tatsachen w"re
der Nationalsozialismus nie geboren wor Ja, der Nationalsozielaismus, jenes in
Wahrheit gr"te Unheil der V"lker.
-
Ich ? von Jugend auf einen mir innewohnenden Drang zur Freiheit des Geistes,
zur Freiheit der Pers"nlichkeit, den ich erziehungsbedingt mit mir herumtrug.

/533/AE 172
Das Wort, ,wo es St"rkere gibt nimmer auf der Seite der Schw"cheren", wurde
mir von meinem Vater oft und oft gepredigt. Durch eben dieselbe Erziehung, hatte
ich mich an eine einfgung in eine "uere Ordnung ebenso frhzeitig zu
gew"hnen gehabt.
Diese anerzogenen Werte waren es, welche mich sp"ter mit Macht und Zwang an
die Seite derer trieb, die da, als Minorit"t noch, und verspottet und verlacht, ihrem
Freiheitsdrang im Kampfe gegen das Schanddiktat von Versailles breiten Raum
gaben und dagegen in Wort und Schrift zu Felde zogen.
Und auf diesem Wege ward ich, ohne es bewut recht eigentlich gewahr zu
werden, einer Wiilensbeherrschenden ? unterworfen, an die ich dann letztlich
durch das bindende Mittel des Eides gebunden wurde.
Und ich wurde zum Diener der G"tzen, behangen mit dem Lametta und
Schulterstcken und den Orden und Ehrenzeichen fr die man mich wrdig hielt.
Es klingt wie ein Witz, / 1 Zeilen gestrichen, unleserlich/ da just jene, die
mich dergestalt zur Damaligen Zeit mit diesen Dingen behangen und ie mit
meinen Weg aus dem Zentralen Dients an diese G"tzen verbauten und
verwehrten, selbst in ihrren Zeugenaussagen vom Jahre 1961 noch, in ihrer Furcht
und Sorge

/534, 535/AE 173
keinen anderen Weg glaubten gehen zu k"nnen, als den der Verh"nung meiner
Person, ihres ehemaligen Untergeordneten - und als den der Unwahrheit, in der
t"rriesten Meinung, man wrde ihnen glauben; in der eitlen Hoffnung, soe
k"nnten ihren K"rper und dazu ihre Seele, retten. (173)
Und wieder mu ich mich t"rricht schelten, ob meiner bergroen Dummheit, und
Unzul"nglichkeit, da ich mich einstens von der fixen Idee umfangen lassen
gehalten hatte, diesen G"tzen mit samt ihren Unterg"tzen, in Pflicht und Treue zu
dienen. Und gl"ubig ihre Reden von Gehorsam und vom ,Dienen am Reich", in
mir aufnahm.
/4 Zeilen gestrichen, unleserlich/
Es lebt wohl keiner mehr, dessen eigene Augen das potenzierte Grauen, das
infernalische, apokalyptische Gewitter in jener Umfassenheit sah, wie solches zu
sehen, mir bestimmt ward.
Niemand kann es mir daher verbieten, den Finger der Warnung zu recken.
Denn der G"tzen Zungen sind geschmeidig und ihre Worte verlockend.
/Und indem ich meine S"hne warne, vor solchen und "hnlichen
,Goldverschnrten" Gehorsamspredigern mit ihren salbadernden Phrasen von
Nationalismus, von Heiligem Krieg, und was dererlei wohlt"srende Worte mehr
sein m"gen, warne ich - auf Grund meiner gemachten Erfahrungen - die gesamte
Jugend, die heute und morgen, vor diesen tanzenden G"tzen.
Es Lebt wohl keiner mehr, dessen eigene Augen das potnezierte Grauen, das
infernalische apokalyptische Gewitter, in jener Umfassenheit sehen, wie mir es
bestimmt ward.
Daher mag es die Jugend mir glauben, da meine Warnungsworte von erheblichen
Gewichte sind, und aus jener Sorge

/536/AE 174
entspringen, 3 Zeilen unleserlich wieder einmal zu Dienern an "hnlichem
G"tzentotentanze werden.
5 Zeilen unleserlich - gestrichen/

/536/AE 174
- 14 -
Ich rckte genau am 24. Dezember 1944 um 4 Uhr nachmittags, gem" dem
Befehl, den ich erhielt von budapest ab. ber beinhart gefrorene Straen und
Feldern vorbei an zerschossenen und ? Tieffliegern zerhackten Deutschen und
ungarischen Milit"reinheiten, der ungarisch-"sterreichischen Grenze zu. Nach
dem Neujahrstag meldete ich mich bei meinem Vorgesetzten in Berlin, dem
Generalleutnant der Polizei Mller, zurck. Berlin war um jene Zeit ein
Hexenkesse. Schier Tag und Nacht luden anglo-amerikanische Bomber ihren
Segen auf des H"usermeer ab. Es stank nach Qualm und Moder, nach
verbranntem Fleisch und verwesenden Leichen.
An eine geregelte Beh"rdenarbeit war nicht mehr zu denken. Auch ich richtete
mich mit meinen M"nnern zur Verteidigung ein, denn die gegneischen
Panzerarmeen drckten auf Berlin. Das Ruienenfeld

/537/AE 175
rings um meine Dienststelle bot fr Panzerfallen und Schtzennester, gutes
Geb"ude. Ich wurde in den Verteidigungssektro ,Wehrkanal" eingebaut. Die
Waffenbest"nde wurden aufgefllt, Munition eingelagert und Eiserne-Ration
deponiert. Ein Befehl jagte den anderen; eine Parole die andere. In dieser Zeit
teilte mit Mller mit, da ich mich bei Himmler zu melden h"tte. Ich fuhr in seine
Feldkommandostele; ein kleines Schlo, welches Friedrich der Groe einstens
seinem Reitergeneral von Ziethen schenkte.
Hier sagte er mir, da wir zwar ,Haare lassen m"ten", aber im groen und
ganzen einen besseren Frieden als den ,Hubertusburger" bek"men. Himmler hatte
sich in jenen Zeiten ganz und gar in die Sorgen- und Vorstellungswelt des ,Alten
Fritzen" geflchtet. Und hatte jenen der Tod der Zarin vor der Vernichtung
gerettet, so hoffte wohl Himmler auf eine "hnliche Schicksalsfgung, den
gegebenen Zeitumst"nden entsprechend. ber siene Mittelm"nner hatte er seine
F"hler bezglich allf"lliger Kriegsbeendigungsm"glichkeiten ausgestreckt.
Und seine Konzeptionslosigkeit gipfelt in der Tatsache, da er mir befahl, 100 bis
200 prominente Juden aus Theresienstadt nach Tirol, welches in der geplanten
,Alpenfestung" mit eingeschlossen war, zu verlegen; er wollte sie dort als Geiseln
halten, und ben"tigte diese mit -

/538/AE 176
als ,Sicherheitskoffizienten" im Hinblick auf seine geplanten Verhandlungen mit
Eisenhower.
Wenn ich dies so recht bedenke, dann mu ich mich heute fragen, ob er mir dieses
wirklich befahl, oder ob ich es mir nur einbilde. So kindisch und bar jedweder
Realit"t, inhaltslos, planlos, ja dumm scheint es mir, da der Chef der Deutschen
Polizei, der Oberbefehlshaber der SS, mir solches befohlen haben k"nnte; ,mich
als Sicherheitsgarant fr seine Verhandlungen mit Eisenhover".
Freilich, nur Schellenberg, der damalige Nachrichtenchef des
Reichssicherheitshauptamtes, mag alle seine diesbezglichen ,Trmpfe" gekannt
haben.
Aber ich mu den Befehl ganz zweifelsfrei erhalten haben, denn ich fuhr im
anschlu daran ja ber Prag - Linz - nach Innsbruck.
In Linz erz"hlte ich meinem Vater vom ,Hubertusfrieden"; mir glaubte er, da
Himmler es mir gesagt hatte; aber Himmler glaubte er keinen Buchstaben das
langen Wortes.
In Bixlegg erlebte ich einen ziemlich knalligen Bombenangriff. Es war der 17.
April 1945, denn just in dem Augenblick, als ich im Orte war, rauschte der
Bombensegen der ersten Angriffswelle herunter. Der Angriff galt dem dortigen
Schwerwasserwerk, wie man

/539, 540/AE 177
mir sp"ter erz"hlte. Der Ort wurde so ziemlich ,zur Sau gemacht". Ich hatte mich
an einen Toreingang zu einem Garten gelegt mir die Nase in die Erde gesteckt, da
die herumzischenden Bombensplitter zu solch einer Praxis zwangen.
Nachdem einige Wellen ihre Last abgeworfen hatten, wurde es mir zu dumm und
da mein Wagen, wie durch ein Wunder noch fahrbereit war, haute ich ab.
/Nachdem einige Wellen ihre Last abgeladen hatten, wurde es mir zu dumm und
da mein Wagen wie durch ein Wunder nach fahrbereit war, haute ich ab; denn ich
hatte mich inzwischen an einen Toreingang zu einem Garten gelegt, die Nase in
die Erde gesteckt, da die herumzischenden Bombensplitter zu einer solchen Praxis
zwangen. Durchgestrichen/
Als ich auf meiner Rckfahrt wieder durch Linz kam, hatte auch diese Stadt
inzwischen einen Angriff abbekommen. Und in Prag sagte mir der Staatssekret"r
K. H. Frank - einen anderen Polizeibefehlshaber traf ich nicht mehr an, sie hatten
ihre Dienststelle verlassen und offenbar andere Stellungen bezogen, da ich nach
Berlin nicht mehr durch k"nne, der Rue sei ,durchgestoen".
Ich erfuhr, da Kaltenbrunner in Altausse war und bekam Befehl, mich bei ihm zu
melden. Der Himmler-Befehl kam nicht mehr zur Ausfhrung
Im Aussseer-Land angekommen sollte ich im Gebirg in Partisanenkampf machen.
Waffen und Munition waren ja in gengender Menge vorhanden. Aber
Kaltenbrunner gab mir nach wenigen Tagen Befehl, auf Engl"nder und
Amerikaner nicht zu schieen. Einen groen Teil der

/541/AE 178
M"nner, welche man mir an den Hals hing, hatte ich schon vorher entlassen, da
sie fr das Gebirge untauglich waren. Nachdem aber ringsum nur Nordamerikaner
waren, konnte ich gem" dem erhaltenen Befehl, den ich quittieren mute, nichts
anderes machen, als das Partisanenkommando aufzul"sen. Ich begab mich mit
meinem Adjudanten auf die Reise; wir wollten das Hannover`sche erreichen, aber
da hatte ich Pech. Ich fiel in amerikanische Gefangenschaft, aus der ich mich dann
erst Anfang Januar 1946 selbst entlie; das heit mit Genehmigung meiner
gefangenen Offizierskameraden, trmte ich. Es war ein SS-Gefangenlager, in dem
etwa 300 Angeh"rige aus vielen Divisionen stammend, gefangen gehalten
wurden. Als SS-Leutnant ,Eckermann" wurde ich dort verh"rt und karteim"ig
erfasst.
Ich war so dann als Waldarbeiter in der Forstverwaltung Miele im Kreis Celle bei
Hannover t"tig, als selbst"ndiger Holzh"ndler und zuletzt als Hhnerzchter. Hier
nannte ich mich Otto Henninger, aus Breslau gebrtig.
In den Maitagen des Jahres 1950 trat ich abermals die Reise an und gedachte ber
Sdamerika nach Ostasien zu fahren. Nach mancherlei Schwierigkeiten - ich
beschrieb meine Nachkriegserlebnisse an anderer Stelle detaillierter - gelangte ich
nach

/452, 453/AE 179
Argentinien. Da verblieb ich denn auch. Nach zweij"hrigen Dortsein lie ich
meine Familie, welche ich Altaussee lebte, nachkommen.
Zehn Jahre war ich in diesem sch"nen Land. W"hrend der meisten Zeit als
technischer Angestellter, zuletzt bei der ,Merzedes-Benz-Argentina" t"tig.
Zwischendurch fhrte ich die einem entfernten Verwandten meiner Frau,
geh"rende Granja, ein landwirtschaftlicher Betrieb, als Administrator. Im Norden
Argentiniens, in der Einsamkeit des urweltlichen Aconquija-Massivs, einem
gewaltigen Gebirgsblock, dessen mehrere Spitzen bis auf fnftausendfnfhundert
Meter ragen, ging ich meiner Arbeit nach. Ich hatte dort hydrologische Studien zu
betreiben und bis auf fnftausendzweihundert Meter H"he hatte ich wiederholt
dienstlich zu tun. In eintausendsechshundert Meter, in Rio Potreso, an der Grenze
von Tueum"n und Catamarca, lebte meine Familie.
Je h"her wir steigen, umso weiter wird unser sonst so begrenzter Blick. Und in
dem Schweigen der Pampa, konnte ich dann das mit meinem inneren Blick
Geschaute, verarbeiten.
Am 11. Mai 1960 fuhr ich wie t"glich von Hause fort, zu meiner Tagesarbeit.
Zurck kam ich freilich nicht mehr, denn ein israelisches Kommando hatte mich
bei meiner Rckkehr von meiner Arbeitsstelle gestellt, Widerstandsunf"hig
gemachte und auf eine Quinta, welche an der Nordstrecke lag, gebracht. Von dort
aus wurde ich, ohne da ich Widerstand leisten konnte, mit einer Viermotorigen
Maschine von Argentinien herausgeflogen und nach Israel gebracht.
/7 Zeilen gestrichen, unleserlich/
Natrlich war es fr mich nicht gerade

/544/AE 180
angenehm; so etwas ist fr den Betroffenen nie ein Honiglecken, dies ist klar, aber
ich wurde korrekt und anst"ndig behandelt. Ich hatte mir auf alle F"lle das
Gegenteilige vorgestellt.
Am 11. April 1961 fing der Prozess gegen mich an.
Es ist Mitte August und die Pl"doyers der Anklage und Verteidigung gehen dem
Ende entgegen.

Die Anklageschrift gegen mich beinhaltet 15 Anklagepunkte.
In vier Punkten bin ich des Verbrechens gegen das jdische Volk, eine Straftat
gem" Abschnitt 1(a) (1) des Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz 5710-
1950 und Absatz 23 der Criminal Code Ordinance 1936, angeklagt;
In sieben Punkten, des Verbrechens gegen die Menschlichkeit, eine Straftat
gem" Abschnitt 1(a) (2) des Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz 5710-
1950 und Aabschnitt 23 der Criminal Code Ordinance 1936;
In einem Punkt, des Kriegsverbrechens, eine Straftat gem" Abschnitt 1(a) (3) des
Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz 5710-1950 und Abschnitt 23 der
Criminal Code Ordinance 1936;

/545/AE 181
sowie in drei Punkten, wegen Mitgliedschaft in einer feindlichen Organisation,
eine Straftat gem" Abschnitt 3(a) des Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz
5710-1950.

Auf die Frage des Gerichtspr"sidenten, ob ich mich im Sinne der Anklage
schuldig bekenne, habe ich zu allen 15 Punkten erkl"rt: ,nein, im Sinne der
Anklage nicht."

Und die Frage meines Verteidigers, ob es stimme, da ich eine Erkl"rung
unterschrieben h"tte, mich freiwillig vor einem israelischen Gericht zu
verantworten, habe ich mit ,ja" beantwortet.
Die n"chste Frage meines Verteidigers, ob ich diese Erkl"rung freiwillig
abgegeben h"tte, beantwortete ich mit ,nein".

Bis zum 6. Juli dauerte die Verlesung der Anklage und das H"ren der
Anklagezeugen; sowie die Verteidigung.
Vom 7. Bis zum 24. Juli stand ich im Kreuzverh"r des Generalstaatsanwaltes Dr.
Hausner.
Mein Verteidiger Dr. Servatius sagte mir, da es das l"ngste Kreuzverh"r in der
Geschichte der Juristik gewesen sei.
Und ich ahbe gelegentlich des Kreuzverh"rs meine Befriedigung zum Ausdruck
gebracht, da es einmal so

/546/AE 182
lange und grndlich war und das mir Gelegenheit zur freien und offenen Rede
gegeben wurde, da dies meine bisher einzige M"glichkeit gewesen sei, vor aller
ffentlichkeit, dem in langen 1 Jahrzehnten auf meine Person abgeladenen
Unwahrheiten - durch die Praktiken der Zeugen in den Nachkriegsjahren vor den
alliierten Milit"rgerichten und durch eine gewisse Publiuistik entgegentreten zu
k"nnen.

Da, wozu sich damals glaubte verpflichtet sein zu msen, gem" den mir
erteilten Befehlen zu machen, habe ich zugegeben, alle anderen Beschuldigungen
habe ich von mir gewiesen.

Auf die Frage meines Verteidigers bezglich meines Schuldigkeitsgefhls habe
ich im Gerichtshof folgendes gesagt:

/547/AE 183
,Es ist heute eine der schwersten Fragen, die Frage ber das Schuldgefhl; und
ich glaube, da ich bei der Beantwortung hier wohl einen Unterschied, zwischen
einer rechtlichen Betrachtung und der Beleuchtung von der Seite der
menschlichen Schuld heraus, machen mu.
Erstens:
Bei den mir vorgeworfenen Taten, handelt es sich um die Mitwirkung bei der
Deportation.

Da dieses damals eine politische Anordnung war, bin ich des Glaubens, da
Schuld im rechtlichen Sinne, hier doch nur derjenige empfinden kann, der die
Verantwortung fr die politische Entscheidung tr"gt; denn:
Wo keine Verantwortung, da ist auch keine Schuld.
Und das Ergebnis meines Nachdenkens ist daher, da hier die Verantwortung im
Rechtssinne zu prfen sei.

Solange das menschliche Zusammenleben in politischer Hinsicht, noch keiner
globalen L"sung entgegengefhrt ist, solange ist Befehl und Gehorsam die
Grundlage jeder staatlichen Ordnung.

Kein Staatswesen kann im Ernstfall auf Spione und Verr"ter aufgebaut werden.

/548/AE 184
Zur h"heren Sicherheit, bedient sich die Staatsfhrung eines bindenden Mittels.
Des Eides.

Die Verantwortung aber, das Gewissen, mu die Staatsspitze haben.
Und es wurde uns ja dauernd gepredigt, in Wort und in Schrift: ,Vertrauen zur
Fhrung".

Bei einer guten Staatsfhrung hat der Untergebene, der Befehlsempf"nger, Glck;
Bei einer schlechten Unglck.
- , -
Ich hatte kein Glck.
Denn:
Das damalige Staatsoberhaupt gab den Befehl zur Vernichtung der Juden.
Und:
Meine Mitwirkung an der Deportation ergab sich aus der Tatsache, da der
damalige ,H"here Gerichtsherr" der SS- u. Polizeigerichtsbarkeit, der ich
unterstand, Himmler,
Die Deportationsbefehle an meinem Gerichtsherren, dem C.d.S.u.d.SD, gab.

Dieser beauftragte mit der Durchfhrung meinen unmittelbaren Vorgesetzten, den
SS-Gruppenf. und Gen.ltnt. der Polizei, Mller.

/549/AE 185
Von ihm erhielt ich sodann die Befehle, soweit ich zufolge des
Gesch"ftsverteilungsplanes meines Referates, dafr zust"ndig war.

Die Strafordnung der SS- u. Pol. Gerichtsbarkeit besagt, da suf Ungehorsam der
Tod stehe;
Die Verschlusachenanweisungen, die Geheimhaltungsvorschriften staatswichtige
Sachen betreffend, hatten ihre Zuchthaus- u. Todesstrafeprpgraphen.

Ich hatte von mir aus, alle legalen M"glichkeiten ausgesch"pft, um eine andere
Dienstverordnung zu erhalten; ja, meine Versetzung vom SD zum Geheimen
Staatspolizeiamt im Herbst 1939, erfolgte gegen meinen Willen, gem"
erhaltenem Befehl.
Ich hatte zu gehorchen.
Ich war Uniformtr"ger.
Es war Kriegszeit. -

Ja, selbst als das Jahr 1950 herankam, und ich mich mit dem Gedanken trug, aus
Deutschland nach bersee zu fahren, habe ich dieses nicht wegen eines
Schuldgefhles im Sinne der Rechtssprechung getan, sondern wegen der
politischen Lage und aus famili"ren Grnden.

/550/AE 186
Meine Stellung ist die gleiche, wie die von Millionen anderen, die zu gehorchen
hatten.
Der Unterschied ist nur der, da ich einen viel schwereren Auftrag hatte, den ich
befehlsgem" durchzufhren hatte.
- , -
Alle Beteiligten, die behaupten, man h"tte sich mhelos, bzw. ohne groe Gefahr,
der Erfllung eines Befehls entziehen k"nnen, geben keine Einzelheiten fr ihren
eignen Fall an.
Man sagt, die M"glichkeit besteht immer, sich zu drcken und eine Krankheit
vorzuschtzen.
Ein General hat hier groe M"glichkeien. Ein Untergebener hat solche
M"glichkeiten nicht.
Denn: wenn festgestellt wird, da die Krankheit ein Vorwand ist, wird das seine
Folgen haben.
Auerdem steht solches Tun, gegen den Fahneneid.
- , -
Himmler sagt beispielsweise in der Posener-Rede auch nur bezglich der SS-
Gener"le, da sie versetzt werden k"nnen, wenn sie sich nicht f"hig fhlen. Aber:
wenn der Befehl aufrecht erhalten wird, ist er zu befolgen.

/551/AE 187
Ein Mann in einer kleineren Stellung kann sich nicht entziehen;
Besonders nicht, wenn er h"chster Geheimnistr"ger ist.
Er konnte sich selbst erschieen dies ist wahr.-
- , -
Diejenigen, die davon sprechen, man h"tte sich der Ausfhrung der Befehle
widersetzen k"nnen, erkl"en selbst meist, sie h"tten von Vernichtungen von
Menschen nichts gewut.
Waren also keine Geheimnistr"ger.

Die SS- u. Pol. Gerichte legten an die unteren Stellen einen sehr scharfen Mastab
an, und wrden bei offener Befehlsverweigerung ein entsprechendes Urteil
erlassen haben men. -

Zweitens:
Die Schuld im ethischen Sinne, ein Schuldbekenntnis vor seinem inneren ,Ich",
dies ist eine ganz andere Sache.

Sie liegt in Regionen, welche den Paragraphen einer Rechtsordnung entrckt ist.

/552/AE 188
Hier hat jeder mit sich selbst zu rechten und zu richten.

Ich tat es fr meine Person, und tue es noch.
- . -
Abschlieend verbleibt mir die Feststellung und das Bekenntnis:
,Ich bedaure und verurteile die von der damaligen deutschen Staatsfhrung
angeordneten Vernichtungst"tigkeit gegen die Juden."

Ich selbst aber vermochte auch nicht ber meinen eigenen schatten zu springen;
Ich war lediglich ein Werkzeug, in der Hand st"rkerer Kr"fte,
Und eines unerfindlichen Schicksals."
/Unerschriftkrzel 6-7-61
(zum Ende der Verteidigung) gestrichen/
Diese Erkl"rung gab ich am Ende der Verteidigung ab, ehvor das Kreuzverh"r
seinen Anfang nahm.

/553/AE 189
- 15 -
Und indem ich selbst mit mir zu Gericht sitze, sagen mit viele innere Stimmen
vieles.- H"tte ich meine Gesch"fte niederlegen k"nnen? H"tte ich mich einfach
weigern k"nnen, weiter zu arbeiten?
W"re dieses Meuterei gewesen?
Was heit aber Meuterei gegen Mord?
Meuterei steht gegen Fahnen und Diensteid!
Was ist staatlich befohlener Mord und was ist der Eid?
Geh"rt das Halten des Eides noch zu dem Bereich ethischer Werte? Zur Einheit
der Ethik?
Geh"rt es wenigstens noch zum Rande der Moral?
Was ist sschon Moral?
Da Moral ein Teil der ethischen Werte sei, kann ich nicht mehr glauben!
Es sei denn, der Eid w"re eine N"tigung; eine Verpflichtung, gegebenenfalls zum
Hehler des Staates zu werden.

Da scheint also etwas nicht in Ordnung zu sein. Denn die meisten Staaten egal,
welcher Staatsform verformten und verformen in ihrer zu Kriegszeiten an den Tag
gelegten Tyrannis, das logische Denken der Geister.
Sie verlangen von ihren Befehlsempf"ngern im Namen der Heiligkeit des Eides,
die Zuerkennung ethischer Wertungseinstufung fr Heldenmut, Opferbereitschaft,
Gehorsam und Disziplin.
Und auf Grund dieses Verlangens befehlen sie Mord, Tod und Vernichtung.

/554/AE 190
Darberhinaus ermuntert der Staat im Kriege mittels einer bereitgehaltenen Serie
von Auszeichnungen, seine Befehlsempf"nger zur Verbung der vom ihm
befohlenen Verbrechen. Er benebelt die Gehirne seiner Befehlsempf"nger mit
Kreuzzugsphrasen, Befreiungsparolen, Hingabe und Verteidigungsbereitschaft.
Die Mordwerkzeuge werden auf beiden Seiten unter Anrufung st"rkerer Kr"fte
und M"chte gesegnet, denn jede Seite verbt seine Verbrechen fr eine
sogenannte ,gerechte" Sache.
Und solange werden alle ethischen Wertgefhle sophierend seziert, bis sie in jene
Moralstufen eingezw"ngt werden k"nnen, dennen der Staat dann sein Sanktum
verleihen kann.
Durch solche Umwertung vereist die Staatsfhrung nun auch den Geist und den
Willen seiner Befehlsempf"nger, nachdem er dessen Handlungsfreiheit l"ngst
paralysiert hat.

Da scheint also wirklich etwas nicht in Ordnung zu sein.

Was also ist Wahrheit und was ist Recht?

Eugen Kogan schreibt in seinem buch ,Der SS-Staat": ,Was aber erst die zw"lf
bis vierzehn Millionen Vertriebenen zu erz"hlen wuten, die in den
osteurop"ischen L"ndern vielfach auf die barbarischste Weise ,ausgesiedelt" und
in plombierten Waggons, in

/555/AE 191
Elendszgen, einzeln, gruppen- und herdenweise nach Deutschland getrieben
wurden! Man mache einer Mutter, die ihre Kinder verloren hat, einem Mann, dem
die Frau gesch"ndet wurde, Halbwchsigen, deren Eltern man prgelte, allen, die
Tod und Grausamkeit nun am eigenen Leibe erlebten klar, da dies - in einer
proklamierten besseren Welt - eben nichts als die traurigen Folgen vorher
begangenen Massenunrechtes seien, die ohne Unterschied Schuldige und
Unschuldige treffen. Und man verdeutliche einem Volke, es sei weder Heuchelei
noch Feigheit, wenn den Erkl"rungen von Jalta und Potsdam, da die
,Umsiedlungen" ,ordnungsgem"" erfolgen sollten, nicht Nachdruck verliehen
wurde. Mehr Millionen haben auch die Nationalsozialisten nicht durch Osteuropa
gezerrt." (174)

Und wenn ich noch die Worte Hiroshima, Nagasaki und Dresden hinzufge und
die L"nder Korea, Indochina, gypten und Algerien erw"hne, dann habe ich dazu
weiter nichts mehr zu sagen; h"chstens noch dieses: auf der Moskauer
Auenministerkonferenz am 20. Oktober 1943 wurde die Eintschlossenheit
kundgetan, die Kriegsverbrecher zu bestrafen.

Alliierterseits aber wurde kein einziger Befehlsempf"nger wegen der Ausfhrung
erhaltener Befehle vor Gericht gestellt und bestraft. Von den

/556/AE 192
Befehlsempf"ngern, ebenfalls ganz zu schweigen.
Zweierlei Ma!
Zweierlei Recht!
Nationalistischer Egoismus allenthalben; hben und drben. Ende des II. Teiles
Adolf Eichmann /Unterschrift/
6-9-61

/557/AE 1
Quellen zum Teil II.
Frankreich
(1) Dok. 440, (T 385)
(2) Dok. 229, (N 36)
(3) Dok. 955 (T 387)
(4) Dok. 86
(5) Dok. 309 (N 37)
(6) Dok. 445
(7) Dok. 1071
(8) Dok. 441 (N 39)
(9) Poliakov ,Rot" Seite 118 - 121, Dok. V-3, 15, 16.
(10) Dok 1209

/558/AE 2
(11) Dok. 333
(12) Dok. 694 (T 401)
(13) Dok. 54
(14) Dok. 113
(15) Dok. 54
(16) Dok. 485, 486, 1166, 459
(17) Dok. 1211 (T 411)
(18) Dok. 177 (T 402)
(19) Dok. Prozess VI (IG-Farben) NI 500
(20) Dok. Prozess IV, Ahnhift S. 8080

/559/AE 3
(21) Dok. 585 (T 419)
(22) Dok. 58, 59
(23) Dok. 699
(24) Dok. 64 (T 438), 65 (T 439)
(25) Dok 142 (T 451) 1348 (T 1028)
(26) Dok. 1164 (T 467)
(27) Dok. 1260
(28) Dok. Poliakov ,Rot" S. 87, Dok. P5 3688
(29) Dok. 270 (T 456)
(30) Dok. 815 (N 40)

/560/AE 4
(31) Dok. 726 (N 62)
(32) Dok. 819 (N 41)
(33) Dok. 489
(34) Dok. 487
(35) Dok. 121 (T 471)
(36) Dok. 723,
Dok. 724 (T 610)
Dok. 961 (T 611)
Dok. 962 (T 612) ?
(37) Dok. 697 (T 473)
456 (N 63)
727

561/AE 5
(38) Dok. 820
Dok. 821
Dok. 822
Dok. 196
Dok. 826
Dok. 875
(39) Dok. 217
Dok. 218
(40) Dok. 960
(41) Dok. 299

/562/AE 6
Holland
(42) Dok. 582 (T 521)
Dok. 1627 (T 523)
(43) Dok. 1359 (T 529)
(44) Dok. 325
(45) Dok. 594 (N 47)
Dok. 325
(46) Dok. 1496 (T 531)
(47) Dok. 589 (T 543)
(48) Dok. 1356 (T 544)

/563/AE 7
(49) Dok. 725
(50) Dok. 463 (T 556)
(51) Dok. 1439 (T 571)
Dok. 1353 (T 577)

Belgien
(52) Dok. 753 (T 512)
(53) Dok. 759 (T 514)
(54) Dok. 760 (T515)
(55) Dok. 761 (N 49)

/564/AE 8
(56) Dok. 1604 (T 615)
(57) Dok 1073
(58) Dok. 3 (N12)
(59) Dok. 1446 (T 519)
Italien
(60) Dok. 1604 (T 615)
(61) Dok. 1600 (T 616)
(62) Dok. Zeugenaussage Kappler v. 27.6.61 im Milit"rgef"ngnis zu Gaeta (Italien)
bersetzung aus dem Hebr"ischen; (S.2+3+5)

/565/AE 9
(63) Dok. 299 (liegt bei den Frankreich-Akten)
(64) Dok. 954 (T 618)
(65) Dok. 1274
(66) Dok. 964 (T 623)
Norwegen
(67) Dok. 1622
Dok. 1621
Dok. 491
Dok. 198 (T 604

/566/AE 10
D"nemark
(68) Poliakov ,Rot" S. 102, Dok. NG-S121
(69) Dok. 1074 (T 579)
(70) Dok. 251 (T 585) ?
(71) Dok. 1636
(72) Dok. 757 (T ?)
(73) Dok. 816 (T 584) ? Seite 2
(74) Dok. 1077 (T 587)
Dok. 1078 (T 588)
/567/AE 11
Slowakei
(75) Dok.1527 (T 1073) S. 5 Abs III.
(76) Dok. 1266 (N 65)
(77) Dok. 543
(78) Dok. 1526 (T 1102)
(79) Dok. 1267 (T 1057) ?
(80) Dok. 1268 (T ?
(81) Dok. 837 (T 1078)
Dok. 92 ?
(82) Dok. 1270 (T 1079)
(83) Dok. 1015 (T 1081)
(84) Dok. 836 (T 1087)
(85) Dok. 839 (T 1089)

/568/AE 12
(86) Dok. 626
Dok. 627
Dok. 369 (T 1101)
Dok. 1016 (T 1106)
(87) Dok. 499
Dok. 370
(88) Dok. 514 (N 67) Seite 5
Griechenland
(89) Dok. 998 (T 956)
(90) Dok. 344 (T 958)
(91) Dok. 1000 (T 959)
Dok. 1001 (N 54)

/569/AE 13
(92) Dok. 424 (T 960)
Dok. 426 (N 55)
Dok. 427 (T 966)
Dok. 241 (T 963)
(93) Dok. 425 (T 961)
Dok. 237 (T 962
(94) Dok. 429 (968
(95) Dok. 1343
(96) Dok. 176 (T996)
Jugoslawien
(97) Dok. 33 (T 887)
(98) Dok. 423 (T 898
(99) Dok. 1339
(100) Dok. 1340 (T 888)
(101) Dok. 642 (T 870)
Dok. 645 (T 873)
(102) Dok. 643 (T 871)
644

/570/AE 14
(103) Dok. 647 (T 874)
(104) Dok. 648 (T 875)
(105) Dok. 649
(106) Dok. 650 (T 878)
(107) Dok. 651 (T879)
Dok. 1044 (T 880)
Dok. 1045 (T 881)
Dok. 1162 (T 882)
(108) Dok. 170 (T 883)
(109) Dok. Poliakov, Rot, S. 350/51, 448
(110) Dok. 170 (T 883)
(111) Dok. 652 ( 884)
Dok. 654 (T 886)
(112) Dok. 647 (874)
Dok. 1244, S. 3
(113) Dok. 658 (T 902)
(114) Dok. 87 (T 903)
(115) Dok. 661
Dok. 1074 (T 906)
(116) Dok. 1081 (T 907)
(117) Dok. 656 (T 921)

/571/AE 15
Rum"nien
(118) Dok. 472 (T 1001)
(119) Dok. 92 (?)
(120) Dok. 573
Dok. 1225
Dok. 1227 + Dok. 404
(121) Dok. 840 (T 1002)
(122) Dok. 83 (T 1013)
Dok. 99 (T 1014)
(123) Dok. 181
Dok. 561
Dok. 562 (N 60)
(124) Dok. 477
(125) Dok. 194 (T 1032)
(126) Dok. 178 (T 1029)
Dok. 92
(127) Dok. 987 (T 1042)
Dok. 224 (T 1044)
(128) Dok. 484 (T 1052)

/572/AE 16
Bulgarien
(129) Dok. 92
(130) Dok. 1023 (T 926)
(131) Dok. 1024
(132) Dok. 1026 (T 930)
(133) Dok. 1028 (T 931)
(134) Dok. 1030 (T 934)
(135) Dok. 1033
(136) Dok. 420 (T 944)
/573/AE 17
(137) Zeugenaussage v. Thadden, 1961, S. 10.
(138) Dok. 1021 (T 1145
(139) Dok. 801
(140) Dok. 813 (T 1155)
(141) Zeugenaussage v. d. Bach Zdersky 1961
(142) Dok. 679
(143) Dok. 114 (T 1211)
(144) Dok. 1124 (N 70)
(145) Dok. 675 (N 73)
Dok. 216 (N 72)
Dok. 366 (T 1182)
Dok. 213 (T 1186)
(146) Dok. 681 (N 75)
(147) Dok. 374 (N 76), Dok. 1314 (T 1158)
Dok. 180 Dok. 1315 (T 1159)
Dok. 158 (T 1193)
(148) Dok. 678 (T 1193)
/574/AE 18
(149) Dok. 529
(150) Dok. 630 (T 1199)
Dok. 631 (N 79)
Dok. 632 (T 1200)
(151) Dok. 114
Dok. 870 (T 1226)
(152) Dok. 385 (T 1208)
Dok. 992 (N 80)
Dok. 680
(153) Zeugenaussage Krumey 1961, S. 9, 10, 12, 13.
(154) Dok. 797
Dok. 677
Dok. 848
Dok. 772
(155) Dok. 640
Dok. 162 (N 86)

/575/AE 19
(156) Dok.156 (T 1217)
Dok. 976 (T 1218)
Dok. 154 (T 1219)
Dok. 1441 (T 1222)
(157) Dok. 155 (T 1223)
(158) Dok. 387
(159) Dok. 388 (T 1230)
(160) Dok. 525
(161) Dok. 212
(162) Dok. 871 (N89)
(163) Zeugenaussage Winkelmann 1961, S. 6.
(164) Dok. 376 (N 90)
/576/AE 20
(165) Dok.221 (
(166) Dok. 44, (Seite 3.)
(167) Dok. 973 (T 1247)
(168) Dok. 853 (T 1237)
(169) Dok. 1297 u. Zeugenaussage Winkelmann 1961 und Dok. 411 (Seite 12, Punkt
142)
(170) Dok. 511 (T 1245)
(171) Dok. 377 (T 1242)
378
(172) Zeugenaussage Six (1961)
- , - Winkelmann (1961)
Dok. 1169
Dok. 27 (Vermerk zu meiner Bef"rderung durch Six)
(173) Eugen Kogon: ,Der SS-Staat". S. 403/404
Europ"ische Verlagsanstalt 1946
Fnfte Auflage
(174) Zu Teil III, Schreiben des Pastor Achenbach an mich.

/577/
G"tzen Teil III.
Inhalt
Teil III 72 Seiten
(Unterteilt in 14 Abschnitte)
Adolf Eichmann
6-9-61
/578/AE 1
III. Teil
,Denn Frieden und Glcksgefhl und die Freude, werden der Inhalt ihres
Ganzheitslebens sein. Denn die Ganzheit kennt nur das Gute." (Seite 67)

/579/AE 2
Teil III:
In sich ausgeglichene Naturen mit unkompliziertem Einfhlungsverm"gen, sind
in auergew"hnlichen Zeiten, mit zunehmenden Auergew"hnlichkeitsgrad,
sicher immer seltener. Es sei denn, ,sie h"tten ihre Jahre bereits erreicht." Junge
Menschen wiederum befinden sich noch im Stadium der Formung und mangels
vergleichender M"glichkeiten aus der Erfahrung, wird diese Formung durch die
Umwelt vollzogen und von Individuum mehr oder weniger kritiklos akzeptiert.
Mancher der mittleren Jahrg"nge hingegen, sieht sich im Zustande der eigenen
Umkrempelung, der Einordnungsversuche seines inneren ,Ich", zur
auergew"hnlichen Umwelt, und er sieht sich den geistigen Einflen dieser
Umwelt, den handlungsm"igen Einwirkungen dieser Umwelt, auf sein inneres
,Ich", mit den verschiedenartigsten Reaktionen, gegenber.

Das sinnlich wahrnehmbare und aufgenommene Tagesgeschehen, ,der
Tagesablauf", wird von dem, der nicht allzu gleichgltig ,in den Tag hinein lebt",
zu vergleichenden Vorstellungen in den Stunden der ,Abschaltung", in den
Stunden der Mue, weiterverarbeitet. Oft ungewollt und nicht in konzentrierter,
bewuter Arbeit, aber, wie man zu sagen pflegt, ,man kommt nicht

/580/
Bemerkung fr den Zensor:
Diese schriftstellerische arbeit kann nicht mit der Waage der Rechtsparagraphen
gewogen werden.
Unterschriftkrzel

/581/AE 3
davon los"; ,es l"t einen nicht aus"; ,es geht einem nicht aus dem Sinn".

Und die eigene Haltung, die eigene Reaktion zum Geschehen des Tages, wird
dabei einer geistigen Selbstbeobachtung unterzogen, wobei mein "ueres ,Ich",
mit meinem inneren ,Ich" - man k"nnte es auch Gewissen nennen - eine Art
Zwiegespr"ch h"lt und mein inneres ,Ich", auf Grund dieser ,Unterhaltung",
dann seine Position bezieht. Eine Position, die ich fr mich als ,beruhigend" oder
als fr mich ,beunruhigend" registriere. Und je nach diesem, meinem psychischen
Zustand, spre ich dann ein Mitschwingen des physischen Befindens.
Kl"tzt ein Mensch - wie ich zum Beispiel - die innere Ruhe und eine gewisse
innere, beschwingte Ausgeglichenheit, oder, um ein geflgeltes Wort aus meinen
Vorkriegsjahren zu gebrauchen, die ,innere stille Heiterkeit", ber alles, dann
wird er - und ich spreche aus grndlicher Erfahrung - alles daran setzen, nun die
innere Unordnung, wieder zur Ordnung zu gestalten, zumindest, es zu versuchen.

In welche innere ,Hexenkche" ein Mensch jedoch im praktischen Leben
kommen kann, dessen eigene Handlungs-

/582/AE 4
Freiheit durch h"here Gewalt gebunden ist, gibt dieses Kapitel wieder. Mit einem
Beispiel will ich es im allgemeinen umschreiben:
Ein Blatt Papier; darauf Eisenfeilsp"ne gestreut.
Kreuz und quer liegen diese kleinen Eisenstckchen im wirren Durcheinander.
So sieht es bei mir aus, wenn mit die innere ruhe fehlt, wenn ich vergeblich
bemht bin, Ornung in die Dinge meines Innenlebens zu bringen.
Fahre ich nun aber mit meinem Magnet unter dieses Blatt Papier, dann ordnet sich
im Bereich des magnetischen Kraftfeldes sogleich dieses Durcheinander an
Eisenfeilsp"nchen zu einer - fast m"chte ich sagen milit"rische ausgerichteten -
Ordnung.
Was ntzt mir aber allen Ordnenwollen, wenn meine Erkenntnis nicht in Handeln
umgesetzt werden kann, wenn ich diesen Magneten nicht bedienen darf, ja wenn
ich selbst sogar nur ein solcher Eisenfeilspan bin, der in dieses Kraftfeld
eingeordnet ist. Wenn mich st"rkere Kr"fte daran hindern, gem" meinem Willen
zu handeln und darber hinaus, gem" einer staatlichen Befehlsgebung, mein
Handeln teilweise sogar in dem Entgegengesetzten zu

/583/AE 5
meinem inneren Wollen zu stehen hat; zu einem Wollen, da gem" der
Wahrnehmung meines Gefhlssinnes, aus den Bereichen der ethischen Werte zu
entspringen habe, will ich als Individuum, innere Ruhe und inneren
Gleichgewichtszustand fr mich, alleine schon aus der mir triebhaft
zukommenden Egoistik heraus, buchen k"nnen.
- , -

/584/AE 6
(1)
Ich bin weder Philosoph, noch Physiker. Aus Lust und Liebe zur Sache
besch"ftigte ich mich nach Art interessierter Laien, zuweilen sowohl mit der
einen, als auch mit der anderen Materie. Es bereitete mit Vergngen und es war
lehrsam zugleich. So wie der Briefmarkensammler von Zeit zu Zeit seine
Sammlung durchst"bert. Gerne kaufte ich mir ab und an ein besonders
empfohlenes Werk, welches sich mit diesen F"chern befate, und dann konnte ich
so recht wie ein abseitiger Bchernarr darin schwelgen. Es war fr mich das
gleiche, wie Sonntagvormittaggottesdienst, fr fromme Kirchenbesucher; ein
verlangendes Suchenwollen nach dem absolut Gltigen, nach den wahren Dingen,
nach dem h"heren Sinn des Seins. Wohl wissend, da ich nur bis zu einer sehr
bescheidenen Grenze werde vordringen k"nnen, aber ein jedes Wenige nur an
neuen Erkenntnissen, befriedigte mich schon zutiefst. Dieses neugierige
Wissenwollen haftet mit viele Jahrzehnte schon an, und vielleicht gehe ich recht
wenn ich sage, solange ich berhaupt zurck denken kann. Freilich in diesen
beiden besonderen F"chern lag das beginnende rege Interesse, erst in sp"teren
Jahren und wurde oft durch l"ngere Pausen unterbrochen; sei es durch die
hastende Schnelllebigkeit des beruflichen Alltags, die jedwede Mue zur
Sammlung raubte, oder auch gar zeitweilige Unlust, hervorgerufen durch
d"rperliche Mdigkeit und Schlappheit, ketztlich besonders zur Zeit der
argentinischen Sommer.
Schon mein Religionslehrer in der Linz a/Donau, legte den Grund fr meine
zeitweilige besondere

/585/AE 7
>Kantvorliebe<. Der evangelische Pfarrer - gebrtiger Ostpreue - war in Sachen
des >K"nigsbergers< geradezu Spezialist und es ist erstaunlich da es ihm gelang,
in unseren Bubengehirnen ein solch mitgehendes Interesse zu wecken, fr eine
Materie, welche gar oft selbst den Erwachsenen langweilt. Er Jedenfalls brachte es
lebensnahe, mit vielen Beispielen aus dem Tagesleben eine Buben, gewrzt.
Mein Jugendfreund, heute Prior eine Pr"monstratenserklosters in Deutschland,
liebte damals, wenn ich es so recht betrachte, die >Philosophie aus der Technik<.
Aus seinen zahlreichen Brckenbau-Konstruktions-Skizzen, mu er die sthetik
und Ethik das Sch"pfungswillens mit erschaut haben; denn immer neue Entwrfe
und Ideen gebar er, und wir freuten uns beide ber die Sch"nheit der Linie. Wir
besuchten in jener Zeit gemeinsam eine h"here technische Schule. Er trat dann
zum geistlichen Stande ber. Ich freute mich sehr, von ihm, zu H"nden meines
Verteidigers, in das Gef"ngnis nach Isral freundliche Gre geschickt zu
erhalten. Und ich bedanke mich fr sein freundliches Gedenken, und wei da ich
eine antwort auf meine Arbeit von ihm bekomme. Sei sie positiv oder negativ,
gleichermaen sei er dafr bedankent. Ja, mein lieber Frater Bernadus, da magst
Du mal sehen, wie es einem Menschen ergehen kann. Solches h"tten wir uns nicht
ttr"umen lassen, als wir das letztemal in der abtei Hinsdorf beisammen waren und
noch viel weniger frher im Schloe zu Traun, oder in der >H"heren< in der
Goethestrae, in Linz.

/586/AE 8
Der Krieg war ausgebrochen. Ich kaufte mir die >Kritik der praktischen
Vernunft<; in Reclam-Ausgabe, denn so konnte ich diese >Kritik< in meinem
Waffenrock bergen. Nicht aber k"nnte ich sagen, ich h"tte Kant selbst in reiferen
Alter zu jeder Zeit g"nzlich verstanden, denn dazu reichte mein Verstehen
zuweilig nicht aus. Ich bemhte mich, da in mir aufzunehmen, was ich durch ihn
nun auch zu erkennen k"nnen vermeinte, um danach mein Leben zu leben.Mit der
Philosophie erging und ergeht es mir so, wie mit dem Bund, an dem sehr viele
Schlel h"ngen; und immer suchte und suche ich einen passenden, fr
verschlossene Tren, zu finden. Manchesmal passt solch ein Schlel sofort, ein
anderesmal mu ich auch langm"chtig suchen. Zuweilen mu ich mit, und auch
ohne Geschick, selbst noch ein wenig dran feilen.
Man sagt, es sei der Philosophie trotz jahrtausenderlanger Bemhungen noch
nicht gelungen, eine allgemein anerkannte Linie zu finden, die alle
philosophierenden Geister einigen k"nnte. Denn bisher gab es zu jeder Erkenntnis
>wenn< und >aber<. Der eine "uerte seine Bedenken sanft und voll Kummer,
andere wie Schopenhauer zum Beispiel, zogen zuweilen auch forscher vom Leder.
Solcher Gerede aber vermag offenbar den Pilosoph nicht aus seinem Gleichmut
zu bringen. Denn was bereits allgemein anerkannt wrde, so argumentiert er, habe
mit eigentlicher Philosophie nichts mehr gleich, da es ja dann ein allgemeines
wissenschaftliches Erkennen, bindendes Gltiges, sei. Freilich dachte ich oft,
mein Gott, wie sch"n mte

/587, 588/AE 9
es sein, dem Sucher nach letzten gltigen Dingen, wahres Wissen geben zu
k"nnen. Aber es ist nichts als h"chstens ein Glauben an ein vermeintliches
Erkennen, je nach Vorstellung des einzelnen. Glcklich ist schon derjenige zu
nennen, der sich ein Weltbild zurecht bauen kann, darin aufgeht und seine innere
Befriedigung aus dieser Vorstellung erh"lt und dieses fr sich als vorl"ufig gltig
betrachtet.
Das Suchen nach Wahrheit, da wird ein Ende nie haben; denn nichts hat ein
wahres Ende im Sein.
Wrde ein Ende es geben im Sein, und wir wten darum, dann w"ren wir satt
von der Wahrheit und traurig zugleich.
Und ohne dem Hunger nach der Wahrheit, wrde keiner mehr suchen. Und das
menschliche Leben aber, w"re um vieles noch schwerer.

Heute verwirft er, was gestern nach Gltigkeit hatte.
Und heutiges Erkennen, wird morgen vervollkommt.
Dies ist das Werden.
Ein Ende jedoch findet er nie auf die Frage: was ist die Wahrheit der Dinge?

/589/AE 10
(2)
Nicht sehr zahlreich so denke ich, sind die F"lle denen das Schicksal eine solche
Konzentration des Schauerlichen vor Augen gefhrt hat, wie gerade mir. Und es
hat mich bis jetzt obendrein all dieses als Mensch berlesen lassen.
Den Krieg mit seinem Grauenhaften und das Nachkriegsgeschehen; vor allen,
dann auch die Mhen des Existenzkampfes in bersee, weniger die physischen
Belastungen durch Klima und all des Ungewohnten - dies trifft auf Tausende zu -
als vielmehr die psychische Last, bedingt durch die Anonymit"t der Person; die
Entfhrung aus Argentinien schlielich, und den darauf folgenden
Monsterprozess gegen mich.
Ich habe mich selbst oft gefragt, wie ich dies alles habe berstehen k"nnen, ohne
selbst Hand an mich zu legen, um endlich alles mit dem gn"dig zudeckenden
Tuch einer freiwilligen und gewollten Daseinbeendigung als Mensch, zu
verhllen.
Aber dadurch, h"tte ich Schuld zugegeben, die ich nicht hatte noch habe. Und in
dem Mae ich mich in die Philosophie flchtete, wurde meine Neugierde, mein
Wissenwollen, immer gr"er als die mich umfangen haltende augenblickliche
Not; stets gewann ich sodann an Abstand von dem Leide des Alltages, und nichtig
erschienen mir meine pers"nlichen Sorgen. Und ich erkannte, da es fr mich
kein Ende g"be und ebenso wenig ein Nichts. In fernen, fernen Endlichkeiten wird
die Zeit sich wieder im Raume verlieren; aber ich wei zugleich, da fr mich
abermals neue >Zeiten< bereit sind. Und dann erkenne ich, wie die gebundene
Enge des Augenblicks mich verl"t. Das Leid des Tages

/590/AE 11
Flieht, nur ich bleibe umstrahlt vom belebenden Glanze, mich ewig beschtzender
Sonnen.

(3)
Ich war von Kindheit an, in protestantischer Erziehung aufgewachsen. Und als ich
l"ngst schon in der SS, ja fast drei Jahre schon im Sicherheitshauptamt war, hing
ich noch immer in konservativer Verharrung dem Glauben meiner V"ter an.
Erst im Laufe des Jahres 1937, meldete ich aus freiem Willen und aus eigenem
Antrieb, meinen austritt aus der evangelischen Kirchengemeinde, bei irgend einer
Gerichtsstelle in Berlin-Neuk"ln an. Es waren keine politischen berlegungen;
ich konnte ganz einfach den Inhalt der Bibel nicht mehr als da gl"ubig fr mich
betrachten, was sie vorgab vermitteln zu k"nnen, n"mlich die gltige Wahrheit
der letzten Dinge. Ein zrnender und r"chender Gott war mir unvorstellbar
geworden; solches schien mir zu menschlich, keinesfalls g"ttlich.
Und je mehr ich damals forochte, umso lockerer war das Gefge, was ich bis
dahin als etwas Fundamentales betrachtete. Ich glaubte zu erkennen, das da,
woran ich bis dahin glaubte, das Ergebnis der streibaren, rechthaberischen und
eifernden Kirchenv"ter der ersten Jahrhunderte der neuen Zeitrechnung war die
sich , welche jenes, welches Christentum genant ist, zurechtphilosophierten.
Sei es das Trinit"tsdogma oder die Vielzahl

/591/AE 12
der anderen Dogmen. Sei es der Streit um die G"ttlichkeits- oder
Menschlichkeitsthese Christus betreffend, mit dergleichen mehr.
Auch die Luhter-Melanchthon`sche Reformierung dieses philosophischen
Gebildes fute weitgehend auf dem Geistesgut der klassischen Philosophen des
alten Griechenlands, ebenfalls vermischt mit anderen Religionsphilosophien. Und
nachdem auch die evangelische Kirche kein Wissen vermitteln konnte, sondern
die Seligmachung im Glauben verkndete, glaubte ich, da es sicherer und
einfacher sei, wenn ich mich kftig allein mit meinem Herrgott zusammen f"nde,
ohne mich der Vermittlung evangelischer Pastoren zu bedienen, zumal auch sie
den menschlichen Schw"chen unterworfen watren, genau so, wie auch der
Protestantismus selbst Menschenwerk ist.
Daran hat sich bei mir bis heute nichts ge"ndert und wird sich nichts "ndern.
Auerdem hat auch die Luther-Melanchthon`sche Lehre gengend Unheil ber
die Menschen gebracht. Oder sollte ich mich irren, wenn ich z. ? die Geschichte
des dreiigj"hrigen Krieges betrachte?

Als ich w"hrend des Prozesses gegen mich in Jerusalem vereidigt wrude - als
Zeuge in eigener Sache - sollte ich nach blicher Gepflogenheit, mit der Hand auf
die Bibel den Eid leitsten. Meiner berzeugung gem" erkl"rte ich, da ich auf
die Bibel nicht schw"ren werden, sondern bei Gott, denn ich sei gottgl"ubig;

/592/AE 13
Dieses stimmt, denn das bin ich. Aber ich vermag nicht zu personifizieren. Ich
glaube an eine allwaltende und allm"chtige Sch"pfungskraft, Lenker dessen was
war, was ist und was kommt. An ,das Gott"! Und ich der Mensch, bin gem"
dessen Wollen und dessen Toleranz ein Mitflieendes im Flieen des Werdens, in
unserem Sein.
--
Ich bekam von einem protestantischen Pastor i.R., Paul Achenbach einen Brief,
den er am 11. September 1961 schrieb. Er lautet u.a.:

,An den Angeklagten Eichmann, z.Zt. Israel.

. Haben Sie schon einmal darber nachgedacht, da Ihre Auffindung in der
weiten Welt fr Sie pers"nlich zugleich Gottes Gericht, aber wenn es zu einem
Schuldbekenntnis k"me, auch Gottes Gnade bedeuten k"nnte.
. Ihre moralische Schuld haben Sie, soweit ich sehe, nicht geleugnet. Sie suchten
dieselbe aber wohl zu verkleinern.
. Wenn ich mich jetzt mhe, Ihnen innerlich ein weinig weiterzuhelfen, dann tue
ich das, im Angesicht der Ewigkeit, vor der sie stehen.
. Ein offenes, wahrhaftes, aufrichtiges, alles umfassendes Gest"ndnis vor
Menschen, wird auch von Gott in der oberen Welt aufgenommen. Ein solches
kann nicht nur fr Sie, sondern auch fr unser unter Gottesgericht stehendes
zweigeteiltes deutsches Volk, ungeahnte Auswirkungen haben - im Blick auf
Begnadigung von Gott her." (175)

/593/AE 14
Des weiteren spricht der Schreiber von einer Studienreise, die ihn nach Israel
fhrte, von seinem Besuch im Gerichtssaal w"hrend des Prozesses gegen mich,
vom ,jngsten Gericht" und vom Teufel als Ankl"ger und anderes mehr.

Ich habe darauf folgendes zu sagen:

,An den Pfarrer Achenbach, z.Zt. Bad Krozingen.

1.) Ich wte nicht, da ich Sie darum gebeten h"tte, sich meinethalben abzumhen.
2.) Ihr versuchter Druck auf mich, meinerseits Schuld zuzugeben (worum Sie den
Inhalt Ihres Briefes nach zweifellos die rechtliche Schuld meinen, da Sie an
anderer Stelle, von moralischer Schuld sprechen), wo solche nicht vorliegt, weise
ich als eine namaende N"tigung Ihrerseits, zurck.
3.) Ich darf Sie sowohl auf mein Schluwort, als auch auf das Kreuverh"r meines
Verteidigers, im Falle des Zeugen der isralischen Anklage, des evangelischen
Probstes zu Berlin, Grber, hinweisen.
4.) Ich empfehle Ihnen ein eingehendes, einschl"giges Quellenstudium, eher Sie
predigend Ihren Mund zur N"tigung "ffnen. Ich frchte, da sonst Ihr ,Teufel"
am ,Jngsten Tage" sich darber freuen k"nnte, da Sie sich wegen versuchter
Verleitung eines Angeklagten zu falscher Aussage, schuldig gemacht haben.
5.) Ihre inquisitorischen Eigenschaften, sind mir nichts Neues, wenngleich ich
wahrheitshalber

/594/AE 15
Feststellen mu, da gottlob nicht alle protestantischen Geistlichen so sind, wie
Sie, wo keine rechtliche Schuld vorliegt, lae ich /2 Zeilen gestrichen, unleserlich/
mich auch durch Sie nicht dazu zwingen, solche zuzugeben, nur wenn es Ihnen so
pat."

(4)
Ich sagte, da ich freiwillig zur SS gestoen sei. Dies stimmt auch. Und die
Grnde die mich bewogen, nannte ich schon.
Welch eine Flle innerer K"mpfe standen mir noch bevor. Ich konnte es auch
nicht ann"hernd ahnen. Einem Schwimmer war ich vergleichlich, der in ein Tang-
und Schlingpflanzengew"sser ger"t und nunmehr bestrebt ist, herauszukommen
aus diesem Durcheinander, um wieder klare Wasserbahn zu gewinnen.
Das Gew"sser war - zum Vergleich - fr mich die SS; das Durcheinander in da
ich geriet, war jenes Konglomerat, welches die damalige >Weltanschauung< in
Wirklichkeit bildete. Da die Grenzen des Gedanklichen dieser Anschauung ich
m"chte einmal sagen, auch mit den Grenzen und Interessen des >Reiches<
endeten, wrde man diese trefender und genauer mit >Reichsanschauung< zu
bezeichnen heben.
Und h"tte ich in jener Zeit den Rat meines Religionslehrers befolgt und in diesem
Gedanken-Durcheinander, zum Zwecke der Gewinnung einer freien
Gedandenbahn, Kant`sche Erkenntnisse weiter bedacht, wer wei, wie sich meine
innere Konfliktstellung ausgewirkt h"tte. Ich wei, es ist mig mit >h"tte< und
>wenn< zu bedenken, denn Tatsache ist, ich tat es ja nicht. Eine Weile versuchte
ich noch, Kant`sches Fordern meiner damaligen national-

/595/AE 16
Sozialistischen berzeugung anzupassen, und ich mu sagen, es ging eine
zeitlang recht gut. Freilich immer nur in dem bescheidenen Rahmen des
auffassenden Verm"gens meines Gehirnes.
Dann aber kam der Augenblick, wo es zum Sprung kam und jegliches
Einpassenwollen vergeblich war; jene Zeit, wo selbst ein wenig Sophisterei, deren
ich mich - wie k"nnte ich es leugnen - zur abrundung des Ganzen oftmals
bediente, hier nicht mehr half.
Es waren die Zeiten, in denen mein Chef mich als Berichterstatter zu den
verschiedenen T"tungsstellen befahl.
Ich aber lie es, dies mu ich sagen, in der Folgezeit an jener Gesinnungsethik
fehlen, die man fglich von einem Menschen h"tte erwarten k"nnen, der sich mit
solchen Gedankeng"ngen berhaupt schon befate. Aber, es ist nachher stets
leicht zu reden und zu rechten, denn da waren es auf der anderen Seite auch
wiederum "uere Bande, denen ich mich zu unterwerfen hatte. Denn abgesehen
vom Eid, den ich getreu zu erfllen bestrebt war, hatte mich meine zust"ndige
Beh"rde nach meiner Versetzung im Sp"therbst 1939, ber das Wehrmeldeamt
zur Kriegsdienstleistung bei der Geheimen Staatspolizei verpflichten lassen.
Einer solchen Verpflichtung hatte ich mich zu beugen, denn solches war damals, -
wie heute in "hnlichen F"llen, - gltiges Gesetz, dem der einzelne sich auf
legalem Wege nicht zu entziehen vermochte.

/596/AE 17
Aber wie sah nun mein Schlingpflanzengew"sser, das damalige Konglomerat
meiner Anschauungen, mit dem ich mich abplagen mute innen, aus. Ein Schu
nationaler Egoismus, verment noch mit Selbstsucht. Dazu kam etwas
romantischer Idealismus, auch fehlte zuweilen ein wenig vernnftige, nchterne
Sachlichkeit nicht, um die Dinge gegenst"ndlich zu sehen. Im brigen ging sie
bald auf, im kollektivistischen Denken und noch vorhandene individualistische
Tendenzen wurden diesem, gem" dem geschworenen Gehorsam, nach und nach
geopfert. Die Unvernunft der Staatsfhrung sah ich zuweilen, wenn sie ihre
besonderen Blten trieb und flchtete mich, weil ich mit meinem Idealismus nicht
mehr weiter kam, endlich und letztlich in einen materillen Naturalismus hinein.
Die Grundtendenz aber wurde trotz allem stets pessimistischer. Meine
pers"nlichen Lebensanschauungen dievergierten zwar mit einem Teil der
gepredigten offiziellen >Weltanschauung<, aber allm"lig nahm ich so ziemlich
dann alles vorl"ufig einmal in mir auf, was sich so bot. Freilich, eine
bedingungslose innere Aufnahmebereitschaft und ein fanatisches Wollen fr alle
nationalsozialistischen Ziele konnte ich nicht aufbringen, denn dazu reichte es in
einem Herzen voll Zweifel, wohl nie.
Meine klare innere Anfangslinie nach meinem Kirchenaustritt konnte ich nicht
mehr in ihren Konsequenzen weiter verfolgen. Ich arbeitete zwar in mir und an
mir, wie der ,Schopenhauer`sche Bergsteiger", der den ungesicherten Berpfad
ohne Bergfhrer erarbeitet, dafr aber das Gefhl der Freiheit bek"me. Und es ist
sicher, da es mir in normalen Zeiten gelungen w"re,

/597, 598/AE 18
hier auch die von mir stets erstrebte, ausgeglichene innere Ruhe und Sicherheit zu
erlangen.
Aber ich war in eine auergew"hnliche Zeit und in auergew"hnliche Umst"nde
hineingestellt worden, wofr bisher Gltiges und Praktiziertes nicht nicht erprobt
war.
Meine pers"nliche Arbeit an mir, wurde berlagert und verdr"ngt durch totale
staatliche Manahmen von einer Art die ich verwarf, und denen ich selbst, gegen
meinen Willen, unterworfen war. So kam es zur Spaltung zwischen meinem
inneren Ich, mit dem ich nur noch zu einem kleinen Teil meiner Fhrung dienlich
war, und zu meinem "ueren Ich, welches ich fast g"nzlich der Fhrung hingab,
denn es war Krieg. Ich trieb eine Art gewollte und bewute Schizophrenie.

Dieses Gespaltensein wurde ausgel"st durch mein Nichtverstehenk"nnen, im
Hinblick auf die Art der Behandlung von unbescholtenen Zivilisten durch die
damalige deutsche Staatsfhrung, ihre Anmaung gegenber den Zivilisten
ausl"ndischer Staatsangeh"rigkeit in sonderhordt, und danach das Nicht mehr mit
kommen k"nnen bezglich staatslicherseits befohlenen Massenmordes an den
Juden.

Da ich jedoch damit nicht direkt befat war und mein Handeln an der Mitwirkung
der Deportation weder meinem Willen entsprach, noch von mir aus abgestellt
werden konnte, ich solches berhaupt nicht einmal zu beeinfluen vermochte,
lagen meine Hemmungen, der Hauptsache nich bei meinem inneren Ich.

Mein "uerer Mensch, zwar ohnedies gebunden, gehorchte eidgetreu der
Staatsfhrung, denn Deutschlands Feinde hatten sich, so wurde es uns gepredigt
und wir sahen es auch, zum Ziel gesetzt, mein Vaterland zu vernichten. Und
gem" meiner damaligen Auffassung ber Fahnen- und Diensteid, kam fr mich
nur der legale Weg im Hinblick auf nderung meiner Kriegsdienstverwendung in
Frage. Denn der Vernichtungswille unserer damaligen Feinde, appelierte auch
trotz der Tollheiten der eigenen Staatsfhrung, an mein damaliges vaterl"ndisches
Gewissen.
Der Fehler, abgesehen vom grunds"tzlichen, war, da mich meine damalige
Fhrung an einen fr mich vollen ungeeigneten Platz stellte, den ich von mir aus
nicht zu wechseln vermochte, es sei denn, ber den Weg der Desertation. Den
Weg aber lahnte ich ab.

Dies alles aber schuf in mir eine innere Zerrissenheit; das gerade Gegenteilige von
dem, was ich als Gleichwertig, ja besser noch als den verlorenen Jugendglauben,
fast schon vermeinte, mir erarbeitet zu haben.
Dieses Vermeinen lag in den Jahren 1937 bis Ende 1939-
Aber ab dieser Zeit sank die Kurve der inneren ruhe sehr steil nach abw"rts. Und
w"re ich um diese Zeit noch in einer Kirchengemeinschaft gewesen, so h"tte auch
diese an meinem inneren Zustande nicht zu "ndern vermocht, noch an meiner
"ueren Bedingung.
Es war die Zeit nach dem ich zum Geheimen Staatspolizeiamt versetzt wurde.

/599/AE 19
Dabei hatte ich noch nicht einmal mit jenen charakterlichen Hemmbl"cken zu
k"mpfen, wie Neid, Habgier, Grausamkeit, Ha oder Rache. Davor war ich dank
meiner Jugenderziehung und dank der Tatsache, da ich die Arbeit an mit selbst,
zu keiner Zeit g"nzlich aufgab, gefeit.
Dafr aber sah ich den Tod an allen Ecken und Enden jetzt, in seinen furchtbaren
Formen.
Die einzige Erkenntnis, die ich auf Schritt und Tritt in jener Zeit best"tigt fand
war, da die Welt, in der ich als Erscheinungsform Mensch zu leben hatte, nie und
nimmer die beste, sondern nur die allerschlechteste sein mute, die man sich
denken konnte.
Ich hielt das Menschsein fr sinnlos, denn so sehr ich auch forschte, ich konnte
bei dieser Massenvernichtung der Menschen, auf Freund und auf Feinseite keinen
h"heren Sinn im Walten der Natur mehr erkennen; ja nicht einmal eine ganz
gew"hnliche Nebenabsicht vermochte ich zu erdenken.
Und im Stillen beneidete ich die Tr"ger des gelben Budha-Gewandes, denn dieser
versuchten aus der pessimistischen Einstellung zu den ,Dingen der Welt", fr sich
wenigstens noch das Beste herauszuholen, und taten solches offensichtlich - im
Gegensatz zu mir - mit Erfolg.
Und wenn ich alles so recht bedachte, was hatte ich noch einige Jahre vorher, fr
ein sonniges, frohes Gemt; unbeschwert, optimistisch, ohne irgendwelche
Konflikte, --
Meine harmonische Ausgeglichenheit wich

/600/AE 20
In zunehmeden Mae der Disharmonie einer inneren Verkrampfung und mir blieb
als einziger eruhigender Trost, da andere, mir noch bevorstehende Welten, auf
keinem Falle schlechter sein k"nnen, als die von mir jetzt als Mensch zu
Durchstehende; eine Welt der aufgezwungenen Komplexe. Aller Voraussicht nach
aber - so berlegte ich weiter - weil sich h"heres Sch"pfungswalten nicht im
Negativen verlieren k"nne, mten nach meiner Erkenntnis, kommende
Lebenswelten daher zwangsl"ufig bessere sein; denn von allem organischen
Leben ist mir keines bekannt, da vors"tzlich Schlechtes, statt Gutes setzt;
ausgenommen der
Mensch. -
Beweisen freilich konnte dieses - mit den guten und schlechten Welten -
niemand, aber trostreich war`s doch. (Und zu meinem Pessimismus gesellte sich
w"hrend des Krieges ein geh"riger Schu Fatalismus; welch letzteren ich bis
heute nicht abstreifte). Solches ergab dann fr mich immerhin einigen
Hoffnungsschimmer. Und so sher war ich von solchen Gedanken verhaftet, da
ich fr meine Person beispielsweise nur dann w"hrend der Bomebenangriffe den
befohlenen Unterstaand aufsuchte, wenn ich mich dem, aus Grnden der Disziplin
nicht glaubte entziehen zu k"nnen.

(5)
Mein Egoismus und meine Selbstsucht, galten in ihrer eigentlichen Bezogenheit
und in bewuter Hinsicht zum weitaus brwiegenden Teile meinem Volk und
meinem Vaterland. Es war richtiger gesagt, nationaler Egoismus.
Die Initialzndung hie ,Versailles"; daran l"t

/601/AE 21
Sich nichts "ndern. Dieser einmal in Umlauf gekommene Motor, wurde durch
meine Umgebung weiter angetrieben. Meine haltungsm"ige Einstellung zum
Nationalsozialismus, volk und Staat, wurde aus der Situation heraus geformt, die
mich umgab.
Die weitere Formung meines Verh"ltnisses des ,Ich" zum ,Reich", verlief ab nun
in jenem Bereich, indem nach und nach der nationale Stelbsterhaltungsgedanke
die Dominante spielte, und der letztlich in der gepredigten These: ,Recht ist, was
dem Volke ntzt", gipfelte.

Selbstsucht leitet den Menschen als einer seiner Haupttriebe, denen er
unterworfen ist, von Anfang an. Seit jenen fernen Zeiten, da er als Einzelg"nger
noch, oder schon Hordenweise, pers"nlichen Krief und Kampf gegen alles zu
fhren hatte, um berhaupt sein Leben behalten zu k"nnen.
Sp"ter, viel sp"ter vereinigten sich dan die Menschen teils unter Druck, teils ohne
solchen zu einer Gemeinschaft, zum Staat. Sie leisteten dem Stammes- oder
Staatsfhrer Gehorsam; in diesem Kollektiv wurde ihnen ihre Existenz offenbar
besser garantiert, als sie solches frher je schaffen konnten. Was das Oberhaupt
ihres Gemeinschaftswesen fr richtig hie, war fglich gut, alles andere war
schlecht. An dieser Einstellung hat sich bei den verschiedenen Formen des
menschlichen Gemeinschaftslebens bis heute im Wesentlichen nichts ge"ndert.
- , -

/602/AE 22
(6)
Die Untergangsprophezeihungen des eigenen Volkes bei nichterfllter Pflicht,
welche von der Staatsfhrung propagandistisch ausgestreut wurden, glaubte man;
auch ich glaubte sie. Und so unrichtig war sie im brigen auch gar nicht.
Stelbstverst"ndlich wollte auch ich die Unrechtbeseitigung von Versailles; wollte
die Beseitigung der vielen katasrophalen Folgen dieses Diktates. Ich geh"rte auch
zu jenen, die ein groes und freies und starkes Reich erhofften und ersehnten.
Dessentwegen hatte ja auch ich damals alle meine Lebensbequemlichkeiten,
denen ich nachh"ngenkonnte aufgegeben. Und ich war der Meinung, da ein
starkes Reich, mit einem geeinten Volk alleine schon die Garanten dafr w"ren,
da diesem Volk und Reich gegenber, dann ein anderer als der ,Versailler-
Respekt", an den Tag gelegt worden w"re.
Aber durch die Nichtachtung alles Nichtnationalsozialistischen, in dem Zertreten
jedes anderen Willens und Wollens durch den Unduldsamkeitsfaktor der
nationalsozialistischen Reichsregierung, eine Tatsache die ebenso bedauerlich wie
schmerzlich ist, entstanden in der Folgezeit notwendigerweise die
Komplikationen und Katastrophen, deren Traurigkeit wohl in ihrer Gr"e, bisher
einmalig in der Geschichte dastehen.
Ich glaube, es gab nur wenige, welche der Meinung gewesen waren, die Parolen
und Drohungen der Kampfzeitredner, wrden nach der Machtergreifung, zur
Wirklichkeit werden. Vielmehr

/603, 604/AE 23
dachten doch alle, da die von der Fhrung nach der Revolution versprochene
Evolution , fr bare Mnze zu nehmen sei. Und da dann ein friedliches
Nebeneinanderregieren im Kreise der europ"ischen V"lkerfamilie anheben wrde,
nachdem die Einsicht der anderen Seite, zu Konzessionen deutscherseits fhren
werde, womit dann im Laufe der Verhandlungen alle schwebenden Probleme, auf
dem Verwaltungswege ihre Erledigung finden wrden.
Ein ,tanzender Kongress" sollte fr"hliche Urst"nd feiern.
Aber leider zeigte sich hier die unvernnftige Intoleranz, gepaart mit
machthungrigem Ehrgeiz seitens der Fhrungsspitzen des Reiches. Dies ist eine
Tatsache, die nicht zu umgehen ist. Ihr Vorgehen war vergleichlich, den
m"chtigen Volksbeherrschern der alten und teilweise nicht mittleren Zeiten. Sie
bedachten dabei aber nicht genugsam, die mittlerweile auerordentlich fein
ver"stelten Bindungen und Beziehungen in kultureller, wirtschaftlicher und
politischer Hinsicht, welche das Leben der V"lkerfamilien untereinander regelten
und von denen sie abh"ngig waren; und da hier eine jede St"rung dieser
empfindlichen Maschinerie zu Konflikten fhren mute. Vielmehr waren sie von
ihrer Macht d"monisch besessen und nicht achtend, das besonders
gefhlsgebundenem Denken unserer Zeit. Sie waren stehen geblieben, ja sie
schraubten wieder zurck, in das absolutistische Denken der ,Herrenmoral".
Es waren rckl"ufig betrachtet, ohne jede zwingende Notwendigkeit, Hasardeure,
die da leichtfertig

/605/AE 24
Glck und Freiheit der Natinen in ihnr Spiel warfen. Ich sage rckl"ufig
betrachtet, denn mein damaliges Eigenurteil war zufolge meiner untergeordneten
Stellung welche ich in der Hierachie, bekleidetet, ein recht beschr"nktes.
An Informationsmaterial stand mir freilich mehr zur Verfgung, als den
damaligen Durchschnittszeitgenossen, aber Kontakt mit den hohen
Fhrungsstellen hatte auch ich keinen. Meine pers"nliche Meinung war
uninteressant und ist es bis zum Mai 1945 geblieben.
Da ich zu einem unbedingten Bejaher zu allen Manahmen der ehemaligen
Reichsregierung geworden w"re, dies erlaubte mit der von mir gepflegte Rest, des
ber alles hinber geretteten romantischen Idealismus nicht. Ehner ich mit dem
Nationalsozialismus Bekanntschaft machte, war dieser der mich ausfllende
Hang; ja noch mehr, er gab mir jenes Gefhl, welches in mir freudhafte
Glcksvorstellungen hervorzuzaubern in der Lage war. Es hatte nichts zu tun mit
der Burschenschaftsromantik. Eher noch m"chte ich ihn als einen primitiven
romantischen Idealismus bezeichnen; ein Zustand, in dem ich mich der
Naturschw"rmerei, ohne Grenzen und Zgel, frei hingeben konnte und in ihm ein
wunderbares Gefhl der inneren Ruhe erlangte. Und ich sch"me mich selbst nicht
einer Umdrehung der Worte, wenn ich sage, ich hatte den romantischen
Idealismus eines Primitiven. Denn ich war damals

/606/AE 25
Jedenfalls unverbildeter und glcklicher daran, als sp"ter, wo ich mich im Sumpfe
der inneren Unfreiheit befand und mich mit einem halben Dutzend und mehr der
verschiedenen Anschauungen herumzuschlagen hatte.
In die Reste dieser sch"nen Erlebniswelt, konnte ich mich dann flchten und tat es
zuweilen auch, wenn ich mich hinten und vorne, nicht mehr auszukennen glaubte,
und mit nichts mehr zurecht kam. Es war eine Art Medizinschrank, den ich mir
hielt. Und ein Adalbert Stifter und Peter Rosegger, bereiteten mir Genu.
W"hrend all der Jahre in Berlin lag auf dem Schreibtisch meines Privatzimmers,
Roseggers reizende Gebirgsheiligenabendbeschreibung ,Als ich noch ein
Waldbauernbub war". Ich habe sie oft und oft gelesen. Ein v"llig anspruchsloses
Geschichtchen, aber sollte jemand mit Nein-, Habgier- oder Machtgedanken
lieb"ugeln, dann lese er diese Erz"hlung; bedachtsam und mit der Ruhe des
Bergbauern.
Die jungfr"uliche Sch"nheit des B"hmerwaldes, die wohltuende Stille des
Alleinseins in der Welt der Gebirge und die von mir in diese Bereiche
hineingelegten und hineingedachten berlegungen und Vorstellungen ber das
Werden des Seins im Laufe der Zeiten, und meine eigenen Beziehungen zu
diesem Werden, lieen mich mit dem Versenken in diese Welt, alle Doktrinen und
mich verdrieendes Gegenwartsgeschehen vergessen.
Selbst heute noch, im Gef"ngnis zu Isral

/607/AE 26
Greife ich zu dieser erprobten Methode zurck; denn das Gefangensein und
Gefangenendasein, bringt nun einmal eine solche Flle von Ungelegenheiten mit
sich, da ich schon oft und oft dem Tag nach der Nacht grau war, der mich ihm
auf`s neue erleben lie.
Es gibt keinen Zweifel, da der Tod besser ist, als die Gefangeschaft, aber der
Mensch tut gut daran, seinem Schicksal nicht auszuweichen. Und jedenfalls sind
die Kr"fte aus diesen herrlichen Vorstellungswelten jeweils stark genug gewesen,
mich stets noch ,auf andere Gedanken zu bringen". Aber ich will ja jetzt nicht
von meinen gegenw"rtigen Gefhlen sprechen, sondern mich in die vergangene
Zeit zurck zu versetzen suchen. -
Da ich solche ,Ausflge", zur inneren Ruheherstellung, zur inneren
Gleichgewichtshaltung ben"tigte, war sicherlich ein Zeichen, da da etwas nicht
in Ordnung war. Dieses ist sicher. Aber ich konnte daran nichts "ndern, denn ich
war weder Ursache, noch Wirkung; auch ich war zum Spielball der Zust"nde
geworden. Ich mute ja selbst oft gegen mein Wollen, gegen meinen Willen
gehorchen.
Die meisten der Befehlsempf"nger von damals sagten sich - wenn es wieder
einmal gegen ihren Strich ging - ,Ach was, habe der Teufel den Satansbraten; ich
habe meinen Dienst zu schieben und hinter mir die Sintflut". Ich will offen genug
sein und zugeben, da auch ich mich mehr als einmal, hinter dieser Beruhigung
ausl"sen sollenden Pille verschanzte. Nur, es war ohne jede innere Wirkung.

/608/AE 27
Daher verlor ich mich lieber in meine zwar stets konfuser werdenden
Betrachtungen. Freilich hatte er etwas fr sich, der Standpunkt der Realisten, denn
er nahm die Dinge eben entgegen, wie sie sich ihm boten. Ich verfgte aber nicht
ber die Robustizit"t des Gefhls, welche dazu vonn"ten gewesen w"re. Natrlich
konnte auch ich aus meinen schw"rmereischen Liebhabereien beraustreten in die
Wirklichkeit, auch ich konnte meine tausend Bedenken einmal verlassen und dann
zweifelsohne manche Fortschritte feststellen. Es gab da zum Beispiel keine
Arbeitslose mehr. Es wurden Werte geschaffen in baulicher Hinsicht; auf dem
Gebeite der Produktion, welche wieder angekurbelt war, ob die Art der Arbeit und
die Vehemenz mit der sie vorw"rts getrieben wurde, im Hinblick auf die
Mitrauenssteigerung, den Neid und die Habgier des Auslandes, vom
Vernunftstandpunkt aus diktiert wurde, dieses konnte ich damals nicht beurteilen,
denn daran dachte ich nicht einmal. Heute mu ich solches fglich bezweifeln.
Wenngleich es ja eigentlich eine innerdeutsche Angelegenheit war und auch
geblieben w"re, h"tte unsere damalige Fhrung nicht in ihrer Unvernunft ihren
,Justamentstandpunkt" derart s"belrasselnd vertreten; ein Unterfangen, welches
unsere Nachbaren kopfstutzig machen mute. Die Behandlung der Judenfrage,
durch die damalige deutsche
/609/AE 28
Regierung tat ein briges, um Abkapselung und den Boykott gegen Deutschland
zu festigen.
Und Anfangserfolge verfhrten die Spitzen des Reiches, zu leichtfertigem und
unberlegtem Tun, pr"sentiert in immer neuen Forderungen. Gleichwohl mute
endlich auch nach Danzig vom Zaune gebrochen werden. Und diese Stadt sollte
zum Schicksal Deutschland und seines Volkes werden.
Schuld an dem ganzen unheilvollen Entwicklungsprozess hatte aber nicht nur die
damalige politische Fhrung, wenngleich sie die entscheidende Verantwortung
trug, sondern auch die deutsche Hochfinanz jener Zeit. Sie schrte und trieb genau
so, wie die internationale Hochfinanz, dieses steht auer Zweifel.

(7)
Nun, wie die Dinge einmal lagen, gab es vieles, zu dem man bejahend stehen
konnte; aber mindestens ebenso vieles geschah, wo einem Menschen wie mir, nur
das Eintauchen in andere Welten, die Flucht aus dem Alltag ern"glichte. Dieses
ewige Suchen und Dochnichtfinden, zerri mich mehr, als ich mir davon
Erleichterung erhoffen konnte. Und der Schlu: nachdem ich doch nicht
entscheiden konnte, dann ganz ,untertauchen", im kollektivistischen denken. Im
Denken nit der Masse. Die

/610/AE 29
Masse war fr mich damals die SS. Sie war ferner die gesante NSDAP und will
man weitergehen, der Groteil des deutschen Volkes, da ja im Wesentlichen
auch nicht gefragt wurde, und nicht anordnete, und auch nichts abstellen konnte.
Hier im Kollektiv war die Gelegenheit, als Einzelpers"nlichkeit zu verschwinden
und sich ideologisch gleichzufhlen mit dem Massendenken. Ich fhlte mich nicht
unwohl bei diesem Gedanken, denn es lag mir ohnedies, - zu keinem Zeitpunkt
meines Lebens, von mir aus ein h"heres Ma an Verantwortung zu bernehmen,
als ich ein solches zur Existenz meiner Familiie glaubte bernehmen zu men.
Darber hinaus aber kein Qu"ntchen mehr.
Mit irgendwelchem Ehrgeiz oder gar Machthunger war ich nicht ausgestattet.
M"glich, da ich daher auch meistenteils mit allen Kollegen, Kameraden und
Vorgesetzten, gut auskam; denn ich war im ihren pers"nlichen Ambitionen zu
keiner Zeit je ein Hindernis gewesen. M"glich, da ich dieserhalb schlielich
auch vier Jahre lang auf meinem Oberstleutnant sitzen blieb, w"hrend Kameraden,
mit denen ich lange Zeit gleichrangig war, inzwischen zu Generalen bef"rdert
wurden.
M"glich, da ich aus diesem Grunde auch mit dem jdischen Funktion"ren, mit
denen ich zu tun hatte, gut auskam und

/611, 612/AE 30
sie mit mir.
Ich sage ,m"glich", denn wissen tu ich gar nichts.
Freilich das Kollektiv war nichts anderes als ein milit"risch durchgegliedertes
Instrument; mehr oder weniger scheint straffste Ordnung und System, allem
Kollektiven eigen zu sein. Kritikloses, blindes Gehorchen, Disziplin und
Opferbereitschaft. Dafr versprach das SS-Kollektiv im Frieden materiell gesehen
eine Sicherung der Existenz, im Kriege den sehr m"glichen Tod.
Hat man sich einmal mit dem kolletivistischen Denken abgefunden, dann ist es
ein relativ bequemes Leben; ich meine jetzt weniger vom Standpunkt des
leiblichen Lebens, sondern ich habe dabei das Inneleben im Auge.
Freilich verlangt ein solches Denken schlielich und endlich eine gewisse
Oberfl"chlichkeitsbereitschaft. Der eine bringt dazu von Haus aus die Neigung
mit, dem anderen wird solches, ohne da es ihm noch recht bewut wird,
anerzogen und der dritte - ich m"chte es einmal bildlich ausdrcken - flchtet
sich sogar in diese Bereitschaft hinein, weil er - egoistisch wie er nun einmal
denkt - der Meinung ist, dergestalt jeder inneren pers"nlichen Problemstellung,
mit all den zermrbenden Zweifeln, die ihn nie zur Ruhe kommen lassen wollen,
entrinnen zu k"nnen. Das weltliche Kollektiv nach Art der SS, verlangte die
befohlene Arbeitsleistung und die Bejahung

/613/AE 31
zur ,Weltanschauung des Nationalsozialismus". Da diese aber noch etwas v"llig
Unausgegorenes, von allen m"glichen Erkenntnissen und Vorstellungen
Zusammengetragenes war, gab es eigentlich so recht auch keinerlei geistige oder
,weltanschauliche" Aufsicht, die Vertiefungen in diesem Bekennen h"tte
feststellen oder f"rdern k"nnen; die da lenkend und leiten h"tte Geistesgut nach
bestimmtem Plane vermitteln k"nnen. Freilichm da gab es die Ordensbrgen,
auch die SS-Junkerschulen. Einmal aber waren diese Einrichtungen, zeitbedingt,
auf rein kriegsm"ige Belange abgestellt und zum anderen, waren es
Nachwuchsangelegenheiten. Um die Probleme der ,Alten", kmmerte sich keiner.
H"tte sich schlielich und endlich auch keiner zu kmmern brauchen, da weder
ich noch andere, Ammenhilfe verlangten. Aber in dem Mae, in dem die
Staatsfhrung von der herk"mmlichen Rechtsnorm - wie sie sagte nur fr die
Kriegsdauer - abwich und sich nachtr"glich dazu sogar die Genehmigung durch
den Reichstag hatte geben lassen, in dem Mae, konnte der sonst keiner
Ammenhilfe Bedrftige, dann sehr wohl nach einer regulierenden Aussprache
Verlangen haben, besonders dann wenn er gegen seinen Willen zu einer Beh"rde
versetzt wurde, die soche Rechtsnormab-

/614, 615/AE 32
weichungen, in exekutive Bahnen zu leiten hatte.
Aber die Kardinalforderung war eine einzige und sie hie: gehorchen.
Einjeder hat in Zeiten des Krieges irgendwie zu gehorchen, gleichgltig wo er
hingestellt wird; dies ist berall so.

Ein Losl"sen aus diesem Kollektiv, so etwa wie seinerzeit aus dem
Kirchenverband, solches gab es jetzt nicht mehr. Ich h"tte es jedenfalls auch
solange nicht getan, als Feinde mein Vaterland k"mpfend bedrohten. Das einzige
war ich tat, waren meine Bemhungen, an einer anderen Stelle des Kollektivs
eingesetzt zu werden. Etwa an der Front oder wenigstens in der allgemeinen
Polizeiverwaltung. Es war zwar ein Kollektiv, aufgebaut auf dem ,Fhrerprinzip".
Aber das verpflichtende sture Gehorchenmssen in allen Dingen und das Warten
auf die jeweiligen Befehle und Anordnungen, nahm jeden Pers"nlichkeitswert,
beziehungsweise lieen ihn einmal zufolge des Zwanges und im Verlaufe der
Gewohnheeit, unter dem Einflu des Tr"gheitsgesetzes, zur Verdr"ngung
gelangen.
Mir war es recht so, denn nun ich ohnedies nicht mehr Herr meines Willens war,
bedeutete soches fr mich die einzige Zufluchtsm"glichkeit um den ohnhin
fruchtlosen Problem- und Komplexl"sungsversuchen, aus dem Wege zu gehen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, da wenn man schon in einem grausamen
Gegenwartsgeschehen schicksalsbedingt leben mu, und nicht recht

/616/AE 33
Regulator sein kann,sondern Regulierter ist, dann die kollektive Einordnung
immer nich leichter zu ertragen ist, da anders das Einzelwesen mit ,sich und den
Schwierigkeiten", berhaupt nicht mehr fertig werden kann. Freilich erf"hrt das
individuelle Denken eine Zurcksetzung zugunsten des Gruppenbewutseins,
dieses aber ist in Zeiten des Krieges, fr den sensiblen geist eher von Vorteil, weil
ihm Denkvernachl"ssigung und Verantwortungsaufteilung, vor der Wucht des
seelischen Druckes einen gewissen Schutz bietet.
Das Kollektivumfangene Bewutsein, eingespannt in Forderungen und Befehlen
verliert zwar an Pers"nlichkeitswerten, aber auf diese verzichtet der einzelne oft
ohnedies mit tausend Freuden, denn nur im Fortfall all der vielen seelisch
beslatenden Punkte, kann das Individuum berhaupt noch bestehen. Es sei denn,
es hadele sich um Menschen denen ein Abweichen von der Rechtsnorm, h"heren
Sinn, oder berhaupt nur einen Sinn oder irgend eine Verpflichtung bedeuten
wrde. Solche aber glaube ich, sind doch nur in einer verschwindenden Minorit"t
vorhanden.
Ich fand aber das Kollektivverhaftetsein in Anbetracht der Umst"nde und
Zust"nde noch als das einzig Lindernde und nahm daher alle kollektivbedingten
Nachteile in Kauf. Es ging mir so, wie dem im technischen Kollektiv lebenden
Zeitgenossen,

/617/AE 34
dem das elektrische Licht pl"tzlich ausgeht. Solch ein in der Masse Verhafteter
stellt dann lediglich fest, ob es nur bei ihm alleine ausging, oder ob er dasselbe im
Nachbarhause auch feststellen kann. Ist er nicht alleine das Opfer der
Verdunkelung, dann wird er zwar murrend und schimpfend feststellen, da diese
ewigen St"rungen eine eminente Schweinerei seien, er wird sich aber schlielich
resignierend in sein Schicksal fgen, in der berlegung, da er soch machtlos ist
und als Einzelmensch nichts mit Erfolg dagegen unternehmen kann. Er wird sich
auch erkundigen, warum dieses notwendig sei, oder wieso es entstehen konnte; ja
er wird unter Umst"nden Vorschl"ge machen, wie solch Unliebsames, knftig in
Fortfall kommen k"nnte, er wird auf den Schaden hinweisen, der durch solche
Manahmen entsteht, und was dergleichen noch mehr sein mag. Das Resultat
solcher Bemhungen, hat man bei seinem zust"ndigen Elektrizit"tswerk ja mehr
als einmal gesehen.
Da k"nnte man nun einwenden, sch"n, dann trete ich aus diesem technischen
Kollektiv aus, kaufe mir eine Petroleumlampe und bin frei. Bescheidener zwar,
aber dafr unabh"ngig.
Ja, in normalen Zeiten ist solches ganz sch"n und gut. Aber in Kriegszeiten gibt es
eben weder Petroleum noch Kerzen, in den St"dten; und der eventuellen Absicht,
seinen

/618/ AE 35
Wohnsitz auf das Land zu verlegen, um freier leben zu k"nnen, ist ebenfalls ein
Riegel vorgeschoben, durch eine mehr oder weniger straffe Einschr"nkung der
Freizgigkeit fr jedermann, fr die Dauer des Krieges.
Nun, es gab auch einige wenige, die warfen den Laden hin und machten
berhaupt nicht mehr mit; sie stellten sich gegen das System. Die Folgen sind ja
bekannt; das Ergebnis ebenso.
W"hrend meiner SD-Hauptamtzeit bis 1938 fiel mir "fter Freimaurerliteratur ber
Giordano Bruno, dem ehemaligen Dominikanerm"nch, der im Jahre 1600 wegen
Ketzerei den Scheiterhaufen besteigen mute, in die H"nde. Seine panthestische
Lehre widersprach den Prinzipien der damaligen Kirche.
Abgesehen davon, da ich kein ,Giordano Bruno" war, h"tte eine allf"llige
"ffentliche Opposition meinerseits, - etwa gegen die Art der L"sung der
Judenfrage, - das gleiche Ergebnis insoferne gezeitigt, als ich verschwunden und
unsch"dlich gemacht worden w"re; ein anderer Befehlsempf"nger w"re an meine
Stelle gerckt.
Es ist natrlich heute ein leichtes Reden, ,der Mensch ist stets Herr seines
Willens; Wahrung der Pers"nlichkeitswerte; etwas Gesinnungsethik" und
dergleichen mehr. Auch mir schwebte einmal die Freiheit des Individuums vor;
auch ich stand einmal gegen jede geistige Versklavung. In Wunsch- und
Tagtr"umen

/619, 620/AE 36
Konnte ich mich zeitweilig daran berauschen. Aber dann mute ich erkennen und
konnte sagen, versuche es einmal jemand in der Praxis. In Mitten eines
m"rderischen Krieges, unter einer totalit"ren Staatsfhrung als Befehlsempf"nger.
Welch ein Unterschied ist hier zwischen Theorie und Praxis. /19 Zeilen
gestrichen, unleserlich/ Das willensm"ige Wollen des Einzelnen, n"mlich die
Verwirklichung des in ihm seienden Sittengesetzes, st"t bei dem Versuch der
praktischen Anwendung, in Konsequenz des Erkennens, auf eine unberwindliche
Mauer. Denn durch Umkehrung der Werte seitens der Staatsfhrung, wurde das
Umkerungsergebnis zum neuen, ,sittlichen Gebot" erhoben. Was aber ist
sittliches Gebot, wenn es durch die Staatsfhrung zu etwas Variabelen gemacht
werden kann, und den politischen Wnschen der Staatsfhrung untergeordnet
wird, statt da es umgekehrt w"re und die Fhrung des Staates sich diesem Gebot
unterwerfe
Was also ist Recht?
/Die Staatsfhrung zwingt seine Exekutive, das Einzelwesen zu vergewaltigen.
Und welchen wesentlichen Schutz h"tte der Befehlsempf"nger, wenn er gem"
seinem Gewissen berhaupt handeln k"nnte. Und was noch wichtiger, welchen
praktischen Erfolg hat das Wollen des einzelnen Befehlsempf"ngers, wenn er
nach seinem Gewissen nicht handeln kann, da die Staatsfhrung pare gebietet.
Was ntzt bloe Erkenntnis und der Wille allein, wenn die Tat keine Wirkung
zeigt? - gestrichen/ Und niemand kann sagen, da solches nur in totalit"ren
Staaten geschehe. Auch die westliche Hemisp"re lieferte und liefert Beispiele
genug.
--

/621/AE 37
(8)
Kaum aus anderen Gebieten bezieht der nicht an Konfessionen Gebundene, soviel
ihn befriedigendes Material gegen Willk"r, Unvernunft und
Abweichungsbestrebungen von der Gesetzesnorm, wie gerade aus dem Gebiete
des materiellen Naturalismus, wenn er die Dinge von einer h"heren Warte aus
besieht.

Der Blut- und Bodengedanke, das Weiterleben im Blute der Nachkommen,das
Geborgensein im Schoe der Sippe, sind solange keine schlechten Gedanken,
solange sie nicht von berheblichkeitsvorstellungen begleitet sein. Aber trotzdem
k"nnen auch sie den geist, der mehr wissen will, der suchend weiter treibt, nicht
befriedigen; ich sagte schon einmal, es sind Werte innerhalb des Geviertes der
Grenzen des Reiches, Gltigkeit habend. Fragestellungen Logos und Leben im
Sinne einer allwltenden Ordnung, und damit solche nach dem h"heren Sinn allen
organischen Lebens berhaupt, finden damit keine Beantwortung. Es sei denn mit
Sophisterei; damit kann ich ja schlielich sehr vieles beantworten; aber es kommt
dann oft einem Trugschlu recht nahe, wenn es nicht solch einer ist. Als
kleinliche, menschliche Torheit mu der im materiellen Naturalismus auch nur
kurz und flchitg Hineinsehende, beispielsweise alle Rassenvorurteile und
Rassendiskriminierungen bezeichnen.
Man frug mich einmal w"hrend des Prozesses gegen mich, ob ich Antisemit
gewesen sei.

/622/AE 35
Ich konnte diese Frage frei und gerade heraus mit einem Nein beantworten und
dafr Beweise erbringen. W"re ich es gewesen, dann h"tte ich sicher dafr auch
meine ,Grnde" gehabt und dann wrde ich solches auch erkl"rt haben. Natrlich
war ich - und dieses sagte ich auch - fr eine L"sung der Frage zwischen
Wirtsvolk und Gastvolk, nun die Komplikationen durch eine gezielte Propaganda
seitens des Wirtsvolkes auf eine Spitze getrieben wurden, die angeblich nicht
mehr sang- und klanglos aus der Welt zu schaffen war, und da diese
Angelegenheit schlielich zu eienm unverrckbaren Dogma erhoben wurde.
Aber einmal schwebte mir eine politische L"sung vor und zum anderen hatte ich
keiner Rassenvorurteilsgefhle.
--
(9)
Ein Walten schuf das all und im All manifestierte sich das Walten; und dem
Menschen kommt im Geschehen des Seins weder eine bevorzugte Sonderstellung
zu, noch ist er das ,Ebenbild Gottes", er kann es nicht sein, denn dazu fehlt ihm
die Allmacht.
Die Natur ist das Sein und der Menshc ist darin ein kleines Partikelchen. Kaum
erst von der Natur geschaffen, schon mat er sich an, korrigierend t"tig werden zu
wollen. Nein, dieses ging gegen meine berzeugung.
Verlautete man seinerzeit Solche Gedankeng"nge,

/623/AE 36
etwa die ,Blutschutzgesetze" betreffend, in Verbindung mit materialistisch-
naturalistischer berlegung, dann konnte ich h"ren, da es ein Abschwenken in
transzendentale Welten w"re und ein Verlassen der staats- und
gegenwartsbejahenden Lienie. Natrlich stand auch ich auf dem boden des
Gegenwartsbejahenden und in vielen Dingen auch konnte ich von einer
Staatsbejahung sprechen, schon aus Grnden der Selbsterhaltung meines Volkes.
Aber die T"tung von Zivilisten, die konnte ich allen nationalsozialistischen
Bekenntnissen zum Trotz, in keiner Form ordnend unterbringen.

Unreife Geister waren am Werk, um einer H"ufung von Begriffen und
Vorstellungen, den Klang von Ewigkeitswerten aufzudr"ngen. Aber selbst nach
einem gewonnenen Kriege, h"tten diese zusammengebrauten Postulate, einer
umfassenden Art Renaissance bedurft und unr unter Erarbeitung g"nzlich neuer
und innerlich auch wirklich befriedigender Ziele, h"tte man von einem etwaigen
Weiterbstand dieser Bewegung berhaupt sprechen k"nnen. Wenngleich ich auf
der anderen Seite der berzeugung bin, da es der damaligen Staatsfhrung sogar
gelungen w"re, selbst Zivilistenmord, durch entsprechende psychologische
Beeinflussung, bei dem Zeitgenossen moralischen Druck solange zu
kompensieren, solange der einzelne noch nicht in jenes

/624, 625/AE 40
Lebensalter einer abgekl"rten berschau eingeteten sein wrde, die ihn vor
propagandistischer Vernebelung feit.
Die Masse w"re ihr auf jeden Fall erlegen. Man hat es ja anderwo praktiziert und
erlebt.
Solche Gemeinschafts-Systeme aber sind als naturwidrig abzulehnen. Und man
sage nicht, das nationalsozialistische System wrde einen Einzelfall darstellen.
Der Beispiele sind viele. Ja ich m"chte behaupten, da die wenigen F"lle, in der
Geschichte, wo dem einzelnen Gemeinschafts-System solches nicht nachzuweien
ist, weil es ihm an entsprechender Gelegenheit dazu gefehlt hat.
Es ist einer der menschlichen Urtriebem der Kampf aller gegen Alle und er wird
solange dauern, bis sie nicht alle eines Tages ,in ein und denselben Topf gesteckt
werden".
Das einzige, worber ich mich wundere ist, da sich zu diesen eigentlich doch
recht berlebten System, selbst Nobelpreistr"ger und die brige Crme der
Wissenschaften bekannten und bekennen; ihnen folgten und folgen; von geringen
Ausnahmen abgesehen.
Freilich, es ist schwer, wenn man in einem Atemzuge damit bedenkt, da es selbst
einem Platon nicht gelang den Tyranen Dionysios, zur Verwirklichung seiner
Staatsfhrungsreformvorstellung zu gewinnen. Und auch Platon mute erkennen,
da die Staatsfhrung m"chtiger ist als selbst der Weise und da sie auch dessen
ethisches Handelnwollen paralysieren kann.

Nein, es ist richtig: "ndern kann

/626, 627/AE 41
der einzelne einen Zustand, den auch das Wollen der Masse im guten Glauben mit
herbeigefhrt hat, nur in den allerseltensten F"llen. Wenn man nun selbst ein
Teilchen solch einer Masse war und das Sein dazu beitrut, da ein solcher Zustand
eintreten konnte, den man sp"ter fr verh"ngnisvoll erkennen mute, dann macht
sich solch einer mit Recht Selbstvorwrfe. Es ntzt zwar auch nichts, denn
Geschehenes l"t sich nicht ungeschehen machen und man konnte die
Zielrichtung nicht ahnen. Und wenn nun jemand, - dem unter der Diktatur im
Rahmen des Kollektivs, Funktionen bertragen waren, die er auszufhren oder
auszuben hatt - nun pl"tzlich nach Zerschlagung der kollektivistischen sicherheit
alleine und ganz auf sich selbst angewiesen ist, dann tritt eine ebenso pl"tzliche
Leere ein. /2 Zeilen gestrichem unleserlich/Ein Zustand in dem er logischen
Denkens oder Handelns noch weniger f"hig ist und in welchem er nach der
berwindung des ersten Schockes, nach berwindung jenes Zustandes, in dem er
sich unterhalb jeder Lebenswillensgrenze befindet, alles Unheil und alles
Urs"chliche, da zu diesem Unheil fhrte durch vergleichende berlegungen,
jawohl auch vermischt mit Trugschlu und anderer Sophisterei, in seiner
gesamten Ausschlielichkeit, zuerst einmal den Feinden zuschiebt, und nur sie
alleine verantwortlich macht, fr das Herausreien seines Volkes, aus der
existenzsichernden Geborgenheit, und schlechterdings

/628, 629/
AE 42
fr alles Negative, zu dem sie, seine eigene Regierung zwangen.
Erst viel sp"ter, bei nchternerer Betrachtung erkennt er, da die Feindseite nicht
schlechterdings fr alles und jedes Negative verantwortlich gemacht werden kann
und langsam bekennt er sich zu einer etwas objektiveren Betrachtung der Dinge,
und gibt unter dem Druck seiner inneren Fragestellung nach vermeintlichem
Recht und Unrecht, da auch nach auen hin zu, was er bezglich dieser
berlegungen, gefhlsm"ig oder erkennend, schon zur Zeit der Macht seiner
eigenen fhrer empfunden hat.

Aber erst ganz zum Schlu, besch"ftigt er sich mit der Haltung seiner eigenen
Pers"nlichkeit. Hier aber ist fr ihn die Differenzierung der Wertungsgruppen,
was vermeintliches recht und was Unrecht war, noch bedeutend schwieriger, da
jetzt die Ausgangspunkte seiner Betrachtungen von einer Unzahl Faktoren
beeinflut werden, die ihn gewissensm"ig besch"ftigten und jetzt erst recht
besch"ftigen. Sie reichen von der wirklichen oder vermeintlichen Verpflichtung,
der er unterworfen war, bis in das Gebiet der Psychologie hinein. Ganz besonders
dann, wenn es sich um eine Kollektivangelegenheit, politischer Natur handelt. Die
frage der Willens- und Handlungsfreiheit ist hier nicht nur ein Berg, hinter dem er
sich verstecken kann. Sie ist auch ein sehr reales und entscheidendes Faktum.
Einfacher freilich mte eine jede solche Betrachtung bei ehemaligen
Befehlsgebern sein.
Eines ist richtig: es l"t sich annehmen, da im Verh"ltnis zur Masse aller
Beteiligten nur in den selteneren F"llen

/630/AE 43
eine bertretung des sittlichen Gebotes, in Handlungen welche zur Kriegszeit
geschehen, vom befehlsempfangenden Einzelindividuum initiativ und von sich
heraus ausging. Die Staatsfhrung selbst war es, die solches befahl; das
Staatsoberhaupt; der eigene Polizeichef; der unmittelbar vorgesetzte Gerichtsherr.
Diese befahlen.
Ich selbst stehe auch heute, nach wie vor - bezglich meines Falles - auf dem
Standpunkt, da mich eine Schuld im juristischen Sinne, in keinem Falle trifft.
Und dies ohne jede Sophisterei!
- , -
(10)
Ich geh"rte nicht zu jenen, welche nach dem verlorenen Krieg nun alles von heute
auf morgen von sich warfen und sich opportunisische lauthals zur demodratischen
Umerziehung und Entnazifizierung behkannten und sich als unfreie Verfhrte
hinstellten. Ich halte selbst heute noch die Form, wie solches durchgefhrt wurde,
fr einen Unfug, den sehr Schlaue, nicht geboren haben mochten. Ganz abgesehen
davon, da das Verhalten gewisser M"chte nach 1945, due Meinung aufkommen
lassen konnte, als habe man den Teufel mit dem Belzebub vertrieben. -
Eine Flucht in die Philosophie alleine, h"tte mich keinesfalls restlos befriedigt,
auch ben"tigte einen guten Schu an Tatsachen, die geeignet waren mein
Vorstellungsgeb"ude, welches sich mir jetzt neu zu errichten hatte, zu sttzen. Es
war anf"nglich ein schwaches Geb"use, da durch nationalistische Anwandlungen
immer wieder zusammenbrach oder zusammen zu

/631/AE 44
Brechen drohte. Meist waren esVorg"nge politischer Natur, just in den Jahren der
,Umerziehung" des eigenen Volkes, die mir dann jede Lust nahmen, an mir
weiterzuarbeiten und die mich rckf"llig werden lieen. Dann aber kamen Jahre
gewisser Ruhe und ich fand keine allzugroen Anstosteine; es waren die Jahre
der ersten erfolgreichen Versuche, den Schritt in den Weltenraum zu tun, es waren
die Jahre in denen sogar den Raketen einmal ein anderes Ziel gegeben wurde, als
dichtbewohnte St"dte der Erdbev"lkerung.
Und in dem Mae ich mich immer intensiver mit meinen Gedanken befate,
erhielt mein geplantes Geb"ude, ohne da es mir so eigentlich recht zum
Bewutsein kam, jedenfalls ein Fundament, da meinen ansprchen, die ich
keinesfalls sehr hoch schraubte, gengte. Ich brauchte es jetzt nur noch zu festigen
und auf dieses Fundament mein neues Geb"ude zu bauen.

(11)
- , -
Will ein Mensch sich ein Haus bauen, dann mu er zu allererst einmal
zusammenkratzen, was er an Geld oder Geldeswert hat, um dafr den Baugrund
und das Baumaterial zu kaufen; denn nur die wenigsten Menschen k"nnen solche
Auslagen als Nebenauslagen ansehen, die sie mhelos bestreiten k"nnen.
Dem kleinen Mann gengt ein bescheidenes H"us`chen, denn seine Mittel sind
beschr"nkt. Er kann es ja sp"ter, im Laufe der Zeit immer noch besser ausbauen.
Er kann es vergr"ern, durch Anbau oder Aufstockung. So, wie es ihm seine
Vorstellung

/632/AE 45
Und M"glichkeiten gestatten werden. Er hat inzwischen mit dem Spaten einige
Probeaushebungen vorgenommen; er wei wie das Erdreich beschaffen ist und
wie er daher glaubt fundamentieren zu men. Auch umz"unt er seinen Bauplatz;
er kapselt sich ab. Es ist ja nicht n"tig, da ihm alle Nachbarn zuschauen; sie
wrden ihn auch nur unn"tig st"ren. Er beginnt jetzt einen kleinen Plan, oder auch
nur eine Skizze zu fertigen und dann gedenkt er danach Ziegel fr Ziegel zu
setzen, nachdem das Fundament tragfest geworden ist. Ein Dach ber den Kopf;
Fenster und Tren werden eingepat und schon kann der Mensch, wenn Not am
Mann ist, einziehen, denn die meiste weitere Arbeit, wird sich ohnedies jetzt im
Inneren des Hauses abspielen. Sie ist bei fast jedem Wetter zu machen. Der "uere
Verputz ist gegen die Unbilden der Witterung auch noch n"tig, wenngleich nicht
fr alle klimatischen Zonen von gleicher Bedeutung.
Meine Frau und meine erwachsenen S"hne wollten in Argentinien ein Haus
bauen. Eich hatte damals etwas freie Zeit und besuchte die Fachleute. Ich kam aus
dem Stauenen nicht mehr heraus, was da alles zu beachten w"re und mit was man
rechnen mte. Wie sich die Kosten verteilen wrden und welche gesetzlichen
Bestimmungen vorgesehen seien. Die fr mich zum Teil unverst"ndlichen
Fachw"rter, komplizierten und verwirrten die Dinge immer mehr.
Ich sagte mir, bei solchen Schwierigkeiten kommen voraussichtlich weder meine
Frau, noch meine

/633/AE 46
Kinder, zu Lebzeiten zu einem Haus. Da setzte ich mich eines Tages hin, und
machte eine Skizze. Im Maschinenbau w"re sie sicherlich irgendwie noch gn"dig
akzeptiert worden aber jeden Baupolier h"tte sie in hellste Verzweiflung gebracht.
Dann fundamentierten und mauerten meine S"hne, und ich mit ihnen, und ich
glaube in Jahresfrist stand der Rohbau fertig da. Nicht tagt"glich konnten wir
arbeiten, dazu hatten wir keine Zeit. Samstags und Sonntags und sonst, wenn
jeder gerade mal Zeit hatte. Und es ist nach Meinung der Fachleute, ein recht
solides und fest gebautes Haus geworden.

Genauso ging ich mit dem Bau meines neuen Weltbildes zu Werke. Die Arbeiten
und Schwierigkeiten waren ganz "hnlich, dem eben geschilderten Hausbau.
Hier st"t man beim Suchen nach der Wahrheit, nach der Gltigkeit der Dinge,
nach umfassender Klarheit, auf eine solche Unmenge schulphilosophischer
berlegngen, Vermutungen, Erkenntnisse und Meinungen, da man zu Anfang
schlechterdings zurckschreckt.
Aber nach und nach geben die alten und neuen Weisen da, was zur Sammlung
zuerst vonn"ten ist: den Abstand von den Dingen des Tages. Als ich diesen
endlich hatte, da konnte ich anfangen zu mauern. Nur eines: bauen mute ich hier
ganz alleine

/634/AE 47
Fr mich. Mein Weltbildhaus hat sicherlich viele fachliche M"ngel und Fehler.
Ich habe es daraufhin noch nicht einmal berprfen lassen. Auch das Haus, da
meine S"hne und ich bauten, hat einige fachliche M"ngel, aber sie st"ren meine
Familie nicht, denn die Statik wird durch sie in keinerlei Weise beeintr"chtigt und
es l"t sich recht sch"n in diesem Hause wohnen. Es interessiert auch einmal
gro, ob sich da und dort, dieser oder jener Fehler eingeschlichen hat; die
Hauptsache ist, da man sich in einem solchen Hause wohl fhlt.
- , -

/636/ AE: 48

-(12)-
Protagoras sagte vor rund 2.400 Jahren, da er von den G"ttern nichts wisse; er
k"nne weder sagen da es solche g"be, noch k"nne er sagen, da es keine g"be.
Wir sind in dieser Erkenntnis bis zum heutigen Tage nicht um einen Schritt weiter
gekommen.
Der eine glaubt an Gott; der andere nicht.
Wissen tut es keiner.
Ich glaube an einen Gott. -

Ich la(sic) vor wenigen Jahren in Argentinien eine mich fesselnde Theorie ber
die Entstehung unserer Welten. Ein belgischer oder franz"sischer Priester stellte
sie auf.

Vor einem Zeitraum von etwa fnf Milliarden Jahren explodierte eine
Kernbreimasse vorstellungsm"ig etwa in der Gr"e eines Wrfel von mehrern
hundert Kilometer Kantenl"nge. Der modernen Astronomie und Physik sind
solche Katastrophen nichts Neues.
Der Kernbrei wurde ,verdampft". Mit gewaltiger Geschwindigkeit wurden diese
,Explosionsdampfwolken" in den Raum geschleudert. Nach allen Richtungen
stieben sie auseinander und ihre Geschwindigkeit nahm (und nimmt immer noch)
zu, je weiter sie sich dem Explosionsherd entfernten. Die Rotation verlieh diesen

/637/ AE: 49

Gasgebilden Form und Gestalt und die Abkhlung hatte Verdichtung zur Folge.
Und unsere Erde, als einer der Planeten unseres Sonnensystems ist ein ganz
kleines Partikelchen, ein St"ubchen nur, in der gewaltigen Zahl der anderen
Sonnensysteme im Rahmen ,unserer Milchstrae", von denen es ebenfalls
ungez"hlte noch gibt.
Soweit die Geschichte.
Nun, solches ist so undenkbar nicht und scheint durchaus verst"ndlich; besonders
nachdem der Menschheit selbst es bereits gelungen ist, solche Naturkatastrophen,
im kleinsten und bescheidensten Rahmen, in Form von einigen
Atombombenexplosionen w"hrend des letzten Weltkrieges, und danachfolgen
Wasserstoffbombenversuchen, nachzumachen.
Bezglich der Zeitbestimmung scheint es von seiten der berufenen Fachleute
offenbar auch keine die Theorie umstrzenden sachlichen Einw"nde zu geben. Ja,
sie ist darber hinaus, wie man lesen kann, in etwa sogar kontrollierbar;
Verfallszeiten, Halbwertzeiten und Strahlungsverlust; Umwandlung, z.B.: Radium
in Blei; sie spielen in solchen Berechnungn mit ein(sic) Rolle. Aber nicht nur
irdische Zeugen erz"hlen von l"ngst vergangenem Geschehen, auch andere Sterne
schicken uns laufend die Boten. Das auf uns kommende Licht ferner Welten, wird
spektralanalysiert und Meteorteilchen wandern in Laboratorien.
Und so ergibt es sich, da die Explosion, von der unserer kleine Geschichte
erz"hlte, offenbar nicht einmal die einzige

/638/ AE: 50
ihrer Art ist. Und zwar andere, gewaltigere Naturkatastrophen, den lumpigen
zwanzigmillionen Grad Hitze, dem Helfer bei der Geburt unserer Welten, noch
spottend. Und wir Menschen, inmitten unserer galaktischen Welten, erahnen
supragalaktische Gr"en, die Bahnen des Raumes durchjagend.
Dies alles bewegt sich im Raum; im All, wie wir es nennen.
Einer bezeichnet als Raum das Insgesamt aller Getgend, in der die k"rperlichen
Dinge auftreten k"nnen.
Der andere gibt zu dem Dreidimensionalen des Raumes an sich, die Zeit noch /2
Zeilen unleserlich gemacht/. ,Er fliet"; ,ununterbrochen und stetig sich
ausdehnend."
Wieder andere sehen ihn rechtwinkelig und sie stehen im Gegensatz zu denen, die
ihn gekrmmt wissen wollen.
Jene vertreten die Meinung, der Raum sei ein leeres und totes Nichts und er habe
keine andere M"glichkeit, als ausgefllt zu werden.
Und diese wiederum sagen, kein Zweifel, er hat eine Realit"t, wenngleich auch
auerhalb unseres Geistes.

Ich meine, ein Nichts kann weder gekrmmt sein, ein Nichts dehnt sich nicht aus,
es ,fliet" nicht, ein ,Insgesamt der Gegenden" ist immerhin

/639/ AE: 51

auch ein Etwas, und da(sic) worin etwas auftreten kann, ist folglich kein Nichts.

Ob die mir augenscheinlich bekannten Weltensysteme und darber hinaus gem"
meiner ahnenden Vernunft weitere Welten auf die Art von stattgefunden(sic)
Explosionen, wie eine solche meine Eingangsgeschichte aufzeichnete in dieses
Etwas geschleudert wurden, eine Sache, die mir recht einleuchtend ist, und fr
meinen Hausverstand brauchbar erscheint, oder ob sich die Ordnung auf anderen
Bahnen urs"chlich vollzog, wird solange sicherlich unbekannt bleiben, bis eines
Tages der Mensch diese Welten betreten kann und seine Untersuchungen an Ort
und Stelle durchfhren wird.

Als vorl"ufigen Endwert dieser Urs"chlichkeit aber sehe ich, der Mensch,
nunmehr das ,Sein" und empfinde es. Dieses ,Sein" unseres Weltensystems hat
jedenfalls in einer ,Zeit", die vor einer bis zehn Milliarden Jahren zu liegen
kommt, konkrete Gestalt angenommen. Ein ,Ist" kam durch einen Sch"pfungsakt
und zieht seine Bahn. /gestrichen: nach den Gesetzen des Makrokosmos/
Und hier setzt man den Beginn unserer ,Zeit"; das ,Sein" liegt in ihr.
In dieser ,Zeit" erfolgt im ununterbrochenen Kr"ftestpiel der Natur, das sich stets
vervollkommnende ,Werden" des entandenen ,Seins".
Alles ,Sein" ist im steten ,Werden"; und dieses

/640/ AE: (52)
(Irrtmlich ausgelassen)

/641/ AE: 42
(Irrtmlich ausgelassen)

/642-643/ AE: 52

ist es, was mich ganz besonders interessiert. Hier habe ich also fr mein
Vorstellungsverm"gen etwas ,Handfestes, Greifbares". Und ich hte mich aus
Grnden der Vorsicht, mich nicht zu sehr in andere Vorstellungsm"glichkeiten zu
begeben, in der Sorge, ich k"nnte etwas relativ Sicheres dabei verlieren. Ich
kmmere mich einfach um andere Seins-Auslegungen nicht mehr.
Es ist ja alles etwas unglaublich Fesselndes und Interessantes, aber wenn ich mir
ein Haus bauen will, dann mu ich mich schlielich und endlich auch einmal fr
einen bestimmten Typ, fr eine bestimmte Ausfhrung entschlieen. Oh ja, es gibt
eine ganze Menge sch"ner und herrlicher Formen, aber als ,kleiner Mann", kann
ich mir schlielich keinen Zwanzig-Zimmer-Palast bauen. Und was h"tte ich von
einem Palast, wenn nur die vier W"nde hochgemauert wrden und nicht mehr,
weil die Finanzen ersch"pft sind. Was ntzt mir existieren wollenden Menschen,
etwa ein glhender Gasball, eine halbflige Feuerkugel oder ein zwar schon
fester K"rper, der aber beschaffenheitsbedingt, dem organischen Leben keine
Existenzm"glichkeit bietet.
/6 Zeilen gestrichen, ersetzt durch Text von Seite gegenber: Was ntzen mir ein
halbes Dutzend anderer theorien; sehr sch"n, interessant aber leider unglaublich
kompliziert und schwer zu verdauen./

/644/ AE: 53

-(13)-
Das ,Sein" ist ein einziges, groes ununterbrochenes ,Werden", solange der
Seins-Zustnad anh"lt; und das ,Werden", ein immerw"hrendes,
ineinandergreifendes und flieendes bergehen von einem Seinszustand, ber das
Werden, in einen anderen Zustand des Seins.
Und dann war es eines Tages so weit, da der Seins-Zustand unserer Erde
geeignet war, organisches Leben zu geben und zu erhalten.
Pflanze; Tier; Mensch. -
Ob Haeckel, Darwin oder andere auf dem richtigen Wege der Deutung zur
Lebenswerdung waren, ist schlig bis heute noch nicht bewiesen worden. Mir
gengt es zu wissen, da ich im Akte der Zeugung einem einzigen von etwa 150
Millionen Spermateilchen, welches als erstes das reife Ei im Mutterleibe
befruchtete, meinen Eintritt als Mensch in das Dasein zuschreiben kann.
Ich, der Mensch, stamme aus einem gar reichen Hause; denn die Natur der ich
angeh"re, kann sich unglaubliche Verschwendung leisten; ich brauche mich daher
um gar ncihts zu sorgen, sie tut es mit ihrem unendlichen Reichtum fr mich. Und
fr mein ,Werden" ist fr das ganze ,Sein" gesorgt und ein Fallen in's ,Nichts",
das nicht existieren kann, ist unm"glich.

/645/ AE: 54

Und Tatsache ist, ich stehe im ,Leben" des ,Seins"; und das ,Leben" ist eine
Werdens-Bestimmtheit des ,Seins". Und solange aber das ,Sein", ,Leben" tragen
wird, bin ich diesem ewigen Kommen und Gehen, diesem ewigen Stirb und
Werde unterworfen. Solange einmal bin ich auf jedenfall unsterblich.
Dies aber ist es, was mich beruhigend an der Sache interessiert.
Und ich vermag nicht einzusehen, da das Leben eine Last ist - obschon ich zur
Zeit im Gef"ngnis sitze - auch vermag ich nicht zu erkennen, inwieferne man sich
,vor dem Tode" frchten solle, oder infolge einer mjutmalichen Endbestimmung
alen organischen Lebens, von Angst geplagt sein mu.
Etwas, welches das naturgewollte Schicksal aller Menschen ist, kann nichts
Schreckliches sein. Undenkbar ist es fr mich, wenn ich den natrlichen Ablauf
der Dinge betrachte, das Walten, welches uns Menschen in seinen Plan setzte,
k"nne nur Nutzlosigkeit und Leid, zum Lose des Lebens bestimmt haben.
Freilich, es ist eine weise Vorsehung, die uns Menschen, nicht gerade als
Menschen unsterblich werden l"t. Dies ist sehr tr"stlich. Aber der Gedanke an
die Flle der Lebensformen, welche ich einem ehernen Naturzwang noch zu
durchleben haben werde, stimmt mich heiter, glcklich und froh.

/646-647/ AE: 56

Da wir als Menschen noch so viel an Leid und Sorge mit uns herumtragen und
gegenseitig zufgen, liegt in der Unzul"nglichkeit unser selbst. Auch der Mensch
ist einer immerw"hrenden Verfollkommnungsentwickelung unterworfen, solange
das ,Werden" es vorsieht. Und noch stehen wir Menschen erst am Anfag unserer
Formung und vieles, was uns Heutigen noch ngste und Schrecken verursacht,
wird durch den Schleifstein des ,Werdens", gegl"ttet.
Das Leid und die Drangsal der Menschen in frheren Zeiten, war vergleichlich,
noch ungleich gr"er als heute. Und in knftigen Epochen werden unsere
Nachkommen bei Anlegung des Vergleichsmastabes, genau dasselben
behaupten, von uns.
Immer kann es und wird es zeitweilige Rckschl"ge, ja vermeintlihce
Rckw"rtsentwicklungen geben; doch was tut dieses zur Sache, bei Betrachtung
der Ganzheit. Es ist ein trauriges Schicksal fr in solche zeiten Hineingeborene;
dies ist unleugbar. Und der Mensch sollte versuchen, kraft seines K"nnens, dem
Rckschlag zu steuern. Er vermag es schon l"ngst /ca. 1 Zeile unleserlich
gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenber: ob er es endlich will, wird die
Zukunft beweisen./
Ein gtiges Walten will jedenfalls keineswegs das Verderben. Dies beweist mir
ganz deutlich, da es mir, der ich mit in einem Teil des organischen Ablaufes der
Dinge gestellt bin, das Gefhl fr Freude und Herzlichkeit gab.

/648-649/ AE: 57
Und unm"glich ist das Wollen des Waltens, da sein Geschaffenes, in Furcht,
Angst, Zittern und Leid gar, verkomme.
So gesehen ist meine Auffassung, welche ich mir von den Dingen mache,
freundlich und heiter. /Zusatz von Seite gegenber, nicht genau plaziert: Und ich
vermag nicht den Sartre'schen Standpunkt zu teilen, da Leben, wie Tod,
Absurdit"ten seien. Zwar gebe ich zu, da sie unwichtig sind, sowohl Leben sie
Sterben, von der Wartes des ,Werdens im Sein" aus gesehen, soweit es mich, als
Person anbelangt./
Ich habe den Anschlu wieder bekommen an Ruhe und Frieden; Werte, die ich in
jngeren Jahren schon einmal hatte.
Zwar beziehe ich sie jetzt aus anderen Bereichen; doch was tut dies zur Sache.
Das Ergebnis alleine ist bestimmend.
Die Zeit dazwischen aber h"tte mich mir einsparen k"nnen.
----------
Epikur sagt ber den Tod, da dieser, solange er lebe nicht da sei. Kommt er, ist
Epikur nicht mehr da. Und Schopenhauer denkt den Tod nicht schlimmer als die
Geburt.
Ich erg"nze, halte mich zwischen Tod und Geburt, die ich nicht kenne, und sage,
die Hochzeit mit meiner Braut zu feiern ist fr"hlich; ein ,neues Leben" beginnt
dann fr beide. Und der Tod tut nichts anderes, er fhrt mich zu neuen Leben.
/Zusatz von Seite gegenber: Achtung! nicht neuem Leben, sondern wie ich es
schrieb! (Mehrzahl)/
Aber der ,Tod" des Organischen ist eine naturgesetzte Notwendigkeit, im Zuge
der fortschreitenden ,Werdung des Lebens" und dient der Vervollkommnung.
Eine Umwandlung ist es zu Neuem, nicht mehr. Wozu also Angst und Besorgnis?

/650-651/ AE: 58
Tausend mal tausend Tode, ziehen mich in tausend mal tausend Leben; in seinen
mannigfaltigsten Daseinsformen. Im ununterbrochenen Spiel. Solange, bis aus
klimatischen Grnden, die Erde, welche mein jeweiliges Leben tr"gt und ern"hrt,
mich nicht mehr erhalten kann.
Mit Erreichung der Existenzlosigkeitsgrenze fr organisches Leben auf unserer
Erde, f"llt dieses wieder zurck in andere Formen des ,Seins". Und hiermit wird
der erste Kreis nun geschlossen, und weitere folgen. Bis abermals eine neue
Urs"chlichkeit zu neuen Beginnen /Zusatz auf Seite gegenber: Achtung! Zu
neuen Beginnen!!! (Mehrzahl)/ den Anla gibt. Denn nichts im All kann ruhen
und stehen und alles ist stets im flu. Und es gibt keinen Tod als solchen, weil es
kein Nichts gibt. Denn das Glieen schliet sich in sich, um wieder zu flieen.
-(14)-
Wenn ich so dieses Gebilde betrachte, dann mu ich sagen, es ist eine Zeichnung
die mich erfreut. Alles Finstere und Dunkle entschwindet und ich bin glcklich
darber. Einfach, in sich geschlossen, steht es mir stets vor Augen; anders h"tte es
im Gehetze des Alltags auch wenig praktischen Wert. Denn je mehr Zeit ich
aufwenden mte, um durch scharfsinniges Denken - falls ich mich dazu
berhaupt aufraffen m"chte - mein Weltbild vor mir zu haben, desto weniger
wrde es mir fr den Hausgebrauch ntzen.
So also kenne ich meine Rolle, welche zu spielen, im Ablauf der Dinge

/652/ AE: 59

mir zugedacht ist.
Dies gibt mir jetzt auch den Abstand vom kleinlichen Tagesgeschehen und alles
gestern noch Schwere, ist heute entschwunden.
Es ist dies die wahre Freiheit; aus der Erkenntnis geboren, da kein Menschentand
mehr f"hig ist, mir meine innere Ruhe zu rauben. Und damit "ndert sich
gleichzeitig meine Stellung von Mensch zu Mensch; sie wird eine andere. Heutere
Aufgeschlossenheit, kein "ngstliches Lauern, Vorurteilslosigkeit, kein Neid und
kein Ha, sind mit die wichtigsten Pluspunkte. Zwar bin ich nach wie vor Egoist,
doch diesmal nicht auf Kosten der anderen. Jetzt nehmen sogar die Mitmenschen,
an diesem Egoismus auch fr sie gewinnbringenden Anteil. Denn Streitsucht,
Hader, Schwierigkeitsbereitung, Miachtung, Verleumdung und wie die Litanei
der Verdrugrnde da lautet, erlebt mangels ausreichender Begrndung,
Abschw"chung in bisher nicht gekannten Gr"en.

Ich erfuhr in gengendem Mae die Auswirkung einer pessimistischen
Weltbildvorstellung; als Geb"rmutter vielen bels kann man sie ruhig
bezeichnen.

Und in folgerichtiger Auswertung dieses Erkennens, ist zerfleischender Kampf
um souver"ne Belange kleiner Sektoren, jene Zusammendr"ngung beherbergend,
die als ,mein Volk" genannt wird, von absoluter Unwichtigkeit geworden.

/653/ AE: 60

Es ist mir nationales enghorizontiges Denken und Verharren in demselben direkt
zur Last geworden, die mich behindert.
Gegenseitiges Mitrauen, Vorherrschaftsbestrebung des einen ber den anderen,
Wertung- und Klassifizierungsgruppen der Menschen, dies alles geh"rt fortan
zum alten Germpel.
In Wahrheit, da(sic) derzeitig immer noch andauernde und beigehaltene(sic)
System im Zusammenleben der V"lker, kann nur als eine tragische Lage der
Menschen auf Erden bezeichnet werden. Und bei Fortdauer derselben, lebt der
Mensch, bar jeder Hoffnung und Zuversicht, seine Erdentage dahin, ohne sie in
glcklichere Bahnen verbringen zu k"nnen.
Denn was ntzt dem einzelnen seine ihn befriedigende Weltbildvorstellung und
was ntzen Erkenntnis vom h"heren Sinne des ,Seins", wenn jeden Tag
Kriegsgesetze in Kraft treten k"nnen und die Handlungsfreiheit des einzelnen,
starr mit Beschlag gelegt(sic) wird.
Zahlreich sind die durch Jahrtausende erprobten Gesellschaftsformen, mit dem
Ziel, mehr oder weniger befriedigende Systematik in das Zusammenleben der
Menschen zu bringen. Aber wirklich gerecht werdend fr heutige Verh"ltnisse,
scheint nichts von allem Herk"mmlichen zu sein. Freilich, wie berall, sind auch
hier die Dinge in stetem Flu. Und es l"t sich annehmen, da was bei einer
Gesamtbev"lkerung von rund drei Milliarden,

/654/ AE: 61
ein dringendes Gebot der Stunde wurde, die Menschen zu einer Zeit, wo sie mit
einer einzigen Milliarde dahin leben konnten, m"glicherweise noch nicht zu
interessieren gehabt hat. Und mir will scheinen, als seien Gedanken, die eine
globale L"sung behandeln, umstnadsgem", glcklich und gut. Denn im ,Werden
des Seins", dr"ngt alles zum Ganzen.
Warum der moderne Mensch sich einer solchen L"sungsform trotz zwei
vernichtenden Weltkriege, bisher noch immer verschlo, dies scheint wie ein
R"tsel. Vielleicht ist es eine Verkettung von mancherlei Ursache und Wirkung;
und menschliche Starrk"pfigkeit scheint mir dabei nicht eine der letzten zu sein.
Nun gut, die Kommenden werden es "ndern; ohnedies werden sie nur noch ein
bedauerndes L"cherln brig haben, fr unser Verhalten.
Haben wir Heutigen etwa kein mitleidiges L"cheln bezglich der Haltung unserer
Vordern, wenn wir an die Dutzende der deutschen Kleinstaaten denken. Noch
Goethe fuhr nur wenige Stunden Postkutschenfahrt und schon war er im Ausland
und anderen Gesetzen unterworfen. Dann aber r"umte man eines Tages auf mit
dieser Miniaturstaaterei. Und warum sollte solches fr die gesamte
V"lkergemeinschaft nicht Gltigkeit haben.
Nach solcher L"sung wird sich von selbst dann ein friedliches Zusammenwirken
der Menschen untereinander ergeben. Denn in politischer Hinsicht wird es
solcherart zwangsl"ufig schon, zu einer Neutralisierung des Gegens"tzlichen
/technische Bemerkung am unteren Rand unleserlich gemacht/

/655/ AE: 62

kommen. Und dem Alltagsgeschehen wird dann jene Bedeutung zuteil, die ihm
billigerweise zur Lebensverbesserung einger"umt werden mu.
Aufgabe der L"nderregierungen, welche dann nur noch provinziellen Charakter
haben, wird sein, im Verein mit der Zentrale, die Glcklichermachung der V"lker
der Erde. Und je eher ist solches erreicht, je mehr fr die pers"nliche Sicherheit
und Unabh"ngigkeit des Einzelmenschen gesorgt und jedwede Vergewaltigung
desselben verhindert wird.
Bei gleichbleibender Tendenz aber wird trotz der sch"nsten
Weltbildvorstellungen, die der Einzelne auch(?) haben mag, die Masse
unweigerlich in die Daseinsangst der Primitiven so lange zurckfallen, bis ein
"uerer, gewaltsamer Anla, zu solch einer L"sung dann zwingen wird, falls es
sich dann berhaupt noch verlohnt.

/656/ AE: 63
/technische Bemerkung am oberen Rand unleserlich gemacht/
Denn bei ehrlicher Betrachtung der Lage ist es seit langen, langen Zeiten doch so,
da sich jeder selbst der N"chste ist. Trieblich bedingt; ein Urzustand. Alle
diesbezglichen Korrekturbestrebungen haben breiten und dauernden
Niederschlag bisher nicht gefunden. Und nur eine bernationalisierung der
V"lker, nimmt den nun einmal vorhandenen Urtrieben, wenigstens einen Teil der
von Menschen durch die Nationalisierung knstlich geschaffenen, zus"tzlichen
Tummelpl"tze. Und solange des bei der Eigenstaatlichkeit, bei dem
Unabh"ngigseinwollen des einen Staates vom anderen bleibt, solange wird der
Standpunkt ,Jeder ist sich selbst der N"chste", auch im nationalen Sinne, seine
unausrottbare Bedeutung beibehalten, und in Zeiten des Kriegszustandes wird die
Mehrzahl der Bev"lkerung eines Staates auf jeden Fall, willig oder widerwillig,
da(sic) ausfhren, was der Staat befiehlt. Geht solches nicht mehr auf gtlichem
Wege, dann hat der Staat bereits dafr Vorsorge getroffen, dem Nachdruck zu
verleihen.
Und alle sittlichen Forderungen mit denen der einzelne schwanger geht, alles
ethische Wollen des einzelnen, bleibt Theorie, die praktisch keinerlei konkreten
Niederschlag zu zeitigen in der Lage ist. Denn der Machtapparat des Staates,
w"lzt alle Erscheinungen handlungsm"iger Natur, so sie seinem Ziel und seinem
Wollen entgegenstehen, nieder.
Egal, ob Demokratie oder Totalitarismus, egal, ob Monarchie oder Republik.

/657-658/ AE: 64
Dies ist in Kriegszeiten jedenfalls die nakte(sic) Wirklichkeit, die durch nichts fort
philosophiert, ja nicht einmal fort sophistiziert werden kann.
Es ist fr einen Menschen verh"ltnism"ig leicht, von zu verwirklichenden
Sitttengesetzen zu sprechen und dabei auch gegen einen staatlichen Machtapparat,
als einzelner /Zusatz von Seite gegenber: - gleichwohl er um die praktische
Erfolglosigkeit wei - / aufzustehen und lauthals zu sagen: ,Hier stehe ich, ich
kann nicht anders, als Euch zu sagen, da(sic), was Ihr macht ist eine groe
Schweinerei, ihr seid M"rder, Verbrecher und Volksbetrger und ich schreie es in
alle Welt hinaus und ich selbst werde nicht einen Tag mehr fr euch t"tig sein",
wenn der Betreffende entweder sein entsprechendes Alter so zwischen die Fnfzig
und Sechzig mindestens, erreicht oder: keine Familie hat, oder: seine Familie
wirtschaftlich so gesichert ist, da seine diesbezgliche Sorgepflicht als
unerheblich angesehen werden kann.
In allen anderen F"llen, wird das Individuum sich im besten Falle winden und
wenden und letztlich doch die staatlich befohlene ,Pflicht" tun. Die wenigen
Ausnahmen best"tigen die Regel.
Und nicht zuletzt waren offenbar auch solche berlegungen mit der Grund,
wessentwegen beispielsweise die r"misch-katholische Kirche ihren Geistlichen
das Z"libat auferlegte. Der Bekennermut und der Wider-

/659/ AE: 65
stand in Zeiten der Bedrohung ethischer Werte, in Zeiten der Glaubensbedrohung,
unbeschadet der Konsequenzen fr die Person des Bekennenden, und unbeschadet
der irdischen Nutzlosigkiet seines Opfers, wird durch solch eine Freiheit von
Sorgepflichtbindungen, st"rker und hartn"ckiger.
Deswegen sagte ich, das bel me im Grunde, an der Wurzel, ausgerottet
werden. Die Organisationsform, die den Menschen in solche Konflikte bringen
kann mte beseitigt werden. Nicht der Mensch hat sich der Organisationsform
im Zusammenleben, anzupassen, sondern die Organisationsform, mte auf den
Menschen zugeschnitten werden. Dieses alleine scheint praktische
Nutzanwendung auf Grund der bisherigen trben Erfahrungen zu sein; das andere
ist, glaube ich, H"retisches(?) Geschw"tz. Wohl sch"n fr die Stunden der inneren
Erbauung, aber was ntzt dies, wenn Mord und Vernichtung weiterhin staatlich
befohlen werden k"nnen.
Und es ist fr mich heute ein leichtes reden(sic), wenn ich sage, ich habe fr mich
mein Weltbild, da(sic) mich befriedigt, endlich gefunden.
Ich bin inzwischen sechsundfnfzig Jahre geworden, und sehe die Dinge auch des
t"glichen Lebens anders als frher. Sterbe ich morgen, ist es gut; sterbe ich heute,
bueno, dann ist es auch recht. Nicht von unbedingter Wichtigkeit bin ich mehr fr
die leibliche Existenz meiner Familie. Zur Not wird sie heute auch ohne

/661/ AE: 66
mich, zurecht kommen, Denn rund zwanzig Jahre ist seit dem Geschehen
inzwischen alles "lter geworden.
Der Soldat der da fiel, er wute, da staatliche Hinterbliebenenfrsorge die Seinen
vor bitterster Not schtzte, denn so besagten es die Gesetze. Der
Kriegsdienstverpflichtete aber, der da gegen den staatlichen Stachel l"ckte und
dieserhalb geahndet wurde, wute, da sich um seine Familienangeh"rige
niemand kmmern wrde. Im besten Falle, im allerbesten, w"ren sie dem
Familienverbande zur Last gelegen.
Und weil die Sorgepflicht, das Sorgefhl um die Seinen ebenfalls trieblich bedingt
ist, wird sich auch an der Einstellung des Menschen zu diesen Dingen nicht
"ndern.
Damit aber wird in Zeiten der Katastrophen auch die Einstellung der
Jahrg"nge zumindestens zwischen fnfundzwanzig bis fnfzig zu diesen Dingen
die gleiche sein, wie wir sie hatten und wie jene sie hatten, die vor uns waren.
Denn noch ist das System der Gesellschaftsordnung dasselbe.
/nach Zusatz von Seite gegenber, gestrichen, aber noch lesbar: Daher m"ge die
kommende Generation sich fr sich zuerst einmal jene Organisationsform zu
einem besseren Gemeinschaftsleben zurecht bauen, die solche Komplikationen
ausschliet, denn die Weltbildvorstellung, die da beruhigt, die kommt dann ganz
von selbst und sie wird in Frieden und Ruhe leben k"nnen und die Freude wird
der Inhalt ihres lebens sein; denn die Ganzheit kennt nur das Gute./

/660/ Zusatz zu S. 66
Ich sprach von der Sorgepflicht.
Aber warum tr"gt das Individuum sich denn mit der Sorge; doch nur weil es fr
sich und den Seinen, Frieden und Nahrung will, dann lebt es in Freude.
Und ob Flora und Fauna, auch dort ist's das Gleiche.
Um die Freude alleine, dreht sich das Fhlen und Denken der Menschen.
Aber der Sorge des Individuums um sich und den Seinen, haben die St"rkeren
unter den Menschen, sich zu allen Zeiten, als mit eines der Haupthilfsmittel, zur
Erreichung ihrer eigenen pers"nlichen Wnsche bedient. Und von den
Sklavenhaltern in grauen Vorzeiten als Einzelpersonen bis zu unseren angeblich
modernen Gesellschaftsformen als Gemeinschaftsunternehmen, ist es ein und
dasselbe. Das bereits urs"chlich im Menschen als Hauptquell seines Seins
vorhandene Sichfreuenwollen, wurde und wird ausgentzt, unter Versprechung
und Gewalt.
Die Ursache, wessentwegen berhaupt organische Einzelwesen existent sind,
n"mlich sich der durch ein Walten eingesetzten Freude zu bedienen, wird durch
menschliches Eingreifen herangezogen, um auf Kosten der Freude anderer,
entweder seine Freude mhelos zu erhalten, oder sie mhelos zu vervielfachen.
Solches aber, kann nicht im Sinne der gesetzten Ordnung und Harmonie des
Waltens sein, weil es allem uns Bekannten widerspricht; seien es die Prinzipien
der Ordnung und Harmonie in den atomaren Welten, seien es diese, der
Bewegung der K"rper im All.

/662/ AE: 67

Daher m"ge die kommende Generation sich fr sich zuerst einmahl(sic) jene
Organisationsform zu einem besseren Gemeinschaftsleben zurecht bauen, die
solche Komplikationen und Konfliktstellungen ausschliet, denn die
Weltbildvorstellung, die da beruhigt, die kommt dann ganz von selbst.
Und das Hoffen und Sehnen der Menschheit wird sich endlich erfllen; Frieden
und Glcksgefhl und die Freude, werden der Inhalt ihres Ganzheitslebens sein.
Denn die Ganzheit kennt nur das Gute. /7 Zeilen bis zum Ende des Kapitels
weitgehend unleserlich gemacht/
_________
/3 Zeilen unleserlich gemacht; der weitere Text bis zum Ende der Seite gestrichen,
aber noch lesbar: ,... Ich, der ich aus dem Sein einer allwaltenden Ordnung in
die hauchartig vorbergehende Erscheinungsform Mensch herausgestellt wurde -
so notierte ich mir einmal - erkannte durch der Umwelt Formung, allm"lig das
,Reich". Denn ich wurde als Deutscher geboren. Ich lernte das ,Reich" sowohl
als etwas Konkretes, wie auch seinen begrifflichen Sinn zu erfassen; alles, was
hier hineinversenkt wurde, und was ich als Nationalist empfand und ersehnte. -
So war es bis zum Jahre 1945./

/663/ AE: 63

/diese gesamte Seite gestrichen, aber weitgehend noch lesbar; obere H"lfte
nahezu identisch mit S. 62, untere H"lfte mit S. 67/
kommen. Und dem Alltagsgeschehen wird dann jene Bedeutung zuteil, die ihm
billigerweise zur Lebensverbesserung einger"umt werden mu. Aufgabe der
L"nderregierungen, welche dann nurnoch provinziellen Charakter haben, ist im
Verein mit der Zentrale, die Glcklichermachung der V"lker der Erde. Je eher ist
solches erreicht, je mehr fr pers"nliche Sicherheit und Unabh"ngigkeit des
Einzelindividuums gesorgt und jedwede Vergewaltigung desselben verhindert
wird.

Bei gleichbleibender Tendenz aber wird trotz der sch"nsten
Weltbildvorstellungen, die der Einzelne auchhaben mag, die Masse unweigerlich
in die Daseinsangst der Primitiven so lange zurckfallen, bis ein "uerer,
gewaltsamer Anla, zu solch einer L"sung dann zwingen wird. (x) Fortsetzung
siehe die vier Beibl"tter 59-62
-(15)-
/3 Zeilen weitgehend unleserlich gemacht, enden mit: meine Verteitigung einen
Gefangengru zu gehen:
,... Ich, der ich aus dem Sein einer allwaltenden Ordnung in die hauchartig
vorbergehende Erscheinungsform Mensch herausgestellt wurde, erkannte durch
der Umwelt Formung, allm"lig das ,Reich". Denn ich wurde als Deutscher
geboren. Ich lernte das ,Reich" sowohl als etwas Konkretes, wie auch seinen
begrifflichen Sinn zu erfassen; alles, was hier hineinversenkt wurde, und was ich
als Nationalist empfand und ersehnte. -
So war es bis zum Jahre 1945.

/664/ AE: 68
Aber im Laufe der letzten rund 1 Jahrzehnte, lernte ich langsam und ganz nach
und nach, immer wieder z"gernd und rckf"llig werdend, dann diesen
partikularisitschen Gedanken, in das Globale zu formen.
Ich bin der Meinung, da dieses Sehnen und Hoffen nach einer Vereinigung von
Logos und Leben, welches bedauerlicherweise zeitweilig in den verschiedenen
Formen, mit verschiedener Vehemenz zum Austragen kommt, nicht nur eine auf
uns Deutsche bezogene Angelegenheit, sondern allen V"lkern dieser Erde bewut
eigen ist.
Darin aber erkenne ich den Kern aller menschlichen Zwietracht untereinander und
mit eine der Wurzel vieler bel.
Wird aber dieses, dem menschlihcen Wunschgedanken urs"chliche Sehnen anstatt
sektorenartig in globaler Universalit"t gedacht, und ihm Ausdruck verliehen, dann
tritt an Stelle einer alles zerst"renden Wirkung, ein friedliches Hinstreben nach
der Erfllung der menschlichen Wnsche. Ja, selbst der Hang zu dem nun einmal
vorhandenen menschlichen Egoismus geht hierbei nicht leer aus, denn ein jedes
Individuum bucht per saldo aus dem friedvollen Nebeneinanderleben, seinen
eigenen, ganz pers"nlichen Vorteil, der ihn mit gr"eren Annehmlichkeiten als
zuvor, in den nunmehr geruhsameren Mittelpunkt seiner eigenen, kleinen,
privatpers"nlichen Welt stellen l"t.
Ich habe w"hrend der letzten Jahre

/665/ AE: 69
teils in der Stille der argentinischen Pampa, teils in der Unberhrtheit der
zerklfteten Urwelt des argentinischen Nordens, in seinem Aconquija-Massiv,
gelernt, aus zweierlei Dingen die fr mich gltige Nutzanwendung zu ziehen.
Ich sah H"lle, Tod und Teufel, weil ich dem Wahnsinn der Vernichtung zusehen
mute; denn ich war als eines der vielen Pferde in den Sielen mit eingespannt und
konnte gem" dem Wollen und den Befehlen der Kutscher, weder nach links noch
nach rechts ausbrechen.
Ich habe ferner lebhaften inneren Anteil an den Erkenntnissen genommen, welche
der menschliche Geist dem All bisher abgerugnen hat, bei seinen Bemhungen,
,die Sterne zu greifen".

In jener Ruhe der argentinischen Gegenden, konnte ich mich so recht in das
Walten einer h"heren Ordnung hineinvertiefen, soweit dies fr mich gedanklich
noch m"glich war; und zu diesem versuchte ich, mir den Spiegel der
Selbsterkenntnis vorhaltend, mein Ich, meine Position als Mensch, in Relation zu
setzen. Und ganz von selbst wird dabei der Logos des nationalen Denkens,
hineingedr"ngt in andere berlegungen, die letztlich in das unbedingte Wollen
zur universellen, zur globalen L"sung, mnden.
Und ich mu sagen, dieses Ergebnis be-

/666/ AE: 70
friedigte mich tief.
Es ist nicht einmal schwer; es ist eigentlich - wie alles in der Natur - einfach. Die
Wiederspiegelung des Makrokosmos im Mikrokosmos und umgekehrt.
Tausendmal geh"rt; auch erfat. Aber ich zog in frheren Jahren nicht die
Nutzanwendung.
Freilich, ich stehe damit nicht alleine da; denn die Oberfl"chlichkeit ist es, welche
triumphiert. Sonst g"be es ja l"ngst schon keine Kriege, Ausrottungen, Ha und
Zerst"rung mehr.

Mit Beginn der Existenz des materiellen ,Seins" unserer Welten, den der Mensch
erkenntnism"ig vor runden fnf Milliarden Jahren glaubt ansetzen zu k"nnen,
steht dieses ,Sein" in der ,Zeit".
Seit eben dieser Zeit, stehe auch ich, der ich mich augenblicklich im Seins-
Zustande des Menschen befinde, in irgendwelchen Lebensformen des ,Seins",
gem" einer Ordnung des Waltens.
Fnf Milliarden Jahre mute ich also warten bis mich eine allwaltende Ordnung,
auf einen kurzen Zeitla?? als Daseinsform Mensch ,abkommandierte".
Ob ich in diesem genannten Zeitraum schon einmal als Erscheinungsform Mensch
gegenst"ndlich und gegenw"rtig war, wei ich nicht. Ob ich in knftigen onen
wieder einmal zu solch einer ,Kommandierung"

/667-668/ AE: 71-72
gelange, wei ich auch nicht.
Ich glaube weder das eine, noch das andere. Nur eines wei ich sicher, da ich
nach Beendigung meiner augenblicklichen Lebensform, unz"hlige andere
Daseinsformen des organischen und anorganischen Lebens, als Partikelchen des
,Seins" zu durchlaufen habe.
Sechzig Jahre lebe ich als Mensch. Mag sein etwas l"nger, mag sein etwas krzere
Zeit.
Wie t"richt war ich, nur im Sektor ,Das Reich", nur im engen, nationalistischen
Verharren zu denken.
Es ist ein Wunder, besser gesagt wunderbar, da ein allgtiges Walten, dem
Menschen seines ,Sein", als der Gter H"chstes, die Freude gab. Die Freude in
ihren tausendf"ltigen Formen.
Freude nutzend, und wieder teilend, sollte alleine die wahre Lebensafgabe des
Menschen w"hrend seiner Erdenjahre sein.
Alles andere lohnt wenig und ist so recht bedacht nicht einmal egoistisch. Es ist
nur t"richt, sonst aber nichts.
/6 Zeilen bis Ende der Seite unleserlich gemacht, ebenso knapp 6 weitere Zeilen
auf der neuen Seite oben/
Ende
Adolf Eichmann
6 - 9 - 61
Ich habe die letzten Seiten gestrichen. Falls man glaubt, das eine oder andere
davon verwenden zu wollen, habe ich nichts dagegen; mir ist es egal.
/Kurzsignatur/

/669/
IV. Teil (Anhang)
,G"tzen" Skizzen.

Inhalt 6 Bl"tter
5 Skizzen als Anhang zur
Illustration
Adolf Eichmann
Haifa, den
6-9-61
/677
/Anhang 1
/durchgestrichen mit der Bemerkung Ungltiger Entwurf
Testament.
Im falle meines Todes bitte ich folgendes:
1.) Ich wnsche, da meine Leiche von meinen Brdern aus Israel nach Linz
a/Donau, Ober"sterreich gebracht wird.
2.) Daselbst ist sie zu verbrennen.
3.) Die Asche ist in sieben Teile zu teilen.
4.) 1/7 der Asche soll in das Grab meiner Eltern auf dem Friedhof zu Linz
a/Donau, kommen.
5.) 1/7 der Asche im Garten des Hauses meiner Frau und S"hne in Buenos Aires,
verstreut werden.
6.) Von den restlichen 5/7 geh"ren jedem, meiner Ehefrau Vera geborene Liebl,
und meinen S"hnen: Klaus, Horst, Dieter und Ricardo-Francisco, je ein
Siebentel.
Es soll einem jeden von ihnen dermaleinst, wenn auch sie ihr Erdenleben
beendet haben, mit in ihrem Sarg gegeben werden.

/678/
Es mag ihnen zur Beruhigung dienen, dieses zu wissen, und allf"llige Angst vor
dem Tode, ihnen nehmen.
Denn: der Tod ist nicht schlimmer als die Geburt; und tausendmal tausend
andere Leben erwarten noch unser.
Adolf Eichmann
Jerusalem, den fnfzehnten August Eintausendneunhunderteinundsechzig.
(Am 30. Jahrestag meiner Verlobung mit meiner Frau).

Die Adressen meiner Brder sind:
Otto Eichmann, Linz a/Donau, Bischofstrae 3, Ober"sterreich
Dr. Robert Eichmann, Linz a/Donau Bischofstrae 3, Ober"sterreich

Dieses Testament ist meiner Ehefrau Vera geb. Liebl ber Herrn Dr. Robert
Eichmann, Linz a/Donau auszuh"ndigen. Fr die Arbeit, die ich nach
meinem Tode noch mache, hatte ich nur Entschuldigung und danken den
Personen, die sich darum bemhen.
Adolf Eichmann
15-8-61/

/677/
Anhang 1
/durchgestrichen mit der Bemerkung Ungltiger Entwurf
Testament.
Im falle meines Todes bitte ich folgendes:
7.) Ich wnsche, da meine Leiche von meinen Brdern aus Israel nach Linz
a/Donau, Ober"sterreich gebracht wird.
8.) Daselbst ist sie zu verbrennen.
9.) Die Asche ist in sieben Teile zu teilen.
10.) 1/7 der Asche soll in das Grab meiner Eltern auf dem Friedhof zu Linz
a/Donau, kommen.
11.) 1/7 der Asche im Garten des Hauses meiner Frau und S"hne in Buenos
Aires, verstreut werden.
12.) Von den restlichen 5/7 geh"ren jedem, meiner Ehefrau Vera geborene
Liebl, und meinen S"hnen: Klaus, Horst, Dieter und Ricardo-Francisco, je
ein Siebentel.
Es soll einem jeden von ihnen dermaleinst, wenn auch sie ihr Erdenleben
beendet haben, mit in ihrem Sarg gegeben werden.

/678/
Es mag ihnen zur Beruhigung dienen, dieses zu wissen, und allf"llige Angst vor
dem Tode, ihnen nehmen.
Denn: der Tod ist nicht schlimmer als die Geburt; und tausendmal tausend
andere Leben erwarten noch unser.
Adolf Eichmann
Jerusalem, den fnfzehnten August Eintausendneunhunderteinundsechzig.
(Am 30. Jahrestag meiner Verlobung mit meiner Frau).

Die Adressen meiner Brder sind:
Otto Eichmann, Linz a/Donau, Bischofstrae 3, Ober"sterreich
Dr. Robert Eichmann, Linz a/Donau Bischofstrae 3, Ober"sterreich

Dieses Testament ist meiner Ehefrau Vera geb. Liebl ber Herrn Dr. Robert
Eichmann, Linz a/Donau auszuh"ndigen. Fr die Arbeit, die ich nach
meinem Tode noch mache, hatte ich nur Entschuldigung und danken den
Personen, die sich darum bemhen.
Adolf Eichmann
15-8-61/

/675/
175
1
Anhang 2

P. Achenbach(1) Bad Krozingen (Baden),
Pastor i. R. Hofstrasse 14
11. September 1961
An den Angeklagten Eichmann, z. Zt. Israel.
Gelegentlich einer Studienreise durch Israel hatten evangelische Pfarrer in
Deutschland mich beauftragt, bei Herrn Dr Servatius anzufragen, ob auch
seelsorgerlich fr Sie etwas getan wrde. Nach einem Telefongespr"ch mit Herrn
Staatsanwalt Wechtenbruch erhielt ich keine Nachricht mehr.
Von einem Pfarrer, der in Israel lebt und im Blick auf eine gleiche Bitte Ihrer
damaligen evangelischen Heimatgemeinde Linz, sich mit Herrn Dr. Servatius ind
Verbindung setzte, ergab sich, da auch er bis zu meiner Abreise aus Israel nichts
mehr geh"rt hat.
Nun wei ich nicht, ob Sie von diesen Verhandlungen Kenntnis erhalten haben.

Vielleicht haben Sie inzwischen den Wunsch nach seelsorgerlicher Aussprache
selbst gehabt.(2) Es bewegt mich aber doch einmal pers"nlich an Sie zu schreiben.
Auf meiner Reise durch Israel war ich auch im Gerichtssaal und folgte einer
Verhandlung. Sp"ter habe ich durch Rundfunk und Fernsehen an dem fortgang
des Prozees teilgenommen.
Als ich im Gerichtssaal die Anklagen vernahm und auch den Verteidiger wie die
ffentlichkeit beobachtete sah ich mich im Geist an den jngsten Tag, dem
Gerichtstag Gottes, versetzt. Schon jetzt war ja im Gerichtssaal alles "ffentlich zu
beobachten. Am jngsten Tage wird aber unsere Schuld fr alle Welt vernehmbar
aufgedeckt. Denn wird der Teufel selbst der Ankl"ger sein. Was wird ein Mensch
dann antworten, wenn er nicht den Verteidiger JESUS zur Seite hat. Es wird am
jngsten Tage alles noch so Geheimnisvolle vor Gott offenbar werden. Am
Richterstuhl gottes kommt niemand vorbei. Darum ist es gut, wnn amn schon in
dieser Welt Schuld erkennt, bereut und soweit es m"glich ist wieder gutmacht.
Darf ich Sie an einen Liedervers erinnern, den sie wohl aus dem Konfirmanden-
Unterricht noch im Ged"chtnis haben:
"Wenn der Kl"ger mich verklagt, Jesus hat mich schon vertreten,
Wenn er gar zu schten wagt, Jesus hat fr mich gebeten,
Da mein Mittler fr mich spricht, das ist meine Zuversicht."
Sollte es Ihnen von diesem Gesichtspunkt aus nicht m"glich sein, einmal Ihre
ganze Schuldfrage an der Vernichtung der Juden von Gott her im Lichte der Bibel
und der Ewigkeit zu sehen. Aus zuverl"ssiger Quelle habe ich geh"rt, da Sie
einmal ein frommer Junge gewesen sein sollen. Wenn dem so ist, w"re es doch
wichtig, sich zu fragen, an welchem Punkt die Weichen Ihres Lebens umgestellt
wurden, soda Sie trotz Kenntnis der Bibel dem Fanatismus des dritten Reiches
verfallen konnten. Wenn amn beabsichtigte die gesamte Judenschaft der Welt
auszurotten, dann fanden Ihre Vorgesetzten wohl in Ihrer Person ein willf"hriges
Werkzeug.(3)
Haben Sie schon einmal darber nachgedacht, da Ihre Auffindung in der weiten
Welt fr Sie pers"nlich zugleich Gottes Gericht, aber wenn es zu einem
Schuldbekenntnis k"me, auch Gottes Gnade bedeuten k"nnte. Ihre Bereitschaft,
sich selbst das Leben zu nehmen, hebt Gottes Gericht nicht auf.(4)

Ich bin der berzeugung, da kein anderes Volk, als Israel, das Recht hatte nach
Ihnen zu fahnden und Sie vor Gericht zu stellen; denn die Juden sind das Volk, an
welchem wir Deutsche in einem ausma schuldig geworden sind, wie es bisher
nie in der Welt vorkam. Gott sucht uns Menschen immer in unserer Schuld. Das
geteilte Berlin und Deutschland sehe ich als Gottes Gericht wegen unserer Schuld
an Israel.

/676/2
Da Sie nicht nur dem richterlichen Urteilsspruch in Israel entgegesehen, sondern
auch dem Richtspruch Gottes ber Ihr Leben, Handeln und Tun, sollten Sie ein
umfassendes Gest"ndnis der ganzen Schuld(5) vor Gott und Menschen ablegen.
Es war ja schon im alten Testament so, da wer Snde und Schuld erkannte und
im Lichte Gottes bereute, auch Vergebung empfing. Eine Bibel zum Studium
wurde Ihnen ja schon, als Sie nach Israel kamen, bersandt.(6) In ihr k"nnen Sie
ja nachlesen, was Gott zu solchen schweren Verbrechen an Menschen sagt. Ich
kann nur hoffen, da Sie sich noch von Gott und Seinem Wort ansprechen lassen.

Ihre moralische Schuld haben Sie - soweit ich sehe - nicht geleugnet: Sie suchten
dieselbe aber wohl zu verkleinern. In Ihren Erwiderungen sttzen Sie sich auf den
abgelegten Eid. Jeder Eid, auch wenn er scheinbar vor Gott ausgesprochen wird,
hat seine Grenze am g"ttlichen gebot und allgmein gesagt an der Humanit"t. In
der Prozefhrung wird Ihnen ja vom Richter-Kollegium und der Anklage
Humanit"t in einem solchen Mae zuteil, wie man das sonst in schweren
Prozessen kaum erlebte.

Wenn ich mich jetzt mhe(7), Ihnen innerlich ein wenig weiterzuhelfen, dann tue
ich das im Angesicht der Ewigkeit, vor der Sie stehen. Durch ein klares
Bekenntnis und einen ehrlichen inneren Aufschlu fr Ihren und unser aller Anteil
an dem Furchtbaren, was an dem jdischen Volk geschehen ist, k"nnte es
vielleicht doch fr Sie zu einer Entlastung kommen.

Wenn ich nicht irre, haben Sie sich auch einmal auf den Philosophen Kant
berufen, aber gerade Kant hat uns Menschen ja gesagt:
,Das Gewissen des Menschen ist der groe Mitwisser Gottes. Es steht immer auf
Gottes Seite. Es ist der groe Mahner in der Menschenbrust."
Man kann das Gewissen zum Schweigen bringen, aber doch bricht eines Tages die
Not auf, sich verantworten zu mssen. Ein offenes, wahrhaftiges, aufrichtiges,
alles umfassendes Gest"ndnis vor Menschen wird auch von Gott in der oberen
Welt aufgenommen. Ein solches kann nicht nur fr Sie, sondern auch fr unser
unter Gottes Gericht stehendes zweigeteiltes deutsches Volk ungeahnte
Auswirkungen im -Blick auf Begnadigung von Gott her haben.
Lassen Sie mich Ihnen noch einige Bibelworte in Erinnerung bringen.
,Wer Israel antastet, tastet Gottes Augapfel an." Sch.2,12.
Auf Grund der Bibel wurde mir folgender Satz bedeutsam:
,Wer Israel liebt wirkt Hand in Hand mit Gott."
Das Ernste ist, da fr jeden von uns pers"nlich die Stunde des Todes kommt.
Dann mssen wir vor Gottes Richerstuhl erscheinen. Unentrinnbar werden wir
dann Gott und seinem Gerichtsurteil ausgeliefert sein. Jedem wird die Frage nach
Gottes auserw"hltem Volk und nach dem, was wir den Juden getan oder diesem
oder jenem Bruder getan oder nicht getan haben, vorgelegt werden. Dann kann
sich gottes Gericht nicht mehr in Gnade verwandeln. Das ist nur m"glich, solange
wir auf Erden sind, d.h. wenn wir Bue tun. Bue aber heit, sich sehen, wie Gott
uns sieht. Wer Gnade finden will vor Gott - wer Deutschland liebt und es mit vom
Verderben retten will, der stelle sich ein in die Reihen derer, die sich richten
lassen und zur Shne bereit sind. Wer Gott liebt und ihn nicht weiter erzrnen und
betrben will, der kehre heute noch um und bekenne seine Schuld, auf da die
Gnade der Vergebung ber ihn kommen kann, und dann den jdischen Brdern
Liebe und Wohltat gebracht werde, solange es noch fr uns Zeit ist.
Seien Sie der Gnade der irdischen Richter, wie des himmlischen Richters
befohlen.
Paul Achenbach
(Unterschrift)

Die Hervorhebungen im Brief wurden von Eichmann vorgenommen.
Anmerkungen Eichmanns
zu dem Brief:
(1) Als Antwort; dem Pastor Achenbach:
1.)Er m"ge sich die Stellen lesen, die mein Verteidiger seinem Kollegen
Grber
anl"lich des Kreuzverh"rs vorgelesen hat.
(2) Nicht mit einem protst. Geistlichen.
(3) ???
Frechheit von diesem Achenbach!!
(4) Er soll siicht bekommen, auch nicht verlangt.
(7) Ich habe nicht darum gebeten, da sich der pensionierte Pastor bemhen m"g

3




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