Die Judenbuche


Die Judenbuche - von Annette von Droste Hülshoff

Inhalt

1/ Friedrich Mergel wird 1738 im Dorf B geboren. Sein Vater ist Grundeigentümer und heiratet Margaret Semmler, eine ordentliche und anständige Frau. Eines nachts, Hermann Mergel ist gerade bei einer Hochzeit, tobt ein fürchterliches Unwetter. Plötzliche kommen einige Männer zu Margarets Haus und berichten, dass Hermann im Wald tot aufgefunden worden ist. Als Friedrich 12 Jahre alt ist, besucht ihn sein Ohm Simon und adoptiert ihn, somit solle ihm nach dem Tod des Ohms das Erbe zufallen. Noch am selben Tag zieht Friedrich mit ihm, und am halben Weg zeigt ihm sein Ohm die Stelle, an der sein Vater gefunden worden ist. Als Friedrich eines Tages seine Mutter besucht, scheint er ihr völlig verändert. Mit 18 Jahren hat der Jüngling im Dorf einen sehr bedeutenden Ruf. Eines Tages, Friedrich ruht sich gerade im Gras aus, kommt Förster Brandis. Dieser fragt ihn, ob er irgend etwas über die Blaukittel gehört habe, die eine Plage für die ganze Bevölkerung darstellen. Friedrich verneint und zeigt Brandis den Weg den die anderen Förster bereits gegangen sind. Später berichten die Förster, dass sie Brandis mit einer Axt erschlagen aufgefunden worden ist. Bei der am folgen Tag eingeleiteten Tatuntersuchung und der Gerichtsverhandlung gilt Friedrich als Hauptverdächtiger. Doch aufgrund mangelnder Beweise, kann ihm die Tat nicht nachgewiesen werden. Vier Jahre später ereignet sich wieder ein Mord im Dorf. Friedrich Mergel ist mit dem Toten, dem Juden Aaron, kurze Zeit (zuvor in) vor der Tat in eine Auseinandersetzung verwickelt gewesen. Der Verdacht fällt Klarerweise wieder auf Friedrich. Er flieht und die Suche in der Umgebung bleibt erfolglos. Das Verfahren wird abermals eingestellt. Dem Baum, neben dem der tote Jude Aaron gefunden worden ist, nennt man von diesem Zeitpunkt an die Judenbuche. Friedrich und sein Freund Johannes Niemand bleiben unauffindbar, bis Johannes nach 28 Jahren ins Dorf zurückkehrt. Er kommt aus türkischer Sklaverei und hat Friedrich seit der gemeinsamen Flucht aus den Augen verloren. Er findet bei einem Gutsherren Aufnahme und ist sehr überrascht als er erfährt, dass Friedrich unschuldig ist. Er kommt eines Tages von einem Botengang nicht mehr zurück und wird vom ganzen Dorf gesucht. 14 Tage später findet der Sohn vom Förster Brandis einen Erhängten unter der Judenbuche. Es ist nicht Johannes Niemand, sondern Friedrich Mergel.

Charakterisierung der Personen

2/ Friedrich Mergel:

Er ist die Hauptperson und Opfer und Täter zugleich. Er ist Opfer der Umstände, in die er hineingeboren wird: Eine unglückliche Ehe, ein Trinker als Vater, der früh unter schrecklichen Umständen stirbt, eine Jugend unter Einfluss seines zwielichtigen Onkels Simon Semmler. So entwickelt sich Friedrich von einem scheuen Kind zu einem extrovertierten, unangenehmen Anführer der Dorf-Jugend. So wird ihm auch der Mord am Förster Brandis zugetraut, an dem er tatsächlich nicht direkt beteiligt war. Für den Mord an Aaron hat Friedrich ein für alle erkennbares Motiv und so kommt er hier als Hauptverdächtiger in Betracht. Dafür spricht auch die Flucht, mit der er sich den Untersuchungen entzieht. Wenn man akzeptiert, dass es Friedrich ist, der sich als Johannes Niemand nach 28 Jahren wieder im Dorf B. einfindet, dann spricht das auch dafür, dass Friedrich kein reines Gewissen hat. Der Selbstmord an der Judenbuche wäre dann der Schlusspunkt und hätte vielleicht unbewältigte Schuldgefühle als Motiv. Zwar gibt es Zweifel, dass Friedrich der Mörder des Aaron ist, aber dieses Ende ist dann doch wieder ein Indiz für seine Täterschaft.

 Hermann Mergel:

Er ist der Vater der Hauptperson Friedrich Mergel. Er ist Bauer im Dorf B. Er wird als unangenehmer, boshafter und auch gewalttätiger Mensch mit Alkoholproblemen geschildert. Seine erste Ehe scheiterte sofort. Seine zweite Ehe mit Margret Semmler wird auch nicht glücklich. Hermann kommt in einem Unwetter im Brederholz ums Leben.

Die genauen Umstände bleiben dunkel. Es scheint so, dass sein Tod mit Alkoholmissbrauch zusammenhängt.

 Margret Mergel:

Geb. Semmler, ist die Mutter der Hauptperson Friedrich Mergel. Sie wird als gute, anständige und kluge Frau geschildert. Es verwundert, dass sie den Hermann Mergel heiratet. Sie kann auch keinen positiven Einfluss auf ihren Mann nehmen und erträgt in der Folge ihre unglückliche Ehe. Nach dem Tode Hermanns wird ihr Sohn Friedrich zum Lebensinhalt, der sich ihr dann jedoch unter dem Einfluss von Simon Semmler mehr und mehr entfremdet. Nach dem Verschwinden Friedrichs zieht sie sich ganz zurück und verarmt.

Johannes Niemand:

Sicher absichtsvoll Niemand genannt, ist der Schweinehirt Simon Semmlers und wird der Freund Friedrichs und sein ständiger Begleiter. In seinem Wesen ist er ganz anders als Friedrich, nämlich eher still, ruhig und introvertiert. Johannes ist unehelich und seine Abstammung bleibt unklar. Johannes und Friedrich sind nahezu unzertrennlich und bleiben stets zusammen und flüchten nach dem Mord an Aaron auch gemeinsam. In mancher Hinsicht wirkt Johannes wie ein Doppelgänger von Friedrich, jedoch mit gegensätzlichem Charakter. Zum Schluss kehrt eine Person nach B. zurück, die sich als Johannes Niemand ausgibt, aber wohl tatsächlich Friedrich Mergel ist.

Simon Semmler:

Ist der Bruder von Margret und damit der Onkel der Hauptperson Friedrich Mergel. Er ist etwas besser gestellt und will sich um Friedrich kümmern, der auch sein Erbe werden soll. Friedrich wird für Simon tätig und gerät mehr und mehr unter dessen Einfluss. Simon ist aber eine zwielichtige Gestalt. Es ist nicht ganz klar, ob seine Geschäfte immer ganz sauber sind. Man könnte in ihm auch einen der Hintermänner der Holzfrevler vermuten, obwohl das in der Novelle nicht ausgesprochen wird. Zum Schluss steht Simon jedoch völlig verarmt dar. Friedrich Mergel verändert sich unter dem Einfluss Simons in seinem Charakter eher negativ.

 Textsorte

Bei diesem Werk handelt es sich um eine Novelle. Eine Novelle ist eine Prosaerzählung, kürzer als ein Roman, aber oft beträchtlich länger als eine Kurzgeschichte. Ein weiteres Merkmal ist, dass das entscheidende Ergebnis beziehungsweise der Konflikt zügig entfaltet wird. Die Novelle ist zudem dem Aufbau des Dramas gleich, das heißt die Novelle hat eine Exposition (Einleitung, Hinführung zum Geschehen), dann eine steigende Handlung hin zum Höhe- und Wendepunkt; Es folgt die fallende Handlung, dann der Schluss (die Lösung).

 

Sprache des Textes

An sich klare und einfache Sprache, wesentliche Dinge lässt die Autorin jedoch in der Schwebe. Insgesamt ist das Werk überwiegend im Präteritum geschrieben.

Die Novelle ist in der Er- Form geschrieben. Die Autorin steht über dem Geschehen. Die Erzählperspektive hält einen gewissen Abstand zum Leser, weil er sich durch die Vielzahl der Personen mit keinem identifizieren kann.

Absicht des Verfassers

 Die Autorin will den Konflikt aufzeigen, in dem Friedrich steckt. Er ist sehr besorgt um sein Äußeres und seinen Ruf, doch dass sein Hof verfällt und seine Mutter zugrunde geht ist ihm relativ egal.

Auch die Leute aus dem Dorf sind sehr leichtgläubig, da eigentlich alle wissen, wie es um die Wirtschaft von Friedrich steht. Und obwohl er bettelarm ist, lassen sie sich von seiner Silberuhr beeindrucken. Diese Problemstellung ist sehr aktuell, denn immer wieder fallen Leute auf solche Blender herein.

Schlussbemerkung / Eigene Meinung

Ich finde, dass das Buch sehr gelungen geschrieben ist. Es gibt kaum Absätze, die unnötig oder langweilig sind. Das einzige, was mich an diesem Buch ein bisschen gestört hat war, dass es am Anfang etwas langweilig auf mich wirkte, was aber dann der Mittelteil und besonders der Schluss wieder wett machten.

Friedrichs Elternhaus

Friedrich kommt aus einer Familie, in der Vater und Mutter nicht liebevoll miteinander umgehen. Nachdem die erste Frau des Vaters das Weite gesucht hat und wenig später vor Gram gestorben ist, heiratet er erneut. Seine neue Frau Margreth wiederum nahm ihn nicht aus Liebe, sondern aus Torschlusspanik und der wahnwitzigen Vorstellung, den Alkoholiker ändern zu können. 

Friedrich hatte jedoch ein gutes Verhältnis zu seinem Vater:

Der Vater hatte ihn sehr lieb, kam nie nach Hause, ohne ihm ein Stückchen Wecken oder dergleichen mitzubringen, und man meinte sogar, er sei seit der Geburt des Knaben ordentlicher geworden; wenigstens ward das Lärmen im Hause geringer. (Zitat S.7, Z. 19 ff)

Friedrich vermisst den Vater sogar:

"Mutter, kommt der Vater heute nicht?" fragte er.  - "Nein, Kind, morgen." - "Aber warum nicht, Mutter? Er hat es doch versprochen." (Zitat S. 7 und 8,   Z.38 ff )  

Friedrich bekommt zwar teilweise mit, was die Eltern für Probleme untereinander haben, aber ganz kann er noch nicht alles realisieren:

Friedrich ward still; er horchte noch ein Weilchen und schlief dann ein. Nach einigen Stunden erwachte er. ...  Nach einer Weile merkte er, dass die Mutter auch nicht schlief. Er hörte sie weinen und mitunter "Gegrüßt seist du, Maria!" und "bitte für uns arme Sünder!" Die Kügelchen des Rosenkranzes glitten an seinem Gesicht hin. - Ein unwillkürlicher Seufzer entfuhr ihm.

"Friedrich, bist du wach?"

"Ja, Mutter."

"Kind, bete ein wenig - du kannst ja schon das halbe Vaterunser - dass Gott uns bewahre vor der Wasser- und Feuersnot."

Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl aussehen möge. Das mannigfaltige Geräusch und Getöse im Hause kam ihm wunderlich vor. Er meinte, es müsse etwas Lebendiges drinnen sein und draußen auch.

"Hör, Mutter, gewiss, da sind Leute, die pochen."

"Ach nein, Kind; aber es ist kein altes Brett im Hause, das nicht klappert."

Margreth versucht das Geräusch zu überhören, weil sie froh ist ihren Mann aus dem Haus zu wissen und sich in ihren Glauben in Form des Betens flüchtet. Dies ist ihre einzige Möglichkeit dem schier auswegslosen Alltag zu entkommen.

"Hör! hörst du nicht? Es ruft! Hör doch!"

Die Mutter richtete sich auf; das Toben des Sturms ließ einen Augenblick nach. Man hörte deutlich an den Fensterläden pochen und mehrere Stimmen: "Margreth! Frau Margreth, heda, aufgemacht!" 

Margreth stieß einen heftigen Laut aus: "Da bringen sie mir das Schwein wieder!" 

Doch  als Mutter hat sie eine gewisse Verantwortung ihrem Sohn gegenüber und ist  deshalb gezwungen zu reagieren und den Männern die Türe zu öffnen und ihren, wie sie glaubt, schwer betrunkenen Mann, in Empfang zu nehmen. Eine Mutter muss, egal wie sie auch zu dem Vater ihres Kindes steht, diesem immer eine gewisse Form von Respekt entgegenbringen, damit das Kind wenigstens ein minimales Gefühl einer familiären Bindung erfährt. 

Der Rosenkranz flog klappernd auf den Brettstuhl, die Kleider wurden heftig herbeigerissen. Sie fuhr zum Herde, und bald darauf hörte Friedrich sie mit trotzigen Schritten über die Tenne gehen. Margreth kam gar nicht wieder; aber in der Küche war viel Gemurmel und fremde Stimmen... Mit einem Male ward eine Lampe hereingebracht; zwei Männer führten die Mutter. Sie war weiß wie Kreide und hatte die Augen geschlossen. Friedrich meinte, sie sei tot; er erhob ein fürchterliches Geschrei, worauf ihm jemand eine Ohrfeige gab, was ihn zur Ruhe brachte, und nun begriff er nach und nach aus den Reden der Umstehenden, dass der Vater von Ohm Franz Semmler und dem Hülsmeyer tot im Holze gefunden sei und jetzt in der Küche liege. (Zitat S.8-9, Z.17-20)

Margreth fühlte sich in diesem Moment vermutlich ihrer Lebensperspektive beraubt. Plötzlich stand sie als alleinerziehende Mutter und Witwe da, was in dieser Zeit als äußerst unschicklich und unangenehm galt. Außerdem hatte sie von da an überhaupt keine Hoffnung mehr auf jeglichen Wohlstand.

Er wollte den Vater nicht so fürchterlich sehen, weil dieser immer lieb und zärtlich zu Friedrich war:

Friedrich hatte seinen Vater auf dem Stroh gesehen, wo er, wie man sagt, blau und fürchterlich ausgesehen haben soll. Aber davon erzählte er nie und schien ungern daran zu denken. Überhaupt hatte die Erinnerung an seinen Vater eine mit Grausen gemischte Zärtlichkeit in ihm zurückgelassen, wie denn nichts so fesselt wie die Liebe und Sorgfalt eines Wesens, das gegen alles verhärtet scheint, und bei Friedrich wuchs dieses Gefühl mit den Jahren durch das Gefühl mancher Zurücksetzung von Seiten anderer. (Zitat S.10, Z.22-31)

Jeder, der etwas Böses über seinen Vater sagt, bekommt Friedrichs Aggressionen zu spüren:

Es war ihm äußerst empfindlich, wenn, solange er Kind war, jemand des Verstorbenen nicht allzu löblich gedachte; ein Kummer, den ihm das Zartgefühl der Nachbarn nicht ersparte. (Zitat S.10, Z. 31-34)

Friedrich musste  von den anderen Knaben vieles darüber hören (Anm.: Der alte Mergel war das Gespenst des Brederholzes geworden; einen Betrunkenen führte er als Irrlicht bei einem Haar in den Zellerkolk; die Hirtenknaben, wenn sie nachts bei ihren Feuern kauerten und die Eulen in den Gründen schrieen, hörten zuweilen in abgebrochenen Tönen ganz deutlich dazwischen sein "Hör mal an, feins Liseken".); dann heulte er, schlug um sich, stach auch einmal mit seinem Messerchen und wurde bei dieser Gelegenheit jämmerlich verprügelt. 

Friedrich wusste auch, dass der Vater seine Mutter nicht so gut behandelte wie ihn: 

Dadurch, dass Friedrichs Mutter zu Beginn der Ehe ihrem Mann noch imponierte, kam er aus Respekt nicht nach Hause, wenn er zuviel Alkohol getrunken hatte. Mit der Zeit hielt er sich aber auch nicht mehr daran, sondern torkelte regelmäßig betrunken nach Hause, wo er die Möbel zerschlug. Margreth war dies äußerst peinlich und versuchte dies, so gut es ging, vor den Dorfbewohnern zu vertuschen, indem sie alles schnell verriegelte. (Zitat S.6 und 7, Z.36-13)

Natürlich konnte sie die schlechte Beziehung zwischen sich und ihrem Mann nicht vor ihrem Sohn verheimlichen, der die schrecklichen Auseinandersetzungen seiner Eltern ständig hautnah erlebte und darunter zu leiden hatte.   

Friedrichs Moralvorstellungen sind durch die Erziehung der Mutter gespalten:

"Fritzchen", sagte sie, "willst du auch fromm sein, dass ich Freude an dir habe, oder willst du unartig sein und lügen, oder saufen und stehlen?"

"Mutter, Hülsmeyer stiehlt."

"Hülsmeyer? Gott bewahre! Soll ich dir auf den Rücken kommen? Wer sagt dir so schlechtes Zeug?"

"Er hat neulich mit Aaron geprügelt und ihm sechs Groschen genommen."

"Hat er dem Aaron Geld genommen, so hat ihn der verfluchte Jude gewiss zuvor darum betrogen. Hülsmeyer ist ein ordentlicher angesehener Mann, und die Juden sind alle Schelme."

"Aber, Mutter, Brandis sagt auch, dass er Holz und Rehe stiehlt."

"Kind, Brandis ist ein Förster."

"Mutter, lügen Förster?"

Margreth schwieg eine Weile, dann sagte sie: " Höre, Fritz, das Holz lässt unser Herrgott frei wachsen, und das Wild wechselt aus eines Herren Lande in das andere; die können niemand angehören. Doch das verstehst du noch nicht; jetzt geh in den Schuppen und hole mir Reisig." (Zitat S.10, Z.3-21)

Friedrichs seelische und soziale Entwicklung:

Thesen zu seiner Entwicklung:

 Geburt: Friedrich ist das Produkt einer Vergewaltigung und folglich von seiner Mutter ungewollt. Er hatte von Anfang an keine Chance auf eine gesunde Entwicklung, da es ihm an Liebe und Zuwendung fehlte. (S.7, Z.14: " ...denn Margreth soll sehr geweint haben, als man ihr das Kind reichte... er ward unter einem Herzen voll Gram getragen...")

Kindheit: In seiner Kindheit darf Friedrich niemals Gefühle zulassen. Als er z.B. beim Tod des Vaters schreit, bekommt er eine Ohrfeige. Diese Gefühlskälte und Gewalt gibt er später an andere weiter. So wird er an der Hochzeit gedemütigt, versucht dies allerdings gleich mit einem Juchheschrei zu überspielen. (S.36 Z.6)

Jugend: Durch Einsatz seiner Fäuste gelangt er zu Ansehen in der Dorfjugend und achtet immer mehr auf sein äußeres Erscheinungsbild. Andererseits bleibt er der zerlumpte, verträumte Hirtenbube, womit er immer wieder Spott auf sich zieht. (siehe oben:"... das allgemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele; ob er sich gleich durch einen tapferen Juchheschrei wieder in den Gang zu bringen suchte...") Friedrich und sein Vater: Der Vater ist Alkoholiker und lässt seinen Frust oft durch Gewalt an seiner Familie aus. Durch den frühen Tod des Vaters wird schließlich Oheim Simon sein Vorbild und Ernährer. Dieser hat einen schlechten Einfluss auf Friedrich, da er keinerlei Moral und Skrupel besitzt.(S.10"...überhaupt hatte die Erinnerung an seinen Vater eine mit Grausen gemischte Zärtlichkeit in ihm zurückgelassen...")  Friedrich und seine Mutter: Friedrich genießt eine sehr einseitige Erziehung durch seine Mutter. Auf der einen Seite bemüht sie sich, dass er ordentlich und brav wird, auf der anderen Seite lässt sie ihm viel zu viele Freiheiten. Sie überträgt ihre eigene Einstellung zu Verbrechen auf Friedrich, wie z.B. ihre Abneigung gegen Juden und ihre gleichgültige Sichtweise gegenüber dem Holzfrevel. Somit kann Friedrich kein Unrechtsbewusstsein entwickeln. Friedrich und die Juden:  Schon früh wird Friedrich vor allem durch seine Mutter zur Abneigung gegen die Juden erzogen. Ihm wird vorgelebt, dass Juden gemeine Verbrecher sind. (S.10: "Die Juden sind alle Schelme...") Aus Angst vor weiteren Demütigungen wegen einer unbezahlten Uhr, führt dies schließlich auch zum gewissenlosen Mord am Juden Aaron. Friedrichs Auftreten: In seiner Außenseiterrolle entwickelt Friedrich ein äußerst schwaches Selbstbewusstsein, weil er sich in der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen fühlt. Deshalb spiegelt er aus Unsicherheit immer das wieder, was die anderen in ihm sehen. Das zeigt sich vor allem, wenn er gedemütigt wird, da er dann auf einmal die Fassung verliert. (siehe Hochzeit) Friedrich und Johannes: Durch die unumstrittene Ähnlichkeit und die Tatsache, dass Johannes einsam ist, entsteht zwischen den beiden eine enge Bindung, wobei Friedrich die Führerrolle übernimmt. In dem hörigen Johannes spiegeln sich Friedrichs negative Charakterzüge, wie Unsicherheit und das Außenseiterdasein, wieder. In Johannes Fehlverhalten, fühlt sich Friedrich in seinem eigenen Stolz gekränkt, was er durch Aggressionen an Johannes auslässt. (Siehe oben: “Lumpenhund!” rief er; ein paar derbe Maulschellen trafen den geduldigen Schützling...") Friedrichs Rückkehr:  Nach vielen Jahren der Sklaverei kehrt Friedrich als gebrochener, alter Mann ins Dorf zurück. Er gibt sich als Johannes aus, aus Angst nach so vielen Jahren noch als Judenmörder entlarvt zu werden. Somit verschmelzen Friedrich und Johannes zu einer Person und Friedrich bleibt unerkannt bis zu seinem Tod. Jedoch hält seine eigentlich schwache Persönlichkeit dem seelischen Druck einen Mord begangen zu haben nicht stand und er erhängt sich schließlich an der Judenbuche, deren hebräische Aufschrift lautet: (S. 54 Z. 15:"Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.")

Thema : Onkel und sein Einfluss auf Friedrich



Des Onkels Einfluss ist wohl unumstritten einer wichtigsten
Faktoren für die verbrecherische Laufbahn Friedrichs. Er ist als Verbrecher und Vaterersatz Friedrichs Vorbild und leitet ihn in die falschen Bahnen. 

Der Mord am Förster - Eine fiktive Beichte

Interpretation:

Brandis glaubt, dass Friedrich ihn in die falsche Richtung schicken will, was dieser auch tut. Der Förster beginnt den Jungen zu beleidigen. Dieser fühlt sich durch die harten Worte, die auf die Armut seiner Familie verweißen, provoziert. Brandis beleidigt außerdem dessen Mutter, dies ist für den unselbstbewussten Jungen zu viel, er lässt den Alten in den Tod laufen.

Interpretation:

Der Förster schlägt nun den Weg ein, der ihn von seiner Gruppe trennt. Friedrich hätte jetzt noch die Möglichkeit Brandis zu warnen, denn wie Friedrich auch weiß, wird dieser Weg das Todesurteil für ihn sein. Der Kuhhirt jedoch entscheidet sich, dem  aus seiner Sicht "bösen" Förster nicht zu helfen. Auf diese Art löst er sein Problem, denn er hat es nie gelernt mit Schwierigkeiten besser, oder anders umzugehen. In der Welt von Friedrich zählt das Wort des Stärkeren, nach der Beleidigung hat der Junge keine Skrupel mehr.

Interpretation:

Der Förster wird tot im Wald entdeckt. Friedrich wird daraufhin verdächtigt jenes Mordes schuldig zu sein! Die Tatwaffe ist eine Holzaxt die den Blaukitteln gehört. Friedrich weiß, wer der Mörder ist, er deckt jedoch die Täter! Die Polizei hat außer Friedrich keine weiteren Tatverdächtigen, sie müssen Friedrich nach dem Verhör wieder laufen lassen! 

These: 

Friedrich muss für diese Beleidigungen Rache nehmen. In seiner Wut, bemerkt er nicht, dass er Unrecht tut.

These:                                                

Friedrich bekommt kurz nachdem er den Förster in die Arme der Blaukittel geschickt hat Gewissensbisse und will ihn noch zurückholen, doch es ist zu  spät! 

These:                                                  

Wenn Friedrich, nach dem Tod des Vaters, nicht in die nähere Obhut des Ohms gekommen wäre, hätte er nie mit dem Waldfrevel begonnen. Er wäre dann wohl auch nie in die Situation gekommen den Förster auf den Pfad des Todes zu leiten.

Der Doppelgänger                  

- Nach dem Vorfall mit dem Butterdiebstahl verlässt Friedrich mit Johannes für kurze Zeit das Fest und macht seinem Ärger über dessen Verhalten Luft -

 

Am Abend des Gespräches tummeln sich  die Dorfbewohner auf einer örtlichen Hochzeit. Die Feier ist im Gange, als plötzlich ein großes Durcheinander entsteht: Johannes, der sich einen Moment lang unbeobachtet fühlt, klaut ein Stück Butter und steckt es in seine Hosentasche.

 

    Erläuterung des Kontextes

Durch die Wärme geschmolzen, wird der Diebstahl sofort offensichtlich. Großer Aufruhr, die Gäste zeigen sich empört über das Geschehen und Friedrich tritt hervor. Er beschimpft ihn auf übelste Weise und verweist ihn von dem Fest. Es kommt zu einem Streitgespräch...

 

Friedrich kehrt gedemütigt und über Johannes` Verhalten enttäuscht zurück. Um von dem Geschehen abzulenken versucht er sich durch seine wertvolle Silberuhr in den Mittelpunkt zu stellen und das durch Johannes auf ihn gefallene schlechte Licht von sich abzulenken.

Eigene Thesen zum Thema

Friedrich:

Von seiner schweren Kindheit geprägt, entwickelt sich Friedrich zu einem eigennützigen, eitlen jungen Mann. Er bildet sich ein über allen zu stehen und strebt nach der Bewunderung anderer. Johannes ist sein "Schützling", den er jedoch eher wie einen Sklaven behandelt, da Friedrich all die negativen Eigenschaften und Unsicherheiten seiner Person in Johannes wiederfindet. Die unglückliche Wendung seines Charakters war indessen das Werk mehrerer Jahre und auch das seines Onkels, welcher ihn in seinem neunten Lebensjahr adoptierte.

Johannes:

Sohn des  Oheims von Friedrich. Er wächst völlig vernachlässigt in ärmlichen Verhältnissen und von seinem Vater verleugnet auf. Hat unter den ständigen  Machtübergriffen durch Friedrich zu leiden. Verschüchtert und geplagt von Selbstzweifeln führt er ein beschwerliches Leben. Dazu kommt, dass er von allen nur herablassend Johannes Niemand genannt wird, was auf seine unbekannte Herkunft zurückführt. Abgeschieden und verschüchtert, lebt er in seiner eigenen Welt weshalb er auch sehr wenig spricht. Äußerlich haben Johannes und Friedrich eine sehr große Ähnlichkeit, dieses lässt auf die nahe Verwandtschaft schließen. 

Verhältnis Johannes/Friedrich: 

Während Friedrich als Dorfschönling gilt, nimmt Johannes die Rolle des Niemands ein. So bilden sie schließlich ein Ganzes. In der Geschichte spielt dies eine so große Rolle, dass sie am Ende sogar kurzzeitig zu einer Person verschmelzen, als Friedrich vorgibt Johannes zu sein. Erst nach Friedrichs Tod gelangt Johannes wieder zu seiner eigenen Identität, nämlich als die Dorfbewohner Friedrich identifizieren konnten. Einzig in diesem Zeitraum tritt Johannes  aus seiner Schattenposition hervor und bildet scheinweiße einen zum ersten Mal eigenen Charakter und wird von den Dorfbewohnern wahrgenommen.

Eindrücke auf den Leser:

Je selbstbewusster Friedrich dargestellt wird, desto armseliger erscheint Johannes dem Leser. Johannes spiegelt Friedrichs schreckliche Vergangenheit und vom Unheil geprägte Zukunft wieder. Johannes besitzt weder eine sprachliche noch soziale Identität.

Auch der Leser nimmt Johannes zunächst nur am Rande wahr, er wird nur beiläufig erwähnt.

Die Gerichtsverhandlung  

Die Türe ward aufgerissen, und herein stürzte die Frau des Juden Aaron, bleich wie der Tod, das Haar wild um den Kopf, von Regen triefend. Sie warf sich vor dem Gutsherrn auf die Knie.

“Gerechtigkeit!” rief sie, “Gerechtigkeit! Mein Mann ist erschlagen!” und sank ohnmächtig zusammen.   (Seite 38 Zeile 30-35)

Nehmen wir an; Nach Entdeckung des Mordes an Aaron floh Friedrich Mergel, wurde jedoch aufgefunden und in Untersuchungshaft genommen.

Folgende Gerichtsverhandlung  fand in Anwesenheit des Angeklagten statt:

Staatsanwalt

"Hohes Gericht; Das Dorf B. wurde durch einen grausamen Vorfall zutiefst erschüttert, denn  ein unschuldiger Mensch wurde auf brutalste Art und Weise ermordet. Aufgrund der vorhin genannten Beweise ist folgendes Tatgeschehen festzustellen. Um 22.00 Uhr muss das Opfer mit dem Angeklagten  in dem Waldgebiet "Brederholz" zusammen getroffen sein, wo er seinem Opfer  aufgelauert hat. Mit direktem Tötungsvorsatz versetzte der Angeklagte seinem Opfer einen wuchtigen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand an die Schläfe, wodurch der Jude Aaron tödlich verletzt wurde.  Am darauf folgenden Tage wurde das Opfer von seiner Frau und dem Knecht unter einer Buche im Brederholz in einem mit Laub und Gras gefüllten Graben gefunden. 

Der  Angeklagte stand in tiefer Schuld bei dem Juden Aaron und hatte neben ihm noch andere Gläubiger. Dies zeigt, dass er in großer finanzieller Not steckte  und mit den immensen Schulden nicht mehr zurechtkam. Auf Grund eines Vorfalls vor  der gesamten Dorfgesellschaft, durch das Opfer verursacht , wurde der Angeklagte zutiefst gedemütigt, woraufhin er beschloss das Opfer zu töten. Der Angeklagte Friedrich Mergel wuchs in einer antisemitischen Umgebung auf und neigte schon früh zu Gewalttaten .Die Familie des Täters konnte sich schon  vor dessen Geburt nur schwer in die Dorfgesellschaft einfügen. Darunter litt er und versuchte sein Leben lang sich in die Dorfgemeinschaft zu integrieren. Nachdem der Mord an in der Öffentlichkeit bekannt wurde, ergriff F. Mergel die Flucht ,was auf seine Schuld hinweist . Deshalb kann nur Friedrich Mergel diesen heimtückischen Mord begangen haben. 

Aufgrund der oben angeführten Beweise, halte ich den Angeklagten für schuldig im Sinne der Anklage.

Damit hat der Angeklagte aus Habgier vorsätzlich einen anderen Menschen getötet, was den Tatbestand des Mordes i. S.d. § 211 Strafgesetzbuch erfüllt.

Da der Angeklagte auch in keiner Weise - sei es durch Alkohol, sei es durch ein Affektsturm - in seiner Schuldfähigkeit beeinträchtigt war, kommt eine Milderung des Strafrahmens nicht in Betracht.

Ich beantrage daher, dass der Angeklagte zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt wird.

Des weiteren hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen." 

Rechtsanwalt

Hohes Gericht; Es ist durchaus eine grausame Tat begangen worden, jedoch ist es unverantwortlich einen unschuldigen Menschen einer solchen Gewalttat anzuklagen. Es ist richtig, dass sich Friedrich Mergel auf der Hochzeit befand und sich ein peinlicher Vorfall ereignete. Allerdings gibt es keinerlei Augenzeugen, die das Verbrechen beobachtet haben, deshalb kann man nicht mit Sicherheit sagen, dass der Angeklagte schuldig ist. Zudem war Friedrich Mergel nicht in Besitz der Tatwaffe. Man muss dazu sagen, dass der Angeklagte nicht der einzige Schuldner des Juden Aarons war, denn es gab im Dorf B. und S. noch einige Leute, die ihm etwas schuldeten. Des öfteren wurde der Jude auch  aufgrund seiner Religion abgelehnt und diskriminiert.

Der junge Mergel war bekannt als Träumer, der in der Dorfgesellschaft wegen seines Elternhauses einen schlechten Ruf hatte. Deshalb sah er den einzigen Ausweg in der  Flucht, als der Mord an die Öffentlichkeit kam. Der Angeklagte wusste, dass er als Täter in Frage kam. Aus Angst vor weiteren Übergriffen auf seine psychische und  physische Verfassung durch die Gesellschaft entschloss er sich zu dieser Flucht.

Dem Angeklagten Friedrich Mergel ist diese Tat wegen der oben angeführten Gründe  nicht zuzutrauen. Außerdem gibt es nicht genügend Beweise für seine Schuld.

Ich verlange für meinen Mandanten Freispruch!

 URTEIL des  Richters

Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil:

Der Angeklagte wird zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren wegen Mordes in einem minderschweren Fall verurteilt. Gemäß den §§ 211, 213 Absatz 2 StGB.

Das Gericht begründet das Urteil folgendermaßen:

Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Gericht von folgendem Tathergang überzeugt: Am Sonntag dem 4. Oktober 1760 um 22.00 Uhr begab sich der Angeklagte zu dem Waldgebiet "Brederholz", wo er den Juden Aaron auflauerte um ihn umzubringen. Dies tat er um den Schulden bei dem Opfer zu entkommen. Friedrich Mergel lauerte Aaron hinter der Buche auf und als das Opfer sich näherte, versetzte der Angeklagte  ihm in Tötungsabsicht mit dem mitgeführtem Knüppel einen wuchtigen Schlag an die Schläfe. Hierdurch erlitt das Opfer einen Schädelbruch , an dessen Verletzungen er kurze Zeit später starb. Anschließend warf er ihn in einen mit Laub und Gras gefüllten Graben.  

Damit hat der Angeklagte heimtückisch und aus Habgier vorsätzlich einen anderen Menschen getötet, was dem Tatbestand des Mordes § 211 StGB erfüllt

Allerdings erhält er mildernde Umstände, da das  Milieu , aus dem er stammt, berücksichtigt werden muss. Er wurde schon in früher Kindheit von seinem Onkel zum Verbrechen verführt. Daher konnte er schon von klein auf nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. Außerdem wuchs er in einer antisemitischen Umgebung auf.  

Aufgrund des Strafrahmens von einer Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren erscheint die verhängte Strafe von zehn Jahren als angemessen.

Das Dorf B. galt für die hochmütige, schlauste und kühnste Gemeinde des ganzen Fürstentums. Seine Lage inmitten tiefer und stolzer Waldeinsamkeit mochte schon früh den angeborenen Starrsinn der Gemüter nähren; die Nähe eines Flusses, der in die See mündete und bedeckte Fahrzeuge trug, groß genug, um Schiffbauholz bequem und sicher außer Land zu führen, trug sehr dazu bei, die natürliche Kühnheit der Holzfrevler zu ermutigen, und der Umstand, dass alles umher von Förstern wimmelte, konnte hier nur aufregend wirken, da bei den häufig vorkommenden Scharmützeln der Vorteil meist auf Seiten der Bauern blieb. Dreißig, vierzig Wagen zogen zugleich aus in den schönen Mondnächten mit ungefähr doppelt soviel Mannschaft jedes Alters, vom halbwüchsigen Knaben bis zum siebzigjährigen Ortsvorsteher, der als erfahrener Leitbock den Zug mit gleich stolzem Bewusstsein anführte, als er seinen Sitz in der Gerichtsstube einnahm. Die Zurückgebliebenen horchten sorglos dem allmählichen Verhallen des Knarrens und Stoßens der Räder in den Hohlwegen und schliefen sacht weiter. Ein gelegentlicher Schuss, ein schwacher Schrei ließen wohl einmal eine junge Frau oder Braut auffahren; kein anderer achtete darauf. Beim ersten Morgengrauen kehrte der Zug ebenso schweigend heim, die Gesichter glühend wie Erz, hier und dort einer mit verbundenem Kopf, was weiter nicht in Betracht kam, und nach ein paar Stunden war die Umgegend voll von dem Missgeschick eines oder mehrerer Forstbeamten, die aus dem Walde getragen wurden, zerschlagen, mit Schnupftabak geblendet und für einige Zeit unfähig, ihrem Berufe nachzukommen."
(Seite 4 Zeile 29 - Seite 5 Zeile)'

Dorf B.:   Gemeint ist der heute noch existierende Ort Bellersen bei Brakel im Osten von Nordrhein-Westfalen, etwa zwischen der Stadt Paderborn und der Weser.

Fürstentum:   Das Gebiet gehörte damals zum Bistum Paderborn /Kurfürstentum Köln.

Wald:   Hier die bewaldeten Teile des Eggegebirges, das sich im Südosten an den Teutoburger Wald anschließt.

Fluss:   Die ca. 15 km entfernte Weser, über die das Holz per Frachtkahn zur Nordsee (hier: "die See") transportiert wurde, wo es offenbar vorwiegend als Schiffbauholz Verwendung fand.

bedeckte Fahrzeuge:   Geschlossene Frachtkähne, deren Ladung unter Deck verstaut wurde und damit vom Ufer aus nicht entdeckt werden konnte.

Förster:   Waren damals der natürliche Feind der Dörfler, da sie von der Obrigkeit dazu bestellt waren, den Holzdiebstählen Einhalt zu gebieten. 

Scharmützel:   Kleines Gefecht oder Kampf; hier zwischen Holzfrevlern und Förstern.  

 Holzfrevel

Die Rolle der Natur

Das Dorf B. galt für die hochmütigste, schlauste und kühnste Gemeinde des ganzen Fürstentums. Seine Lage inmitten tiefer und stolzer Waldeinsamkeit mochte schon früh den angeborenen Starrsinn der Gemüter nähren; die Nähe des Flusses, der in die See mündete und bedeckte Fahrzeuge trug, groß genug, um Schiffbauholz bequem und sicher außer Landes zu führen, trug sehr dazu bei, die natürliche Kühnheit der Holzfrevler zu ermutigen, und der Umstand, dass alles umher von Förstern wimmelte, konnte hier nur aufregend wirken, da bei den häufig vorkommenden Scharmützeln der Vorteil meist auf Seiten der Bauern blieb.(S.4,Zeile 29 - S.5 Zeile 1)

Das Dorf B., das, so schlecht gebaut und rauchig es sein mag, doch das Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges (S. 3, Zeile 18- 22)

Jetzt nahten die beiden sich der Stelle des Teutoburger Waldes, wo das Brederholz den Abhang des Gebirges niedersteigt und einen sehr dunkeln Grund ausfüllt (S. 14, Zeile 6- 8) 

Es kam ihm vor, als ob alles sich bewegte und die Bäume in den einzelnen Mondstrahlen bald zusammen, bald voneinander schwankten. Baumwurzeln und schlüpfrige Stellen, wo sich das Regenwasser gesammelt, machten seinen Schritt unsicher; er war einige Male nahe daran, zu fallen. Jetzt schien sich in einiger Entfernung das Dunkel zu brechen, und bald traten beide in eine ziemlich große Lichtung. Der Mond schien klar herein und zeigte, dass hier noch vor kurzem die Axt unbarmherzig gewütet hatte. Überall ragten Baumstümpfe hervor, manche mehrere Fuß über der Erde, wie sie gerade in der Eile am bequemsten zu durchschneiden gewesen waren; die verpönte Arbeit musste unversehens unterbrochen worden sein, denn eine Buche lag quer über dem Pfad, in vollem Laube, ihre Zweige hoch über sich streckend und im Nachtwinde mit den noch frischen Blättern zitternd. Simon blieb einen Moment stehen und betrachtete den gefällten Stamm mit Aufmerksamkeit. In der Mitte der Lichtung stand eine alte Eiche, mehr breit als hoch; ein blasser Strahl, der durch die Zweige auf ihren Stamm fiel, zeigte, dass er hohl sei, was ihn wahrscheinlich von der allgemeinen Zerstörung geschützt hatte.(S.15, Zeile 1- 23) Auch habe die Dürre der Jahreszeit und der mit Fichtennadeln bestreute Boden keine Fußstapfen unterscheiden lassen, obgleich der Grund ringsumher wie festgestampft war. Da man nun überlegt, dass es zu nichts nützen könne, den Oberförster zu erwarten, sei man rasch der andern Seite des Waldes zugeschritten, in der Hoffnung, vielleicht noch einen Blick von den Frevlern zu erhaschen. Hier habe sich einem von ihnen beim Ausgange des Waldes die Flaschenschnur in Brombeerranken verstrickt, und als er umgeschaut, habe er etwas im Gestrüpp blitzen sehen; es war die Gurtschnalle des Oberförsters, den man nun hinter den Ranken liegend fand, grad ausgestreckt, die rechte Hand um den Flintenlauf geklemmt, die andere geballt und die Stirn von einer Axt gespalten (S.29, Z. 24- 37) "Friedrich, kennst du den Baum? Das ist die breite Eiche."(S.15, Zeile 25)

 Die Natur ist ein wichtiges Element der Novelle. Sie beeinflusst die Menschen und den Verlauf des Geschehens sehr. Auch das Dorf B. ist durch die Natur und die ganze Umgebung gekennzeichnet. Sie ist ein bedeutender Arbeitgeber für die Menschen des Dorfes. In dem Buch von Annette von Droste- Hülshoff spielt die Natur eine Hauptrolle, viele wichtige Szenen finden dort statt. Der Wald macht den "Hauptreichtum" des Landes aus. Er ist die wichtigste Rohstoffquelle der Gesamtwirtschaft. Aber auch für die Dorfbewohner stellt er einen lebensnotwendigen Nutzungsraum dar.

Die Judenbuche - Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen“ ist eine Novelle von Annette von Droste-Hülshoff, die erstmals 1842 im Cotta'schen Morgenblatt für gebildete Leser erschien. Sie behandelt ein Verbrechen und vor allem dessen Vor- und Nachgeschichte und spielt in dem entlegenen westfälischen „Dorf B.“ in einem deutschen Kleinstaat des 18. Jahrhunderts, vor den Umwälzungen, die die Französische Revolution für Europa mit sich brachte. Das Stück wird außerdem als Milieustudie und Kriminalgeschichte verstanden.

Handlung

Friedrich Mergels Werdegang scheint schon vor seiner Geburt festzustehen durch seine Familie, in der „viel Unordnung und böse Wirtschaft“ herrscht. Hermann Mergel, Friedrichs Vater und starker Alkoholiker, heiratete Margret Semmler, nachdem ihm seine erste Frau in der Hochzeitsnacht weggelaufen war. Mitten in das Chaos wird 1738 Friedrich geboren. Als dieser neun Jahre alt ist, kommt sein Vater ums Leben, als er betrunken mitten im Wald einschläft und dabei erfriert. Dies hat zur Folge, dass Friedrichs soziales Ansehen im Dorf stark nach unten rutscht; er hütet fortan die Kühe.

Als ihn 1750 sein Onkel Simon Semmler adoptiert, verhilft ihm dieser wieder zu einem „bedeutenden Ruf“. Zugleich schließt Friedrich Freundschaft mit Simons Kuhhirten Johannes Niemand, womöglich dessen unehelicher Sohn, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht. Der einzige Unterschied in der äußeren Erscheinung der beiden ist eine kleine Halsnarbe Friedrichs.

Die bisher vom Dorf nicht groß beachteten Holzdiebstähle durch die sogenannten Blaukittel nehmen in nächster Zeit zu, so dass die Förster zwar ihre Kontrollen verstärken, aber dennoch die Diebe nie auf frischer Tat ertappen können. Als dies dem Oberförster Brandes im Juli 1756 dann doch gelingt, wird er von den Blaukitteln brutal erschlagen. Friedrich fühlt sich, obwohl man ihm vor Gericht nichts davon beweisen konnte, mitschuldig an Brandes' Tod, hatte er ihn doch in die Richtung der Blaukittel geschickt, als ihn dieser danach fragte. Zuvor hatte Brandes versucht, Friedrichs Hund zu töten. Im Oktober 1760 wird Friedrich auf einer Hochzeitsfeier von dem Juden Aaron blossgestellt, der ihn „laut vor allen Leuten um den Betrag von zehn Talern für eine schon um Ostern gelieferte Uhr gemahnt hatte“. Aarons Leiche wird wenig später im Wald unter einer Buche aufgefunden. Sofort gerät Friedrich wegen der Vorkommnisse während der Hochzeitsfeier unter Verdacht, doch als man dessen Haus umzingeln will, um ihn festzunehmen, flieht er zusammen mit Johannes Niemand durch das Gartenfenster. Der Verdacht wird später durch das Geständnis eines anderen entkräftet, wobei nicht geklärt werden konnte, ob sich dieses Geständnis tatsächlich auf den im Dorfe B. ermordeten Aaron bezog.

Eine Delegation der Juden des Dorfes kauft die Buche, unter der Aaron gefunden wurde, und ritzt den Satz „Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast“ in hebräischen Schriftzeichen in die Rinde. Die Buche wird deshalb von den Dorfbewohnern fortan Judenbuche genannt.

Der Mord ist längst verjährt und vergessen, als Friedrich Mergel am 24. Dezember 1788 nach achtundzwanzig Jahren wieder in das Dorf B. zurückkehrt und sich als Johannes Niemand ausgibt. Simon und Margret Semmler sind zu diesem Zeitpunkt schon tot, sie starben beide in Armut, Margret verblieb zudem seit der Flucht ihres Sohnes in einem Zustand „völliger Geistesstumpfheit“ .

Im September 1789 kehrt Friedrich Mergel alias Johannes Niemand nicht aus dem Wald zurück. Als man schließlich nach ihm suchen lässt, findet der junge Brandes, Sohn des ermordeten Oberförsters, Friedrichs Leiche. Er hatte Selbstmord begangen, indem er sich an der Judenbuche erhängte. Als der Gutsherr die Leiche betrachtet, entdeckt er die Halsnarbe, die bekanntlich nur Friedrich hatte und somit das einzige Unterscheidungsmerkmal der beiden darstellte. Friedrichs Leiche wird auf dem Schindanger ohne geistlichen Beistand verscharrt.

Interpretation

Recht und Gerechtigkeit

Die Gesetze sind einfach und teilweise unzulänglich. Neben dem gesetzlichen Recht hat sich so ein zweites Recht gebildet: Recht der öffentlichen Meinung, der Gewohnheit und entstandenen Verjährung. Gutsbesitzer wie Volk handelten frei nach ihrem Gewissen, nur den Unterlegenen waren bisweilen die geschriebenen Gesetze wichtig. Alle Dorfbewohner sind fromm, fast alle sind aber auch irgendwie in den Holz- und Wilddiebstahl verstrickt. Ein Beispiel sind Margret Mergel und ihr Bruder Simon Semmler: Während Margret äußerst fromm ist, aber das Bestehlen von Juden für ebenso akzeptabel hält wie Wilderei und Holzfrevel, hat Simon als Sinnbild des Bösen immer noch einen Funken von Gewissen und Frömmigkeit in sich (wenn er letzteres auch vielleicht nur vorschiebt).

Man kann dieses Gewohnheitsrecht als Zeichen der Rückständigkeit des Dorfes interpretieren, die die Autorin am Anfang des Buches anspricht. Bezeichnenderweise ist diese Rückständigkeit 1789 beendet: Etwa zwei Monate nach Ausbruch der Französischen Revolution wird der echte Schuldige bestraft, zuvor können Adel und Volk über Recht und Gerechtigkeit entscheiden. Die Autorin heißt die ältere Form der „Gerechtigkeit“ weder gut, noch verurteilt sie sie.

Bemerkenswert ist, dass die Natur in der Novelle stets als Richter und Zeuge auftritt. Dies zeigt durch die Verbindung zwischen Taten der Dorfeinwohner und der sie umgebenden Natur, dass sie, wenn sie ihr „inneres Rechtsgefühl“ verlieren, ebenso auch die Gemeinsamkeit von Menschen und Natur stört, welche durch die göttliche Seinsordnung festgelegt ist.

Die negativen Ereignisse der Novelle geschehen allesamt in der Nähe der Buche im Brederwald, vom zeitlichen Rahmen her immer in der Nacht beziehungsweise auch während der Dämmerung, aber nicht am Tag. So wird der Brederwald zu einer Art „magischen Raum“ (Kindler), die Buche zum „Dingsymbol für ein Geschehen des Unheils“ (B. v. Wiese). [1]

Der Autor Steffen Ewig befand in Kindlers Literatur Lexikon, der „sachlich-nüchterne, durch genaue Zeitangaben äußerst distanzierter Berichtstil“ lasse „die ständige Bedrohung des Menschen (...) durch die Macht des Dunklen und Irrealen noch unheimlicher hervortreten“[1].

Bild der Juden

Die Juden gelten bei der Bevölkerung als sehr geschäftstüchtig und fleißig, aber auch als verschlagen und betrügerisch. Wie so häufig in dieser Zeit lebten die Juden in ihren eigenen Vierteln, wo sie die Synagoge besuchen oder beim Metzger z.B. koscheres Fleisch kaufen konnten. Zudem verbot es ihnen ihr Glaube nicht, Zinsen zu nehmen, weswegen Juden häufig Geld verliehen, was ihnen auch den Ruf von „Halsabschneidern“ einbrachte.

Charakterisierungen

Friedrich Mergel (die Hauptfigur)

Friedrich, geboren 1738, entwickelt sich von einem verstörten, zurückgezogenen Kind zu einem sehr hochmütigen und stolzen, aber auch erregbaren und gewaltbereiten Mann. Er arbeitet sich durch den Holzfrevel und dunkle Geschäfte von einem unbedeutenden Jungen einer Witwe zu einer bedeutenden Person hoch und nimmt so einen hohen Rang in der Welt der Dorfbewohner ein. Seine Rolle als „Dorfelegant“ verteidigt er oft mit Fäusten. Ihm ist sein Äußeres wichtiger als sein Inneres. Um seinen Ruf aufrechtzuerhalten, bedient er sich teilweise auch unlauterer Mittel wie dem Prahlen mit einer noch nicht bezahlten Silberuhr. Trotzdem bescheinigt ihm die Autorin eine „nicht unedle Natur“ und schreibt seine Fehler teilweise dem Onkel zu.

Dennoch ist Friedrich sehr verletzlich und hat (nach einer Falschaussage) ein schlechtes Gewissen. Er kann es auch nicht ertragen, wenn andere schlecht über seinen verstorbenen Vater sprechen.

Friedrich wird als unerzogen und hochmütig eingeschätzt.

Margret Mergel

Friedrichs Mutter ist anfangs eine starke Frau, die nach und nach am Leben zerbricht. Als sie Friedrichs Vater heiratet, meint sie noch, dass eine Frau, die von ihrem Mann schlecht behandelt wird, selbst schuld ist. Sie erkennt jedoch bald, dass das Leben nicht so einfach ist, wie sie denkt.

Durch den frühen Tod ihres Mannes und den Verlust Friedrichs, der zu seinem Onkel geht, ist sie mit der Landwirtschaft überfordert.

Nachdem Friedrich unter Mordverdacht flieht, wird sie zu einem Pflegefall, sie kapselt sich von der Gesellschaft bis zu ihrem Tod ab.

Simon Semmler

Nach dem Tod von Friedrichs Vater ist er das Zeichen für das Böse. Er wird von der Autorin dämonisiert und konfrontiert Friedrich immer wieder mit dem Tod seines Vaters Hermann. Er hat keine wirkliche Chance, von unten nach oben zu kommen und stirbt verarmt. Er übt negativen Einfluss auf Friedrich aus und gehört einer Bande illegaler Holzfrevler an. In dieser Verbindung hat er höchstwahrscheinlich auch den Förster Brandis erschlagen. Er hat Fischaugen, ein Hechtgesicht und rötliches Stoppelhaar. Simon Semmler ist der Bruder Margret Mergels, also Friedrichs Oheim (Onkel). Er „adoptierte“ Friedrich.

Johannes Niemand

Johannes ist Simons unehelicher Sohn und Friedrich so ähnlich, dass selbst dessen Mutter ihn für ihren Sohn hält. Im Gegensatz zu diesem ist Johannes aber sehr schüchtern, leichtgläubig und willenlos (was man an seiner grundlosen Flucht mit Friedrich sehen kann). Er und Friedrich ergänzen sich gewissermaßen und werden so auch sehr gute Freunde, gerade auch durch die gemeinsamen Arbeiten für Simon Semmler. Johannes versinnbildlicht Friedrichs wahren Zustand als sozialer Niemand. Sein Nachname kommt daher, dass Johannes aus einer Liebschaft seines Vaters entstand und von ihm vernachlässigt wird. Während Friedrich der Laufbursche von Simon Semmler ist, ist Johannes der Laufbursche von Friedrich. Er gab ihm diesen Namen um deutlich zu machen, dass Johannes zwar sein leiblicher Sohn war, er ihn aber nie als diesen anerkannte.

Aaron, der Jude

Aaron ist ein jüdischer Geschäftsmann aus einem Nachbardorf namens „S.“ Er hat Familie und geht seinen Geschäften nach. In der Hochzeitsszene aber steht er in einem sehr negativen Licht da, weil er während der Feier die Schulden von Friedrich Mergel eintreiben will. Die Dorfbevölkerung lacht ihn aus und verspottet ihn („Packt den Juden! Wiegt ihn gegen ein Schwein!“). Später wird Aaron ermordet an der „Judenbuche“ aufgefunden.

Förster Brandis

Der Förster Brandis verkörpert die Leitfigur der Förster, die gegen den Holzfrevel sind. Er reagiert manchmal übertrieben, entschuldigt sich jedoch, wenn er merkt, dass er zu weit gegangen ist (siehe Szene seines Todes). Er beleidigt Friedrich und dennoch vertraut er ihm und geht den Weg, den Friedrich ihm vorgibt, wo die anderen Förster lang gegangen sind. Das verdeutlicht, dass er schon nach so einem kleinen Ausbruch von ihm Reue zeigt und ihm wieder voll und ganz vertraut (Ende der Szene: Förster Brandis ist tot).

Hermann Mergel (Friedrichs Vater)

Er ist ein gewalttätiger Mensch (misshandelt seine Frau), aber dennoch ein liebenswürdiger Vater. Sein Drang, ständig zur Flasche zu greifen, ist letztendlich der Grund für seinen Tod. Danach wird Hermann den Ruf des “Gespenstes des Brederholzes” nicht los, worunter Friedrich sehr leidet.

Historische Hintergründe

Der Novelle liegt eine wahre Begebenheit zugrunde, die der Dichterin seit ihrer Kindheit aus Erzählungen über ihre westfälische Heimat vertraut war und die ihr Onkel August von Haxthausen unter dem Titel Geschichte eines Algierer Sklaven nach Gerichtsakten aufzeichnete und 1818 veröffentlichte.

Im Kindesalter ist Annette von Droste Hülshoff regelmäßig bei ihren Verwandten mütterlicherseits auf dem Schloss Bökerhof in der ostwestfälischen Ortschaft Bökendorf, einem unmittelbaren Nachbarort des „Dorf B.“, zu Besuch gewesen und erfuhr über die tragischen Geschehnisse.

Die Handlung spielt im Kleinstaat Fürstbistum Paderborn. Die Hauptfigur Friedrich Mergel kann anhand von amtlichen Aufzeichnungen als Hermann Georg (oder Johannes) Winckelhan (getauft am 22. August 1764) identifiziert werden. Dieser hatte 1782 von einem jüdischen Händler (Soistmann Berend oder auch Soestmann-Behrens) Stoff für ein Hemd erhalten, jedoch nicht bezahlt. In einem diesbezüglichen im Jahr 1783 stattfindenden Prozess, unter der Leitung des Lichtenauer Drosten Werner Adolph von Haxthausen (Droste war ein Amt der niederen Gerichtsbarkeit im Fürstbistum), wurde Winckelhan zur Zahlung verurteilt, woraufhin dieser dem Soistmann Berend mit Morddrohungen entgegnete. Am selbigen Abend sieht der Förster Schmidts sowohl Winckelhan mit einem Knüppel bewaffnet, als auch kurz darauf den jüdischen Händler Soistmann Berend in den Wald gehen. Zwei Tage später wird Soistmann Berend von seiner Frau an einer Buche im Wald erschlagen aufgefunden, unweit der Stelle, an der der Förster ihn und den Winckelhan in den Wald gehen sehen hat. Um seiner Verhaftung zu entkommen, floh dieser ins Ausland, wo er darauf in Gefangenschaft geriet und versklavt wurde. Erst nach 25 Jahren kehrte Winckelhan in seinen Heimatort zurück. Nachdem von einer weiteren Strafverfolgung aufgrund seines erlittenen Leides im Rahmen der Versklavung abgesehen wurde, berichtete er vom Hergang des Mordes. Er lebte fortan als Tagelöhner und Bettler. Im Jahr 1806 erhängte er sich an der Buche, an der der jüdische Händler Soistmann Berend erschlagen aufgefunden wurde und die jüdische Gemeinschaft anschließend ein Zeichen in hebräischer Schrift eingeritzt hatte. Der Baum wurde zwei Jahre später gefällt. Winckelhan wurde trotz des Selbstmords auf Bitten des Drosten am 18. September 1806 in Bellersen katholisch beigesetzt.[2]

Annette von Droste-Hülshoff erfand eine Vorgeschichte zu diesem Ereignis, womit es ihr gelang, „das Geschehen als Folge einer Störung der menschlichen Gemeinschaft darzustellen“ (Kindler). Die sich durch eine Folge ungewöhnlicher Ereignisse sich bald verdichtende und gegen Ende zuspitzende Schicksal Friedrich Mergels enthüllt das Verhängnisvolle der Situation der allgemeinen Gesellschaft.



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