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Leni Behrendt 

Das Haus im grünen Grund 

 

 

 

 
 

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Gemächlich tickte die Standuhr in die Stille des Gemachs, 
in dem das Ehepaar saß, so recht zufrieden mit seinem 

Geschick. Und dazu hatte es auch allen Grund. Denn es 
hatte alles, was ein Mensch sich wünschen kann. Ein 
sorgenloses Leben, ein behagliches Heim, zwei 
wohlgeratene Kinder und einen Schwiegersohn, der ihnen 
zusagte. Er war Arzt mit einer gutgehenden Praxis und 
konnte seine junge Frau nach der Hochzeitsreise in ein 
hübsches Haus führen, das komplett eingerichtet war. Und 
da der Rechtsanwalt und Notar Dr. Rudolf Danz seiner 
Tochter noch eine gute Mitgift geben konnte, war es ein 
festes Fundament, auf dem die Ehe gegründet wurde. 
Gestern hatte man die Hochzeit groß gefeiert im ersten 
Hotel der Stadt, und nach dem Festessen hatte das junge 

Paar sich heimlich entfernt, um sich auf die Hochzeitsreise 
zu begeben. 
Nun saßen die Eltern der jungen Frau beisammen und 
sprachen von dem Fest, auf dem alle so froh und 
leichtbeschwingt gewesen waren. Ihr Sohn, ein Bursche von 
sechzehn Jahren, hatte nach der ausgedehnten Feier noch 
nicht aus dem Bett finden können, und auch seine junge 
Base schlief noch in seliger Ruh. 
Danz hatte das Bruderkind vor einer Woche aus dem 
Töchterheim geholt, wohin der Vater seine Tochter 
gegeben, nachdem seine Frau durch Leichtsinn ums Leben 
gekommen war, denn Leichtsinn war es, stark erhitzt vom 

hohen Sprungbrett kopfüber ins eiskalte Wasser zu 
springen. Dabei machte das durch Sport überanstrengte 
Herz nicht mehr mit, es tat seinen letzten Schlag. 
Gleichgültig war das dem Gatten natürlich nicht, schnitt 
aber auch nicht ins Lebensmark. Auch die vierzehnjährige 
Tochter traf der Tod der Mutter nicht sehr, da die fanatische 
Sportlerin sich wenig um ihr einziges Kind gekümmert 
hatte. Der Vater befand sich viel auf Forschungsreisen, also 
blieb die Kleine bezahlten Kräften überlassen, die gewiß 
nicht liebevoll mit ihr umgingen. Da hatte sie es im 
Töchterheim schon besser, weil sie mit jungen Mädchen 

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zusammenkam, während sie im Elternhaus einsam 
gewesen war. 

Vor einem halben Jahr war nun auch der Vater durch ein 
bösartiges Fieber ums Leben gekommen, das er sich in den 
Tropen zugezogen hatte. In seinem Testament hatte er zum 
Vormund der Tochter seinen Bruder, den Notar Dr. Rudolf 
Danz, bestimmt. Ferner hätte er bestimmt, daß seine 
Tochter bis nach Absolvierung des Abiturs in dem Heim 
blieb, das dafür bekannt war, seinen Zöglingen eine 
tadellose Erziehung und vielseitige Ausbildung zu geben. 
Danach sollte der Vormund sein Mündel väterlich 
betreuen. 
Was er denn auch tat, indem er sein Mündel nach Bestehen 
des Abiturs in sein Haus holte. Sie war ein entzückendes 

Menschenkind, die neunzehnjährige Ortrun Danz, dazu 
noch eine reiche Erbin. Was Wunder, wenn die Mitgiftjäger 
mobil wurden. 
Der gefährlichste unter ihnen war der Baumeister Zerkel. 
Ein routinierter Schwerenöter, der sich gestern auffallend 
um Ortrun bemüht hatte. Darüber sprach soeben Frau 
Danz, was dem Gatten gewissermaßen die Galle 
hochgehen ließ. 
»Ich wäre diesem aalglatten Laffen am liebsten an den 
Kragen gegangen«, brummte er verdrossen. »Das könnte 
ihm so passen, mit dem Geld Ortruns sein Geschäft zu 
sanieren, das über und über verschuldet ist. Wahrscheinlich 

nimmt er an, daß Ortrun bei der Heirat für mündig erklärt 
wird und somit über ihren Reichtum verfügen kann.« 
»Und ist dem nicht so?« 
»Nein. In dem Testament ist die gesetzliche Volljährigkeit 
ausdrücklich betont. Erst dann darf Ortrun über das Geld 
frei verfügen, was immerhin länger als ein Jahr dauert. Und 
so lange kann der Mann nicht warten, sonst geht er pleite.« 
»Nun, dann ist ja keine Gefahr.« 
»Meinst du, aber ich sehe da weiter. Nämlich, daß dieses 
junge, unerfahrene Kind, das so lange wohlbehütet im 
Töchterheim lebte, sich von dem schmeichlerischen 

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Blender gestern das Köpfchen verdrehen ließ. Und damit 
Ortrun schleunigst aus der Nähe dieses gefährlichen 

Mitgiftjägers kommt, wirst du mit ihr auf Reisen gehen.« 
»Aber bester Mann, wie denkst du dir das eigentlich? Ich 
kann doch unmöglich dich und den Jungen, überhaupt die 
ganze Wirtschaft im Stich lassen und auf unabsehbare Zeit 
in der Weltgeschichte herumgondeln. Ich habe euch viel zu 
sehr verwöhnt, als daß ihr ohne mich fertigwerden könntet. 
Vielleicht kann man Ortrun bei Bekannten unterbringen.« 
Und siehe da, schon trat diese Bekannte ein. Fräulein 
Frauke Gortz, dreiundzwanzigjährig, sehr hübsch und als 
guter, anständiger Mensch bekannt. Sie war nach dem Tode 
ihres Vaters, eines höheren Beamten, zu dessen Schwester 
gezogen, wo sie als besseres Dienstmädchen schuften 

mußte, zwei Jahre lang. Dann jedoch hatte das Schicksal 
mit der geplagten Frauke ein Einsehen und bescherte dieser 
eine Erbschaft, mit der sie nie gerechnet hatte. Zuerst hielt 
sie es für einen Witz, was ihr der seriöse Anwalt Danz da 
vorlas. Nämlich, daß ein Vetter ihres Vaters ihr nicht nur 
sein Haus nebst acht Morgen Land und zehntausend Mark, 
sondern auch noch eine monatliche Rente von vierhundert 
Mark vermacht hatte. Kein Wunder, daß die von den 
Verwandten geduckte Frauke so viel Glück zuerst nicht 
fassen konnte. Doch als sie endlich begriffen hatte, brach 
eine rührende Freude durch. Lachend und weinend 
zugleich fiel sie dem Notar um den Hals und dankte ihm, 

als wäre er der Geber all der Herrlichkeit. 
Und nun trat sie ein, lachend über das ganze Gesicht. 
»Hallo, Fräulein Frauke, Sie strahlen ja wie ein ganzer 
Weihnachtsbaum«, empfing der Hausherr sie 
schmunzelnd. »Und dabei müßten Sie doch ganz klein und 
häßlich sein.« 
»Nanu, was hab ich denn verbrochen?« 
»Sie sind nicht zur Hochzeitsfeier erschienen.« 
»Um mich deshalb zu entschuldigen, bin ich hier«, nahm 
sie dankend den ihr gebotenen Platz ein. »Ich mochte mit 
den Verwandten nicht mehr zusammentreffen, mit denen 

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ich vorgestern eine ekelhafte Auseinandersetzung hatte.« 
»Also gab es Krach, als Sie ihnen eröffneten, daß Sie die 

zärtlichen Verwandten verlassen wollten?« 
»Und was für einen Krach! Man wurde direkt gemein. 
Unverschämtheit und Undankbarkeit war noch das 
gelindeste, was man mir vorwarf. Und als sie hörten, daß 
Hulda mit mir käme, da war vollends der Teufel los. Ich 
entfleuchte, schnürte mein Bündel und siedelte mit meiner 
Getreuen in ein Hotel über, um so weiteren Gemeinheiten 
zu entgehen. Deshalb erschien ich nicht zur Hochzeitsfeier, 
worum ich jetzt um Entschuldigung bitte.« 
»Und wann soll die Reise losgehen?« 
»Morgen, Herr Doktor.« . 
»Gleich mit Sack und Pack?« 

»Ja.« 
»Wäre es nicht ratsam, sich zuerst einmal den ererbten 
Besitz anzusehen?« 
»Nein«, kam es mit Entschiedenheit zurück. »In welch 
einem Zustand sich auch das Anwesen befinden mag, ich 
werde auf jeden Fall meinen Wohnsitz dort nehmen.« 
»Und wenn Ihre Verwandten Sie dort belästigen?« gab Frau 
Danz zu bedenken. 
»Das sollen sie nur wagen!« blitzte es in den graugrünen 
Augen gefährlich auf. »Dann werfe ich das gemeine Pack 
kopfüber hinaus. 
Ich habe unter ihm genug zu leiden gehabt«, fuhr sie nun 

ruhiger fort. »Habe zwei Jahre lang für sie geschuftet wie 
ein Kuli, ohne dafür auch nur einen Pfennig zu 
bekommen. Wenn ich nicht das kleine väterliche Kapital 
gehabt, hätte ich mir nicht mal ein Paar Strümpfe kaufen 
können. Hulda hat auch nicht immer ihren Lohn 
bekommen – na, Schwamm drüber! Es ist ja jetzt 
überstanden, Gott sei Dank!« 
»Haben Sie denn nie daran gedacht, sich in fremdem 
Hause einen Posten zu verschaffen?« fragte Frau Danz. »Da 
hätten Sie bestimmt bei viel weniger Arbeit noch ein gutes 
Gehalt bezogen.« 

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»Und wie ich daran dachte. Habe mich immer wieder um 
Posten beworben, die meinen Kenntnissen entsprachen. 

Aber nirgends wollte man Hulda mit übernehmen, was für 
mich ausschlaggebend war. Denn das hat die treue Seele 
wahrlich nicht verdient, von einem Menschen im Stich 
gelassen zu werden, dem und dessen Familie sie zwei 
Jahrzehnte aufopfernd diente. Also blieb ich ihretwegen 
immer weiter bei den Verwandten.« 
»So was nennt man Treue«, betrachtete Danz wohlgefällig 
das junge Mädchen, das da so hübsch und adrett vor ihm 
saß. Mittelgroß und schlank mit rundlichem Gesicht, in 
dessen Wangen beim Lachen zwei allerliebste Grübchen 
spielten. Die graugrün schillernden Augen waren von 
dichten dunklen Wimpern umsäumt. Das kastanienbraune 

Haar war gepflegt, wie überhaupt das ganze Mädchen, das 
etwas ungemein Klares, Sauberes ausstrahlte. 
Außerdem gewann Frauke Gortz durch ihr frisches, 
natürliches Wesen, ihr lustiges Lachen und ihre warme 
Stimme. Es gab wohl kaum einen Menschen, dem sie nicht 
sympathisch war. Und zu den Ausnahmen gehörten 
ausgerechnet ihre Verwandten, für die sie sich zwei Jahre 
lang abgeschuftet hatte, ohne Bezahlung und gegen 
schlechte Behandlung. 
»Schofles Pack«, dachte der Anwalt laut und mußte dann 
über die verdutzten Gesichter der beiden Damen lachen. 
»Ihr seid natürlich nicht gemeint. Also brauchen Sie nicht 

gleich zum Aufbruch zu rüsten, Fräulein Frauke.« 
»Deshalb tu ich es bestimmt nicht«, fiel sie vergnügt in das 
Lachen ein. »Ich bin ziemlich dickfellig geworden, dafür 
hat die liebe Verwandtschaft gesorgt. 
Wissen Sie übrigens, Herr Doktor, daß der junge Zerkel 
scharf hinter Ihrer Nichte her ist?« 
»Und wie ich das weiß«, nickte er grimmig. »Er benahm 
sich ja auffällig genug bei der Umgarnung des 
Goldfischchens. Mag er nur mit seiner Werbung kommen, 
er wird bestimmt mit langem Gesicht abziehen. Denn 
meine Nichte darf laut Testament über die 

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Hinterlassenschaft ihres Vaters erst dann verfügen, wenn sie 
volljährig geworden ist, und das dauert immerhin noch 

länger als ein Jahr. Ich glaube kaum, daß der aalglatte 
Schleicher so lange warten kann, dafür sitzt ihm das Messer 
zu dicht an der Kehle. Nichtsdestotrotz werde ich die 
Kleine aus der Gefahrenzone bringen, bevor dieses 
unerfahrene Kind sich ganz und gar das Köpfchen von 
diesem üblen Scharlatan verdrehen läßt.« 
»Und damit täten Sie recht«, nickte Frauke. »Schon aus 
Niedertracht allein würde der ekelhafte Bursche das 
Mädchen betören, weil es ihm nun doch mal Spaß macht, 
seine Unwiderstehlichkeit zu erproben. Und damit brüstet 
er sich auch noch. Der Gefahr dürfen Sie Ihre Nichte nicht 
aussetzen, Herr Doktor. Bringen Sie sie in Sicherheit vor 

dem Bel ami, auf den die Mädchen und Frauen ja leider 
Gottes prompt hereinfallen, bevor es zu spät ist.« 
»Das ist auch meine Sorge. Ich machte schon meiner Frau 
den Vorschlag, mit der Kleinen so lange auf Reisen zu 
gehen, bis im Netz des üblen Fischers ein anderes 
Goldfischchen zappelt. Aber unser liebes Muttchen will 
ihren Pflichtenkreis nicht verlassen, was ja zu verstehen ist. 
Wohl könnte ich ohne weiteres für mein Mündel eine 
Reisedame verpflichten, aber weiß man, in wessen Hände 
es da käme? Und Verwandte oder gute Bekannte haben wir 
nicht, wo man die Kleine unterbringen könnte. Ich muß 
schon sagen, daß ich da ziemlich ratlos bin.« 

»Geben Sie mir das Mädchen mit«, entschied Frauke 
spontan. »Bei mir wäre es bestimmt in guter Hut.« 
»Ist das Ihr Ernst, Fräulein Frauke?« 
»Na was denn sonst?« fragte sie erstaunt zurück. »Ihre 
Nichte tut mir leid, deshalb möchte ich sie schützen, 
gemeinsam mit Hulda, die ein guter Zerberus ist. Laß die 
Mitgiftjäger nur kommen. Ein Eimer kaltes Wasser übern 
Kopf gestülpt ist ihnen sicher«, schloß sie lachend, und 
amüsiert fiel das Ehepaar ein. 
»Das traue ich Ihrer Hulda ohne weiteres zu«, sagte der 
Anwalt. »Also es gilt, Fräulein Frauke?« 

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»Es gilt, Herr Doktor. Fragt sich nur, ob Ihre Nichte damit 
einverstanden ist, was über ihren Kopf hinweg bestimmt 

wird.« 
»Daran ist sie vom Töchterheim her gewöhnt. Da hatte sie 
nichts zu wollen, sondern widerspruchslos zu gehorchen. 
Also wird sie es auch jetzt tun.« 
Womit er recht hatte. Denn als die Nichte gleich darauf 
erschien und der Onkel ihr den Vorschlag unterbreitete, 
sah sie mit ihren leuchtendblauen Augen Frauke eingehend 
an, die lächelnd dem inquisitorischen Blick standhielt. 
Dann sagte das Mädchen mit einer Ernsthaftigkeit, die zu 
einer Neunzehnjährigen gar nicht passen wollte: 
»Wenn du es für richtig hältst, Onkel Rudolf, dann gehe ich 
selbstverständlich mit Fräulein Gortz.« 

»Auch gern, Ortrun?« 
»Sehr gem. Schon deshalb, weil ich auf dem Lande leben 
möchte. In dieser großen Stadt ist es mir zu unruhig, zu 
laut, zu turbulent. Ich glaube kaum, daß ich mich hier 
wohl fühlen könnte«, bekannte sie freimütig, setzte dann 
jedoch verlegen werdend hinzu: »Das betrifft natürlich nur 
die Stadt, Onkel Rudolf, nicht dein Haus. Ich habe mich 
nur ungeschickt ausgedrückt, nicht wahr?« 
»Nein, mein Kind«, beruhigte er sie, die ihn ängstlich 
ansah. »Ich weiß schon, wie du es meinst und kann es gut 
verstehen. Der Kontrast zwischen dem abgelegenen 
Töchterheim und der lärmenden Stadt ist eben zu groß. 

Daher ist es gut für dich, wenn du als Zwischenstation in 
ein Dorf kommst. Vorläufig jedenfalls, später sehen wir 
dann weiter.« 
»Und jetzt laß das Kind erst einmal frühstücken«, schaltete 
sich die resolute Gattin ein. »Komm, mein Herzchen, 
lassen wir uns etwas servieren!« 
Als sie gegangen waren, lachte Frauke kurz auf. 
»Das könnte dem Zerkel so passen, sich dieses 
bezaubernde Menschenkind einzufangen samt seinem 
Geld. Ich kann mir denken, daß er gestern bei dem Fest alle 
Minen springen ließ. Wie reagierte das Mädchen darauf? 

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War es sehr entzückt?« 
»Eigentlich nicht«, entgegnete er versonnen. »Eher ängstlich 

und verwirrt. Sicherlich ist es der erste Mann, der sie 
umgarnte. Denn in einem Töchterheim werden die 
Zöglinge natürlich den Männern ferngehalten. Also kein 
Wunder, wenn so ein naives Menschenkind auf den ersten 
besten Blender hereinfällt. Vielleicht ist es auch 
übertriebene Vorsicht von mir, das Mädchen aus der 
Gefahrenzone zu schaffen. Aber ich sage mir, daß 
vorbeugen immer besser ist als heilen. Jedenfalls bin ich 
Ihnen zu großem Dank verpflichtet, daß Sie sich der 
Kleinen annehmen wollen.« 
»Von Dank kann keine Rede sein«, wehrte sie ab. »Sie tun 
mir direkt einen Gefallen, wenn Sie mir Ihre Nichte 

mitgeben. Da habe ich wenigstens Gesellschaft. Noch 
etwas?« 
»Ja. Wir müssen noch die finanzielle Seite erörtern. Ich 
zahle Ihnen monatlich die gleiche Summe wie dem 
Internat.« 
»Herr Doktor, Sie sind wohl nicht recht gescheit! So ein 
Institut – welches ist es überhaupt?« 
»Das Elitetöchterheim. Ist Ihnen das ein Begriff?« 
»Nein. Aber es hört sich schon so exquisit an.« 
»Es ist das vornehmste in seiner Art.« 
»Aha! Dementsprechend wird wohl auch die Bezahlung 
sein. Im übrigen sollten Sie nicht so vertrauensselig sein, 

als Jurist schon gar nicht. Wenn ich nun das viele Geld 
annehme und den größten Teil davon für mich verwende?« 
»Dann hänge ich meinen Beruf an den Nagel«, bemerkte er 
trocken. »Denn ein Jurist mit einer so miserablen 
Menschenkenntnis soll lieber Filzschuhe wichsen.« 
»Dazu will ich Sie denn doch nicht degradieren«, lachte sie 
hellauf. »Da will ich lieber großmütig sein und ehrlich 
bleiben.« 
»Na also«, schmunzelte er. »Dann sind wir uns ja einig. 
Hier haben Sie meine Hand, schlagen Sie ein. Schließen 
wir ein Schutz- und Trutzbündnis zu Heil und Frommen 

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des Waisenkindes Ortrun Danz.« 
Am nächsten Tag ging dann die Reise los. Der 

Rechtsanwalt, der die »Auswanderer« gern zur Bahn 
gebracht hätte, mußte davon absehen, da ein Prozeß ihn in 
Anspruch nahm. So mußte er denn zu Hause von der 
Nichte Abschied nehmen. 
Die Ermahnungen, die er ihr mit auf den Weg gab, nahm 
sie schweigend hin. Sie war ja vom Töchterheim an 
derartige Sermone gewöhnt, sie machten ihr gar nichts 
mehr aus. 
Ruhig sah sie den Mann an, der ihr so fremd war, wie jeder 
andere Mensch auch. Zwar hatte er sie jedes Jahr einmal im 
Internat besucht. Doch die wenigen Stunden, die er bei ihr 
verweilte, hatten nicht genügt, um ihn ihr vertraut zu 

machen. Daher fiel ihr auch jetzt der Abschied von ihm 
nicht schwer. 
Und von der Tante schon gar nicht, die ihr das Geleit zum 
Bahnhof gab, wo man mit Frauke Gortz zusammentraf. 
Warum sie mit ihr gehen sollte, darüber zerbrach Ortrun 
sich den Kopf nicht. Sie kannte es ja nicht anders, als 
andere über sich bestimmen zu lassen, durfte keinen 
eigenen Willen haben. Sie hatte sich widerspruchslos dem 
zu fügen, was andere von ihr verlangten. Warum auch 
nicht jetzt? Ihr Vormund bestimmte, und sie gehorchte. 
»Da bist du ja«, empfing Frauke sie freudig erregt. »Wir 
sagen gleich du zueinander, lassen ein Fremdsein erst gar 

nicht zwischen uns aufkommen. Das da ist unsere liebe 
Hulda, die dich bestimmt verwöhnen wird. Je mehr sie 
nämlich zum Verwöhnen hat, um so wohler fühlt sie sich.« 
Schüchtern reichte Ortrun der ihr Vorgestellten die feine 
Hand, die in der verarbeiteten Rechten der großen, 
grobknochigen Person beinahe verschwand. Alles wirkte 
derb an ihr. Auch das Gesicht mit dem glatten, dunklen 
Scheitel. 
Und doch fühlte Ortrun sich zu dem alten Mädchen sofort 
hingezogen, obwohl es brummig dreinschaute. Und jetzt 
wurde die Miene sogar grimmig. Denn Hulda hatte etwas 

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erspäht, was sie mit Grimm erfüllte bis zur Halskrause. 
Finster hing ihr Blick an der Familie, die in Begleitung eines 

weißhaarigen Herrn den Bahnsteig entlangkam. Der Herr 
mußte schon eine wichtige Persönlichkeit sein, da die 
beiden Damen ihm zu einer Stunde das Geleit gaben, an 
der sie gewöhnlich noch zu schlafen pflegten. 
Rasch trat Hulda vor Ortrun, das grazile Personellen mit 
ihrer robusten Gestalt völlig deckend. Denn das fehlte 
gerade noch, daß der geleckte Affe ihre Kleine entdeckte 
und auf sie zuscharwenzelte. Und als er dann später doch 
ihrer ansichtig wurde, befand sie sich bereits mit Frauke am 
Abteilfenster. Und Zerberus Hulda, die hinter den beiden 
stand, sah schadenfroh in das verblüffte Gesicht des 
Mannes, den man mit geschniegelt und gebügelt 

bezeichnen konnte. Er sagte etwas zu Eltern und Schwester, 
die vor dem Fenster verharrten, hinter dem sich der 
weißhaarige Herr befand. 
Und nun starrten vier Augenpaare ungläubig zu Ortrun 
hin, die gefesselt auf das turbulente Treiben des 
Reiseverkehrs schaute, während Frauke sich mit der 
draußenstehenden Frau Danz unterhielt. Sie hatten längst 
die Familie Zerkel entdeckt und amüsierten sich über die 
verdatterten Gesichter der vier Herrschaften, die so ganz 
einander würdig waren. Allein schon in ihrer auffallenden 
Kleidung, die man bei Tochter und Sohn noch 
entschuldigen konnte, da sie beide jung waren. Doch daß 

die Mutter, die bereits die Fünfzig überschritt, wie ein 
Backfisch aufgeputzt war und der noch ältere Vater wie ein 
Dandy herumstolzierte, das machte sie im höchsten Grade 
lächerlich. 
Dann kam der Augenblick, den jeder nervöse Reisende 
kaum erwarten kann. Die Wagentüren knallten zu, der 
Mann mit der roten Mütze gab das Abfahrtszeichen, und 
langsam setzte sich der Zug in Bewegung. Taschentücher 
flatterten, wurden ferner und ferner, kamen schließlich 
ganz außer Sicht. Die Reisenden verließen den Gang und 
suchten die Abteile auf, wo sie vorsorglich einer! Platz 

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belegt hatten. Was nicht schwierig ist, wenn der Zug auf der 
Station eingesetzt wird, was hier ja der Fall war. 

So hatten denn die drei »Auswanderer« fürs erste sogar ein 
Abteil für sich, was sie natürlich begrüßten. Den einen 
Fensterplatz nahm Frauke ein, auf den zweiten wurde 
Ortrun von Hulda geschoben, obwohl sie dagegen 
protestierte: 
»Aber der kommt mir als Jüngsten doch nicht zu.« 
»Was heißt hier zukommen?« schnitt Hulda ihr das Wort 
ab. »Ich mach sowieso ein Nickerchen. Da ist es mir egal, 
wo ich sitze. Hauptsache, daß der Platz bequem ist.« 
Sprach’s, kuschelte sich in die Türecke und war vorläufig 
nicht mehr zu sprechen. 
»Tja, das ist unsere Hulda«, lachte Frauke. »An ihre 

kurzangebundene Art wirst du dich schon gewöhnen 
müssen. Größtenteils brummt sie, weniger schmunzelt sie, 
und manchmal lacht sie sogar. Aber gut meint sie es 
immer, hat ein treues, warmes Herz. Mach es dir nur recht 
bequem, wir fahren mit diesem Zug drei Stunden.« 
»Und wann sind wir am Ziel?« fragte Ortrun schüchtern. 
»Oder darf ich das nicht wissen?« 
»Warum denn nicht?« gegenfragte Frauke erstaunt. 
»Weil ich im Töchterheim – « 
»Aha!« unterbrach die andere sie lachend. »In dir steckt 
noch der gewohnte Drill. Den schüttle ja rasch ab und 
sprich mit uns, wie dir das Schnäbelchen gewachsen ist. Ich 

bin ja schließlich keine Respektsperson für dich, sondern 
eine um vier Jahre ältere Freundin, zu der du Vertrauen 
haben darfst. Gleichfalls zu der brummigen Hulda. Wir 
wollen uns immer gut vertragen, da wir aufeinander 
angewiesen sind. Wollen uns das Leben so schön wie 
möglich einrichten. Sollte es dir jedoch bei uns nicht 
gefallen, kannst du zu jeder Zeit zu deinem Vormund 
zurück.« 
»Bitte nicht«, fiel Ortrun ihr ängstlich ins Wort. »Er ist mir 
so fremd – so – so – ach bitte, schick mich nicht fort.« 
Das letzte klang schon tränenerstickt und rasch griff Frauke 

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nach den flatternden Händen. 
»Mädchen, du zitterst ja am ganzen Körper«, sagte sie 

kopfschüttelnd. »Es fällt mir gar nicht ein, dich 
wegzuschicken. Dafür bist du mir jetzt schon zu fest ans 
Herz gewachsen. Ich machte dir doch nur einen Vorschlag.« 
»Der sehr dumm war«, kam es brummend aus der Ecke, in 
der Hulda saß. »Mach mir das arme kleine Ding nicht noch 
kopfscheuer, als es ohnehin schon ist. Dann kriegst du es 
mit mir zu tun.« 
»Oha!« lachte Frauke amüsiert. »Huldchen droht und dann 
wird’s gefährlich. Ich dachte, du schläfst.« 
»Tat ich auch. Aber was du da sagtest, das erweckte mich 
wie die Posaunen von Jericho.« 
Da mußte selbst die schüchterne Ortrun lachen, und Hulda 

nickte zufrieden. 
»Na also. Klingt wohl noch zaghaft, aber bald wird es 
anders sein. Fahren wir schon lange?« 
»Ungefähr zehn Minuten.« 
»Na, meinem Magen nach zu schließen sind es Stunden. Er 
hängt mir ganz schief.« 
»Dann stopfe ihn dir gerade«, neckte Frauke ihre resolute 
Getreue. »Hast ja für Furage genügend gesorgt.« 
»Wohl mir, daß ich nicht auf dich hörte, sondern meinen 
Kopf durchsetzte.« 
»Tust du das nicht immer, Huldchen?« 
»Bei dir auch nötig, mein Herzchen. Sonst könnte ich in 

diesem rasenden Ungetüm verhungern.« 
»In dem gibt es einen Speisewagen.« 
»Ach was«, winkte Hulda verächtlich ab. »Das ist alles nur 
Nuschtwerk und unverschämt teuer. Ich bin mehr für 
Selbstversorgung.« 
Damit hob sie aus dem Netz einen kleinen Koffer, stellte 
ihn aufs Polster, klappte den Deckel hoch und was man da 
erblickte, konnte einem schon das Wasser im Mund 
zusammenlaufen lassen. Belegte Brote, zerteiltes Geflügel, 
delikate Happen, Obst, das alles zusammen bot ein 
verlockendes Stilleben. Eine Thermosflasche mit Kaffee 

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nebst drei Bechern war auch vorhanden, selbst ein 
Fläschchen Kognak fehlte nicht. Auch nicht Pappteller, 

Papierservietten und kleine Bestecke, an alles harte Hulda 
gedacht. 
»Das hast du wieder einmal großartig gemacht«, lobte 
Frauke. »Bei dem Anblick verspürt man einen 
Mordshunger.« 
»Das hab ich mir so ungefähr gedacht«, nickte das alte 
treue Mädchen zufrieden. »Wenn man eine Reise antreten 
will, ist man viel zu aufgeregt, um vorher zu essen. So war 
es doch auch mit Ihnen, kleines Fräulein, nicht wahr?« 
»Ja«, nickte Ortrun verlegen. »Wollen Sie mich, bitte, nicht 
duzen? Dann fühle ich mich nicht so fremd.« 
»Na schön«, brummte Hulda. »Dann aber nur auf 

Gegenseitigkeit. Und nun wollen wir essen, solange wir 
noch allein sind. Kommen erst andere hinzu, sind wir 
nicht mehr so ungeniert.« 
Womit sie rechtbehalten sollte. Denn kaum hatte sie den 
Koffer ins Netz zurückgelegt, als der Zug auf einer größeren 
Station hielt und eine Menge Reisende hinzustiegen. Die 
bisher nur mäßig besetzten Abteile füllten sich. 
Neben Ortrun setzte sich ein älterer Herr mit strengem 
Gesicht, der so den Eindruck machte, als wäre nicht gut mit 
ihm Kirschen essen. Neben ihm nahm eine junge Frau 
Platz, zu der zwei Knaben gehörten, deren Erziehung alles 
zu wünschen übrig ließ. Hulda, die auf der andern Seite 

neben Frauke saß, bekam eine Nachbarin, die wie eine 
vom Tod vergessene Gouvernante anmutete in ihrem 
vorsintflutlichen Habit. Denn sie trug tatsächlich noch eine 
Hemdbluse mit steifgestärktem Kragen nebst Krawatte, 
einen langen Rock und ein Pincenez, wie man es vor einem 
halben Jahrhundert von wegen der vornehmen Note trug. 
Selbst von solchen, die eine Brille nicht benötigten und 
Fensterglas in die bügellose, oft sogar goldene Fassung 
setzen ließen. Und da der Volksmund ja zu allen Zeiten 
solche Schwächen zu glossieren pflegt, so prägte er den 
Ausspruch: Ohne Brill’ ist nichts zu machen, ohne 

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Pincenenz kein Sonntag. 
Nun, für diese Dame war das Raritätenstück eine 

Notwendigkeit, das merkte man ihren kurzsichtigen Augen 
an. Wahrscheinlich hätte eine Brille mit dicker Fassung gär 
nicht zu ihr gepaßt. Nicht zu dem feinen Gesicht und der 
ganzen Haltung. Denn trotz der lächerlichen Aufmachung 
machte die Dame einen vornehmen Eindruck. 
Ortrun sah hilflos zu Frauke hinüber, als der größere der 
beiden Jungen derb ihren Arm packte und frech verlangte: 
»Steh auf, laß mich da sitzen! Ich will durchs Fenster 
sehen.« 
»Na, nun mal langsam«, begann Frauke, kam jedoch nicht 
weiter, da der Herr wie ein böser Kettenhund knurrte und 
nach dem Schuh griff, wo hinter dem Oberleder ein 

Hühnerauge prächtig gedieh. Was ja nun selbst einen 
Gemütsmenschen zum Berserker machen kann, wenn auf 
das Prachtstück herzhaft getreten wird. Und das hatte der 
kleinere Knabe getan, der in dem engen Gang 
herumhampelte. 
»Mach bloß, daß du aus meiner Nähe kommst!« schrie der 
Schmerzgepeinigte den Jungen an, worauf dieser ihm die 
Zunge herausstreckte, was die Frau Mama vor Stolz strahlen 
ließ. 
»Recht so, mein Sohn, laß dir nichts gefallen.« 
Doch gleich darauf mußte er sich die Ohrfeige gefallen 
lassen, die Mutterhand ihm verpaßte. Denn der kleine 

Rüpel hatte blitzschnell eine Rasche aus der am Boden 
stehenden Tasche gezogen, sie geöffnet – und schon ergoß 
sich der rote Saft über den neuen Frühjahrsmantel, wofür 
die eben noch so stolze Mutter absolut kein Verständnis 
hatte, sondern das liebe Söhnchen gar kräftig ohrfeigte. Das 
zweite Herzenskind bekam gleich eine mit, weil es sich 
über das Malheur halb totlachen wollte. Und als sie gar 
noch die schadenfrohen Mienen der Mitreisenden sah, da 
wurde sie weiß vor Wut. Stieß die lieben Kinderchen aus 
dem Abteil, nahm das Gepäck und zog zorngeschwellt ab. 
»Gott in deine Hände«, sprach Hulda in die Stille nach 

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dem Sturm hinein. »Was soll aus solchen Kindern werden.« 
»Strolche«, entgegnete der Herr trocken, indem er sich 

erhob und nach seinem Gepäck griff, da der Zug sein 
Tempo verlangsamte. »Solche Typen von Mütter und 
Kindern sind mir bekannt, da ich seit zwei Jahrzehnten 
einen Stadtpark verwalte, in dem sich ein großer 
Kinderspielplatz befindet. Wehe, wer sich da nicht 
durchsetzen kann!« 
Der Zug hielt, er verließ das Abteil, das Minuten später ein 
Herr betrat, der höflich grüßte, die Mitreisenden flüchtig 
musterte, dann Platz nahm und sich gleich hinter einer 
großen Zeitung verschanzte. Somit sah man nur seine 
langen Beine, die in einer tadellosen Hose steckten. 
Jetzt kam noch ein Herr hinzu, der so aussah, als ob er sich 

selbst nicht leiden könnte. Mürrisch drückte er sich in die 
Türecke und verkroch sich in seinem Mantel, wo er bald 
entschlummerte. 
Die altmodische Dame machte ein Nickerchen, im 
wahrsten Sinne des Wortes. Denn immer wieder nickte sie 
im Schlaf, wobei der Kneifer lustig mitwippte. Es war ein so 
drolliges Bild, daß Frauke ihre beiden Begleiterinnen 
darauf aufmerksam machte. Und als der schlafende Herr 
noch so komische Grunztöne von sich gab, da preßten sie 
ihre Taschentücher gegen den Mund, um so das Lachen zu 
ersticken. 
Sie hatten keine Ahnung, daß sie von dem andern Herrn 

über die Zeitung weg beobachtet wurden, da sie keine 
Notiz von ihm nahmen. Daher entging ihnen das 
stillvergnügte Schmunzeln, mit dem er alles ringsum in 
sich aufnahm. 
Als der Zug wieder einmal seine Fahrt verlangsamte, warf 
Frauke einen Blick auf die Armbanduhr. 
»Ich glaube, wir sind am Ziel«, sagte sie hastig. »Halten wir 
uns bereit.« 
Und damit taten sie recht. Denn kaum, daß sie in ihre 
Mäntel geschlüpft waren und nach dem Gepäck gegriffen 
hatten, hielt der Zug auf der Station, wo sie ihn verlassen 

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mußten. Der erste Teil ihrer bestimmt nicht langweiligen 
Reise war geschafft. 

Auf dem Bahnsteig bat Frauke einen Beamten, ihr den Weg 
zur Kleinbahn zu beschreiben. Dann schlossen sie sich 
dem Menschenstrom an, der zur Sperre strebte, dann durch 
die Bahnhofshalle dem Ausgang zu. Dort blieben sie zuerst 
einmal stehen und sahen sich das muntere Treiben an, das 
allen drei neu war, weil sie noch fast gar nicht gereist 
waren. 
Auf dem weiten Platz standen, Privatautos, Taxis und 
Omnibusse, zu denen die Menschen eilten. Alle hurtig, alle 
voll Hast. Ein Gefährt nach dem andern fuhr ab, bis der 
Platz; leer war. 
»So, denn wollen wir mal«, sagte Frauke vergnügt. »Wie hat 

der Beamte gesagt: durch das Bahnhofsportal auf die 
Straße, dort rechtsum und fünf Minuten lang der Nase 
nach. Tun wir also.« 
So zogen sie denn los, frohgemut und mit leichtem 
Gepäck; denn das große hatten sie aufgegeben. Führten nur 
im Köfferchen das mit, was unbedingt notwendig war. 
Schon von weitem sahen sie den Zug, der bereits unter 
Dampf stand. Sie waren noch nie in so einem Bähnlein 
gefahren und freuten sich nun darauf, wie sie sich über 
alles und jedes freuten in ihrer Unverwöhntheit. Wie war 
doch das alles so reizvoll und interessant. 
Nachdem Frauke die Fahrkarten gelöst hatte, suchte man 

nach einem Abteil zweiter Klasse, welches man als einziges 
an diesem Züglein fand und das jetzt noch unbesetzt war. 
Frauke und Ortrun nahmen die Fensterplätze ein, Hulda 
placierte sich heben erstere, also saß man genau wie, 
vorher im D-Züg. Später bekam Ortrun eine Nachbarin, die 
für ihre Behäbigkeit so viel Platz brauchte, daß sie das 
grazile Persönchen in die Ecke drückte. Ihr frisches 
Vollmondgesicht drückte dabei so viel Wohlwollen und 
Güte aus, daß man ihr nicht böse sein konnte. 
Die noch Zusteigenden waren alle miteinander bekannt 
und unterhielten sich zwanglos. Immer wieder gingen ihre 

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Blicke verstohlen zu den drei Fremdlingen hin, in denen sie 
Feriengäste vermuteten, obwohl Mitte März noch keiner 

das idyllische Dorf aufzusuchen pflegte. Warum diese es 
taten, hätten sie zwar brennend gern gewußt, aber man 
fragte natürlich nicht. Man hatte ja schließlich Erziehung – 
o bitte sehr! 
Mit einem grellen Pfiff setzte sich das Bähnlein prustend 
und schnaubend in Bewegung. Interessiert schauten die 
drei Fremdlinge zum Fenster hinaus, entzückt von der 
Landschaft, die das Züglein eilfertig durchzuckelte. Überall, 
wohin man auch schaute, sah man lachendes, knospendes 
Land, schützend von Wald umschlossen. Grüne Weiden, 
auf denen trotz der frühen Jahreszeit schon Vieh graste, 
rote Dächer, die durch Bäume lugten, ein munteres 

Bächlein, das sich genauso durch die Wiesen schlängelte 
wie der kleine Zug die Schienen entlang, der oft hielt. 
Frische, gesunde Menschen, denen die Hast des 
Großstädters unbekannt war, stiegen gemächlich ein und 
aus. Gingen zu Fuß über Landwege und Wiesenpfade ihren 
Bauerngehöften zu oder fuhren im Pferdewagen davon. 
Alles lachte und grüßte einander zu, jeder schien jeden zu 
kennen. 
Nachdem man eine knappe Stunde gefahren war, hielt der 
Zug nicht vor der üblichen Wellblechbuche, wie kleine 
Stationen sie aufwiesen, sondern vor einem roten 
Backsteinhäuschen, und schon hörte man von draußen die 

Stimme des Schaffners: 
»Grünergrund – Endstation!« 
Es waren nicht mehr viele Passagiere, die ausstiegen, die 
meisten hatten den gutbesetzten Zug schon unterwegs 
verlassen. Zu Fuß verließ man den kleinen Bahnhof, nur 
die gewichtige Dame ging auf ein Gefährt zu, in dessen 
Deichsel ein wohlgenährter Brauner steckte. Doch 
unterwegs verhielt sie den Schritt und sah zu den drei 
Fremdlingen hin, die unschlüssig dastanden. 
»Nanu, meine Damen, werden Sie nicht abgeholt?« fragte 
sie verwundert. »Der Friedrich von der ›Grünen Gans‹ 

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pflegt doch sonst pünktlich zu sein.« 
»Grüne Gans?« fragte Frauke lachend. »Die muß aber noch 

sehr jung sein.« 
»O nein«, schmunzelte die Dicke. »Sie ist im Gegenteil 
schon recht betagt, aber ganz nett auf komfortabel 
zurechtgestutzt. Die ›Grüne Gans‹ ist nämlich das 
hübscheste Hotel in unserem grünen Dorf. Ja, ja, meine 
Damen, bei uns ist alles grün. Da kann es einem niemals 
schwarz vor den Augen werden.« 
Jetzt lachte man ein fröhliches Quartett, und dann fragte 
Frauke nach dem Weg zum Gemeindeamt. 
»Das ist hier ganz in der Nähe«, gab die stattliche Dame 
Auskunft, ihre Neugierde dabei heroisch unterdrückend. 
»Gehen Sie die Straße rechts hinunter bis zum Marktplatz, 

überqueren Sie ihn und marschieren Sie direkt in das große 
Haus, das zur Abwechslung weiß ist. Dann sind Sie am 
Ziel. Kapiert?« 
»Auf Anhieb. Besser hätten Sie es gar nicht erklären 
können, gnädige Frau.« 
»Das freut mich. Also dann alles Gute, meine Damen.« 
Ihnen freundlich zunickend kugelte sie ab und stieg mit 
einer Behendigkeit in den Wagen, die für ihre Körperfülle 
erstaunlich war. Der Kutscher ließ die Peitschenschnur 
sacht über den blanken, breiten Rücken des Braunen 
spielen, der sich darob gemächlich in Bewegung setzte. 
»Das nennt man Gemütlichkeit«, lachte Frauke. »Ich 

glaube, in diesem idyllischen grünen Dorf reißt sich keiner 
ein Beinchen aus. Und nun auf zum Herrn 
Gemeindevorsteher. Wollen wir uns von ihm überraschen 
lassen.« 
So zog man denn vergnügt von dannen und nahm entzückt 
das schmucke Bild in sich auf. Das ganze Dorf war 
blitzsauber. Zusammengebaute Häuser gab es in dieser mit 
Bäumen umsäumten Straße nicht, die sehr lang zu sein 
schien, die rechts einen Bürgersteig, links einen Fahrradweg 
aufwies. Zwischendurch erstreckte sich eine glatte 
Asphaltstraße. 

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Jedes Haus war von einem Garten umschlossen, den ein 
grüner Staketenzaun von dem Nachbargrundstück trennte. 

Ein schmuckes Dorf, ein gepflegtes Dorf. 
Der Marktplatz war im Viereck von Gebäuden 
abgeschlossen. In der Mitte plätscherte ein Springbrunnen, 
umrandet von Blumenbeeten. Die Bürgersteige säumten 
alte, prächtige Lindenbäume. Zwei davon standen vor dem 
Gemeindeamt wie stumme Wächter. 
Die Gans war tatsächlich grün, die auf ein Schild gemalt 
war, das über dem Eingang des schmucken Hotels lustig 
baumelte. Geschäft reihte sich an Geschäft; denn der große 
Marktplatz war Zentrum. 
Der Gemeindevorsteher, ein jovialer Herr mit kräftiger 
Gestalt, frischem Gesicht und angegrautem Borstenkopf 

ging den Eintretenden zögernd entgegen. 
»Guten Tag. Wenn ich nicht irre, sind Sie die von dem 
Notar Dr. Danz avisierten Damen?« 
»Stimmt«, entgegnete Frauke liebenswürdig. »Ich bin 
Frauke Gortz, das ist Fräulein Hulda Selk und das Fräulein 
Ortrun Danz.« 
Nachdem die Begrüßung erfolgt war, nahm man an einem 
runden Tisch Platz, und ohne Aufforderung legten die 
Mädchen ihre Ausweise nebst einer polizeilichen 
Bestätigung vor. Der Gemeindevorsteher prüfte die Papiere 
sorgfältig und reichte sie dann mit verbindlichem Lächeln 
zurück. 

»Danke, meine Damen, alles in Ordnung. Hm – ja, wollen 
Sie denn das ererbte Haus beziehen?« 
»Warum denn nicht?« gegenfragte Frauke erstaunt. »Gibt es 
da etwa Schwierigkeiten?« 
»Nicht was die Erbschaft selbst betrifft, da geht alles klar. 
Nur ist das Anwesen – nun, um es beim richtigen Namen 
zu nennen – verwahrlost. Um es in Ordnung zu bringen, 
werden Sie eine Menge Geld hineinstecken müssen, mein 
gnädiges Fräulein.« 
»Das ist vorhanden«, erklärte Frauke kurz. »Jedenfalls 
soviel, um die größten Schäden zu beheben. Alles andere 

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wird nach und nach erfolgen.« 
»Das freut mich«, atmete der Mann sichtlich auf. »Denn das 

Anwesen war immer ein Schandfleck unseres schmucken 
Dorfes, das jährlich immer mehr Sommergäste anzieht. Ein 
Glück, (daß dieses – na ja – nicht im Mittelpunkt, sondern 
an der Grenze liegt.« 
»So daß die Dörfler es verleugnen können«, warf Frauke 
trocken ein, was den Mann verlegen machte. »Hat mein 
Onkel wenigstens ein anständiges Begräbnis gehabt?« 
»Aber gewiß, gnädiges Fräulein«, beeilte er sich zu 
versichern. »Der Herr Professor hatte ja eigens dafür eine 
Summe bestimmt, die wir in einem versiegelten Umschlag 
auf dem Schreibtisch fanden. Ich habe alle Ausgaben 
gewissenhaft vermerkt und die Rechnungen beigefügt.« 

Er stand auf und trat an den Geldschrank, dem er einen 
versiegelten Umschlag nebst einigen Schlüsseln entnahm. 
Mit einer Verbeugung überreichte er es Frauke, die es in die 
Handtasche gleiten ließ. 
»Ich danke Ihnen, Herr Gemeindevorsteher, für die Mühe, 
die Sie mit meinem Onkel gehabt haben.« 
»Aber bitte, gnädiges Fräulein, ich tat nur meine Pflicht. 
Wenn Sie meine Hilfe benötigen sollten, ich stehe Ihnen 
gern zu Diensten.« 
»Danke. Welchen Weg müssen wir einschlagen, um zu dem 
Anwesen zu gelangen?« 
»Über den Marktplatz, dann rechts ab und immer die 

Straße entlang bis zum letzten Haus linker Hand. Nun 
möchte ich die Damen in unserm grünen Dorf 
willkommen heißen und Ihnen alles Gute wünschen.« 
»Phrasen«, sagte Frauke verächtlich, nachdem sie mit ihren 
Begleiterinnen das Amtszimmer verlassen hatte. »Der Mann 
machte so den Eindruck, als hätte er uns gern abgeschoben. 
Nichts da, mein Lieber, wir bleiben. Doch zuerst gehen wir 
in die ›Grüne Gans‹, um unseren Hunger zu stillen.« 
Der Raum, den sie gleich darauf betraten, war niedrig und 
langgestreckt. Alles darin blitzte vor Sauberkeit. Sie 
nahmen an einem der breiten Fenster Platz, von dem aus 

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sie den Marktplatz übersehen konnten. Und schon 
watschelte ein Dicker auf seine einzigen Gäste zu. 

»Guten Tag, die Damen. Was ist gefällig?« 
»Ein gutes und reichliches Mahl, Herr Wirt.« 
»Die Damen werden zufrieden sein«, reichte er ihnen 
dienernd die Speisekarte hin. »Bitte zu wählen.« 
Sie wählten alle drei dasselbe, das sich als reichlich und 
schmackhaft erwies. Kalbsschnitzel mit gemischtem Salat 
und als Dessert eingeweckte Kirschen. So richtig gesättigt 
legten sie sich in die bequemen Polsterstühle zurück, und 
Frauke griff zur Zigarette. Ein Laster, dem sie allerdings nur 
als sogenannte Sonntagsraucherin frönte. Hulda rauchte 
natürlich nicht und Ortrun als bisheriger Internatszögling 
schon gar nicht. 

»Nun laßt uns mal beraten, was wir beginnen sollen«, 
sprach Frauke leise, um von den gespitzen Ohren des 
Wirtes hinter der Theke nicht gehört zu werden. »Am 
besten ist, wir belegen hier Zimmer. Denn in dem 
verwahrlosten Haus, wie es der Gemeindevorsteher so 
liebenswürdig betitelte, werden wir vorerst wohl nicht 
übernachten können. Was meint ihr zu meinem 
Vorschlag?« 
»Für ein oder auch zwei Nächte ist er annehmbar«, 
brummte Hulda. »Aber länger nicht. Bedenke, daß so ein 
Hotel sündhaft teuer ist und daß wir sparen müssen. Denn 
nach den Andeutungen des Gemeindevorstehers zu 

schließen, muß deine ererbte Villa ja ein richtiges – na ja – 
sein, dessen Instandsetzung dein Portemonnaie auffressen 
wird.« 
»Ganz Hulda«, lachte Frauke hellauf, was dem Wirt ein 
Schmunzeln entlockte. Na, die konnte vielleicht lachen! 
War überhaupt ein blitzsauberes Frauenzimmerchen, 
schien was Besseres zu sein. 
Und die andere? Olala! Die war wie ein Mairöslein, so 
taufrisch und duftig. Augen so blau wie der 
Frühlingshimmel, Haare wie Sonnenstrahlen und ein 
Figürchen wie ein Elflein so zart und fein. 

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Und die dritte? Knochen wie ein Kürassierpferd und ein 
Gesicht wie eine bissige Dogge. 

Diese Betrachtungen unterbrach ein Herr, der soeben 
eintrat. Wie Jung-Siegfried anzuschauen, so groß, so sehnig 
und so blond. Blaue Augen blitzten in einem kantigen 
Gesicht. Er trug eine Reithose, Stiefel und eine grüne Joppe, 
die ihm vorzüglich stand. Als er die drei Gäste bemerkte, 
stutzte er. Das waren doch seine Mitreisenden aus dem D-
Zug. Wahrscheinlich die ersten Feriengäste. 
»Guten Tag, Herr Doktor«, grüßte der Wirt wohlwollend. 
»Ein Bierchen gefällig?« 
»Jawohl. Und ein kräftiges Mittagessen dazu«, entgegnete 
eine tiefe, wohllautende Stimme. »Bei meiner Wirtin 
bekomme ich heute nichts, die sitzt beim Zahnarzt.« 

»Um sich den Speilzahn ziehen zu lassen?« 
»Werden Sie hier nicht boshaft«, lachte der Gast, indem er 
Platz nahm. Der Wirt jedoch kugelte ab. Bestellte durch ein 
Klappfenster das Essen, füllte ein Seidel mit Bier, das er vor 
den Herrn stellte. Gern hätte er noch mit ihm ein 
Schwätzchen gemacht, doch dazu ließen ihm die 
Mittagsgäste keine Zeit, die rasch hintereinander eintraten. 
Frauke gelang es gerade noch, für die Nacht Zimmer zu 
bestellen, dann tauchte der Wirt zwischen den Tischen 
unter, und die drei weiblichen Gäste entfleuchten. 
»Puh!« Frauke blies draußen die Backen auf. »Es war das 
reinste Spießrutenlaufen durch das besetzte Lokal. Und 

alles Mannsleut. So viele auf einem Haufen hab ich schon 
lange nicht mehr gesehen. Und nun kommt, damit wir den 
Schandfleck des grünen Dorfes in Augenschein nehmen.« 
Hurtig schritten sie fürbaß. Die Köfferchen hatten sie 
mitgenommen, weil sich darin auch Schürzen befanden, 
die Hulda vorsorglich eingepackt hatte. Und wie 
notwendig die waren, sollte sich bald herausstellen. 
Nachdem sie eine Strecke zurückgelegt hatten, bog die 
Straße in scharfer Kurve links ab und ein Schloß wurde 
sichtbar, das sich wie ein Wahrzeichen auf einer Anhöhe 
erhob, auf der saftiges Weidegras wuchs, das weithin 

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leuchtete in seinem jungen Grün. Auf ebenem Grund 
jedoch standen Bäume so dicht, daß es von weitem aussah, 

als wären ihre Kronen zusammengewachsen. 
»Wenn das da man nicht der Park ist, der unsere Villa 
umschließt«, brummte Hulda ahnungsvoll, und Frauke 
nickte bang. 
»Scheint mir auch so. Na, machen wir uns auf alles gefaßt. 
Ärger als arg wird’s schon nicht werden.« 
Und dann standen sie vor einem Anwesen, das man nicht 
nur mit verwahrlost, sondern auch mit düster bezeichnen 
konnte. Hinter dem wackligen Zaun wucherten Bäume, 
durch die man sich schlängeln mußte, um zum Wohnhaus 
zu gelangen, das grau und böse dastand. Wie drohend 
blickten die verschmutzten, gardinenlosen Fenster, deren 

Rahmen kaum noch Farbe aufwiesen. Schief hingen die 
Laden in den Angeln. Ein unheimliches Haus, an dem nur 
die feste Tür in Ordnung war, deren gutgeöltes Schloß 
sofort nachgab, als Frauke den großen Schlüssel 
herumdrehte. 
Als sie den Vorraum betraten, schlug es ihnen wie 
Grabesluft entgegen, so kalt und feucht. Laut hallten ihre 
Schritte auf dem Steinboden wider. 
»Scheußlich!« schauerte Frauke zusammen. »Wie in einer 
Gruft. Hast du Angst, Ortrun?« 
»Warum denn, Frauke?« fragte sie verwundert zurück, und 
Hulda brummte: 

»Vor dem Dreck natürlich. Der klebt an den Scheiben so 
dick, daß kein Sonnenstrahl durchbrechen kann. Und die 
Möbel erst. Die erkennt man vor Staub kaum. Sind die 
Flügeltüren nun schwarz oder weiß?« 
»Das werden wir feststellen, wenn du sie mit Bürste und 
Seife geschrubbt hast«, lachte Frauke, obwohl ihr zum 
Lachen nicht zumute war. »Fassen wir uns ein Herz und 
gehen wir weiter.« 
Langsam durchschritten sie die drei Räume, die alle 
möbliert, aber wahrscheinlich schon lange nicht mehr 
benutzt worden waren. Gut, daß die Polster Schonbezüge 

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trugen und es stark nach Mottenpulver roch. Sonst hätten 
die Schädlinge gute Beute gehabt. 

Nur ein Raum sah wohnlich aus. Und zwar die Bibliothek, 
wo der Professor sich wahrscheinlich ständig aufgehalten 
hatte. Auch die Küche war verhältnismäßig sauber, 
gleichfalls waren es Speise- und Vorratskammer. Von der 
Küche führte eine Tür hinaus auf einen krautverwachsenen 
Hof. Am Ende stand ein Stallgebäude, daneben ein 
Schuppen. Rechts lag Brachland, das einstmals wohl ein 
Gemüsegarten gewesen war. 
»Na also«, brummte Hulda zufrieden. »Ist ja alles da. Hab 
es mir auf den ersten Blick noch schlimmer vorgestellt. 
Gehen wir nach oben. 
Starrt natürlich auch vor Dreck«, stellte sie sachlich fest, als 

man die geschnitzte Treppe zum Obergeschoß hinaufstieg. 
»Diese Fetzen von Läufer hätten schon längst abgerissen 
werden müssen. Die sind doch weiß Gott keine Zierde.« 
Der Gang wies rechts Fenster, links Flügeltüren auf, die an 
manchen Stellen noch weiß schimmerten. Es gab auf der 
Etage zwei geräumige, zusammenhängende und zwei 
kleinere, für sich abgeschlossene Zimmer. 
Im zweiten Stock befand sich ein großes 
Mansardenzimmer, in dem ein starker Pfeifenraucher 
gehaust haben mußte. Denn es roch – oder besser stank – 
nach schlechtem Knaster. Die Fensterscheiben waren von 
einer nikotinbraunen Schicht überzogen. Die zweite Tür 

führte zum Boden und die dritte in eine Kammer, in der 
allerlei Gerumpel lag. Und mittendrin… 
»Ja, ist es denn die Möglichkeit«, zerrte Hulda aus dem 
Chaos ein Ölbild in schwerem Goldrahmen hervor, das 
zweifellos von Künstlerhand gemalt war. Es zeigte einen 
Mann mit angegrautem Haar und einem klugen, 
durchgeistigten Gelehrtengesicht. Prüfend blickten die 
dunklen Augen den Beschauer an. 
»Das ist bestimmt mein Onkel«, sagte Frauke leise. »Und 
dieses wunderbare. Bild liegt zwischen Gerumpel. Warum 
denn nur?« 

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»Eine Frage, auf die du nie eine Antwort kriegen wirst«, 
brummte Hulda. »Kommt in die Küche, wo ich versuchen 

werde, einen Topf zu finden, der nicht vor Dreck starrt. 
Sogar einen elektrischen Kocher habe ich gesehen. 
Hoffentlich ist er nicht kaputt, so daß wir uns einen steifen 
Kaffee brühen können, den wir uns redlich verdient 
haben.« 
»Und woher willst du die Bohnen dazu nehmen?« 
erkundigte sich Frauke. 
»Aus der Büchse, die im Furagekoffer steckt. Ich konnte mir 
nämlich denken, daß wir hier nichts vorfinden werden. Pas 
Bild nehmen wir doch mit nach unten?« 
»Selbstverständlich. Das hängen wir nach Säuberung in der 
Bibliothek über den Kamin.« 

In der Küche entnahm Hulda ihrem Koffer drei 
Kittelschürzen, von denen sie zwei den jungen Mädchen 
reichte. 
»Zieht sie an, damit ihr euch nicht die Kleider schmutzig 
macht, wenn ihr euch setzt. Morgen nehme ich mir zuerst 
die Küche vor, damit wir wenigstens einen Raum haben, in 
dem wir uns unbesorgt aufhalten können. 
Na, der hat bestimmt schon Altertumswert«, griff sie 
mißtrauisch nach einem Wasserkessel, der auf einem 
Kocher stand. »Nur gut, daß er geschlossen ist und der 
Dreck nicht eindringen konnte. Wenn wir Glück haben, 
gibt es sogar Wasser.« 

O ja, es gab, außerdem noch Strom. Auch der Kocher war 
in Ordnung, auch eine Kanne, in der man den Kaffee 
brühen konnte. In dem Koffer, den Hulda auf den Tisch 
stellte, befanden sich außer Tubensahne noch genügend 
belegte Brote. 
»Die erste Mahlzeit im eigenen Haus«, sagte Frauke 
andächtig. »Ein Jammer, daß ich dem Onkel nicht zeigen 
kann, wie dankbar ich ihm bin. Hätte er uns doch zu sich 
gerufen, Hulda, dann hätte er nicht so kümmerlich zu 
vegetieren brauchen.« 
»Sicherlich wollte er es nicht anders haben«, meinte die 

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Getreue achselzuckend. »Gelehrte Herren sind nicht wie 
andere Menschen, die haben allesamt einen Fimmel. 

Großer Gott!« wich sie entsetzt zurück. »Was ist denn das 
für ein Ungeheuer?« 
Das Ungeheuer war ein prächtiger, besonders kräftiger 
Schäferhund, der einen Maulkorb trug und leise winselte. 
Hinter ihm wurde ein Mann sichtbar, lang, hager, mit 
einem Gesicht wie gegerbtes Leder. 
»Entschuldigen Sie, meine Damen«, sagte er verlegen. »Aber 
ich konnte den Kerl beim besten Willen nicht länger 
halten.« 
»Wem gehört denn der Hund?« fragte Frauke. 
»Dem verstorbenen Herrn Professor.« 
»Also haben Sie sich des Tieres angenommen, das ist lieb 

von Ihnen.« 
»Na ja, was sollten wir schon machen, der arme Kerl tat uns 
leid. Malheur hatten wir nicht mit ihm, er lag größtenteils 
still unter der Ofenbank. Bis er Sie in diesem Haus witterte, 
da gab es kein Halten.« 
»Er ist wohl sehr scharf?« 
»Und wie! Daher band ich ihm den Maulkorb um. 
Entschuldigen Sie, ich frage nicht aus Neugierde: Sind Sie 
die Erbin des Herrn Professors?« 
»Die bin ich und heiße Frauke Gortz. Das ist Fräulein Selk 
und das Fräulein Danz. Wir drei gedenken hier zu wohnen. 
Sind Sie vielleicht unser Nachbar?« 

»Jawohl, gnädiges Fräulein«, machte er einen regelrechten 
Kratzfuß. »Ich bewohne mit meiner Frau ein Häuschen, das 
dort in der Wiese steht.« 
»So haben Sie meinen Onkel gekannt?« 
»Direkt gekannt nicht, nur manchmal im Park gesehen. Er 
war nämlich ein Sonderling, der keinen Menschen um sich 
duldete. Außer seinem treuen Diener Jan, der auch seinen 
Herrn versorgte, so gut es ihm in seinem Alter möglich war. 
Er war ja schon an die Neunzig, als er starb.« 
»Waren Sie mit ihm befreundet?« 
»Je nun, das ist zuviel gesagt. In den ersten Jahren ließ er 

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mich überhaupt nicht an sich ran. Doch als er so klapprig 
wurde, daß er nicht mehr ins Dorf gehen konnte, um die 

notwendigen Einkäufe zu machen, hat er mich damit 
beauftragt. Aber ins Haus durfte ich nie. Er hat mich stets 
an der Tür abgefertigt.« 
»Wann starb er?« 
»Vier Tage vorher als der Herr Professor. Ganz heimlich 
wurde Jan begraben, weil sein Herr die Menschen fürchtete. 
Einen Tag später, ich grub gerade in meinem Garten die 
Gemüsebeete um, kam der Herr Professor an den Parkzaun 
und rief mich zu sich. Ihm wäre schlecht, sagte er – und 
sackte dann vor meinen Augen zusammen. Ich zwängte 
mich durch ein Loch im Zaun, hob den Herrn hoch – er 
war ja nur so ’ne Handvoll – trug ihn ins Haus und legte 

ihn auf das nächste Sofa. Sofort rief ich den Arzt an, aber 
der konnte dem armen Professor auch nicht mehr helfen, 
obwohl er ihm eine Kampferspritze gab. Die putschte ihn 
nur soweit auf, um sagen zu können, daß in der Bibliothek 
auf dem Schreibtisch ein versiegelter Umschlag liegt. Das 
Geld darin wäre zu seinem Begräbnis. Den versiegelten 
Brief in der Schublade sollte der Herr Gemeindevorsteher 
abschicken, an die drauf stehende Adresse. Dann sagte der 
Herr Professor noch, daß man ihn in aller Stille neben Jan 
begraben solle. Dem einzigen Menschen, der ihn nie im 
Stich gelassen hat. 
Na ja – und dann schlief der Herr Professor friedlich ein. Er 

wurde von dem Arzt und dem Gemeindevorsteher so 
begraben, wie er es wünschte, und bevor andere es gewahr 
wurden. Nun schläft er Seite an Seite mit seinem treuen 
Jan. 
Weinen Sie man nicht, meine Damen«, tröstete er 
unbeholfen. »Dem Herrn Professor ist jetzt bestimmt so 
wohl, wie nie im Leben. Er starb gern, weil er mit Gott und 
aller Welt zerfallen war. Hm – ja – und was wird nun aus 
dem Hund?« 
»Den behalten wir natürlich«, wischte Frauke die 
purzelnden Tränen fort. »Das heißt, wenn er Ihnen nicht 

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nachläuft.« 
»I wo, das wird er schon nicht tun. Er kam ja nur mit mir, 

weil ich der einzige Mensch bin, der ihm bekannt war. Wo 
jetzt Menschen im Haus sind, wird er bestimmt 
hierbleiben.« 
»Aber nicht vor morgen, Herr…« 
»Michel heiße ich, gnädiges Fräulein. Bloß Michel allein.« 
»Na schön, denn auch so. Also wir werden den Hund erst 
ab morgen behalten können, weil wir im Hotel 
übernachten müssen.« 
»Uijeh – «, kratzte der Mann sich den borstigen Schädel. 
»Den werde ich wohl nicht mehr bändigen können. Sehen 
Sie doch, gnädiges Fräulein, er hat sich vor Ihre Füße gelegt 
und schaut Sie so aufmerksam und treu an. Den bekommt 

keiner mehr von Ihnen fort.« 
»Ja, was machen wir denn da?« fragte Frauke ratlos. »Hier 
übernachten können wir nicht, wo alles so verschmutzt 
ist.« 
»Ein Zimmer können wir schon herrichten«, brummte 
Hulda. »Das schaffen wir noch bis zum Dunkelwerden. 
Allerdings müßten wir alles da haben wie Lappen, Bürsten 
und Seife.« 
»Das wird Ihnen meine Frau gern leihen«, beeilte Michel 
sich zu versichern. »Sie ist eine Seele von Mensch und 
immer hilfsbereit. Soll ich sie holen?« 
»Ja«, dehnte Frauke. »Aber versuchen Sie mal erst, den 

Hund mit sich zu locken.«

:

 

Allein, als Michel ihn ans Halsband fassen wollte, knurrte 
er und ^drängte sich an Frauke, sie wie bittend anwinselnd. 
Als sie ihn streichelte, versuchte er, durch den Maulkorb 
hindurch ihre Hand zu lecken. 
»Laßt das Tier in Ruhe!« brummte Hulda. »Ziehen Sie ab, 
Michel, und holen Sie Ihre Frau!« 
»War das nicht leichtsinnig, Hulda?« fragte Frauke, 
nachdem der Mann gegangen war. »Wir kennen die 
Menschen doch nicht. Wenn sie nun Böses im Schilde 
führen?« 

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»Dann würde der da ihnen schon an die Gurgel springen«, 
zeigte sie auf den Hund, der aufmerksam zuhörte, als 

verstände er jedes Wort. »Komm mal her, mein Guter. Uns 
magst du doch leiden, nicht wahr?« 
Wie zur Bestätigung legte das Tier ihr die dicke Pfote auf 
den Schoß, und Hulda lachte, was ja nun nicht oft geschah. 
»So habe ich mir das doch gleich gedacht. Jetzt geh zu dem 
Frauchen da, das gehört nämlich auch zu uns.« 
»Ja, komm!« lockte Ortrun ihn, der gehorsam folgte. 
»Was bist du doch bloß für ein Prachtkerl. Der Maulkorb 
ist dir doch sicher unbequem, du Armer.« 
Und schon zerrte er leise jaulend an der lästigen Fessel. Sah 
dabei die drei Frauchen so erwartungsvoll an, bis Hulda 
ihm kurzentschlossen das lästige Ding abstreifte. Er 

schüttelte sich, blaffte freudig auf und streckte sich dann 
mit einem tiefen Seufzer zu Fraukes Füßen. Rasch hielt sie 
ihm eine Brotschnitte hin, die er mit Behagen verspeiste 
und nach mehr schielte. 
»Hör mal, mein Freund, das da ist unser Abendbrot«, 
zupfte sie lachend sein Ohr. »Wenn du das verspeist, 
müssen wir hungrig bleiben.« 
In dem Moment klopfte es an die Außentür. Als Hulda sie 
öffnete, stand da der lange Michel und lachte über das 
ganze lederne Gesicht. Auch ein Handwagen stand da, 
beladen mit Holz, einem großen Topf, Eimer, Lappen, 
Schrubber, Besen, Seifenpulver und daneben schmunzelte 

etwas Druggeliches, dem die Gemütlichkeit sozusagen aus 
allen Nähten lugte. Die Backen waren rot und prall wie 
Äpfelchen, die dunklen Augen schauten verschmitzt in die 
Welt. Das gleichfalls dunkle Haar war kurz geschnitten und 
lag dem Kopf fest an. Vierzig Jahre zählte sie, somit sieben 
weniger als ihr Mann. 
»Das ist Bertchen, meine Frau«, stellte er stolz vor. »Sie 
kann arbeiten für zwei.« 
»Wuuff!« machte der Hund wie zur Bestätigung, und 
Michel sah ihn dumm an. 
»Du hast den Maulkorb ab? Na, das ist ja allerhand. Hat er 

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die Damen denn nicht gebissen?« 
»O nein, er ist ein Kavalier«, lachte Ortrun fröhlich, dabei 

den Hals des Tieres furchtlos umschlingend. »Wie heißt er 
überhaupt?« 
»Ajax«, gab die personifizierte Gemütlichkeit Antwort. 
Nahm eine gefüllte Emailleschüssel vom Wagen, stellte sie 
vor den Hund, der sich sofort mit Appetit darüber 
hermachte. 
»Siehst du, Michel, jetzt frißt er endlich«, lachte sie ihr 
langes Ehegespons strahlend an. »Und nun wollen wir uns 
an die Arbeit machen, damit die Damen eine einigermaßen 
gute Schlafstelle bekommen.« 
So ging es los mit vereinten Kräften. Michel machte Feuer 
im Herd, stellte den großen Topf mit Wasser auf und riß 

dann mal erst den zerfetzten Läufer von der Treppe, damit 
man sich bei dem Auf und Ab in den Löchern nicht verfing. 
Hinterher nahm er die Diele in Angriff, Bertchen die Küche, 
die drei andern Weiblichkeiten die beiden 
zusammenhängenden Zimmer im ersten Stock. 
»Hoffentlich sind da nicht die Motten drin«, wiegte Hulda 
bedenklich den Kopf, als sie die Betten auf die 
weitgeöffneten Fenster legte. »Die kriegen wir dann nicht 
mehr raus und können den Plunder wegwerfen. Geh mir 
mal aus dem Weg, Ortrun. Was willst du überhaupt hier?« 
»Helfen.« 
»Du Porzellanpüppchen? Daß ich nicht lache!« 

»Lach ruhig, aber laß mich arbeiten. Das habe ich nämlich 
im Töchterheim gelernt.« 
»Dann zeig, was du kannst«, gab sie gutmütig nach und 
klopfte auf die Betten ein, daß die Staubwolken nur so 
wirbelten. Decken und Wände wurden gefegt, Möbel und 
Türen abgeseift, der Fußboden geschrubbt, die Fenster 
geputzt, so daß in gar nicht langer Zeit beide Räume 
blitzblank waren. Hinterher kam der Flur dran, die Treppe, 
und dann war von den fünf hurtigen, fleißigen Menschen 
das Gröbste geschafft. In der Küche traf man zusammen, 
wo man sich jetzt dank Bertchens Scheuerwut unbesorgt 

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hinsetzen konnte, um ein wenig zu verschnaufen. 
»Na, das ging aber mal flott«, grinste Michel, behaglich sein 

Pfeifchen stopfend. »Hätte nicht gedacht, daß die Damen 
so zupacken könnten.« 
»Der Not gehorchend«, lachte Frauke, dabei den Hund 
streichelnd, der sich zutraulich an ihr Knie schmiegte. 
»Soweit wäre nun alles klar, bis auf Bettwäsche. Zwar habe 
ich in dem einen Schrank eine ganze Menge davon 
entdeckt, aber die muß vor Gebrauch erst gewaschen 
werden. Was macht man da, Hulda?« 
»Ins Dorf gehen und einkaufen. Das schaffst du noch 
bequem vor Ladenschluß.« 
»Jawohl, Herr Feldwebel«, stand Frauke stramm. »Wenn ich 
nur wüßte, wo ich die einschlägigen Geschäfte finden 

kann.« 
»Ich komme mit«, erbot sich Bertchen eifrig. »Ich zeige 
Ihnen, wo man am günstigsten einkauft, gnädiges 
Fräulein.« 
»Das ist lieb von Ihnen, Frau…« 
»Bertchen, bitte. Ich bin überall daran gewöhnt.« 
»Danke, Bertchen. Machen wir uns also auf den Weg.« 
»Ich hol nur rasch meinen Mäntel.« 
Weg war sie, und das Ehegespons sah ihr schmunzelnd 
nach. 
»Ist wie auf Draht, mein Bertchen. Immer flink, dabei 
immer vergnügt. Was bin ich froh, so eine Frau zu haben, 

die mitverdienen hilft. 
Sie hat nämlich eine Aufwartestelle«, erzählte er zutraulich 
weiter. »Und auch ich arbeite noch, so gut ich kann. Denn 
von der Rente allein könnten wir nicht einmal recht und 
schlecht leben.« 
»Sind Sie für eine Rente nicht noch zu jung?« forschte 
Hulda, und er nickte bedächtig. 
»Bin ich, noch nicht mal fünfzig. Aber ich hatte als 
Waldarbeiter einen Unfall, nach dem ich nicht mehr so 
ganz einsatzfähig bin, wie man so sagt. Da zahlt nun die 
Unfallversicherung mir monatlich hundertzwanzig Mark. 

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Haben Sie noch gar nicht gemerkt, daß ich lahme?« 
»Allerdings. Was ist mit dem Bein passiert?« 

»Ein fallender Baum hat es böse gequetscht. Ich lag fast ein 
Jahr im Krankenhaus, wo man das Bein durchaus 
amputieren wollte. Aber dagegen sträubte ich mich mit 
aller Kraft. Na ja, und dann wurde es auch so besser. Ganz 
gut wird es ja nie werden, aber ich kann doch wenigstens 
auf zwei eigenen Beinen gehen.« 
»Da haben Sie wohl oft Schmerzen, Sie Armer?« fragte 
Frauke mitleidig. 
»Och, ab und zu so’n bißchen schon. Aber das läßt sich 
ertragen. Da bist du ja, Bertchen, und ganz außer Puste.« 
»Es pressiert ja auch. Können wir aufbrechen, gnädiges 
Fräulein?« 

»Sofort«, schlüpfte Frauke in den Mantel und griff nach der 
Handtasche, in der Geld steckte, mit dem sie sich reichlich 
versehen hatte. Ajax stand neben ihr und blaffte freudig 
auf. 
»Was, du willst doch nicht etwa mit?« 
»Wauwau!« machte er lustig, wobei sein Schwanz heftig 
wedelte. 
»Der geht Ihnen nicht mehr von der Pelle«, schmunzelte 
Michel. »Streifen Sie ihm den Maulkorb über und nehmen 
Sie ihn mit. Weglaufen tut er bestimmt nicht.« 
»Na, denn komm schon!« versah Frauke ihn mit der 
ledernen Sperre, was er sich geduldig gefallen ließ. »Und 

was willst du, Ortrun?« 
»Nimmst du auch mich mit, Frauke?« 
»Aber gern, mein Liebchen.« 
So zogen sie denn frohgemut von dannen. Bertchen schob 
eine Karre vor sich her, die rundherum mit einem 
Drahtgeflecht und Gummireifen versehen war. 
»Praktisch«, meinte Frauke. »So eine Karre müssen wir uns 
auch anschaffen, damit wir die Einkäufe nicht zu schleppen 
brauchen.« 
Nach zwanzig Minuten war der Marktplatz erreicht, auf 
dem sich die Hauptgeschäfte des Dorfes befanden. 

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»Gehen Sie man da hinein, gnädiges Fräulein«, zeigte 
Bertchen auf einen Laden, in dessen Schaufenster 

Weißwaren ausgelegt waren. »Da werden Sie gut bedient. 
Ich warte hier auf Sie.« 
»Danke, Bertchen. Und was ist mit dir, Ajax?« 
Der saß neben der Karre, als wollte er sagen: Geh du nur, 
ich halte hier Wacht. Er rührte sich auch tatsächlich nicht, 
als die beiden Mädchen davongingen und einige Male 
zurückkamen, um ihren Einkauf im Karren unterzubringen. 
An Wäsche kaufte Frauke nur soviel, wie vorläufig benötigt 
wurde. Ferner kaufte sie allerlei Wirtschaftsartikel, 
Lebensmittel, bis die Karre voll und das Portemonnaie, 
erheblich leerer war. 
Als sie in der »Grünen Gans« die Zimmer abbestellte, war 

das dem Wirt aber auch gar nicht recht. Erst als Frauke 
trotzdem die Rechnung beglich, wurde er wieder devot und 
dienerte den »gnädigen Damen« nach. Dann trat er rasch 
ans Fenster und schaute hinter der Gardine stehend auf den 
Marktplatz. Und als er das bekannte Bertchen, den 
bekannten Hund und die vollgepackte Karre entdeckte, da 
wußte er Bescheid. 
Olala! Das waren wohl die Erben des vertrottelten 
Professors, der sich um niemand und nichts gekümmert 
hatte und wohl gerade deshalb den Dorfbewohnern so 
interessant gewesen war. Wollten diese vornehmen jungen 
Damen etwa in dem verkommenen Eulennest hausen? 

Diese Neuigkeit mußte er gleich mal seiner Frau und später 
den hiesigen Gästen erzählen. 
Indes gingen die Einkäufer die Straße entlang und erregten 
ziemliches Aufsehen. Man sah ihnen verstohlen nach, 
tuschelte hinter ihnen her und hatte für den Abend 
interessanten Gesprächsstoff. 
Aus der Tür eines kleinen Hauses trat der große blonde 
Mann, der den beiden jungen Mädchen heute bereits zum 
dritten Mal begegnete. Doch auch jetzt achteten sie nicht 
auf ihn. Sahen nur verwundert auf, als er grüßend den Hut 
zog. Der Gruß galt allerdings Bertchen, die strahlend 

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dankte und dann, als man außer Hörweite war, wichtig 
erklärte: 

»Das war der Herr Dr. Gunter, der beste Tierarzt weit und 
breit. Ein feiner Mann, so anständig und so human. Ihm ist 
vor drei Jahren die Frau mit einem andern durchgegangen. 
Aber da sie nichts wert war, kann er froh sein, daß er sie auf 
eine so leichte Art los wurde. Natürlich ließ der Herr 
Doktor sich sofort schneiden und wohnt nun in dem 
Häuschen der Witwe Ließ, die ihn auch verpflegt. Seine 
Praxis hat er allerdings auf dem Markt, eingerichtet mit 
allen Schikanen. Na was, kann er sich ja auch leisten. Er 
verdient viel und ist außerdem noch von Hause aus 
vermögend. Sein Vater war hier Pfarrer und heiratete eine 
wohlhabende Gutsbesitzerstochter. 

Aber schauen Sie mal die Dame an, die uns 
entgegenkommt. Das ist die größte Klatschtante aus dem 
ganzen Dorf, und jetzt fallen ihr vor Neugierde fast die 
Augen aus dem Kopf. Ich will mich nicht wundern, wenn 
sie stehenbleibt und mich anspricht.« 
Und schon geschah es. Süß flötete das dürre Wesen, das 
man mit einem buntbemalten Kleiderständer vergleichen 
konnte: 
»Oh, das liebe Bertchen. Und so einen reichen Einkauf. 
Haben Sie etwa geerbt?« 
»Jawohl«, nickte Bertchen freundlich, dabei die Karre 
vorwärtsschiebend, was das bejahrte Fräulein ein wütendes 

Gesicht machen ließ, und Bertchen lachte schadenfroh. 
»Die alte Schraube platzt heute noch vor Neugierde. Mein 
Michel kann sie bis in den Tod nicht ausstehen. Er sagt, sie 
hat nicht nur Haare auf den Zähnen, sondern ganze 
Zöpfe.« 
Vergnügt lachte sie mit den beiden andern und man zog 
weiter fürbaß, bis man vor der Küchentür abstoppte. Die 
beiden, die zu Hause geblieben waren, hatten weiter 
segensreich gewirkt. Hatten den Schmutz aus Speise- und 
Frühstückszimmer entfernt. 
»Das sieht ja hier schon ganz manierlich aus«, sah Frauke 

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sich mit frohen Augen um. »Wenn das in dem Tempo 
weitergeht, haben wir das Haus bald sauber.« 

»Wir wollen’s wünschen und Gott geb’s«, brummte Hulda. 
»Raus ist mal erst der gröbste Dreck. Was hast du alles 
eingekauft?« 
»Komm und sieh es dir an! Draußen steht die Karre.« 
Nachdem Hulda alles in Augenschein genommen hatte, 
sagte sie mahnend: 
»Jetzt laß es vorläufig genug sein, Herzchen. Was wir fürs 
erste brauchen, haben wir nun. Hauptsächlich anständige 
Töpfe, Eimer, Lappen und Seifenmaterial. Morgen sehen 
wir mal in den Schränken nach, was wir an Brauchbarem 
finden. Fehlendes kann immer noch angeschafft werden.« 
»Ganz meine Meinung«, nahm Frauke dem Hund den 

Maulkorb ab und hielt ihm einen Kalbsknochen hin, über 
den er sich sofort hermachte. Es krachte nur so, und Michel 
meinte trocken: 
»Zwischen dessen Zähne möchte ich nicht geraten. Wie ist 
es, meine Damen, wollen wir für heute Schluß machen?« 
»Für heute?« fragte Frauke dagegen. 
»Wollen Sie uns denn morgen wieder helfen?« 
»So oft und so lange Sie wollen, gnädiges Fräulein. Schwer 
arbeiten kann ich wohl nicht mehr, aber in Haus und 
Garten schaffe ich es spielend.« 
»Ist gut, Michel«, erwiderte Frauke rasch entschlossen. »Sie 
arbeiten hier, und ich zahle Ihnen Stundenlohn.« 

»Nu ne«, wehrte er ab. »Daraus wird nichts. Ich bin doch 
kein Halsabschneider. Über die Bezahlung können wir 
immer noch sprechen.« 
»So haben Sie Dank«, reichte sie ihm die Hand, die er 
behutsam in seine derbe Faust nahm. »Wir werden uns 
bestimmt gut vertragen. Trinken Sie gern einen Schnaps?« 
»Und wie! Am liebsten einen Weißen.« 
»Als ob ich das nicht gewußt habe«, zog sie aus der Karre 
eine Rasche und drückte sie dem überraschten Mann in 
den Arm. »Die habe ich extra für Sie gekauft, trinken Sie sie 
auf unser Wohl. Und Sie, Bertchen, leckern doch gern, 

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nicht wahr?« 
Ehe die Frau antworten konnte, hielt sie unter einem Arm 

eine süße Schachtel, unter dem andern ein Fleischpaket, 
und in der Hand knisterte ein Zwanzigmarkschein, was für 
sparsame Menschen viel Geld bedeutete. Mit dieser noblen 
Geste hatte Frauke ein Ehepaar gewonnen, das ihr fortan 
mit rührender Treue anhing. 
»Kleine Ursache, große Wirkung«, schmunzelte Hulda, 
nachdem die beiden zu Tränen gerührt abgezogen waren. 
»Dir machen die paar Mark nicht viel aus, aber denen da 
helfen sie gut. Bist gar nicht so dumm, wie du aussiehst.« 
»Danke für das Kompliment«, lachte Frauke. »Halt hier 
keine langen Reden, sondern sieh zu, daß wir Abendbrot 
kriegen. Gern hätte ich Speckeier, geht das?« 

»Da du alles dafür Erforderliche mitgebracht hast, dürften 
sich keine Schwierigkeiten ergeben. Sogar an eine 
Stielpfanne hast du gedacht; denn die hier vorhandene ist 
Bruch, wie die Töpfe auch. Morgen fliegt der ganze alte 
Krempel ’raus. 
Komisch«, fuhr sie nachdenklich fort, Holz auf das 
brennende Feuer legend. »In der Küche ist alles so armselig 
wie bei den Ärmsten einer, und in den Zimmern liegen 
Werte achtlos herum. Sieh dir morgen an, was alles in dem 
Mordsding von Büfett steckt. Da wirst du Augen auf 
Stielchen bekommen, wie ich sie bereits bekam. Schweres 
altes Silber liegt da und ich möchte fast wetten, daß der 

Herr Professor mit einem Blechlöffel gegessen hat. Wo 
willst du denn hin?« 
»Mir die Sachen ansehen.« 
»Das würde ich dir nicht raten. Bedenke, daß du Licht 
machen mußt, und daß die Fenster weder Gardinen noch 
Laden haben.« 
»Hast recht, Huldchen, verschiebe ich es auf morgen. Ich 
bin sowieso zum Umfallen müde, und wir müssen ja noch 
die Betten beziehen.« 
»Das werden wir auch noch schaffen«, tat Hulda Speck in 
die Pfanne, die sie vorher ausgebrüht hatte. Lieblicher Duft 

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durchzog die Küche, in den sich der des frischen Kaffees 
mischte. Mit bestem Appetit aß man, wusch rasch das 

Geschirr ab, verschloß sorgfältig die Türen und begab sich 
nach oben, wo man zuerst mit Laken, dem entdeckten 
Vorrat entnommen, die Fenster verhängte. Flink bezog man 
die Betten, während Ajax auf dem dicken Vorleger 
herumscharrte, der ihm wohl von jeher als Nachtlager 
gedient hatte, jedoch nicht an der richtigen Stelle lag. Erst 
als Frauchen ihn an ihr Bett trug, streckte das Tier sich 
zufrieden und sah aufmerksam zu, wie die lieben Frauchen 
die Kleider abwarfen, in die Nachthemden schlüpften und 
sich dann niederlegten. Frauke im Bett, Ortrun auf den 
Diwan, und im Nebenzimmer nahm Hulda das zweite Bett 
ein. Die Matratzen waren gut, die Zudecke wohl schwer, 

aber wenn man so richtig müde ist, merkt man es kaum. 
Man wünschte sich eine gute Nacht, knipste das Licht aus, 
legte sich auf die Seite und schlief fast augenblicklich ein. 
Am nächsten Morgen wurde Frauke durch ein 
ungewohntes Geräusch aus tiefem Schlaf; gerissen. 
Schlaftrunken setzte sie sich auf, mußte sich erst besinnen, 
wo sie sich befand, dann erblickte sie den Hund, der auf 
dem Vorleger lag und knurrte. Nun war sie hellwach und 
sagte lachend: 
»Ja, Ajax, wer ärgert dich denn schon am frühen Morgen. 
Ist doch wirklich unerhört.« 
»Finde ich auch«, kam es vom Diwan her, wo Ortrun sich 

hochrappelte und herzhaft gähnte. »Schönen guten 
Morgen, Frauke. Hab ich herrlich geschlafen! Du auch?« 
»Kann man wohl sagen. Du meine Güte, es ist ja schon 
nach neun Uhr«, stellte sie mit einem Blick auf den Wecker 
fest. »So lange geschlafen habe ich schon seit Jahren nicht 
mehr.« 
»Ich schon gar nicht!«, sank Ortrun in das Kissen zurück 
und rekelte sich wohlig. »Im Töchterheim gab es kein 
Pardon. Da mußte man um sieben Uhr aus den Federn, ob 
man ausgeschlafen hatte oder nicht. 
Guten Morgen, mein Süßer«, schüttelte sie lachend Ajax’ 

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Pfote, die sich auf ihren Arm gelegt hatte. »Was meinst du 
wohl, wie glücklich ich bin, hier zu sein. Bei dir, Frauke, 

Hulda, Bertchen, Michel – überhaupt in diesem herrlichen 
Haus. Und jetzt geh ich Huldchen wecken.« 
Mit einem Satz war sie aus dem weichen Pfühl, lief auf 
bloßen Füßen zum Nebenzimmer und rief von dort 
verblüfft: 
»Das Bett ist leer!« 
»Nach neun Uhr kein Wunder bei einem so rührigen 
Menschen«, war Frauke gar nicht erstaunt. »Der kribbelt es 
doch förmlich in den Fingern, hier alles unter Seifenwasser 
zu setzen und abzuschrubben.« 
»Mir auch«, lachte Ortrun, nahm den Hund beim Hals, 
wirbelte mit ihm herum und ließ sich auf Fraukes Deckbett 

sinken. 
»Ja, sag mal, Kleine, was ist plötzlich in dich gefahren?« 
fragte Frauke kopfschüttelnd. »Gestern tatest du kaum den 
Mund auf, wandeltest wie ein sittsam Mägdlein umher, 
und heute wirbelst du wie ein Kobold herum.« 
»Das ist ein elementarer Durchbruch der durch Strenge 
jahrelang unterdrückten Freude, mein Kind«, hob sie 
belehrend den Zeigefinger, drückte blitzschnell einen Kuß 
auf Fraukes Nase, dann auf die des Hundes, schwang sich 
auf einen Stuhl und stand nun da im Nachtgewand aus 
längst entschwundenen Zeiten. Wie ein Talar umbauschte 
es das grazile Persönchen, welches das Laken vom Fenster 

zog, pathetisch die Arme hob und verkündete: 
»Es werde Licht – und es ward Licht. Nun kommt von 
Morgen bis Abend der zweite Tag.« 
»Was predigst du denn da?« fragte die eintretende Hulda. 
»Bist du etwa unter die Prediger gegangen?« 
Verblüfft hielt sie inne, als Ortrun vom Stuhl sprang, sie 
um die Taille faßte und mit ihr davonwalzte. Frauke lachte, 
und Ajax blaffte freudig. 
»Gott in deine Hände!« ließ die endlich befreite Hulda sich 
echauffiert auf den nächsten Stuhl sinken und sah 
kopfschüttelnd in das strahlende Mädchengesicht. »Was ist 

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bloß mit dem Kind passiert? Ist es etwa über Nacht närrisch 
geworden?« 

»Bin ich, Huldchen, bin ich. Und zwar vor Freude, bei euch 
sein zu dürfen. Denn hier bin ich Mensch unter Menschen 
und keine Schablone unter Schablonen. Ach, wie ist das 
Leben doch so schön!« 
Gerührt über so viel Freude wischte Huldchen sich 
verstohlen eine Träne fort und brummte: 
»Jetzt macht, daß ihr endlich in die Kleider kommt, ihr 
Schlafmützen. Das Kaffeewasser sprudelt sich sonst noch 
tot.« 
»Bist du denn schon so lange auf, Huldchen?« 
»Seit sechs Uhr, du Irrwisch. Steh nicht mit nackten 
Füßchen auf dem kalten Parkett. Sonst wirst du womöglich 

noch krank und wir haben das Malheur.« 
»Es muß herrlich sein, von dir gepflegt zu werden.« 
»Schafskopf. Hinunter mit dir unter die Dusche, damit du 
dir dein Tollköpfchen abkühlst.« 
»Gibt es denn hier eine Dusche?« 
»Jawohl, die gibt’s. Habe ein Badezimmer entdeckt, das 
noch nicht einmal vor Dreck starrte. An sich scheint der 
Herr Professor ein reinlicher Mensch gewesen zu sein, bloß 
sein Diener war ein Ferkel. Komm, ich zeige dir das Bad. 
Handtücher habe ich hingehängt, nur das Dings nimm mit, 
das sich Kulturbeutel nennt. Aber wehe* wenn da Tusche 
drin ist. Komm auch du mit, Ajax. Kriegst in der Küche 

warme Milch.« 
Einträchtig trollten sie ab ins Nebenzimmer, wo Hulda das 
junge Mädchen durch eine schmale Tür ins Bad schob, das 
in grünen Kacheln und Chrom nur so blitzte. 
»Da staunst du, Herzchen, wie?« schmunzelte Huldchen. 
»Demnach scheint dieses das Schlafgemach des Herrn 
Professors gewesen zu sein, weil das Bad daneben liegt. So, 
jetzt rubbel dich ab.« 
Was Ortrun mit Vergnügen tat. Zehn Minuten später 
erschien sie wieder bei Frauke, rührend anzuschauen in 
dem Hemdchen, das alles andere als elegant war. 

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»Das Etuichen stammt wohl noch von deiner Großmutter«, 
lachte Frauke, und nonchalant wurde erklärt: 

»Das verstehst du nicht, mein Kind. 
Elitetöchterheimswäsche. In dem Genre war die ganze 
Kleidung. Was ich gestern trug, hat Tante Agnes mir 
besorgt, und für Ergänzung sollst du sorgen, hat sie gesagt. 
Tu’s also!« 
»Worauf du dich verlassen kannst«, sprang sie trällernd aus 
dem Bett. »In Samt und Seide will ich dich kleiden, dem 
ganzen Dörfchen hier zur Freude.« 
»Dörfchen? O weh! Laß diese Bezeichnung nur nicht den 
Herrn Gemeindevorsteher hören. Der würde den 
Zeigefinger heben und dementieren: Dörfchen, Gnädigste? 
Aber, aber, wir sind ein aufstrebender Badeort, in dem Ihr 

Besitz ein Schandfleck ist.« 
»Schau mal an, wie genau du beobachtet hast. Und gestern 
machtest du den Eindruck, als könntest du nicht bis drei 
zählen!« 
»Elitetöchterheimserziehung, meine Liebe.« 
Lachend verschwand Frauke im Bad und als sie später 
angekleidet in der Küche erschien, ließen Hulda und 
Ortrun sich das Frühstück bereits gut munden. Mollig 
warm war es in dem jetzt blitzblanken Raum, im Herd 
prasselten lustig die Scheite. 
»Ist das gemütlich hier«, ließ Frauke sich frohgemut am 
Tisch nieder und zeigte dann verblüfft auf das kostbare 

Porzellan. 
»Wo hast du denn das noble Gedeck nebst Silber her, 
Huldchen?« 
»Nicht geklaut, mein Herzchen, sondern entdeckt. Was 
meinst du wohl, was für Fundgruben es hier gibt. Du hast 
eine Erbschaft angetreten, deren Ausmaß man jetzt 
überhaupt noch nicht übersehen kann.« 
»Und das von einem Onkel zweiten Grades, der für mich 
von jeher nur Legende war.« 
»Hast du ihn denn nie gesehen?« fragte Ortrun erstaunt. 
»Nein. Denn seine und meine Familie waren entzweit. Es 

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ging um eine Hinterlassenschaft, bei der mein Großvater 
übervorteilt wurde. Das hat mein Vater, nun seinem Vetter 

nachgetragen, zumal der reich war und er arm. Er sprach 
nie von ihm. Was ich also weiss, habe ich von meiner 
Mutter. Hulda ist es auch bekannt.« 
»Und ich darf es nicht wissen?« fragte Ortrun. 
»Gewiß, Kleines. Also: Der Professor, der sich viel auf 
Reisen befand, bewahrte sein Junggesellentum solange, bis 
er einer Schönen in das raffiniert gestellte Netz geriet, und 
ihr gewissermaßen mit Haut und Haaren verfiel. Er war 
schon Anfang Fünfzig, als er heiratete. Seine Frau trug er 
auf Händen und vergötterte das Töchterlein, das sich bald 
einstellte. 
Na ja, es ging auch alles gut, bis der Mann zu kränkeln 

begann und sich daher nicht mehr in der Weltgeschichte 
herumtreiben konnte. Also ersteigerte er diesen Besitz, 
wurde seßhaft – und schon nach einem halben Jahr ging 
ihm seine lebensgierige Frau mit einem andern durch, weil 
sie es in dieser Einöde, dazu noch mit einem kränkelnden 
Mann, nicht länger aushalten konnte. Kurze Zeit darauf 
ging ihm auch die abgöttisch geliebte Tochter mit einem 
Zirkusreiter durch – und soll sich bald darauf bei einem 
waghalsigen Ritt das Genick gebrochen haben. 
Soweit die Tatsachen. Alles andere muß man sich 
zusammenreimen, und zwar so: Bis ins tiefste Mark 
getroffen, verbittert und vergrämt, verkroch sich der Mann 

hier wie ein weidwundes Tier. Verbiß sich in seinen 
Büchern und wollte nichts mehr von den Menschen 
wissen. Sonst hätte er wahrscheinlich eine Wirtschafterin 
ins Haus genommen und nicht allein mit dem alten Diener 
gehaust, der schon viel zu klapprig war, um seinen Herrn 
gut zu versorgen und außerdem noch das ganze Haus in 
Ordnung zu halten. Als er starb, verlor der einsame Mann 
auch noch den letzten Menschen, an dem er sehr hing – 
und das brach ihm vollends das Herz. Es gelang ihm gerade 
noch, Michel herbeizurufen, dann ging er so ruhig dahin, 
wie er in den letzten Jahren gelebt hatte.« 

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»Aber vorher schlug ihm doch noch das Gewissen«, 
bemerkte Hulda trocken. »Deshalb setzte er als Erbin die 

Enkelin des Mannes ein, den sein Großvater begaunerte. 
Pas nennt man ausgleichende Gerechtigkeit. Ist es 
überhaupt amtlich, daß seine Tochter tot ist?« 
»Ja. Das war im Testament ausdrücklich erwähnt. 
Außerdem berichteten vor ungefähr drei Jahren die 
Tageszeitungen in Großaufmachung von dem tragischen 
Tod der einzigen Tochter des in Fachkreisen berühmten 
Professors Eduard Gortz.« 
»Ist doch bloß gut«, brummte Hulda. »Denn soweit ich 
dich kenne, hättest du bei einem etwaigen Auftauchen der 
Zirkusmamsell das Erbe ihres schmählich im Stich 
gelassenen Vaters ohne weiteres an sie abgetreten. Gott sei 

Dank, daß seine geschiedene Frau, die wahrscheinlich noch 
lebt, keinen Anspruch darauf hat.« 
»Die laß ja nicht wagen, hierher zu kommen!« empörte 
Ortrun sich. »Die lassen wir von Ajax auffressen. Denn was 
anderes hat die Kan…« 
»Ei, besinn dich auf deine Elitebildung«, stoppte Frauke 
lachend ab – und da lief das Gesichtchen rot an. 
»Ist doch wahr«, murmelte sie. »Ich könnte weinen, wenn 
ich an das trostlose Leben des armen Professors denke.« 
Und dabei purzelten ihr bereits die hellen Tränen über die 
Wangen, die sie hastig abwischte. Fuhr dann erschrocken 
zusammen, als draußen etwas krachend und splitternd 

niederbrach. 
»Was ist denn das?« fragte die gleichfalls erschreckte 
Frauke. 
»Ein gefällter Baum«, gab Hulda Auskunft. »Schon seit 
sechs Uhr ist Michel dabei, Licht in die düstere 
Angelegenheit da draußen zu bringen. Damit riß er mich 
nämlich aus dem Schlaf. Und ich wundere mich, daß nicht 
auch ihr von dem Spektakel aufgewacht seid.« 
»Dafür sorgte Ajax mit seinem Knurren«, streichelte sie 
zärtlich den Kopf des Rüden, der bei Nennung seines 
Namens zu ihr trat und sie aufmerksam ansah. »Bist du 

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auch sicher, daß Michel nicht zu viele Bäume umlegen 
wird?« 

»Ganz sicher. Der Mann versteht was davon, laß ihn also 
gewähren. Außerdem geben die wuchernden Bäume gutes 
Brennholz und Stubben für Kamine und Herd.« 
»Wird Michel sich bei der schweren Arbeit nicht 
überanstrengen?« 
»Ach woher. Als Holzfäller ist er daran gewöhnt. Wir 
können von Glück sagen, ihn zu haben, er ist für uns 
Goldes wert. 
Übrigens habe ich wegen der Bezahlung angetippt. Mehr 
als hundert Mark monatlich nimmt er nicht. Er sagt, daß er 
bei den Gelegenheitsarbeiten weniger verdient. Dabei muß 
er noch scharf auf Posten sein, während er sich hier die 

Arbeit geruhsam und nach eigenem Ermessen einrichten 
kann. 
Außerdem bat ich ihn, uns zur Instandsetzung des Hauses 
Handwerker zu empfehlen, worauf er grinsend erklärte, 
daß die hier so übrig wären wie der Dreck zu Pfingsten. 
Was die können, kann er auch. Dabei schneller und 
sorgfältiger.« 
»Ob er da den Mund nicht zu voll nimmt?« 
»Danach sieht er mir nicht aus. Na, warten wir ab. Werden 
wir leben, werden wir sehen.« 
Und sie lebten, und sie sahen – nämlich daß der lange 
Michel einfach ein Genie war. Denn es gab kaum etwas, 

das er nicht konnte. 
Nachdem er wuchernde Bäume gefällt und die Stubben 
gerodet hatte, legte er um das Haus herum Rasen und 
Blumenbeete an, wozu Mitte März ja noch Zeit war. Den 
brachliegenden Gemüse- und Obstgarten brachte er wieder 
in Schwung, wie er sich ausdrückte, wobei alle fleißig 
mithalfen. Auch Bertchen, die ihre Aufwartestelle zwar 
behielt, aber trotzdem noch Zeit genug hatte, um in Haus 
und Garten kräftig zuzupacken. Für Verpflegung brauchte 
sie vorläufig nicht zu sorgen. Das tat Hulda so gut und 
reichlich, daß Michel behauptete, bereits einen 

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Schmerbauch zu kriegen. Und als der Garten seiner Ansicht 
nach wie eine Putzstube aussah, nahm er die 

nächstdringende Arbeit in Angriff. 
»Das Haus muß verputzt werden, solange das schöne 
Wetter noch anhält«, erklärte er kurz und bündig. »Wenn 
erst der April mit seinem Regen kommt, ist es zu spät.« 
Also wurde das Haus verputzt, wozu er allerdings zwei 
Facharbeiter hinzuzog. Er selbst jedoch war mit dabei, 
nicht viel Worte machend, sondern fest zu packend. 
Als dann die Mauern in blendendem Weiß erstrahlten, 
wurden die Helfer entlohnt. Am Dach war nichts 
auszubessern, das war erstaunlicherweise tadellos in 
Ordnung. Fensterrahmen und -laden strich Michel, wobei 
ihn Hulda mit fast fachmännischem Geschick unterstützte. 

Das leuchtende Grün zu dem schneeigen Weiß machte sich 
prächtig. Grün waren auch die Blumenkästen, die sich vor 
den oberen Flurfenstern hinzogen. Wenn erst die 
gepflanzten Geranien, Petunien und Hängenelken darin 
blühten, gab das ein lustigbuntes Bild. 
Zuletzt kam die Haustür dran, die wie das Dach ohne 
Schaden war. Dazu aus bestem Eichenholz, mit dicken, 
geschliffenen Scheiben, die natürlich verschmutzt waren. 
Doch nachdem Hulda sie bearbeitet hatte, funkelten sie 
wie doll, nach ihrem Ausspruch, und Michel ließ es sich 
nicht nehmen, das Holz zu beizen, bis auch das »wie doll« 
glänzte. 

»Na, das ist ja nun von außen hui, aber noch immer von 
innen pfui«, stellte Huldchen fest, als das Haus in hellem 
Glanz erstrahlte. »Das muß bis Ostern anders werden.« 
Und es wurde anders. Zehn geschickte Hände regten sich 
fleißig. Tapezierten, polierten, lackierten, und als die 
Osterglocken läuteten, war aus dem Schandfleck des Dorfes 
das schmuckste Haus geworden, über dessen Tür in großen 
goldenen Lettern stand: Haus im grünen Grund. 
Diese Auferstehung hatten die Dorfbewohner mit 
brennendem Interesse verfolgt. So viele Menschen waren 
wohl noch nie an dem Anwesen vorübergegangen wie jetzt. 

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Da stand jetzt kein Zaun mehr mit abgebröckeltem Sockel, 
verwaschenen Staketen und rostigem Tor, hier war 

verputzt, lackiert und bronziert worden. Auch was jetzt 
hinter dem schmucken Zaun lag, wie gern hätte man es aus 
der Nähe in Augenschein genommen. Aber hinter dieser 
Pforte befand sich ein verschlossenes Paradies – und der 
Erzengel davor war Ajax, der rassige Schäferhund. Zwar 
hielt er kein flammendes Schwert, aber er zeigte ein 
furchterregendes Gebiß. 
Das alles wurde bestaunt, erörtert und beklatscht. An den 
Stammtischen, auf den Kaffeekränzchen und in den 
Geschäften. Das Haus im grünen Grund war ein Begriff 
geworden. 
Was den Bewohnern übrigens höchst gleichgültig war. Sich 

um andere zu kümmern, dazu hatten sie von jeher keine 
Lust, und dann hatte ihnen in den vergangenen Wochen 
wahrlich die Zeit dazu gefehlt. Da hatten sie sich keine 
Ruhe gegönnt. „Hatten geschuftet vom frühen Morgen bis 
zum späten Abend. 
Doch jetzt kam ihrer Arbeit Lohn. Jetzt konnten sie sich 
andern erfreuen, was sie rundum mit Ausdauer und Fleiß 
geschaffen hatten. 
Den langen Michel schmiß es fast um, als Frauke ihm, 
nachdem hier alles so herrlich vollendet, mit reizendem 
Grübchenlächeln ein Bündel Scheine in die Hand schob, 
die zusammen eine vierstellige Zahl ausmachten. Direkt 

entsetzt starrte er auf diesen Segen. 
»Gnädiges Fräulein, so was ist doch unerhört.« 
»Nicht unerhört, lieber Michel«, sagte sie herzlich. »Ihre 
Hilfe ist uns so viel wert, daß wir sie eigentlich gar nicht 
bezahlen können. Bedenken Sie, wenn wir Handwerker im 
Hause gehabt hätten. Ach was, ziehen Sie ab!« 
Das tat er denn auch und hatte dann zu Hause den 
Freudenausbruch seines Bertchens zu überstehen. 
Und am Ostersonnabend, der fast sommerliche Wärme 
brachte, saßen die fleißigen Arbeiter treu vereint auf der 
Terrasse beim Nachmittagskaffee. Saßen in Gartensesseln, 

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die sie selbst lackiert hatten und schauten mit frohen 
Augen hinaus in den kleinen Park. Es waren noch Bäume 

genug da, die Michels Axt verschont hatte; denn sie hatte 
nur das erfaßt, was schmarotzte und verdüsterte. Auf den 
frischangelegten Rasenflächen, die schon erstaunlich grün 
waren, blühte Krokus lustigbunt. Auch auf den Beeten 
zeigten sich Frühlingsblumen. Die Birken umwallte ein 
grüner Schleier, die Magnolien sahen aus, als hätte man 
zartrosa Watte darüber gestreut. Nichts Düsteres gab es 
mehr, alles war hell, licht und froh. 
Stolzgeschwellt sah Michel auf sein Werk. Hatte sich zur 
Feier des Tages fein gemacht, wie sein Bertchen auch. So 
gehörte sich das, wenn man von der“ Herrschaft eingeladen 
war. 

Plötzlich horchten alle auf. Glockentöne wehten zur 
Terrasse hin und zwar von dorther, wo sich das prächtige 
Schloß erhob. Fünf Augenpaare waren jetzt darauf gerichtet 
und sahen voller atemloser Spannung zu, wie auf dem 
hohen Hauptturm die Fahne auf Halbmast gehißt wurde. 
»Die Baronin ist tot«, sagte Bertchen leise. »Gott hab sie 
selig.« 
Ihr Ehegespons jedoch murmelte etwas, das die Frau 
entsetzt die Augen aufreißen ließ: 
»Gott sei Dank, jetzt ist der arme Kerl endlich von seinem 
Kreuz erlöst!« 
»Michel, schämst du dich gar nicht, so frevelhaft 

daherzureden?!« 
»Was heißt hier frevelhaft«, knurrte er. »War nun die 
Baronin ein Kreuz für ihren Mann oder nicht?« 
»Das schon«, mußte sie kleinlaut beigeben. »Aber nun ist 
sie tot. Und den Toten soll man Gutes nachsagen.« 
»Selbstverständlich. Auch wenn sie in ihrem nichtsnutzigen 
Leben die Menschen gepeinigt haben bis aufs Blut.« 
»Michel!« 
»Naja, ich bin schon still«, sah er verlegen in drei 
Augenpaare, die verständnislos an seinem Gesicht hingen. 
»Nichts für übel, meine Damen, aber bei allem, was man 

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da hörte, konnte sich einem schon das Herz krümmen vor 
Jammer. Denn so ein leibhaftiger Teufel…« 

»Halt den Mund, Michel, laß mich reden, ich werde 
bestimmt nicht so ausfallend wie du! Außerdem kenne ich 
die Verhältnisse im Schloß nicht nur vom Hören, sondern 
auch vom Sehen, weil ich öfter mal zur Aushilfe dort war 
und so manches mit angesehen habe. Also, meine Damen, 
das war so: 
Der junge Baron heiratete ein reiches Mädchen, weil er 
Geld für seinen großen Besitz brauchte. Doch gleich nach 
der Hochzeit stellte sich heraus, daß ihn sein 
Schwiegervater geblufft hatte. Der war nämlich pleite, 
segelte ins Ausland ab. Nun hatte der arme, betrogene 
Mann eine Frau am Hals.« 

»Aha!« 
»Du sollst mich nicht unterbrechen, Michel, das rutschte 
mir nur so raus! Sage ich so: Er hatte nun eine Frau, die 
nicht Geld mitbrachte, sondern viel Geld verlangte, da sie 
an ein verschwenderisches Leben gewöhnt war. Eigentlich 
hätte der Herr Baron sich gleich scheiden lassen müssen, 
von wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen und so. Und 
vielleicht hätte er es auch getan, wenn seine Frau nicht bei 
ihrer verrückten Autoraserei verunglückt wäre. Dabei 
verletzte sie sich das Rückgrat so arg, daß es keine Hilfe 
mehr gab. Und da sie schon von Natur so ein…« 
»Teufel«, half Michel freundlich aus. 

»Wenn du jetzt nicht den Mund hältst, bekommst du von 
mir keinen Schnaps!« 
»Damit kannst du mich nicht einschüchtern«, grinste er sie 
an. »Ich bekomme schon einen – oder gar mehrere.« 
Da mußte das liebe, gute Bertchen lachen, fuhr dann aber 
ernstwerdend in ihrer Erzählung fort: 
»Da die Baronin schon von Natur aus ein unruhiger Geist 
war, machte das Siechtum sie zur…« 
»Kanaille!« 
»Na schön, das will ich gelten lassen, sie war wirklich eine. 
Sie tyrannisierte nämlich das ganze Haus, am meisten aber 

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ihren Mann und seine blutjunge Schwester. Aber sie sollen 
ihr Kreuz geduldig getragen haben, wovon der Heiland sie 

heute, vor seinem Auferstehungstag, erlöste.« 
»Amen!« schloß der unverbesserliche Michel, was die 
andern lachen machte, ob sie wollten oder nicht. Was ging 
sie schließlich die Tragödie anderer Leute an? Wenn sie 
darüber weinen wollten, würden sie wohl kaum die Tränen 
stillen können, weil es ja auf der Welt der Tragödien so 
viele gibt. Und jeder muß damit fertig werden, ob so oder 
so. 
»Jetzt trinken wir einen Schnaps«, ordnete Hulda an, was 
allgemeine Begeisterung fand. Und da es ja heißt: Vor dem 
Schnaps einen Schnaps, nach dem Schnaps noch ’nen 
Schnaps, mußte man sich daran halten. Wenigstens tat es 

das Ehepaar. Und als es später schied, Bertchen mit einem 
Korb am Arm, in dem sich Festtägliches befand, 
schwankten sie Hand in Hand beseligt über die Wiese 
ihrem Häuschen zu, in dem Liebe, Friede und Eintracht ihr 
Zepter schwangen. 
Die Zurückbleibenden sahen belustigt dem schwankenden 
Paar nach, bis es im Haus verschwunden war. 
»Die sind jetzt wohlverwahrt und aufgehoben«, lachte 
Frauke. »Das heißt, so arg war es mit Bertchen nicht, die 
konnte noch gut Balance halten. Aber schaut mal dort 
hinauf. Ist das nicht ein Mensch, der von dem Schloß her 
die Anhöhe hinabläuft?« 

»Scheint mir auch so«, kniff Hulda die Augen zusammen, 
um besser sehen zu können. »Sieht wie ein junges 
Mädchen aus, das auf Michels Haus zuhält. Da steht 
übrigens Bertchen und winkt.« 
Gespannt verfolgten sie den Vorgang weiter. Jetzt machte 
die Laufende vor Bertchen halt, die zuerst auf sie einsprach, 
sie dann bei der Hand nahm und über die Wiese auf das 
grüne Haus zukam. Einige Minuten später standen sie vor 
den drei erstaunten Menschen auf der Terrasse. 
»Verzeihen Sie bitte, meine Damen«, sagte Bertchen 
verlegen. »Ich wollte mal fragen, ob Sie das Baroneßchen, 

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das in ihrer Angst und Not zu uns flüchtete – ich meine, 
wir sind doch kein Umgang –, außerdem ist es bei uns so 

beengt.« 
Hilflos sah sie Frauke an, die lächelnd sagte: 
»Sie meinen, daß wir uns der jungen Dame annehmen 
sollen, nicht wahr?« 
»So ist es, gnädiges Fräulein«, atmete Bertchen auf. »Hier ist 
das Baroneßchen doch unter Menschen, die zu ihm passen. 
Mein Gott, so’n junges Blut muß ja Angst kriegen, wo oben 
eine Leiche liegt und wo keiner jetzt Zeit hat, sich um es zu 
kümmern.« 
»Ist schon gut, Bertchen«, winkte Frauke ab, mitleidig auf 
das junge Menschenkind schauend, das mit 
dickverweintem Gesichtchen ängstlich dastand. 

»Wollen Sie bei uns bleiben, Baronesse?« fragte sie 
freundlich. 
»Wenn ich darf und nicht störe, dann gerne.« 
»Sie stören uns nicht. Weiß der Herr Baron denn, daß Sie 
das Schloß verlassen haben?« 
»Nein«, entgegnete das Backfischchen schüchtern. »Mein 
Bruder hat jetzt keine Zeit, sich um mich zu kümmern. Das 
hat überhaupt keiner. Und ich bin doch so allein, ich habe 
so große Angst! Meine Schwägerin hat vorher doch so 
entsetzlich geschrien – o mein Gott!« 
»Nun, nun«, beschwichtigte Frauke, das nun wieder 
weinende, an allen Gliedern zitternde Mädchen liebevoll 

umfassend. »Setzen Sie sich zuerst einmal. So, und nun 
werde ich dem Herrn Baron telefonisch Bescheid sagen, wo 
sein Schwesterchen sich befindet. Wie ist die Rufnummer?« 
»Dreimal zwei, gnädiges Fräulein.« 
»Nun, das ›gnädige‹ wollen wir lassen. Ich bin Frauke 
Gortz, das ist Fräulein Hulda Selk und das Fräulein Ortrun 
Danz. Ich telefoniere jetzt und gebe dann Bescheid, was ich 
ausgerichtet habe.« 
In der jetzt so schmucken Diele ging sie zum Telefon, 
wählte die Nummer und hörte gleich darauf eine 
Männerstimme: 

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»Hier Schloß Swidbörn.« 
»Herr Baron persönlich?« 

»Nein. Es spricht der Diener Niklas.« 
»Danke. Könnte ich den Herrn Baron sprechen?« 
»Dann müßte ich um den Namen bitten, und worum es 
geht.« 
»Es geht um die Baronesse, die sich augenblicklich in 
meinem Haus befindet – im Haus im grünen Grund.« 
»Die Baronesse – o mein Gott!« kam es gepreßt vom 
andern Ende. »Bitte, sich einen Moment zu gedulden, 
gnädiges Fräulein. Ich sage dem Herrn Baron sofort 
Bescheid.« 
Einige Minuten später sprach dann eine sonore, herrische 
Stimme: 

»Swidbörn. Wie mir mein Diener sagte, befindet sich meine 
Schwester in Ihrem Hause, gnädiges Fräulein?« 
»Ganz recht, Herr Baron.« 
»Aber wie kommt die Kleine ausgerechnet zu Ihnen, Sie 
sind ihr doch ganz fremd.« 
»Sie lief in ihrer Angst und Not zu Bertchen und Michel, 
falls die beiden Ihnen ein Begriff sind.« 
»Doch, natürlich. Aber so bekannt sind sie meiner 
Schwester nun auch wieder nicht, als daß diese bei ihnen 
Schutz suchen könnte. Da gibt es doch hier die 
Gutsbeamtenfamilien, die ihr viel vertrauter sind. Also 
muß die Kleine in ihrer Verstörtheit das Köpfchen verloren 

haben. Und wie kam sie zu Ihnen, gnädiges Fräulein?« 
»Bertchen brachte sie mir und meinen Lieben, weil sie in 
ihrer unbeholfenen Art mit dem verstörten Dinglein nichts 
anzufangen wußte.« 
»Eine ziemliche Zumutung, fremde Menschen zu 
belästigen.« 
»Bertchen ist mir nicht fremd.« 
»Aber meine Schwester ist es.« 
»Das wohl. Doch wenn ein Mensch Hilfe braucht, muß 
man sie ihm angedeihen lassen, ob er da fremd ist oder 
nicht. Oder würden Sie einem solchen Menschen Ihre Hilfe 

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verweigern, Herr Baron?« 
»Natürlich nicht.« 

»Also! Nun kurz die Rede: Vertrauen Sie mir Ihr 
Schwesterchen solange an, bis man in Ihrem Hause soweit 
ist, daß man sich um das verängstigte Kind wieder 
kümmern kann.« 
»Darf ich Ihr hochherziges Angebot auch wirklich 
annehmen, gnädiges Fräulein?« 
»Von Hochherzigkeit kann keine Rede sein, Herr Baron. Es 
ist weiter nichts als Menschenpflicht.« 
»Das möchte ich bezweifeln, aber…« 
»Kein Aber, Herr Baron.« 
»Dann danke ich Ihnen, gnädiges Fräulein. Ich kann mich 
in den nächsten Tagen um das arme Kind so gar nicht 

kümmern und meine Getreuen auch nicht.« 
»Eben deshalb ist es bei uns gut aufgehoben. Übrigens, 
mein Beileid, Herr Baron.« 
»Danke, gnädiges Fräulein. Ich werde mir erlauben, wenn 
hier alles vorüber ist, Ihnen meinen persönlichen Dank 
abzustatten.« 
»Das freut mich. Ist nun alles klar?« 
»Ja. Und nochmals besten Dank!« Damit war das Gespräch 
beendet, und Frauke ging zurück auf die Terrasse, wo der 
junge Gast ängstlich fragte: »War mein Bruder sehr böse?« 
»Nein, Baronesse, nur verwundert.« 
»Hat er mir erlaubt, hierzubleiben?« 

»Ja. Und zwar für die nächsten Tage.« 
»Na sehen Sie, Baroneßchen«, fuhr Bertchen unbeholfen 
über das Köpfchen mit den langen blonden Zöpfen. »Es 
sind gute Menschen, bei denen Sie sich befinden, sehr gute 
Menschen. Kann ich nun gehen? Sonst trinkt mein Michel 
womöglich die Flasche leer, die ich im Korb fand.« 
»Dann aber schnell«, lachte Frauke, worauf Bertchen sich 
schleunigst in Bewegung setzte. Wie ein Wiesel lief sie 
durch den grünen Grund und verschwand in dem kleinen 
Haus. 
»So, nun wollen wir uns mal um unseren Gast kümmern«, 

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sagte Frauke fröhlich. »Aber, aber, doch nicht ein so 
unglückliches Gesichtchen, Baronesse!« 

»Bitte, wollen Sie mich nicht Oda nennen und die andern 
auch?« fragte die Kleine schüchtern. 
»Wenn Sie es wünschen, dann gern. 
Sie gehen doch sicher noch zur Schule, nicht wahr?« 
»Nein.« 
»Dann unterrichtet Sie eine Hauslehrerin?« 
»Auch nicht. Meine Schulzeit ist seit Ostern beendet.« 
»Wie kommt denn das?« fragte Hulda verwundert. »Sie sind 
doch höchstens vierzehn Jahre.« 
»Aber nein«, lachte es schon zaghaft in den großen blauen 
Augen auf. »Es machen die Zöpfe, daß man mich für jünger 
hält, ab ich bin. Aber mein Bruder liebt sie so sehr und 

wünscht, daß ich sie bis achtzehn Jahre trage. Jetzt bin ich 
sechzehn vor einigen Tagen geworden. Und da ich in der 
Schule die mittlere Reife erlangt hatte, durfte ich abgehen.« 
»Taten Sie es gern?« 
»O ja, sehr gern!« 
»Das kam aus tiefstem Herzensgrund«, schmunzelte Hulda. 
»Ich werde mich jetzt um das Abendessen kümmern. Nein, 
Ortrun, bleib du hier, Frauke kann mir helfen. Damit die 
Kleine schneller ihre Scheu verliert«, setzte sie in der Küche 
erklärend hinzu. »Dich scheint sie mehr als Respektsperson 
zu betrachten, während sie Ortrun als ihresgleichen 
ansieht. 

Na ja, hätte mir auch nicht träumen lassen, daß wir so bald 
schon einen Gast bekommen würden – und einen so 
feinen noch dazu. Nur gut, daß im Haus alles in Ordnung 
ist. Wo wird die Kleine schlafen? Allein würde sie sich 
wahrscheinlich graulen, so verängstigt wie sie ist.« 
»Das nehme ich auch an. Stellen wir den Diwan aus 
meinem in Ortruns Zimmer, dann sind die beiden jungen 
Mädchen unter sich.« . 
»Ach so, du hältst dich mit deinen dreiundzwanzig Jahren 
wohl für steinalt? Essen wir auf der Terrasse?« 
»Dafür dürfte die Abendluft zu kalt sein.« 

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»Dann deck im Zimmer, ich reich dir alles zu.« 
Sie öffnete die Durchreiche, die in die Wand zum 

Speisezimmer eingelassen war und bei der Holztäfelung 
nicht auffiel. Darunter stand ein Schränkchen, in dem sich 
das tägliche Porzellan, das Silber und die Tischwäsche 
befand. 
»Nun tummle dich, mein Herzchen, und vergiß nicht, 
kleine Teller hinzustellen.« 
»Wozu das?« 
»Wirst schon sehen.« 
»Hulda, es scheint, als ob du etwas Extraes hättest.« 
»Und wenn es so wäre?« 
»Dann ist es gegen die Verabredung. Wir haben abgemacht, 
nur eine kalte Platte auf den Tisch zu bringen, damit du 

nicht noch am Ostersonnabend dich abzumühen brauchst. 
Was ist es?« 
»Ragout fin.« 
»Na, du Heimtückerin! Ich werde dich bei den Ohren 
nehmen!« 
»Laß das, ohne sie wäre ich nicht halb so hübsch.« 
Lachend ging Frauke ins Eßzimmer und deckte den Tisch 
mit dem kostbaren Porzellan, das sie wie vieles andere hier 
in den Schränken vorgefunden hatte. Auch Silber und 
Tischwäsche, die verschmutzt an alle möglichen Stellen 
hineingestopft worden war. Mit allen anderen Sachen war 
es genauso. Nichts befand sich da, wo es hingehörte. Doch 

nun lag alles gewaschen und geordnet in Schränken und 
Schüben. Es war so viel, daß Frauke mit Wäsche aller Art 
versorgt war auf lange Zeit. 
Die verschmutzten Mahagonimöbel hatte man solange 
poliert, bis sie glänzten, die Beschläge geputzt. Die Polster 
und Teppiche, zum Teil echte Perser, geklopft, entfleckt 
und mit Salmiak aufgefrischt. Kurz und gut, man hatte alles 
so lange bearbeitet, bis es in neuem Glanz erstrahlte. 
Selbst bei den Gardinen und Vorhängen, die durchweg 
gekauft werden mußten, hatte man den Dekorateur 
gespart, indem man sie selbst anbrachte. Jetzt besaß Frauke 

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Gortz, die herumgestoßene Verwandte der Familie Zerkel, 
ein weit schöneres, größeres und feudaler möbliertes Haus 

als diese es hatte. Und während diese Schulden hatten bis 
über beide Ohren, nannte sie ein ganz nettes Bankkonto 
ihr eigen. Und das Schicksal nannte es ausgleichende 
Gerechtigkeit. 
Als die beiden Mädchen bei Tisch erschienen, hatten sie 
sich bereits angefreundet. Die kleine Baronesse war wohl 
noch zurückhaltend, aber lange nicht mehr so sehr wie zu 
Anfang. Und als sie später zwei Glas Bowle getrunken 
hatte, war aller Kummer vergessen. Sie wurde richtig 
zutraulich. Beteuerte immer wieder, wie froh sie doch wäre, 
hier zu sein. 
Auch daß sie es nicht fassen könnte, was man aus der 

Räuberhöhle gemacht hätte. 
»Von innen habe ich das Haus nie gesehen, wie ja 
überhaupt niemand Zutritt hatte«, erzählte sie in ihrer 
reizenden Art. »Aber schon von außen kam es mir so 
unheimlich vor, so unsagbar trostlos und traurig. 
Sie müssen nämlich wissen, daß wir vom Schloß aus 
beobachten können, was im Tal vor sich geht«, verriet sie 
eifrig. »Nur hier hatten wir keinen Einblick, weil alles zu 
verwachsen war. Unsere Barbe nannte es das 
Gespensterhaus, in dem es nicht geheuer wäre. So richtig 
gruseln konnte man sich.« 
»Darf man wissen, wer die Barbe ist?« fragte Frauke, die 

genauso wie Hulda und Ortrun amüsiert dem kindlichen 
Geplauder lauschte. 
»Natürlich dürfen Sie das wissen. Barbe ist unsere gute 
Barbe, die als Kindermädchen meines Bruders zu uns kam. 
Als Winrich sie nicht mehr brauchte, wurde sie 
Beschließerin und heiratete der Einfachheit halber den 
Diener Niklas.« 
»Der Einfachheit halber ist gut«, lachte Frauke, und 
vergnügt tat die allerliebste Kleine mit. 
»Na ja, lieb haben sie sich außerdem auch noch«, bekannte 
sie treuherzig. »Und ich habe sie auch lieb, weil sie so gut 

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und so treu sind und mich vergöttern, wie mein Bruder es 
nennt.« 

»Und Ihr Bruder tut das nicht?« forschte Frauke vorsichtig, 
und da lachte Baroneßchen spitzbübisch. 
»Doch, aber er will das nicht zugeben. Und als er heiratete, 
durfte er es wegen seiner Frau nicht zeigen. Aber an die will 
ich jetzt nicht denken, ich will fröhlich sein.« 
»Recht so«, bekräftigte Hulda schmunzelnd. »Noch ein Glas 
Bowle gefällig?« 
»Wenn ich darf, bitte! Mein großer Bruder sagt, 
Ausnahmen soll man gelten lassen. Und ich höre immer 
darauf, was er sagt, weil er vierzehn Jahre älter ist und alles 
besser wissen muß. 
Überhaupt mein Bruder«, fing sie jetzt an zu schwärmen, 

nachdem sie einen langen Zug getan hatte. »Ist das ein 
feiner Kerl! Ich bin schrecklich stolz auf ihn. Er schilt nie 
mit mir, auch wenn ich es verdient habe. Dann sieht er 
mich nur kopfschüttelnd an: Oda, wie kann man nur. Ich 
will doch stolz auf dich sein, mein Schwesterchen. Na ja – 
dann schäm’ ich mich – und alles ist wieder gut.« 
»Haben Sie denn keine Eltern mehr?« fragte Frauke wie 
beiläufig. 
»Nein, sie sind schon lange tot. Mir ist doch so komisch im 
Kopf, wie kommt das nur?« 
»Ja, wie mag das wohl kommen«, wiederholte Hulda 
trocken. Und dann leise zu Frauke und Ortrun: »Nehmt sie 

untern Arm und bringt sie zu Bett.« 
So zog man denn mit dem beschwipsten Personellen ab. 
Durch die Diele, die Treppe hinauf, die jetzt ein neuer 
Läufer deckte, hinein in Ortruns Zimmer, dessen 
Einrichtung sie aus ihrer Tasche bezahlte. Zwar war das 
Frauke nicht recht, aber das Mädchen bettelte so lange, bis 
sie nachgab. 
Es war ein allerliebstes Jungmädchenzimmer mit 
zartgrünen Schleiflackmöbeln, bunten Seidenpolstern, 
dickem Teppich, duftigen Gardinen und niedlichem 
Kleinkram. Ehe Oda sich so recht versah, lag sie auf dem 

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Diwan und gähnte herzhaft. Legte sich auf die Seite und 
wechselte augenblicklich hinüber ins Traumland. 

»Die ist versorgt«, lachte Frauke unterdrückt. »Mach es 
genauso, Herzchen, kriech ungewaschen und ungeplättet in 
dein nobles Bett. Die nötige Bettschwere haben wir alle; 
denn die Bowle hatte es in sich. Schlaf gut, mein Kleines!« 
»Du auch, Fraukelein. Wie glücklich bin ich doch, daß es 
dich und Hulda gibt.« 
Stürmisch wurde sie umhals und geküßt. Gleichfalls Hulda, 
die leise eingetreten war. 
»Dich hat es auch ganz nett erwischt«, schmunzelte sie. 
»Husch bloß ins Körbchen, damit du nicht noch die 
schlafende Baronesse überfällst. In deinem seligen Dusel ist 
dir das schon zuzutrauen.« 

»Soll ich’s tun?« blitzte der Übermut sie an. 
»Laß bloß das Kind in Frieden. Das hat den Schlaf weiß 
Gott nötig. Schlaft euch gut aus, gute Nacht!« 
Sie ging in ihr Zimmer, das sie sich behaglich eingerichtet 
hatte, ebenso, wie Frauke das ihre, das neben dem Ortruns 
lag. Auch hier war alles hell und licht. Angefangen von den 
schimmernden Rosenholzmöbeln, dem hellen, flauschigen 
Teppich, den duftigen Gardinen bis zur seidenglänzenden 
Daunendecke. Zu allem hatte das Geld gelangt, es war 
sogar noch ganz nett etwas übriggeblieben. 
Außerdem hatte sie ihre Rente und das sehr reichliche 
Pensionsgeld Ortruns. Damit ließ sich gut auskommen. 

Auch am nächsten Tag zeigte der April sich gnädig. Wenn 
die Luft auch kühl war, aber es schien die Sonne. Frauke 
und Hulda, die zeitig aufgestanden waren, um im Park die 
Eier zu verstecken, waren gerade fertig, als sie an der 
Küchentür den Mann entdeckten, den Ajax verbellte. 
Frauke rief ihn zu sich, befahl ihm, bei Fuß zu bleiben und 
trat auf den Fremden zu, der eine schlichte Livree trug. 
»Guten Morgen!« grüßte er höflich. »Ich bin der Diener 
Niklas vom Schloß und bringe der Baronesse ein 
Köfferchen mit Kleidern und einen Karton von meiner 
Frau, der Barbe. Diese Blumen soll ich den Damen vom 

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Herrn Baron überreichen und Dank sagen für die 
freundliche Aufnahme, die Baronesse hier gefunden hat.« 

Frauke nahm ihm die Blumen ab, während Hulda nach 
Koffer und Karton griff. 
»Sagen Sie dem Herrn Baron, wir lassen für die Blumen 
danken. Er braucht sich um die Baronesse keine Sorgen zu 
machen, sie ist bei uns bestens aufgehoben. Wann ist die 
Beisetzung?« 
»Übermorgen um fünfzehn Uhr, gnädiges Fräulein. Der 
Herr Baron sagt telefonisch Bescheid, wenn die Baronesse 
im Schloß erscheinen soll. Ich empfehle mich den 
Damen.« 
Würdig schritt er davon und Hulda brummte, während sie 
mit Frauke in die Küche ging: 

»Ziemlich hochnäsig, der Herr Diener. Na ja, wie der Herr, 
so das Gescherr!« 
»Wie kannst du nur so reden, Hulda. Du kennst den Baron 
ja gar nicht. Und die Baronesse ist doch weiß Gott nicht 
hochnäsig.« 
»Wird sich schon auf ihr blaues Blut besinnen, wenn sie die 
Kinderschuhe abgestreift hat. Sieh nach, was im 
Seidenpapier für Blumen sind.« 
Als die freilagen, tippte sie der Reihe nach auf die Blüten. 
»Wunderbar abgestuft. Für das ältere gnädige Fräulein 
Orchideen, für das jüngere gnädige Fräulein Lilien, für die 
Küchenfee Osterglocken.« 

Vergnügt fiel sie in das hellklingende Lachen Fraukes ein, 
die Koffer nebst Karton ergriff und zu den beiden Mädchen 
ging, die in ihren Betten lagen und sich unterhielten. 
»Frohe Ostern!« riefen sie der Eintretenden entgegen, die 
zu Oda trat und die beiden Sachen aufs Bett legte. 
»Das hat der Diener Niklas für Sie abgegeben.« 
»Niklas?« schnellte die Kleine wie ein Gummiball hoch. 
»Haben sie im Schloß doch an mich gedacht. Was mag da 
drin sein?« 
»Sehen Sie nach, dann werden Sie es wissen.« 
»O bitte!« bettelten die Blauaugen zu ihr hoch. »Nennen 

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Sie mich doch du, als Ostergeschenk. Von Ortrun habe ich 
es bereits erhalten.« 

»Na schön, dann aber nur auf Gegenseitigkeit.« 
»Aber dann sind Sie – dann bist du - gar keine 
Respektsperson mehr für mich.« 
»Darauf lege ich auch gar keinen Wert.« 
Interessiert sah sie zu, wie Oda den Koffer öffnete, in dem 
außer Nachtzeug und Unterwäsche ein schwarzweißes 
Wollkleidchen, schwarze Strümpfe und schwarze 
Wildlederschuhe lagen. Fragend sah das Mädchen zu 
Frauke hoch, die leise sagte: 
»Du hast Trauer, Oda.« 
»Richtig«, senkte sie verlegen das blonde Köpfchen. »Wie 
lange muß ich die einhalten?« 

»Das wird dein Bruder bestimmen.« 
»Na ja, was sein muß, das muß nun mal sein«, sagte sie 
kläglich, klappte den Deckel zu und griff nach dem Karton, 
öffnete ihn. Und schon strahlten ihre Augen wieder. 
»Oh, ist das mal hübsch bunt. Das hat sicher meine liebe 
Barbe mir geschickt; denn mein Bruder hat für so etwas 
jetzt bestimmt keinen Sinn. 
Oder doch?« zerrte sie aufgeregt ein großes Osterei aus dem 
Glitzerkram hervor, in dessen Schleife ein Kärtchen steckte. 
Rasch überflog sie die markige Schrift und sagte eifrig: 
»Alles, was da so hübsch glitzert, ist von meinem Bruder. 
Paßt mal auf, was er schreibt! Einen herzlichen Ostergruß, 

mein kleiner Zeisig. Verlerne nur das Zwitschern nicht, das 
dein großer Bruder immer nötig haben wird. Die gefärbten 
Eier schickt dir Barbe, die froh ist, ihren Liebling so gut 
aufgehoben zu wissen. Übermorgen auf Wiedersehen! - 
Winrich.« 
Nun wurde alles einzeln aus der Schachtel genommen,

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beäugt, bestaunt. Dann begann sie den reichen Segen 
durch vier zu teilen, was Frauke ahnungsvoll fragen ließ: 
»Was soll das geben?« 
»Geteilte Freude, ist doppelte Freude. In diesem Fall sogar 
vierfache Freude.« 

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»Und du meinst, daß wir es annehmen werden?« 
»Warum denn nicht? Ich nehme von euch ja noch viel 

mehr an!« 
»Darüber werden wir unten debattieren. Jetzt macht, daß 
ihr euch anzieht, damit wir frühstücken können.« 
Sie ging, und eine halbe Stunde später erschienen die 
beiden Mädchen. Odas Kleid war recht niedlich, nur die 
schwarzen Strümpfe störten. Ortrun, die sich eigens zum 
Osterfest ein entzückendes Kleidchen gekauft hatte, trug es 
nicht, sondern einen dunkelblauen Rock mit einer weißen 
Seidenbluse. Frauke und Hulda warfen sich einen 
verständnisvollen Blick zu, sie war eben taktvoll, ihre 
geliebte Kleine. 
Nach dem Frühstück begann das Eiersuchen, wobei Oda 

immer wieder hellauf jauchzte. Sie blieb auch lustig und 
fidel, bis der Bruder Dienstag um die Mittagszeit anrief und 
die Schwester ins Schloß beorderte. Da zog sie wie ein 
begossenes Pudelchen ab, und mitleidig sahen die anderen 
ihr nach. 
Obwohl die Baronin Swidbörn keine Sympathie besessen, 
hatte man sich zu ihrer Beisetzung zahlreich eingefunden. 
Man tat es ja auch wegen des Barons, der sich wiederum 
großer Beliebtheit erfreute. Und es gab unter den vielen 
Menschen nicht einen, der nicht das dachte, was Michel 
aussprach: Gott sei Dank, jetzt ist der arme Kerl endlich 
von seinem Kreuz erlöst. 

Während der Trauerfeierlichkeiten griff Baronesse Oda 
nach der Hand des Bruders, der das zitternde Händchen 
warm umschloß. Das sensible Kind ängstigte sich unsagbar 
vor der düsteren Schwere. Am liebsten hätte es das 
Gesichtchen in den Ärmel des Bruders gedrückt, um das 
alles nicht mit ansehen zu müssen. Nicht die Kerzen am 
Katafalk, nicht die vielen Kränze und nicht die vielen 
Menschen, die alle so düster und unheimlich wirkten. 
Zwischen der Orgelmusik glaubte sie die entsetzlichen 
Schreie zu hören, welche die Schwägerin kurz vor ihrem 
Tod ausgestoßen hatte. Sie gellten ihr immer noch in den 

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Ohren, als der schreiende Mund schon längst verstummt 
war. Halb wahnsinnig vor Angst war sie schließlich 

davongerannt, egal, wohin, nur möglichst weit von dem 
Schloß fort, das so Schreckliches in sich barg. 
Und jetzt war es wieder da. Todblaß, mit angstgeweiteten 
Augen, stand das blutjunge Mädchen da. Rührend wirkend 
in dem düsteren Trauergewand, über das die lichtblonden 
Zöpfe fielen. Sie weinte nicht, sie zitterte nur am ganzen 
Körper wie Espenlaub. 
Auch als alles vorüber war und man langsam dem Schloß 
zuschritt, wollte sie die Bruderhand nicht loslassen. Diese 
gute Hand, die so viel Ruhe und Zuversicht ausströmte und 
die dann von vielen andern Händen geschüttelt wurde, als 
man vor dem Schloß stand. 

Keiner machte Miene, dazubleiben, alle gingen sie still 
davon. Bis auf den einen, der den düsteren Gestalten 
nachsah und brummte: 
»Taktvoll von den Leuten, nicht noch großartig einen 
Leichenschmaus zu verlangen. Danke Gott, Winrich, daß 
du all das Scheußliche hinter dir hast. Jetzt kannst du 
armer Kerl endlich aufatmen. Und nun kommt, damit ich 
endlich meinen Kognak kriege. Mir ist bei dem 
Zeremoniell mit allem Drum und Dran ganz schwiemelig 
um den Magen geworden.« 
Sie stiegen die Freitreppe hinauf, durchquerten die riesige 
Halle, wo ihnen Niklas die Mäntel abnahm und betraten 

ein kleines Gemach, dessen Einrichtung eigentlich nur aus 
Polstern und Teppichen bestand. Auf dem niederen Tisch 
zwischen der Sesselgruppe am Kamin summte die 
Kaffeemaschine, auf einer Platte lockten gute Happen und 
auf der beweglichen Bar standen vorzügliche Tropfen und 
Tabakwaren. Im Kamin prasselten die Scheite, deren 
lodernde Flammen mollige Wärme verströmten. 
Mit einem Grunzer des Wohlbehagens ließ sich der Freund 
des Hausherrn in das weiche Polster sinken. Er bekam den 
ersehnten Kognak, den er hinunterkippte. 
»Ah, das tut gut. Gib mir gleich noch einen, Winrich, damit 

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ich das hubberige Gefühl los werde. Regnen mußte es 
natürlich auch noch. Na ja, bei so was mußte die Sonne 

sich wohl verkriechen.« 
Nachdem man sich an den guten Happen und dem nicht 
minder guten Kaffee gelabt hatte, griffen die beiden Herren 
zur Pfeife, und Baroneßchen machte sich eifrig über das 
süße Gebäck her. 
»Na, Fips, jetzt geht’s wieder, was?« besah sich der Freund 
des Hauses schmunzelnd das reizende Persönchen. 
»Standst in all der Düsternis so verängstigt da, wie ein 
verprügelter kleiner Hund.« 
»Uwe, daß du es doch nicht lassen kannst, die Menschen 
mit Tieren zu vergleichen!« entrüstete sie sich, und er 
lachte. 

»Dafür bin ich ja Viehdoktor, kleine Dame. Bei denen fängt 
der Mensch erst beim Tier an. Wie mir Winrich erzählte, 
bist du am Ostersonnabend ausgerückt und hast dich in 
dem Räubernest häuslich niedergelassen. Wie kamst du 
eigentlich dazu, fremde Menschen zu belästigen?« 
Als er es wußte, sagte er kopfschüttelnd: 
»Mädchen, du machst vielleicht Sachen. War es dir denn 
gar nicht peinlich, wildfremde Menschen einfach zu 
überfallen?« 
»Schade, daß Hulda nicht da ist, die würde dir die passende 
Antwort geben.« 
»Ist Hulda die Dienerin der beiden jungen Damen?« 

»Dienerin? Laß das ja nicht Frauke hören. Hulda ist das, 
was Barbe bei uns ist. Sie wird geliebt und verehrt, auch 
von Ortrun. Es sind alles liebe Menschen, die ich nicht 
angreifen lasse.« 
»Wer sagt dir denn, daß ich es will, Baroneßchen?« 
»Das tust du bei allen Frauen, weil du ein Frauen Verächter 
bist.« 
»Schau mal an, was das Küken nicht schon alles weiß, das 
noch die Eierschalen hinter den Öhrchen trägt.« 
»Erlaube mal, ich bin sechzehn Jahre.« 
»Respektables Alter. Nun sei mal nicht so grantig und 

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erzählte uns von deinen neuen Freunden!« 
»Pöh, du kennst sie ja gar nicht.« 

»Früher als du.« 
»Waaas?« 
»Jetzt staunst du denn doch, nicht wahr?« 
»Allerdings. Rasch, erzähle!« 
Also erzählte er von der Begegnung im Bahnwagen, im 
Hotel, auf der Straße, wo die beiden jungen Damen in 
Begleitung des dorfbekannten Bertchens und des nicht 
minder dorfbekannten Hundes ihren Einkauf im Karren 
stolz nach Hause fuhren. 
»Bis dahin hatte ich sie für frühe Feriengäste gehalten«, 
führte er weiter aus. »Doch als ich den Hund sah, da kam 
mir die Ahnung, daß es sich bei den jungen Damen nur 

um die Erbinnen des Professors handeln konnte. Kein 
gutes Erbe, das die Schwestern da angetreten haben.« 
»Sie sind nicht Schwestern«, stellte Oda richtig. »Die Erbin 
ist Frauke allein. Sie nimmt sich Ortruns an, weil diese 
keine Eltern hat. Die Mutter bekam Herzschlag, als sie sehr 
erhitzt kopfüber ins eiskalte Wasser sprang und da der 
Vater sich viel auf Reisen befand, löste er den Hausstand 
auf und gab seine einzige Tochter in das Elitetöchterheim, 
wo sie nach dem bestandenen Abitur entlassen wurde. Da 
nun indes auch ihr Vater gestorben war, kam sie in das 
Haus ihres Onkels und Vormunds, der sie nicht behalten 
konnte oder wollte. So nahm sich denn Frauke ihrer an. 

Das ist alles, was ich von Ortrun weiß. Höchstens noch, 
daß sie mit Nachnamen Danz heißt.« 
»Danz?« horchte der Tierarzt auf. »Und er ist tot?« 
»Ja. Wie mir Ortrun erzählte, wurde er in den Tropen von 
einem heimtückischen Fieber dahingerafft.« 
»Dann kann es sich nur um den Mediziner Danz handeln, 
der sich um die ärztliche Wissenschaft sehr verdient 
gemacht hat. Sein Tod wurde äußerst bedauert und in den 
Tageszeitungen groß herausgebracht. Jetzt entsinne ich 
mich, daß auch der tragische Tod seiner Frau, einer 
fanatischen Sportlerin, erwähnt wurde. Gleichfalls seine 

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Tochter, die sich in einem erstrangigen Institut befand.« 
»Arme Ortrun«, sagte Oda mit schwankendem Stimmchen, 

und Uwe sah sie erstaunt an. 
»Arm? Na, erlaube mal. Der muß ihr Vater einen gehörigen 
Batzen hinterlassen haben! Denn er galt allgemein für 
klotzig reich.« 
»So meine ich das doch nicht«, winkte Baroneßchen 
ungeduldig ab. »Mit arm meinte ich, daß sie nicht viel von 
ihren Eltern gehabt hat, da die Mutter eine fanatische 
Sportlerin war und der Vater sich viel auf Reisen befand. 
Außerdem mußte sie mit vierzehn Jahren in ein strenges 
Internat. 
Wieviel besser geht es dagegen mir, obwohl auch ich ein 
Waisenkind bin«, sprang sie spontan auf, hockte sich auf 

die Lehne des Sessels, in dem ihr Bruder saß und schmiegte 
ihr Blondköpfchen an sein gleichfalls blondes Haar. »Ich 
habe doch einen Bruder, der so lieb für mich sorgt.« 
»Ist ja schon gut«, streichelte er zärtlich die weiche Wange. 
»Ich bin genauso froh, dich zu haben, mein kleiner Zeisig. 
Du hast mir in der schweren Zeit sehr geholfen.« 
»Wirklich, Winrich? Das macht mich aber stolz. Ich bin 
doch nur ein dummes Ding.« 
»Hört, hört!« schmunzelte der Tierarzt, der das 
Backfischchen doch gar zu gern neckte. »Da möchte ich fast 
den abgegriffenen Ausspruch von der Selbsterkenntnis 
anwenden.« 

»Wenn dir nichts anderes einfällt, dann bitte sehr«, tat sie 
nonchalant ab. »Ich würde Winrich raten, sich einen 
andern Intimus anzuschaffen, da sein jetziger schon 
ziemlich abgegriffen ist.« 
Da mußte selbst der ernste Bruder lachen, der bisher dem 
Gespräch sowie dem Geplänkel schweigend gefolgt war. 
Jetzt nahm er das Schwesterlein bei den rosigen Öhrchen. 
»Mir scheint, Kleine, wir werden keck.« 
»Uwe gegenüber auch angebracht. Ich muß mich doch 
meiner Haut wehren. Hulda sagt, man soll sich nie zuviel 
gefallen lassen, dann machen die Menschen mit einem, 

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was sie wollen.« 
»Diese Hulda scheint eine bemerkenswerte Persönlichkeit 

zu sein«, bemerkte der Bruder lächelnd, und die Schwester 
nickte eifrig. 
»Ist sie auch. Alles, was sie sagt, hat Hand und Fuß.« 
»Aha, Barbes Spezial^usdruck.« 
»Apropos Barbe! Ich muß ihr gleich von meinen 
Freundinnen ausführlich erzählen.« 
Sie wippte ab, und Uwe sah forschend zu dem Freund 
hinüber, dessen Gesicht so hart und blaß war. Von der 
Nase bis zu den Mundwinkeln zogen sich tiefe Falten, die 
den Mann älter erscheinen ließen, als seine dreißig Jahre 
bedingten. 
Diese Falten hatte der Baron nicht gehabt, als er vor acht 

Monaten heiratete. Und zwar die Tochter eines reichen 
Mannes, die ihm zu dem Geld verhelfen sollte, das er für 
seinen großen Besitz brauchte, um den es nicht gut stand. 
Daran war der Vater schuld, der nach dem Tode seiner Frau 
ein flottes Leben begann, zu dem er natürlich sehr viel 
Geld brauchte. Ohne Gewissensbisse zog er es aus dem 
ihm gehörenden Besitz, den er damit in ernstliche Gefahr 
brachte. Zum Glück erlag er nach drei Jahren eines 
ausschweifenden Lebens einem Herzschlag, sonst hätte 
dieser einst so glänzend dastehende Feudalsitz bald 
versteigert werden müssen. Jetzt jedoch konnte der Sohn 
und Erbe ihn bei sparsamer Wirtschaftsführung noch 

halten. Und als er ein reiches Mädchen kennenlernte, das 
ihm nebenbei noch ganz gut gefiel, konnte man es ihm 
nicht verdenken, daß er es heiratete. In erster Linie wegen 
der Herrschaft Grünehöh, an der er mit zäher Liebe hing. 
Um die wieder hochzubringen, darin gipfelte sein Ehrgeiz. 
Aber ach, die Rechnung ging nicht auf. 
Denn gleich nach der Hochzeit stellte sich heraus, daß sein 
Schwiegervater ein betrügerischer Bankrotteur war, dessen 
Gerissenheit es gelang, die Tochter noch an den Mann zu 
bringen, bevor er ins Ausland floh. 
Aber schon bald darauf sollte die rächende Hand der 

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Nemesis ihn erreichen. Nach einem wüsten Gelage, torkelte 
der sinnlos Betrunkene in einen Abwässerkanal, wo er 

elendiglich ertrank. Ein schmählicher Tod – aber ein 
verdienter. 
Diese Nachricht erreichte das junge Paar auf der 
Hochzeitsreise^ die natürlich sofort abgebrochen wurde. 
Auf schnellstem Wege eilten sie zur Unglücksstätte, und in 
aller Stille wurde der Ertrunkene begraben. 
Und Baron von Swidbörn hatte eine Frau, die zwar keinen 
Heller besaß, dafür jedoch die höchsten Ansprüche stellte, 
wie sie es gewohnt war. Doch diesen konnte der Gatte 
nicht gerecht werden, weil ihm das Geld dazu fehlte. Es 
kam zu den widerlichsten Szenen, die den vornehmen 
Mann derart abstießen, daß er entschlossen war, nach 

achtwöchiger Ehe die Scheidung einzureichen. 
Allein das Schicksal wollte es anders – die Baronin 
verunglückte gerade an dem Tag, als der Gatte einen 
Anwalt aufsuchen wollte. Man hatte ihr allgemein 
prophezeit, daß sie sich kurz über lang bei der verrückten 
Autoraserei den Hals brechen würde. Nun, der sture 
Nacken blieb ganz. Dafür war jedoch das Rückgrat so 
schwer verletzt, daß es keine Hilfe gab. Sie war dazu 
verurteilt, langsam aber sicher dahinzusiechen. Zwar tat der 
Gatte seine Pflicht, indem er mehrere Kapazitäten 
konsultierte, doch alle bedauerten, daß da nichts mehr zu 
machen wäre. 

Natürlich benahm diese unbeherrschte, launenhafte Frau 
sich fortan wie eine Furie. Es gab auch nicht einen 
Menschen im Schloß, der Mitleid mit ihr hatte, obwohl sie 
alle nicht herzlos waren. Doch sobald sie sich bei der 
Kranken blicken ließen, wurden sie gehetzt und 
beschimpft. Die Pflegerinnen hielten es immer nur wenige 
Wochen bei ihr aus, bis dann eine kam, der die Furie nicht 
gewachsen war. Zwei Jahrzehnte Pflege hatten der 
Schwester zu einem sturen Gleichmut verholfen, der durch 
nichts zu erschüttern war. Sie hatte so etwas wie einen 
Tierbändigerblick, mit dem sie ihren unverschämten, oft 

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sogar gemeinen Pflegling in Schach hielt. 
Und dabei war Schwester Meta im Grunde genommen ein 

gutherziger Mensch und eine vorzügliche, gewissenhafte 
Pflegerin. Sie konnte ganz genau unterscheiden, ob die ihr 
anvertrauten Kranken vor Schmerzen unleidlich waren 
oder vor Boshaftigkeit, mit der sieche Menschen, bis auf 
wenige Ausnahmen, die Gesunden zu schikanieren pflegen. 
Aber da die Baronin von Natur aus boshaft war, trieb sie es 
jetzt besonders arg. 
Hauptsächlich dem Gatten und der jungen Schwägerin 
gegenüber, die sich zu einem täglichen Krankenbesuch 
einstellten. Schweigend ließen sie sich beschimpfen, 
verhöhnen und Oda sogar ohrfeigen, als sie einmal in die 
Nähe der Furie geriet. 

Doch das sollte der letzte Angriff gewesen sein. Denn bald 
darauf erstreckte sich die rasch vorwärtsschreitende 
Lähmung auf die Arme, dann auf das Gesicht, so daß die 
Kranke nur noch lallen und unartikulierte Schreie 
ausstoßen konnte, die kurz vor ihrem Tode so entsetzlich 
und gellend waren, daß die blutjunge Baronesse, die neben 
ihrem Bruder am Sterbebett stand, geschüttelt von Grauen 
in den Park lief, noch lange die furchtbaren Schreie im 
Ohr. Als sie dann wenig später die auf Halbmast gehißte 
Fahne bemerkte, packte sie eine so panische Angst, daß sie 
eine Weile gehetzt durch den sehr großen Park lief, bis sie 
an einem Ausblick die friedliche Landschaft unter sich 

liegen sah. Da hetzte sie weiter, irgendwohin, nur 
möglichst weit vom Schloß entfernt, in dem das Grauen 
wohnte. Und hätten sich da nicht warmherzige Menschen 
gefunden, die sich liebevoll ihrer annahmen, dann hätte 
sich das sensible junge Menschenkind nicht sobald von 
seinem Schock erholt, hätte am Ende gar einen Knacks 
gekriegt fürs ganze Leben. So jedoch war ihr im 
entscheidenden Augenblick Hilfe geworden, die man mit 
Segen bezeichnen konnte. 
Das alles schoß dem Tierarzt durch den Sinn, dem als guter 
Freund des Barons die Verhältnisse im Schloß genau 

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bekannt waren. 
Die beiden Männer waren schon als Kinder unzertrennlich 

gewesen. Denn der Vater Uwe Gunders hatte als Pfarrer im 
Dorf amtiert, dessen Pfarrei unter dem Patronat des Baron 
von Swidbörn stand. Da nun Gunder seinem Sohn in den 
ersten Schuljahren Unterricht erteilte, bat ihn der Freiherr, 
es auch bei seinem Sohn zu tun, da die Knaben gleichaltrig 
waren. 
Später kamen sie dann mit dem erforderlichen Wissen 
bestens ausgerüstet auf ein Gymnasium, wo sie das Abitur 
glänzend bestanden und danach studierten. Uwe wurde 
nicht Pfarrer, wie sein Vater es gern gesehen hätte, sondern 
Tierarzt, und Winrich absolvierte die landwirtschaftliche 
Hochschule. Dann kehrten die beiden Intimusse, die sich 

auch während der Studienzeit nie getrennt hatten, in die 
Heimat zurück, wo Winrich das Erbe seiner Väter 
verwaltete und Uwe nach der Approbation im Dorf die 
freiwerdende Tierarztpraxis übernahm. So blieben die 
Freunde nach wie vor unzertrennlich bis auf den heutigen 
Tag. 
»Siehst miserabel aus«, brummte Uwe in die Stille hinein. 
»Pack deine Koffer, reise ab und laß mal für eine Weile den 
lieben Gott einen guten Mann sein.« 
»Aber nur, wenn du mitkommst«, entgegnete der Baron 
gelassen, was den andern hochgehen ließ. 
»Ich, mitkommen? Ja, Menschenskind, wie denkst du dir 

das eigentlich? Ich kann doch unmöglich meine kranken 
Viecher so schnöde im Stich lassen.« 
»Siehst du. Ich kann nämlich auch unmöglich das alles hier 
im Stich lassen. Zumal noch im Frühjahr, wo für den 
Landwirt die stramme Arbeit beginnt. Du weißt ganz 
genau, wie scharf ich auf Posten sein muß.« 
»Da hast du auch wieder recht. Hm, ja, was ich noch sagen 
wollte – also Winrich, wenn du Geldschwierigkeiten hast, 
so will ich dir gern heraushelfen. Ich verdiene viel mehr, als 
ich bei meinem jetzt so bescheidenen Leben ausgeben 
kann. Außerdem waren meine Eltern nicht ganz mittellos, 

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da mein Muttchen ein stattliches Heiratsgut mit in die Ehe 
bekam. Als sie ihre lieben Augen schloß, konnte sie ihrem 

Einzigen nett was hinterlassen. Wenn du also Geld 
brauchen solltest, es trifft keinen Armen.« 
»Danke«, entgegnete der Freund einfach. »Ohne weiteres 
nehme ich deine Hilfe an, wenn es erforderlich sein sollte. 
Ich hoffe jedoch, daß ich auch ohne sie auskommen werde. 
Ich konnte in diesem Quartal glatt meinen Verpflichtungen 
gerecht werden, obgleich Olas Krankheit mir sehr teuer zu 
stehen kam.« 
»Sei froh, daß du sie los bist«, knurrte der sonst so 
warmherzige Uwe. »Oder geht dir ihr Tod etwa nahe?« 
»Ich würde heucheln, wollte ich diese Frage bejahen. Ich 
hätte mich jedoch lieber von einer gesunden Frau durch 

Scheidung getrennt. Dazu wäre ihr Tod wirklich nicht nötig 
gewesen.« 
»Den sie selbst verschuldet hat«, blieb der Freund 
ungerührt. »Soviel ich weiß, hast du sie oft genug vor der 
verrückten Autoraserei gewarnt.« 
»Daher brauche ich mir jetzt keinen Vorwurf zu machen. 
Ihr Schicksal hat sich erfüllt, dagegen ist der Mensch 
machtlos. Wer weiß, was es für uns noch alles in 
Bereitschaft hält.« 
»Ja, das kann man nie wissen. Aber ich meine, daß wir 
beide durch unsere miserablen Ehen schon manches 
abgebüßt haben, da dürfte das liebe Geschick uns nicht 

mehr ganz so ungnädig sein. Nun gehab dich wohl, die 
Pflicht ruft. Mach’s gut, mein alter Kampf- und 
Streitgenosse. Bleib sitzen, brauchst mir nicht das Geleit zu 
geben. Ich bin ja hier zu Hause.« 
Als er im Wagen Platz genommen hatte, kam Barbe durch 
die Anlagen, die das Schloß von dem riesigen 
Wirtschaftshof trennten. Ein zierliches Persönchen mit 
glattem Scheitel und freundlichem Gesicht. Eigentlich sah 
sie harmlos aus, aber es war nicht ratsam, die 
Harmlosigkeit durch ein Vergehen auf die Probe zu stellen. 
Der bekam ihr strenges Regiment, das sie im Schloß führte, 

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empfindlich zu spüren. Wer seine Pflicht tat, der hatte es 
gut. Wer sie vernachlässigte, hatte keine Nachsicht zu 

erwarten. 
Als sie den Tierarzt bemerkte, strahlte sie über das ganze 
Gesicht und ging eilig auf das Auto zu. Natürlich zählte sie 
ihn ganz zur Familie, der schon als Knabe im Schloß ein- 
und ausgegangen war. 
»Jetzt ist endlich alles überstanden, Barbe«, sagte er leise. 
»War’s in der letzten Zeit sehr arg?« 
»Es war immer arg«, verschwand das Lachen und machte 
einem verbissenen Ausdruck Platz. »Wie der Teufel den 
Herrn Baron und das Baroneßchen gepeinigt hat, das war 
nicht mehr menschenmöglich. Jetzt ist sie tot, und wir 
haben endlich Ruhe vor ihr. Sie werden doch oft nach 

meinem Herrn sehen, Herr Doktor?« 
»Ehrensache, Barbe. Wo steckt übrigens Oda?« 
»Sie ist nach unten gelaufen, wo man sich so liebreich ihrer 
annahm, als sich keiner um sie hier kümmern konnte. Mag 
das Kind da fröhlich sein; denn bei uns gibt es vorläufig 
noch nichts zu lachen. Und ich weiß nicht, ob es das hier 
überhaupt noch jemals geben wird.« 
»Dafür laß nur den lieben Gott und den Uwe sorgen«, sagte 
er zuversichtlich, nickte ihr herzlich zu und fuhr ab. Den 
breiten Kiesweg entlang, durch das breite, schmiedeeiserne 
Tor, durch die Allee auf die Asphaltchaussee. Dort bog er 
rechts ab, fuhr eine kurze Strecke geradeaus und nahm 

dann vorsichtig die Kurve, die wieder rechtsab auf eine 
gutgehaltene Kiesstraße führte. Ein großes Schild machte 
darauf aufmerksam, daß es ein Privatweg wäre, der nur von 
Anliegern benutzt werden durfte. Er führte zum Ausgang 
des Dorfes und man ersparte auf ihm mindestens vier 
Kilometer. 
Das Schloß war auf einem Plateau erbaut. Die Vorderfront 
lag zur ebenen Erde und war durch Anlagen von dem 
Gutshof getrennt, die Rückfront von einem herrlichen Park 
umschlossen. Wo er endete, begann sich der Boden 
allmählich zu senken bis hinab ins Tal. Der Abhang war 

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mit üppigem Grün bewachsen, durch das sich ein Pfad 
schlängelte. 

Es war ein prächtiger Bau, das Stammschloß der 
Reichsbarone von Swidbörn, fest gefügt, wie für die 
Ewigkeit erbaut. Der es tat, war der reichste Mann weit und 
breit gewesen. Konnte es sich daher leisten, das teuerste 
Material zu wählen und den berühmtesten Baumeister 
seiner Zeit zu beschäftigen, ebenso den besten Architekten. 
Die beiden Männer gaben ihr Bestes her, schufen innen wie 
außen Prunk und Glanz. Den Park legte der beste 
Gartenexperte an, also kein Wunder, daß hie wie da ein 
Meisterwerk entstand, das Jahrhunderte ehern überdauerte. 
Auch die Nachfahren waren reich gewesen, hatten gut 
gelebt, ohne dabei zu verschwenden. Damit hatten erst die 

beiden vorletzten Swidbörn begonnen, was der Enkel und 
Sohn jetzt büßen mußte. 
Selbst bei der Heirat, durch die er den gefährdeten Besitz zu 
sanieren gedachte. Statt dessen hatte er ihn immer mehr 
belasten müssen. Also hatte wieder einmal der Volksmund 
recht, der da sagt: Blinder, tu die Augen auf, Heirat ist kein 
Pferdekauf. 
Geschickt lenkte der Tierarzt seinen schmucken Wagen von 
dem Privatweg in die Dorfstraße und fuhr langsam an dem 
vom Herrn Gemeindevorsteher verächtlich bezeichneten 
Haus vorbei, das jetzt ein gepflegter Vorgarten von der 
Straße trennte. Gunder war in den vergangenen Wochen 

hier nicht vorbeigekommen. War, wenn er ins Schloß 
wollte, die andere Straße gefahren, weil er immer dort in 
der Nähe zu tun hatte. Nun staunte er nicht wenig, was aus 
dem düsteren, verwahrlosten Anwesen geworden war. Es 
sah direkt einladend aus. Schien dem Beschauer zu winken: 
Komm, tritt ein, bei mir wohnt der Frohsinn und das 
Lachen. 
Und das stimmte, es wurde hier viel und herzlich gelacht. 
Warum auch nicht? Sie hatten ja nichts auszustehen, die 
hier wohnten. Hatten ein schönes Zuhause, ¦ ein gutes 
Auskommen, waren gesund und harmonierten prächtig 

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miteinander. Aus der scheuen, verschlossenen Ortrun Danz 
war ein frischfröhliches Menschenkind geworden, das sich 

ein schöneres Leben gar nicht denken konnte. 
Daher traf es sie wie ein grausamer Schlag, als an einem 
Sonntagvormittag das Ehepaar Danz mit Tochter nebst 
Schwiegersohn erschien, um Ortrun abzuholen. Todblaß, 
mit schreckgeweiteten Augen stand das Mädchen da. Wich 
wie entsetzt vor dem Onkel zurück, der es mit väterlicher 
Umarmung begrüßen wollte. Das nahm Ajax übel, der das 
liebe Frauchen bedroht glaubte und knurrend sein 
gefährliches Gebiß zeigte. Hulda nahm ihn beim 
Halsband, zog ihn in die Küche, und Ortrun lief einfach 
davon. 
»Ja, was hat sie denn?« fragte Danz ärgerlich. »Warum läuft 

sie denn vor uns davon? Das ist doch keine Art für einen 
wohlerzogenen Menschen.« 
»Kommen Sie bitte erst einmal weiter«, sagte Frauke, 
welcher der Auftritt peinlich war. »Dann werde ich Ihnen 
das sonderbare Benehmen Ortruns erklären.« 
Sie führte die Gäste in den Salon, wo man in den 
brokatüberzogenen Sesseln Platz nahm, steif und reserviert, 
bis auf den Arzt. Eine mittelgroße, stämmige Erscheinung, 
mit einem offenen, gutmütigen Gesicht. Als Frauke fragte, 
ob sie eine Erfrischung anbieten dürfte, sagte er frei heraus: 
»Einen Schnaps, gnädiges Fräulein, den ich als Fahrer nicht 
trinken durfte bei dem kleinen Imbiß, den wir unterwegs 

einnahmen. So bin ich denn satt aber durstig.« 
»Den Durst können Sie gleich stillen, Herr Doktor«, 
entfernte sie sich, und Frau Danz sagte ärgerlich: 
»Wenn ich gewußt hätte, daß Ortrun uns so empfangen 
würde, wäre ich gar nicht mitgekommen.« 
»Ich auch nicht«, bekräftigte die Tochter, ein hübsches, 
etwas molliges Persönchen. »Am liebsten möchte ich gleich 
wieder aufbrechen.« 
»Na, nun mal langsam«, sagte der Gatte pomadig. »Warten 
wir erst mal ab, bis die charmante junge Dame uns die 
Ungezogenheit des kleinen Mädchens erklärt hat.« 

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Was Frauke denn auch tat, nachdem sie die Gäste mit einer 
Erfrischung versorgt hatte. Sie gab sich gewissermaßen 

einen Ruck und sprach dann freiweg: 
»Ich kann mir denken, wie befremdet Sie über Ortruns 
Betragen sind. Aber als sie hörte, daß sie mit Ihnen 
kommen sollte, ließ das sie kopfscheu werden.« 
»Ja, warum denn in aller Welt«, entgegnete der Notar 
ungehalten. »Es war doch ausgemacht, daß Ortrun nur so 
lange hier bleiben sollte, bis die Gefahr mit dem Zerkel 
vorüber war. Und die ist jetzt vorüber. Er hat sich vor ein 
paar Tagen verlobt, nachdem er von Ortrun nichts zu 
erwarten hatte. Das habe ich ihm ausdrücklich 
klargemacht, als er bei mir erschien, um bei mir um das 
Mädchen anzuhalten. Ich habe ihn ganz nett abgeblitzt. 

Weiß Ortrun übrigens, warum ich sie Ihnen damals 
mitgab, Fräulein Frauke?« 
»Ja, Herr Doktor, ich habe es ihr kürzlich erzählt.« 
»Und was sagte sie darauf?« 
»Daß sie dem Zerkel dankbar wäre. Denn ohne ihn wäre 
sie nicht hierher gekommen, wo sie sich glücklich fühlt. 
Darum war sie so verstört, als Sie plötzlich erschienen, um 
sie abzuholen.« 
»Ach so ist das«, brummte der Notar besänftigt. »Und was 
machen wir nun?« 
»Sie hierlassen«, bemerkte der Schwiegersohn trocken. 
»Damit ersparst du dir Ärger und Verdruß.« 

»Wie soll ich das verstehen?« 
»Ganz einfach, Papa. Wenn du die Kleine zwingen würdest, 
in dein Haus zurückzukehren, würde sie dir wohl folgen, 
aber sehnsüchtig auf den Tag warten, wo sie mündig wird. 
In gleicher Stunde liefe sie dir dann davon an den Ort ihrer 
Sehnsucht. Habe ich recht, gnädiges Fräulein?« 
»Und wie, Herr Doktor.« 
»Na also. Ich kann das kleine Mädchen verstehen, daß es 
sich hier so wohl fühlt, ich täte es auch.« 
Da mußte man lachen, prostete sich zu, und schon wurde 
es gemütlich. Frau Danz und ihre Tochter, die viel auf 

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Äußerlichkeiten gaben, ließen immer wieder ihre Blicke 
verstohlen umherschweifen. Durch den Salon mit den 

kostbaren Möbeln und dem Stutzflügel in Weiß und Gold, 
durch die weit geöffnete Flügeltür, die einen Teil des 
Speisezimmers freigab, während man durch die 
gegenüberliegende Tür in die Bibliothek schauen konnte. 
Doch während die beiden Damen das alles schweigend in 
sich aufnahmen, sprach der Notar das aus, was sie dachten: 
»Ich muß schon sagen, Fräulein Frauke, daß ich mir Ihr 
geerbtes Haus denn doch anders vorstellte. Das ist ja wie 
ein Schmuckkästchen.« 
»Jetzt, Herr Doktor. Aber als wir herkamen…« 
Und sie erzählte, wie sie alles vorgefunden hatten. Wie sie 
sich keine Mühe verdrießen ließen, aus dem »Schandfleck« 

das schmuckste Anwesen des Dorfes zu machen. Immer 
wieder hob sie Michel lobend hervor, ohne den alles wohl 
nicht so gut gegangen wäre. Sie sprach auch über den 
Professor, seinen Diener, und höchst interessiert hörten die 
andern zu. Dann fragte der Notar: 
»Und bei alledem hat Ortrun mitgeholfen?« 
»O ja. Man kann schon sagen, daß sie mit Leib und Seele 
dabei war. Daher hängt sie ja auch an allem hier so sehr, 
’fühlt sich hier glücklich und geborgen. Wenn sie fort 
müßte, ich glaube, ihr würde vor Jammer das Herz 
brechen.« 
»Das will ich ja nun nicht«, zog der Notar unbehaglich die 

Schultern hoch. »Also mag sie weiter hier bleiben. Wer 
weiß, wozu das gut ist.« 
Frauke erschien in der Küche, wo Ortrun saß und ihr aus 
dickverweinten Augen entgegensah. Hulda hantierte am 
Herd, und die Töpfe bekamen ihren Grimm zu spüren. 
Jetzt ließ sie davon ab, legte die Hände in die Hüften und 
legte los: 
»Das sage ich dir, Frauke. Wenn du zuläßt, daß sie unser 
Kind mit sich schleifen, dann sind wir geschiedene Leute.« 
»Ist dir nun wohler?« 
»Schäm dich mal, über etwas zu lachen, worüber sich 

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andere die Augen aus dem Kopf weinen. Das Kind bleibt 
hier!« 

»Aber ja doch, Huldchen, da brauchst du doch nicht so zu 
schreien. Ortrun bleibt hier, und zwar mit Genehmigung 
ihres Vormunds.« 
»Ist das auch wirklich wahr?« 
»Wahr und wahrhaftig. Dr. Danz hat nämlich eingesehen, 
daß Ortrun hier schon mit allem viel zu fest verwachsen ist, 
als daß man sie losreißen könnte. Das würde nur 
Herzwunden geben und zu nichts weiter als zu 
gegenseitiger Erbitterung führen.« 
»Dann ist ja alles in Ordnung«, wandte Hulda sich wieder 
ihren Töpfen zu, in denen es brodelte und brutzelte. 
»Kannst deine Gäste zum Mittag einladen, es ist genug von 

allem da.« 
»Kann ich auch beruhigt sein, daß du nicht Arsenik in die 
Speisen mischst?« fragte Frauke lachend. 
»Jetzt nicht mehr, jetzt ist die Gefahr vorüber.« Sprach’s 
und hantierte hurtig weiter, während Frauke sich Ortrun 
zuwandte und weich über das wunderschöne Haar strich, 
das wie Bernstein gleißte und naturgewellt zwanglos über 
den Nacken fiel. Eine Zierde, die fast einmalig war. 
»Du Dummes«, sagte Frauke zärtlich. »Wie kann man nur 
so das Köpfchen verlieren. Komm mit und entschuldige 
dich bei den Verwandten wegen deiner Ungezogenheit. 
Denn ungezogen war es, einfach davonzulaufen.« 

»Darf ich auch wirklich hierbleiben, liebe Frauke?« 
»Du darfst, mein Herzchen.« 
»So will ich mich gern entschuldigen.« 
Wenig später stand sie dann vor dem Vormund und sagte 
verlegen: 
»Verzeihung, Onkel Rudolf, daß ich so ungezogen war.« 
»Schon gut«, winkte er kurz ab. »Ich weiß ja jetzt, warum es 
geschah. Wenn du durchaus willst, dann bleib hier.« 
»Danke!« strahlte es jetzt in den verweinten Augen auf, wie 
Sonnenschein durch eine Nebelschicht. »Jetzt bin ich 
wieder froh. Darf ich auch ein Glas Wein haben, Frauke, 

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damit ich meine Verwandten in unserm lieben Haus 
willkommenheißen kann?« 

»Da sehen Sie, meine Herrschaften, daß unser Kind, wie 
Hulda es nennt, auch höflich sein kann«, lachte Frauke. 
»Komm her, mein Schatz, proste mit mir zusammen auf 
unsere lieben Gäste.« 
Die Gläser gaben guten Klang, und der Friede ward 
geschlossen. Nun konnte der Arzt auch auf das zu sprechen 
kommen, was ihm am Herzen lag. 
»Sagen Sie mal, gnädiges Fräulein, ist Ihnen hier im Dorf 
ein Tierarzt Dr. Gunder bekannt?« 
»Direkt bekannt nicht«, gab Frauke Antwort. »Ich bin ihm 
einmal auf der Dorfstraße begegnet und die Frau unseres 
Faktotums, die sich in meiner Begleitung befand, hat so 

allerlei von dem Herrn erzählt. Aber offengestanden ging es 
in ein Ohr ’rein durchs andere ’raus. 
Tatsache jedoch ist, daß er im Dorf eine gutgehende Praxis 
hat.« 
»Danke, gnädiges Fräulein, diese Antwort allein ist schon 
wertvoll für mich. Gunder ist nämlich mein Vetter zweiten 
Grades, mit dem ich öfter einmal zusammenkam, als 
unsere beiderseitigen Eltern noch lebten. Dann jedoch 
haben wir jahrelang nichts mehr voneinander gehört. Er 
sprach schon immer davon, in seinem Heimatdorf, an dem 
er sehr hängt, eine Praxis zu gründen, was er dann auch 
wahrmachte. Übrigens muß sein bester Freund, ein Baron 

von Swidböm, in Ihrer Nähe wohnen, gnädiges Fräulein.« 
»Das ist mein Bruder«, kam es von der Tür her, wo Oda 
stand, entzückend anzuschauen in dem lichtblauen 
Kleidchen und den langen blonden Zöpfen. Die blauen 
Augen hingen überrascht an den Gästen des Hauses. 
»Ich hatte keine Ahnung, daß ihr Besuch habt«, sagte sie 
zögernd. »Da möchte ich nicht stören.« 
»Seit wann bist du denn so ängstlich«, neckte Frauke. »Tritt 
nur tapfer näher und laß dich bekannt machen mit Ortruns 
Verwandten.« 
Nachdem es geschehen war, nahm Oda in der Runde Platz 

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und sagte artig zu dem Arzt: 
»Verzeihung, Herr Doktor, darf ich wissen, warum Sie 

vorhin meinen Bruder erwähnten?« 
»Gewiß, Baronesse. Es geschah im Zusammenhang mit 
dem Tierarzt Dr. Gunder.« 
»Mit Uwe?« riß sie nun überrascht ihre ohnehin schon 
großen Augen auf. »Kennen Sie ihn denn?« 
»Er ist ein Vetter von mir, den ich gern sprechen möchte.« 
»Das kann ich vermitteln«, wurde die Kleine nun eifrig. »Er 
befindet sich gerade bei uns. Soll ich ihm telefonisch 
Bescheid sagen, Herr Doktor?« 
»Das wäre lieb, Baronesse. Mag er einen Ort bestimmen, 
wo wir uns treffen können.« 
»Aber nicht vor dem Essen«, schaltete Frauke sich ein und 

ließ den Protest der Gäste nicht gelten. 
»Aber meine Herrschaften, wer soll das alles wohl essen, 
was Hulda mit Eifer vorbereitet?« 
»Wenn es so ist, dann ja«, schmunzelte der Arzt. »Dann 
werden Sie mich aber vor zwei Uhr nicht los, gnädiges 
Fräulein. Ich bin es nämlich gewohnt, nach dem Essen in 
Beschaulichkeit meinen Mokka zu trinken.« 
»Sollen Sie auch hier haben. Was soll die Baronesse nun 
Dr: Gunder bestellen?« 
»Daß ich ihn um zwei Uhr in einem Lokal, das er 
bestimmt, sprechen möchte.« . 
Und dann wurden sie Ohrenzeuge eines Gesprächs, das sie 

durchweg schmunzeln ließ. In der Diele telefonierte Oda 
und zwar so lebhaft, daß man im Salon jedes Wort 
verstand. 
»Ach, du bist es, Niklas. Beordere möglichst schnell Dr. 
Gunder an den Apparat.« 
Einige Minuten Stille und dann ein entrüstetes Stimmchen: 
»Du, werde hier gefälligst nicht frech! 
Es gibt Wichtigeres, als dir eine Liebeserklärung zu machen. 
Lach nicht, hör lieber gut zu! Dr. Folbe, ist dir das ein 
Begriff, ja? Das ist gut; da brauche ich nicht erst lange 
Vorreden zu halten. Der Herr Doktor ist hier und möchte 

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dich sprechen. Wo er ist? Bei Frauke natürlich, wo denn 
sonst? Gib einen Ort an, wo ihr euch treffen könnt. Aber 

doch nicht mit Frauke, mit Herrn Dr. Folbe. Die ›Grüne 
Gans‹, ja, die ist anständig, da kannst du mit ihm 
hingehen. Also Uwe, wenn du jetzt noch immer so albern 
lachst, dann… Ach, ich weiß auch nicht. Aber nicht vor 
zwei Uhr, hörst du? Herr Dr. Folbe muß erst noch 
mittagessen. Jawohl, hier. Weil Frauke die ›Grüne Gans‹… 
Du, jetzt wird es mir aber zu bunt, jetzt mach ich Schluß!« 
Damit legte sie den Hörer unsanft ab und ging in den 
Salon zurück, wo man sich vor Lachen schüttelte. 
»Ja, was ist denn hier los?« fragte Baroneßchen 
kopfschüttelnd. »Was gibt’s denn hier so unbändig zu 
lachen?« 

»Über dein Telefongespräch«, wischte Frauke sich die 
Augen. »Nett von dir, mich als grüne Gans zu bezeichnen.« 
»Dich? Na hör mal, Frauke…« 
»Ist ja schon gut, mein Firlefänzchen. Hoffentlich ist Herr 
Dr. Gunder aus deiner Bestellung klug geworden.« 
»Nun, ich habe mich doch wohl klar genug ausgedrückt. 
Horch mal, Ortrun, ich glaube, Hulda morst.« 
Sie lauschten dem Klopfzeichen, das sich dreimal 
wiederholte, worauf Ortrun ins Speisezimmer eilte, wo sie 
in einem andern Rhythmus an die Durchreiche pochte, 
während Oda die Flügeltür schloß. 
»Ja, ja, die Mädchen sind von Hulda gut gedrillt«, lachte 

Frauke. »Was sie da morste, bedeutet: Tischdecken – und 
was Ortrun zurückmorste: Verstanden.« 
»Dabei macht die Baronesse immer mit?« fragte Frau Danz 
ungläubig. 
»Gern sogar. Sie weilt oft bei uns, weil sie hier alles findet, 
was so ein junges Menschenkind braucht: Frohsinn und 
Lachen. Denn oben im Schloß…« 
Sie schilderte die Verhältnisse dort und auch, wie Oda ins 
grüne Haus kam. 
»Dann hat Baron Swidbörn in seiner Ehe genauso ein 
Fiasko erlitten wie sein Intimus Uwe Gunder«, sagte der 

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Arzt. »Nur daß letzterer wahrscheinlich nicht lange fackelte, 
sondern seinen ›Reinfall‹ zum roten Kuckuck jagte, 

während ersterer ihn am Hals behalten mußte, bis der Tod 
Einsehen mit ihm hatte. Klingt für Damenohren herzlos, 
nicht wahr? Aber Papa und ich, die mit solchen Kanaillen 
zu tun haben, wissen ein Liedchen von ihnen zu singen.« 
»Kann man wohl sagen«, bestätigte der Notar. »Es gongt, 
Fräulein Frauke. Wollen Sie uns nun wirklich…?« 
»Um nein zu sagen, dafür ist es zu spät«, ließ sie ihre 
Grübchen spielen. »Ich versichere Ihnen, daß wir alle satt 
werden.« 
Und wie satt sie wurden, denn das Mahl war gut und 
reichlich. Den Mokka trank man in der Bibliothek, die von 
dem Kaminfeuer wohlig durchwärmt wurde. Auf dem Sims 

tickte klingend eine alte Uhr. Darüber hing ein Porträt in 
schwerem Goldrahmen, das sofort die Blicke auf sich zog. 
»Das ist Professor Gortz«, erklärte Frauke leise. »Mein 
Wohltäter. Diese Bezeichnung verdient er zu Recht. Denn 
alles, was ich jetzt bin und habe, geschah durch ihn. Wir 
fanden dieses wundervolle Bild in einer Kammer, verstaubt 
und verschmutzt. Es hat Mühe gemacht, es aufzufrischen. 
Aber seinem Bild einen Ehrenplatz zu geben, sowie sein 
und seines treuen Dieners Grab zu pflegen, ist ja leider 
alles, was ich tun kann. Außerdem noch Grabmäler setzen 
lassen. 
Übrigens fällt mir jetzt wieder ein, worum ich Sie befragen 

wollte, Herr Dr. Danz. Doch zuerst bitte ich, es sich 
bequem zu machen.« 
Das tat man in den tiefen, weichen Sesseln am Kamin. Und 
während die beiden Mädchen die Mokkatäßchen füllten, 
trat Frauke an den wuchtigen Schreibtisch, der dieselbe 
Schnitzerei aufwies wie der große Schrank. Zwei Wände 
deckten hohe Regale, die mit Büchern aller Art vollgestopft 
waren. Der helle Teppich, die duftigen Gardinen und einige 
bunte Bilder sorgten dafür, daß dieses Gemach mit den 
dunklen Möbeln nicht zu düster wirkte. 
Das Schreiben, das Frauke der Schreibtischschublade 

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entnahm, reichte sie dem Notar. 
»Wollen Sie bitte das da mal lesen, Herr Doktor.« 

Als er es getan hatte, sagte er sachlich: 
»Den Brief überlassen Sie am besten zur Beantwortung mir, 
Fräulein Frauke. Denn was dieses Fräulein Jadwiga von 
Schlösser von Ihnen so höflich erbittet, ist wohl 
menschlich verständlich, jedoch gesetzlich unzulässig. Als 
sie der Gattin des Professors fünftausend Mark lieh, die sie 
nie zurückbekam, ging den Herrn das nichts mehr an, da er 
bereits geschieden war. Daß sie das Geld, welches er ihr 
schroff abschlug, nun von seiner Erbin haben möchte, 
zeugt entweder von Naivität oder Unverfrorenheit. Nun, 
ich werde diese peinliche Angelegenheit für Sie schon in 
Ordnung bringen, Fräulein Frauke.« 

»Danke, Herr Doktor, da fällt mir wirklich ein Stein vom 
Herzen.« 
Das Schrillen des Fernsprechers ließ sie innehalten. Hulda, 
die sich gerade in der Diele befand, nahm das Gespräch 
entgegen und erschien gleich darauf in der Bibliothek. 
»Herr Dr. Gunder läßt Herrn Dr. Folbe sagen, daß er in der 
›Grünen Gans‹ auf ihn wartet. Er möchte viel Zeit und viel 
Durst mitbringen.« 
»Danke, Fräulein Hulda«, nickte der Arzt ihr zu und erhob 
sich von seinem behaglichen Sitz, »Bitte mich zu 
entschuldigen, ich bin bald wieder da.« 
»Hoffentlich«, entgegnete der Schwiegervater skeptisch. »Tu 

es ja nicht, was der, Viehdoktor von dir verlangte. Denn du 
hast keine Zeit, und Durst darfst du nicht haben. Wir 
wollen nämlich, wie vereinbart, heute nach Hause fahren.« 
»Worauf du dich verlassen kannst, verehrter 
Schwiegerpapa. Also denn auf bald!« 
Dr. Folbe schien ein Mann von Wort zu sein. Denn zwei 
Stunden später kam er zurück und fand noch Anschluß am 
gemütlichen Kaffeeplausch. Dankend nahm er die Tasse 
aus Fraukes Hand und sagte vergnügt: 
»Ein Segen, daß es für den Autolenker wenigstens etwas 
Trinkbares gibt, das ihm schmeckt. Zwar meinte Uwe, daß 

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ein Kognak nicht schaden könnte, aber ich habe ihn mir 
lieber verkniffen.« 

»Wie war die Begegnung mit deinem Vetter?« erkundigte 
sich der Schwiegervater. »Hat sie dich enttäuscht, was ja oft 
der Fall ist, wenn man sich nach Jahren wiedersieht, in 
denen der Mensch sich zu verändern pflegt?« 
»Uwe aber nicht. Er ist der liebe, nette Kerl geblieben. Wie 
eine Frau einem so herzensguten Mann davonlaufen kann, 
ist einfach ein Rätsel.« 
»Hat ihn das sehr verbittert und womöglich zum 
Frauenverächter gemacht?« 
»Zwei Fragen in einem Satz, Papachen. Unrentabel für 
einen Anwalt, der ’ sich jeden Satz einzeln bezahlen läßt.« 
»Sei bloß still, du Schlingel. Die Herren Ärzte sind nämlich 

auch nicht so ohne.« 
»Na schön, streiten wir uns nicht«, meinte er friedfertig. 
»Komme ich zur Beantwortung deiner ersten Frage: Nein, 
Uwe ist gar nicht verbittert. Er betrachtet diese Ehe als 
Episode, die nicht bis ans Herz reichte. Zum 
Frauenverächter ist er auch nicht geworden. Er erklärte in 
seiner vergnügten Art: Wenn ein paar Äppel faul sind, 
braucht es nicht gleich der ganze Äppelkahn zu sein.« 
»Bravo«, schmunzelte Danz. »So ist er nicht abgeneigt, eine 
zweite Ehe einzugehen?« 
»Nein. Er wird jedoch, wie er sagte, bei der zweiten Wahl 
nicht blind verliebt die Augen zukneifen, sondern sie weit 

aufreißen. Wird das Trommelfell nicht verkleben, sondern 
wachsam die Ohren spitzen.« 
»Scheint ein prachtvoller Mensch zu sein«, meinte Frau 
Danz. »Schade, daß ich ihn nicht auch kennengelernt 
habe.« 
»Das wirst du schon noch, Muttchen. Wir haben nämlich 
vereinbart, uns nicht wieder aus den Augen zu verlieren. Er 
mußte mir versprechen, jedesmal bei uns einzukehren, 
wenn er in der Stadt zu tun hat, was gar nicht mal selten 
der Fall ist. Er hat zur Zeit keine eigene Wohnung. Hat 
nach der Scheidung sein Haus in Bausch und Bogen 

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verkauft und nur die Sachen behalten, die ihm von seinem 
Elternhause’ lieb und wert sind. Den andern Kram, wie er 

sich ausdrückte, mochte er nicht mehr sehen, weil er ihn an 
seine ›Selige‹ erinnerte. Jetzt wohnt er in dem kleinen Haus 
einer Witwe, wo er zwei Zimmer mit den ihm lieben 
Sachen möbliert hat. Seine Praxis befindet sich auf dem 
Marktplatz, also im Zentrum des Dorfes.« 
»Geht die Praxis gut?« 
»Ja, Papa, sehr gut sogar, Uwe hat so viel zu tun, daß es 
ihm leid tat, als der Tierarzt, der sich im Dorf als zweiter 
niederließ, schon nach wenigen Monaten seine Praxis 
aufgab, weil er so gut wie nichts zu tun hatte. Die Leute aus 
dem Dorf und des weitverzweigten Kreises wollten keinen 
für ihre erkrankten Tiere haben als ›Pfarrsch Jung‹ wie er 

allgemein genannt wird. Die Alten haben ihn aufwachsen 
sehen, die Gleichaltrigen sind mit ihm großgeworden, und 
die Jüngeren hören sein Loblied singen. Die 
Landbevölkerung ist eben konservativer als die 
Stadtbevölkerung. Diese lieben die Abwechslung, die 
andern hängen am Althergebrachten. 
Und nun, meine Lieben, so gemütlich es hier auch ist, wir 
müssen dennoch aufbrechen, damit wir nicht zu spät nach 
Hause kommen. Außerdem wird die Dame des Hauses froh 
sein, die Invasion loszuwerden.« 
»Meinen Sie?« ließ Frauke ihre Grübchen sehen, die der 
Arzt reizend fand. Überhaupt die ganze charmante 

Persönlichkeit. Da wird ihr schmuckes Heim nicht lange 
unbemannt bleiben. Denn die Herren der Schöpfung 
haben ja Augen im Kopf und ein Herz unter der Weste. Mit 
herzlichem Dank schieden die Gäste, und die 
Zurückbleibenden winkten dem abfahrenden Auto nach. 
»Schade, daß sie fort sind«, seufzte Oda. »Ich habe mich in 
den Arzt verliebt.« 
»Mädchen, du bist wohl nicht recht gescheit!« war Frauke 
denn doch verblüfft über das freimütige Geständnis. »Der 
Mann ist verheiratet, und du trägst noch die Eierschalen 
hinter den Öhrchen.« 

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»Na wennschon«, winkte die Kleine nonchalant ab und 
zitierte pathetisch: »Ist denn Liebe ein Verbrechen, darf 

man denn nicht zärtlich sein? Wenn ich nur wüßte, was 
Liebe ist.« 
»O du Kindskopf!« lachte Frauke hell heraus. »Pas weiß ich 
ja noch nicht einmal, obwohl ich sieben Jahre älter bin als 
du.« 
Und damit sprach sie die Wahrheit. Noch war ihr Herz 
unberührt geblieben von der vielgepriesenen Liebe. Von 
dem Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Aber locker 
saß Amors Pfeil. Verschmitzt lachte der listige Bursche in 
sich hinein. 
Warte nur, balde…. 
Am Sonntag darauf erschien Baron von Swidbörn in 

Begleitung Odas im grünen Haus, um sich für die herzliche 
Gastfreundschaft zu bedanken, die man seiner Schwester 
angedeihen ließ. Er wirkte direkt einschüchternd, als er so 
dastand, sehr ernst, sehr vornehm. Man hatte den 
Eindruck, als ob der hartgeschnittene, herrische Mund sich 
zu keinem freundlichen Lächeln verziehen könnte, 
höchstens zu einem verächtlichen, sarkastischen, als ob die 
sehr hellen blauen Augen nie lachend aufblitzen könnten. 
Ein blendend aussehender Mann, aber einer, dem man 
gern aus dem Wege ging. Nur Oda tat das nicht. Sie zog 
den distinguierten Herrn von der Schwelle fort in das 
Zimmer hinein und sagte lachend: 

»Mir scheint fast so, als ob du Angst hättest, Win.« 
»Wahrscheinlich, du Frechdachs«, schwang die Stimme 
jetzt wie eine dunkeltönende Glocke, die aber auch anders 
klingen konnte, hart wie klirrendes Metall. Wen die traf, 
dem war bestimmt nicht wohl in seiner Haut. 
»Das ist mein Bruder Winrich«, sagte Oda stolz. »Und das 
sind Frauke und Ortrun.« 
»Darfst du die jungen Damen denn so vorstellen?« fragte er 
mahnend, und da lief das Gesichtchen rot an. 
»Verzeihung. Also, dann so: Baron von Swidbörn – 
Fräulein Gortz – Fräulein Danz. Und das ist Ajax, der 

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Schäferhund. Gibst du dem Herrchen eine Gutentagpfote? 
Tatsächlich, er gibt. Darauf kannst du dir etwas einbilden, 

Winrich.« 
»Bist du nun endlich fertig, du kleine Plaudertasche? Ja? So 
kann ich denn endlich die Damen begrüßen. Gnädiges 
Fräulein, wie ist es nur möglich, daß Sie diese kleine 
Plappermühle so viel um sich haben können. Fällt sie 
Ihnen denn nicht auf die Nerven?« 
»Keineswegs, Herr Baron«, entgegnete Frauke lachend. 
»Unsere Mühlen sind auch ganz nett in Betrieb. Wollen Sie 
nicht Platz nehmen?« 
»Wenn ich darf, gern.« 
Odas Zünglein war heute ganz besonders flink. Es regte 
sich hurtig, plapperte und schwatzte, und als der Bruder 

endlich zu Wort kommen konnte, bedankte er sich für die 
herzliche Aufnahme, die seine Schwester in diesem Hause 
fand. Sprach jedoch auch die Befürchtung aus, daß ihre 
täglichen Besuche auf die Dauer lästig fallen könnten. 
»Das wird nie geschehen, Herr Baron«, beruhigte Frauke 
ihn. »Wir mögen Oda gern, betrachten sie als zu  uns 
gehörig.« 
»Na also«, triumphierte die Kleine. 
»Das habe ich dir doch immer wieder gesagt, aber du willst 
nie auf mich hören. Und dabei bin ich für meine Jahre viel 
zu verständig, sagt Barbe. Findest du das nicht auch, 
Frauke?« 

»Aber natürlich. Denn alles, was Barbe sagt, hat Hand und 
Fuß«, entgegnete sie ernsthaft, während ihre Augen lachten 
und die Grübchen schelmten. Überhaupt ihre ganze Art 
hatte etwas ungemein Gewinnendes, Herzliches, was den 
Besucher sofort für sie einnahm. Jetzt konnte er auch 
verstehen, daß seine Schwester an ihr hing. Daß es sie 
hinzog aus der prunkhaften Kälte des Schlosses in die 
Traulichkeit dieses Hauses, das eine Seele hatte, wie man so 
sagt. Und diese Seele konnten ihm nur die Bewohner 
geben. 
Aus diesem Gedankengang heraus sagte der Mann mit 

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leichtem Lächeln: 
»Es ist kaum zu fassen, was Sie aus diesem Gespensterhaus, 

wie unsere Barbe es bezeichnete, gemacht haben, gnädiges 
Fräulein. Jedesmal, wenn ich hier vorüberkam, um ins Dorf 
zu gelangen, empfand ich ein Gruseln, zumal die 
Bewohner in mysteriöser Abgeschiedenheit lebten. Das 
heißt, als der Professor das Anwesen erwarb, machte es 
nicht den düsteren Eindruck. Da brachten zwei 
lebenslustige Menschen, Mutter und Tochter, Lachen und 
Frohsinn hinein. Als das entschwand, nahm es mit sich das 
Herz des Mannes.« 
»Bitte nicht«, schwankte ein Stimmchen dazwischen. 
»Sonst muß ich weinen. Und das tu ich doch so ungern.« 
»Das tut wohl keiner gern, du Schäfchen«, streichelte er 

leicht über das gesenkte Blondköpfchen. »Gehen wir, ich 
habe meinen Besuch schon über Gebühr ausgedehnt. 
Nochmals Dank, gnädiges Fräulein, daß Sie sich so lieb 
Odas annehmen. Ich kann Sie leider nicht um Ihren 
Besuch bitten, da mein Haus ohne Repräsentantin ist. 
Daher kann ich mich für die Gastfreundschaft, die Sie 
meiner Schwester so großherzig gewähren, nicht 
revanchieren.« 
»Das ist auch nicht erforderlich, Herr Baron. Es muß ja 
nicht immer alles gleich auf ›Abgeben‹ gedacht sein. Ich 
betone nochmals, daß Oda uns lieb ist, nicht wahr, mein 
Mädchen?« 

»Und wie, Frauke! Wir lieben uns alle hier auf 
Gegenseitigkeit.« 
Zufrieden, daß die beiden Mädchen über sie lachten und 
sogar der Bruder leicht schmunzelte, ging sie mit ihm 
davon. Bald darauf wurden sie auf dem Wiesenpfad 
sichtbar, der in allmählicher Steigung zum Schloß 
emporführte. Von der Terrasse aus sahen Frauke und 
Ortrun, zu denen sich auch Hulda gesellt hatte, den 
Geschwistern nach, die Hand in Hand gingen, wie zwei 
Menschen, die sich hilfesuchend aneinanderklammern. 
Hulda wischte sich die Augen und brummte: 

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»So ein armer Kerl. Bis in die tiefste Seele hinein kann er 
einen erbarmen. Der hat zuviel mitmachen müssen mit 

dem elendiglichen Weib. Ein Jammer, daß es gerade immer 
die besten Männer sind, die an so was geraten.« 
»Wie weißt du denn, daß er einer von den besten ist?« 
fragte Frauke. »Du hast ihn heute doch zum ersten Mal und 
dabei nur flüchtig gesehen. Das genügt nun wahrlich nicht, 
die Wesensart eines Menschen zu erkennen.« 
»Brauch ich gar nicht, ich verlaß mich da auf meinen 
Instinkt. Und der sagt mir, daß der Baron ein guter, 
vornehmer Mensch ist.« 
Das letzte kam schon von der Tür her, durch die Hulda 
eiligst entschwand, damit nicht der Sonntagsbraten 
anbrannte, der gar lieblich in der Pfanne brutzelte. Frauke 

deckte den Tisch, und Ortrun hielt immer noch den Blick 
auf den Pfad gerichtet, bis die Geschwister im Park 
verschwunden waren. Doch immer noch sah Ortrun vor 
sich das stolze, von Trauer überschattete Männerantlitz, 
hörte immer noch die dunkeltönende Stimme. Also ein 
Zeichen, daß der Mann sie fasziniert, einen 
unauslöschlichen Eindruck hinterlassen hatte. 
Was gewiß kein Wunder war. Denn Männer seiner Art 
faszinierten selbst die anspruchsvollsten Frauen, 
geschweige denn ein zwanzigjähriges Mädchen, das in der 
Abgeschiedenheit eines Töchterheims herangewachsen war. 
Wo es außer dem alten Gärtner und dem gleichfalls nicht 

mehr jungen Faktotum keinen Mann gab. 
Wohl hatte das Heim ein eigenes Kino, wo die Filme eigens 
für die behüteten Mädchen zurechtgeschnitten wurden. Zu 
der Tanzstunde der Siebzehnjährigen und den 
anschließenden Tanzabenden wurden nur gleichaltrige 
Jünglinge geladen. Somit hatte ein Mädchen wie Ortrun 
Danz, das bereits mit vierzehn Jahren ins Internat 
gekommen war, keine Gelegenheit gehabt, einen so 
außergewöhnlichen Mann wie Baron Swidbörn 
kennenzulernen. 
Jedenfalls bot das Heim ein sicheres Unterkommen für 

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heranwachsende Mädchen, die entweder elternlos waren 
oder deren Eltern sich um ihre Töchter nicht kümmern 

konnten, ihnen aber eine tadellose Erziehung angedeihen 
lassen wollten. Denn tadellos erzogen wurden die 
Mädchen; sie lernten alles, was für ihr späteres Leben von 
Wert war. Sie erhielten eine sorgfältige Schulausbildung bis 
zum Abitur, wurden in allen wirtschaftlichen Dingen 
unterwiesen, bekamen Musik- sowie Tanzunterricht, wer 
Lust hatte, konnte reiten lernen, mit achtzehn Jahren den 
Führerschein machen – nur allein ausgehen durfte man 
nicht, da wurden die Zöglinge immer von einer Lehrerin 
begleitet. Wem das nicht paßte, der mußte das Institut 
verlassen, was natürlich auch vorkam. Doch im 
allgemeinen fügten die Mädchen sich den Gesetzen, was 

ihnen später zustatten kam. Denn Zögling des 
Elitetöchterheims gewesen zu sein, war ein Freibrief, der 
ihnen überall die Türen öffnete. 
Also hatte Dr. Danz schon gewußt, wohin er die Tochter 
nach dem Tod seiner Frau gab, zumal er sich als Forscher 
nicht um sein Kind kümmern konnte. Wenn es jedoch mit 
neunzehn Jahren dem Heim entwachsen sein würde, dann 
wollte er es auf seinen Reisen mitnehmen, soweit diese 
ungefährlich waren. 
Allein, das sollte der Mann nicht mehr erleben. Viel zu früh 
ereilte ihn der Tod, und er mußte sein einziges Kind 
zurücklassen, das von Glück sagen konnte, ein so trauliches 

Zuhause zu finden. Sonst wäre es um das arme reiche 
Mädchen traurig bestellt gewesen. 
»Die Finken schlagen, der Lenz ist da und keiner kann 
sagen, wie es geschah. Er ist gekommen so über Nacht«, 
klang es jubelnd aus dem Salon des grünen Hauses, wo 
Ortrun vor dem weißen Stutzflügel saß und den Lenz 
besang, der wirklich gekommen war so über Nacht. Denn 
gestern abend noch hatte es geregnet und gestürmt, und 
morgens war er da, der Götterknabe Mai, der nun sein 
rosenumwundenes Zepter schwang. Die Vögel jubilierten, 
die Bäume prangten in ihrem jungen Grün, die Rasen 

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leuchteten, und die Blumen verströmten ihren süßen Duft. 
Der einstige Schandfleck des Dorfes war jetzt ein kleines 

Paradies, das Ajax treu bewachte und der lange Michel 
ebenso treu umsorgte. Unermüdlich werkte er herum, mit 
fast unnachahmlichem Geschick. Er hatte es tatsächlich 
fertiggekriegt, aus dem Schuppen einen erstklassigen 
Geflügelstall zu zimmern. Nun krähte, gackerte, 
schnatterte, piepste es auf dem Hof an allen Ecken und 
Enden. 
Im Gemüsegarten gedieh alles prächtig, der Park war 
sorgfältig gepflegt. Und wenn die drei Weiblichkeiten auch 
überall herzhaft zupackten, so war das doch alles nur 
»Nuschtwerk«, wie Hulda es bezeichnete. Der Arbeitsheld 
war und blieb Michel, in nimmermüder Kraft. 

Jetzt bastelte er auf dem Hof an einem Drahtgestell für die 
Küken herum und pfiff dabei stillvergnügt die Melodie vor 
sich hin, die durch die geöffneten Fenster zu ihm drang. Er 
traf dabei wohl nicht immer den richtigen Ton, aber das 
machte ihm gar nichts aus. 
Schade, daß das Konzert im Haus so plötzlich abbrach, war 
doch zu schön gewesen. Das fand wohl auch Frauke, aber 
sie mußte die Sängerin stören, weil sie ein Schreiben durch 
den Notar Dr. Danz erhalten hatte, das sie wenig später 
Hulda und Ortrun vorlas: 
 
Sehr geehrter Herr Dr. Danz! 

Ihr Schreiben hat mich beschämt. Denn Sie nehmen 
bestimmt an, daß ich eine Erpresserin bin. Das stimmt aber 
nicht. Ich habe nur in Unkenntnis gehandelt, als ich 
Fräulein Gortz den Brief schrieb. Ich glaubte mich im 
Recht, als ich die fünftausend Mark von ihr erbat, die ich 
vor Jahren der Frau des Professors leihweise überließ. Daß 
sie damals bereits von ihrem Mann geschieden war, 
verschwieg sie mir. 
Haben Sie bitte die Güte, Herr Doktor, Fräulein Gortz zu 
schreiben und sie in meinem Namen um Entschuldigung 
zu bitten. Ich persönlich wage es nach dem beschämenden 

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Brief nicht mehr. 
Falls Sie noch ein Anliegen an mich haben sollten, lassen 

Sie es mich sofort wissen, damit Ihr Schreiben mich noch 
erreicht. Denn das Stift, in dem ich seit sechs Jahren lebe, 
wird aufgelöst, da es nicht mehr tragbar ist. Die meisten 
Damen werden auf andere Stifte verteilt. Doch zu den 
Glücklichen gehöre ich nicht, für mich ist nirgends Platz. 
Hochachtungsvoll Jadwiga von Schlössen 
 
»Für mich ist nirgends Platz«, murmelte Frauke, als sie den 
Brief sinken ließ. »Wie unsagbar traurig.« 
»Ein Skandal ist das«, knurrte Hulda böse. »Einfach das 
Stift schließen und die armen Stiftsdamen auf die Straße 
setzen. Und das läßt unser Herrgott zu. Also müssen 

Menschen barmherziger sein.« 
»Und sie werden es sein«, entschied Frauke spontan. »Platz 
haben wir genug, und zum Sattessen für eine Person wird 
es auch noch reichen. Was sagt ihr dazu?« 
»Mich brauchst du erst gar nicht zu fragen«, wischte Hulda 
hastig ein Tränchen fort, und Ortrun nickte eifrig. 
»Bitte, Frauke, laß die Dame herkommen. Du mußt dann 
eben mehr Pensionsgeld von mir nehmen. Und wenn das 
nicht reicht, muß Onkel Rudolf mehr Geld für meinen 
Unterhalt bewilligen.« 
»Halt ein!« stoppte Frauke den Eifer. »Fräulein von 
Schlössen wird doch nicht so ein Vielfraß sein, daß wir sie 

nicht sattkriegen können. Deinen Vormund laß mal ganz 
aus dem Spiel. Ich glaube, er hat mich ohnehin im 
Verdacht, daß ich dir dein Fellchen über die Ohren ziehe.« 
»Ist ja gar nicht wahr. Er findet es im Gegenteil zu wenig, 
was du mir abnimmst.« 
»Also hat er dich doch darum befragt.« 
»Das hat er nicht. Ich habe davon angefangen, als du mit 
den beiden Damen nach oben gingst, um ihnen dort die 
Räume zu zeigen. Da erzählte ich Onkel Rudolf von 
meinem Zimmer, dessen Einrichtung ich gekauft habe, was 
dir gar nicht recht war. Ferner erzählte ich, daß du zur 

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Instandsetzung deines Besitzes kein Geld von mir nahmst, 
obwohl ich es dir immer wieder anbot. Ich klagte ihm 

auch, daß bei dem mäßigen Pensionspreis von dem 
Monatswechsel immer soviel übrig bleibt und ich gar nicht 
weiß, was ich mit dem Geld anfangen soll. Da lachte er 
und meinte, was für Sorgen wir reichen Mädchen doch 
hätten. Und nun schreibe gleich an Fräulein von Schlössen, 
daß sie hier ein Zuhause finden kann.« 
»Na, nun mal langsam,“ mein Herzchen. So leichtsinnig 
wollen wir wiederum auch nicht sein. Wollen uns zuerst 
das Stiftsfräulein einmal ansehen, ob man mit ihr 
überhaupt auskommen kann. Also werde ich ihr schreiben, 
daß sie, wenn sie Lust hätte, uns besuchen möchte. Dann 
werden wir ja sehen, wie sie darauf reagiert. Zeigt sie uns 

die kalte Schulter, auch gut. Wir jedenfalls haben dann 
einem einsamen Menschen gegenüber unsere Pflicht und 
Schuldigkeit getan.« 
Es war einige Tage später, als Frauke durch die Haustür 
gehen wollte – und dann wie erstarrt zwischen Tür und 
Angel verharrte; denn vor ihr stand die Dame aus dem D-
Zug. Sehr vornehm, sehr altmodisch, mit Pincenez, 
vorsintflutlichem Hut, konservativer Reisetasche und 
schüchternem Lächeln, das um irgend etwas um 
Verzeihung zu bitten schien. Dann die unsichere Frage: 
»Wohnt hier ein Fräulein Frauke Gortz?« 
»Das bin ich.« 

»Und ich bin Jadwiga von Schlössen.« 
Na, da schlag einer lang hin! wäre Frauke beinahe die 
beliebte Redewendung Michels entfahren. Doch der 
hilflose, bittende Blick der Besucherin gab dem gewandten 
Mädchen rasch die Fassung wieder. 
»Seien Sie mir herzlich willkommen«, entgegnete sie 
liebenswürdig. »Wir sind uns nicht mehr ganz fremd, nicht 
wahr?« 
»Nein, wir sahen uns damals im Zug… Mein Gott, der 
Hund, er wird mir doch nichts tun?« wich sie entsetzt vor 
Ajax zurück, der plötzlich aufgetaucht war und sie kritisch 

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musterte. 
»I bewahre«, beruhigte Frauke. »Du wirst doch wohl nicht 

liebe Gäste anfallen, du Schlingel!« 
»Wauwau!« machte er lustig. Das beruhigte die ängstliche 
Dame, die Frauke nun in die Diele führte und ihr dort 
Tasche, Mantel nebst Hut abnahm. Auf der Terrasse bat sie 
den Gast, Platz zu nehmen, der ängstlich fragte: 
»Ich komme Ihnen doch nicht ungelegen, Fräulein Gortz?« 
»Durchaus nicht, Fräulein von Schlössen. Ich habe Sie doch 
eingeladen.« 
»Wofür ich Ihnen von ganzem Herzen danke. Ich hätte 
sonst gar nicht gewußt, wohin ich sollte. Ich bin ja so 
allein.« 
»Jetzt nicht mehr«, versicherte Frauke, die dieses arme, 

verschüchterte Wesen in tiefster Seele erbarmte. 
»Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick.« 
»Nehmen Sie auch den Hund mit?« 
»Wenn er Sie geniert, selbstverständlich. Komm, Ajax!« 
Willig folgte er ihr zur Küche, wo Hulda und Ortrun mit 
der Vorbereitung des Abendessens beschäftigt waren. Eine 
hielt eine Schüssel mit geschlagenen Eiern in der Hand, die 
andere eine Kanne mit Milch, was Frauke bei der 
Nachricht, die sie übermitteln wollte, denn doch zu 
gefährlich schien. Daher sagte sie leise: 
»Stellt mal die Sachen auf den Tisch, damit sie euch nicht 
vor Überraschung aus den Händen fallen. So, nun will ich 

euch schnell was sagen, dann muß ich wieder zu unserm 
Gast zurück. Und dieser Gast heißt Jadwiga von Schlössen.« 
»Na, das ist mal eine Überraschung!« 
»Aber noch nicht die größte, Hulda. Besinnst du dich auf 
die altmodische Dame im D-Zug? Die ist mit unserm Gast 
identisch.« 
»Gott in deine Hände!« sagte Hulda verblüfft. »Ist doch 
bloß gut, daß du mich vorher warntest. Ich hätte bestimmt 
die Schüssel fallen lassen.« 
»Und ich den Topf«, lachte Ortrun. »Frauke, was werden 
wir bloß mit dem komischen Kruckchen anfangen?« 

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»Nett zu ihr sein, sie ist ja so arg verschüchtert. Ich muß 
jetzt gehen. Vergiß nicht, ein Gedeck mehr aufzulegen, 

Ortrun.« 
Sie eilte zu Jadwiga zurück, nahm Platz und sagte munter: 
»So, nun stehe ich Ihnen zur Verfügung, Fräulein von 
Schlössen. Gefällt es Ihnen hier?« 
»Sehr. Es ist hier alles so harmonisch, so friedlich, so wie in 
Sonne getaucht.« 
»Jetzt ja«, nickte Frauke und erzählte dann, wie düster und 
unwirtlich es vorher gewesen war. Sie hatte ihren Bericht 
gerade beendet, als Ortrun erschien und von Jadwiga 
überrascht gemustert wurde. 
»Dieser jungen Dame bin ich doch auch im Zug damals 
begegnet.« 

»Sie gehört ja auch zu mir«, erklärte Frauke und übernahm 
die Vorstellung. Dann ging man ins Speisezimmer, wo 
bereits das Abendessen stand. Rührei mit Schinken, 
Aufschnitt, Butter, Käse, Brot und Milch. 
»Nun greifen Sie tüchtig zu, Fräulein von Schlössen«, 
forderte Frauke auf, nachdem man am Tisch Platz 
genommen hatte. »Wir sind Landbewohner, die nicht 
nippen, sondern essen, bis sie satt sind. Wenn Sie Milch 
nicht mögen, können Sie auch ein anderes Getränk 
bekommen.« 
»Nein, danke, ich trinke Milch gern. Dann möchte ich 
Ihnen keine Umstände machen und Ihnen damit zur Last 

fallen. Ich will auch nicht lange bleiben.« 
»Darüber sprechen wir später«, winkte Frauke ab und 
bemerkte dann mit Genugtuung, wie gut es dem Gast 
schmeckte. Warum, das sollten die beiden Mädchen 
erfahren, als man später in der Bibliothek bei einem Glas 
Wein saß. 
»Sie werden sich über meinen Appetit gewundert haben«, 
sagte Jadwiga verlegen. »Aber ich hatte seit dem Frühstück 
nichts mehr gegessen. Bin dann in der Stadt 
herumgelaufen, um ein möbliertes Zimmer zu finden. Aber 
erstens sind sie rar und dann für meine Verhältnisse zu 

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teuer. Ich kam nun her, um Sie zu fragen, ob Sie vielleicht 
jemand im Dorf wüßten, bei dem ich unterkommen 

könnte.« 
»Da werden Sie gewiß sehr enttäuscht sein, daß wir Ihnen 
keine Auskunft geben können«, bedauerte Frauke. »Wir 
sind auch erst von Mitte März hier und so gar nicht mit den 
Verhältnissen im Dorf vertraut. Nun so viel wissen wir, daß 
vom Frühsommer bis Herbst Feriengäste herkommen, die 
zum Teil Privatquartier beziehen müssen, weil die Hotels 
und Gasthäuser überfüllt sind. Also werden die möblierten 
Zimmer nicht nur knapp, sondern auch sehr teuer sein, 
wenigstens während der Saison.« 
»Dann weiß ich nicht, was ich machen soll«, sagte Jadwiga 
niedergeschlagen. »Aus dem Stift, das sechs Jahre mein 

Zuhause war, mußte ich fort, weil es aufgelöst wurde. Und 
irgendwo muß ich doch bleiben.« 
»Natürlich müssen Sie das«, sagte Frauke herzlich. »Und 
zwar bei uns. Wir haben noch ein Zimmer frei, das wir 
Ihnen gern zur Verfügung stellen. Wenn es Ihnen zusagt, 
können Sie so lange darin wohnen, bis Sie eine andere 
Unterkunft gefunden haben.« 
»Wenn es mir zusagt«, murmelte Jadwiga. »Mir sagt jedes 
Zimmer zu, auch wenn es noch so primitiv wäre. 
Wochenlang suche ich schon danach, bin deshalb in 
Städten und Dörfern gewesen, doch mich wollte keiner 
haben. Und nun komme ich hierher und finde Menschen. 

Daß es überhaupt solche gibt, das läßt mich wieder an 
einen Herrgott glauben.« 
Es war so er schütternd gesagt, daß den beiden Mädeln die 
Tränen in die Augen stiegen. Sie sahen nicht mehr die 
altmodische Kleidung, nicht mehr das lächerliche 
Pincenez, sahen nur einen bitter einsamen, vom Leben 
schlecht behandelten und vom Glück vergessenen 
Menschen. Frauke mußte erst einige Male schlucken, bevor 
sie sprechen konnte: 
»Dann seien Sie uns als Hausgenossin herzlich 
willkommen, Fräulein von Schlössen. Ah, da kommt ja die 

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liebe Hulda, die Dritte in unserm Bunde. Sie ist hier Haus- 
und Hofmeister, dem sich alle beugen müssen.« 

»Was auch ganz in Ordnung ist«, brummte Huldchen, 
herzhaft die Hand drückend, die sich ihr zur Begrüßung 
entgegenstreckte. Die Obersttochter wußte sofort, wie sie 
diese robuste Person einzustufen hatte. Daß sie eine der 
treuen Dienerinnen war, die langsam zur Legende werden. 
»Fräulein von Schlössen wird bei uns wohnen«, erklärte 
Frauke. »Wir müssen das blaue Zimmer in Ordnung 
bringen.« 
»Ist schon längst geschehen, mein Herzchen. Gelüftet, 
abgestaubt, das Bett überzogen. Dürfte ich um Ihren Koffer 
bitten, gnädiges Fräulein?« 
»Ich habe keinen mit«, gestand Jadwiga verlegen. »Nur 

Nachtzeug, das sich in der Tasche befindet, die ich in der 
Diele abstellte. Ich konnte ja nicht ahnen, daß man mich 
hier nicht nur so lieb aufnehmen, sondern sogar 
hierbehalten würde. Nur Toilettensachen steckte ich ein, 
weil ich im Dorf zu übernachten gedachte.« 
»Und wo befindet sich Ihr großes Gepäck?« fragte Frauke. 
»Ich habe es in dem Gasthaus untergestellt, das in der Nähe 
des Stiftes liegt. Es ist ja nicht viel. Drei Koffer bergen 
meine ganze Habe.« 
»Die wir schon herkriegen werden«, brummte Hulda. »Gute 
Nacht, ich gehe jetzt zu Bett.« 
Als sie gegangen war, fragte Jadwiga: 

»Wohl eine Getreue Ihrer Familie, nicht wahr, Fräulein 
Gortz?« 
»Ja. Als ich zwei Jahre alt war, kam sie in unser Haus und 
hat sich auch nach dem Tode meiner Eltern nicht von mir 
getrennt. Trotz ihrer brummigen Art ist Hulda eine Seele 
von Mensch, dazu von unerschütterlicher Treue. Ich hätte 
nicht gewußt, und wüßte auch heute noch nicht, was ich 
ohne sie anfangen sollte. 
Sie hat natürlich auch ihre Eigenheiten, die man ihr 
nachsehen muß. Ich möchte zum Beispiel gern, daß sie mit 
uns zusammen die Mahlzeiten einnimmt, weil sie doch 

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ohnehin ganz zur Familie zählt. Aber dazu ist sie nicht zu 
bewegen. Sie sagt, in der Küchenschürze kann sie nicht an 

den Tisch kommen und sich ein paarmal am Tag 
umzukleiden, dazu hat sie keine Zeit und keine Lust – 
basta! Und nun werde ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen; denn 
Sie scheinen recht müde zu sein.« 
»Das bin ich«, gab Jadwiga unumwunden zu. »Ich habe in 
den letzten Nächten, aus Angst, was aus mir werden soll, 
kaum geschlafen. Dann bin ich heute stundenlang in der 
Stadt auf Zimmersuche gewesen. Ich glaube, ich werde 
nach wochenlangem Hangen und Bangen zum erstenmal 
wieder richtig schlafen können.« 
»Ist doch unerhört, ein Stift aufzulösen, bevor die Damen 
nicht restlos anderweitig untergebracht sind«, empörte 

Frauke sich. »Und bei der Überweisung in andere Stifte 
werden die maßgebenden Persönlichkeiten auch nicht 
gerecht verfahren sein, habe ich recht, Fräulein von 
Schlössen?« 
»Ja, die Oberin, Gräfin Warl, sorgte mal erst für die Damen 
vom titulierten Adel.« 
»Aha!« warf Frauke erbost ein. »Und wieviel Damen waren 
nicht tituliert?« 
»Außer mir noch zwei.« 
»Und die wurden einfach auf die Straße gesetzt mit der 
Begründung, daß leider in den in Frage kommenden Stiften 
momentan alle Plätze belegt wären. Doch sobald einer frei 

wäre, würde man selbstverständlich dafür sorgen, daß die 
liebe… und weiterer Phrasen mehr. War das nicht so, 
Fräulein von Schlössen?« 
»Genauso«, entgegnete Jadwiga verblüfft. »Woher wissen 
Sie das denn, Fräulein Gortz?« 
»Wissen nicht, ich kann es mir nur denken. Und was wurde 
aus den anderen beiden ›nichttitulierten‹ Damen?« 
»Die konnten bei Verwandten unterkommen. Nur ich habe 
keine, wenigstens nicht solche, die mich aufnehmen 
würden. Ich stehe ganz allein im Leben.« 
»Hm. Und in welches Stift hat sich die gnädigste Frau 

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Oberin begeben?« 
»Vorläufig in keins. Sie will abwarten, bis wieder eine 

Oberinstelle frei wird.« 
»Na, hoffentlich leben diese Damen, die ja nicht durchweg 
– na ja – sein werden, über hundert Jahre. Und wo will 
denn die Allergnädigste auf den Tod einer Oberin warten?« 
»Zuerst unterzieht sie sich einer Kur und wird sich 
anschließend zu einem Neffen begeben«, erwiderte 
Jadwiga, eingeschüchtert durch Fraukes beißende 
Bemerkungen. »Und zwar zu einem Baron Swidbörn.« 
»Waaas?« wurde Frauke jetzt hellhörig. »Gehört dem Baron 
etwa die Herrschaft Grünehöh?« 
»Ja.« 
»Na, da schlag einer lang hin«, gebrauchte Frauke nun doch 

Michels Spezialausdruck, und Ortrun, die bisher dem 
Gespräch schweigend gefolgt war, fuhr auf. 
»Frauke, das müssen wir Oda erzählen«, sagte sie aufgeregt, 
wozu die andere bekräftigend nickte. 
»Worauf du dich verlassen kannst. Wissen Sie eigentlich, 
wo Grünehöh liegt, Fräulein von Schlössen?« 
»Nein. Doch wie die Oberin sagte, soll es ein sehr großer, 
feudaler Besitz sein.« 
»Ist es auch. Sie können von der Terrasse aus das Schloß 
sehen.« 
»Das ist mir bereits aufgefallen, als ich vor dem Abendessen 
auf der Terrasse saß«, war es nun an Jadwiga, aufgeregt zu 

sein. »Und das gehört dem Baron von Swidbörn, einem der 
feudalsten Adligen im Land.« 
»Ganz recht. Sie können, wenn die gnädigste Oberin dort 
weilt, gegenseitig Winkewinke machen. Und nun hören Sie 
mal zu, Fräulein von Schlössen…« 
Sie erzählte, wie sie zuerst die Baronesse und später deren 
Bruder kennenlernte, und Jadwiga faltete die Hände wie 
zum Gebet. 
»Ist das nun Zufall oder Vorsehen?« 
»Es ist letzteres, Fräulein von Schlössen. Doch darüber 
wollen wir jetzt nicht diskutieren, wir wollen schlafen 

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gehen. Morgen ist auch ein Tag.« 
In dem Zimmer, das sie kurz darauf betraten, war die 

Einrichtung wohl zusammengewürfelt, gab jedem dem 
Raum Behaglichkeit. Das breite Holzbett war weiß, der 
Schrank braun, die Kommode mahagoni, der zierliche 
Schreibtisch mit dem Aufsatz hell Birke, der Teppich rot, 
die Tapete blau, die Bilder bunt, die Gardinen duftig zart. 
Das alles zusammen war wohl nicht stilvoll, aber lustig. Es 
schien zu sagen: Komm, tritt ein, bei mir bist du geborgen. 
»Ich glaube, das Zimmer hat Seele«, stellte Jadwiga fest, 
und Frauke lachte. 
»Es ist wohl eine bunte Seele, aber besser als eine 
schwarze.« 
»Wie soll ich Ihnen nur danken.« 

»Gar nicht. Sie sollen sich hier wohl fühlen. Sollen mit 
dem Gefühl zur Ruhe gehen, daß Sie nicht mehr allein 
sind. Gute Nacht!« 
Als man am nächsten Morgen auf der Terrasse beim 
Frühstück saß, sprang Oda die Stufen hinauf. Doch dann 
blieb sie wie festgewachsen stehen und starrte mit offenem 
Mäulchen auf Jadwiga, die wie eine Gouvernante anmutete, 
die mit ihren Zöglingen das Frühstück einnimmt. Es hätte 
nur noch der erhobene Zeigefinger gefehlt. 
»Nun komm schon weiter!« ermunterte Frauke, ein 
amüsiertes Lächeln unterdrückend. »Begrüße unsere neue 
Hausgenossin. Das ist die Baronesse von Swidbörn«, stellte 

sie vor, als diese neben ihr stand. »Und das ist Fräulein von 
Schlössen.« 
Und sieh da, Baroneßchen machte einen artigen Knicks 
und setzte sich dann an Ortruns Seite. Viele Fragen 
brannten ihr auf der Zunge, die sie natürlich nicht stellte. 
Erst als Jadwiga nach oben ging, platzte die Kleine heraus: 
»Ja, sagt mal, seit wann braucht ihr denn eine 
Gouvernante?« 
»Pst!« legte Frauke warnend den Finger auf den Mund. »Die 
Tür steht offen.« 
»Ich bin doch so neugierig.« 

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»Dann komm mit nach der Küche, wo wir das Geschirr 
spülen müssen, weil Hulda schwer beschäftigt ist. Sie 

streicht Gartenstühle, die sie in der Laube aufgestöbert hat. 
Deckt den Tisch ab, ich gehe schon vor.« 
Fünf Minuten später bekam dann Oda etwas zu hören, das 
ihr weiches Herzchen arg bedrängte. Doch als sie von der 
hochfahrenden Oberin hörte, da blitzten ihre Augen vor 
Empörung. 
»Und die will zu uns kommen? Das laß sie ja nicht wagen! 
Einen Menschen zurücksetzen, weil er nicht tituliert ist, das 
hat mein Bruder gern – und ich auch. Übrigens hatte ich 
gar keine Ahnung, daß wir so eine Nebelkrähe…« 
»Oda!« 
»Ist doch wahr«, brummte sie mit rotem Köpfchen. 

»Trotzdem will ich mich benehmen. Also ich hatte keine 
Ahnung, daß wir eine Gräfin… Wie heißt sie?« 
»Warl.« 
»Aha, so hieß auch meine Mutter. Somit komme ich der 
Sache schon näher. Das wird wohl so eine Verwandtschaft 
xten Grades sein, die Winden mir 
auseinanderposementieren muß. Die Fragen brennen mir 
förmlich auf der Zunge. Gehabt euch wohl, ich bin bald, 
wieder da.« 
Sie wirbelte ab, durch den grünen Grund, die grüne 
Anhöhe hinauf, durch den Park, auf die Terrasse, wo sie 
erst einmal Uwe Gunder herzhaft auf die Füße trat, der sich 

nächst dem Freund im Liegestuhl einer Ruhepause hingab. 
»Hoppla, meine Piedestale! Mädchen, ich hab die doch 
nicht in der Lotterie gewonnen.« 
»Dann streck sie nicht vor, damit man darüber stolpern 
muß. Laß mich jetzt in Ruhe, ich muß Winrich ganz was 
Wichtiges erzählen.« 
Und dann plätscherte das Zünglein wie ein Wasserfall. Das 
Stimmchen schwankte, hob sich, empörte sich, bis alles 
gesagt war. Dann sah sie den Brüder vorwurfsvoll an, der 
schmunzelnd fragte: 
»Sag mal. Kleine, hast du das alles etwa auswendig 

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gelernt?« 
»Du bist abscheulich! Aber das sage ich dir, wenn du diese 

– na ja –, wenn du die aufnimmst, dann laufe ich davon!« 
»Wohin?« 
»Ins grüne Haus natürlich.« 
»Wo du gleich die Gouvernante findest, die dir manchmal 
noch fehlt«, sagte Uwe pomadig. »Denn wie ich deiner 
plätschernden Rede entnehmen konnte, sind die jungen 
Damen ihrer neuen Hausgenossin bereits im Abteil des Ü-
Zuges begegnet, in dem auch ich mich befand. Somit kann 
es sich nur um die Dame mit dem lächerlichen Pincenez 
handeln.« 
»Das stimmt, Fräulein von Schlössen trägt eins. Und das 
paßt zu ihr. Wie sind wir mit der Gräfin Warl verwandt, 

Winrich? Ist sie tatsächlich unsere Tante?« 
»Zweiten Grades. Eine Base von Mutter, mit der sie nur zu 
den Familientagen zusammentraf, vor denen ich mich bis 
auf einen drücken konnte.« 
»War die Oberin auch dabei?« 
»Ja, eine stattliche Dame in einem hochgeschlossenen 
schwarzen Kleid, mit Johanniterkreuz, hochmütigem 
Gesicht und dunklem Scheitel. Sie mißfiel mir gründlich, 
was bei den andern auch der Fall zu sein schien; denn sie 
gingen in großem Bogen um sie herum. Ich kann mir 
vorstellen, daß sie keine angenehme Oberin gewesen ist.« 
»Und die will ausgerechnet zu uns kommen«, sagte Oda 

aufgebracht. »Warum bloß? Die hat doch bestimmt noch 
andere Verwandte, die ihr dem Grad nach näher stehen als 
wir. Hat sie dich übrigens schon darum gebeten, daß du sie 
aufnehmen sollst?« 
»Mein liebes Kind, die Oberin Gräfin Warl bittet nicht, die 
läßt sich herab. Wir müssen es uns als Ehre anrechnen, 
wenn sie geruht, ihr Domizil bei uns aufzuschlagen.« 
»Ach du lieber Gott! Hat sie etwa schon geruht, ihr 
Erscheinen kundzutun?« 
»Sie hat. Gestern erhielt ich einen Brief von ihr, der mich 
vor die vollendete Tatsache stellt, daß die gnädige Frau 

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Tante in absehbarer Zeit hier einzutreffen gedenkt.« 
»Warum hast du mir von dem Brief nichts gesagt?« 

»Weil ich es vergaß.« 
»Was wirst du antworten?« 
»Nichts, da ich die Anschrift nicht weiß.« 
»Dann kommt sie also her?« 
»Wahrscheinlich.« 
»Dabei kannst du so ruhig sein?« 
»Warum nicht? Aufregen kann ich mich immer noch, wenn 
es etwas zum Aufregen gibt.« 
»Dafür werde ich schon sorgen!« funkelte sie ihn an, der 
wie die personifizierte Gelassenheit im Liegestuhl ruhte. 
»Ich benehme mich der Oberin gegenüber rüpelhaft. Und 
dann werde ich doch mal sehen, ob mein Herr Bruder, 

dem schlechterzogene Menschen ein Greul sind, sich über 
seine ungezogene Schwester nicht aufregen wird.« 
»Das glaube ich nicht«, meinte Uwe pomadig, »Der Herr 
Baron von Swidbörn bleibt auch dann noch gelassen, wenn 
er die ungezogene Baronesse von Swidbörn übers Knie legt. 
Vielleicht überläßt er das sogar mit Nonchalance seinem 
guten Freund. Und wo der hinhaut, da wächst bestimmt 
kein Gras.« 
»Scheusal!« 
»Danke. Ist dir jetzt wohler?« 
»Nein, ich fühle mich unverstanden.« 
»Herrje, schon so früh?« 

Da mußte sie lachen, und der Friede war wieder hergestellt. 
Sie zog an den Liegestuhl ein Sitzkissen, kauerte sich 
darauf, legte das Blondköpfchen auf des, Bruders Arm und 
sagte leise: 
»Ich habe Angst.« 
»Etwa vor der Oberin?« 
»Ja. Sie wird sich hier einnisten und alle beherrschen 
wollen.« 
»Wollen vielleicht, aber erst können«, umfaßte er das 
Schwesterlein und zog es dicht zu sich heran. »Habe ich 
mich schon jemals von einem Menschen beherrschen 

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lassen?« 
»Nein, nicht einmal von deiner herrschsüchtigen Frau. Da 

nahmst du wohl auf ihre Krankheit Rücksicht, aber 
beherrschen ließest du dich dennoch nicht.« 
»Siehst du. Ich werde der impertinenten Dame gegenüber 
schon den richtigen Ton finden. Übrigens hat sie sich 
eingehend nach dem Dorothea-Stift erkundigt. Sie hätte 
gehört, daß die Oberin dort recht leidend wäre. Merkst du 
was, Schwesterlein?« 
»Und wie!« wurde Oda jetzt mobil. Sie setzte sich auf und 
blinzelte den Bruder an. 
»Daher weht der Wind. Sie reflektiert auf den Posten, den 
du als Patronatsherr zu vergeben hast. Da muß man schon 
mit Hulda sagen: Die ist nicht dumm auch nicht nuscht. 

Denn das Dorothea-Stift ist eine fette Pfründe.« 
Was auch stimmte. Das Stift war seinerzeit von einem der 
reichsten Männer Preußens, dem Reichsbaron Desider von 
Swidbörn gegründet worden. Es besaß ein festgefügtes, 
gutmöbliertes Haus, ein stattliches Vermögen und eine 
Landwirtschaft, welche die zwei Dutzend Damen nebst 
Personal reichlich versorgen konnte. Die meisten der 
Insassinnen waren so gestellt, daß sie einen guten 
Pensionspreis zahlen und damit die Minderbemittelten 
durchschleusen konnten, so daß nie der Etat überschritten 
wurde, sondern im Gegenteil man noch sparen konnte. 
Die Schutzherren waren von jeher die Barone von 

Swidbörn gewesen, die wie kleine Könige auf ihrem 
herrlichen Besitz regierten. Der Stammsitz war Grünehöh, 
und alles was einen »grünen« Namen hatte, gehörte dazu. 
Grüneberg, Grünetal, Grüneau, Grünewald und 
Grüneheide. Grünegrund hatte ein Vorfahre einst an die 
Gemeinde verkauft, wo dann so nach und nach das Dorf 
Grünergrund entstand. 
Die Stelle der Oberin war jetzt von einer Gräfin Attbach 
besetzt, einer geborenen Baronesse von Swidbörn. Als ihr 
Gatte, ein hoher Militär, starb, betraute ihr Bruder sie mit 
der Stiftsstelle, die damals gerade frei war. Winrich und 

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Oda hingen sehr an dieser Tante, die sie oft besuchten, da 
das Stift in der Nähe lag. . 

Nun war die Oberin im Winter ernstlich krank gewesen, 
hatte sich jedoch wieder prächtig erholt. Also standen die 
Chancen schlecht für die Gräfin Warl. Denn erstens konnte 
die jetzt sechzigjährige Oberin noch gut zwei Jahrzehnte 
leben und dann hätte der Patronatsherr nach einem so 
wertvollen Menschen nie einen so minderwertigen wie die 
Gräfin Warl als Oberin gewählt. 
Jadwiga von Schössen war emsig dabei, die Blumen zu 
gießen, die in den grünen Kästen auf der Balustrade der 
Terrasse so üppig blühten. Zwischendurch rankten 
Kletterrosen, die dick voll Knospen waren, von denen hie 
und da bereits eine aufsprang. Wenn sie alle richtig 

blühten, würde hier eine wahre Rosenpracht das Auge 
entzücken. 
Ajax hatte sich auf den Fliesenboden gestreckt und sah 
aufmerksam zu, was das Frauchen da machte, dem er 
schon längst Daseinsberechtigung hier zubilligte. 
Jadwiga war glücklich. Wie im Paradies fühlte sie sich, nach 
dem trostlosen Dasein vergangener Jahre. Hier durfte sie 
ein Mensch unter Menschen sein, kein geducktes, 
bespötteltes Wesen. Hier wurde sie als vollwertiges 
Familienmitglied betrachtet. War die Tante Jadwiga, sogar 
für die Baronesse. 
Man hätte sie auch bestimmt behalten, wenn sie ganz 

mittellos gewesen wäre. Doch sie bekam eine monatliche 
Rente von zweihundert Mark, von denen Frauke ihr nur die 
Hälfte abnahm, die andere mußte sie behalten. Viel Geld 
für einen Menschen, der bisher mit einem Taschengeld von 
dreißig Mark hatte auskommen müssen. 
Jadwiga durfte auch in der Wirtschaft leichte Arbeiten 
verrichten, die ihr das Gefühl gaben, doch wenigstens zu 
etwas nütze zu sein. Sie hatte sich in den beiden Wochen, 
die sie hier weilte, gut herausgemacht. Sie war voller 
geworden, das vergrämte Gesicht hatte sich gestrafft, die 
Augen hatten den scheuen Blick verloren. Sie konnte sogar 

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schon lachen, was sie lange nicht mehr getan hatte, weil es 
für sie nichts zu lachen gab. 

Eben erschien Ortrun, entzückend anzuschauen in dem 
schicken Frühjahrskleidchen. Die Augen strahlten, als 
spiegelte sich darin die Sonne, das wunderbare Haar gleißte 
wie das Gold des Meeres. Ein junges Menschenkind von 
bezaubernder, jungfrischer Schönheit. 
Aber auch Frauke war reizend, die soeben sichtbar wurde. 
Nicht ganz so grazil wie Ortrun, aber immerhin schlank. 
Das Haar wie reife Kastanien und wunderbar gepflegt, die 
Augen opalisierten wie Perlmutt. 
Und dann die allerliebsten Grübchen, die redeten eine gar 
eindringliche Sprache. 
Wenn die beiden Mädchen durch das Dorf gingen, wie 

jetzt, so richtig leichtbeschwingt und unbeschwert, gab es 
wohl keinen Mann, der ihnen nicht nachschmunzelte. Das 
tat nun der Gemeindevorsteher, der mit dem 
Domänenpächter Scholt in der »Grünen Gans« am Fenster 
saß und auf den Marktplatz schaute. 
»Sehen Sie sich das mal an!« zeigte er mit einer 
Kopfbewegung nach draußen, wo zwei junge Mädchen 
sichtbar wurden. »Donner noch eins, da kann es einem 
heiß ums Herz werden. Es blühen zwei köstliche Blumen 
im Garten vom grünen Land. Der berauschende Duft dürfte 
so mancher Herrlichkeit in die Nase steigen.« 
»Da sollen sie nur zusehen, daß sie nicht eins auf die Nase 

kriegen«, bemerkte Schölt trocken. Ein Mann von kerniger 
Gestalt, frischem, vollem Gesicht und leichtergrautem, 
kurzgeschnittenem Haar. Also ein ähnlicher Typ wie der 
Gemeindevorsteher. »Es sind schon zwei 
Prachtmarjellchen, aber tabu für die Mannsleut. Wie ich 
nämlich hörte, soll das Haus im grünen Grund eine 
Festung sein, die nicht so leicht zu stürmen sein dürfte. Vor 
den Toren dräut Ajax’ Raubtiergebiß, Huldas Kochlöffel, 
Bertchens Besen, Michels Forke und der erhobene 
Zeigefinger der Stiftsdame. 
Olala, da naht ja auch unser aller Stolz hoch zu Roß nebst 

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Schwesterlein. Wem winkt es da so lebhaft zu? Natürlich 
den jungen Damen, die lachend zurückwinden. Sie sollen 

ja miteinander ein Herz und eine Seele sein.« 
»Sollen sie«, nickte der Gemeindevorsteher. »Doch etwas 
Genaues weiß man nicht. 
Die Damen leben sehr zurückgezogen, und ihr Faktotum 
ist nebst seinem Bertchen verschwiegen wie ein 
Trappistenmönch, wenn es ums grüne Haus geht. Mir ist 
alles, was damit zusammenhängt, äußerst interessant.« 
Menschlich verständlich. Denn Menschen in exquisiter 
Stellung sind nun mal interessant, werden scharf 
beobachtet, bekrittelt und beklatscht. Und je 
zurückgezogener solche Menschen leben. Um so größer ist 
die Neugierde. 

Nun, diese ließ die vier Menschen kalt, die sich soeben 
begrüßten. Allerdings nur durch Zuwinken, weil die Reiter 
es eilig hatten. Oda rief den beiden Mädchen noch zu, daß 
die Oberin eingetroffen wäre, dann tänzelten die Pferde 
vorüber, um hinterher in einen munteren Tab 
überzugehen. 
»Eigentlich sonderbar, daß wir die Geschwister heute zum 
ersten Mal im Sattel sehen«, sagte Frauke. »Daß der Baron 
reitet, ist ja selbstverständlich, doch daß es auch Oda tut, 
ist mir neu. Sie hat es doch nie erwähnt.« 
»Weil sie es des Erwärmens nicht für wert findet«, zuckte 
Ortrun die Achsel. »Denn bei den Landfräulein ist das 

Reiten so selbstverständlich wie bei den Landherren. Sie 
haben schon als Kind ihr Pony und später ein Damenpferd. 
Das weiß ich von den Mädchen, die ins Töchterheim 
kamen. Dort konnten sie das Reiten fortsetzen, da das 
Institut einen eigenen Reitstall unterhielt. Sie mußten sich 
allerdings mit einem abgegrenzten Gelände begnügen, 
dazu noch unter Aufsicht einer Reitlehrerin. Mir als 
Anfängerin machte das nichts aus, doch die Perfekten 
maulten oft über die Freiheitsberaubung, wie sie es 
nannten. Warum siehst du mich so erstaunt an?« 
»Weil ich zum ersten Mal höre, daß *auch du eine Reiterin 

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bist. Bei dir erfährt man überhaupt nur durch Zufall, was 
du kannst. Daß du ausgezeichnet Klavier und Geige spielst, 

dazu auch noch singst, erfuhr ich unlängst durch Zufall, 
daß du den Führerschein hast, gestern und daß du reitest, 
heute.« 
»Aber Fraukelein, das ist doch alles so unwichtig. Viel 
wichtiger ist, daß ich in Haus und Gärten helfen kann. Was 
ist denn schon ein Reiter ohne Pferd und ein Autofahrer 
ohne Auto. Ich hatte vor beiden Angst, als ich mit der Lehre 
begann. Aber mein Vater hatte gewünscht, daß ich alles 
mitzunehmen hätte, was das exklusive Heim nur bieten 
konnte. 
Daran hielt sich die Oberin nun streng, und gegen die gab 
es kein Auflehnen, nur ein Gehorchen.« 

Mittlerweile hatten die das grüne Haus erreicht, wo im 
Vorgarten Ajax ihnen auf drei Beinen entgegenhumpelte. 
»Was hast du denn?« fragte Frauke bestürzt, worauf das Tier 
ihr leise winselnd die Pfote entgegenstreckte, von der Blut 
tropfte. Als die Mädchen näher hinsahen, bemerkten sie 
den Glasscherben, der zwischen den Zehen hervorragte. 
»Das sieht ja böse aus«, sagte Frauke erschrocken. »Der 
Scherben muß ’raus, das steht nun mal fest. Und da ich 
mich nicht heranwage, muß der Tierarzt her. Hol rasch eine 
Binde, Ortrun, damit wir einen Notverband anlegen 
können.« 
Als das geschehen war, nahmen die Mädchen den Hund 

beim Halsband und führten ihn auf die Terrasse, wo 
Jadwiga beim Anblick der blutdurchtränkten Binde 
aufschrie und damit nicht nur Hulda, sondern auch Michel 
herbeilockte, die nun betroffen auf das winselnde Tier 
schauten. 
»Er hat sich einen Scherben in die Pfote getreten«, erklärte 
Ortrun, während Frauke zum Fernsprecher eilte, um den 
Tierarzt anzurufen. Nachdem sie im Verzeichnis die 
Nummer gefunden hatte, wählte sie und hörte gleich 
darauf eine dunkle Stimme: 
»Dr. Gunder.« 

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»Herr Doktor, kommen Sie bitte sofort zu unserm Hund«, 
sprach Frauke aufgeregt in die Muschel. »Er hat sich eine 

Scherbe in den Fuß getreten, die ich nicht entfernen kann. 
Werden Sie kommen?« 
»Wenn ich wüßte wohin, dann gern.« 
»Zum Haus im grünen Grund natürlich«, sagte sie 
ungeduldig, und er lachte. 
»Das muß einem Dummen doch gesagt werden. Es gibt ja 
schließlich eine ganze Menge Hunde im Dorf und in der 
Umgebung.« 
»Entschuldigen Sie bitte, ich bin so aufgeregt.« 
»Wer?« 
»Frauke.« 
»Danke, jetzt weiß ich Bescheid. Eine Frauke ist hier 

einmalig. In zehn Minuten bin ich da.« 
Als Dr. Gunder die Terrasse betrat, konnte er nur mit Mühe 
ein Schmunzeln unterdrücken bei dem malerischen Bild, 
das sich ihm bot. Frauke saß auf einem Fußkissen und hielt 
im Schoß den Kopf des Hundes, der sich eng an sie 
geschmiegt hatte. An seiner Seite kauerte Ortrun, Hulda 
und Michel hockten auf der obersten Treppenstufe, und 
mittendrin saß Jadwiga im Gartensessel, mit verstörtem 
Blick und wackelndem Pincenez. Ein lebendes Bild, wie es 
malerischer nicht gestellt werden konnte. In das auch kaum 
Bewegung kam, als der Arzt sich vorstellte und dann die 
ihm von Frauke Vorgestellten mit einer Verbeugung 

begrüßte. Man konnte hier den Spruch anwenden: Aller 
Augen warten auf dich, Herr, denn fünf Augenpaare waren 
in ängstlicher Erwartung auf ihn gerichtet. 
»Dann wollen wir uns doch mal die kranke Pfote ansehen«, 
trat er furchtlos auf den Hund zu, was Frauke hastig 
abwehrte. 
»Bitte nicht, Herr Doktor. Ajax ist sehr scharf, er wird Sie 
beißen.« 
»Er denkt gar nicht daran«, ließ der Mann sich seelenruhig 
auf die Knie nieder und fuhr liebkosend über den Kopf des 
prächtigen Rüden, was dieser sich nicht nur gefallen ließ, 

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sondern sogar mit einem zärtlichen Handlecken belohnte. 
»Na also, du kluger Hund. Du weißt ganz genau, daß ich 

dir helfen will«, sprach die Männerstimme beruhigend auf 
den Hund ein. Sie hatte etwas ungemein Tröstendes, klang 
tief und weich wie ein Ton in Moll. Mit behutsamen 
Händen tat er die Binde ab, besah sich die Pfote und 
meinte zuversichtlich: 
»Halb so schlimm, das werden wir gleich haben.« 
Dann kramte er in der Medikamententasche herum, zog 
einen Wattebausch hervor, träufelte Äther darauf und 
reichte den Bausch Frauke hin. 
»Den drücken Sie Ajax auf die Nase, gnädiges Fräulein, das 
wird ihn leicht einschläfern. Außerdem werde ich noch die 
Pfote unempfindlich machen. Ich sehe gar nicht ein, 

warum man den Tieren nicht Schmerzen ersparen soll, 
soweit es möglich ist. Sie sind ja schließlich auch ein 
Mensch«, setzte er mit dem warmen Lachen hinzu, das 
diesen Mann so liebenswert machte. 
Und schon zog der listige Amor, der schon längst auf der 
Lauer lag, den Bogen straff. Und um ein so lange behütetes 
Herz war es geschehen. 
Vorläufig merkte es jedoch davon noch nichts. Vorläufig 
war es noch mit Sorge erfüllt um Ajax, den treuen 
Kameraden. Die Hand zitterte, welche die Watte auf die 
Hundenase drückte, bis der Arzt Einhalt gebot: 
»Genug, gnädiges Fräulein, werfen Sie den Bausch weit 

fort.« 
Und dann war alles so einfach. Das Glasstück wurde 
geschickt entfernt, die Wunde desinfiziert, der Verband 
angelegt, und schon begann der Hund sich zu regen. 
»Na also«, nickte sein Helfer zufrieden. »Die kleine 
Betäubung hat gerade gereicht, die Augen sind wieder klar, 
die Rute setzt sich in Bewegung, der erste Krankenbesuch 
naht auch bereits, mehr kann man doch nun wirklich nicht 
verlangen.« 
Da war der »Krankenbesuch« auch schon herangewirbelt. 
Nahm mit Vehemenz die Treppe, um dann verdutzt vor 

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Hulda und Michel zu verharren. Bevor jedoch Oda ihrem 
Erstaunen darüber noch Ausdruck geben konnte, hatte sie 

auf der Terrasse erspäht, worüber sie noch mehr staunen 
mußte. Frauke auf dem Fußkissen, der Hund mit der 
verbundenen Pfote, daneben die kauernde Ortrun, die steif 
dasitzende Jadwiga mit dem hilflosen Blick – und einen 
Mann, der nicht hierher gehörte. 
»Ja, Uwe, was machst du denn hier?« fragte die Kleine, 
nachdem sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte, und 
er zwinkerte ihr vergnügt zu. 
»Baroneßchen, hast du aber eine lange Leitung. Sieh dir 
Ajax an und bedenke, daß ich Tierarzt bin.« 
Da hatte Oda endlich begriffen. Sie zwängte sich an Hulda 
und Michel vorbei und stand vor dem Hund, ihn angstvoll 

betrachtend. 
»Was hat er denn? Etwa ein Bein gebrochen?« 
»Nein«, gab der Arzt Auskunft. »Er trat sich in die Pfote eine 
Scherbe, die ich entfernte.« 
»Na so was.« Baroneßchen schüttelte den Kopf. »Da bin ich 
mal einen Tag nicht hier, und schon passieren die tollsten 
Sachen. Macht bloß nicht so betrübte Gesichter. Das habt 
ihr nicht nötig, wenn Uwe da ist. Komm, setz dich hin! 
Dann hörst du gleich mit, was ich zu berichten habe. Er 
darf das doch, Frauke, nicht wahr?« 
»Selbstverständlich«, beeilte sie sich zu versichern. »Doch 
zuerst wird sich der Herr Doktor die Hände waschen.« 

»Besten Dank, gnädiges Fräulein, das ist nun wirklich 
notwendig.« 
Frauke führte ihn zum Waschraum und als er zurückkehrte, 
nahm er dankend den ihm gebotenen Platz. Als er aus der 
indes herbeigeholten Bar seine Wahl treffen sollte, erklärte 
er kategorisch: 
»Aber nur, wenn die Damen mithalten, auf daß die blassen 
Wänglein Farbe kriegen.« 
»Meine auch?« fragte Oda erwartungsvoll, und er besah 
sich schmunzelnd das reizende Persönchen. 
»Zwar glühen deine Wänglein rosenrot, aber mitgefangen, 

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mitgehangen.« 
Die fünf Menschen – Hulda und Michel hatten sich bereits 

entfernt – trafen nun ihre Wahl und prosteten sich zu. 
Den Mann empfand man gar nicht als fremd. Man hatte 
das Gefühl, als kennte man sich schon lange. 
Bevor man mit einer Unterhaltung beginnen konnte, 
platzte Oda mit ihrer Neuigkeit heraus: 
»Die Oberin ist da, gestern gegen Abend eingetroffen. Na, 
das ist vielleicht eine…« 
»Ei, Oda!« 
»Ja, was hast du denn, Uwe?« legte sie das Köpfchen schief 
und blinzelte ihn erstaunt an. »Ich darf doch wohl sagen, 
daß die Frau Oberin eine – hm, ja – hoheitsvolle Dame ist, 
in deren werten Adern schon mehr dunkellila Blut sehr 

vornehm fließt. Ihr Morgen- und Abendgebet beginnt 
bestimmt mit den Worten des Pharisäers: Lieber Gott, ich 
danke dir, daß ich nicht so bin wie andere. Und damit hat 
sie sogar recht.« 
Vergnügt fiel sie in das Lachen der andern ein und ließ 
dann ihrem Zünglein weiter freien Lauf: 
»Nachdem sie von der Feudalität ringsum Kenntnis 
genommen und befriedigt festgestellt hatte, daß es der 
richtige Rahmen für ihre hochnoble Person wäre, 
beanstandete sie meine Zöpfe. Meinte, daß sie keine Frisur 
für eine junge Dame von Stand wären. Beim Abendessen 
mißbilligte sie meinen glänzenden Appetit und saß dann 

hinterher wie eine drohende Düsternis da in ihrem 
hochgeschlossenen Kleid, auf dessen Schwärze das 
Johanniterkreuz bösartig funkelte. 
Mich ließ sie gottlob in Ruhe, doch der ›liebe Junge‹ mußte 
mit anhören, was die Dame alles zu beanstanden hätte. 
Aber das beeindruckte ihn absolut nicht. In seiner uns so 
gut bekannten Gelassenheit saß er da, rauchte mit Genuß 
seine Pfeife und warf ab und zu gelangweilt etwas 
dazwischen wie: So – sieh doch mal an – tatsächlich – 
kann ich gar nicht finden. Als er sich eine Stunde später 
erhob, wollte sie ihn mit der Bemerkung zurückhalten, daß 

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es für sie noch viel zu früh wäre, zu Bett zu gehen, sie 
könne ohnehin so schlecht schlafen. Was er höflich 

bedauerte, dabei jedoch hinzufügte, daß für ihn stets die 
Nacht zu kurz wäre, da er frühmorgens aus den Federn 
müßte und dann einen anstrengenden Arbeitstag vor sich 
hätte. Ein freundliches: Gute Nacht, schlaf wohl, dann 
zwinkerte er mir zu, und wir zogen vergnügt von dannen.« 
»Und was tat die Frau Oberin?«  erkundigte  sich  Uwe,  der 
wie alle andern dem anschaulichen Bericht amüsiert gefolgt 
war. 
»Die soll, wie Barbe mir erzählte, Sturm geklingelt haben, 
worauf dann Niklas bei ihr erschien, den sie ganz 
unvornehm anfauchte mit der Frage, ob es denn hier 
üblich wäre, einfach loszugehen und die Gäste sitzen zu 

lassen. Wahrscheinlich müßte man allen hier Manieren 
und Räson beibringen. Dann rauschte sie zornentbrannt ab 
und verfügte sich in ihr Appartement, welches in diesem 
Fall aus einem Zimmer besteht, das nicht zu den besten 
gehört. 
Das bekam am nächsten Vormittag Barbe zu hören, als sie 
durch ein Sturmzeichen zu der ungnädigen Gnädigen 
befohlen wurde, von der sie wissen wollte, ob hier allen 
Gästen nur ein Zimmer zur Verfügung gestellt würde, was 
Barbe bejahte. Darauf verlangte die Frau Oberin ihr 
Frühstück ans Bett, worauf diese Kreatur von Dienerin sich 
erdreistete, den Wunsch abzuschlagen. Leider könnte man 

das hier nicht machen, da die wenige Dienerschaft mit 
Arbeit überlastet wäre. Nun tobte die Frau Oberin los, sie 
würde sich beim Herrn Baron über die Unbotmäßigkeit 
seiner Dienerin beschweren, was diese Dienerin mit 
stoischem Gleichmut hinnahm. Sie sagte noch, daß das 
Frühstück bis zehn Uhr bereit stehe und machte dann die 
Tür von draußen zu.« 
»Das ist ja köstlich«, lachte Uwe. »Hat dann etwa die Frau 
Oberin ihre schlechte Laune an dir ausgelassen?« 
»Ich war ja gar nicht da«, lachte Oda schadenfroh. »Ich war 
mit Winrich zur Försterei geritten, wo ich mir aus dem 

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Wurf junger Dackel den schönsten aussuchen durfte. Doch 
jetzt muß ich eilen, damit ich zum Mittagessen nicht zu 

spät komme. Du weißt ja, daß Winrich Unpünktlichkeit 
verhaßt ist. Also dann adieuchen, ich kehr bald wieder.« 
Sie wirbelte ab, und der Tierarzt sah die Damen der Reihe 
nach an, die betretene Gesichter machten. 
»Was Sie denken, das weiß ich«, lächelte er. »Nämlich, daß 
mein Freund Winrich ein unmanierlicher Mensch und ein 
miserabler Gastgeber wäre. Dem ist aber nicht so. Ich 
kenne im Gegenteil nicht viele Männer, die über so 
tadellose Umgangsformen verfügen und so ritterlich sind 
wie er. Doch dieser anmaßenden Oberin gegenüber muß er 
schon zu rigorosen Maßnahmen greifen, sonst ist er bald 
nicht mehr Herr in seinem Haus. Wahrscheinlich gedenkt 

sie sich da einzunisten.« 
»Das stimmt«, nickte Jadwiga so eifrig, daß ihr Pincenez 
wackelte. »Das hat sie im Stift ausdrücklich betont. Auch 
daß sie den frauenlosen Haushalt straff am Zügel nehmen 
wird.« 
»Eine despotische Dame«, bemerkte Uwe. »Da haben Sie 
und Ihre Stiftsschwestern wohl sehr unter der Despotie zu 
leiden gehabt, gnädiges Fräulein?« 
»O ja. Das heißt, die ersten vier Jahre ihrer fünfjährigen 
Herrschaft war es immerhin noch erträglich. Da gab es den 
Patronatsherrn, der die Oberin scharf in ihre Schranken 
wies, wenn Beschwerden bei ihm einliefen. Doch als er 

starb und das Stift bald darauf zur Auflösung kam, wurde 
es arg, zumal man der Oberin die Auflösung überließ. 
Diejenigen, die sie zu umschmeicheln verstanden, hatten es 
gut. Doch die, die es nicht konnten, für die wurde es ein 
bitterböses Jahr, hauptsächlich für mich«, schloß sie leise, 
und der Arzt sagte grimmig: 
»Das soll sie büßen. Mein Freund wird schon dafür sorgen, 
daß diese Menschenschinderin keinen Oberinposten mehr 
kriegt, überhaupt in keinem Stift mehr unterkommt. Er ist 
nämlich der Präses der Verbindung und hat daher eine 
Menge zu sagen. Im Schloß wird ihres Bleibens auch nicht 

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lange sein, bei den andern Verwandten hat sie sich durch 
ihr hochfahrendes Wesen wahrscheinlich schon längst 

unbeliebt gemacht, also wird sie alleinstehen und von ihrer 
Rente leben müssen, mit der sie bestimmt keine großen 
Sprünge machen kann, wie man so sagt. Und nun dürfen 
Sie mich hinauswerfen, meine Damen. Ich habe hier nichts 
mehr zu suchen, da mein Patient mobil ist. Morgen sehe 
ich wieder nach ihm. Bis dahin: Auf Wiedersehen.« 
Oda hatte es gerade noch geschafft. Allerdings mit Barbes 
Hilfe, die ihr beim Umkleiden half und die Zöpfe frisch 
flocht. Denn unordentliche Menschen waren dem 
Schloßherrn, der selbst auf tadellose Kleidung hielt, ein 
Greuel, schon ganz und gar bei Tisch. Und was er verlangte, 
dem hatte man sich unterzuordnen, da gab es selbst für das 

zärtlich geliebte Schwesterchen kein Pardon. 
Also betrat Oda wie frischgewaschen und geplättet das 
Speisezimmer. Nachdem auch die andern beiden sich 
eingefunden hatten, nahm man am Tisch Platz, und Niklas 
servierte die Suppe, über die sich die Baronesse mit Appetit 
hermachte, während die Gräfin sie ablehnte. 
»Suppe macht dick«, erklärte sie. »Du solltest auch darauf 
verzichten, Oda.« 
»Warum denn? Bin ich etwa zu dick?« 
»Noch nicht. Aber wenn du immer weiter so darauflos ißt, 
wirst du deine zierliche Figur bald einbüßen. Und dann 
solltest du deine Zöpfe abschneiden lassen.« 

»Mitnichten«, warf der Bruder ein. »Odas prächtige Zöpfe 
sind mein ganzer Stolz. Und über ihren Appetit freu ich 
mich. Ein Zeichen, daß sie gesund ist.« 
»Wo warst du überhaupt heute den ganzen Vormittag, 
Oda?« wechselte die Dame rasch das Thema, und artig gab 
die Kleine Auskunft: 
»Ich ritt morgens mit Winrich zur Försterei, wo ich mir 
einen Dackel aussuchen durfte, anschließend ging ich dann 
ins grüne Haus. Zu meiner Überraschung fand ich Uwe 
dort«, richtete sie jetzt das Wort an den Bruder. »Ajax hatte 
sich eine Scherbe in die Pfote getreten, die Uwe entfernte.« 

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»Alles gutgegangen?« 
»Das kannst du dir doch denken, wenn Uwe etwas in die 

Hand nimmt, daß es gut wird.« 
»Wer ist denn dieser Uwe?« wollte die Gräfin wissen. 
»Mein bester Freund.« 
»Aristokrat und Landwirt?« 
»Nein, ein bürgerlicher Tierarzt.« 
»Und wer ist Ajax?« 
»Ein Schäferhund.« 
»Und wer wohnt in dem grünen Haus?« 
»Zwei junge Damen nebst einer langjährigen Angestellten. 
Außerdem befindet sich seit ungefähr drei Wochen dort 
eine Hausgenossin, die dir gut bekannt ist, weil sie sich mit 
dir in demselben Stift befand.« 

»Was, etwa die Schlössen?« 
»Jawohl, die Schlössen«, wiederholte er mit 
unverkennbarer Ironie, was die Frau Oberin noch nervöser 
werden ließ, als sie es ohnehin schon war. »Die 
bedauernswerte Dame wußte nämlich nicht, wohin, 
nachdem das Stift aufgelöst wurde, und da hat die 
Besitzerin des Hauses im grünen Grund sich liebreich ihrer 
angenommen.« 
»Da kann diese was erleben!« lachte die Gräfin auf, es 
klang wie das Krächzen einer bösen Krähe. Ihr gelbliches 
Gesicht wurde weiß vor unterdrückter Wut, die Stimme war 
kehlig, die nun sprach: 

»Die Schlössen ist ein ganz minderwertiger Mensch. Du 
tätest gut, Winrich, dafür zu sorgen, daß sie das Haus 
verläßt.« 
»Ich?« fragte der Mann so erstaunt, als hätte er nicht recht 
gehört. »Wie käme ich denn dazu, einen fremden 
Menschen aus einem fremden Haus zu weisen. Da würde 
die Eigentümerin wohl von ihrem Hausrecht Gebrauch 
machen. 
Und dann gestatte, daß ich dich korrigiere. Fräulein von 
Schlössen ist kein minderwertiger Mensch, sondern ein 
feiner, vornehmer. Ist eine liebe Tante nicht nur für die 

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beiden jungen Damen, sondern auch für Oda.« 
»Aber Winrich, als Beschützer deiner Schwester darfst du 

das doch nicht zulassen«, zeichneten sich zwei kreisrunde, 
rote Recke auf den leicht hervorstehenden Backenknochen 
der erregten Dame. »Du mußt das junge Kind doch von 
jedem schlechten Einfluß bewahren.« 
»Das laß nur meine Sorge sein. Wie kommt es übrigens, 
daß man bei den andern Damen, die das Stift verlassen 
mußten, vorher für Unterkunft gesorgt hatte, nur allein für 
Fräulein von Schlössen nicht? Ich muß mich deswegen 
doch mal an den Verband wenden, dessen Präses ich bin, 
wie du wohl Weißt. Ich fürchte, daß man bei der Auflösung 
des Stifts nicht korrekt vorgegangen ist. Jedenfalls werde ich 
die Sache gründlich untersuchen lassen. Gesegnete 

Mahlzeit.« 
Damit hob er die Tafel auf, eine frostige Verbeugung, dann 
ging er mit Oda davon, die sich in seinen Arm gehängt 
hatte. In der Halle fiel sie ihm um den Hals und küßte ihn 
stürmisch. 
»Winrich, was bist du doch bloß für ein feiner Kerl! Hast 
du gesehen, wie grün ihr Gesicht wurde, als du sagtest, du 
würdest die Sache gründlich untersuchen lassen? Wie Angst 
in ihren Augen aufsprangt und ihre Hände flatterten? Das 
alles muß ich denen im grünen Haus mal gleich erzählen.« 
Weg war sie, und der Bruder sah ihr lächelnd nach. Kleiner 
lieber Sonnenstrahl, dachte er zärtlich, du erhellst meine 

einsamen, düsteren Tage. 
Aber auch derjenige, der soeben hereingelacht kam, war so 
ein richtiger Sorgenbrecher. 
»Na, unsere Oda war nicht wenig in Fahrt«, schmunzelte er. 
»Das Mäulchen sprudelte förmlich über, bei all dem so 
schrecklich Wichtigen, was es zu erzählen gab. So richtig 
klug bin ich daraus nicht geworden, da mußt du schon 
ergänzend eingreifen.« 
Er unterbrach sich und machte eine Verbeugung zu der 
Gestalt hin, die durch die hohe Flügeltür in die Halle trat. 
Wie eine Kassandra wirkend in dem düsteren Gewand, 

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dem auffallend bleichen Gesicht, den flackernden Augen 
und dem verkniffenen Mund. Bevor die beiden Herren sich 

noch regen konnten, war die Gestalt wie ein Schemen 
verschwunden. Man sah noch den Zipfel ihres Gewandes 
auf der Treppe, dann war der Spuk vorbei, und der Baron 
zog den wie erstarrten Freund in sein Arbeitszimmer. Dort 
fragte er, ob ein Schnaps genehm wäre. 
»Her damit!« schüttelte Gunder sich wie ein nasser Hund. 
»Den kann ich gebrauchen nach dem Schreck. Gott in 
deine Hände! Mann, da hast du dir aber mal eine prima 
Ahnfrau zugelegt. Die schwarze Frau von Grünehöh – 
klingt apart. Gib mir noch einen Schnaps – so, jetzt wird 
mir langsam wohler.« 
Sie sahen sich an wie zwei lustige Verschwörer und 

nahmen dann in den tiefen Sesseln am Kamin Platz. Es war 
ein hohes, weites Gemach mit schweren dunklen Möbeln, 
dem der rote, sehr kostbare Smyrna eine lebhafte Note gab. 
Der mächtige, reichgeschnitzte Schreibtisch war mit 
Kontobüchern und Papieren gedeckt, ein Zeichen, daß an 
ihm ernsthaft gearbeitet wurde. 
Nachdem die Herren ihre Pfeifen gestopft und angesteckt 
hatten, gab Swidbörn die Ergänzung zu dem, was dem 
Freund bei der sprudelnden Erzählung Odas entgangen 
war, und dieser sagte pomadig: 
»Schmeiß sie ’raus, das ist der einzige Rat, den ich dir geben 
kann. Aber da du dafür zu vornehm bist, überlaß es mir, 

ich erledige es mit Vehemenz. Die Frau ist ja von einer 
bodenlosen Gemeinheit. Nicht genug, daß sie das 
bedauernwerte Fräulein von Schlössen im Stift geknechtet 
und es hinterher ihrem Schicksal überlassen hat, versucht 
sie jetzt auch noch gegen es zu intrigieren und gute, 
warmherzige Menschen anzugreifen. 
Laß sie das ja nicht in meiner Gegenwart tun, dann hat’s 
aber gebumst. Denn wenn ich empört bin, dann bin ich 
nicht fein.« 
»Hm«, schmunzelte der Freund. »Die aus dem Haus im 
grünen Grund scheinen dir ja sehr ans Herz gewachsen zu 

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sein. Wer am meisten?« 
»Die  Frauke«,  gab  er  unumwunden  zu.  »Sie  hat  so 

entzückende Grübchen, wenn sie lacht. Man könnte diese 
immerzu küssen.« 
»Dann sieh zu, daß dir bald das Recht dazu gegeben wird«, 
riet Winrich, und der andere seufzte. 
»So einfach ist das nicht. Man muß die Mädchen im 
grünen Haus mit einem andern Maßstab messen als die 
meisten. Sie sind wie ein Kräutlein Rührmichnichtan.« 
»Also Mimosen«, bemerkte der Freund trocken. »Dann 
wirst du Draufgänger wohl dein Herz in beide Hände 
nehmen und deine Frauke erst umwerben müssen. Denn 
wie eine reife Frucht fällt dir das zurückhaltende Mädchen 
bestimmt nicht zu.« 

»Würde ich mir auch ernstlich verbitten«, brummte Uwe. 
»So reife Früchte werden bald matschig, das haben wir 
beide ja erfahren müssen.« 
»Kann man wohl sagen. Eigentlich bist du zu beneiden, 
daß du als gebranntes Kind nicht das Feuer scheust.« 
»Ein Zeichen, daß die Flamme nicht gebrannt, sondern nur 
so ein bißchen gesengt hat. Aber ich habe ja auch nicht das 
ausgestanden, was du armer Kerl hast ausstehen müssen.« 
»Was aber nur auf die Nerven ging und nicht aufs Herz.« 
»Na, Gott sei Dank! Wohl selten hinterläßt ein 
Verstorbener so wenig oder gar keine Spuren wie deine 
Selige. Nichts, aber auch gar nichts erinnert hier mehr an 

sie. Versunken und vergessen, mehr hat die Megäre ja auch 
nicht verdient. 
Aber wenden wir uns wieder erfreulicheren Dingen zu. Wie 
gefällt dir die Frauke?« 
»Gut. Ihre Grübchen sind wirklich bezaubernd.« 
»Aber küssen möchtest du sie nicht?« 
»Nein. Soweit geht mein Wohlgefallen nun auch wieder 
nicht.« 
»Gut so, wenn auch unbegreiflich. Denn ein Mädchen wie 
Frauke muß doch jeden Mann betören.« 
»Er ist verliebt, laßt ihn gewähren«, lachte Winrich, und 

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Uwe sah ihn entrüstet an. 
»Lach nicht, die Sache ist mir verflixt ernst. Mit Verliebtheit 

hat das nichts zu tun. Und nun enteile ich, damit du mir 
nicht noch immer tiefer den Dolch deines Spottes ins 
blutende Herz stoßest.« 
Lachend sahen sie sich in die Augen und trennten sich mit 
warmem Händedruck. Ein Freund des andern gewiß, in 
unwandelbarer, ofterprobter Treue. 
Am nächsten Vormittag fand sich der Tierarzt ein, um nach 
seinem maladen Patienten zu sehen, der ihn freundlich 
begrüßte. Gutwillig ließ er sich den Verband abnehmen 
und die Wunde pinseln, die sich fast schon geschlossen 
hatte. Natürlich standen alle herum, einschließlich Oda. 
Selbst Bertchen hatte sich eingefunden. Und alle strahlten, 

als der Arzt die Wunde für so gut wie geheilt erklärte. Was 
dem guten, sonst so fürsorglichen Tierarzt gar nicht recht 
war. Aber wenn er nicht mehr benötigt wurde, dann hatte 
er keinen Grund mehr, hierher zu kommen, was sein 
liebeheißes Herz betrübte. Wenn jedoch das Schicksal zwei 
Menschen füreinander bestimmt hat, dann sorgt es auch 
dafür, daß diese zueinander finden können. Und dazu 
gehört, daß sie sich begegnen, je öfter, je besser. 
Als der Arzt nun den letzten Besuch bei seinem 
vierbeinigen Patienten gemacht hatte und so von Herzen 
traurig das Haus verließ, in dem es ihm doch so gut gefiel, 
stand am Gartentor eine Frau, die ihn aufgeregt empfing. 

»Herr Doktor, ist bloß gut, daß ich Sie hier antreffe. Schon 
zweimal rief ich in der Praxis an. Kommen Sie schnell, 
unsere Kuh ist krank!« 
»Wo wohnen Sie denn?« fragte er, dabei nach der Haustür 
schielend, in der Frauke stand. 
»Schräg gegenüber, jenseits des Baches«, zeigte sie auf ein 
unweites Gehöft. »Wenn wir den Pfad durch den 
Wiesengrund nehmen, kürzen wir uns den Weg erheblich 
ab. Den Wagen können Sie doch hier stehen lassen, nicht 
wahr?« 
» Selbstverständlich«, entgegnete Frauke, die jetzt am 

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Gartentor stand. »Gehen Sie nur, Herr Doktor, auf Ihren 
Wagen passen wir schon auf.« 

»Herzlichen Dank, gnädiges Fräulein. Ich melde mich dann 
wieder zur Stelle.« 
Was eine Stunde später der Fall war. Und da man gerade 
den Nachmittagskaffee trank, mußte Frauke ihn 
höflichkeitshalber dazu einladen, versteht sich. Dankend 
nahm er die Tasse aus der Hand, die er am liebsten 
festgehalten und an die Lippen gedrückt hätte, was 
natürlich nicht anging. Schon gar nicht in Jadwigas und 
Ortruns Gegenwart. Ergo unterdrückte er sein heiß’ 
Verlangen und benahm sich so artig, wie es einem 
guterzogenen jungen Mann geziemt. 
»Was fehlt denn der Kuh?« erkundigte sich Frauke, ihm den 

Teller zuschiebend, auf dem Napfkuchenstücke lagen, 
reichlich mit Mandeln und Rosinen gespickt. Genauso, wie 
seine Mutter ihn gebacken hatte, und Grübchen hatte sie 
auch gehabt. Was Wunder, wenn des Mannes Herz heiß 
und immer heißer wurde, daß ihn die Traulichkeit, die ihn 
an sein Elternhaus erinnerte, immer fester umspann. 
»Herr Doktor, träumen Sie?« klang ein lustiges Lachen auf. 
»Ich habe gefragt, was der Kuh fehlt.« 
»Entschuldigen Sie, gnädiges Fräulein«, lachte nun auch er, 
wenn auch verlegen. »Ich habe wirklich geträumt, bin jetzt 
aber wieder beieinander. Die Kuh, ja, die muß etwas 
eingefressen haben. Zum Glück hatte der Bauer ein 

Gegenmittel zur Hand, das seine Wirkung tat. Hoffentlich 
ist die Sache damit behoben.« 
Sie war aber nicht behoben. Denn kurz nachdem der Arzt 
in seiner Praxis den letzten Vierbeiner abgefertigt hatte, rief 
der Bauer ihn telefonisch zu der kranken Kuh. Und was der 
noch sagte, klang wie Musik in den Ohren des Verliebten. 
»Herr Doktor, Sie müssen aber wieder den Weg durch den 
Wiesengrund nehmen. Denn die Straße, die zu uns führt, 
ist stellenweise aufgerissen. Da kommen Sie mit dem 
Wagen nur langsam voran, und Eile tut not.« 
So konnte es kommen, daß der bekannte Wagen wieder 

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vor dem Haus im grünen Grund hielt, wo Hulda im 
Vorgarten die Blumen goß. 

»Nanu, Herr Doktor, schon wieder hier?« dehnte sie 
befremdet, wurde jedoch wieder freundlich, als der Mann 
ihr das Warum auseinandersetzte. 
»Das ist ja was anderes. Dann gehen Sie man mit Gott für 
das arme Vieh und vergessen Sie nicht, uns Bericht zu 
erstatten.« 
»Mit dem größten Vergnügen«, lachte er sie so strahlend an, 
daß sie stutzig wurde. Und als sie dann Frauke heiß erröten 
sah, als sie ihr von der Begegnung erzählte, da wußte sie 
Bescheid. 
Sieh mal einer die Frauke an, schmunzelte sie in sich 
hinein. Da muß ich schon sagen: Die ist nicht dumm und 

nicht nuscht. Denn einen besseren Mann als den 
Viehdoktor könnte sie ja gar nicht kriegen – und er keine 
bessere Frau. 
Aber was wird dann aus Jadwiga und Ortrun? grübelte sie 
weiter, als sie das Abendessen zubereitete. Daß sie 
hierbleiben, damit wird Gunder wohl nicht einverstanden 
sein. Arme Weibsen! Es wird ihnen bitter ankommen, 
wenn sie von hier fort müssen, wo sie so glücklich sind. 
Und das waren sie wirklich. Das Hans im grünen Grund 
war für sie der Himmel auf Erden. Ortrun prangte nur so in 
ihrer Jugend Maienblüte, aber auch Jadwiga war förmlich 
aufgeblüht. 

Seit gestern hatte sich sogar ihr Äußeres verändert. Bei einer 
ungeschickten Bewegung war ihr das ohnehin wackelige 
Pincenez entglitten und auf dem Steinboden der Terrasse 
zerschellt. Hilflos stand sie da, dem Weinen nahe. Doch 
schon wurde sie von Ortrun umfaßt und lachend getröstet: 
»Mach dir nichts draus, Wigaleinchen. Das Dings hatte 
sowieso schon Altertumswert, und so richtig sehen 
konntest du damit längst nicht mehr. Spazieren wir also 
zum Optiker, wo du dir eine Brille verpassen läßt. Oder 
magst du das nicht?« 
»Das schon. Aber ohne Glas bin ich sehr unsicher, wie soll 

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ich da wohl zum Optiker hinkommen?« 
»Das ist allerdings schwierig. Ein Gefährt steht uns leider 

nicht zur Verfügung, höchstens Michels Handkarre. Nun 
lachst du, das ist lieb. Laß mich mal angestrengt überlegen. 
Halt, ich hab’s!« drückte sie der verblüfften Dame einen 
Kuß auf die Nase und wirbelte ab zum Telefon, wählte die 
Nummer, worauf es denn zu folgendem Gespräch kam: 
»Ach, Sie sind es, Herr Baron?« 
»Ja, warum denn nicht? Was enttäuscht Sie daran so sehr? 
Mit wem habe ich überhaupt…« 
»Mit Ortrun Danz.« 
»Ah, denn mal schönen guten Tag, gnädiges Fräulein. Wen 
wollen Sie sprechen?« 
»Oda.« 

»Die ist leider nicht da. Reitet mit dem Oberinspektor über 
Land.« 
»Wie schade! Sie sollte mir nämlich helfen. Ich brauche ein 
Auto – das heißt, ich nicht, sondern Fräulein von 
Schlössen, und nun kann sie nicht – und nun weiß ich 
nicht… Entschuldigen Sie, Herr Baron.« 
»Halt, gnädiges Fräulein, nicht auflegen!« hinderte die 
lachende Männerstimme sie daran, das Gespräch zu 
beenden. »Ich glaube nämlich, aus Ihrem kläglichen 
Gestammel dennoch klug geworden zu sein. Sie wollten 
Oda bitten, im Auto zu Ihnen zu kommen, stimmt’s?« 
»Ja.« 

»Aber sie hat doch noch gar nicht den Führerschein mit 
ihren sechzehn Jahren.« 
»Das weiß ich. Doch ich hoffte, daß sie in Begleitung des 
Chauffeurs. Oder habe ich da zuviel verlangt?« 
»Keineswegs, gnädiges Fräulein. Diese Gefälligkeit hätte 
Oda Ihnen mit Freuden erwiesen. Wozu benötigen Sie 
denn einen Wagen?« 
»Um ins Dorf zum Optiker zu fahren, Fräulein von 
Schlössen hat ihr Augenglas zerschlagen und ist nun 
hilflos, kann so gut wie nichts sehen.« 
»Danke, das genügt mir. Ich bin so schnell wie möglich zur 

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Stelle.« 
»Bitte nicht!« rief Ortrun in die Muschel. Doch zu spät, 

drüben war bereits abgehängt. 
Bestürzt legte sie die Handflächen gegen die heißen 
Wangen und ging zur Terrasse zurück, wo sich mittlerweile 
Frauke eingefunden hatte, der Jadwiga soeben von ihrem 
Malheur erzählte. Und als sie von Ortrun hörte, was diese 
sich geleistet hatte, sagte sie vorwurfsvoll: 
»Mädchen, wie konntest du nur den Mann bemühen. Er ist 
uns doch so gut wie fremd.« 
»Ich wollte das ja gar nicht«, bekannte Ortrun kläglich. »Ich 
wollte Oda an den Apparat haben, um sie zu bitten, den 
Chauffeur mit dem Wagen herzuschicken. Daß der Baron 
an dem Fernsprecher sein würde, damit habe ich nicht 

gerechnet. Außerdem ist Oda nicht zu Hause. Sie ist mit 
dem Oberinspektor über Land geritten. Da habe ich mit 
meinem spontanen Anruf ja was Schönes angerichtet.« 
»Nun, so schlimm ist es auch wieder nicht«, beschwichtigte 
Frauke. »Der Herr Baron hat sich ja erboten, 
herzukommen, tut es somit nicht gezwungenermaßen. 
Halt, Tante Jadwiga, wo willst du hin?!« 
»Mantel, Hut und Handtasche holen.« 
»So ein Leichtsinn! Als ob wir das nicht könnten.« 
»Aber ich möchte doch keinen bemühen.« 
»Sieht dir nämlich ähnlich. Bleib du ja in deinem Sessel, so 
unsicher wie du ohne Augenglas bist. Hol die Sachen, 

Ortrun, und halt auch du dich bereit, damit der Herr Baron 
nicht noch warten muß. Denn wie wir von Oda wissen, ist 
ihm Unpünktlichkeit verhaßt.« 
Also beeilte man sich und war gerade bereit, als Swidbörn 
erschien. Nun er Jadwiga, die er ja zum ersten Mal 
erblickte, dastehen sah, mit dem ängstlichen, wie um 
Verzeihung bittenden Blick, wurde es ihm erst so recht 
bewußt, wie unerhört diese hilflose Stiftsdame von der 
despotischen Oberin schikaniert worden war. Und wenn er 
diese Dame bisher nicht geschätzt hatte, so stieg jetzt in 
ihm Verachtung zu ihr auf. Mit einem warmen Blick, den 

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man diesen hellblitzenden Augen kaum zugetraut hätte, 
verneigte er sich vor Jadwiga. 

»Da bin ich, gnädiges Fräulein. Verfügen Sie über mich.« 
»Bitte, Herr Baron, ich bin nicht daran gewöhnt, daß man 
meinetwegen Umstände macht.« 
»Dann wird es dazu aber Zeit, will ich meinen. Wie ich 
hörte, wollen Sie mit Fräulein von Schlössen zum 
Optiker?« wandte er sich jetzt Ortrun zu. 
»Ganz recht, Herr Baron. Das heißt, wenn er ohne 
vorherige ärztliche Untersuchung eine Brille zupassen 
kann.« 
»Ohne weiteres. Er ist nicht nur Optiker, sondern auch 
Augenarzt.« 
»Na, siehst du, Tante Jadwiga> da kommst du in 

fachmännische Behandlung. Stütze dich fest auf meinen 
Arm, dann kann dir nichts passieren!« 
Auch Frauke hielt ihr den Arm hin. So treulich geführt, 
gelangte Jadwiga zum Auto, wo man sie im Fond verstaute, 
während Ortrun neben dem Führersitz Platz nahm. 
Warum sie dabei Herzklopfen hatte, wußte sie selbst nicht. 
Scheu huschte ihr Blick zu dem Mann hin, der ihr so 
hoheitsvoll vorkam, so herrisch und unnahbar. Das stolze 
Antlitz erschien ihr wie aus Erz gegossen, die Augen 
verglich sie mit blitzenden Kieseln. Die nervigen Hände, 
die das Steuerrad hielten, ließen wohl nicht mehr los, was 
sie einmal gepackt hatten. An der Linken glänzte der 

schwergoldene Wappenring, der Ringfinger der Rechten 
war leer. 
Ortrun hätte keine Ahnung, daß 4er Mann sie beobachtete. 
Konnte sich daher das Lächeln nicht erklären, das plötzlich 
seinen hartgeschnittenen Mund umzuckte. Nur gut, daß sie 
keine Gedanken lesen konnte. 
Als Jadwiga neu bebrillt zum Auto ging, tat sie das so 
sicher, wie schon lange nicht mehr. 
»Herzchen, ich kann ja jetzt erst so richtig sehen«, sagte sie 
beglückt zu Ortrun, als man vor dem Wagen stand, in dem 
der Baron bereits wartend saß, nachdem er einige 

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Besorgungen gemacht hatte: »Und das danke ich dir, du 
liebes, gutes Kind.« 

»Nichts da, Tante Jadwiga«, lachte das Mädchen. »Der Dank 
gebührt deinem Pincenez, das Mitleid mit dir hatte, als es 
am Fliesenboden sein bejahrtes Leben aushauchte. Wenn 
du durch die altersschwachen Gläser so schlecht sehen 
konntest, warum hast du dich so lange damit 
herumgequält?« 
»Weil ich dachte, es muß so sein. Außerdem trenne ich 
mich so schwer von meinen Sachen.« 
»Bis sie sich selbst in Wohlgefallen auflösen«, bemerkte 
Ortrun trocken. Als sie nach Hause fuhren, sagte Jadwiga 
aufgeregt: 
»Nun habe ich doch tatsächlich vergessen, die Brille samt 

der Untersuchung zu bezahlen – oder doch?« 
»Doch, Tante Jadwiga«, bemühte Ortrun sich, harmlos zu 
tun. »Hast du denn vergessen, daß du mir dein 
Portemonnaie zur Begleichung der Rechnung übergabst?« 
»Ja, jetzt besinne ich mich wieder. Hat denn das Geld auch 
gereicht?« 
»O ja. Es ist sogar noch was übriggeblieben. Die Quittung 
findest du im Geldtäschchen.« 
Das stimmte. Nur daß der Betrag auf den Belegen erheblich 
reduziert war. Der Arzt hatte sofort geschaltet, als Ortrun 
ihn bat, der weltfremden Dame ein X für ein U zu machen. 
Aber bei dem Mann an ihrer Seite gelang ihr das nicht. 

Errötend senkte sie den Kopf unter seinem forschenden 
Blick. Mußte jedoch lachen, als er die Melodie aus 
Lortzings »Zar und Zimmermann« vor sich hin pfiff: Ja, ich 
bin klug und weise, und mich betrügt man nicht. 
Damit endete die Fahrt. Der Wagen hielt und ihm entstieg 
eine Jadwiga mit strahlendem Gesicht. 
»Frauke, Hulda, Michel, Ajax, ich kann wunderbar sehen«, 
verkündete sie glückselig denen, die herbeigeeilt waren – 
und alle freuten sich mit ihr. Selbst der Hund blaffte 
freudig auf und brachte den Schwanz in stürmische 
Bewegung. 

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Dem Baron wurde es warm ums Herz. Nur ungern schlug 
er Fraukes Aufforderung ab, näherzutreten. Doch er mußte 

zu einer wichtigen Unterredung, und Pflicht ist nun einmal 
Pflicht. Er bat jedoch ein andermal vorsprechen zu dürfen, 
was ihm gern gestattet wurde. 
Einige Tage später hatte Jadwiga Geburtstag, den die beiden 
Mädchen dazu benutzten, ihr eine kleine, aber gediegene 
Aussteuer zu schenken. Fassungslos stand das 
Geburtstagskind vor dem reichen Gabentisch, auf dem 
Kleidungsstücke lagen, die aus der altmodischen Dame 
eine vornehme Erscheinung machten, die den Tierarzt, der 
um den Geburtstag wußte, und mit einem Strauß 
Frühlingsblumen anrückte, überraschte. 
»Oha, hier kann man wirklich sagen, daß Kleider Leute 

machen«, raunte er Frauke zu, die so allerliebste Grübchen 
zeigte, daß er rasch von ihr wegtrat und dem 
Geburtstagskind mit vielen guten Wünschen den Strauß 
überreichte. Daß er zum Kaffee blieb, war jetzt schon 
selbstverständlich. 
Man konnte den Kaffee gerade noch trinken, da kam im 
wahrsten Sinne des Wortes ein Blitz aus heiterem Himmel. 
Es gelang gerade noch, sich und die Sachen in Sicherheit zu 
bringen, da tobte auch schon ein heftiges Gewitter los, das 
so plötzlich abzog, wie es gekommen war. Das heißt, der 
Himmel blieb wolkenverhangen, und der Platzregen war in 
sachten Regen übergegangen, der die lange durstende 

Natur wunderbar erquickte. 
Man hatte sich im Salon niedergelassen, weil da der 
Stutzflügel stand, an den Ortrun heran mußte, ob sie 
wollte oder nicht. 
»Warum gerade ich«, brummte sie. »Es sind ja noch vier 
andere da.« 
»Meinen Sie mich auch damit?« fragte Uwe schmunzelnd. 
»Dann muß ich Ihnen sagen, gnädiges Fräulein, daß ein 
Klavier für mich ein Dreschkasten ist. Und wenn ich meine 
Stimme erschallen lasse, rasen bestimmte Bertchen und 
Michel herbei, weil sie annehmen, daß ich jämmerlich 

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nach Hilfe schreie.« 
Da mußte Ortrun mit den andern lachen und bequemte 

sich endlich zum Spiel. Placierte sich, während Frauke die 
Kerzen in dem Leuchter anzündete, der auf dem Flügel 
stand. Man suchte sich bequeme Plätze, bis auf Oda. Die 
kauerte sich auf ein Fußkissen und legte das Gesichtchen 
auf das Seitenende des Instruments. Die langen Zöpfe 
berührten den Boden, in den Augen spiegelte sich der 
Schein der Kerzen, genauso wie in denen Ortruns, die das 
aufgestellte Notenbuch zuklappte und dann leise zu 
präludieren begann. Allmählich wurden die Töne sicherer, 
reihten sich wie Perlen aneinander – und dann erklang 
Mozarts »Romanze« so zart und süß, daß sie die Zuhörer in 
ihren Bann zog. 

Auch den Mann, der in der Tür stand. Als Frauke ihn 
bemerkte, winkte er ab, trat leise näher, legte der 
überraschten Jadwiga einen Strauß erlesener Blüten in den 
Schoß und setzte sich in den Sessel, den Frauke ihm mit 
einer Handbewegung zuwies. 
Sein Blick hing an der Spielerin, deren feines Gesicht ihm 
im Profil zugekehrt war. Über das leichtgeneigte Köpfchen 
huschte der Schein der Kerzen, ließ das einzigschöne 
Gelock aufsprühen in metallischem Glanz. Tändelnd 
huschten die zarten Finger über die Tasten, ihnen Töne 
entlockend, die aus einer Äolsharfe zu kommen schienen. 
Dann ging des Mannes Blick zu der Schwester hin, die 

regungslos in ihrer hockenden Stellung verharrte und wie 
entrückt den süßen Tönen lauschte. 
Und draußen zog die Dämmerung herauf, legte ihre Flügel 
sachte über die vom Regen erquickte Natur. Der 
berauschende Duft der blühenden Blumen und Sträucher 
strömte durch die geöffneten Fenster in das Gemach, wo 
jetzt eine süße, verhaltene Stimme von Lenz und Liebe 
sang, von Glückseligkeit und roten Rosen. Die Herzen der 
lauschenden Menschen öffneten sich weit. 
Lenzesgebot – o süße Not! 
Vier junge Herzen mußten sich in dieser einmaligen Stunde 

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diesem Gebot beugen. 
Als Spiel und Gesang verklang, war es zuerst einmal still. 

Oda erhob sich, trat zu Ortrun und drückte ihre Lippen auf 
die weiche Wange, dann ein abgrundtiefer Seufzer: 
»War das schön. Ich wünschte, ich könnte so spielen und 
singen wie du.« 
Das wünschte auch der Bruder – und noch mehr. Daß 
seine kindliche Schwester so werden möchte wie dieses 
bezaubernde Menschenkind. Es war das größte 
Kompliment, das er zu vergeben hatte. Schade, daß er es 
nicht aussprechen durfte. 
Auch nicht über die Veränderung, die sozusagen über 
Nacht mit Jadwiga vor sich gegangen war. Und das hatten 
sie zuwege gebracht, die beiden Mädchen aus dem Haus im 

grünen Grund. 
Und was sagte sein Freund Uwe dazu? Der mußte sein Herz 
krampfhaft festhalten, damit es ihm nicht durchging. Aber 
bald würde es das tun – und dann? 
Es waren dieselben Gedanken, wie Hulda sie hegte. Was 
wurde dann aus dem alten und dem jungen Fräulein, die 
hier ein so trautes Zuhause fanden? Wohl würde Uwe, 
soweit Winrich ihn kannte, die’ beiden sozusagen 
mitheiraten, aber es konnte dann nicht mehr so sein, wie es 
jetzt war. 
Denn jetzt gehörte ihnen die reizende Frauke ungeteilt. 
Doch mit dem Moment, wo Uwe Rechte an sie haben 

durfte, würde ihr Herz so ausgefüllt sein, daß die andern 
sich nur mit kläglichen Resten begnügen mußten. 
Arme Ortrun, dachte er traurig. Arme Jadwiga. 
Als hätte er sie gerufen, trat diese nun auf ihn zu. 
»Ich möchte mich für die herrlichen Blumen bedanken, 
Herr Baron. Ach, ich bin ja so glücklich, so liebe Menschen 
und ein so wunderschönes Zuhause gefunden zu haben.« 
Das gab dem Mann einen Stich ins Herz. Tief neigte er sich 
über die feine Hand und sagte herzlich: 
»Alles nur denkbar Gute wünsche ich Ihnen für das neue 
Lebensjahr, gnädiges Fräulein.« 

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»Danke, Herr Baron. Hier kann es mir gar nicht anders a^ls 
gutgehen.« 

In dem Moment schlug der Gong an, worauf der Gast sich 
verabschieden wollte, was Frauke unterband. 
»Daraus wird nichts, Herr Baron. Kommen Sie nur, es gibt 
was Gutes!« 
»Wovon ich überzeugt bin, gnädiges Fräulein. Aber…« 
»Kein Aber! Sie bleiben und damit holla!« 
Da blieb er und fühlte sich äußerst wohl in dem 
gemütlichen Kreis. Wenn er dabei an sein Zuhause dachte, 
tat ihm das Herz weh. Ein Glück, daß Oda hierher flüchten 
konnte, wenn ihr in dem kalten, öden Schloß traurig 
zumute war. Hier fand sie alles, was ein junges 
Menschenkind brauchte, Lachen, Frohsinn und offene 

Herzen. 
Nach dem Abendessen, das wirklich delikat war, ging man 
hinüber in die Bibliothek, wo im Kamin ein helles Feuer 
loderte. 
»Hulda machte es, während wir aßen«, erklärte Frauke. 
»Nach dem Regen hat es sich draußen erheblich abgekühlt, 
und ohne Feuer wäre es hier direkt kalt. Bitte, meine 
Herrschaften, sich zwanglos zu gruppieren. Für einen guten 
Trunk werden unsere beiden Jüngsten sorgen.« 
»Sekt?« fragte Oda erwartungsvoll. 
»Jawohl. Geht nur zu Hui da, da steht alles bereit.« 
Vergnügt trollten sie ab und als sie wiederkamen, schob 

Ortrun den Servierwagen vor sich her, auf dem außer 
Gläsern ein Kühler stand, aus dem zwei Hälse verlockend 
ragten. Zwei weitere Flaschen trug Oda, die Uwe natürlich 
wieder necken mußte. 
»Wirst du die auch schaffen, Fips?« 
»Diese Bezeichnung verbitte ich mir!« 
»Herrje, verzeih, du bist ja eine junge Dame von Stand.« 
»Und du ein junger Mann von Unverstand!« 
Somit hatte sie die Lacher auf ihrer Seite. Zufrieden setzte 
sie sich neben Ortrun, Uwe ließ den Pfropfen knallen, 
füllte die Gläser, dann trank man auf das Wohl des 

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Geburtstagskindes. Daß Uwe die reizende Frauke dabei so 
eigen ansah und sie unter dem Blick heiß errötete, 

bemerkte nur Winrich. Die andern waren zu sehr mit dem 
prickelnden Getränk beschäftigt, das wie ein heißer Strom 
durch die Adern floß. 
»Na, du hast vielleicht einen Zug«, lachte Ortrun das 
Baroneßchen an. »Dein Glas ist ja leer.« 
»Ach was, man muß die Gelegenheit wahrnehmen. Wer 
weiß, wann ich mich mal wieder einmal so köstlich laben 
kann.« 
»Und wenn du einen kleinen Schwips kriegst?« 
»Dann ist der Fips blau.« 
»Ei, Uwe, ärger mich nicht. Ich hab einen schlechten 
Rausch. Sag doch selbst, Ortrun, ist das nicht ein gräßlicher 

Mensch?« 
»Nein, ich finde ihn sehr nett.« 
»Herzlichen Dank, gnädiges Fräulein!« hob er ihr lachend 
das Glas entgegen. »Dafür eröffne ich beim Schützenfest 
mit Ihnen den Tanz.« 
»Schützenfest?« fragte Oda mit blanken Augen. »Wann ist 
es denn?« 
»Sonntag.« 
»O wie schön! Wir gehen doch hin, Winrich?« 
»Als Ehrenmitglied wird mir wohl nichts anderes 
übrigbleiben – trotz der Trauer.« 
»Ach was, Trauer.« 

»Oda!« 
»Verzeih!« senkte sie verlegen das Köpfchen. »So darf ich 
gar nicht tanzen?« 
»Doch, das darfst du.« 
»Da freu ich mich aber«, strahlte sie schon wieder. »Ihr 
kommt doch auch zu dem Fest?« 
»Ehrensache«, antwortete Uwe. »Grün sind die Schützen 
und grün sind die Damen. 
Ich meine doch das Haus!« schrie er in das ausbrechende 
Gelächter hinein. »Wie kann man mich nur so 
mißverstehen.« 

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»Na?« zweifelte Ortrun mit schiefgelegtem Köpfchen. Sie 
sah dabei so entzückend aus, daß Oda sie ganz verdutzt 

ansah. 
»Hör mal, du bist vielleicht hübsch. Wenn das so 
weitergeht, was soll das bloß noch werden.« 
»Erst einmal eine Schützenprinzeß«, schmunzelte Uwe. 
»Nicht wahr, gnädiges Fräulein, das wäre doch was.« 
»Ich weiß ja gar nicht, was das ist.« 
»Sie werden ausgelost.« 
»Wie abscheulich!« unterbrach sie ihn empört. »Ich bin 
doch keine Schachtel, keine Wurst, keine Gans. Ja, warum 
lacht ihr denn so unbändig? So was kommt doch immer 
zur Verlosung.« 
»Goldige, wenn du wüßtest, wie reizend du bist in deinem 

Zorn«, wischte Frauke sich die Lachtränen aus den Augen, 
und Ortrun brummte: 
»Schützenprinzeß, so ein Unsinn. Unter ähnlichem habe 
ich schon im Töchterheim genug zu leiden gehabt. Mich 
hatte man immer am Bändel, wenn etwas vorgeführt oder 
vorgetragen wurde. Und bei der Tanzstunde war ich 
diejenige, der man am meisten auf die Füße trat.« 
Da mußte man wieder über sie lachen, und Uwe raunte 
Frauke zu: 
»Sie ist wirklich eine Goldige, die Kleine.« 
»Das ist sie«, flüsterte Frauke zurück. »Dabei wird sie 
schöner mit jedem Tag.« 

»Nun, Sie können sich wahrlich auch nicht beklagen«, 
umfaßte er sie mit einem bewundernden Blick. »Wie mir 
ein Bekannter erzählte, soll der Gemeindevorsteher einmal 
gesagt haben: Es blühen zwei köstliche Blumen im Garten 
vom grünen Grund.« 
»Bitte, Herr Doktor!« 
»Na ja, ich bin schon still«, seufzte er, und da wandte sie 
sich hastig ab, Jadwiga zu. 
»Ist’s schön so?« fragte sie leise. 
»Ach Kind, fast zu schön um wahr zu sein. Gott segne das 
Haus im grünen Grund!« 

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Als Baron Swidbörn und seine Schwester kurz nach zehn 
Uhr die Halle des Schlosses betraten, lachte ihnen Barbe 

vergnügt entgegen, und auch Niklas schmunzelte in sich 
hinein. 
»Sie ist weg«, platzte erstere schon heraus, bevor die 
Angekommenen noch eine Frage stellen konnten, setzte 
dann jedoch schuldbewußt hinzu: »Ich meine die Frau 
Gräfin Warl.« 
»War die denn hier?« 
»Sehr wohl, Herr Baron«, sprach nun der Diener, nachdem 
er seiner Ehehälfte einen verweisenden Blick zugeworfen 
hatte. »Die Frau Gräfin erschien in einem Mietauto, das 
draußen wartete, bis die Frau Gräfin gepackt hatte und 
wieder abfuhr. Mit Verlaub zu sagen, ging das alles Hals 

über Kopf.« 
»Da schlag einer lang hin«, verfiel Baroneßchen verblüfft in 
Michels Redewendung, und der Bruder fragte: 
»Hat die Frau Gräfin denn nicht gesagt, warum dieser 
überstürzte Aufbruch sein mußte?« 
»Nein, Herr Baron.« 
»Merkwürdig.« 
Damit war für ihn die Sache vorläufig abgetan, aber nicht 
so für das neugierige Schwesterlein. Das fragte Barbe, die 
ihm beim Auskleiden half, so richtig aus, wollte alles ganz 
genau wissen, was nun doch wirklich interessant war. 
Nachdem die Frau Gräfin hier einige Tage verweilte, wie 

eine gekränkte Königin, begab sie sich auf eine kurze Reise, 
wie sie dem Gastgeber gnädig erklärte. Hatte ihn um ein 
Gefährt »ersucht«, das sie zur Bahn brachte. Dann erschien 
sie hier ganz unerwartet in einem Mietauto, packte Hals 
über Kopf und fuhr ab? Wenn das nicht interessant war! 
»Rasch, erzähle, Barbe!« und die erzählte: 
»Es war so gegen neun Uhr, als die Frau Gräfin hier 
plötzlich auftauchte, schwarz und düster wie ein Gespenst. 
Sie jagte damit sogar Niklas einen Schreck ein, was ja nun 
nicht oft vorkommt. Nachdem uns die Dame einen 
vernichtenden Blick zugeworfen hatte, rauschte sie nach 

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oben und rumorte dort herum, bis ein Sturmklingeln uns 
zu der Gnädigsten beorderte. 

Tragt das Gepäck ins Auto!« herrschte sie uns an, rauschte 
davon und fuhr dann ab. 
»Wann war das?« 
»Kurz bevor Sie eintrafen, Baroneßchen.« 
»Na so was. Was mag die hur in die Flucht gejagt haben?« 
Das sollte man am nächsten Tag erfahren. Die Geschwister 
saßen gerade beim Frühstück, das sie am Sonntag länger 
auszudehnen pflegten, weil er ein Ruhetag für den rastlos 
arbeitenden Mann war, als ein Anruf aus dem Dorothea-
Stift kam. Die Oberin war am Apparat, die den Neffen, der 
das Gespräch entgegennahm, munter begrüßte: 
»Guten Morgen, mein Junge! Das Leben noch frisch?« 

»Meins schon, Tante Herma, und deins?« 
»Ich bin kreuzfidel. Hast du Zeit?« 
»Für dich immer.« 
»Hört man gern. Komm her und bring das Firlefänzchen 
mit! Ich habe schon so richtige Sehnsucht nach euch. Doch 
vorher die Frage: Ist die Gräfin Warl im Haus? Wenn ja, 
dann schmeiß sie raus!« 
»Aber Tante Herma«, lachte er herzlich und erzählte dann, 
was sich gestern in seiner und Odas Abwesenheit hier 
zugetragen hatte, worauf die kurzangebundene Dame 
befriedigt sagte: 
»Das ist gut, da bleibt dir noblem Kerl eine 

Unannehmlichkeit erspart.« 
»Tante Herma, ich bin ein einziges Fragezeichen.« 
»Komm her, dann biege ich dich wieder gerade!« 
Lachend wurde abgehängt und zehn Minuten später fuhren 
die Geschwister dem Dorothea-Stift zu, das zwölf 
Kilometer entfernt lag und daher bald erreicht war. Das 
Gebäude glich einem Gutshaus, zumal die Vorderfront 
dem Hof zu lag mit seinem ländlichen Betrieb, während 
die Rückfront zum Park zeigte. 
Es war auch tatsächlich ein kleines Gut, das zur Herrschaft 
Grünehöh gehörte. Es hatte jedoch eine eigene Verwaltung, 

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die fest in den Händen eines kernigen Inspektors lag. Die 
Einnahmen flossen in die Stiftskasse und waren nicht 

unbeträchtlich. 
Als das Auto hielt, sah man hinter den Fenstern lachende 
Gesichter, die dem beliebten Geschwisterpaar herzlich 
zunickten. Es ließ sich jedoch niemand unten sehen, da die 
Damen wußten, daß der Besuch der Oberin galt, die ihn 
dann auch in Empfang nahm. Eine Dame, die man mit 
vornehm bezeichnen konnte. Die zierliche Gestalt wirkte 
direkt mädchenhaft, das Gesicht zeigte unverkennbar die 
geborene Swidbörn, gleichfalls 4ie leichtangegrauten 
blonden Haare und die blauen Augen. Daß sie eine 
Blutsverwandte der Geschwister war, sah man auf den 
ersten Blick. 

Eine charmante Dame, die Gräfin Attbach, klug, geistreich, 
gewandt und mit Sinn für Humor, weil sie selbst welchen 
besaß. Eine Oberin, wie sie sein soll. Liebenswürdig, 
gerecht, nachsichtig da, wo es angebracht war, 
unnachsichtig bis zur Härte, wenn es um Übeltäter ging. 
Sie wurde von ihrer Schar, wie sie die Stiftsdamen nannte, 
sehr verehrt. 
»Da seid ihr ja«, begrüßte sie die Geschwister herzlich. 
»Siehst noch vergrämt aus, Junge, aber das wird sich schon 
geben, nun du dein Kreuz los bist. Und was ist mir dir, 
Firlefänzchen? Was ist nun mehr gewachsen bei dir, das 
Figürchen oder die Zöpfe?« 

»Beides«, lachte Oda, die Dame stürmisch umhalsend. 
»Wie schön, dich wiederzusehen nach dieser schrecklich 
langen Trennung.« 
»Ja, mein Herzchen, zuerst die Krankheit, hinterher die Kur 
im Badeort, das macht schon etliche Wochen aus. Kommt 
weiter!« 
Es war ein vornehmes Gemach, das sie aufnahm. Jeder 
Gegenstand darin war gediegen und wertvoll. Man nahm 
Platz und Oda wurde ein Teller zugeschobert, dessen Inhalt 
ihr Leckermäulchen entzückte. Doch jetzt griff die Kleine 
noch nicht zu, jetzt hingen ihre Augen fragend an dem 

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feinen Antlitz der Tante, die ihr dann auch den Gefallen 
tat, mit ihrem Bericht zu beginnen. 

»Also erst einmal vorweg, daß die Gräfin Warl hier im Stift 
war. Da staunt ihr, was?« 
Oda tat’s, doch der Bruder sagte lächelnd: 
»So ungefähr habe ich mir das gedacht. Denn der Brief, den 
sie mir schrieb, bevor sie bei uns erschien, ließ 
durchblicken, daß sie sich dem Wahn hingab, hier Oberin 
zu werden. Deshalb war sie hier, um die Lage zu peilen.« 
»Junge, ich staune über deine Kombinationsgabe. Sie war 
tatsächlich deshalb hier. Kam die ›liebe, gute Freundin‹ 
besuchen, um sich nach ihrem Wohlergehen zu 
erkundigen.« 
»Wer ist denn die liebe gute Freundin?« 

»Baronesse Saiten.« 
»Ausgerechnet dieser feine, vornehme Mensch?« 
»Jawohl, ausgerechnet. Der gegenüber hat sie durchblicken 
lassen, daß du dich mit dem Gedanken trägst, mich meiner 
Gebrechlichkeit wegen hier abzusetzen und sie mit dem 
Posten der Oberin zu betrauen, was mir natürlich 
brühwarm hinterbracht wurde. Damit hätte diese Person ja 
eigentlich rechnen müssen, aber dafür ist sie wohl zu 
dumm.« 
»Das ist sie«, bekräftigte Winrich. »Sonst hätte sie 
unmöglich so bornierte Behauptungen aufstellen können, 
nachdem ich ihr deutlich zu verstehen gab, daß man bei 

der Auflösung des Anna-Stifts wohl nicht korrekt 
vorgegangen sein könnte und ich die Sache untersuchen 
lassen werde.« 
»Aha! Nun, das erzähle ich später. Also meine gute Saiten 
war zutiefst empört. Sie bat mich inständig, sie doch von 
dieser üblen Intrigantin zu befreien, mit der sie vor Jahren 
mal auf einer Gesellschaft zusammentraf. Eine Anmaßung 
von der Person, sie nicht nur Freundin zu nennen, sondern 
sie gar noch im Stift aufzusuchen und sie in einer infamen 
Art zu blamieren. 
Nun, so tauchte ich denn auf. Man sagt mir nach, daß 

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meine Worte zuzeiten schneiden können wie spitze Messer, 
was ich dir übrigens vererbt zu haben scheine, mein Sohn. 

Und die Worte schnitten so sehr, daß sie dieser üblen 
Person sozusagen die bösartige Zunge abschnitten. Ich rief 
sofort Grünehöh an, um dir diese skandalöse 
Angelegenheit zu unterbreiten, doch du warst mit Oda im 
Haus im grünen Grund, wie mir Niklas sagte, und ehe wir 
uns so recht versahen, war die Warl verschwunden. Machte 
sich deine Abwesenheit zunutze, um klammheimlich zu 
verschwinden, weil sie auch noch dein Strafgericht 
fürchtete. 
Übrigens habe ich ihr absichtlich in Anwesenheit meiner 
Schar den Standpunkt klargemacht. Sie sollte so blamiert 
werden, daß man mit Fingern auf sie zeigt. Kein Stift darf 

diese gemeingefährliche Person mehr aufnehmen, dafür 
müssen wir sorgen, mein Junge.« 
»Und dabei weißt du noch nicht einmal, wie 
gemeingefährlich sie ist«, sagte der Neffe und erzählte dann 
von Fräulein von Schlössen, von dem grünen Haus, in dem 
die Ausgestoßene so liebevolle Aufnahme fand. Und als er 
von den Menschen dort zu sprechen begann, unterbrach 
ihn das Schwesterlein, weil es das Zünglein nun wirklich 
nicht länger zügeln konnte. Alles bis ins kleinste bekam die 
gute Tante Herma zu hören, die sich dann auch einen Vers 
darauf machte, über das Ausgesprochene und das 
Unausgesprochene. Um das zu ergründen, sagte sie 

lachend: 
»Nach deiner Begeisterung zu schließen, muß es ja ein ganz 
phänomenales Haus sein, das Haus im grünen Grund. Das 
muß ich mir unbedingt einmal ansehen und werde mich 
daher nächstens auf dem Schloß meiner Ahnen einfinden.« 
»Wirklich, Tante Herma? Da freu ich mich aber. Du bleibst 
doch lange?« 
»Ich weiß zwar nicht, was du unter lange verstehst, aber ein 
Weilchen kann es schon sein, da ich in der Baronesse 
Saiten jetzt eine gute Vertretung gefunden habe, wie sie 
während meiner Krankheit und anschließenden 

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Erholungszeit unter Beweis stellte. Und nun kommt, damit 
ich euch meiner Schar offerieren kann, die schon 

sehnsüchtig darauf wartet, ihre Lieblinge begrüßen zu 
können.« 
Hell und klar stieg der Sonntag herauf, der das mit 
Ungeduld erwartete Schützenfest bringen sollte; denn das 
Schützenfest ist in einem Dorf das größte und beliebteste 
Fest des Jahres. Alles, was nur zwei gesunde Beine hat, 
findet sich auf dem weiten Gelände ein, auf dem das 
schmucke Schützenhaus steht. Auf dem etwas abseits 
liegenden großen Platz sind Buden aufgestellt, Karussells 
und so weiter. Man kann im Schützenhaus tanzen, im Zelt 
oder auf der Tanzfläche unter freiem Himmel. Überall 
spielen Kapellen, und auf dem Platz dudelt Karussellmusik. 

Die Damen glänzen in schicken Kleidern, die Herren in 
feschen Anzügen und die Mitglieder der Schützengilde in 
der schmucken Uniform. Es wird scharf darauf geachtet, 
wer von den Honoratioren da ist. Wer nicht da ist, dem 
wird das sehr übelgenommen. 
Am Vormittag sind die von der Gilde, bis auf neugierige 
Zuschauer, unter sich. Da wird nach der Scheibe 
geschossen, der Schützenkönig wird gewählt, der sich 
wiederum seine Königin erkürt, die mit der Krone 
geschmückt und mit Ketten behängt wird, wobei der 
»königliche Gemahl« auch nicht zu kurz kommt. Dann 
werden beide becourt, beehrt und dürfen ihr Portemonnaie 

weit aufmachen. 
Daß das höchste Ehrenmitglied der Gilde trotz seiner 
Trauer zugegeben war, wurde ihm hoch angerechnet. 
Schneidig sah er aus, in der schmucken Uniform, 
gleichfalls sein Intimus, der Tierarzt. Beide beliebte und 
hochgeachtete Persönlichkeiten, gewissermaßen die Elite 
des Dorfes. 
Um zwei Uhr ging dann der Rummel erst richtig los. Da 
konnte man wohl sagen: Strömt herbei, ihr Völkerscharen. 
Arm und reich, jung und alt, dick und dünn, alles war 
reichlich vertreten, darunter auch Feriengäste. Alle waren 

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sie frohgemut und leichtbeschwingt. 
Und über allem lachte die. Sonne; denn es war ja noch 

immer Mai, der erst nach dem Pfingstfest am nächsten 
Sonntag Abschied nehmen würde. 
Der Clou vom Ganzen waren entschieden die Damen aus 
dem Haus im grünen Grund, nebst dem bei allen Hiesigen 
beliebten Baroneßchen. Auch Hulda war mit, die in ihrem 
»Staat« ganz stattlich aussah. Als sie auftauchten, wurden 
sie von einem Schützen an den Honoratiorentisch geführt, 
wo der Baron die Vorstellung übernahm. Namen 
schwirrten, Herren dienerten, Hände fanden sich zu festem 
Druck. Danach konnte man sich zwanglos placieren. 
Ortrun warf der ihr gegenübersitzenden Frauke einen 
lachenden Blick zu, zeigte mit einer Kopfbewegung nach 

rechts und nach links – und schon war die andere im Bilde. 
Da saßen sie alle, die damals mit ihnen das Abteil besetzt 
hatten, bis auf die Dame mit ihren ungezogenen Kindern. 
Die etwa am Tisch ertragen zu müssen, von dem Kelch 
blieben sie verschont. 
Doch die andern waren alle da. Hulda, Frauke, Ortrun, die 
Dame mit dem Pincenez, die jetzt allerdings kaum noch 
wiederzuerkennen war, der strenge Herr, der cholerische 
Herr und der große blonde, benamst mit Uwe Gunder. 
Selbst die Dicke aus der Kleinbahn fehlte nicht, die wie die 
personifizierte Gemütlichkeit an der Seite ihres Gatten saß, 
des Domänenpächters Schölt. Vertraulich nickte sie den 

beiden jungen Mädchen und Hulda zu, die an der Seite des 
Barons saß. An der anderen Seite hatte sie Frauke, die von 
dem Tierarzt beehrt wurde. Wie könnte es auch anders sein. 
Ihnen gegenüber saß Ortrun, von Oda und Jadwiga 
eingerahmt. Diese konnte man mit distinguiert 
bezeichnen, erste mit allerliebst. Ein hellblaues Kleid mit 
rosaroten Knöspchen am Ausschnitt, umbauschte das 
Figürchen. Die blonden Zöpfe glänzten, die blauen Augen 
strahlten. 
Und Ortrun? Für die gab es nur eine Bezeichnung: 
Bezaubernd. Hatte das Mädchen einzigschönes Haar und 

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ein Paar Augen im Kopf, olala! Ihr Kleid war weiß, ohne 
jede Verzierung, aber es hatte es in sich. Eng die Taille, weit 

der Rock. Eine Bernsteinkette, eine Armbanduhr und ein 
Ring – das war der Schmuck des reichsten Mädchens auf 
dem weiten Platz. 
Und Frauke? Die war für den verliebten Uwe die Schönste 
von allen. Bitte sehr! Hatte etwa noch jemand so 
allerliebste Grübchen, so dichtbewimperte grüngraue 
Augen, so wunderbar gepflegtes, kastanienbraunes Haar, 
eine so ranke Figur und ein so schickes, hellgrünes Kleid? 
Na also! 
Und diese Schönste wurde nun vorwurfsvoll gefragt: 
»Wollen wir hier festwachsen, gnädiges Fräulein?« 
»Nein, ich will mich amüsieren.« 

»Na wunderbar. Fangen wir gleich damit an.« 
Worauf sie sich erhoben und davongingen. Die 
ungeduldige Oda zog Ortrun mit sich fort, so daß die 
älteren Herrschaften allein zurückblieben. Darunter 
allerdings auch der Baron, der sich wegen der Trauer 
zurückhalten mußte, obwohl es gar nichts für ihn zu 
betrauern gab. Aber er mußte doch mal in seiner 
exklusiven Stellung den Menschen mit gutem Beispiel 
vorangehen, das wurde direkt von ihm verlangt. 
Langweilig wurde es ihm trotzdem nicht, dafür sorgte 
schon Frau Schölt mit ihrem trockenen Humor. Außerdem 
fand sich immer jemand, der sich an des Mannes Seite 

setzte und sich mit ihm unterhielt. 
Die beiden jungen Mädchen jedoch nahmen alles mit, was 
der Rummelplatz bot, bis selbst die unersättliche Oda 
genug hatte. Auf Umwegen schlichen sie an den Tisch 
zurück, weil der Tanz bereits in vollem Gange war und sie 
unterwegs nicht abgefangen werden wollten. Dafür waren 
sie zu hungrig und zu durstig. 
Und schon fanden sie, zu den Ihren zurückgekehrt, ein 
Tischleindeckdich vor. Wie schmeckte das Bier, der 
Kartoffelsalat doch herrlich. Dazu noch Würstchen, das 
dem Baroneßchen fast in der Kehle stecken blieb, als ein 

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Tusch die Menschen zusammenströmen ließ. 
»Du meine Güte!« schluckte sie ein großes Stück herunter. 

»Ortrun, komm bloß schnell von hier fort, damit sie dich 
nicht sehen. Die Prinzessinwahl beginnt.« 
Eiligst huschten sie ab, und Frau Schölt sagte lachend: 
»Da hilft Fräulein Danz kein Verdrücken, sie wird trotzdem 
die meisten Stimmen kriegen. Sonst müßten unsere 
Mannsleut’ keine Augen im Kopf und kein Herz im Leibe 
haben. Allerdings würden sie zwischen Fräulein Danz und 
dem Baroneßchen schwanken, wenn dieses nicht zu jung 
wäre. Also wird erstere daran glauben müssen.« 
»Arme Ortrun«, lachte Jadwiga, die heute so fröhlich und 
leichtbeschwingt war, wie kaum jemals zuvor. Sie erzählte, 
was das Mädchen gesagt hatte, worauf die gute Dicke sich 

die Lachtränen aus den Augen wischte. 
»Sie hat sogar recht. Denn so was kommt auf einem 
ländlichen Fest immer zur Verlosung.« 
Sie horchte nun gleich den andern auf das, was ein Herr 
durch das Megaphon sprach. Die Mädchen zwischen 
achtzehn und zweiundzwanzig wurden aufgefordert, sich 
auf der Tanzfläche einzufinden, damit die Herren aus dem 
Komitee der Gilde sie genau in Augenschein nehmen und 
danach ihre Stimmen zur Prinzessinwahl abgeben 
konnten. Die Damen, die hier als Feriengäste weilten, 
wären von der Wahl ausgeschlossen. 
Und dann präsentierten sich die Mädchen. Jede fest davon 

überzeugt, daß sie die Auserkorene sein würde. 
Uwe, der sich mit seiner Schönsten am Tisch eingefunden 
hatte, weil er für sie nichts zu befürchten brauchte, zeigte 
mit unterdrücktem Lachen auf den Damenflor. 
»O Schreck, laß nach! Was sich da aber auch alles schön 
findet. Selbst Agneschen mit dem Mopsgesicht und den 
Dackelbeinen.« 
»Werden Sie wohl still sein, Sie Spötter!« verwies Frauke 
ihn streng. »Sie sind heute unerhört frech. Ich bin Ihnen 
böse.« 
Sie wandte sich ab, doch schon hörte sie an ihrem Ohr eine 

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raunende Stimme: »Liebchen, sei nicht gleich so böse, hast 
du solch ein hitzig Blut? Mußt dir’s Zürnen abgewöhnen, 

ist nicht für die Ehe gut.« 
Ach, wie wurde das Fraukchen da verlegen. Sie wagte nicht, 
den hinter ihr stehenden Mann anzusehen und war froh 
über die Ablenkung, die sich bot. Die Herren vom Komitee 
defilierten an dem Damenflor vorbei, nahmen sie scharf 
aufs Korn, zückten dann Zettel nebst Stift und schrieben 
einen Namen darauf. Sie wurden dann in den Schlitz eines 
geschlossenen Kastens gesteckt, den ein Herr dann feierlich 
aufschloß, die Zettel las und dann lachend verkündete: 
»Zehn Zettel und ein Name. Damit ist die Wahl einstimmig 
getroffen. Hoch lebe unsere Schützenprinzessin Ortrun 
Danz!« 

Das gab nun einen fröhlichen Tumult. Aber wo war die 
Prinzessin überhaupt? Nirgends zu sehen, so scharf man 
auch Ausschau hielt. Und schon setzte ein Sprechchor ein: 
»Prinzessin Ortrun Danz – Prinzessin Ortrun Danz.« 
Dabei wurde in die Hände geklatscht. Die Menschen auf 
dem Festplatz schienen außer Rand und Band zu sein. 
Und die neugebackene Prinzessin? Die stand mit Oda 
hinter einer Bude und machte ein bitterböses Gesicht. 
»Man soll mich in Ruhe lassen!« 
»Ortrun, sei vernünftig«, sagte Oda eindringlich. »Du mußt 
hin, sonst beleidigst du die ganze Gilde. Wird so schlimm 
nicht werden, ist ja alles nur ein neckisches Spiel.« 

»Prinzessin Ortrun Danz – Prinzessin Ortrun Danz.« 
Da warf diese den Kopf zurück und ging sicheren Schrittes 
dem Platz zu, wo ihr Erscheinen Jubel auslöste. Man 
drückte ihr die Krone auf das gleißende Köpfchen, legte ihr 
das Band mit den Farben der Gilde um, dann gab man sie 
frei für die Kameras. 
Und Prinzeßchen lächelte, lächelte bezaubernd, obwohl sie 
am liebsten geweint hätte. Doch der Mann, der langsam 
auf sie zutrat und ihr mit einer Verbeugung den Arm bot, 
strömte so viel Tröstliches aus, daß sie sofort ruhig wurde. 
Es war Baron Swidbörn, das Ehrenmitglied, das schon seit 

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Jahren jede neuerwählte Schützenprinzessin zur Polonäse 
führen mußte, voran als erstes Paar. Der Schützenkönig mit 

seiner Königin kam hier an zweiter Stelle. So war es 
Vorschrift, und so wurde es getan. 
»Bitte die Herrschaften zur Polonäse anzutreten!« schallte 
die Stimme durchs Megaphon. »Jeder Herr darf seine Dame 
nach Belieben wählen.« 
Was man mit Vergnügen tat. Und daß Uwe Gunder seine 
Schönste wählte, war wohl so sicher, wie das Amen in der 
Kirche. 
»Unsere Goldige«, sagte Frauke mitleidig, »Die fühlt sich 
bestimmt nicht wohl in ihrer Haut. Aber ihre tadellose 
Haltung ist bewundernswert.« 
»Kunststück, als früherer Zögling des Elitetöchterheims«, 

entgegnete er achselzuckend. »Da werden die Mädchen 
streng auf Selbstbeherrschung gedrillt. Aha, jetzt geht’s los.« 
Langsam setzte sich der unendlich lange Zug in Bewegung, 
vorweg die Schützenkapelle, dahinter die Schützenprinzeß 
mit ihrem schneidigen Prinzen. Die Blechmusik 
schmetterte, die Menschen sangen. Jubelnd stieg der alte 
und doch immer wieder neue Jägermarsch in die 
Dämmerung, die magische Beleuchtung durchgeisterte. 
Ich schieß den Hirsch im wilden Forst, im tiefen Tal das 
Reh. War es da vielleicht ein Wunder, daß dieses Fest so 
großen Anklang fand? Wo alles durchweht war von 
Fröhlichkeit und Leichtbeschwingtheit. Wo es nichts 

Schwüles, nichts Verstecktes gab. Wo man sich freuen 
konnte, so recht von Herzen freuen. 
»Nun, gnädiges Fräulein, immer noch ängstlich?« fragte 
Winrich von Swidbörn das Prinzeßchen, das an seiner Seite 
so leichtfüßig dahinschritt und nun das bezaubernde 
Köpfchen schüttelte. 
»Nein, Herr Baron. Wenn Sie dabei sind, habe ich keine 
Angst.« 
Fast hätte der Mann den Schritt verhalten, so sehr 
überraschte ihn dieses Bekenntnis, das von ihr wohl 
harmlos hingesagt, für ihn jedoch von schwerwiegender 

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Bedeutung war. Ein Glücksgefühl durchflutete sein Herz, 
wie er es noch nie empfunden. Als hätte er solange nur 

dahingedämmert und wäre jetzt erst zum Leben erwacht. 
Jetzt erst begriff er so ganz und gar das Lied des Walther 
von der Vogelweide. Wer gab dir, Minne, die Gewalt, daß 
du so allgewaltig bist? Du zwingest beide, jung und alt, 
dagegen gibt es keine List. Nein, die gab es nicht. Diese 
eine Bemerkung, die vielleicht nur so dahingesagt war, 
hatte genügt, den Wall, mit dem sein Herz sich 
umpanzerte, leicht und mühelos einzureißen. Nun lag sein 
Herz da, kahl und bloß. War schutzlos zwei strahlenden 
Augen ausgeliefert und einem goldigen Lachen. Als dann 
die Polonäse beendet war, blieben die Paare zum 
anschließenden Walzer zusammen. Und da die Tanzfläche 

viel zu klein war, tanzte man da, wo man Platz fand. 
Wie ein Elflein schwebte Ortrun dahin. Strahlte ihren 
Partner an, wie sie auch den nächsten und übernächsten 
anstrahlte. 
Da wandte der Mann sich brüsk ab. Wie hatte er auch nur 
einen Herzschlag daran glauben können, daß das 
strahlende Lachen, der strahlende Blick ihm’ allein galt. 
Und wie hatte er sich durch eine einzige Bemerkung, von 
der er jetzt wußte, daß sie nur so dahingesagt war, aus dem 
Gleichgewicht bringen lassen können. Nun, das sollte ihm 
nicht noch einmal passieren. Von jetzt an würde er auf der 
Hut sein. 

»Tanzen möcht ich, jauchzen möcht ich, in die Welt es 
schrei’n, mein ist die schönste der Frauen, mein, nur 
mein«, sang Uwe Gunder jämmerlich falsch die Worte des 
Walzers mit, seine Schönste dabei immer fester umfassend, 
bis diese es sich ernstlich verbat, ihr die Luft abzuschnüren. 
Doch er lachte sie freundlich an und beteuerte, er müßte es 
tun, sollte ihm nicht das übervolle Herz bersten. 
»Dann denken Sie gefälligst auch an anderer Leute Herz 
und quetschen Sie es nicht ab.« 
»Ei, denken Sie daran, was ich Ihnen vorhin sagte.« 
»Unmöglich, mir alles zu merken, was Sie heute an Unsinn 

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zusammengeredet haben.« 
»Es war kein Unsinn, was ich Ihnen mit den Worten 

Uhlands zu verstehen gab.« 
»Ich bin ein einziges Fragezeichen.« 
»Hm. Dann will ich die letzten Sätze wiederholen: Mußt 
dir’s Zürnen abgewöhnen, ist nicht für die Ehe gut.« 
»Wer will denn eine Ehe eingehen?« 
»Ich.« 
»Mit wem?« 
»Mit dir. Ich liebe dich nämlich, meine süße Frauke, und 
zwar mehr, als für uns beide gut ist.« 
»Ach du lieber Gott, soll das etwa ein Heiratsantrag sein?« 
»Na, was denn sonst? Sag bloß schnell ja, ich halte das 
Hangen und Bangen nicht mehr länger aus. Wer weiß, 

wann sich wieder Gelegenheit geboten hätte, dir die Frage 
zu stellen, die mir schon längst auf der Zunge brennt. Ergo 
mußte ich die jetzige Gelegenheit beherzt beim Schopf 
fassen. Ja, Frauke?« 
»Ja«, entgegnete sie einfach, und da drückte er sie mit 
einem befreiten Lachen an das närrische Herz. 
Indes saß der Baron bei Jadwiga und Hulda, die immer 
wieder ein Gähnen unterdrückten. Es war ja auch bald 
Mitternacht, und der Bettzipfel winkte. Bis Hulda einmal 
den Mund ganz weit aufsperrte, da sagte der Mann 
lächelnd: 
»Das war herzhaft, Fräulein Hulda. Nun die Musik gerade 

schweigt, werde ich Oda holen, und dann fahren wir nach 
Hause.« 
»Und Ortrun?« fragte Jadwiga ängstlich. 
»Die wollen wir nicht stören. Mag sie die Ehrungen, die 
man ihr als Schützenprinzessin entgegenbringt, auskosten 
bis zur Neige.« 
»Sie haben recht, Herr Baron«, brummte Hulda. »Die sonst 
so vernünftigen Menschen gebärden sich heute wie Narren. 
Daß Ortrun diesen Unsinn so eifrig mitmacht, damit 
enttäuscht sie mich. Jetzt ist’s aber genug, jetzt muß ein 
vernünftiger Mensch zwischen die Narretei.« 

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Sprach’s, erhob sich und ging gewichtigen Schrittes davon. 
Schon wenige Minuten später kehrte sie zurück, Ortrun 

und Oda im Schlepptau. 
»Mault nicht, wir fahren nach Hause und damit basta. Ihr 
Grünzeug habt genug getanzt, die Sohlen eurer Schuhe 
müssen ja schon durch seih. Leg den Schnickschnack da ab, 
Ortrun. Ich werde ihn dem Herrn bringen, der ihn dir 
anlegte. Dort steht er gerade.« 
Resolut, wie Hulda nun einmal war, legte sie wenig später 
dem verdutzten Herrn die Insignien der Schützenprinzessin 
in den Arm. Ehe der noch etwas sagen konnte, war sie 
schon davon und kehrte zum Tisch zurück, wo sie Frauke 
und Uwe vorfand. 
»Ach sieh mal an, ihr laßt euch auch einmal blicken.« 

»Brumm nicht, Huldchen!« drückte sie ihr einen Kuß auf 
die Wange, worauf sie mißtrauisch gemustert wurde. 
»Naja«, sagte Hulda trocken. »Muß ja auch so was geben. 
Ich fahre mit Fräulein von Schlössen und Oda nach Hause. 
Der Herr Baron wird so freundlich sein, uns in seinem 
Wagen mitzunehmen.« 
»Den wollen wir erst gar nicht bemühen«, tat der Herr 
Doktor großartig. 
»Wir haben alle in meinem Wagen Platz.« 
So fuhr man denn ab. Voran der Baron mit seiner 
Schwester, hinterher der Tierarzt mit seinen vier Weibsen, 
wie er sie schmunzelnd bei sich nannte. Als der Wagen 

hielt, stiegen die drei, die im Fond saßen, rasch aus, 
während die vorn sich damit Zeit ließen. 
»Kommt schleunigst ins Haus«, sagte Hulda. »Damit ihr 
euch nicht erkältet. Gute Nacht, Herr Doktor, schlafen Sie 
so gut, wie Sie können!« 
Die andern beiden riefen ihm auch einen Gutenachtgruß 
zu, dann eilten sie ins Haus, und Uwe schmunzelte. 
»Ich glaube, unsere Hulda weiß Bescheid. Komm her, mein 
Schatz, auf daß ich meinen Hunger stille!« 
Es schien schon ein Mordshunger zu sein; denn es dauerte 
lange, bis er sich an den weichen Lippen satt geküßt hatte, 

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wobei die Grübchen nicht vernachlässigt wurden, versteht 
sich. Dann ließ er endlich von seinem »Opfer« ab und sagte 

zufrieden: 
»Nach dem langen Schmachten hat das gutgetan. Darf ich 
morgen – oder besser heute – mit dir frühstücken?« 
»Bitte sehr!« 
»Es darf aber nicht zu spät sein; denn um elf beginnt meine 
Sprechstunde.« 
»Hm. Wie spät haben wir es, kurz nach zwölf. Sieben 
Stunden Schlaf oder auch keinen, also kannst du um acht 
Uhr erscheinen.« 
»Tiefgefühlten Dank! Schlaf gut, träum von mir, meine 
Schönste, und um acht auf Wiedersehen!« 
Noch ein Kuß, dann stieg Frauke aus, winkte dem 

abfahrenden Wagen nach und ging dann ins Haus, wo 
Hulda in der Diele stand und ihr entgegenschmunzelte. 
»Also denn meinen herzlichen Glückwunsch! Daß du 
glücklich bist, sagen mir deine strählenden Augen.« 
»Ich bin es auch, Hulda. Bist du mit meiner Wahl 
zufrieden?« 
»Sehr! Dein Uwe ist ein guter Mensch.« 
»Da freu ich mich aber. Wo sind Tante Jadwiga und 
Ortrun?« 
»Nach oben gegangen. Fräulein von Schlössen war so 
müde, daß sie sich kaum noch auf den Beinen halten 
konnte, und Ortrun war richtig erschöpft. Sie haben ein 

Trara mit ihr gemacht, daß es schon lächerlich wirkte. 
Hoffentlich sind der Kleinen die Ovationen nicht in den 
Kopf gestiegen.« 
»Das glaube ich nicht. Sie hatte nur Freude am Tanz, was 
bei ihren zwanzig Jahren natürlich ist. Laß sie die Jahre nur 
ausnutzen, die sie noch ledig ist. Hoffentlich heiratet sie 
nicht zu früh.« 
»Meinst du? Na ja. Jetzt geh zu Bett und träum von deinem 
Uwe! Wann gedenkt er hier mit Blumenstrauß und so 
anzurücken?« 
»Um acht Uhr zum Frühstück.« 

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»Dann aber mal hurtig! Die Nacht ist bald alle.« 
Zwanzig Minuten später lagen die vom Haus im grünen 

Grund in festem Schlaf. Wovon träumten sie? Die Braut 
natürlich von Liebe, Glück und roten Rosen. Hulda durfte 
aus vielen Töpfen aus dem Vollen schöpfen, was nicht nur 
ein Traum bleiben würde. Denn der spätere Hausherr hatte 
außer einer gutgehenden Praxis auch noch Vermögen, 
Frauke erhielt weiter ihre Rente, also konnte man 
unbesorgt aus dem Vollen schöpfen. 
Jadwiga hingegen hatte keinen schönen Traum. Vor ihr 
stand die Gräfin Warl, stemmte die Hände in die Hüften 
und lachte höhnisch aus vollem Halse. Das 
Johanniterkreuz bewegte sich gleich dem Pendel einer Uhr, 
dabei überlaut tickend: Wie gewonnen, so zerronnen – wie 

gewonnen, so zerronnen. Das peinigte die arme Jadwiga so 
sehr, daß sie sich aus dem Schlaf schrie. 
Und Ortrun? Die sah etwas Dunkles auf sich zukommen. 
Daraus fuhr eine“ Faust, die ihr die Prinzessinkrone vom 
Kopf riß und die Zacken in das zuckende Herz drückte. Das 
tat so weh, ganz erbärmlich weh. Als Ortrun aus diesem 
bösen Traum erwachte, war ihr Gesicht von Tränen naß. 
Pünktlich um acht Uhr betrat der Tierarzt das gemütliche 
Frühstückszimmer, wo auf dem Tisch ein gutes Frühstück 
seiner wartete. Doch zuerst kam der Gutenmorgenkuß, 
dann der Strauß mit dreiundzwanzig roten Rosen, für jedes 
Lebensjahr eine und dann der Ring mit einem herrlichen 

Smaragd. 
»Es ist der Ring meiner Mutter«, sagte er leise. »Werde in 
deiner Ehe so glücklich, wie sie es in der ihren gewesen ist.« 
»Und ich werde bestrebt sein, so zu werden wie deine 
Mutter«, entgegnete sie einfach. »Und dein Ring?« 
»Ist der meines Vaters, dem auch ich nachzueifern bestrebt 
bin. Wie ich an den beiden Gedecken sehe, werden wir 
beide allein frühstücken?« 
»Ja.« 
»Das ist lieb von dir, meine Schönste. Denn so gern ich 
Tante Jadwiga und Ortrun auch habe, in dieser Stunde 

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möchte ich mit dir allein sein.« 
Sie ließen sich das Frühstück gut munden und griffen dann 

zur Morgenzigarette. Während Uwe Zukunftspläne spann, 
blieb Frauke merkwürdig still, was ihn endlich stutzig 
werden ließ. 
»Was hast du denn, Liebste?« fragte er besorgt. »Ist dir nicht 
wohl?« 
»Doch«, entgegnete sie hastig, den Zigarettenrest in den 
Ascher drückend. »Ich sorge mich nur… Ach, es ist so 
schwer, darüber zu sprechen.« 
»Aber Frauke, mir kannst du doch alles sagen. Ich bin jetzt 
noch dazu da, um dir beizustehen. Nun?« 
»Uwe, es ist wegen Tante Jadwiga und Ortrun, die so sehr 
an diesem Haus hängen. Wenn ich nun heirate…« 

»Bleiben sie selbstverständlich hier.« 
»Aber das kann ich dir doch nicht zumuten.« 
»Warum denn nicht?« 
»Weil sie noch nicht einmal mit mir verwandt sind. Da 
kannst du sie doch nicht sozusagen mitheiraten.« 
»Doch, ich tu’s«, lachte er vergnügt. »Sollst mal sehen, wie 
gut wir uns alle vertragen werden. Außerdem wird Ortrun 
nicht lange ledig bleiben. Hast du denn gestern nicht 
gemerkt, wie entzückt die Herren von ihr waren.« 
»Das schon. Hauptsächlich der Sohn des Oberförsters 
scheint sich ernstlich in sie verliebt zu haben.« 
»Und andere werden es auch noch tun. Wir müssen nur 

aufpassen, daß dieses reiche Mädchen nicht womöglich 
einem Mitgiftjäger in die Hände fällt. Aber wegbringen tun 
wir sie nicht, wenn so eine Gefahr naht, wie es der Dr. 
Danz tat. Ja, ja, mein Mädchen, ich weiß genau Bescheid. 
Und zwar durch meinen Vetter Folbe, der mich bei seinem 
letzten Besuch genauestens über die beiden Schönen im 
grünen Haus orientierte. So einer wie der Zerkel – den ich 
übrigens bis in den Tod nicht leiden kann und seine liebe 
Familie auch nicht, weil sie dich so schikanierten –, so 
einer soll sich mal unserer Goldigen zu nähern wägen, 
dann kriegt er es mit mir zu tun, und das wäre nicht 

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ratsam. Ich vertrete jetzt Bruder stelle an Ortrun und werde 
sie wie ein Bruder schützen. 

Und Tante Jadwiga? Ich müßte ja ein Herz aus Stein haben, 
wenn ich dem lieben alten Fräulein das Zuhause nehmen 
wollte, das sie nun endlich gefunden hat. Und daß Hulda 
bleibt, das bedarf überhaupt keiner Erwähnung. Bist du 
jetzt beruhigt, du Dummchen?« 

>:

 

»Ich bin glücklich.« 
»Dann beweise es.« Worauf sie ihm um den Hals fiel, was 
er sich nur zu gern gefallen ließ. Und als Uwe durch das 
geöffnete Fenster Michels Organ vernahm, sagte er 
schmunzelnd: 
»Der gehört ja auch zum alten Bestand, also wird auch er 
übernommen. Bertchen muß ihre Stelle aufgeben und nur 

für uns arbeiten. Denn ein Mann im Haus macht viel zu 
schaffen, und Hulda soll sich nicht überanstrengen. Warum 
siehst du mich denn so ängstlich an?« 
»Werden wir es auch schaffen, drei Angestellte 
einschließlich Verpflegung zu bezahlen?« 
»Liebchen, was hast du bloß für viele Sorgen. Aber auch die 
kann ich zerstreuen, indem ich dir sage, daß wir es sogar 
glänzend schaffen können. Erstens verdiene ich gut, dann 
bin ich vermögend. Es reicht für alle, verlaß dich drauf.« 
»Ich bin aber auch nicht ganz arm«, bekannte sie stolz. »Ich 
bekomme eine monatliche Rente von vierhundert Mark.« 
»Und dieses Haus vergißt du ganz?« 

»Richtig. Und das ist schön, Uwe, nicht wahr?« 
»Es ist ein richtiges, trauliches Zuhause. Doch jetzt muß ich 
dich  verlassen,  so  leid  es  mir  tut,  aber  ich  möchte  meine 
Arbeit nicht vernachlässigen. Eigentlich dumm von dir, 
einen Arzt zu heiraten, der so viel unterwegs sein muß. Du 
wirst es noch so manches Mal verwünschen. Sind deine 
Papiere in Ordnung?« 
»Gewiß. Aber was willst du denn damit?« 
»Das Aufgebot bestellen.« 
»So bald schon?« 
»Bald nennst du das? Ich betrachte die drei Wochen als 

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halbe Ewigkeit. Also ’runter unter die Haube, mein 
Herzchen, da gibt es kein Pardon.« 

»Will ich ja auch gar nicht«, lachte sie ihn so lieblich an, 
daß er unbedingt die reizenden Grübchen küssen mußte. 
Dann einen Blick auf die Uhr. 
»Jetzt wird’s aber Zeit. Bis wir uns wiedersehen, wird es 
wohl so gegen Abend werden. Ich habe einige schwierige 
Fälle, die ich nicht vernachlässigen darf. Es ist dir doch 
recht, daß ich Winrich und Oda abends zu einer kleinen 
Verlobungsfeier einlade?« 
»Natürlich ist mir das recht. Und wenn nicht, würde mir 
das auch nichts nützen, bei dir nicht.« 
»Ach, du Süße!« 
Noch ein Kuß, dann riß er sich los, und Frauke ging in die 

Küche, wo Hulda einen angebrannten Topf energisch 
bearbeitete. 
»Huldchen, das wirst du bald nicht mehr nötig haben.« 
»Was denn?« fragte sie verdutzt. »Töpfe scheuern, die ich 
durch Nachlässigkeit anbrennen ließ?« 
Worauf denn Frauke erzählte, was ihr Verlobter 
beschlossen hatte. 
»Na meinetwegen«, akzeptierte Hulda gnädig. »So ein 
Mannsbild bringt wirklich viel Arbeit ins Haus. Übrigens 
suchte ich Fräulein von Schlössen in ihrem Zimmer auf, 
um ihr ein Einsteckkämmchen zu bringen, das sie in der 
Diele verlor. Dabei habe ich ihr gleich deine Verlobung 

mitgeteilt.« 
»Wie nahm sie diese auf?« 
»Sie freute sich.« 
»Und Ortrun?« 
»Weiß ich nicht. Die schlief noch fest, als ich in ihr Zimmer 
schaute. Hast du mit dem Herrn Doktor darüber 
gesprochen, was nach deiner Verheiratung aus den beiden 
werden soll?« 
»Habe ich.« 
»Na und?« 
»Die bleiben hier.« 

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»Das freut mich. Du könntest Gemüse aus dem Garten 
holen. Das ist zwar Ortruns Arbeit, aber bis sie erscheint, 

wird es zu spät. Laß das Kind sich ruhig ausschlafen.« 
Allein Ortrun schlief nicht mehr, sie war sogar hellwach. 
Und zwar über die Neuigkeit, die Jadwiga ihr überbrachte. 
»Ich wollte dir das nur rasch mitteilen«, strich die Tante 
über das gesenkte Köpfchen. »Ich weiß, wie dir zumute ist, 
mein Kind. Aber laß dir nichts anmerken. Sonst denkt 
Frauke womöglich noch, daß wir ihr aus egoistischen 
Gründen ihr Glück nicht gönnen.« 
»Um Gottes willen«, sah Ortrun sie erschrocken an. »So 
schlecht bin ich nicht.« 
»Das bist du wirklich nicht, mein Herzchen. Zieh dich 
rasch an. Ich warte solange, damit Hulda nicht für jeden 

einzeln das Frühstück bereiten muß, wozu es ohnehin 
schon reichlich spät ist.« 
Trotzdem fanden sie das Frühstück vor, als sie unten 
erschienen. Und nun konnten die beiden beweisen, welch 
beherrschte Menschen sie waren. Denn der Glückwunsch 
für die Braut fiel so freudig aus, daß diese aufatmete. 
»Zwischen uns bleibt es so, wie es ist«, beeilte sie sich zu 
versichern. »Uwe hat es ausdrücklich gewünscht. Ach, was 
bin ich doch bloß glücklich, einen so guten Mann zu 
bekommen.« 
»Darüber kannst du auch glücklich sein«, sagte Jadwiga, 
gerührt über soviel glückselige Freude. »Aber auch er kann 

froh sein, ein so liebes Menschenkind als Frau zu 
bekommen.« 
»Zumal er bei der ersten gründlich ’reingefallen ist«, 
brummte Hulda, die eben eintrat. »Da wird er so eine wie 
unsere Frauke doppelt zu schätzen wissen. Jetzt frühstückt 
man tüchtig. Mittag gibt’s heute später als sonst.« 
»Und abends feiern wir fröhlich Verlobung«, lachte die 
Braut selig. »Uwe wird den Baron und Oda dazu einladen. 
Die werden vielleicht Augen machen.« 
»Oder auch nicht«, schmunzelte Hulda. »Wenigstens der 
Baron nicht. Dieser kluge Mann hat schon längst gemerkt, 

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was mit euch verliebten Leutchen los ist.« 
»Stimmt«, kam es von der Tür her, wo Oda stand, atemlos 

vom schnellen Lauf. Und dann wurde erst einmal Frauke 
liebevoll gewürgt, bis sie sich energisch freimachte. 
»Mädchen, laß mich leben! Du bist ja ganz aus Rand und 
Band!« 
»Ich habe aber auch eine Mordsfreude. Winrich freut sich 
auch. Er sagt, da hätte der liebe Gott doch mal ein 
passendes Paar zusammengeführt. Er kommt erst heute 
abend, aber ich hielt es nicht so lange aus. Aber was hat der 
Ajax denn da, einen Strauß am Halsband? Von wem mag 
der wohl sein?« 
Das erfuhr man, als Frauke vom Hundehalsband den 
Strauß löste, in dem ein Kärtchen baumelte. Laut las sie 

vor, was darauf in ungelenker Schrift geschrieben stand: 
Gottes reichsten Segen wünschen dem verehrten Brautpaar 
– Michel und Bertchen. 
»Die wissen es also auch schon«, staunte Frauke. »Von wem 
wohl?« 
»Von mir«, brummte Hulda: »Die beiden treuen Menschen 
haben doch wohl das Recht, eher von der Verlobung zu 
erfahren, bevor sie die Spatzen vom Dach lärmen. Geh 
nach draußen, Frauke, und trink mit dem Michel einen 
Schnaps!« 
Nur daß es nicht bei einem Schnaps blieb, wenigstens bei 
Michel nicht. Und als er später durch den grünen Grund 

seinem kleinen Haus zuschwankte, sang er aus voller 
Kehle: Nur einmal blüht im Jahr der Mai, nur einmal im 
Leben die Liebe. 
Die Verlobungsfeier verlief voll Harmonie und 
Fröhlichkeit. Uwe hatte die richtigen Worte für Jadwiga 
und Ortrun gefunden. Sie waren nun davon überzeugt, daß 
sie dem späteren Hausherrn nicht im Wege sein würden. 
Und als er sich beim Sekt mit ihnen verbrüderte, zog er 
gleich den Freund in diese Verbrüderung mit ein. Doch 
während dieser sich mit einem Handkuß zufrieden gab, 
nahm Uwe sich den obligaten Kuß. Er war von einem so 

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strahlenden Übermut, daß man kaum aus dem Lachen 
herauskam. 

Beim Abschied lud Winrich die vergnügte Gesellschaft zum 
Pfingstsonntag nach Schloß Swidbörn ein, was mit Freuden 
angenommen wurde. Hulda hatte sogar von Barbe 
schriftlich eine Extraeinladung bekommen, die sie wohl 
ehrte, aber brummen ließ: 
»Alles recht schön und recht nett, aber wenn alle fortgehen, 
was wird dann aus Ajax? Das arme Tier winselt sich ja 
zuschanden, wenn es allein hier zurückbleiben muß.« 
»Den nehmen wir mit«, entschied Uwe, doch Huldchen 
hatte Bedenken. 
»Und was werden die Hunde im Schloß dazu sagen?« 
»Die werden ihren Gast ehren, wie es sich für vornehme 

Schloßhunde gehört.« 
»Da soll der arme Hund wohl hinter dem Auto herlaufen, 
was?« 
»Aber nicht doch, Huldchen, der fährt mit.« 
»Ach so, da soll ich das niedliche Tierchen wohl auf den 
Schoß nehmen«, entrüstete sie sich und als der 
Heiterkeitsausbruch sich gelegt hatte, kam der Baron, dem 
das Geplänkel Spaß gemacht hatte, der bedrängten Seele zu 
Hilfe. 
»Fräulein Hulda, da ich unter Larven die einzig fühlende 
Brust bin, schicke ich extra für Sie und den Hund den 
kleinen Wagen mit Chauffeur. Wäre das was?« 

»Und wie das was wäre, Herr Baron«, besah sie sich ihn so 
zärtlich, daß die andern Mühe hatten, ernst zu bleiben. 
»Sie sind der einzige Mensch hier, den die Verlobung nicht 
närrisch gemacht hat. Sie sind überhaupt ein Mann, wie er 
im Buch steht.« 
Sprach’s, zog ab und man lachte verhalten hinter ihr her. 
»Schau mal an, Huldchen hat ihr Herz entdeckt«, 
schmunzelte Uwe. »Liebes altes Mädchen, du bist nicht 
dumm, auch nicht nuscht. Denn der Herr Baron von 
Swidbörn ist ein Mann…« 
»Der dir gleich deine Frauke abspenstig machen wird, wenn 

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du nicht aufhörst, du Spötter.« 
»Herrje, nein, da bin ich schon lieber still.« 

»Nur gut, daß es jetzt etwas gibt, womit man dich kleinlaut 
machen kann«, lachte der Freund. »Also, meine 
Herrschaften, am Pfingstsonntag auf frohes Wiedersehen 
bei mir zu Haus!« 
Und es wurde ein fröhliches Wiedersehen. Dafür hatte 
schon Hulda bei der Abfahrt mit ihren Sperenzchen 
gesorgt. Bis sie und der Hund in dem kleinen Wagen 
verfrachtet waren, lachte man Tränen. 
Man hätte es am liebsten wieder getan, als man mit ansah, 
wie würdig Barbe, ihren Gast vor dem Schloß empfing und 
wie gnädig dieser es sich gefallen ließ. Aber man mußte 
schon ernst bleiben, um die beiden treuen Menschen nicht 

zu kränken. 
Auch die Hunde wußten, was sich gehörte. Zwar bellte der 
kleine Dackel den Hundegast an, doch es war ein freudiges 
Begrüßungsbeilen, während der prächtige Spaniel sich 
seiner Würde bewußt blieb, wie Ajax es auch tat. 
Es wurde überhaupt ein Tag ohne jeden Mißklang. Wohl 
hatten die drei weiblichen Gäste viel erwartet, doch nun sie 
das Schloß sahen in seinem Glanz, waren sie denn doch 
überrascht. Und dann der Park mit seinen herrlichen 
Anlagen, überhaupt das ganze Drum und Dran, da war das 
Haus im grünen Grund ein Nichts dagegen – und doch war 
es den Bewohnern lieber. Was da anheimelte, bedrückte 

hier. Und als man das liebe Haus wieder betrat, dehnte 
Frauke die Arme weit. 
»Tohuus is doch tohuus!« 
Und zwei anderen Menschen tat dabei das Herz bitter weh. 
Nun waren die Neuvermählten fort, hinaus in die weite 
Welt. In einem neuen, teuren Wagen, den der Herr Doktor 
eigens für die Hochzeitsreise angeschafft hatte. 
Zwar hatte Gunder seinen Vetter Folbe nebst Gattin zur 
Hochzeit eingeladen, doch leider mußte der Arzt absagen, 
weil eine Scharlachepidemie ihn unabkömmlich machte, 
selbst für einen Tag. So waren als Gäste nur die Geschwister 

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Swidbörn zugegen, die man eigentlich als Gäste gar nicht 
mehr bezeichnen konnte. Nachdem die jungen Gatten 

abgefahren waren, brachen auch sie auf. Und nun saßen 
ein junges und ein altes Fräulein oben im Zimmer, die 
Augen voll Tränen, das Herz voll Weh. Und als Jadwiga 
aufschluchzte, umfaßte Ortrun die bebenden Schultern. 
»Weine nicht, Tante Jadwiga, ich verlaß dich nicht. Wir 
gehen zuerst einmal eine Zeitlang auf Reisen und schaffen 
uns dann in einer Stadt ein kleines Heim, das du betreust, 
während ich mich zur Kunstgewerblerin vorbereite. Etwas 
werde ich ja unternehmen müssen. Denn um müßig meine 
Tage zu verbringen, dafür bin ich noch zu jung.« 
»Wird dein Vormund dich auch mir anvertrauen?« fragte 
Jadwiga zaghaft, und Ortrun lachte bitter auf. 

»Er hat ja keine Bedenken gehabt, mich einem 
dreiundzwanzigjährigen Mädchen anzuvertrauen. Der ist 
froh, mich überhaupt irgendwo unterbringen zu können. 
Außerdem werde ich in zehn Monaten mündig. 
Und nun wollen wir die vier Wochen, die uns hier zu 
bleiben noch vergönnt sind, nicht mit Trübsal vergeuden, 
sondern sie aus vollem Herzen genießen.« 
Was sie denn auch taten. Das heißt, sie weilten mehr im 
Schloß als in dem grünen Haus. Denn Oda schien ohne sie 
nicht mehr leben zu können. Ließ keinen Tag vergehen, 
ohne sie ins Schloß zu holen, in das nun zwei fröhliche 
junge Menschenkinder Leben brachten. Die weiten Räume 

waren erfüllt von Lachen. Der kostbare Flügel, schon lange 
nicht mehr benutzt, klang nun oft unter zwei zarten 
Händen. Eine süße Stimme sang fröhliche Lieder und 
entzückte alle, die es hörten. 
Wie Kletten hingen die beiden Mädchen zusammen, 
unternahmen alles gemeinsam, und immer war Jadwiga 
dabei. Nur bei den Ritten blieb sie zurück, was sie auch 
gern tat. Dann gab sie sich einer besinnlichen Stunde hin, 
in der sie gar nicht merkte, wie alles ringsum von ihrem 
Herzen Besitz ergriff – mehr noch als im grünen Haus. 
Es war nicht einfach gewesen, Ortrun in den Sattel zu 

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bekommen. Nicht etwa, weil sie sich darin nicht sicher 
fühlte, sondern weil dann immer der Mann dabei war, in 

dessen Nähe sie stets so unsicher wurde. Wo ihr Herz so 
seltsam klopfte, in harten, schmerzhaften Schlägen. 
Lenzesgebot, o süße Not! 
Nun war auch die junge Ortrun davon erfaßt. Und als sie 
sich dessen bewußt wurde, gab es bitteres Herzeleid. Jetzt 
mußte sie ja noch viel mehr aufgeben, wenn der Abschied 
kam. 
Doch jetzt nicht daran denken. All das Schöne, 
Beglückende und auch Bittersüße auskosten bis zur Neige. 
Jetzt noch in die Sonne sehen, die die bald dunkle Nacht 
verscheuchen würde. 
Wenn nur nicht diese köstlichen Tage so dahinrasen 

wollten. Aber kaum, daß einer begann, war er auch schon 
zu Ende. Und je weniger Tage es wurden, je mehr Tränen 
wurden es, die ein verzweifeltes junges Menschenkind 
nachts in die Kissen weinte. 
Und wie gern hätte der Mann die Tränen getrocknet, der 
genauso um den Abschied bangte, wie Ortrun es tat. Der 
genauso hätte die Tage festhalten mögen, die so 
unerbittlich enteilten. Er hätte nie geglaubt, daß ein 
Mensch  dazu  imstande  wäre,  so  viel  Sonne  in  Herz  und 
Haus zu bringen, wie dieses Mädchen mit den 
sonnenhellen Haaren es tat und den strahlenden 
Blauaugen, der süßen Stimme und dem goldigen Lachen. 

Wenn das alles für ihn versank, das konnte er doch 
nimmermehr ertragen. Gab es denn für ihn kein Erbarmen? 
Doch, das gab es. Denn als Ortrun an einem Vormittag die 
Schloßterrasse betrat, saß da eine Dame, die sie so scharf 
musterte, als müßte sie ihre Seele ergründen. Doch dann 
huschte über das vornehme Antlitz ein heller Schein. 
»Also das ist Fräulein Danz«, sagte die Dame langsam, dem 
jungen Mädchen die Hand reichend, über die es sich artig 
neigte. »Ich habe Ihren Vater gekannt, mein Kind, und 
habe den klugen Mann bewundert. Schade, daß er so früh 
dahingehen mußte, er hätte der Wissenschaft noch viel 

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Wertvolles geben können. Und nun wollen Sie gewiß 
wissen, wer ich bin.« 

»Ich kann es mir denken«, entgegnete Ortrun mit einem so 
reizenden Lächeln, daß es der Dame warm ums Herz 
wurde. »Sie sind Gräfin Attbach, die Oberin des Dorothea-
Stifts.« 
»Das bin ich tatsächlich«, lachte die Dame so frisch und 
froh, daß Ortrun sie spontan in ihr Herz schloß. »Woher 
haben Sie denn meinen Steckbrief?« 
»Von mir«, gestand Oda. »Ich habe ihr erzählt, wie lieb und 
gut du bist. Aber wo ist denn Tante Jadwiga?« 
»Zu Hause geblieben«, gab Ortrun Antwort. »Wir erhielten 
eine Karte, auf der Frauke und Uwe ihre Ankunft für 
Sonntag avisieren. Da gibt es für Hulda noch manches zu 

tun, wobei Tante Jadwiga ihr zur Hand geht.« 
»Sie fühlen sich im grünen Haus sicher sehr wohl«, begann 
die Gräfin zu sondieren, das Mädchen dabei scharf im 
Auge behaltend, das nun den flimmernden Kopf senkte 
und leise sagte: 
»Ja, Frau Gräfin. Es war mir ein liebes Zuhause.« 
»W a r, Fräulein Danz? Wie soll ich das verstehen?« 
»Daß ich, wo nun Frauke verheiratet ist…« 
»Übrig bin«, warf die Gräfin trocken ein. »Denn wo zwei 
sich genug sind, ist übrig der dritte, das ist wohl traurig, 
aber wahr. Darf ich wissen, was Sie zu tun gedenken, wenn 
Sie das grüne Haus verlassen haben? Ich frage nicht aus 

Neugierde, mein Kind.« 
»Ich, ja, ich gehe zuerst einmal eine Zeitlang mit Tante 
Jadwiga auf Reisen, dann lassen wir uns in, einer Stadt 
nieder, wo ich mich zur Kunstgewerblerin vorbereiten 
kann.« 
»Wird Ihr Vormund damit einverstanden sein?« 
»Ich glaube schon. Denn er hat…« 
Erschrocken hielt sie inne, als Oda ihren Hals 
umklammerte und bitterlich schluchzte: 
»Du darfst nicht fort, Ortrun, du darfst nicht fort. Was soll 
ich wohl – anfangen – ohne – dich?« 

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»Na, nun mal langsam«, sagte die Gräfin ruhig. »Erwürge ja 
deine liebe Ortrun nicht, damit ich ihr sagen kann, was für 

ein törichtes Köpfchen sie hat. Zuerst mal vorweg, daß ich 
ziemlich genau über Sie Bescheid weiß, Fräulein Danz. 
Daher ist mir auch bekannt, warum Ihr Vormund Sie 
Fräulein Gortz anvertraute. Aber Fräulein von Schlössen 
wird er Sie nicht anvertrauen, da diese so weltfremd ist, 
daß sie selbst noch einen Beschützer braucht.« 
»Ja, was soll denn aus uns werden«, sagte das Mädchen 
verzweifelt. »Mich würde mein Vormund wohl zur Not 
aufnehmen, aber Tante Jadwiga doch nicht.« 
»Die kann Aufnahme im Dorothea-Stift finden.« 
Da sprang Ortrun gepeinigt auf. 
»Bitte mich zu entschuldigen, Frau Gräfin.« 

Weg war sie, und Herma sagte hastig: 
»Geh ihr nach, Oda! Gib acht, daß sie keine Dummheiten 
macht. In der Verfassung scheint sie mir nämlich zu sein.« 
Als die Kleine fort war, sprach die Tante den Neffen an, der 
an der Balustrade stand und ihr den Rücken zudrehte. 
»Ein schöner Rücken soll wohl auch entzücken, mein 
Sohn, aber dein Gesicht ist mir bedeutend sympathischer.« 
Da drehte er sich langsam um. Und als sie seine Augen sah, 
in denen der Schmerz brannte, sagte sie trocken: 
»Wäre ja auch unnatürlich, wenn du dich in das 
bezaubernde Geschöpf nicht verliebt hättest.« 
»Tante Herma – bitte!« 

»Ach was, Junge, versuch mir doch nichts vorzumachen, 
das gelingt dir bei mir doch nicht. Willst du müßig 
zusehen, wenn dieses schöne und dazu noch reiche 
Mädchen das grüne Haus verläßt und auf Reisen geht – 
dazu noch mit einer so weit- und menschenunkundigen 
Ehrendame wie Fräulein von Schlössen? Die Kleine kommt 
nicht weit, verlaß dich darauf. Dafür sind die Mitgiftjäger 
zu schwer auf Posten.« 
»Und was wäre ich, wenn ich um sie freite?« lachte er bitter 
auf. »Ich kann mich gerade so knapp auf meinem Besitz 
halten. Und wenn ich mich da um eine reiche Erbin 

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bewerbe, dann werden sich schon Menschen finden, die ihr 
beibringen, daß ich nicht sie begehre, sondern ihr vieles 

Geld.« 
»Hm. Sag mal. Winrich, weißt du eigentlich, wieviel Geld 
ich habe?« 
»Nein. Das interessiert mich auch nicht«, brummte er 
verdrießlich, und sie lachte. ¦ . 
»Ich an deiner Stelle würde es doch tun. Ich liege schon 
längst auf der Lauer, um einzugreifen, wenn Grünehöh 
ernstlich gefährdet ist. Denn ich bin ja selbst eine Swidbörn 
und habe Interesse daran, daß unser Jahrhunderte alter 
Besitz nicht in fremde Hände kommt. Aber offen gesagt 
wollte ich mein Geld nicht in ein Danaidenfaß werfen. 
Und ich hätte es getan, solange dein nichtswürdiger Vater 

und deine nicht minder nichtswürdige Frau noch lebten. 
Damit hätte ich ja nur ihre Geldgier unterstützt. Sofern die 
nur Geld witterten, waren sie hinterher, wie die Katze nach 
dem Baldrian. Aber wenn der Mensch nichts hat, kann er 
auch nichts geben. Und du konntest es auch nicht, dir 
selbst zu Nutz und Frommen. Denn das Geld, das ich dir 
jetzt geben werde, kommt nicht einer liederlichen Frau 
zugute, sondern deinem Besitz. Also kannst du ruhig um 
das reiche Mädchen freien, dessen Geld du gar nicht 
brauchst. Noch etwas?« 
»Sie liebt mich nicht.« 
»Auch das noch. Junge, so ein Kerl wie du und 

Minderwertigkeitskomplexe! Laß dich doch nicht 
auslachen. Nimm sie bei den Öhrchen, gib ihr einen Kuß, 
dann sollst du mal sehen, wie ihre übrigens 
wunderschönen Augen strahlen.« 
Weiter konnte sie nicht sprechen, da die beiden Mädchen 
zurückkamen. Ortrun niedergeschlagen und sehr blaß, Oda 
mit dickverweinten Augen. 
»Ortrun läßt sich auf nichts ein«, schluchzte sie verzweifelt. 
»Sie will fort, bevor Frauke und Uwe noch zurück sind. Hilf 
mir doch, Tante Herma!« 
»Tu ich, mein Herzchen, tu ich. Kommen Sie mal her, Sie 

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kleine Sünderin, die so viel herzblutenden Jammer 
heraufbeschwört. Schämen tun Sie sich wohl gar nicht, 

wie?« 
»Warum sollte ich das denn, Frau Gräfin?« 
»Weil Sie Ihre Freundin Frauke, die so viel Gutes an Ihnen 
tat, so bitter kränken wollen, indem Sie sie verlassen, sogar 
noch heimlich.« 
»Es muß doch sein.« 
»Es muß nicht sein, Sie Närrchen. Wollen Sie mir einen 
Gefallen tun?« 
»Wenn ich kann, gern.« 
»Dann gehen Sie in den kleinen Salon, wo ich meine Brille 
vergaß. Denn ohne die kann ich Ihnen nicht die Leviten 
lesen, wie man so sagt.« 

Arglos fiel Ortrun auf die List herein, ging davon, und 
Herma raunte dem Neffen zu: 
»Geh ihr nach, zieh die Weste glatt und tu forsch. Wehe, 
wenn du mich enttäuschst!« 
So folgte er denn dem Mädchen in den Salon, schloß leise 
die Tür und sah schweigend zu, wie es nach der Brille 
suchte. Natürlich ohne Erfolg; denn die Gräfin besaß gar 
keine Brille. Sie konnte auch ohne sie recht gut lesen. 
»Nun, findest du die Brille nicht?« fragte er lachend, was sie 
herumfahren ließ. 
»Toi, toi, toi! Ich hatte ja gar keine Ahnung, daß du hier 
bist. Such du mal bitte nach der Brille, ich jedenfalls kann 

sie nicht finden.« 
»Ich bestimmt auch nicht, weil Tante Hermas Brille gar 
nicht existiert.« 
»3% aber was soll denn das bedeuten. Das hat doch keinen 
Sinn.« 
»Und wie das Sinn hat. Es hängt mit einer Frage 
zusammen, die ich an dich stellen möchte.« 
»Jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr.« 
»Darf ich jetzt meine Frage stellen?« 
»Bitte, aber kurz und präzise.« 
»Sollst du haben, mein Kind. Willst du meine Frau 

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werden?« 
»Ach du lieber Gott«, ließ sie sich in den nächsten Sessel 

fallen und sah ihn mit einer so süßen Hilflosigkeit an, die 
ihm mehr sagte, als viele Worte es vermocht hätten. Und 
da fackelte er auch nicht länger, sondern tat das, wozu sein 
Herz ihn drängte. 
»Na also«, lachte die Gräfin dem glückseligen Paar 
entgegen. »Hab ich mir doch gleich gedacht. Nun, 
Firlefänzchen, begrüße deine Schwägerin, aber würg sie in 
deinem Freudentaumel nicht ab.« 
Schmunzelnd wartete sie dann, bis sie an die Reihe kam. 
Sah gerührt in die glückseligen Augen, küßte das weiche 
Gesichtchen und sagte leise: 
»Sei gesegnet, du süßes Kind. Du hast unserm Winrich das 

Glück gebracht, nach dem er hungerte und darbte.« 
»Danke, Tante Herma«, schmiegte Ortrun sich an die gütige 
Frau. »Ich mußte dich liebhaben, vom ersten Augenblick 
an.« 
»Hm, so was hört man gern. Da sieht man doch wieder, 
wie gut es manchmal ist, einer spontanen Eingebung zu 
folgen. Eigentlich wollte ich erst nächste Woche hier 
erscheinen, aber eine innere Unruhe drängte mich, es heute 
schon zu tun. Und kam gerade noch zur Zeit, um einem 
schüchternen jungen Mann das Rückgrat zu steifen. Weißt 
du denn, mein Kind, mit welchen Komplexen er sich 
herumschlug, nein? Dann will ich es dir sagen. Er fürchtete, 

für einen Mitgiftjäger gehalten zu werden, wenn er um dich 
kleinen Krösus freite. Hättest du ihm das zugetraut?« 
»Nein, Tante Herma.« 
»Das wollte ich nur wissen. Er braucht dein Geld auch gar 
nicht, weil er das von mir bekommt, was er für seinen 
Besitz benötigt. Und nun schick das Auto zum grünen 
Haus, Winrich, damit es Fräulein von Schlössen und die 
famose Hulda nach oben holt. 
Ja, sieh mich nur so erstaunt an, mein Kind, ich weiß über 
deine Verhältnisse genau Bescheid. Weiß, woher du 
stammst, weiß, daß du ein Zögling des Elitetöchterheims 

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bist, was allein schon ein Freibrief für dich ist, weiß 
überhaupt alles, was eine mißtrauische alte Frau wissen 

muß, um den Neffen, den sie wie einen Sohn liebt, nicht 
zum zweiten Mal bei der Wahl seiner Gattin ins Unglück 
laufen zu lassen. Und nun schaut mich nicht so verblüfft 
an, ihr drei Liebsten, die ich habe, sondern kommt her und 
gebt mir einen Kuß.« 
»Ich freue mich, Fräulein von Schlössen, Sie nun auch 
persönlich kennenzulernen«, sagte Gräfin Herma 
liebenswürdig, nachdem ihr Neffe die beiden Damen 
miteinander bekannt gemacht hatte. »Gehört habe ich 
nämlich schon viel von Ihnen. Warum ist denn das 
Prachtstück Hulda nicht mitgekommen?« 
»Weil sie keine Zeit hat, Frau Gräfin«, entgegnete Jadwiga 

mit der Schüchternheit, die sie Fremden gegenüber immer 
noch hatte. »Das junge Paar kommt Sonntag nach Hause, 
und da stellt nun Hulda mit Bertchen gewissermaßen das 
Haus auf den Kopf. Als ich abfuhr, waren sie eben dabei, 
die Zimmer umzuräumen, wobei Michel ihnen hilft. So 
war ich denn ganz froh, als mich der Wagen nach oben 
holte.« 
»Und weißt du auch, warum das geschieht, Tante Jadwiga?« 
»Nein, mein Herzchen – oder doch. Winrich hat so frohe 
Augen. Habt ihr euch etwa – verlobt?« 
»Ganz recht.« 
»Also hat der liebe Gott doch mein Gebet erhört. Was bin 

ich doch bloß glücklich, daß ihr euch endlich gefunden 
habt.« 
Dabei liefen ihr die hellen Tränen über die Wangen. Ortrun 
trat zu ihr und legte ihr blühendes Gesicht an das schon 
leicht welkende. 
»Du Liebe, Gute. Nun habe ich doch mein Wort gebrochen. 
Wir beide gehen nun nicht auf Reisen.« 
»Aber Kind, das macht doch nichts. Die Hauptsache, daß 
du glücklich bist und daß du Winrich glücklich machst. Es 
hat mir so weh getan, als er an der Verlobungsfeier von 
Frauke und Uwe so traurig dasaß. Ich hätte weinen 

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mögen.« 
Und diesem grundguten Menschen hat so eine Kreatur wie 

die Warl das Leben zur Hölle gemacht, dachte Herma böse. 
Na warte nur, das sollst du schon noch büßen, dafür werde 
ich sorgen. Mit einer Herzlichkeit, die diese Frau so 
liebenswert machte, wandte sie sich Jadwiga zu. 
»Und was soll nun aus Ihnen werden, Fräulein von 
Schlössen? Hätten Sie Lust, ins Dorothea-Stift zu 
kommen?« 
»Aber Frau Gräfin, das wäre doch eine Ehre für mich. Denn 
das Dorothea-Stift ist dafür bekannt, bei der Auswahl der 
Damen sehr wählerisch zu sein.« 
»Nun, ich wüßte nicht, warum Sie der Wahl nicht 
standhalten sollten.« 

»Und ich wüßte nicht, warum Tante Jadwiga in ein Stift 
sollte, wo sie uns hier so notwendig ist«, sagte Winrich 
gelassen. »Wenn hier erst wieder die Geselligkeit beginnt, 
wovor ich mich nicht mehr lange drücken kann, müßten 
wir eine Dame ins Haus nehmen, da Ortrun noch zu jung 
ist, um den Klimbim allein schaffen zu können. Und 
warum da in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah 
liegt? Nicht wahr, Tante Jadwiga, du bleibst bei uns, wo du 
so notwendig bist?« 
»Wenn das so ist, Winrich, dann bin ich glücklich.« 
»Na also«, schmunzelte Gräfin Herma, die so richtig stolz 
auf den Neffen war, der in einer so vornehmen Art einen 

mit Minderwertigkeitskomplexen behafteten Menschen 
von seiner Notwendigkeit überzeugte. Ortrun jedoch 
schmiegte sich an den Verlobten und sagte leise: 
»Ich danke dir.« 
Und das Firlefänzchen? Das war einfach selig. Würgte die 
gute Tante Jadwiga ein bißchen und strahlte sie an. 
»Hach, wird das hier ein Leben werden; alle bleiben wir 
zusammen, die wir uns liebhaben. Tante Herma bleibt 
selbstverständlich auch hier.« 
»Na nun mal langsam«, dämpfte diese den frohen Eifen. 
»So selbstverständlich ist das nun auch wieder nicht. Was 

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würde wohl meine Schar sagen, wenn ich sie so schnöde 
im Stich ließe.« 

»Das ist nun auch wieder wahr«, senkte die Kleine 
beschämt das Köpfchen. »Aber ich hätte doch alle so gern 
beisammen, die ich liebhabe. Aber jetzt bleibst du doch 
wenigstens noch eine Weile hier, ja?« 
»Nun, wollen mal sehen. Wann heiratest du, Winrich?« 
»Am liebsten gleich auf der Stelle«, entgegnete er seufzend. 
»Aber das Trauerjahr…« 
»Rede jetzt keinen Unsinn«, unterbrach die Tante ihn kurz. 
»Wenn man einem Menschen wie Ola nachtrauern wollte, 
das wäre Heuchelei. Also wann heiratest du?« 
»In drei Wochen.« 
»Das ist doch ein Wort. Wen wirst du einladen?« 

»Die aus dem grünen Haus kommen sowieso 
uneingeladen«, entgegnete er lachend. »Und sonst möchte 
ich keinen haben. Höchstens noch Ortruns Vormund mit 
seiner Familie. Die werden wir wohl schlecht übergehen 
können, nicht wahr, mein Herz?« 
»Och, großen Wert lege ich darauf nicht«, gestand Ortrun 
aufrichtig. »Die sind mir genauso fremd, wie andere 
Menschen auch. Die werden Augen machen, wenn ich mit 
Winrich anrücke, darauf freue ich mich schon.« 
»Und wenn der Vormund mit deiner Wahl nicht 
einverstanden ist?« fragte Tante Herma leichthin, und da 
fuhr das Mädchen entrüstet auf. 

»Was, mit Winrich nicht einverstanden sein, mit dem 
vornehmsten, liebsten und besten Menschen? Na, das 
wäre!« 
»Mädchen, wenn du wüßtest, wie entzückend du in deinem 
Zorn bist«, lachte die Gräfin. »Aber du hast recht, alles das 
ist dein Winrich. Wenn ich euch einen Rat geben darf, fahrt 
morgen zu Dr. Danz und holt euch seinen vormundlichen 
Segen.« 
Was dann auch geschah. Und der Herr Vormund hatte ganz 
und gar nichts an der Wahl seines Mündels auszusetzen, er 
war im Gegenteil stolz darauf. Und als er dann dessen 

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Vermögensverhältnisse darlegte, sagte das reiche Mädchen 
verblüfft: 

»Das ist aber mal viel Geld. Winrich, willst du es haben?« 
Da mußten die beiden Herren denn doch lachen. 
»Na, Sie bekommen vielleicht eine Frau, Herr Baron. Gut, 
daß die leichtsinnige Kleine in die Hände eines 
Ehrenmannes fällt.« 
»Na also«, lachte Ortrun vergnügt, als sie Arm in Arm mit 
dem Verlobten die Straße der großen Stadt entlangging, wo 
turbulentes Leben herrschte.  
»Das hätten wir auch geschafft. Und nun schnell nach 
Hause, der Trubel hier fällt mir auf die Nerven.« 
Wogegen der Mann nichts einzuwenden hatte. Am liebsten 
hätte er das zauberhafte Geschöpf im Trubel der Straße an 

das heißschlagende Herz genommen und sich an den 
jungfrischen Lippen satt geküßt. Doch da es ja nicht gut 
anging, bezähmte er sein heiß’ Verlangen und benutzte 
außerhalb der Stadt einen Seitenweg dazu, wo er seine 
Liebste nach Herzenslust abküßte. 
»Mädchen, was bist du doch nur für ein goldiges 
Geschöpf«, sah er in die Augen hinein, die ihn anstrahlten, 
wie zwei Sonnen. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wie 
unaussprechlich glücklich ich bin?« 
Und das stimmte. Wohl selten hatte die Liebe einen Mann 
so arg gepackt, wie diesen ernsten, schwerblütigen 
Menschen. 

Wer gab dir, Minne, die Gewalt, daß du so allgewaltig bist. 
Zu dem Empfang der Hochzeitsreisenden hatte man sich 
vollzählig im grünen Haus eingefunden. Auch Gräfin 
Attbach, die Uwe von ihren Besuchen auf Schloß Swidböm 
kannte und die er sehr verehrte. Demnach fiel auch die 
Begrüßung aus, die er der Dame zollte, und Frauke war von 
ihr entzückt. 
Nachdem der Begrüßungssturm sich gelegt hatte, tat Uwe 
das, was ihm sein Herz gebot. Er zog seine Schönste in die 
Arme, küßte den lachenden Mund – und sah dann verdutzt 
auf den Freund, der bei Ortrun dasselbe tat. 

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»Ja, sag mal, was fällt dir ein, unsere Goldige…« 
»Hat sich für euch ausgegoldigt, mein Lieber«, sagte 

Winrich gelassen. »Die Benennung bleibt fortan nur mir 
überlassen. Ich sehe gar nicht ein, daß, wenn du eine 
Schönste hast, ich keine Goldige haben soll.« 
Erst ein Stutzen, und dann ein befreites Lachen. 
»Winrich, hast du dich nun endlich aufgerafft? Nun, dir 
gebe ich unsere -Pardon, Goldige ist ja jetzt tabu – gebe ich 
unsere Ortrun gern.« 
»Verbindlichsten Dank. Und was sagt die liebe Frauke 
dazu?« 
»Ich habe eine Mordsfreude. Schon allein deshalb, daß ich 
die Verantwortung für dieses gefährlich schöne, gefährlich 
reiche Mädchen los bin, und daß es nun so gut bei dir 

aufgehoben ist, Winrich. Na, das ist vielleicht ein 
glückhaftes Nachhausekommen!« 
Nachdem auch dieser Freudensturm sich gelegt hatte, 
nahm man des Regenwetters wegen in der Bibliothek Platz, 
wo das Bild des Professors hing, dem zwei junge Paare ihr 
Glück verdankten. Denn hätte er Frauke nicht das Haus 
vermacht… 
Doch daran dachte man jetzt noch nicht. Jetzt gab; es noch 
vieles zu fragen und vieles zu beantworten. Die erste Frage 
stellte Uwe: 
»Winrich, du wirst doch nicht so töricht sein und mit der 
Hochzeit warten, bis das obligate Trauerjahr vorüber ist?« 

»Nein, so töricht bin ich nicht. Unsere Hochzeit findet in 
knapp drei Wochen statt, das Aufgebot ist bereits bestellt.« 
»Bravo. Wieviel Gäste?« 
»Da ihr ja keine mehr seid, nur Dr. Danz und seine Fasane. 
Standesamt, ein stillem Zusammengeben in der 
Schloßkapelle, ein opulentes Mahl und anschließend eine 
Hochzeitsreise von zwei Wochen. Länger kann ich von der 
Landwirtschaft nicht fort, wo jetzt ja Hochbetrieb ist.« 
»Damit ihr es wißt, Tante Jadwiga bleibt nicht bei euch, 
sondern kommt zu uns«, blähte Oda sich förmlich auf. »Ihr 
habt an Hulda, Bertchen und Michel genüg.« 

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»Herzlichen Dank, daß du uns die wenigstens noch 
gnädigst überläßt«, lachte Uwe gleich den andern. »Wie 

großspurig du jetzt sein kannst, Baroneßchen. Denkst du 
noch daran, wie du ins grüne Haus flüchtetest?« 
»Ach, laß doch«, winkte sie ab. »Verdirb mir nicht die frohe 
Stimmung.« 
»Hast recht«, bekräftigte Frauke. 
»Wenden wir uns erfreulicheren Dingen zu. So wie ich 
Hulda kenne, hat sie Sekt kaltgestellt. Wie nahm sie 
übrigens eure Verlobung auf?« 
»Brummig«, lachte Ortrun. »Sie meinte, daß der liebe Gott, 
der zwei Menschen in seiner besten Laune erschuf, auch 
füreinander bestimmte.« 
»Ganz Hulda«, lachte Frauke und sorgte dafür, daß der Sekt 

bald in den Gläsern perlte. Wie auf Verabredung schweiften 
die Blicke aller zu dem Bild über dem Kamin hin. Frauke 
hielt ihm das Glas entgegen und sagte leise: 
»Lieber Onkel, dein Erbe hat Glück und Segen gebracht. 
Wäre es nicht gewesen, hätten die Menschen niemals 
zusammengefunden, die jetzt so glücklich sind. Hab Dank 
für das Haus im grünen Grund!« 
 

-ENDE-