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Josef Leisen
Methoden des Lehrens und Lernens im deutschsprachigen Fachunterricht
1.
Einführung
Deutschsprachiger Fachunterricht (DFU) ist Fachunterricht in deutscher Sprache für Schüler,
deren Muttersprache nicht Deutsch ist. (Hier wird DFU als Unterricht für Erstlerner im Fach
an allgemeinbildenden Schulen verstanden. Die Überlegungen lassen sich auch auf
Zweitlerner und auf die berufliche Ausbildung übertragen.) Zum kompetenten Handeln im
Deutschsprachigen Fachunterricht braucht der Lehrer Methoden und Werkzeuge. Deren gibt
es inzwischen reichlich. Vielfältig und bunt stellt sich die Methoden-Landschaft dar.
Wenn vom Methoden-Werkzeugkasten gesprochen wird, erweckt das den Eindruck, als ob
Methoden Objekte sind, die „der Lehrer aus der Requisitenkammer der Schule herausholen
und auf die Unterrichts-Bühne bringen könnte“ (H. Meyer, UnterrichtsMethoden I, S. 52).
Methoden sind aber bestimmte Formen und Verfahren, um Unterricht zu inszenieren.
Methoden haben eine äußere, die instrumentelle Seite (Werkzeugcharakter) und eine innere,
die formelle Seite (Hnadwerkscharakter). Methoden haben damit immer einen dialektischen
Charakter:
•
Sie sind Mittel und werden Ziel (zumindest beeinflussen sie das Ziel entscheidend)
•
Sie führen zur Selbstständigkeit des Schülers und schreiben ihm den Weg vor
•
Sie sind Zwangsjacke und Befreiung.
2
Wir brauchen einen übersichtlichen Methoden-Werkzeugkasten und wir brauchen Leitlinien
und Orientierungsmaßstäbe dafür, wann wir wo welche Methoden am besten einsetzen. Wir
brauchen ein didaktische Landkarte zur Verortung unseres methodischen Tuns.
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2.
Die Didaktische Landkarte
Die vier „Eckregionen“ innerhalb der didaktischen Landkarte haben für den DFU besondere
Bedeutung und werden nachfolgend näher charakterisiert. Zwangsläufig ist damit die Gefahr
einer Überzeichnung gegeben. Selbstredend sind die Übergänge fließend, gehen die
Abstufungen kontinuierlich ineinander über und ein Unterrichtsszenario kann sich unter
Umständen durchweg in verschiedenen Regionen gleichzeitig widerspiegeln. Nicht die
Eindeutigkeit der Einordnung ist von Belang, sondern der Gebrauchswert der Verortung.
Die vier Regionen werden zunächst in ein Unterrichtsszenario eingefangen, das anschließend
didaktisch eingeordnet wird, indem seine wesentlichen Merkmale herausgestellt werden.
Region 1: Der lehrergelenkte Frontalunterricht
Der Lehrer instruiert die Schüler, die seinen Vorgaben und Anweisungen folgen, aber kaum in
eigener Verantwortung selbst aktiv werden. Der Unterricht wird vom Lehrer auf ein klares
Ziel hin ausgerichtet. Es soll linear und möglichst effektiv erreicht werden. Um dies
sicherzustellen, greift der Lehrer steuernd in den Unterrichtsprozess ein; er ist stets der Herr
des Verfahrens.
Wichtigstes Lenkungsinstrument des Lehrers ist hier wie in allen Unterrichtsformen die
Sprache. Aber hier kommen die meisten Äußerungen im Unterricht von ihm, die Beiträge der
Schüler sind an ihn gerichtet. Damit steht er im Zentrum der Kommunikation. Er kann die
Beiträge seiner Schüler sprachlich korrigieren, fördern und bewerten.
Abstraktion
Konkretion
Hohe Schüleraktivität
Hohe Lehrerlenkung
1
2
4
3
4
Die Lehrersprache kann den Schülern als Modell dienen. Gerade fremdsprachige Schüler sind
eher rezeptiv und orientieren sich sehr stark an den Sprachmustern, die ihnen der Lehrer
vorgibt. Der sprachliche Einfluss des Lehrers ist sehr groß, wenn er ausschließlich die
Zielsprache Deutsch gebraucht und keinen Raum für muttersprachliche Äußerungen der
Schüler lässt.
Region 2: Der theorieorientierte Gruppenunterricht
Bei dieser Variante des Unterrichts sind die Schüler aktiv. Sie sind selbst verantwortlich für
das, was sie in der Gruppe tun und gehen dabei auch das Risiko ein, bestimmte Ziele nicht zu
erreichen. Der Lehrer ist lediglich Arrangeur dieser Lernsituation und hält sich deshalb im
Hintergrund.
Die Gruppenarbeit bringt es mit sich, dass die Schüler intensiv miteinander kommunizieren;
in welcher Sprache sie dies jeweils tun (Muttersprache, Zielsprache oder eine Mischung aus
beiden), ist vom Lehrer vorgegeben oder sie entscheiden das selbst. Der Lehrer kann den
Sprachgebrauch in der Gruppe nicht direkt kontrollieren. Weder kann er Sprachmuster
vorgeben, noch kann er dafür sorgen, dass die Fehler korrigiert werden. Allerdings kann er
zielsprachliche Anforderungen in die Aufgabenstellung einbauen und vorgeben, dass die
Auswertung der Gruppenarbeit in der Zielsprache erfolgt.
Region 3: Der praxisorientierte Gruppenunterricht
Bei dieser Variante des Unterrichts kooperieren die Schüler mit einem Partner oder sie
gehören einer Gruppe an. Sie arbeiten z.B. projektartig. Es ist nicht von vornherein absehbar,
welches Ergebnis sie erreichen werden. Fest steht allerdings, dass es mit geeigneten Mitteln
präsentiert werden soll. Der Lehrer doziert und instruiert nicht, sondern überlässt die Schüler
der Situation, ganz im Vertrauen darauf, dass sie selber Lösungen finden. Sie sollen „mentale
Modelle“ konstruieren, mit denen sie das anstehende Problem bewältigen. Die Schüler sind
selbstständig, der Lehrer steht als Moderator oder Helfer zur Verfügung. Zwangsläufig
kommt es dazu, dass die einzelnen Schüler in unterschiedlichem Takt und nach ihren
persönlichen Möglichkeiten arbeiten, d.h., der Lernprozess verläuft nicht konform, sondern
fächert sich differenziert auf. Die Schüler lernen durch Handeln. Sie verwenden fast
ausschließlich ihre Muttersprache, da sie die Zielsprache Deutsch noch nicht ausreichend
beherrschen.
Region 4: Der lehrergelenkte Experimentalunterricht
In einem solchen Unterricht demonstriert der Leh-rer konkret (z.B. Experimente, Führung
durch ein Museum, Firmenbesichtigung) bestimmte Aspekte einer Thematik, die dadurch für
Schüler anschau-lich und (oft mit den Händen) begreifbar werden. Obwohl diese
Erfahrungen für den Schüler sinnlich und direkt sind, so sind sie doch durch den Lehrer
vermittelt oder durch Aufträge vorgegeben, etwa in Form einer kleinschrittigen
Experimentieranleitung. Der Lehrer entscheidet, was er den Lernenden demonstriert oder
womit und wie lange Schüler praktische Übungen selbst durchführen. Schüler leisten bei der
Demonstration gelegentlich nur Hilfsdienste.
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Der Lehrer steht nicht nur handelnd, sondern auch sprachlich im Mittelpunkt. Seine
Äußerungen dominieren, die Schüler rezipieren und imitieren die Sprachmuster, die er ihnen
vorgibt. Der Lehrer kann in dieser Unterrichtsform durchsetzen, dass ausschießlich die
Zielsprache Deutsch gebraucht wird. Er kann ihre Verwendung lenken und kontrollieren. In
Bezug auf die Zielsprache hat dieser Unterricht den Vorteil, dass die Sprache situations- und
handlungsbezogen und nicht ausschließlich sprachbezogen zum Einsatz kommt. Die
konkreten Situationen geben hinreichend viele Sprachanlässe.
Jede Region innerhalb der didaktischen Landschaft hat mit Blick auf die Erweiterung der
Sprachkompetenz in der Zielsprache ihre Licht- und Schattenseiten.
Sprachkontrolle ist für den Sprachlernprozess vorteilhaft, aber nicht um jeden Preis. Eine
rezeptive Schülerrolle ist nicht grundsätzlich negativ zu bewerten. Viele Schüler brauchen
lange vorangehende Rezeptionsphasen, um selbst aktiv in den sprachlichen
Produktionsprozess einzusteigen. Die mitteilungsbezogene Kommunikation wirkt sich positiv
auf das unbewusste Sprachgefühl und den Sprachfluss aus. Sprachbezogene Kommunikation,
z.B. in sprachlichen Übungen, schärft das Sprachbewusstsein.
Jeder Anspruch auf Ausschließlichkeit wäre von Übel. Eine Bewertung ist nur im Hinblick
auf die Unterrichtssituation zusammen mit den Unterrichtsabsichten möglich. Auf lange Sicht
betrachtet, ist auf eine Ausgewogenheit zu achten. Schließlich entfalten sich die Vorteile einer
Unterrichtsform erst im Kontrast zu einer anderen. Einseitigkeiten über längere Zeiträume
werden weder den fachlichen Belangen noch den Schülern gerecht. Was für die
Unterrichtsformen gilt, gilt für die Methoden und Werkzeuge gleichermaßen.
3.
Der Methoden-Werkzeugkkasten
Merkmale der DFU-Werkzeuge
Zum kompetenten Handeln im DFU braucht der Lehrer Werkzeuge. Das können „Wortlisten”
sein, um neue Wörter einzuführen, oder „Satzmuster” mit denen Schüler eigenständig Texte
produzieren können. Es kann das Werkzeug „Zuordnung” sein, um fachliche und sprachliche
Inhalte zu üben. Es sind aber nicht nur die Werkzeuge zur Spracharbeit im engeren Sinne,
sondern auch solche zur Förderung der Schüleraktivität und zur Unterstützung der
eigentätigen Auseinandersetzung mit den Fachinhalten und mit der Sprache. Etwa
„Abgestufte Lernhilfen” zur selbständigen Erschließung von Fachinhalten und Fachbegriffen,
oder ein „Kugellager” zur Übung des Referierens, oder ein „Gruppenpuzzle” zum
gesprächsintensiven Austausch von Ergebnissen.
Daneben gibt es noch die Werkzeuge, die den DFU dauerhaft begleiten, wie das „Lernplakat”.
Andere Werkzeuge wiederum dienen vornehmlich Übungszwecken und sind häufig
spielorientiert, wie beispielsweise „Memory” oder „Partnerkärtchen”. Das Werkzeug
„Ideennetz” ist ein Brainstorming-Verfahren, während ein „Begriffsnetz” dazu dienen kann,
die Wissensstruktur des Schülers am Ende eines Themengebietes formalsprachlich zu
repräsentieren.
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Die „Werkzeuge des DFU” werden im folgenden wie die Werkzeuge des Handwerkers in
dessen Werkzeugkasten (z.B. Hammer, Bohrer, ...) beschrieben. Die Werkzeuge sind
methodische Bausteine des DFU. Ihr Spektrum reicht von einer Lehrergeste hin bis zum
vorbereitungsintensiven Lernarrangement. So wie ein Hammer sowohl zum Einschlagen eines
Nagels als auch zum Zerschlagen eines Steines genutzt werden kann, so ist
ihr Einsatz vielfältig und nicht auf eine Unterrichtssituation beschränkt. Der
Werkzeugcharakter erlaubt keine Hierarchie der Werkzeuge untereinander. Sie können aber
nach äußeren Merkmalen und im Hinblick auf ihre Funktion klassifiziert werden.
Gebräuchlich sind Werkzeuge mit Arbeitsblattcharakter. Es handelt sich hierbei um
Werkzeuge, die vom Lehrer geplant und vorbereitet und von ihm gesteuert im Unterricht
eingesetzt werden. Daneben gibt es zunehmend mehr Werkzeuge, die in der Hand der Schüler
liegen, sowohl was die Herstellung als auch den Gebrauch in der Unterrichtsstunde betrifft.
Der nachfolgende Werkzeugkasten enthält eine ausgewogene Mischung beider
Werkzeugarten.
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Merkmale der Werkzeuge
Die Werkzeuge in Lehrerhand zeichnen sich
durch folgende Merkmale aus. Sie
•
sind zeitökonomisch
•
sind geeignet für den Unterricht
•
in gleicher Front
•
sind gut geeignet für Einzelarbeit
•
haben oft Arbeitsblattcharakter
•
sind oft als Kopiervorlage
wiederverwendbar
•
sind gut geeignet für Übungszwecke
•
unterstützen den Frontalunterricht.
Die Werkzeuge in Schülerhand zeichnen
sich durch folgende Merkmale aus. Sie
•
sind zeitintensiv im Unterrichtseinsatz und
führen zu großen Zeitdifferenzen
•
sind binnendifferenzierend
•
sind nur zeitweilig einsetzbar
•
sind vielfältig und unterschiedlich
•
sind oft aufwendig in der Vorbereitung
•
sind häufig sehr materialaufwendig
•
sind oft auf Partner- und Gruppenarbeit
ausgerichtet.
DFU-Werkzeuge in Lehrerhand sind solche, die
•
vom Lehrer geplant und erstellt werden,
•
beim Einsatz in der Hand des Lehrers liegen und ergebnisfester sind.
DFU-Werkzeuge in Schülerhand sind solche, die
•
vom Lehrer, aber auch von den Schülern geplant und erstellt werden,
•
beim Einsatz in der Hand der Schüler liegen und ergebnisoffener sind.
Die Spannweite des Einsatzes und der Gebrauchswert der Werkzeuge reicht vom
lehrergelenkten Unterricht bis zum schüleraktiven Unterricht. Manche Werkzeuge (z.B.
Wortliste, Mind-Map, ...) sind universell einsetzbar, während andere (z.B. Stille Post, Dialog,
Partnerkärtchen, ...) nur in bestimmten Situationen einsetzbar sind.
Funktion der DFU-Werkzuge
Steht eine effektive Wissensvermittlung im Vordergrund, etwa die Erklärung einer Maschine
oder die Beschreibung der Brutpflege bei Vögeln, so bieten sich Werkzeuge in Lehrerhand
ebenso an wie bei fachlichen und sprachlichen Übungen. Diese Werkzeuge sind in Wirkung
und Handhabung gut abschätzbar und legen die Unterrichtsführung in die Hand des Lehrers.
Unterricht kann damit konzentriert, straff und zeitökonomisch durchgeführt werden. Hier ist
der Lehrer das „sprachliche Zentrum“ und es kann ein intensives Unterrichtsgespräch
stattfinden.
Demgegenüber fördern Werkzeuge in Schülerhand maßgeblich die Schüler-Schüler-
Fachkommunikation. Immer dann, wenn Schüleraktivitäten gewünscht sind, erfüllen diese
Werkzeuge ihre Funktion. Beim Einsatz dieser Werkzeuge hat der Lehrer oft eine
moderierende Funktion und ist damit entlastet, allerdings sind diese Werkzeuge manchmal
materialaufwendig und vorbereitungsintensiv. Viele Werkzeuge bieten sich sowohl für die
Schüler- wie für die Lehrerhand an. Nicht das Werkzeuge selbst, sondern sein Einsatz
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bestimmt die Funktion. So können mit denselben Werkzeugen sehr unterschiedliche
Lernumgebungen gestaltet werden
Funktion der Werkzeuge
Werkzeuge in Lehrerhand dienen als
methodisches Gestaltungsmittel für einen
lehrergelenkten Unterricht zur
•
effektiven Wissensvermittlung
•
konzentrierten Unterrichtsführung
•
intensiven Lehrer-Schüler-
Fachkommunikation
Werkzeuge in Schülerhand dienen als
didaktisches Anregungsmaterial für einen
schüleraktiven Unterricht zur
•
Förderung der Schüleraktivitäten
•
Entlastung des Lehrers
•
Förderung der (Fach-)Kommunikation
unter Schülern
Werkzeuge finden sich im Methoden-Handbuch DFU.