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2

John Montana 

Brut der roten Wölfe 

Apache Cochise 

Band Nr. 30 

Version 1.0 

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3

Prolog 

Ihr Land war es, in das Mexikaner und Amerikaner 
eindrangen. Das Land ihrer Väter. Karstig und elend, 
wasserarm und unfruchtbar schmorte es unter heißer 
Arizonasonne. Wüste, bizarre Klippen, himmelansteigende 
Berge und Giftschlangen. Trotzdem verteidigten sie es mit der 
Stärke ihrer Seele und dem wilden Schlag ihrer Herzen. Zu 
diesem Zeitpunkt waren sie längst keine Athapasken mehr, 
sondern deren Nachfahren: Apachen. 

Sie selbst nannten sich T'Inde – Volk, auch Naizhan – Unsere 

Rasse. Und sie besiedelten ein Land so groß wie Deutschland 
und Frankreich zusammen. In diesen ihren Jagdgründen 
leisteten sie Eindringlingen Widerstand und verteidigten jeden 
Fußbreit Boden mit ihrem Herzblut.
 

Zur Zeit der Handlung unserer Geschichte APACHE 

COCHISE lebten 6000-7000 Apachen, die in Arizona und 
Neumexiko Angst und Schrecken verbreiteten, besonders im 
amerikanischmexikanischen Grenzgebiet und weit in Sonora, 
bis hinunter zur Sierra Madre Occidental.
 

Ihren Haß gegen die Nachfahren der Spanier und den 

Erzfeind, die Comanchen, übertrugen sie auf ihre neuen 
Unterdrücker. Von ihnen ist die Rede in unserer Serie. Sie ist 
die historiengetreue Basis der Thematik APACHE COCHISE.
 

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4

*** 

Jungen Wölfen gleich strichen Natie und seine wilde Horde 
durch den brusthoch wachsenden Beifuß zur Talsohle hinunter, 
der Murphykarawane entgegen, deren Männer ihre 
hochbeladenen schwerfälligen Wagen zum Karree fuhren, um 
in der Talsenke ihr Nachtlager aufzuschlagen. 

Seit Stunden schon folgten Natie und seine Krieger 

unbemerkt dem Murphytreck, um eine geeignete Position für 
den Angriff zu erkunden. 

Die Beute lockte, denn Natie witterte auf den hochladigen 

Kastenwagen, die von der östlichen Grenze New Mexicos 
kamen, Gewehre, Munition und Vorräte, die er dringend zum 
Überleben brauchte. 

Er und seine Meute waren streunende Wölfe, gejagt von der 

eigenen Sippe, den Yaquis, deren Häuptling Tehueco sie aus 
dem Kreis der Stämme ausgestoßen und auf alle Zeiten 
verbannt hatte. Gehetzt von Militäreinheiten der US-Army, die 
dem räuberischen Treiben ein Ende setzen wollten. Und 
neuerdings verfolgt von zwei gnadenlosen Jägern, mit denen 
Tehueco sich verbündet hatte, um die Schande aus seinen 
Familien auszulöschen. 

Nur ein Gedanke streifte den Chiricahuahäuptling Cochise 

und seinen weißen Bastardfreund, den Falken. Doch in Naties 
Augen glomm unbändiger Haß, der allen seinen Feinden, doch 
in erster Linie Cochise und John Haggerty galt, deretwegen er 
aus dem Yaquiland so weit nach Osten fliehen mußte. 

Goc-ane, der sich Comanchen-Kid nannte, kroch lautlos mit 

behenden Bewegungen an Naties Seite und deutete wortlos zur 
Wagenburg hinunter, an deren Südseite die Kutscher zwischen 
Skelettbäumen einen Seilcorral zogen, um die Zugpferde 
unterzubringen. 

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5

Natie spürte dessen Gedanken. Er lächelte grausam, als er 

nickte. 

»Wir werden erst ihre Pferde nehmen und in den offenen 

Plains auseinandertreiben. So ist uns die Beute sicher.« Sein 
sehniger Körper spannte sich unter dem dünnen Leder des 
Calicohemdes und zeigte die Kraft, die in dem jungen Krieger 
steckte. »Dies soll in der Nacht geschehen, wenn ihr 
Lagerfeuer niedergebrannt ist und die Wachsamkeit nachläßt. 
Vielleicht werden sie kopflos und hetzen hinter ihren Pferden 
her. Dann haben wir leichtes Spiel mit ihnen.« 

Comanchen-Kid, der einige Zeit in der Welt der Weißaugen 

gelebt hatte, ehe er zu Naties Wölfen gestoßen war, lächelte 
verächtlich über Naties primitive Hoffnungen. »Die Männer, 
die ihre Wagen durch diese Wildnis führen, sind nicht zu 
unterschätzen, Natie. Sie sind keine unerfahrenen Siedler, die 
das Land der Comanchen und Apachen durchqueren, sie 
wissen zu kämpfen.« 

Natie winkte ab, während er den Wagentreck unablässig im 

Auge behielt. »Wir sind keine kopflosen Schneehühner, Goc-
ane, sondern Krieger, denen List und Verschlagenheit in die 
Wiege gegeben wurde.« 

»Die Weißaugen sind keine Dummköpfe, Natie«, 

Comanchen-Kid reckte seine dreizehnschüssige Winchester 
über den Kopf, »sie haben dies, und das ist ihre Stärke …« 

Ein begehrlicher Blick streifte Kids Karabiner. In Naties 

Augen leuchtete gieriges Verlangen. »Bevor der neue Tag 
beginnt, werden wir unsere Lanzen und Vorderlader gegen 
solche Gewehre tauschen, Goc-ane.« 

Natie schob die Hände vor den Mund und ahmte dreimal das 

heisere Bellen eines Präriefuchses nach. Das Zeichen, das er 
mit seinen Kriegern, die hinter dem Hügel bei den Pferden 
lagerten, vereinbart hatte. 

Die Sonne stand im schrägen Winkel zum Tal und verteilte 

ihre Schatten, als Little Raven, Kleiner Rabe, unbemerkt die 

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6

Pferde heranführte. Die Krieger, die dem Ruf des Roten 
Wolfes gefolgt waren, umgaben ihren Anführer, der eine flache 
Mulde im Gesträuch zur Beratung bestimmt hatte. 

Natie sprach in der ihn geprägten Apachenschlauheit. »En-

akai«, er deutete auf den sehnigen schlanken Krieger im 
Lendenschurz, der nun schweigend seine Lanze hob, »wird mit 
drei Kriegern die Pferde des Trecks tief in die Ebene führen 
und auseinandertreiben, während Goc-ane, von Norden 
vorstoßend, und ich mit den übrigen Kriegern von Osten, die 
Wagenburg angreifen. Wir müssen ihre Angst ausnutzen und 
schnell handeln. Ein totes Weißauge wird uns nie mehr Ärger 
bereiten.« 

Damit waren die Zeichen gesetzt, und jeder wußte nun, wie 

er sich verhalten sollte. 

Nur Comanchen-Kid, der schon einmal erlebt hatte, wie 

angreifende Indianer unter dem Feuersturm von Karabinern 
verblutet waren, warnte. »Sie haben Gewehre wie das meine.« 

Natie reckte stolz den Kopf in den Nacken. »Wir haben 

Lanzen, Tomahawks und kräftige Bogen. Wir haben den Mut, 
in ihre Gewehre zu blicken.« Seine Augen wanderten zum 
westlichen Berghügel hinüber, dessen Kuppen im 
Strahlenkranz der niedergehenden Sonne erglühten und für ihn 
ein gutes Zeichen der Götter bedeuteten. »Die mächtigen 
Himmelfürsten der Dunkelheit werden uns bald mit ihrem 
Mantel schützen. Laßt uns mit ihnen sprechen.« 

Sie kauerten nieder, verschränkten die Arme vor der Brust 

und blickten dann stumm nach Westen, wo im Schatten 
zunehmender Dunkelheit die Berge versanken. 

Rock Snife, der rotbärtige Hüne, der den Murphytreck von 
Texas nach Arizona führte, hob witternd die Nase, als spüre er 
die Gefahr, die sich lautlos durch die Finsternis bewegte. 

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7

Ein Leben lang war der Himmel das Dach seines Bettes, die 

weiten offenen Plains seine Heimat. Er hatte noch die 
mächtigen Büffelherden erlebt, denen er von Norden nach 
Süden auf ihren Wanderungen gefolgt war und hatte hier 
manche Erfahrung mit Rothäuten gesammelt. Während des 
zurückliegenden Bruderkrieges war er einer der erfahrensten 
Scouts der Konföderierten Armee gewesen und die bittere Zeit 
danach, bis er zu Butterfield Overland Company stieß, hatte er 
Rinderherden auf gefahrvollen Wegen durch Indianerland nach 
Colorado und Arizona getrieben. Ein Dutzend Wunden, von 
Indianerpfeilen und Lanzen, waren als Lohn der Angst 
geblieben. 

Rock Snife dachte an den einzelnen Reiter, den er am 

Morgen auf den schroffen Zinnen der Animas bemerkt hatte, er 
faßte seine Winchester, die schußbereit unter der Decke lag, 
und stieß den Lauf seinem Nachbarn in die Seite. 

»Ich habe eine schlechtes Gefühl, Slough«, flüsterte Snife, 

als Habergeen sich unmutig zur Seite drehte. »Draußen ist es 
so still geworden.« 

Slough Habergeen grunzte verschlafen. »Das sind die roten 

Pecosbohnen, die sich nicht mit deinem gräßlichen Schnaps 
vertragen. Vertrete dir die Beine und blase dich aus, Rock. Und 
laß mich schlafen. Wir haben morgen einen harten Tag vor 
uns.« 

Obwohl Slough sehr müde war, spürte er doch die seltsame 

Stille, die sie umgab. Er vermißte plötzlich den flatternden 
Flug der Nachtschwalben, das Bellen der Kojoten. Nur die 
Pferde außerhalb der Wagenburg stampften ihre Hufe in die 
Erde. 

Zögernd schob er die Decke zurück und richtete den 

Oberkörper auf. 

Trotz der herrschenden Dunkelheit sah Rock den mächtigen 

Büffeltöter, von dem Slough sich selbst im Schlaf nicht trennte, 
in dessen Faust. 

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8

»Weißt du nun, was ich meine?« flüsterte der rotbärtige 

Recke. Lautlos hatte er sich erhoben, und sein mächtiger vom 
Rum zerfressener Nasenkolben sog geräuschvoll die klare 
Nachtluft in die Lungen, als könnte er das Fremde, das um ihr 
Lager schlich, riechen. 

»Ich schaue nach den Pferden«, fügte er entschlossen hinzu. 

Slough stand plötzlich neben ihm. Hager, hochaufgeschossen 
wie eine Telegraphenstange, Deutlich knackte der Hammer, als 
er seine schwere Büchse spannte. 

»Banditen …« 
»Streunende Indianerbastarde«, zischte der Rotbart. »Weck 

die anderen Männer.« 

Der Schatten des Murphys nahm Snife auf. In der Linken 

hielt er die Winchester, in der Rechten den schußbereiten Colt, 
bereit, bedenkenlos zu feuern, wenn etwas Verdächtiges seinen 
Weg kreuzen sollte. 

Fahlblaues Licht beherrschte die Prärie. Zwischen den 

Skelettbäumen bewegte sich das Rudel Zugpferde. Keine 
dreißig Yards entfernt führten zwei Männer ihre Pferde über 
den Grasteppich. Sie näherten sich dem Corral. Er glaubte ihre 
nackte Haut zu sehen und wußte nun, daß seine Nase ihn nicht 
betrogen hatte. 

Snife kannte weder Furcht noch hatte er Bedenken, als er 

zwischen den schweren Wagen hindurch zum Corral huschte. 

Auf halbem Wege dorthin wuchsen zwei Reiter aus der 

Dunkelheit, die ihn angingen. Snife fuhr herum. Seine 
Winchester in der Armbeuge blitzte auf. Donnernd fuhr das 
Echo durch die Prärie. Die Reiter auf ihren Pferden waren 
verschwunden, ohne daß die Pferde ihre Richtung änderten. 
Snife kannte diesen Trick aus früheren Tagen seines Lebens. 
Sie waren auf zehn Schritte heran, als ihr Geheul losbrach. 

Eine Lanze durchschnitt die Luft, streifte Snifes Leggins, und 

es schien, als wäre der anstürmende Lauf der Bastarde nicht 
mehr zu bremsen. 

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9

Da erreichte ihn Sloughs warnender Ruf: 
»Geh zu Boden, Rock, sonst frißt Emery dich auf.« 
Während Rock Snife sich instinktiv fallen ließ, erhellte ein 

greller Blitz die Szene, dem das dumpfe Wummern eines 
Abschusses folgte. So fürchterlich, daß es ihm auf die Ohren 
schlug und ihn fast taub machte. 

Snife sah, wie der Aufprall von rostigen Eisensplittern, die 

aus Sloughs Büffeltöter fegten, das Pony förmlich in die Höhe 
riß und aus der Richtung schleuderte, ehe der Gaul 
zusammenbrach. 

»Hol die Kerle am Corral«, schrie Slough, »sie dürfen nicht 

an die Pferde heran!« 

Snife hielt seine Winchester an die Schulter, feuerte zwei 

Schuß auf den Mann, der an dem niedergestürzten Pony vorbei 
jagte und nach Süden schwenkte. Fast gleichzeitig hörte er ihr 
wildes Geschrei. Es kam von Norden, Osten und Süden und 
zeigte Snife, daß diese vier Kerle keine Einzelgänger waren. 

Im Lager war es lebendig geworden. 
Peitschende Detonationen weckten die Nacht, Schatten 

flohen durch die Plains und griffen die Wagenburg an. Ohne 
Panik visierte Snife den Reiter an, der dem Corral am nächsten 
war, und nickte zufrieden, als der Bursche seitlich in die 
Büsche fiel. Der zweite floh, Indianertaktik gebrauchend, 
seitlich im Bügel hängend, in die Finsternis. 

Rock Snife kroch bäuchlings in den Schutz der schweren 

Wagen zurück. 

Seine Leute waren in arger Bedrängnis. Er sah, wie Sloughs 

schwere Büchse eine einbrechende Rothaut vom Rücken seines 
Pferdes fegte und ein zweiter Mann genau vor dem Lauf seiner 
Emery auftauchte. 

Mit einem grellen Funkenschlag zerfetzte Sloughs Waffe 

auch diese Rothaut. Irgendwie schien dieser Feuerschlag die 
Entscheidung herbeizuführen, denn mit wildem Geheul brach 
die Meute aus, sprengte als schwer zu treffendes Ziel um die 

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Wagenburg, ehe sie in die Nacht floh und im flachen Berghang 
verschwand. 

»Denen haben wir es aber gegeben«, sagte Slough, während 

er die Büchse auflud. »Sie haben die Schnauze voll.« 

Snife richtete sich finster auf. Er sah die langgestreckten 

Schatten zwischen den Wagen liegen und deutete zum 
Seilcorral. »Sie haben unsere Pferde erwischt. Beim Teufel, sie 
kommen wieder.« Er trat in den Kreis und schürte das Feuer. 

Drei Männer lagen reglos, von Lanzen durchbohrt, im Gras. 

Der vierte lehnte an den Radspeichen eines Murphy und 
stöhnte jämmerlich. 

Als Snife sich näherte, schrie Tom Bridge unter Schmerzen: 

»Beim Teufel, Rock, bleib, wo du bist, mir kann keine 
Menschenseele helfen.« 

Dennoch beugte sich Snife über den Verletzten. Er erkannte 

den kurzen, gefiederten Pfeilschaft, der oberhalb von Bridges 
Breitgurt in seinem Leib steckte und wußte, daß Tom seine 
Lage längst erkannt hatte. Er brauchte keine tröstenden Worte. 

»Ich habe Männer gesehen, die andere Verletzungen 

überstanden haben, Tom«, versuchte er dennoch zu trösten. 

»Spiele nicht den Prediger, Rock«, keuchte der Verletzte, 

»gib mir lieber von deinem verteufelten Schnaps. Feuer muß 
man mit Feuer bekämpfen. In meinem Leib brennt's, als wäre 
die Hölle dort geboren.« 

»Das wäre dein Tod, Tom.« 
»So oder so, ich werde den Morgen nicht überleben.« 
Zögernd richtete der Hüne sich auf. Er trat zu seiner 

Lagerstätte und reichte Habergeen die Canteen. »Gib du ihm 
die Flasche, Slough, ich kann es nicht.« 

»Mit oder, ohne Schnaps. Er stirbt noch in dieser Nacht.« 

Slough nahm die halbvolle Canteen. »Vielleicht nimmt es ihm 
den Schmerz, vielleicht verkürzt es sein Leiden.« 

Snife wandte sich ab, um die auftretende Feuchtigkeit in 

seinen Augen zu verbergen. 

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Eine Weile war es still, dann schrie Tom Bridges 

erbarmungswürdig auf, als würde die Hölle aus seinem Körper 
fahren. Als Snife über die Schulter blickte, hing sein Kutscher 
schlaff in Sloughs Armen. 

Habergeen trat näher. »Er hat es überstanden, Rock.« Es 

klang wie eine Entschuldigung. »Wir aber wissen nicht, was 
morgen ist.« 

Rock Snife schwieg. Er dachte, daß in Las Cruces eine Frau 

und vier unmündige Kinder auf ihren Ernährer warteten, und 
warf trockenes Distelwerk ins Feuer. »Wir wollen die Wagen 
näher zusammenschieben. Beim nächsten Angriff werden die 
Bastarde die Hölle kennenlernen.« Noch während er sprach, 
trat er zu einem der Murphys und schlug die Plane zurück. 
Wütend riß er eine Kiste unter der Plane hervor und setzte sie 
am Boden ab. 

»Dynamit«, sagte Slough, als Snife den Deckel sprengte. 
»Ja«, erwiderte Rock, »für Howards Armee in Tucson 

bestimmt. Wir hätten früher daran denken sollen.« 

»Hatten wir Zeit?« wischte Slough Snifes Vorwurf beiseite. 
Der Treckführer richtete sich auf. Wütend blitzten seine 

Augen. »Jetzt haben wir Zeit. Einen Tag. Zwei Tage. Eine 
Woche, wenn es sein muß.« 

»Und dann?« Slough Habergeen grinste bissig. Er überschlug 

ihre Wasservorräte, die sie mitführten, und dachte an die 
vierzig Meilen Wüstenweg, die zur nächsten Ansiedlung 
führten. 

Rock Snife schwieg. Was sollte er auch antworten? 

Als Cochise und der Falke in das Lager einritten, sah Tehueco 
an ihren Mienen, daß das Jagdglück ihnen versagt geblieben 
war. 

Stumm saß der Yaqui-Kazike am Feuer und wartete, bis 

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seine Gäste ihre Pferde versorgt und sich an der Quelle 
erfrischt hatten, ehe sie den Platz an seiner Seite einnahm. 

Er hatte Sonne, Mond und Berge über den Verbleib Naties 

befragt. Sie hatten geschwiegen. Er hatte einen Dachs erlegt, 
um in seinen Eingeweiden Naties Zukunft zu sehen. Die 
Geister der Zukunft blieben stumm. Er war trotz aller 
Gefahren, die durch maximilianische Truppen und 
mexikanische Rebellen an der Grenze warteten, den 
beschwerlichen Weg zum Whitewater geritten und hatte Minio 
gerufen, den Geist der Flüsse und Seen, ohne erhört zu werden. 
Und selbst im Canyon der flüsternden Winde, der von Mistai, 
dem Geist der unheimlichen Geräusche, beherrscht wurde, war 
ihm die Antwort nicht zuteil geworden. Und selbst der Jefe, der 
höchste Häuptling aller Apachenstämme, würde ihm keine 
Antwort geben können. 

(Anmerkung: Für den Apachen war die Welt um ihn mit 

Geistern und übernatürlichen Mächten erfüllt. Wind, Sonne, 
Donner, Blitz, waren Wohnsitz sakraler Geister. Flüsse und 
Seen belebten Ungeheuer. Wie in allen Tieren nützliche und 
böse Geister schlummerten. So der Bär, dessen Kraft als 
Symbol der Heilung menschlicher Verletzungen galt. Der 
Adler oder Habicht ein Helfer in Kriegszeiten war. Die 
Klapperschlange, die die Kraft hatte, Regen zu schicken, oder 
der Dachs, der dazu beitrug, die Zukunft vorherzusagen. Selbst 
sein Pferd betrachtete der Apache, wie auch andere indianische 
Stämme, als einen Teil von sich selbst. All diese Dinge lassen 
erkennen, wie tief der Aberglaube des roten Mannes mit seiner 
Umgebung verwurzelt war.) 

Tehueco wußte, daß er Natie finden mußte, um den Schmutz 

und die Schande von den Stämmen der Yaquis abzuwenden. 

Häuptling Cochise näherte sich dem Feuer. Ein kräftiger, 

stattlicher Mann, dessen Brustmuskeln unter dem offenen, 
ärmellosen Chaparajos zuckten. Keine Spur von Müdigkeit 
haftete dem Chief an. 

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Auch John Haggerty sah man die Strapazen eines langen 

Weges längs der Grenze nicht an. Doch sie beide hatten Natie 
nicht gefunden. 

Tehueco führte die Hand zur Brust und zur Stirn. Cochise 

und John beantworteten den Willkommensgruß. »In deinem 
Gesicht sehe ich, daß der Weg ohne Erfolg war, Jefe«, sagte 
Tehueco, während er die Alltagspfeife mit Kinnikinnik stopfte, 
umständlich entzündete und sie nach einigen Zügen dem Jefe 
reichte. »Seine Spur verliert sich in den vier heiligen 
Himmelsrichtungen, wie der Wind, der nicht zu fassen ist.« 

Cochise sog tief den scharfen Tabak in die Lunge. Er reichte 

John die Pfeife und erwiderte: »Die Sorgen der Yaquis sind 
auch die Sorgen der Chiricahuas. Ich werde solange in deinem 
Land bleiben, bis die Schande getilgt ist. Der Falke mag 
sprechen.« 

Tehuecos Blick wanderte zu Haggerty, der ihm als Freund 

Cochises willkommen war, weil er als Vermittler zwischen den 
Pferdesoldaten in Tucson und den Apachenstämmen diente. Er 
kannte ihn nun schon zwei Jahre. 

»Sprich …!« 
John legte die Pfeife auf einen ausgewaschenen Stein. 
»Der Rote Wolf bringt immer größere Schande über das 

Volk der Yaquis, Tehueco. Seine Spur wechselt wie der Wind. 
Was er hinterläßt, sind verbrannte Ranchos, niedergemetzelte 
Menschen, vergewaltigte Frauen und verstümmelte Kinder. Du 
hättest ihn nach den Gesetzen der Yaquis verurteilen und ihm 
nicht die Gnade der Verbannung erweisen sollen. Es war 
genug, daß Natie die hilflosen Menschen in Naca ermordete, 
die Frauen beschmutzte und sie nach ihrem Glauben an 
gekreuzte Stämme nagelte und sie in der Sonne zu Tode 
folterte. Jedes Gericht im Territorium Arizona hätte ihn und 
seine Helfer zum Tode verurteilt und gehängt.« 

Tehueco nickte schweigend. Das Letzte war vielleicht der 

Grund seiner Milde gewesen, denn kein Yaqui, den man mit 

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einem Strick am Hals zu Tode brachte, fand den Weg ins Reich 
der Götter. Aber heute wußte er, daß seine Gnade verfehlt war, 
denn Naties Taten beschmutzten alle Stämme der Yaquis. 
Nicht nur das, sie brachten Bleichgesichter und Gelbgesichter 
in Aufruhr, daß ein Yaqui es kaum noch wagte, seine 
Apacheria zu verlassen. 

»Ich habe mit dem Jefe gesprochen«, fuhr John im gleichen 

Rhythmus fort, »und wir haben beide beschlossen, die Jagd 
nicht aufzugeben.« 

»Wo willst du den Wind fangen?« fragte Tehueco zögernd, 

aber Hoffnung zog bei den Worten des Falken in sein 
gekränktes Herz ein, daß irgendwann der Tag kommen würde, 
wo der Yaqui sich wieder frei in den Tälern bewegen konnte, 
ohne wie eine Buschratte abgeschossen zu werden. 

Cochises antwortete: »Zwischen den Dragoons, den 

Chiricahuas und den Sierra Madres ist es ruhig geworden. Tief 
im Süden spricht man von Revolution und es heißt, daß der 
Rebell Pablo Juárez den Kaiser bald über das Meer treibt. Die 
Stille, die sich nun um Natie ausbreitet, läßt vermuten, daß er 
nach Osten geflohen ist. Es gibt Gerüchte, die erzählen, das tief 
im Herzen New Mexicos ein Auswurf der Menschen im 
Verborgenen lebt, denen Natie, der Bandido willkommen ist.« 

Tehueco zuckte bei der Erwähnung des Wortes Bandido 

leicht zusammen, denn der Rote Wolf war ein naher 
Verwandter seiner Familie. Aber dann nickte er. »Er ist ein 
Bandido und niemand soll ihn mehr einen Yaqui nennen. Ich 
werde dir alle Hilfe versprechen, die du brauchst, um ihn zu 
finden.« 

Cochise sah die Unruhe, die in dem Yaqui-Kaziken tobte, 

und er spürte dessen Gedanken. 

»Du willst ihn selbst töten?« Tehueco nickte. »Er soll den 

Tag verfluchen, an dem er dem Leib seiner Mutter entschlüpft 
ist.« 

»So sei es denn.« Cochise griff nach dem Kalumet und sog 

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heftig am hörnernen Mundstück. 

Von nun an waren alle Worte, die Natie betrafen, vergessen. 

Tehueco wies seinen Gästen Jacales an und ließ ein Festmahl 
vorbereiten, das dem großen Häuptling aller Apachen würdig 
war. 

Schon bald duftete ein prächtiger Bärenschinken, den 

Tehueco eigenhändig aus dem Cache, der Erdgrube für 
Vorräte, geholt hatte, über dem lodernden Feuer, und Tehueco 
erzählte farbenprächtig seinen verwegenen Kampf mit dem 
Braunbären, den er mit dem Jagdmesser erlegt hatte. Squaws 
richteten mit flinken Händen das Beiwerk, einen Salat aus 
eßbaren Disteln, wilden Erbsen, Wolfsmilchknospen und der 
Frucht des Feigenkaktus. Aus tönernen Schalen lockten 
kostbare Früchte wie Wildkirschen, Dattelpflaumen, 
Hagebutten und die weißen Nüsse des Hickorybaumes. 
Tortillas, gefüllt mit Pfefferschoten, rundeten das Bild ab. 

Dies alles war genau abgestimmt, um Cochise die 

Freundschaft und Verbundenheit der Yaquis zu zeigen. 

Den folgenden, bis tief in die Nacht hinein dauernden Pow-

wow der Häuptlinge würzte Tehueco mit scharfem Baconora 
und Tizwin, einem gegorenen Getränk aus Pflanzen. Beim 
Klang der Trommeln tanzten die hübschesten Mädchen des 
Stammes wild und leidenschaftlich Liebestänze und ließen 
erkennen, daß ihre Tipis für die Gäste offenstanden. 

Tehuecos Aufforderung, ihren Lockungen nachzukommen, 

wies Cochise mit den Worten ab, daß die Lage zu ernst und ein 
unbestimmter anstrengender Weg vor ihnen lag. 

Der Falke widerstand ebenfalls dem Reiz. Seine Gedanken 

waren bei Tla-ina, Cochises junger hübscher Schwester, die er 
liebte und deren Bild er in seinem Herzen trug. 

Es dämmerte bereits, als sie das große Palaver beendeten und 

sich in die Jacales zurückzogen. 

Am Nachmittag des folgenden Tages, nach einem 

erfrischenden Bad, rüsteten Cochise und sein Freund, der 

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Falke, zum Aufbruch. 

Der Yaqui-Kazike hatte zwei starke Ponys mit 

Trockenvorräten und Wasserschläuchen bestückt. Als Cochise 
sich verabschiedete und aufs Pferd schwang, reichte Tehueco 
ihm einen Medizinbeutel, in dem der Schwanz eines Stinktieres 
steckte, der nach dem Glauben der Yaquis dem Träger 
übernatürliche Kräfte verlieh. 

Cochise bedankte sich höflich. »Du wirst bald von uns hören, 

Tehueco. Schicke einen Boten mit einer Nachricht in meine 
Apacheria, um Naiche über mein Vorhaben zu informieren.« 

Tehueco versprach es wortreich. »Es wird geschehen, 

Cochise. Du selbst wirst mich und meine Krieger an der 
südöstlichen Grenze finden. Ich hoffe, mein Taime wird dir 
Jagdglück und Kraft schenken.« 

Nun endlich kam es zum Aufbruch, und sie ritten durch 

verborgene Felsschluchten und Engpässe talwärts durch das 
Yaquiland zur Grenze. 

Ein beschwerlicher, unbestimmter Weg lag vor ihnen, der sie 

weit nach Osten über die Grenzen des Apachenlandes führen 
sollte. 

Zwei Angriffe der Indianer gingen im Feuerschlag 
detonierender Dynamitstangen unter. Natie verlor zwei weitere 
Krieger und vier Broncos. Aber der Widerstand seiner Gegner 
reizte Natie, weil er nun glaubte, daß auf den Frachtwagen 
kostbare Beute zu holen war. Er träumte von dem schnellen 
Gewehr, das Comanchen-Kid gehörte, dem Teufelszeug der 
Donnerbomben, in denen der böse Geist des Donnergottes 
steckte und ungeahnte Möglichkeiten für die Zukunft bot. 

Nach einem dritten vergeblichen Versuch, die Wagenburg zu 

überrennen, zog er sich mit seinen Kriegern ins Strauchland 
des Hügels zurück. 

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»So wirst du es nie schaffen, Natie«, orakelte Kid, als er sich 

an die Seite des wütenden Wolfes setzte. »Ich habe dich 
gewarnt, vor diesen Wagenmännern. Sie sind gefährlich und 
kämpfen wie ein Rudel Grislys. Du solltest aufgeben oder 
einen anderen Weg wählen.« 

Naties Augen blitzten zornig. »Du trägst unsere Haut und 

denkst wie ein Bleichgesicht. Niemals werde ich von der Beute 
lassen, Goc-ane.« 

»Und du denkst wie eine Squaw, Natie. Du verrennst dich in 

einen dummen Gedanken und läßt deine Männer verbluten.« 

Unbeherrscht fuhr die Hand des Roten Wolfes zum 

Jagdmesser. Aber er zog die Hand zurück, als Comanchen-Kid 
ihm die Karabinermündung vor das Gesicht hielt. »Du bist 
auch unbeherrscht, Natie«, rügte Kid grinsend, »und hast die 
Fähigkeit verlernt, schweigsam zuzuhören, wenn ein Freund 
spricht. Ich bin dein Freund und habe es dir oft bewiesen.« 

Natie nickte. 
»Ich habe dir auf unseren Kriegszügen schon oft einen guten 

Rat erteilt, Roter Wolf«, fuhr Goc-ane fort, »denn ich habe die 
Denkensweise der Weißaugen studiert. Diese Wagenburg in 
der Senke ist eine Festung, die nicht mit Gewalt, sondern nur 
mit List zu bezwingen ist. Wir müssen einen anderen Weg 
suchen.« 

Natie dachte nach. Sein Freund hatte ein Jahr in den Städten 

und Dörfern weißer Eindringlinge gelebt und vieles von ihnen 
gelernt, ehe sie ihn mit Schande aus ihren Städten jagten. Der 
Comanche war listig und verschlagen wie ein Apache. 

»An welchen Weg denkst du?« 
»Sie haben Waffen, Munition und Sprengstoff im Überfluß. 

Sie sind in der Lage, den Angriff eines ganzen Kriegsstammes 
abzuwehren. Aber eines fehlt ihnen.« 

Natie sah den Sprecher ratlos an. »Es fehlt ihnen nicht an 

Mut.« 

»Aber an Wasser«, triumphierte Goc-ane. »Die 

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Murphykolonne ist auf dem Weg nach Westen. Die nächste 
Ansiedlung liegt dreißig Meilen entfernt. Deshalb führen sie 
keine allzu großen Wasservorräte mit.« 

Naties Augen blitzten. »Du bist klug wie eine 

Klapperschlange. Wir werden ihre Burg belagern, bis sie 
wahnsinnig werden oder um einen Tropfen Wasser betteln. 
Aber…«, in seiner Stimme schwang Bedenken, »das kann 
Tage dauern oder eine Woche. Man wird den Wagenzug 
vermissen und Soldaten oder die Miliz aus den Städten 
entsenden.« 

»Wer weiß, wie weit ihr Weg führt. Vielleicht wird niemand 

sie vermissen.« 

»Und wenn doch?« 
Comanchen-Kid zuckte die Achseln. »Dann können wir 

immer noch aufgeben und irgendeine abgelegene Ranch 
überfallen.« 

Natie war ein junger, ungestümer Krieger, den es nach Taten 

dürstete, der den Ruhm suchte, damit man später über seine 
Grausamkeit in den Yaquifestungen sprach. Er wollte Tehueco 
zeigen, wie man mit Bleichgesichtern umging. Vielleicht 
würde der große Häuptling die Erleuchtung finden und 
erkennen, wie schmählich er ihn behandelt hatte. Als 
Kriegsheld wollte er, mit Ruhm bedeckt und fetter Beute, in die 
Festung Tehuecos einreiten, um alle Schmach zu tilgen, die mit 
der Verbannung an ihm haftete. Goc-anes Worte stimmten ihn 
nachdenklich, und nach einem langen Palaver bestimmte er, 
daß seine Krieger, außer Reichweite der Donnerbüchsen der 
Wagenmänner, einen engen Kreis schließen und mit 
nächtlichen Feuern zeigen sollten, wie wenig der Teufelsmut 
der Bleichgesichter von Nutzen war. 

In kleinen Gruppen aufgeteilt zogen seine Krieger ins Tal. 

Natie und Goc-ane blieben im dichten Gesträuch des Hügels 
zurück. 

In der Nacht loderten flache Feuer auf, die weithin sichtbar 

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den Feinden zeigten, daß es aus dieser Umschlingung kein 
Entkommen gab. 

Der zweite Tag verging und auch die dritte Nacht. Am 

Morgen des folgenden Tages, als alles in Resignation gebannt 
war, wurde Natie ungeduldig. 

»Wenn sie aber mehr Wasservorräte haben, als wir denken?« 

fragte er unruhig. 

Kid lächelte. »Dann wird die Zeit und der Gedanke an die 

Hoffnungslosigkeit ihrer Lage ihren Mut abkühlen. Vielleicht 
sind sie bald bereit, zu verhandeln.« 

Der Tag lief träge dahin. Wie ein glühender Feuerball stand 

die Sonne über den Plains und trocknete die Erde aus. Der Rote 
Wolf, der Untätigkeit müde, war in die Plains geritten und hatte 
zwei Krieger bestimmt, die aus einer verborgenen Quelle in 
den Bergen Wasservorräte holen sollten. Sein Instinkt spürte 
wohl, das die Belagerung über Gebühr hinaus dauern würde. 

Als er am Nachmittag ahnungslos ins Berggestrüpp einritt, 

wo Comanchen-Kid zurückgeblieben war, erkannte er drei 
schwerbewaffnete Männer, die vor seinem Freund am Feuer 
standen. Bärtige, ungehobelte Weißaugen, die rechts und links 
der Hüften schwerkalibrige Revolver trugen, in deren Fäusten 
moderne Winchestergewehre blitzten, in den Gurten um die 
Schulter steckten blitzende Patronen. 

Natie riß seine Lanze hoch, um sie einem der Fremden in die 

Brust zu schleudern. Doch Comanchen-Kid trat mit erhobenen 
Händen schützend vor die Fremden. 

»Es sind Freunde, Roter Wolf, Freunde, die ich aus Las 

Cruces kenne.« 

Natie zögerte. Wildheit stand in seinem Gesicht geschrieben, 

wie der Haß, den er gegen Weißaugen empfand. Noch immer 
hielt er die Lanze zum Wurf bereit. 

»Du nennst die Bleichgesichter deine Freunde?« 
»Sie kämpfen wie wir gegen ihre weißen Brüder. Sie stehlen 

und rauben mit dem gleichen Gedanken wie wir es tun, Roter 

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Wolf. Nur daß unsere Beute unwürdig erscheint gegen das, was 
sie zusammentragen. Der Feuerkopf, der einer ihrer Anführer 
ist, ist auch bereit, unser Problem zu lösen, um dir seine 
Freundschaft zu zeigen.« 

»Was weiß er von unserem Problem?« fragte Natie. Er 

senkte nur zögernd die Lanze, als keiner der drei Männer 
Anstalten machte, sich zur Wehr zusetzen. Sein Blick streifte 
das narbige Gesicht des Hünen, aus dessen breitrandigem 
Stetson brandrotes Haar bis zu den Schultern herab fiel. »Was 
weißt du von unseren Gedanken, Feuerkopf? Wer bist du und 
woher kommst du?« 

Der Rothaarige trat neben Comanchen-Kid. Er deutete 

lächelnd nach Osten, wo der mächtige Gebirgszug der Animas 
Mountains das Tal durchschnitt. »Man nennt mich Budd 
Cameron, Roter Wolf. Wir kommen aus Mexiko, wo wir für 
viel Geld für die Versorgung der Rebellentruppen sorgen, und 
ziehen dorthin in die Berge, wo in einsamen Tälern ein sicheres 
Versteck liegt, das uns vor jeglicher Art von Verfolgern 
schützt.« 

Naties Blick folgte dem ausgestreckten Arm des Sprechers. 

Er sah die wildzerklüftete Bergwelt im Osten, die im prallen 
Sonnenlicht wie Feuer brannte. Mißtrauisch verzog er den 
Mund. »Was zwingt dich, einem Apachen zu helfen?« fragte er 
zögernd. »Die Männer dort unten tragen die gleiche Hautfarbe 
wie du.« 

»Nichts zwingt mich, Roter Wolf. Nur der Gedanke, daß sich 

ein Haufen tapferer Krieger uns anschließt und uns in die 
Berge folgt. Mein General sucht immer gute Kämpfer.« 

»Und wer ist dein General?« 
»Der Herr der Animas Mountains, Don Rodriges.« 
»Ein gelbgesichtiges Schlitzauge«, fuhr es aus Naties Mund, 

und er spürte den angeborenen Haß gegen die Mexikaner im 
Herzen. 

»Ein mächtiger Mann. Mächtig wie der Kaiser Maximilian 

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von Mexiko, den er mit allen Mitteln bekämpft.« 

Naties Blick streifte die Fremden, die nun an der Seite des 

Sprechers standen. Schmutzige, verlauste Kerle, die mit dem 
Blick einer Klapperschlange Natie belauerten und sicher bereit 
wären, ihm die Kehle zu durchschneiden, wenn es sich lohnte. 
Sie stanken wie der Skunk, der durch die Sträucher schlich. Er 
mochte sie nicht. 

Dennoch wandte sich Natie an den Banditen. »Und wie 

mächtig bist du, Feuerkopf?« 

»Ich will es dir zeigen, wenn du mir Vertrauen schenkst.« 
Natie sah zu Goc-ane, der lächelnd über den Hügel deutete. 

»Dort warten zwanzig wilde Reiter, die seinem Wort 
gehorchen. Wenn du es befiehlst, wird er dir den Weg zur 
Wagenburg öffnen.« 

Naties Gedanken kämpften zwischen Habgier und Vernunft. 

Mit der primitiven Schläue, die ihm eigen war, dachte er, wenn 
der Feuerkopf ihm den Weg zur Wagenburg öffnete, wollte er 
ihn als Freund anerkennen. Und unbewußt erkannte der Rote 
Wolf die weiteren Vorteile einer solchen Freundschaft, denn 
wenn der Feuerkopf ein Versteck in den Bergen kannte, das so 
einsam war, wie er sagte, konnte er, der Rote Wolf, sich der 
Verfolgung der Yaquistämme, des Militärs und Cochise 
jederzeit entziehen. 

Natie stieß die Spitze seiner Kriegslanze tief in den Sand und 

deutete auf den Lagerplatz am Feuer. 

»Setze dich, wir wollen die Dinge besprechen.« 

Nordstürme peitschten den Rio Grande hinunter und führten 
gewaltige Staubmassen mit, um eine ganze Stadt wie Las 
Cruces im Sand zu ersticken. Der Reiter auf dem knochigen 
Falben, der nur einem Schatten in der tobenden Mauer des 
Sturmes glich, hatte Mühe, den abgetriebenen Gaul auf den 

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Beinen zu halten. Er schien aufzuatmen, als er das im Wind 
schaukelnde Holzschild erkannte, das das Marshals Office 
offenbarte. 

Der Reiter stieg aus dem Sattel, führte das Tier in den 

Windschatten des Hauses und stemmte sich gegen den Sturm, 
der ihn mit voller Gewalt erfaßt hatte und niederzuzwingen 
drohte. 

Seine Faustschläge an der Tür verhallten ungehört und es 

schien, als trüge der Orkan alle Geräusche aus der Stadt. 

Fluchend stemmte der Mann sich gegen die Tür, die nur 

einen Spalt nachgab, dennoch breit genug, um ihm Einlaß zu 
gewähren. 

Marshal Break, die Hände vor dem Bauch gefaltet, halb 

eingeschlafen, blinzelte träge dem Eintretenden entgegen. 
»Goodnight«, rief er überrascht und zog die Stiefel vom 
Schreibtisch. »Was führt Sie bei diesem Sauwetter in die 
Stadt?« 

Charlie Goodnight, der sich hier auszukennen schien, eilte in 

die Ecke und nahm vom Bord eine Flasche. Nach einem tiefen 
Schluck setzte er sich auf den Hocker an Breaks Schreibtisch 
und filierte schweigend den Marshal, der sichtlich nervös 
wurde. 

Break kannte den kräftigen Burschen, der vor fünf Jahren 

abgewrackt nach Las Cruces kam, große Töne von einem 
Rinderimperium spuckte und dann in die Range zog, um 
Mavericks aufzuspüren, herrenloses Vieh, das sich in den 
Kriegsjahren in der Range vermehrt hatte. Goodnight war ohne 
Zweifel in diesen wenigen Jahren ein reicher Mann geworden, 
nachdem die Regierung sein Bemühen unterstützte, und ihm 
gewaltige Strecken Regierungsland schenkte. Aber Break 
kannte auch Goodnights Sorgen. 

»Ist Ihnen wieder eine Herde gestohlen worden, Mr. 

Goodnight?« fragte er zögernd. 

»Ich habe mich fast daran gewöhnt, daß ich den Pleitegeier 

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schon nicht mehr sehe, der über meiner Ranch kreist, Break«, 
brummte Goodnight, während er den Staub und Dreck des 
letzten Tages herunterspülte. Dann setzte er die Flasche mit 
einem Ruck ab, daß ein Teil des Inhalts über seine schwielige 
Hand lief. Er richtete sich an seinem Selbstbewußtsein auf und 
zeigte, daß er ein harter Mann war, der einiges einstecken 
konnte. 

Charlie Goodnight wirkte wie ein Granitfelsen, breit und 

gedrungen von Gestalt, mit wulstigem Nacken und hellen 
stahlblauen Augen. Seine Fäuste waren wie Schmiedehämmer 
und konnten sicher ebenso hart zuschlagen. 

»Ich suche einen Mann, der sich in Ihrer Stadt aufhalten soll, 

Break. Meine Jungs erzählten mir, daß er hier einigen Wirbel 
gemacht hat. James Butler Hickok soll er sich nennen.« 

Ernie Break verzog mißmutig das Gesicht, als der Name fiel, 

und sein Blick streifte die Zelle, hinter deren Gitter ein Mann 
schlafend auf der Pritsche lag. Er dachte an den Ärger, den der 
Bursche in Las Cruces veranstaltet hatte, und welche Mühe es 
ihn gekostet hatte, ihn ins Jail zu schaffen. 

»Der dort«, knurrte er bissig und deutete zur Zelle, »schimpft 

sich Butler. In der Stadt und sicher auch in anderen Städten, die 
er berührt hat, nennen sie ihn Wild Bill Hickok. Weiß Gott, 
einen besseren Namen gibt es für den Bastard nicht.« 

Goodnight blickte zur Zelle. Der Fremde rührte sich nicht. 

Sein Gesicht bedeckte ein flacher Plainshut. Über die Schulter 
fiel langes wirres Haar. Er bewegte sich nicht, obwohl 
Goodnight wetten mochte, daß er jedes Wort der Unterhaltung 
aufgenommen hatte. 

»Wenn Sie ihn mir aus der Stadt bringen, Goodnight, will ich 

auf die Haftstrafe verzichten. Das heißt, Sie müßten Dan 
Brodders Saloon-Inventar bezahlen, das er zerschlagen hat.« 

Rancher Goodnight wandte sich ab und stampfte zur 

vergitterten Zellentür. 

»Hickok«, rief er, »stehen Sie auf. Ich habe mit Ihnen zu 

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sprechen.« 

Der Mann regte sich nicht. Er schob nur mit der Linken den 

Plainshut aus dem Gesicht und grinste. 

Goodnight sah den kräftigen Schnauzbart, der die 

Mundpartie verdeckte. Sein energiegeladenes Kinn und die 
mächtig gekrümmte Nase, die sein Gesicht zierte. Und 
Goodnight sah seine großen harten Augen, die ihn an sich 
selbst erinnerten, und er wußte, er hatte seinen Mann gefunden. 

Hickok schwieg. Es war ein stummes Messen zweier 

Männer, die vieles gemeinsam hatten. 

Goodnight brach das Schweigen. »Sie sind in einer 

schlimmen Lage, Hickok, und wissen, das Sie so schnell nicht 
aus dem Knast herauskommen«, sagte er. 

Hickoks Grinsen verstärkte sich. Er zog die langen Beine an, 

ehe er nickte. »Sie sind Charlie Goodnight von der JA-Ranch. 
Ihre Lage ist weit übler als die meine, Mister. Was wollen Sie 
von mir?« 

Goodnight schlang die Fäuste um die Gitterstäbe. Kräftige, 

verarbeitete Hände, schwielig von der harten Arbeit in den 
Plains. »Ich brauche einen Mann, der in der Lage ist, eine harte 
Mannschaft zu führen.« 

Wild Bill Hickok lachte knurrig, so daß Goodnight erkannte, 

daß Hickok seine Lage kannte. »In El Paso und an der Grenze 
gibt es genügend arbeitslose Revolvermänner und 
mexikanische Pistoleros, Goodnight. Sie werden dort finden, 
was sie brauchen.« 

Der Rancher nickte. »Sie werden diese Leute einstellen, 

Hickok, und Sie sind der Kopf, der sie führt.« 

Hickok lachte belustigt. »Sie verfügen über mich, als wäre 

ich Ihr Lakai.« 

»Ich bitte Sie, Hickok. Ich bitte Sie als verzweifelter Mann.« 

Hickoks Lachen verstummte. Mit einem Schwung war er auf 
den Beinen. Sechs Fuß hoch, stark und beweglich wie ein 
junger Berglöwe. 

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»Ich weiß es, Hickok. Sie waren Marshal in Abilene und 

Dodge und haben ein Dutzend Halunken umgelegt. Sie sind 
Spieler und Hassadeur. Was Sie sonst auf dem Kerbholz haben, 
interessiert mich nicht. Sie haben die Qualitäten, eine harte 
Mannschaft zu führen, und ich weiß, daß Sie mir das 
Diebesgesindel aus dem Weg räumen. Tausend Dollar im 
Monat, Hickok, und für jeden Mann, den Sie unter sich 
vereinen, dreihundert.« 

Hickok lachte. »Eine Menge Geld, das Sie ausspucken, 

Goodnight. Ich wette, daß das Diebesgesindel nicht mehr 
Rinder stiehlt, als sie als Prämie aussetzen.« 

»Ich denke an die Zukunft.« 
Hickok schwieg. Er spürte die verzweifelte Not, die den 

Rancher beherrschte. Noch einmal trafen sich ihre Blicke. 
Abschätzend, ja, herausfordernd, bis Hickok nickte. 

»Ich bin Ihr Mann, Goodnight. Holen Sie mich aus dem 

Kasten und begleichen Sie im Saloon meine Schulden. Sie 
können es vom Lohn abziehen.« 

Marshal Break kam mit dem Schlüsselbund. Er öffnete die 

Tür und schien sichtlich erleichtert. Nur als er Hickok den 
breiten Revolvergurt mit den herabhängenden Revolvertaschen 
reichte, verzog er bedenklich das Gesicht. 

Dieser Kerl war ein Teufel von Mensch, der es mit einer 

vollbesetzten Kneipe aufgenommen hatte. Er hatte mächtigen 
Respekt. 

Hickok schwang den Gurt um die Hüften. Als er die Schnalle 

schloß, grinste er den Marshal an. »Sie machen ein Gesicht, 
Break, als bedauerten Sie, unsere vertraute Gemeinsamkeit 
aufgeben zu müssen.« 

»Hickok«, erwiderte Break wütend, »je weiter Sie von 

meiner Stadt entfernt sind, um so wohler fühle ich mich.« 

»Kommen Sie«, warf Goodnight ein, »wir wollen gehen.« 

Sturmböen schlugen ihnen entgegen. Goodnight löste die Zügel 
vom Hitchrack und folgte dem Hünen, der sich zum Mietstall 

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vorkämpfte. Als sie im Windschatten des Stalles standen, zog 
Hickok einen knochigen Wallach aus der Box und begann ihn 
zu satteln. 

»Sie hören von mir, Goodnight«, sagte er und schwang sich 

in den Sattel. 

»Wann?« fragte der Rancher unruhig. Er lauschte dem 

tobenden Sturm, in den Hickok hinaus wollte. 

»In einer Woche, in einem Monat, Goodnight. Ich muß erst 

die Spreu vom Weizen trennen. Good bye.« Hickok zog die 
Krempe seines Plainshut tief ins Gesicht und trabte durch das 
offene Tor ins tobende Unwetter. 

»Sie kommen«, knurrte Rock Snife. Er faßte seine Winchester 
fester. Seine Kehle war trocken wie das Land selbst. 

Es war der vierte Tag, an dem sie von der räuberischen 

Indianerhorde eingeschlossen waren. 

Slough Habergeen nickte grimmig. Er schob den mächtigen 

Lauf seines Büffeltöters über die Deichsel des Murphys und 
angelte mit der Linken seinen Karabiner heran. Vielleicht war 
es der letzte Angriff, den sie überstehen konnten, ehe ihr Skalp 
am Gurt der Apachen hing. Er war entschlossen, seinen 
dürftigen Haarwuchs so lange wie möglich auf dem Kopf zu 
tragen. 

Snife und die anderen Murphyfahrer jagten bereits einen 

Bleihagel in die weit auseinandergezogenen Reihen der 
Angreifer, ohne daß sie ihr Ziel erreichten. 

»Sie sind zu weit entfernt«, schrie Slough über die Schulter. 

»Spart euer Pulver.« Er wischte mit dem schmutzigen 
Hemdsärmel den Schweiß aus dem Gesicht und visierte einen 
der Reiter an. Er sah die nackte glänzende Gestalt, die, nur mit 
einem Lendenschurz bekleidet, der Wagenburg 
entgegenpreschte und zog den Abschußbügel durch. 

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Mit dumpfem Grollen entlud sich seine Emery. Eine 

Pulverwolke verdeckte die Sicht. Als sie sich legte, lud Slough 
bereits seine schwere Büchse. Ohne hinzusehen wußte er, daß 
von dem Burschen wenig geblieben war. 

Ihr wildes Kampfgeschrei füllte den brennend heißen Tag. 

Sie schwenkten nun nach West und Ost, um die Wagenburg 
einzuschließen. Ihr Geheul wurde unerträglich. 

Rock Snife war auf den Planwagen gekrochen. Sein wüstes 

Bartgeflecht glänzte in der Sonne. Im Mund klebte ein 
brennendes Zigarillo und in der Rechten hielt er wurfbereit 
eine Dynamitstange. 

»Entweder Sie oder wir«, schrie er voller Zorn, »laßt sie nahe 

genug herankommen, Jungs. Ich möchte erleben, wie sie in die 
Hölle fahren.« 

Auch die anderen Männer hielten Dynamit in den Fäusten, 

bereit, sich so teuer wie möglich zu verkaufen. 

Aber nun, da die Rothäute sich zum neuen Angriff 

formierten, tauchten auf dem flachen Hügel fast zwei Dutzend 
Reiter auf, die rücksichtslos ihre Gäule durch den Beifuß 
drängten und ihre Karabiner abfeuerten. 

»Wer sind Sie?« schrie Snife verblüfft in den Kampfeslärm 

und senkte den zum Wurf erhobenen Arm. 

»Bestimmt nicht Ihre Freunde«, rief Slogan zurück. Er hatte 

sich aufgerichtet und sah den harten Zusammenprall der 
Weißen und der Indianer. Trocken und heiser bellten 
kurzläufige Revolver auf. Im erbitterten Ringen fuhren gleich 
ein halbes Dutzend Rothäute aus dem Sattel. Die anderen 
wandten sich entsetzt zur Flucht und jagten in die offene Ebene 
hinaus, verfolgt vom Hufschlag der Reiter. 

Noch lange Zeit rollte das Echo vieler Abschüsse durch die 

Plains, ehe der Reitertrupp im Westen auftauchte und zügig die 
Wagenburg anritt. 

»Es sind Weiße«, jubelte Rock Snife. »Eine Posse aus der 

Stadt. Verdammt, sie kamen in letzter Minute.« Federnd sprang 

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er vom Wagen herab. 

Slough lehnte seine Büchse an die Wagennabe und trat aus 

der Burg. Hinter ihm drängten sich die Kutscher. 

Slough zählte fast zwanzig Männer, die im flotten Trab 

näherrückten und über den Köpfen ihre Karabiner schwangen. 
An ihrer Spitze ritt ein Rotbärtiger mit flammendem Haar, das 
sich in der Sonne widerspiegelte. Sie waren schwer bewaffnet. 

Snife und die Crew winkten ihnen freudig zu. Doch Slough 

verzog sein Gesicht, als er seinen Freund Snife anstieß. 
»Verdammt, sie sehen aus wie Banditen.« 

»Du bist verrückt«, erwiderte Snife lachend. »Sie haben uns 

das rote Gesindel vom Hals gejagt. Ich schätze, den 
räuberischen Indianern ist der Appetit auf unsere Ladung 
vergangen. Willkommen, Freunde«, schrie er im nächsten 
Augenblick, »kommt an unser Feuer, wir wollen den Tag mit 
einem kräftigen Schluck Rum begießen.« 

Dabei winkte er seinen Leuten, die zurücktraten und eine 

Gasse bildeten, durch die die Reiter in den Innenhof der 
Wagenburg ritten. 

Die Fremden sprangen aus den Sätteln und banden ihre 

Gäule an die Räder der Murphys. 

Der Rotschopf wandte sich an die Männer. »Wer ist der 

Treckführer?« 

»Ich bin es.« Snife trat in den Vordergrund und reichte dem 

Mann die Hand. »Weiß Gott, ich finde keine Worte, um euch 
zu danken. Ich bin froh, daß ihr unseren Weg gekreuzt habt.« 

»Es ist kein Zufall«, der Rotbart lächelte auf, »wir kommen 

aus Animas, weil dort euer Wagentreck überfällig ist.« Der 
Sprecher nickte dankbar, als Snife ihm seine Canteen reichte. 

»Dann seid ihr lange unterwegs«, warf Slough ein. Sein 

Mißtrauen wuchs. 

Der Rotbart nickte, während er trank und die Bottle an seine 

Leute weitergab. »Seit gestern morgen, eine kurze Rast 
ausgenommen, sitzen wir im Sattel.« 

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Slough sah die schwere Bewaffnung der Burschen, die sich 

im Innenhof der Burg drängten, und dumme Gedanken spielten 
in seinem Hirn. Er war ein kluger Mann, er wußte, daß in 
Animas sie niemand erwartete und ihre Pferde verdammt frisch 
nach dem anstrengenden Ritt aussahen. Unbewußt trat er 
rücklings zum Murphy, wo sein gewaltiges Büffelrohr am Rad 
lehnte. 

Die Kerle sahen aus wie Banditen, dachte er, und suchte eine 

Verbindung zwischen ihnen und den roten Bastarden draußen 
in den Plains. Unwillkürlich langte er nach der todbringenden 
Waffe. »Was hast du?« fragte Snife befremdet, dem das 
seltsame Gebaren seines Freundes nicht entgangen war. 

»Hier stimmt was nicht«, fluchte Slough, »die Burschen 

sehen aus wie Banditen und haben etwas anderes im Sinn.« 

Er sah die Bewegung des Rotschopfes und riß seine Waffe 

hoch. Da peitschten auch schon zwei Schüsse auf, und Slough 
spürte den harten Einschlag im Körper, der ihn über die 
Radachse des Murphys schleuderte, ehe er in ein großes 
schwarzes Loch fiel, aus dem es keine Rückkehr gab. 

»Was soll das?« fluchte Snife und blickte auf den 

rauchenden Revolver in der Faust des Bärtigen. »Slough ist 
unser Freund.« 

»Er war es, Mann.« Cameron lachte. Snife sah die vielen 

Revolver, die die Fremden in den Fäusten hielten. »Wenn du 
Sehnsucht nach deinem Freund hast, kannst du ihn auf seinem 
Weg begleiten.« 

Snife blickte an dem Sprecher vorbei. Aus dem Winkel 

zweier Murphys sah er in den Plains eine Staubwolke von 
Westen her heranwehen und wußte plötzlich, daß sie 
blindgläubig in eine Falle getappt waren. Ihre vermeintlichen 
Helfer waren Apacheros oder Comancheros, die sich mit 
indianischem Gesindel verbündet hatten. Seine Hand zuckte 
zur Hüfte, doch der warnende Ruf des Bärtigen stoppte ihn. 

»Du spielst mit deinem Leben, Mann, laß die Hände, wo sie 

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sind.« 

Immer deutlicher schälten sich aus der Staubwolke 

halbnackte Gestalten, die ein Rudel Pferde vor sich her trieben. 

Ihre Gespanne. 
Snife spürte Leere im Gehirn. Alles schien dort oben zu 

gerinnen, und mit einer wilden Bewegung stürzte er auf den 
Rotbart. Seine Fäuste krachten dem Mann entgegen, der in die 
Knie brach. Aber dann waren die anderen schon über ihm. 
Faustschläge trommelten auf Rock Snife ein, bis er das 
Bewußtsein verlor. 

Als er wieder erwachte, lag er außerhalb der Wagenburg, 

kreuzweise an in die Erde gerammte Pfähle gepflockt. Die 
Sonne brannte fürchterlich in sein Gesicht. Unweit von ihm, in 
der gleichen hilflosen Lage, entdeckte Snife Cord, Swatter, 
Buchanan und Mattem, die letzten Überlebenden der 
Indianerattacke, die sich bis zum letzten Augenblick gewehrt 
hatten. 

Zu seinen Füßen standen der Rotbart und eine Rothaut, in 

dessen schweißigem bunten Stirnband eine einzelne Feder 
steckte. 

»Er ist ihr Anführer, Natie«, sagte Budd Cameron, während 

er Snife lässig mit den Stiefeln antippte. 

Der Rote Wolf blickte zur Sonne hoch, und ein grausames 

Funkeln lag in seinen Augen, als er den Kopf senkte. »Er wird 
sterben wie die anderen, Feuerkopf. Der Sonnengott wird dafür 
sorgen.« 

Als er zurücktrat, sah Snife, daß der Rote eine noch ölige 

Winchester in der Faust hielt, die für die Armee in Tucson 
bestimmt war. Im Hintergrund erkannte Snife seine 
Murphykolonne, die abmarschbereit nach Osten zeigte. 

Wütend zerrte er an seinen Fesseln. »Du roter Bastard sollst 

im Abgrund tiefster Dunkelheit schmoren und nie den Weg zu 
Manitu finden.« 

Natie fuhr federnd herum. Seine Hand fuhr zum Tomahawk. 

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Mit einer wilden Bewegung wollte er sich auf den Wehrlosen 
stürzen. 

Camerons harte Faust hielt ihn zurück. 
»Laß dich nicht herausfordern, Roter Wolf. Du hast sein 

Leben deinem Sonnengott geschenkt. Erzürne ihn nicht.« 

Natie atmete schwer. Nur zögernd senkte er den Arm. »Du 

hast Recht, Feuerkopf. Er wird den Tod der tausend Qualen 
sterben und dankbar sein, wenn ihn der Mantel der Finsternis 
aufnimmt. Führst du uns nun zu deinem Häuptling?« 

Cameron nickte. »Er wird dich wohlwollend aufnehmen, 

Natie, denn du bringst ihm reiche Beute, die für seine Freunde 
im Süden nützlich sind.« 

Natie wandte sich ab und schwang sich auf sein Pferd. Er ritt 

zu seinen Kriegern, die bei den Murphys warteten. 

Budd Cameron beugte sich noch einmal vor und prüfte die 

Fesseln der Gefangenen. 

»Mehr kann ich nicht für dich tun, Kutscher«, sagte er im 

Aufrichten. Seine Hand deutete zum flammenden Stern am 
Himmel. »Euer Schicksal liegt in ihrer Hand.« 

Rock Snife spie dem Sprecher seine Verachtung vor die 

Füße. Aber Cameron hatte sich schon abgewandt. Seine 
Befehle schallten durch die Stille. 

Schwerfällig setzte sich die Murphykolonne in Bewegung. 

Einsamkeit blieb zurück. Drückend, Snifes Gedanken 
belastend, in der keine Hoffnung zu finden war. 

Cochise und Haggertys Weg führte an der mexikanischen 
Grenze entlang nach Osten. Gerüchte, die sie in abgelegenen 
Dörfern aufnahmen, erzählten von dem grausamen 
Apachenwolf und seinen unmenschlichen Taten. 

Sie waren bis nach New Mexico vorgestoßen. Einmal 

erlebten sie, wie mexikanische Rebellen sich ein erbittertes 

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 32

Gefecht mit rothosigen Franzosen lieferten, deren leichte 
Feldhaubitzen kräftig Ernte hielten. 

Cochise sagte bei diesem Anblick: »Das Herz eines Apachen 

füllt sich mit Freuden, wie Bleich- und Gelbgesichter sich 
gegenseitig zu Tode martern.« 

Zweimal in diesen Tagen wurden sie im Wechsel von 

Rebellen und Regierungstruppen gejagt, und nur einer 
schnellen Flucht ins Innere des Gebirges verdankten sie ihr 
Leben. 

In den Tälern stießen sie auf niedergebrannte Gehöfte und 

verbrannte Erde. Die sichtbare Spur von Naties Weg. 

Nun, als sie die weite dürre Ebene durchquerten und den 

fernen Schatten des breiten Gebirgszuges entgegenstrebten, 
hielt Cochise plötzlich sein Pferd an und deutete in die 
schillernde, glasige Luft, die wie eine Glocke über dem 
Badsland stand. 

Dunkle Punkte schwebten kreisend am Zenit, um dann 

pfeilschnell zur Erde niederzustürzen. 

»Der große Schnabelvogel wittert Beute«, sagte er 

nachdenklich. 

Haggerty, der Cochises Handbewegung folgte, nickte ernst. 

»Es sind Geier, Cochise, die irgendein Aas wittern. Ein 
verendetes Wildpferd vielleicht, oder ein Rind, das sich 
verlaufen hat.« 

Cochise schüttelte bestimmt den Kopf. »Dann kreisten die 

Geier nicht unruhig am Himmel, sondern würden ihre 
gefräßigen Därme füttern. Etwas hält sie zurück.« 

John Haggerty dachte an die letzten Tage, in denen sie keiner 

menschlichen Seele begegnet waren. »Wir wollen unsere 
Neugierde befriedigen«, sagte er und lockerte die Zügel. 

Cochise, immer wachsam und auf der Hut, trieb seinen 

Bronco an Haggerrys Seite. Mißtrauen lag in seinen Augen. 
»Wir wollen einer Gefahr nicht offen begegnen.« Er deutete zu 
den flachen, von Wüstenwuchs bewachsenen Hügeln im 

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Süden, »dort können wir uns sicherer der Stelle nähern.« 

Der Scout nickte zustimmend. Während sie den Hügel 

anstrebten, dachte John, die Freiheit brachte auch nicht mehr 
als der einengende Dienst eines Armeescouts. Es war wie eh 
und je, ein ständiges Treiben zwischen Gefahr und Abenteuer. 
Sicher würde er heute nicht so weit im Osten, weitab vom 
Zeltlager in Tucson, reiten, hätte er seinen Dienst nicht 
quittiert. 

Unbewußt mußte er bei dem Gedanken lächeln, welches 

verblüffte Gesicht General Howard gemacht hatte, als er ihm 
erklärte, daß er künftig auf seine Dienste als Chefscout 
verzichten müsse, weil in ihm der Drang nach Freiheit und 
Ungebundenheit erwacht war. General Howard war der 
Abschied seines besten Kundschafters sichtlich schwergefallen, 
und er hatte verzweifelt eine Lösung gesucht, die sie beide 
nicht ganz voneinander trennte. So war Howard schließlich auf 
den Gedanken verfallen, Haggerty zur besonderen 
Verwendung für schwierige Aufgaben zu verpflichten, und um 
seiner Sache sicher zu gehen, blieb John schließlich auf der 
Soldliste der Armee bestehen. Ein Vorschlag, den Haggerty 
nicht umgehen könne, denn einmal war er frei aller 
militärischen Aufgaben, zum anderen sicherte ihm ein 
bescheidenes Einkommen seine Zukunft. 

»Woran denkst du, Falke?« fragte Cochise in seine 

Gedanken, während er einen sicheren Weg durch das dichte 
Beifußgesträuch suchte. »An den Roten Wolf?« 

»An den einarmigen General, Jefe. Ob es je zwischen deinem 

und meinem Volke Frieden geben wird?« 

Der Häuptling lächelte listig. »Die Götter des funkelnden 

Himmelslichtes werden uns einmal die Antwort geben. Wir 
beide sind Freunde geworden. Warum soll es eines Tages nicht 
ebenso zwischen deinem und meinem Volk sein? Ich weiß, daß 
es schwer sein wird, denn es gilt viele grausame Dinge zu 
vergessen, die geschehen sind.« 

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Haggerty spürte die ausweichende Antwort auf seine Frage. 

Aber er drang nicht tiefer in den Häuptling ein. 

Cochise zügelte plötzlich sein Pferd. Er deutete in die flache 

Mulde, die sich in der Ebene erstreckte. »Dort unten, Falke.« 

Haggerty hatte die dunklen Punkte in der Steinwüste 

entdeckt, um die sich ein halbes Dutzend Geier flügelschlagend 
um Beute stritten. Trotz der Entfernung erkannte sein scharfes 
Auge, das dort unten Männer reglos am Boden lagen. 

»Bleichgesichter«, sagte Cochise. »Sie werden dem 

Yaquiwolf begegnet sein.« 

John Haggerty drängte dem Gaul die Sporen in die Flanken 

und preschte rücksichtslos durch das Gesträuch, dem Ziel 
entgegen. Der harte Hufschlag zeigte ihm, daß Cochise mit den 
Handpferden folgte. 

Im Näherreiten erkannte Haggerty, daß die Männer, gekreuzt 

an Pflöcken in die Erde geschlagen, leblos am Boden lagen. 
Flügelschlagend umkreisten die Geier den Ort des Grauens. 

Im vollen Lauf schwang John aus dem Sattel. »Mein Gott«, 

stieß Haggerty entsetzt hervor. Er war ein harter Mann und 
hatte viele Grausamkeiten gesehen. Aber dieser Anblick 
hinterließ ein Würgen in seiner Kehle. 

Cochise tauchte an seiner Seite auf. Ein kurzer schweigender 

Blick streifte die toten Weißaugen, ehe er aus dem Sattel glitt 
und zu den vielen Spuren eilte, die der Boden abzeichnete. 

Haggerty erwachte aus seinen Gedanken. Schwaches 

Stöhnen erreichte sein Ohr. Er blickte in die Richtung und sah 
die laxen Bewegungen eines bärtigen Mannes. 

John eilte hinüber und sah, wie sich die verbrannten Lippen 

des Mannes bewegten. Mit wenigen Schritten war er bei 
seinem Pferd, nahm die Wasserflasche vom Sattelhorn und 
kniete neben dem Mann nieder. 

Einige Tropfen Wasser, mit denen er die Lippen des 

Fremden benetzte, schienen seine Lebensgeister aufzuwecken. 

»Wasser«, röchelte der Bärtige hilflos. »Wasser.« Zwei tief 

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in Höhlen liegende Augen blickten John weltfremd entgegen. 

John spürte, daß diesem armen Teufel nicht mehr zu helfen 

war. Dennoch hielt er die Flasche an seinen Mund, der sich 
gierig öffnete und die Tropfen wie eine Kostbarkeit aufsog. 

»Mehr«, flüsterten seine Lippen begierig, als John die 

Flasche abstellte und zum Jagdmesser griff, um die Stricke von 
den Gelenken des Fremden zu durchschneiden. »Mehr.« Seine 
Arme streckten sich ihm hilflos entgegen. 

John blickte zu Cochise hinüber, der in der Nähe weiterer 

Tote die Erde nach Spuren absuchte. Er schob dem entkräfteten 
Hünen die Hand unter die Schultern und bettete ihn im Schoß. 
»Es ist genug, Stranger. Du weißt, daß ich das nicht darf. Du 
bekommst später noch mal Wasser. Erzähle, wer dieses 
Massaker inszeniert hat.« 

Rock Snifes zerrissene Lippen zuckten. Mehrmals versuchte 

er Worte zu finden, bis er haltlos vor sich hin stammelte. 
»Indianer – Feuerkopf – Murphy. Und nach einer Weile: 
»Gewehre – Dynamit – Tucson – Wasser.« Sein Körper 
bäumte sich auf unter Schmerzen. 

John hielt den Mann fest an der Schulter. Seine Gedanken 

gingen zu General Howard, der hatte vor Wochen, als er, John, 
noch fest im Dienst der US-Army stand, die Hoffnung zum 
Ausdruck gebracht, daß er bald eine bessere Bewaffnung für 
seine Soldaten erwartete. Er sprach von modernen Karabinern. 

»Waren die Gewehre für die Armee bestimmt, Freund?« 
Rock Snife nickte schwach. 
»Winchestergewehre?« 
»Howard – Wasser – Gewehre – Dynamit.« 
John spürte, daß es mit dem Mann zu Ende ging. Seine 

fieberbrennenden Augen lagen tief in den Höhlen, aus denen 
irrer Glanz entsprang. Er setzte ihm die Feldflasche an die 
Lippen und ließ ihn trinken, um für einen Augenblick seine 
Lebensgeister zu erwecken. 

»Wer ist der Feuerkopf, Freund?« 

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»Bandit, er – uns betrogen – General …« 
»Howard?« hakte John nach. 
Mühsam bewegte Snife den Kopf. Der Glanz in seinen 

Augen begann zu erlöschen. »In – Bergen – Apacheros – 
Banditen …« 

Apacheros, durchzuckte John der Gedanke. Er beugte sich 

ganz tief über den Sterbenden. »Die Rothäute, waren es 
Apachen?« 

John sah, daß er den Mann quälte, aber seine Antwort war 

für ihn von dringender Wichtigkeit. »Waren es Yaquis?« 

Rock Snifes Leben floh davon wie ein Fels, den der Blitz 

zertrümmerte. Snife spürte keine Schmerzen. Bleierne 
Müdigkeit zog durch seine Glieder, und der weite dunkle 
Mantel der Ewigkeit breitete sich aus. »Roter Wolf…« Ein 
letzter Atemzug wehte über seine Lippen, dann fiel sein Kopf 
zur Seite. John richtete sich auf. 

Cochise hatte seine Suche aufgegeben. Er kehrte zurück. 
»Tiefe Radspuren in der Erde«, sagte er mit einem 

Seitenblick auf den Toten. »Abdrücke von vielen Pferden. 
Beschlagene und unbeschlagene. Ihre Spur führt in Richtung 
der aufgehenden Sonne. Hat das Weißauge gesprochen, 
Falke?« 

John Haggerty nickte. Sein Blick verlor sich im schillernden 

Glanz der fernen Berge, die unter der Einstrahlung der Sonne 
wie eine feurig lodernde Wand wirkten. Er versuchte die 
wirren Worte des Toten zu ergründen, ehe er seinem Freund 
antwortete. »Natie hat sich mit weißen Banditen verbündet, 
Cochise. Sie haben moderne Repetiergewehre und Sprengstoff 
erbeutet, die für den einarmigen General in Tucson bestimmt 
waren. Wir werden die Toten bestatten und ihnen folgen.« 

Cochise nickte. »So haben wir es bestimmt.« 
Bis zum Abend dauerte ihr Werk. John war ständig mit 

Gedanken beschäftigt, und er wußte nun, was General Howard 
damals meinte, als er vorschlug, ihn zur besonderen 

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Verwendung einzusetzen. Hier schien ein solcher Fall 
eingetreten zu sein. 

Es dämmerte bereits, als John den Klappspaten am Sattel 

befestigte und vor dem breiten Grabhügel ein paar Worte aus 
der Bibel sprach, die irgendwo in seiner Erinnerung haften 
geblieben waren. 

Als er die Sattelgurte seines Pferdes straffte, deutete er nach 

Osten. »Es ist nicht mehr Tehuecos und deine Aufgabe, den 
Roten Wolf zu jagen. Es ist nun auch Aufgabe der US-Army. 
Wir wollen aufbrechen und der Fährte folgen, solange es hell 
ist.« 

Cochise bestieg schweigend sein Pferd. Seine Gedanken 

führten ihn zu Natie und der Brut der roten Wölfe, die er 
führte. 

Charlie Goodnight flickte gerade seinen Vormann Loone 
zusammen, der in einer harten Auseinandersetzung mit 
Viehdieben verwundet und als Einziger von den Weiden 
zurückgekehrt war, als durch das weite Tor der Ranch eine 
Reiterschar in den Hof sprengte. 

Auf den ersten Blick erkannte Goodnight den starken Recken 

auf dem kräftigen Falben, der die Meute führte. Sie waren sich 
vor zwei Wochen in Las Cruces begegnet. 

Er reichte Dan Hicker, dem einbeinigen Alten, der auf der 

JA-Ranch sein Gnadenbrot hatte, Mull und Verbandszeug. 
»Bring die Blutung zum Stillstand und verbinde Loone. Ich 
sehe später nach ihm, Dan.« 

Der Rancher trat den Reitern entgegen, die in breiter Front 

Aufstellung genommen hatte. Goodnight zählte 
dreiundzwanzig Männer, von denen der jüngste etwa siebzehn 
Jahre und der älteste vielleicht dreißig sein mochte. Sehnige, 
drahtige Kerle, wie Texas sie gebar. Ihre Kleidung war über 

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und über mit dem feinen roten Staub des Rio Tales bedeckt, 
was auf einen langen Ritt schließen ließ. Im Scabbard am 
Sattel trugen sie dreizehnschüssige Winchestergewehre und an 
den Hüften, in weitaufgeschnittenen, tiefhängenden Halftern, 
steckten mächtige Faustkanonen, deren abgegriffene 
Hornschalen darauf schließen ließen, daß sie mit den Dingern 
umgehen konnten. Einige ihrer Gesichter kannte Goodnight aus 
früheren Zeiten, als ihre Visagen auf brandroten Bulletins im 
Land hingen. 

»Tag, Hickok«, grüßte er nach kurzer Musterung der Truppe, 

»ist das der Weizen, den Sie vom Spreu getrennt haben?« 

Wild Bill Hickok grinste. »Das Beste, was Texas zu bieten 

hat. Gauner, Halunken, Tagediebe, aber Männer mit Mut und 
Ausdauer. Alles konföderiertes Gesindel, das nach einem 
verlorenen Krieg sein Brot verloren hat. Vagabunden, die vom 
Revolver leben und käuflich sind. Ihr Angebot hat sie gelockt, 
Goodnight.« 

Noch einmal streifte Goodnights Blick die Reiter. »Sie 

sprechen nicht von ihrer Verläßlichkeit, Mr. Hickok.« 

»Dafür verbürge ich mich«, antwortete Bill Hickok im 

Brustton tiefster Überzeugung. »Sie wissen, daß ich mein Wort 
verpfändet habe, und sie ihres Lohnes sicher sind.« 

Goodnight nickte. Der Anblick der Burschen berührte ihn 

unangenehm, weil einige von ihnen in Texas wegen 
Viehdiebstahls gesucht wurden. Sie erinnerten ihn an das 
Gesindel, das ihn in den Bankrott trieb. 

»Die Mannschaft findet im Bunkhaus eine Bleibe, Hickok. 

Kommen Sie ins Haus, wir wollen die Lage besprechen.« 

Wild Bill stieg kopfschüttelnd vom Pferd und deutete zum 

verletzten Vormann hinüber. »Wir hörten unterwegs, sie hatten 
Ärger, Goodnight. Eine Herde soll gestohlen worden sein. Ist 
er der Rest vom Weideabschnitt?« 

Goodnight nickte wütend. »Drei meiner Jungs bissen ins 

Gras. Die Diebe sind mit tausend Longhorns über die Grenze.« 

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»Dann wollen wir unser Geld redlich verdienen, Goodnight.« 

Hickok wandte sich an seine wilde Mannschaft. »Füttert und 
tränkt eure Gäule. Wir reiten in einer Stunde los«, und zu dem 
Rancher gewandt sagte er: »Sie sorgen für eine Tropa und 
vergessen Sie nicht, was flüssiges für den Magen unter die 
Vorräte zu mischen. In den Bergen werden die Nächte kalt, und 
ein guter Brandy verschönt den Abend. Ich werde mit ihrem 
Mann sprechen.« 

Goodnight blickte hinter den Reitern her, die ihre Pferde zur 

Tränke führten, und dachte dabei, Hickok hat sie Strauchdiebe 
und Halunken genannt, und dennoch stehen sie zu ihm. Er 
mußte sich verdammten Respekt verschafft haben. 

Goodnight trat ins Haus und gab Anweisungen. Als er später 

über den Hof ging, um Tragetiere auszusuchen, die Hickoks 
Truppe mitführen sollte, stand Wild Bill noch immer bei Loone 
und sprach auf ihn ein. 

Eine Stunde später, die Tropa stand, und die Reiter saßen auf 

ihren Gäulen, trat Hickok Goodnight gegenüber. 
»Entschuldigen Sie, Goodnight, daß ich mich mehr um Ihren 
Vormann kümmerte als um Sie«, sagte er lächelnd, »aber 
Loone war für mich der berufene Mund, weil er den letzten 
Geschehnissen am nächsten gestanden hat. Das soll für Sie 
keine Beleidigung sein.« 

Der Rancher winkte gelassen ab. Wild Bill gefiel ihm schon 

besser. »Sie jagen das Gesindel. Wer könnte Ihnen bessere 
Auskunft geben als meine Leute, die mit den Viehdieben 
konfrontiert wurden. Wann werde ich von Ihnen hören, 
Hickok?« 

Wild Bill erfaßte die Zügel und schwang sich behend in den 

Sattel. »Wenn wir die Viehdiebe erwischt haben oder Ihrem 
Brand begegnet sind. Vielleicht bringe ich Ihnen den 
schwarzen Skalp eines Indianerbastards mit.« 

Er schwenkte sein Pferd zum Ausgang und gab das Zeichen 

zum Aufbruch. 

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Charlie Goodnight blieb schweigend zurück. Er hatte getan, 

was er tun konnte, um sein Imperium zu retten. 

»Hippeeh.« Budd Cameron sprengte seiner Truppe voraus, die 
den breiten Saumpfad benutzte, um die schweren Wagen 
talwärts in den weiten Arrayo zu führen. Drei seiner Männer 
und Natie begleiteten ihn. 

Natie staunte nicht schlecht über die vielen Hütten, die im 

Schatten steil hochragender Felsen am Ufer des schmalen 
Creeks standen, der, von einem herabfallenden Wasserfall 
gespeist, am Ende des Arrayos wieder im Fels verschwand. 

»Eine Bergfestung«, rief der Rote Wolf an Camerons Seite. 
»Mit Weibern und Huren. Mit einem festen Bett unter dem 

Hintern und einem Saloon, in dem man sich besaufen und 
sonstiges tun kann. Vorwärts, Roter Wolf, ich führe dich zu 
meinem Häuptling.« 

Er winkte den Menschen zu, die auf dem freien Platz vor der 

großen Hütte zusammenliefen, dort, wohin der Rotbart seinen 
Poncho führte. Blonde Weiber und dunkelhaarige 
Mexikanerinnen erwiderten seinen Gruß und riefen laut Hallo. 
Und selbst Squaws erkannte Natie, die mit ihren Männern aus 
ihren Jacales eilten, um Budd Camerons Ankunft zu erleben. 

»Comanchen«, sagte Natie, als er seinen Mustang neben dem 

Feuerkopf vor der breiten Holzveranda zügelte, auf der ein 
kräftiger Mann mit aristokratischem Bartwuchs stand. Er 
deutete zu den Zelten am Hang. »Sie sind die Feinde der 
Apachen.« 

Der Bandit schwang lachend vom Pferd. »Sie sind Rothäute 

wie du. Keine Feinde, sondern Mitglieder unserer 
Gemeinschaft. Und er dort«, sein Arm deutete die flachen 
Stufen hoch, »ist unser General: Don il Campo Rodriges.« 

Cameron stampfte die Treppe hoch, während Natie, 

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abwartend und mißtrauisch die fremde Umgebung belauernd, 
auf seinem Mustang zurück blieb. 

Don Rodriges war ein intelligenter Mann, der vor Jahren 

diese Bergfestung ausgebaut hatte, um von hier aus Beutezüge 
bis tief nach Texas durchzuführen. Ein Intimus Benito Pablo 
Juárez, dessen rebellische Ideen er mit der nötigen Energie 
unterstützte, indem er Banken ausplünderte, um Juárez' magere 
Kriegskasse zu füllen, seine Rebellenarmee mit Frischfleisch 
von den Weiden texanischer Ranches zu versorgen, nicht ohne 
daß seine Helfer zu kurz kamen. Keineswegs uneigennützig, 
wie Don Rodriges zugeben mußte, sondern daran glaubend, 
daß Juárez ihm seine Besitzungen im Land wiedergab, wenn 
die verhaßte napoleanische Kaiserregierung gestürzt und außer 
Landes getrieben war. 

Schweigend musterte er die sehnige Gestalt der Rothaut, die 

ihre Winchester schußbereit in den Fäusten hielt und ebenso 
stumm zu ihm heraufblickte. 

»Ein Apache«, sagte Rodriges schließlich. 
Cameron nickte. »Ein Yaqui. Ausgestoßen von seinen 

Stämmen. Der Rote Wolf.« 

»Ist er allein?« 
»Nein, General. Er ist in Begleitung von sechzehn Kriegern.« 
Don Rodriges behielt Natie noch immer im Auge. 
»Wo hast du ihn aufgelesen, Cameron?« 
»Draußen in der offenen Ebene, General. Er machte einigen 

Fahrkutschem das Leben schwer, die eine kostbare Fracht 
durch die Plains führten.« Cameron deutete zum Berg hoch, wo 
auf der breiten Serpentine die Murphykolonne sichtbar wurde. 
»Wir verdanken dem Roten Wolf fette Beute, und er hofft, das 
Sie sich ihm gegenüber erkenntlich zeigen.« 

Don Rodriges lächelte. »In welcher Form? Möchte er eine 

weiße Squaw, die ihm seine Caparajos oder seine 
Wüstenstiefel gerbt? Es gibt genug Huren im Lager, die sich 
nach einem jungen, unverbrauchten Körper sehnen.« 

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Cameron schüttelte bestimmt den Kopf. »Er sucht 

Kriegsruhm, Trophäen bleichgesichtiger Männer und 
Beutepferde, um den Weg zu seinem Stamm zurückzufinden.« 

Rodriges Lächeln vertiefte sich. »Die kann er haben. In 

Mexiko laufen genug napoleanische Soldaten herum. Wenn er 
es schafft, mag er sich den kostbaren Schöpf des kaiserlichen 
Günstlings Maximilian holen. Juárez würde ihm für seinen 
Kopf eine ganze Pferderemuda schenken.« 

Der General gab Natie mit der Hand ein Zeichen. 
Zögernd, noch immer wachsam, glitt der Yaqui vom Pferd 

und stieg die Treppen hoch. Drunten hatten sich etwa fünfzig 
Menschen versammelt, Männer, Frauen, eine bunt 
zusammengewürfelte Gesellschaft aller Schichten und Rassen, 
die in den Jahren den Weg zu Rodriges gefunden hatte. Ein 
weiterer Teil strebte durch das Tal, um die Neuankömmlinge 
zu begrüßen. Der Abschaum der Menschheit. Don Rodriges 
betrachtete den jungen Yaqui, dessen Muskelkraft und 
Beweglichkeit ihm imponierte. »Wie ein junger Puma«, sagte 
er leise zu Cameron, ehe er sich an Natie wandte. »Ich begrüße 
dich als Freund in unserem Lager, Roter Wolf. Von meinem 
Capo weiß ich, daß du ein guter Krieger bist, der das 
Kriegsglück sucht und Beute erhofft. Du wirst beides bei mir 
finden. Suche einen Lagerplatz für deine Leute, das Tal ist groß 
und hat für jeden Platz.« 

Natie musterte lauernd den Sprecher. »Du großer 

Häuptling?« 

»Der bin ich.« Rodriges hob stolz den Kopf höher. 
»Ich Natie, ein großer Yaquikrieger. Ich dir vertrauen.« Er 

wandte den Kopf und deutete über den Vorplatz. »Alles deine 
Krieger. Viele Squaws. Götter dich mit Glück gesegnet«, sagte 
er bewundernd. 

Die Murphykolonne rollte durch das Tal. Rodriges, von 

Amerons Worten neugierig gemacht, ging zur Treppe hinunter. 
Cameron und Natie wichen nicht von seiner Seite. Als die 

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Wagen ausrollten, befahl Rodriges, die Planen 
zurückzuschlagen und die Fracht abzuladen. 

Bis tief in die Nacht inspizierte Rodriges die Beute, und als 

er Cameron in seiner Hütte zum Umtrunk einlud, sagte er 
zufrieden: »Es ist die fetteste Beute, die wir im letzten Jahr 
gemacht haben. Mehr wert als Gold aus den Banken in 
Mesquite, in Anthony und El Paso zusammen. Mein Freund 
Juárez wird seine helle Freude haben, Cameron, denn diese 
vielschüssigen Gewehre sind rar und nicht mit Gold 
aufzuwiegen. Trinken wir auf dieses Glück und auf die 
künftige Republik.« 

Es wurde ein langes, ausgiebiges Gelage, an dem das ganze 

Lager teilnahm. Bis zum Morgen hinein hörte man hellen 
Gesang und fluchende Stimmen, Weibergekreisch und Fiedeln 
aus El Dorados Saloon drunten am Creek. 

Bei Anbruch des Tages, Rodriges und sein Unterführer 

Cameron standen stark betrunken auf der Veranda, hallte von 
den Bergen kommend donnernder Hufschlag ins Tal. Eine 
dichte Staubwolke zog über die Serpentine talwärts. 

Don Rodriges schwenkte seinen goldenen Kelch, ein 

Beutestück aus der kaiserlichen Residenz in Mexiko City und 
ein Geschenk des Rebellen Juárez. 

»Der Tag beginnt, wie der letzte endete, Cameron. Santillo 

bringt eine Herde aus Texas. Nach dem Lärm, den die Herde 
verursacht, müßten es tausend Longhorns sein.« 

Cochise hob lauschend den Kopf. John Haggerty erfaßte 
instinktiv seinen Karabiner. 

Aus der Morgendämmerung heraus sprengten fast zwei 

Dutzend wilde Reiter direkt auf ihr Lager zu. Allen voran ein 
mächtiger Hüne, dessen langes wallendes Haar im Wind wehte. 
Sie führten ihre Pferde mit den Schenkeln und hielten 

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unmißverständlich ihre Karabiner in den Fäusten. 

Cochise wollte hochfahren, doch John berührte warnend 

seine Schulter. »Es sind zu viele, Chief. Außerdem sind es 
Bleichgesichter. Wir haben wenig zu befürchten.« 

Die Reitergruppe zügelte ihre Pferde etwa dreißig Yards 

entfernt. 

»He, ihr da«, schrie der Recke lautstark, »werft die Waffen 

weg und hebt die Hände so hoch, als wolltet ihr nach den 
Wolken greifen.« Zugleich gab er seinen Leuten ein Zeichen, 
worauf diese ihre abgetriebenen Gäule in Bewegung setzten. 

»Sie sehen nicht aus, als wären sie deine Freunde, Falke«, 

flüsterte Cochise. »Wir sollten die Flucht wagen. Noch wäre 
der Zeitpunkt günstig.« Sein Blick berührte das wilde 
Bergland, das sie nun schon seit zwei Wochen auf der Suche 
nach Natie durchstreiften, ohne auch nur die Spur eines 
Menschen zu finden. 

John zuckte die Achseln. Er sah keinen Weg, in diese 

Richtung auszubrechen, ohne daß sie von der Meute 
niedergeritten wurden. Außerdem waren die fremden Reiter so 
nahe, daß ein Zurückweichen unmöglich erschien. 

John Haggerty lehnte seinen Karabiner an den Strauch und 

löste den Waffengurt. Cochise, zornig über diesen plötzlichen 
Überfall, hielt die Streitaxt in der Faust. 

»Er soll nicht verrückt spielen«, rief der langhaarige 

Anführer drohend. Vom Pferd aus verfolgte er wachsam jede 
Bewegung Cochises. »Er wäre nicht der erste Rothautbastard, 
den meine Leute unter die Erde schaufeln.« 

John Haggerty warf kühn den Kopf in den Nacken. »Ich 

kann dem Häuptling nichts befehlen, Mister. Und zudem 
erwarte ich Ihre Stellungnahme, die diesen Überfall 
begründet.« 

Der Hüne lachte dröhnend. Seine Männer stimmten ein. »Er 

erwartet eine Begründung«, krächzte er und schlug begeistert 
seinen Plainshut auf die Schenkel. »Der Apachero erwartet 

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etwas.« Sein Gesicht war in Bewegung, seine Zähne blitzten, 
und er lachte wie ein wilder Gaul. Aber plötzlich brach sein 
Lachen ab. 

»Packt sie«, rief er schneidend, »packt die Halunken und legt 

sie in Fesseln. Ich schätze, der Apachero wird uns einiges 
erzählen können.« 

John sah die Gefahr. Er wußte, daß Cochise instinktiv den 

besseren Weg wählen wollte. Aber nun war es zu spät. Die 
Reiter trabten näher und trieben John und den Häuptling zu den 
Büschen. Sehnige, drahtige Männer stürzten sich auf sie und 
hämmerten mit ihren Fäusten brutal drauflos. 

John und Cochise gelang es, einige von ihnen 

niederzuschlagen, aber es waren zu viele, um sich erfolgreich 
zu wehren. Nach einem harten Fight unterlagen sie der 
Übermacht. 

Gefesselt, an Händen und Füßen krummgeschlossen wie ein 

Kalb, dem man das Brandmal setzt, lagen sie am Boden, 
umgeben von dem rüden Haufen, den der Langhaarige führte. 

»Mein Name ist James Butler Hickok«, sagte der 

Langhaarige. Sein linker Stiefel stand auf Cochises nackter 
Brust. Weit den Oberkörper vorgebeugt, betrachtete er den 
flachen Medizinbeutel, den Cochise seit seiner letzten 
Begegnung mit Tehueco trug, ohne daß er ihm bisher 
Jagdglück gebracht hatte. Der buschige Schwanz eines Skunks, 
der aus dem Beutel ragte, schien den Mann zu interessieren. 

»Der Rothautbastard liebt Stinktiere, Jungs«, rief Wild Bill 

Hickok, »demnach sucht seine Seele den Weg in den Himmel 
der Stinktiere.« 

»Wir können ein wenig nachhelfen«, rief Rod Claymont, ein 

Scharfschütze aus El Paso. Die Mündung seines Colts deutete 
Cochise mitten zwischen die Augen. Doch Cochise blickte 
furchtlos in die schwarze Öffnung, daß Hickok, der dies 
bemerkte, unwillig brummte: »Laß das, Claymont, wir wollen 
diese Bastarde nicht hinrichten, sondern einiges von ihnen 

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erfahren. How, du Stinktier«, Hickoks Stiefel rüttelte den Jefe, 
»verstehst du meine Sprache?« 

Cochise blickte ihm trotzig entgegen. Er hielt es unter seiner 

Würde, diesem Menschen eine Antwort auf seine Frage zu 
geben. Aber Haggerty antwortete an seiner Stelle. 

»Cochise versteht Ihre Sprache, Langhaar. Er ist in seinem 

Land ein großer Häuptling, und wenn Sie ihm die Fesseln 
losbinden, zerdrückt er Sie wie eine Zimmerwanze.« 

In Hickoks Augen lag ein Wetterleuchten. Er zog den Fuß 

zurück und beugte sich über John. »Ich liebe dieserart 
Herausforderung, Apachero, und werde sicher darauf 
zurückkommen. Doch nun zu einer anderen Frage. Wo liegt 
euer Versteck, Viehdieb?« 

»Wir sind keine Viehdiebe«, protestierte John energisch, 

»sondern freie Männer, wie ihr es sein wollt.« 

»Weiße, die mit Indianern zusammenarbeiten, sind immer 

Viehdiebe«, kommentierte Hickok knapp. »Also, wo in den 
Bergen liegt der Talkessel, wohin ihr euch verkriecht, wenn ihr 
Mr. Goodnights Rinder gestohlen habt? Ich will es wissen und 
werde es von euch erfahren.« Als John immer noch schwieg, 
rief Hickok über die Schulter: »Claymont, Power, Alison, 
hängt den Apachenbastard mit den Füßen nach oben an die 
Äste der Redwood, vielleicht wird er dann erkennen, wie ernst 
es uns ist.« 

»Sie machen einen Fehler, Langhaar«, knirschte John 

Haggerty wütend durch die Zähne. »Cochise ist ein stolzer 
Apache. Er wird diese Behandlung nie vergessen.« John sah, 
daß Cochise sich trotz seiner Fesselung erbittert wehrte, der 
Übermacht seiner Peiniger jedoch schließlich unterlegen war. 

»Ich werde seinen Stolz brechen, Mann«, antwortete Hickok 

zuversichtlich. Seit über einer Woche durchstreifte er die wilde 
Bergwelt der Animas, deren Felswälle sich bis hinauf im 
Norden zu den Peloncillo Mountains erstreckten. Ein 
Landstrich, fast menschenleer, unbesiedelt und von einer 

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wasserlosen Wüste durchzogen. Die anfänglichen Spuren der 
geraubten Rinderherde, der er von Goodnights Weiden folgen 
konnte, verlor sich auf dem granitharten Stein der Felsen. Die 
Schluchten und Felstäler, die seine Jagdgruppe durchstreift 
hatten, verliefen fast ausschließlich in Sackgassen. Aber 
Hickok war klar, das eine tausendköpfige Herde sich nicht in 
Luft auflösen konnte. Deshalb trieb es ihn immer wieder in die 
Animas zurück. 

»Es sei denn«, Wild Bill Hickok zeigte seine starken Zähne, 

»du redest für ihn, Apachero.« 

John schüttelte zornig den Kopf. »Ich habe einen Namen, 

Langhaar. Man nennt mich Haggerty. Ich bin Scout der US-
Army im Territorium Arizona. Und er dort, den ihr unwürdig 
wie einen Viehdieb an einen Ast hängt, ist der Chief der 
Chiricahuas, Kriegshäuptling aller Apachenstämme. Es sollte 
Ihnen zu denken geben, Langhaar.« 

Hickok grinste unbeeindruckt, während er der langen Rede 

Johns lauschte. Seine Faust erfaßte die Stricke, die Johns Arme 
und Beine miteinander verbanden, und hob den Mann mit 
spielerischer Leichtigkeit hoch. »Mich nennt man Wild Bill 
Hickok, Freund, aber in Wirklichkeit bin ich der Kaiser von 
Mexiko.« Er öffnete die Faust. 

Als John stürzte, spürte er den wilden Schmerz, der durch 

seine Glieder zog. Aber er verbiß seinen Schmerz. 

»Was wollen Sie von uns?« fragte John beherrscht. »Sie 

quälen zwei Menschen, als ob so etwas Ihnen Freude macht.« 

Hickok schwieg. Er studierte das klare Gesicht des 

Gefangenen, der keine Furcht zeigte und nickte schließlich. 
»Ich verspreche dir in Las Cruces eine faire Verhandlung, 
Viehdieb, wenn du mir die Lage eures Verstecks zeigst. Ich 
will nicht mehr, als Mr. Goodnights geraubte Rinder und euch 
Kerle, die ihn bestehlen.« 

»Sie sprechen in Rätseln, Kaiser Maximilian. Ich sagte doch, 

wir kommen aus Arizona und haben lediglich die Aufgabe, 

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einen abtrünnigen Yaquirenegaten zu suchen.« 

Hickoks Geduld schien zu Ende. Er richtete sich aus der 

hockenden Lage auf. Ein drohendes Gewitter lag in seinem 
Gesicht, als er seine Leute anrief. »Ambom, Brack, helft 
Claymont, den Kerl hier auch an den Baum zu hängen. Er ist so 
verstockt wie der Indianer.« 

John wehrte sich verzweifelt, doch nach fünf Minuten hing er 

kopfüber neben Cochise, der stumm zu ihm herüberblickte. 

»Sie hängen wie zwei reife Hickorynüsse.« Duff Brack 

lachte und setzte Johns Körper in pendelnde Bewegungen. 

»Sie werden bald reden, Brack. Mehr, als wir hören wollen«, 

sagte Wild Bill Hickok im Brustton tiefster Überzeugung. 
»Schlagt das Lager auf und gebt den Gäulen zu saufen. Für den 
Rest der Nacht bleiben wir.« 

»Wer sind Sie, Falke?« fragte zur gleichen Zeit Cochise 

seinen Leidensgenossen. Die Beinfesseln schnitten tief ins 
Fleisch. Aber Cochises Gedanken lösten sich vom Schmerz. 

»Sie suchen Viehdiebe und sind deshalb so erbittert«, 

erwiderte John leise und versuchte das Tun der Fremden zu 
entschuldigen. »Vielleicht sind es die gleichen Leute, mit 
denen Natie sich verbunden hat.« 

»Sie werden nicht mehr lange leben, Falke«, antwortete 

Cochise. Ein rätselhaftes Lächeln war um seine Lippen. Sein 
Blick führte ins Dämmerlicht, das von den Felshängen herab in 
den Talkessel kroch und die Nacht ankündigte. 

Johns Augen folgten Cochises Blick. Er lauschte angestrengt 

in den sinkenden Tag, ohne einen verdächtigen Laut 
aufzunehmen, der Cochises Worte begründen konnte. »Deine 
Worte sind ein Rätsel.« 

»Spürst du die Stille?« flüsterte der Jefe. 
Erst jetzt erkannte John die seltsame Ruhe, die sie umgab. 

Die Natur schien den Atem anzuhalten. Kein Vogelgeschrei 
belebte den Tag. Das lustige Zwitschern der Nachtschwalben 
in den Sagebrushsträuchem war verstummt. Nur der heiße 

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Atem der Arizona-Winde strich träge durch die Blätter. 

»Natie?« fragte Haggerty zweifelnd. 
»Er, oder Männer, die uns zum Roten Wolf führen. Es liegt 

in Manitus Händen.« 

Eine einsame Bergammer strich aufgescheucht aus der 

Steilwand, und plötzlich flatterte ein Schwarm Nachtschwalben 
aus dem Gesträuch, stiegen pfeilschnell in den dunklen 
Himmel und verteilten sich. 

Cochises Lächeln erstarrte. 

Zweihundert moderne Repetiergewehre, wie sie kaum im 
Handel zu finden waren. 

Don Rodriges blickte stolz auf den Stapel Kisten, den er in 

einer Erdhöhle untergebracht hatte. Zehntausend Schuß 
Muniton und fast zweihundert Stangen Dynamit, deren Brisanz 
in der Lage war, eine Stadt wie Mexiko City hinwegzufegen. 
Pablo Juárez würde zufrieden sein. 

Don Rodriges verließ die Höhle, wanderte an den 

abgestellten Planwagen vorbei den Creek hoch zum Dorf 
zurück. 

Als er seine Hütte erreichte, sprengte Budd Cameron aus 

dem nordöstlich gelegenen schmalen Talkessel, der als 
naturgewachsener Corral die Longhornherde aufgenommen 
hatte, den Hügel hoch. 

Verschwitzt und staubbedeckt stieg er die hölzernen Stiegen 

hoch. »Sie haben mich rufen lassen, General?« 

Don Rodriges nickte. »Setz dich, Cameron, und nehme dir 

was zu trinken. Wir wollen über den Transport von Waffen 
sprechen. General Juárez formiert an der Nordwestgrenze 
Chihuahuas seine Rebellenarmee. Er will in einer offenen 
Feldschlacht gegen die Franzosen antreten. Vermutlich sucht er 
einen entscheidenden Sieg am Rio Casa Grande oder bei der 

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Laguna de Guzman. Du verstehst, was ich meine, Capo?« 

Cameron nickte. »Juárez braucht für die entscheidende 

Schlacht gute Waffen.« 

»Winchester. Ich habe beschlossen, daß du den Transport 

übernimmst, weil er von unermeßlichem Kriegswert ist, und 
ich dir vertrauen kann. Du kannst dir Dreißig meiner besten 
Pistoleros wählen und nimmst den Roten Wolf als Führer. Er 
ist an der Grenze zu Hause und wird sicher Schleichwege 
durchs Gebirge kennen, die den Kaisertreuen bisher unbekannt 
geblieben sind.« 

Wieder nickte der Bandit. »Wann soll es losgehen, General?« 
»Wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, übermorgen. 

In einer Woche könnt ihr das Ziel erreicht haben.« 

»Und die Herde?« Cameron füllte ein Glas Aquidente und 

trank gemächlich. 

»Folgt im Abstand auf dem uns altbekannten Weg. Santillo 

übernimmt diese Aufgabe. Suche den Yaqui, ich will mit ihm 
sprechen.« 

Cameron verabschiedete sich, eilte zum Platz hinunter und 

bestieg seinen Pinto. 

Nach einer Stunde kehrte er zurück. 
»Der Rote Wolf ist nicht zu finden. Er und seine Krieger 

durchstreifen wohl das Tal oder haben sich in die Schatten der 
Berge verkrochen. Wer schaut schon in die Seele eines 
Apachen.« Budd Cameron grinste verlegen. 

Don Rodriges nahm die Angelegenheit jedoch ernster. Er sah 

in Apachen Wilde, die den Zwang des Gehorsams nicht 
kannten und sich selbst in seinem Lager als freie Männer 
fühlten. 

Er wandte sich an Cameron. »Ich hoffe, er hat nicht ohne 

meine Erlaubnis das Tal verlassen. Reite die Bergwachen ab, 
Cameron. Ich bin stark beunruhigt.« 

Cameron schwang sich abermals aufs Pferd. Als er am 

Abend zurückkehrte und Don Rodriges Bericht erstattete, sagte 

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er: »Der Rote Wolf hat das Tal nicht verlassen. Unsere 
Außenposten sind auf der Hut. Keine Feldmaus käme an ihren 
Flinten vorbei.« 

Dennoch blieb der General in Sorge. 
»Wenn er auftaucht, werde ich den Roten Wolf mit den 

Gesetzen unserer Gemeinschaft bekannt machen, Cameron, 
denn nur Gehorsam und Disziplin garantieren den Bestand 
meiner Truppe. Wenn er nicht begreift, werden wir ihm zeigen, 
wie es Männern ergeht, die unsere Gesetze mißachten.« 

Schwach surrend durchschnitt ein gefiederter Pfeil die Luft und 
suchte lautlos sein Ziel. 

Jesse Ambom spürte den lähmenden Schmerz, als die 

Pfeilspitze seinen Brustkorb durchschlug und ihn am Boden 
festnagelte. Mit schwacher Bewegung suchte seine Hand den 
Sechsschüsser, der schußbereit unter der Sattelmulde 
verborgen lag, als ein dunkler Schatten über ihn fiel. Sein 
Aufschrei erstickte unter dem scharfen Messerschnitt, der ihn 
tötete. 

Nur aus weiter Ferne noch hörte er die belfernden Abschüsse 

der Revolver seiner Kameraden. Ein letzter Schmerz durchzog 
seine Kopfhaut, dann wurde es dunkel. 

Der Schatten sprang in die Nacht zurück. 
»Überfall«, schrie Hickok, den ein fremdes Geräusch 

geweckt hatte. Er schleuderte die Decke beiseite, erfaßte 
instinktiv Karabiner und Revolvergurt und warf sich ins nahe 
Gesträuch. »Weg vom Feuer, Leute!« 

Er schoß bereits beidhändig auf die Schatten, die wie 

Irrwische durch die Finsternis tanzten. 

Lynn Holm, der immer von sich sagte, daß ihn niemand mit 

dem Colt bezwingen konnte, traf ein wuchtig geschleuderter 
Tomahawk und nahm ihm alle kriegerischen Gedanken. 

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Sam Ambom, Jesses Bruder, der das erste Opfer des 

Massakers war, taumelte dem schwach flackernden Feuer 
entgegen. In seiner Brust steckte die Kriegslanze einer Rothaut. 
Funken stoben hoch, als er tot neben die Feuerstelle stürzte. 

Vier, fünf, sechs Männer sprangen, wild um sich schießend, 

über die Lichtung und warfen sich an Hickoks Seite ins 
Gesträuch. Im jenseitigen Gesträuch hatten Power, Alison und 
ein halbes Dutzend Burschen Position bezogen und feuerten 
auf alles, was sich bewegte. 

Doch so, wie der nächtliche Spuk auftauchte, war er auch 

wieder verschwunden. 

»Die Pferde«, schrie Wild Bill Hickok und sprang als erster 

aus der Deckung, »sie wollen unsere Pferde.« Mit 
Riesenschritten jagte er vorwärts, gefolgt von den Tapfersten 
seiner Truppe. Noch ehe sie den Strauchcorral erreichten, 
schlug ihnen eine Flammenwand entgegen, die sie zum 
Rückzug zwang. Ein Bleihagel durchstrich das flache 
Gesträuch, das sie als Deckung wählten, und zeigte, daß ihre 
Gegner nicht nur mit Lanzen, Jagdmessern und Schlagbeilen 
bewaffnet waren. 

»Sie haben Winchestergewehre«, heulte Chris Antonio. Eine 

Kugel hatte ihm das Bein aufgerissen. »Die rothäutigen 
Bastarde bezwingen uns mit unseren eigenen Waffen.« 

Wild Bill Hickok hatte ein bewegtes Leben hinter sich, vom 

Viehdieb bis zum Marshal, vom Armeescout bis hinunter in die 
Gosse der Falschspieler. Seinen Körper zierten ein Dutzend 
Narben aus früheren Kämpfen, aber diese wilde Attacke hatte 
er noch nie erlebt. 

Während er automatisch die Kammer seines 

leergeschossenen Karabiners füllte, dachte er unbewußt an 
seine Gefangenen. Dieser Apachero hatte vorgegeben, bei der 
Armee in Arizona zu dienen. Er hatte es ihm nicht 
abgenommen. Der Mann sprach von Yaquis, deren Spur er und 
seine Begleiter folgten, das war für Hickok eine unverschämte 

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Lüge gewesen. 

Nur langsam dämmerte es Hickok, daß Haggerty die 

Wahrheit gesprochen hatte. Diese Horde draußen in der Nacht 
mußten jene Yaquis sein, von denen der Mann erzählt hatte. 

»Versucht ihnen in die Flanke zu kommen, Claymont, 

Power. Wir müssen unsere Pferde schützen. Ihr anderen 
bestreicht die Büsche. Nicht ziellos. Jede Kugel muß treffen 
und ein Leben dieser roten Bastarde auslöschen.« 

Hickok kroch tiefer ins Gesträuch und schlug einen Bogen 

um den Lagerplatz, um ihn von Norden anzugehen. Sein Ziel 
waren die Gefangenen an der Redwood. 

Noch einmal verstärkte sich der Kampfeslärm, ehe er 

allmählich verebbte und dann ganz verstummte. 

All das mochte nur wenige Minuten gedauert haben. Als 

Claymont mit rauchender Waffe ans Feuer trat, sah er Wild 
Bill vor der Redwood stehen. Von den Ästen herab pendelten 
zwei durchschnittene Seile. 

»Der Apachero«, fluchte Claymont, während er sich den 

Schweiß aus dem Gesicht wischte. 

Hickok prüfte die Seilenden, ehe er müde lächelte. 

»Zerschnitten, Claymont. Die Yaquis haben die Gefangenen 
befreit. Ihr Angriff auf uns war nur ein Ablenkungsmanöver. 
Wo sind die anderen?« 

»Bei den Pferden. Sie bringen den Reitbesatz näher ans 

Lager.« 

»Zähle unsere Verluste.« Hickok, der in seinem Leben nur 

Siege kannte, spürte, wie schmerzhaft die Niederlage war. 

Einige Männer trieben die Herde im Rudel auf den 

Lagerplatz. Zwei von ihnen schleppten Chris Antonio heran, 
der aus einer fürchterlichen Wunde blutete. Während Hickok 
das Feuer hochschürte, trat Claymont finster an seine Seite. 

»Drei Tote, Hickok. Jesse Ambom haben sie den Skalp vom 

Schädel gerissen. Antonio wird es wohl auch nicht überstehen. 
Bei Gott, ein harter Job für dreihundert Dollar Lohn.« 

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Hickok zählte die Pferde. Er sah, daß fünf Tiere fehlten und 

ein Dreiergespann aus der Tropa. Er beugte sich über Chris 
Antonio, der schweigend seinen Schmerz ertrug. 

»Hol Verbandszeug, Claymont. Antonio hat Glück gehabt. 

Es ist nur eine tiefe Fleischwunde. Ich schätze, bis zur 
Goodnightranch wird sein Gaul ihn tragen können, ohne daß er 
aus dem Sattel fällt. Und dann schaufelt ein Grab für unsere 
Toten. Sowie es hell wird, brechen wir auf. Die Bastarde haben 
eine Spur hinterlassen. Ich hoffe nicht, daß sie sich auflöst wie 
die der verschwundenen Longhornherde.« 

Hickok schob sein Messer in die Glut des Feuers, um 

Antonios Wunde auszubrennen. 

Mit den ersten Morgenschatten war Wild Bill auf den 

Beinen. Er fand eine breite Spur, die durch den sandigen, von 
flachen Grasnaben besetzten Hügel, der südwärts zu dem 
weiten Ausläufer des Gebirgszuges verlief, führte. 

Seine Leute hatten ihre Pferde gesattelt und folgten ihm im 

kurzen Abstand. Voller Mißtrauen suchten sie die Steilhänge 
ab, jederzeit erwartend, in einen neuerlichen Feuerschlag ihres 
heimtückischen Gegners zu laufen. 

Aber nichts geschah. Als sie das Kap umgingen, von wo aus 

glatter Fels in einen Talkessel führte, warnte Hickok: 
»Irgendwo in diesem Felslabyrinth werden sie auf uns warten. 
Also haltet die Augen offen.« 

Rod Claymont ritt auf. Er schlug auf den abgegriffenen 

Knauf seines Revolvers, den einige Kerben zierten. »Die 
Männer sind unzufrieden, Hickok. Du hast uns als 
Scharfschützen angeworben, wir aber kämpfen gegen Geister.« 

Wild Bill Hickok blickte ihm hart entgegen, als er erwiderte: 

»Diese Geister haben Blut wie wir in den Adern, Claymont. Du 
wirst deine schnelle Hand bald gebrauchen, um dich deiner 
Haut zu wehren. Ich weiß nicht, was ihr dachtet, als ich euch 
dreihundert für den Job bot. Es ist der fünffache Monatslohn 
eines Cowboys. Dafür muß man einige Unbequemlichkeiten in 

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Kauf nehmen. Hast du die Hose schon voll?« 

Claymont grinste säuerlich, als er auf den steinigen Boden 

deutete. »Die Fährte der roten Bastarde wird schon schwächer, 
Hickok. Du brauchst gute Augen, um überhaupt etwas zu 
erkennen.« 

Wild Bill knurrte in sich hinein. Worauf Claymont ihn 

aufmerksam machte, hatte er längst befürchtet. Eine breite 
Steinmoräne, irgendwann von der Natur aus dem Fels 
gesprengt, füllte weite Teile des Felstales, und als sie sie 
überwunden hatten, spaltete sich der Kessel überraschend in 
drei enge Felsschluchten, die im spitzen Winkel 
auseinanderliefen. 

Wild Bill Hickok nahm das Fernglas aus der Satteltasche und 

suchte die schroffen Berghänge ab. Einen Augenblick lang 
wurde er unsicher in seinen Gedanken, als Rod Claymont 
bohrte: »Ich hoffe nicht, daß wir uns hier in drei Gruppen 
auflösen, Hickok. Dann hat keiner von uns eine Chance.« 

Wild Bill Hickok nickte. Das waren die Gedanken, mit denen 

er sich beschäftigte. 

»Nur gemeinsam sind wir stark genug, um den Yaquis 

entgegenzutreten. Wir grasen jede dieser Schluchten ab. 
Irgendwann müssen wir auf ihre Spur stoßen.« 

Ein einzelner Schuß, dessen Echo rollend durch den breiten 
Talkessel wehte, kündigte Naties Rückkehr an. Er war stolz 
und erfüllt von dem Gedanken, daß sein heimlicher Ausflug 
aus dem Lager der Gesetzlosen ihm unvermutetes Jagdglück 
beschert hatte. Fünf Pferde, drei Murros und ein blutiger Skalp 
am Gürtel, wogen seine Gefangenen nicht auf, auf die er durch 
Zufall gestoßen war, als seine Yaquis einer Gruppe Reiter 
folgte. 

Ein grausames Lächeln umspielte den Mund des Roten 

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Wolfes, als sein Blick Cochise und den Falken streifte, die, mit 
dünnen Lederbändern gefesselt, gemeinsam auf einem 
struppigen Pinto saßen. Seit gestern nacht, als er die beiden wie 
reife Hickoryfrüchte von den Ästen eines Baumes pflückte, 
suchten seine Gedanken eine Marterart, die einem 
Kriegshäuptling würdig war. Es würde ein langes, qualvolles 
Sterben sein, an dem auch Cochises Freund, der Falke, 
teilnehmen sollte. 

Cochise spürte Naties Gedanken, die so offenkundig waren, 

daß sie im Gesicht des Yaquis zu lesen waren. »Unser Tod 
wird dein Leben nicht verändern, Roter Wolf. Es werden dann 
nicht nur Yaquis sein, die dich wie einen rüden Schakalen 
hetzen, sondern auch die Stämme der Chiricahuas und 
Mimbrenjos.« 

Natie warf stolz den Kopf in den Nacken und deutete in die 

Tiefe, wo über hundert Männer und Frauen, vom rollenden 
Echo des Schusses angelockt, zum großen Platz vor Rodriges 
Haus strebten. »Tehueco, Naiche und Victorio mögen 
kommen, Cochise«, höhnte er lachend, »sie werden sich bei 
meinen Freunden blutige Köpfe holen.« Er nahm das Lasso 
und schlug es Cochise quer durch das Gesicht, wohl um seine 
Macht und Stärke zu demonstrieren. 

Cochise nahm den Hieb ohne Regung hin. Nur in seinen 

dunklen Augen flammte wildes Feuer auf. 

John Haggerty, der mit Cochise durch Lederriemen 

verbunden war, sagte halblaut, daß es Natie hören konnte: »Er 
fühlt sich stark, weil deine Hände gefesselt sind, Jefe. Er ist 
feige wie ein Kojote, der dem Puma begegnet.« 

Natie verfärbte sich. »Du kannst deinen Mut bald beweisen, 

Falke, wenn dein Körper bis zum Hals in einer Burg von 
Termiten steckt.« 

Sie erreichten das Ende des Saumpfades und schwenkten in 

die Ebene. Als sie den schmalen Creek durchquerten und sich 
dem Platz näherten, sah John einen kräftigen Mexikaner auf 

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der oberen Stufe der Treppe stehen, und instinktiv spürte er, 
daß dieser alternde Mann der Herr dieses versteckten Tales 
war. 

Beim Brunnen hielt Natie sein Pferd zurück und glitt 

behende aus dem Sattel. Er lockerte die Beinfesseln seiner 
Gefangenen und stieß sie seitlich vom Pferd, so daß Cochise 
und Haggerty unsanft zu Boden stürzten. 

Als sie schwerfällig auf die Beine kamen, stand ein 

rotbärtiger Hüne vor ihnen, der sie knapp musterte, ehe er sich 
an Natie wandte. »Dein unerlaubtes Entfernen aus unserer 
Gemeinschaft wird dir Ärger bringen, Roter Wolf. Der General 
ist zornig.« 

Natie warf stolz den Kopf in den Nacken. Furchtlos blickte 

er zu dem Mexikaner hinauf, der mit schleifenden Schritten die 
hölzernen Stiegen hinunter schritt. 

»Ich bin ein freier Yaqui und freiwillig in dieser Bergfestung. 

Ich gehe und komme, wann es mir paßt.« 

Don Rodriges trat heran. Seine Augen leuchteten kalt, und 

seine Peitsche schlug heftig auf den Schaft der Stiefel. 
Scheinbar hatte er Naties letzte Worte vernommen. 

»Du gehörst unserer Gemeinschaft an und hast ihre Gesetze 

zu befolgen, Roter Wolf. Ich werde deinen Ungehorsam mit 
fünfzig Peitschenhieben bestrafen. Wer sind diese Männer, und 
warum bringst du sie in unsere Burg? Sie sind eine tödliche 
Bedrohung unserer Gemeinschaft, weil sie nun das Geheimnis 
dieses Tales kennen.« 

»Cochise und der Falke werden dieses Tal nie verlassen«, 

erwiderte Natie heftig. »Sie sind meine Todfeinde und werden 
darum sterben.« 

»Warum hast du sie nicht außerhalb unserer Festung 

getötet?« Unmut lag in Rodriges Stimme. 

»Weil sie den langsamen Tod erleiden werden.« Natie nahm 

demonstrativ die Zügel seines Pferdes. Sein Karabiner bedrohte 
die Gefangenen, und seine Kopfbewegung deutete zum nahen 

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Hügel, auf dem einige Strauchjaquales standen. 

Don Rodriges verfärbte sich, als Natie sich abwandte und 

seine Gefangenen zum Hügel führte. Es kam einer 
Herausforderung gleich. »Der Rote Wolf ist sehr stolz und wird 
uns manchen Ärger machen«, knurrte der General. »Gib mir 
deinen Revolver, Cameron, ich werde ihm zeigen, wie man 
Ungehorsam bestraft.« 

Der Feuerkopf zögerte. »Wir brauchen den Roten Wolf, um 

die Fracht sicher über die Grenze zu bringen. Verschieben Sie 
die Bestrafung, bis wir wieder zurück sind.« Seine Stimme 
wurde eindringlicher. Ein listiges Lächeln umspielte seinen 
Mund, als er fortfuhr. »Cochise ist ein mächtiger Mann, 
General. Sein Einfluß auf die Apachenstämme ist 
uneingeschränkt. Er ist der Fürst aller Apachen. Zu kostbar, 
daß ein Yaqui ihn zu Tode quält.« 

Rodriges wandte sich an die Menschenmenge auf dem Platz. 

Er sah, daß sie eine Bestrafung Naties erwarteten, denn der 
Rote Wolf hatte nicht nur die eisernen Gesetze der 
Gemeinschaft verletzt, er hatte auch ihren Anführer 
gedemütigt. 

»Geht nach Hause, Leute«, sagte Rodriges hart. »Der Rote 

Wolf wird seiner Strafe nicht entgehen.« 

Er nahm Cameron beiseite und deutete zum Hügel, wo die 

Yaquis ihre beiden Gefangenen zwischen Baumstämme banden 
und johlend ihre Freude zeigten. 

»Was würden die Apachen für seine Freilassung bezahlen, 

Cameron?« 

»Wohl allen Wert, den sie besitzen. Die Hälfte ihrer Pferde.« 
»Auch Gold?« fragte der General lauernd. 
Cameron zuckte die Achseln. »Indianer kennen nicht den 

Wert des gelben Metalls. Aber sicher wissen sie, wo es in ihren 
Bergen zu finden ist.« 

Don Rodriges überlegte nur kurz. Pferde würden Juárez' 

Armee dienlich sein. Gold aber würde die Revolution 

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unterstützen. 

»Rufe mir Adento, ich will ihn als Bote in die Dragoons 

senden. Und dann bring mir etwas, woran die Apachen Cochise 
erkennen.« Als Cameron gemein grinste, fuhr Rodriguez heftig 
fort. »Es muß nicht gerade sein Haarschopf sein.« 

Als Budd Cameron nach einer Stunde zurückkehrte und die 

Hütte des Generals betrat, besprach Rodriges gerade mit dem 
Pistolero sein Vorhaben. 

Cameron warf grinsend Cochises Medizinbeutel mit dem 

Skunkschwanz auf den Tisch. »Sein Taime, General. Der Rote 
Wolf ist mächtig zornig, daß ich es genommen habe. Ich 
versprach ihm, daß Sie von seiner Bestrafung absehen.« 

Don Rodriges nickte. »Wenn es ihn beruhigt hat, soll es mir 

recht sein. Wie weit sind die anderen Vorbereitungen 
getroffen?« 

»Wir könnten morgen früh aufbrechen, General, wenn der 

Rote Wolf keine Schwierigkeiten macht. Die Frachtwagen sind 
in kürzester Zeit beladen.« 

Don Rodriges' Lächeln war kalt. »Du hältst mich wohl für 

schwach, Capo?« 

Cameron schüttelte den Kopf. »Für klug und verschlagen, 

General. Sprechen Sie mit dem Roten Wolf, ehe er sein 
Marterspielchen beginnt. Der Rote Bastard steckt voller Haß 
auf den Apachenfürsten.« 

Am Nachmittag hatte der gedrungene Mexikaner, den sie 
General nannten, Naties Lager betreten. Es kam zu einem 
harten Pow-wow, das Natie in seine Schranken wies und ihm 
klar zu erkennen gab, wer der eigentliche Herr der wilden 
Berggemeinschaft war. 

Comanchen-Kid spielte dabei die Vermittlerrolle. Als 

Rodriges ging, würdigte er die Gefangenen mit keinem Blick. 

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Aber Natie unterließ nun all die grausamen Feinheiten, mit 

denen er bisher seine Gefangenen bedacht hatte. Er saß 
schweigend und finster vor sich hin brütend am Feuer. 

Der Morgen erwachte mit höllischem Lärm. Reiter sprengten 

zum großen Platz und versammelten sich dort. Aus den Ställen 
wurden kräftige Murphygespanne getrieben, die in einer 
schmalen Seitenschlucht verschwanden und schließlich vier 
kräftige Planwagen auf den Platz zogen. 

John Haggerty folgte dem Treiben mit großer 

Aufmerksamkeit. Seine Fesseln schmerzten und die gespreizte 
Lage, in der Natie sie beide zwischen Bäumen gebunden hatte, 
wurde unerträglich. 

Er gab Cochise ein Zeichen und deutete den Hang hinunter. 

»Die Wagenkolonne des armen Teufels, den wir in der Wüste 
faden«, sagte er halblaut. »Ich schätze, sie sind mit weit über 
hundert Gewehren beladen. Winchestern.« 

Cochise nickte finster. »Wie der Rote Wolf und seine 

Krieger sie tragen.« 

John lauschte der gewaltigen Stimme des Mexikaners, der 

heftig auf seine Männer einsprach und blickte zu Natie hinüber, 
der seine Krieger um sich sammelte. 

»Wohin werden sie die Fracht bringen, Jefe?« 
Cochise bewegte leicht den Kopf. Ihn beschäftigten andere 

Gedanken. »Sie werden sie den Rothosen in Mexiko verkaufen, 
die das Land ausbeuten. Oder dem mexikanischen 
Rebellengeneral zuführen, der sicher einen guten Preis für die 
Gewehre bezahlt. Ich glaube, Natie wird sie durch die stillen 
Bergschluchten über die Grenze führen.« 

Der Wolf löste seine Kriegergruppe auf. Sie sprengten 

schweigend den Hang hinüber. Natie führte sein Pferd näher. 
Er deutete auf Kid, dessen Pferd im Corral stand, und lächelte 
grausam. »Mein Freund, der Comanche, wird euch die Tage 
verkürzen, Cochise. Leider führt mich eine Aufgabe aus dem 
Tal. Aber sei gewiß, in all dieser Zeit, die wir einander fern 

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sind, werden meine Gedanken bei dir sein und alle Dinge 
erleben, die ich für dich nach meiner Rückkehr ausgedacht 
habe.« 

Cochise blickte verächtlich auf Naties Begleiter. »Ein 

Comanche der Freund des Roten Wolfes. Ein Mexikaner, der 
über den Roten Wolf bestimmt, weißäugige Bandidos, mit 
denen der Rote Wolf gemeinsame Sache macht. Miastai möge 
dich begleiten, Yaqui, und in den Nächten polternd deinen 
Schlaf nehmen.« Cochise spie Natie an, um seine tiefe 
Verachtung zu zeigen. 

»Eine Klapperschlange kann mich nicht erschrecken.« 
Natie spürte den tropfenden Speichel auf der Haut. Seine 

Augen flammten zornig. Doch er beherrschte sich. »Der Tod 
wird zeigen, wie mutig Cochise wirklich ist.« 

Natie zog den Gaul herum und trabte den Hang hinunter, um 

sich mit der Wagenkolonne zu vereinen. 

Comanchen-Kid setzte sich in der Nähe nieder, verschränkte 

die Beine und schwieg. 

In einer dichten Staubwolke bewegten sich die Wagen durch 

das Tal den Serpentinen entgegen. Es dauerte fast zwei 
Stunden, bis die Geräusche verstummten. 

Die Sonne brannte nieder. Der Comanche bewegte sich nicht. 

John spürte, wie die Hitze durch die Haut drang. Seine Kehle 
war trocken wie der Wüstensand. Aber er war zu stolz, um den 
Comanchen um einen Schluck Wasser zu bitten. Sein Blick 
berührte das herabstürzende Wasser am jenseitigen Fels, und 
seine Gedanken labten sich am kühlen Naß. Es linderte seine 
Qual. 

Gegen Mittag tauchte Rodriges auf dem Platz auf. Er rief 

nach einigen Männern und kam in ihrer Begleitung den Hügel 
hoch. 

John erkannte, daß sie Mexikaner waren, wie der General. 

Tief auf den Hüften trugen sie blitzende Waffen, was John 
ahnen ließ, daß sie Pistoleros waren. Wohl Rodriges 

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persönlicher Schutz. 

»Binde sie los, Comanche«, forderte Rodriges, »ich selbst 

werde mich um sie kümmern.« 

Comanchen-Kid hatte sich erhoben. Er stützte sich auf den 

Lauf seines Karabiners. »Sie sind die Gefangenen des Roten 
Wolfes«, zögerte er. 

»Der Rote Wolf ist ein toter Mann, wenn er zurückkehrt«, 

erwiderte der Mexikaner gelassen. »Er hat die Gesetze unserer 
Gemeinschaft verletzt und mich vor meinen Leuten beleidigt. 
Willst du noch vor ihm sterben, Comanche?« 

Goc-ane sah die Pistolenmänner, die sich ihm zuwandten. Er 

war klug und verschlagen und hatte lange Zeit unter weißen 
Männern gelebt, die nicht anders waren als diese Mexikaner. 
Er spürte, wie ernst es dem General war. 

Wortlos trat er zu Haggerty und löste Hand- und Fußfesseln. 

Als auch Cochise frei war, nahm er seinen Karabiner auf und 
trat einige Schritte zurück. 

»Tötet den Comanchen«, sagte nun Rodriges in einem Ton, 

als wäre Töten für ihn etwas Alltägliches. 

John Haggerty sah nun die grausame Justiz, mit der dieser 

Mexikaner die Ordnung in seinem Reich aufrecht erhielt. 

Goc-ane zuckte leicht zusammen. Schatten der Angst 

sprangen aus seinem Blick, als die Hände der Pistoleros zu den 
Hüften fuhren. Mit einer wilden Bewegung warf er den Körper 
herum und floh zum Hecken-Corral. 

Aus den Fäusten der Mexikaner schlugen grelle Flammen. 

Kids Schritte erlahmten, und er bäumte sich auf, als pralle sein 
Körper gegen eine unsichtbare Steinmauer. Lautlos brach der 
Comanche zusammen. 

Don Rodriges lächelte gelassen. »Diese Dinge sind 

unumgänglich, Mr. Haggerty«, sagte er ruhig. »Der Rote Wolf 
und seine Krieger brachten Unruhe in unsere Gemeinschaft. 
Ich kann es nicht dulden. Kommen Sie, Sie sind für heute 
meine Gäste.« 

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Haggertys Blick streifte die Pistolenmänner, die lässig ihre 

rauchenden Revolver aufluden. »Wer sind Sie, Senor?« fragte 
er zögernd. »Was treiben Sie in dieser einsamen Bergwüste.« 

Rodriges lächelte. »Ich werde Ihnen diese Fragen später 

beantworten. Kommen Sie bitte.« 

Cochise blickte zu dem Toten hinüber. Er fühlte nichts, wenn 

ein Comanche starb. Und es berührte ihn nicht, wie er starb. 
Comanchen waren ihre angeborenen Feinde. Ihre Toten zählte 
man nicht. 

Er trat an Haggertys Seite, der dem voranschreitenden 

Mexikaner folgte. In ihrem Schatten liefen die Pistoleros, die 
erst zurückblieben, als Rodriges einladend die Tür seiner Hütte 
öffnete. 

»Kommen Sie«, sagte er mit grandezzer Höflichkeit und trat 

ein. 

Auf einem langen Tisch, an dessen Kopfende Rodriges sich 

niederließ, standen kostbare Silberschalen, bedeckt mit 
Früchten des Südens. Dazwischen Karaffen Wein, blutrot wie 
leuchtende Rubine. In der hinteren Ecke nahe der Tür bewegte 
sich ein Mann, hager und ausgetrocknet wie altes Büffelleder, 
und doch beweglich wie eine junge Pappel. 

Ein breiter, mit Silberpesos beschlagener Gürtel umspannte 

seine Hüften. Aus weiten Halftertaschen ragten die Beingriffe 
schwerer Revolver. 

Auf einen Wink hin trat der Mann näher und warf Cochises 

Medizinbeutel auf den Tisch. 

»Ist das sein Zeichen, das ihn als Häuptling aller Apachen 

ausweist, Mr. Haggerty?« fragte Rodriges höflich. 

Cochise verzog verächtlich das Gesicht. 
John erwiderte: »Cochise braucht keine Zeichen, das ihn als 

Häuptling aller Apachen erkennen läßt. Jeder Apache zwischen 
den Dragoon- und Chiricahua Mountains kennt sein Gesicht.« 

»Und das hier?« Rodriges Lederpeitsche stieß gegen den 

Medizinbeutel. 

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»Das ist ein Taime des befreundeten Häuptlings der Yaquis, 

Mister …« 

»Don Rodriges.« Der Mexikaner verbeugte sich. »Wird der 

Häuptling es wiedererkennen?« 

»Ohne Zweifel.« 
»Würden Sie ihm den Weg beschreiben, der zu dem 

Yaquihäuptling führt, Senor Haggerty?« 

»Aus welchem Grund, Mr. Rodriges?« 
»Don Rodriges«, berichtigte der General lächelnd, »oder 

einfach General. Er und auch Sie werden meine Gäste sein, bis 
Adento meine Botschaft dem Yaquihäuptling übermittelt hat. 
Sie glauben, ich bin ein Bandit, Senor?« 

»Ich wüßte keinen anderen Namen für Sie, Don Rodriges. 

Wie sind Ihre Geiseln, und Sie erhoffen sich ein Lösegeld für 
Cochise. Ist das der Sinn unserer Unterhaltung?« 

»Sie sind bemerkenswert klug, Senor, ich denke an 

hunderttausend Pesos in Gold. Vielleicht hundert 
Apachenponys. Wir führen jenseits der Grenze einen Krieg, 
Senor Haggerty. Ein kostspieliges Unternehmen, das nicht von 
der Regierung unterstützt wird, weil diese Regierung auf der 
anderen Seite der Front agiert.« 

»Apachen sind arm.« 
»Und dennoch kennen sie die stillen Plätze, wo der gelbe 

Sand in der Erde vergraben liegt.« 

Don Rodriges lächelte überlegen. 
»Wird der Yaquihäuptling meine Botschaft weiterleiten?« 
John beugte sich zu Cochise, der bisher schweigend der 

Unterhaltung gefolgt war, und sprach im Athabaskendialekt auf 
ihn ein. Der Chief nickte mehrmals, ehe John sich Rodriges 
zuwandte. »Tehueco wird es tun …« 

Don Rodriges strahlte zufrieden. »Dann betrachten Sie sich 

bitte als meine Gäste, Senores, bis unser Geschäft abgewickelt 
ist. Wenn Sie Ihr Wort verpfänden, Senor Haggerty, das Sie 
jeden Fluchtgedanken zurückweisen, können Sie sich frei im 

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Tal bewegen. Sie sollten es sich überlegen.« Rodriges gab 
Adento ein Zeichen, worauf dieser den Medizinbeutel vom 
Tisch nahm. Der General klatschte in die Hände. 

Aus dem angrenzenden Raum traten Rodriges Bedienstete, 

junge Vollblutgeschöpfe, die auf kostbaren Schalen Speisen 
auftrugen und dann wieder lautlos verschwanden. 

»Bedienen Sie sich, Senores. Es ist das Fleisch eines jungen 

Maulesels. Sie erkennen daran, daß ich meinen hohen Gast 
würdige. Es soll Ihnen an nichts fehlen, und wenn Sie es 
wünschen, werden diese hübschen Mädchen, die mich 
umgeben, auch ihre geistige Langeweile auflockern. Mein 
Haus steht Ihnen ganz zur Verfügung.« 

Adento hatte die Hütte verlassen. Sie waren allein mit Don 

Rodriges. Aber Haggerty sah die Schatten an den Fenstern, die 
erkennen ließen, daß der General sich keinesfalls in Gefahr 
begab. Er lächelte. »Sie trauen uns nicht, Don Rodriges.« 

»Wer traut schon seinen Feinden, Senor?« Don Rodriges 

lächelte weise. 

Nach dem Mahl brannte Rodriges sich eine Zigarre an und 

forderte seine Gäste höflich auf, das gleiche zu tun. 

»Werden Sie mir Ihr Wort geben, daß sie an der Flucht 

hindert, Senor Haggerty?« fragte er beiläufig. 

»Kämen wir weit, Don Rodriges?« 
Der General lächelte hinterhältig. »No, Senores. Die Wachen 

an der Serpentine sind verstärkt worden. Keine Maus käme 
ohne meinen ausdrücklichen Befehl über den Paß.« 

Es wurde fast Abend, als Rodriges die Zusammenkunft 

auflöste und ihnen eine kleine Hütte am Platz als Unterkunft 
anwies. Zwischenzeitlich hatte John erfahren können, daß 
Rodriges das Banditennest nur gegründet hatte, um von hier 
aus Raubzüge nach Texas einzuleiten, deren Beute und Erlös 
größtenteils der mexikanischen Revolution zufloß. Er wußte 
nun auch, daß zweihundert moderne Winchestergewehre, 
eigentlich für Howards Armee bestimmt, nun auf dem Weg 

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nach Mexiko waren. 

»Wir sollten einen Weg aus diesem Teufelsloch finden, 

Cochise«, sagte John später, als sie die kleine wohnliche Hütte 
betraten, die Don Rodriges ihnen zugewiesen hatte. »Die 
Murphyfuhre ist ein unersetzlicher Verlust für die US-Army.« 

Cochise sank auf die hölzerne Pritsche, die mit bunten 

Santillodecken bedeckt war und lächelte weise. »Die 
Bergwände sind glatt wie das Dach eines Tipis. Der Weg über 
die Serpentinen wird von vielen Gewehren bewacht. Uns sind 
die Hände gebunden, Falke. Aber Tehuecos Auge wacht an der 
Grenze«, sagte er und erinnerte seinen Freund an die 
Vereinbarung, die sie mit dem Yaquihäuptling getroffen hatten. 
»Er wird dem Boten des Schlitzauges begegnen und Späher zu 
Victorio, Ulzana und meinem Sohn Naiche entsenden. Er wird 
auch dem Roten Wolf begegnen, der die Karawane durch 
Yaquitäler führt. Manitus Wille wird sie zusammenführen. Wir 
können warten und den Dingen gelassen entgegen sehen.« 

Zwei der schmalen Schluchten endeten vor unüberwindlichen 
Steinbarrieren. Ehe Hickoks wilde Mannschaft in den dritten 
Engpaß eindringen konnte, überraschte sie die Nacht. In einer 
Felshöhle schlugen sie ihr Lager auf, um den Tag abzuwarten. 

Mit den ersten Morgenschatten war Wild Bill Hickok auf den 

Beinen und drängte zum Aufbruch. Er steckte voller Ungeduld, 
da er hoffte, bald die verschwundene Fährte der Rothäute 
wieder aufnehmen zu können. In der Nacht war ihm noch ein 
Gedanke gekommen. Vielleicht standen die räuberischen 
Yaquis mit den Viehdieben in Verbindung, und ihre Fährte 
führte ihn in ihr Versteck. 

Die Steilschlucht, der sie nun stundenlang folgten, führte in 

vielen Windungen durch den Berg, ohne daß der harte Fels 
eine Spur der Flüchtenden widergab. Am Nachmittag 

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erweiterte sich der Paß zu einer flachen Talsenke, die 
überraschend in die Ebene hinausführte. 

Wild Bill Hickok wollte nicht an Geister glauben, von denen 

Claymont gestern gesprochen hatte. Diese roten Bastarde 
waren aus Fleisch und Blut wie er. Sie mußten auf der Flucht 
eine Fährte hinterlassen. 

»Wir schwärmen in breiter Front aus, Jungs«, sagte Hickok, 

als sie die Ebene erreichten. Er bemühte sich, seine 
Enttäuschung zu verbergen. »Wir durchkämmen das Land bis 
hoch nach Norden. Ich will die Kerle erwischen, die Ambom 
und die anderen auf dem Gewissen haben.« 

Seine Reiter schwenkten nach Norden und ritten nun in 

Sichtweite auseinander, so daß sie sich noch durch Zeichen 
verständigen konnte. 

Gegen Mittag sprengte Rod Claymont auf einen Hügel. Er 

schwang seinen Stetson und schien sehr erregt. 

»Hickok«, rief er schon von weitem, »wir haben eine Spur 

gefunden.« 

»Na endlich«, entfuhr es Hickok, »führe mich.« 
Claymont schwenkte seinen Gaul und ritt voraus. In einem 

flachen Talkessel versammelte sich die Mannschaft. Als 
Hickok aus dem Sattel stieg, wußte er, daß er nicht der Spur 
des Gejagten begegnet war. 

»Das hier ist eine Transportkolonne oder ein Siedlertreck«, 

rief er enttäuscht, als er die tiefen Radspuren im Wüstenboden 
entdeckte. »Vier Gespanne und etwa dreißig beschlagene 
Pferde sind hier vorübergezogen. Die Fährte ist einen halben 
Tag alt.« 

»Werden wir ihr folgen?« wollte Claymont wissen. 
Bill Hickok zuckte unschlüssig die Achseln, als Dick Power, 

der auf einem Hügel Posten bezogen hatte, heftige Zeichen 
machte. 

»Was hat er?« wollte Claymont wissen. 
Wild Bill schwenkte wortlos sein Pferd und ritt Power auf 

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halbem Weg entgegen. 

»Was gibt's dort draußen?« 
»Ein einzelner Reiter, Hickok.« Dick Power grinste. »Er 

scheint es mächtig eilig zu haben.« 

Power schüttelte den Kopf. »Der Kleidung nach muß er ein 

mexikanischer sein.« 

»Na gut«, sagte ihr Anführer nach kurzer Überlegung, »dann 

wollen wir uns den Fettkopf näher ansehen. Sage den Jungs, sie 
sollen sich bei den Beifußsträuchern in einen Hinterhalt legen.« 

Hickok stieg zum Hügel hoch. Er führte sein Pferd ins 

Gesträuch und beobachtete durch sein Fernglas den Reiter, der 
unablässig seinen Gaul antreibend, in südwestliche Richtung 
sprengte. Direkt auf Hickoks Leute zu, die nun überraschend 
ihre Pferde aus den Büschen trieben, um dem fremden Reiter 
den Weg abzuschneiden. 

Der Mexikaner griff sofort nach seinem Revolver, doch als er 

die Übermacht erkannte, zog er sein Pferd herum und floh in 
die Richtung, aus der er gekommen war. 

Hickok hatte inzwischen seinen Beobachtungsstand 

verlassen. Er ritt dem Flüchtenden entgegen und jagte drei 
Warnschüsse in die Luft. Fast gleichzeitig schloß die Flanke 
der wilden Mannschaft im Norden auf und erfaßte den Reiter in 
einer Zangenbewegung. 

Erst nun schien der Mexikaner aufzugeben. Er zügelte sein 

Pferd und streckte friedlich die Hände über den Kopf. 

Als Hickok nahe genug heran war, daß sie sich verständigen 

konnten, rief der Mexikaner zeternd: »Senor, ich bin ein armer 
Mann und den lohnt es nicht auszurauben. In meinen Taschen 
stecken zwei amerikanische Dollar. Sie sind die Wegzehrung 
in meine Heimat.« 

Hickok war nun heran. Während er seinen Männern zurief, 

aufzuschließen und einen Kreis um den Mexikaner zu bilden, 
hatte Hickok Muße, den Burschen zu studieren. 

»Für einen armen Landarbeiter reitest du einen prächtigen 

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Gaul, Fettkopf.« Sein Blick glitt über die Hüften des Fremden 
zum silberbeschlagenen Gürtel. »Und du bist zu gut 
bewaffnet.« Hickok lächelte. Solchen Burschen wie diesem 
hier war er an der Grenze, in Paso oder Canutillo, des öfteren 
begegnet. »Warum belügst du mich?« 

Als der Mexikaner verlegen schwieg, sagte Hickok zu ihm 

trocken: »Du bist ein mexikanischer Pistolero, muchacho, und 
deine Eile sagt mir, daß du auf der Flucht bist. Irgendein 
Sheriff oder ein rachsüchtiger Bursche sitzt dir auf den Fersen 
und will dir ans Leder.« 

»Que sabe.« Adento zuckte nichtssagend die Achseln. »Na 

gut, Fettkopf«, sagte Hickok und gab seinen Leuten ein 
Zeichen, »wir sind nicht deine Richter und vertreten nicht die 
Gesetze in diesem Land. Sind dir in der Gegend ein paar 
Rothäute begegnet?« 

»No, Senor«, erwiderte Adento nach kurzer Überlegung, 

»seit der Grenze sitze ich im Sattel. Ich habe keinen Indianer 
gesehen. Aber dort führt eine Spur durch den Sand.« Adento 
deutete auf die tiefen Radeinbrüche zwischen den Felsen. 

»Sie sind für uns nicht von Bedeutung. Laßt ihn ziehen, 

Jungs«, bestimmte Hickok. Er war enttäuscht. Die Männer 
öffneten den Kreis. Noch bevor Adento losreiten konnte, 
tauchte Rod Claymont an der Seite des Mexikaners auf. Als er 
dem Burschen den Revolver zwischen die Rippen stieß, rief 
Hickok verärgert. »Juckt dir das Fell, Claymont, daß du dich 
mit einem Pistolero anlegen willst? Wir haben andere Sorgen. 
Laß ihn gefälligst ziehen.« 

Adento saß, leicht vorgebeugt, die Arme in Schulterhöhe 

erhoben, in Lauerstellung. Er fühlte Claymonts Arme, die über 
seine Schultern glitten und das Taime erfaßten, das er ins 
Apachenland bringen sollte. 

Stark schnitt die Lederschnur in die Haut, als Claymont ihm 

den Medizinbeutel vom Hals riß und Hickok zuwarf. 

»Kennst du das Ding, Hickok?« fragte er und sein Revolver 

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stieß Adento tiefer in die Rippen. Warnend knurrte er: »Mach 
keine Dummheiten. Ich müßte dir sonst eine Lektion erteilen.« 

Adentos Lächeln fror ein. Er sah die Männer, die 

tiefhängende Revolver an den Hüften trugen, den Langhaarigen 
mit dem flachen Plainshut, der den Lederbeutel eingehend 
untersuchte, und nun sein Pferd näher lenkte. 

»Woher hast du das Taime?« fragte Wild Bill Hickok 

mißtrauisch. Er spürte, daß der Zufall ihm hier zu Hilfe kam. 
Dieser Mexikaner war nicht so harmlos wie er tat. Er wußte 
irgend etwas, das in Verbindung zu den Yaquis stand. 
Vorsichtig trieb er sein Pferd in die Flanke des Fremden. Als 
Hickok nach Adentos Revolvern griff, um ihn zu entwaffnen, 
blitzten dessen Augen gefährlich. Aber es beeindruckte Hickok 
wenig. »Sag mir, woher du diesen Medizinbeutel hast, 
Fettkopf«, sagte Hickok noch einmal, während er die bleiernen 
Knaufschalen der Revolver betrachtete. Als der Mexikaner 
stumm den Kopf in den Nacken warf, zuckte Hickoks Hand 
über den Revolverhammer. Sein Colt explodierte. Die 
Rundkugel durchschlug die hohe Sombrerohaube. Adento 
spürte den heißen Atem des Bleis auf der Kopfhaut. 

»Woher?« fragte Hickok störrisch. »Ich frage kein drittes 

Mal.« 

Die Agressivität des Schnauzbärtigen schien Adento stark zu 

beeindrucken. Er stieg in die Steigbügel und deutete nach 
Osten in die Schatten hochsteigender Felsen. 

»Ich habe es am Fuß der Animas gefunden und eingesteckt, 

Senor. Er lag zwischen Geröll und Dreck am Weg. Hat der 
Lederbeutel für Sie eine bestimmte Bedeutung?« 

Hickok lächelte hart. Der fettköpfige Bastard log. Er dachte 

an diesen Apachenhäuptling, der das Taime bei seiner 
Gefangennahme am Hals getragen hatte, ehe Yaquis die 
Gefangenen raubten. Dieser stinkende Glücksbringer war für 
Hickok ein Hoffnungsschimmer, die Verbindung einer Kette, 
die von Cochise zu den Yaquis bis zu diesem grinsenden 

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Schlitzauge führte. 

»Nimm seinen Karabiner, Claymont! Diese Typen sind 

gefährlich, solange sie ein Schießeisen in der Nähe haben.« 

Adento protestierte mit heftigen Gesten, als Claymont ihm 

die Winchester aus dem Scabbard zog und ans Sattelhorn hing. 
»Senor, das ist Straßenraub. Ich werde mich beim Marshal 
beschweren.« 

Hickok schnitt ihm das Wort ab. »Führe uns zu der Stelle, 

wo du den Beutel gefunden hast«, sagte er barsch. »Ich werde 
dann entscheiden, ob du gelogen oder die Wahrheit gesprochen 
hast. Im Zweifelsfalle kriegst du deine Kanonen wieder.« 

Wie Hickok erkennen konnte, daß der Bastard gelogen hatte, 

war ihm nicht klar. Aber er würde einen Weg finden, um es zu 
ergründen. 

Während sie nun ostwärts zu den Bergen zogen, sagte 

Hickok leise zu Claymont: »Laß die Zügel locker. Wenn der 
Bursche uns beschwindelt hat, wie ich annehme, wird er die 
nächste Gelegenheit zur Flucht benutzen. Das wäre ein Beweis, 
daß er mit dem Yaquigesindel unter einer Decke steckt.« 

Claymont nickte und ritt künftig nicht mehr so dicht an 

Adentos Seite. Auch die anderen hielten sich merklich zurück, 
um den Mexikaner herauszufordern. 

Adento fühlte sich in arger Bedrängnis, denn ohne seine 

schnellen Revolver war er nur ein halber Mensch, und er 
verfluchte seine Unsicherheit, als er sich die Colts einfach 
nehmen ließ, anstatt den Burschen einfach umzulegen und zu 
fliehen. Aber nun war es zu spät. 

Er mußte einen anderen Weg suchen. Die Gringos waren 

verdammt nachlässig. Sie schienen sich ihrer Sache sicher. Sie 
ritten in einzelnen Gruppen, und er hörte ihre lachenden 
Stimmen. Adentos Augen streiften das hohe Distelgesträuch, 
an dem sie nun vorbeizogen. Er suchte eine Lücke im Dickicht. 
Als er einen breiten Einschnitt erspähte, der ins verfilzte 
Gestrüpp führte, trieb er unvermutet dem Gaul die Sporen in 

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die Flanken und preschte los. 

Fluchende Stimmen des Geleits folgten ihm. Revolver 

explodierten. Adento spürte das Blei um die Ohren flitzen. Er 
zog ein Bein aus dem Bügel, hing nun seitlich an seinem 
Bronco und ging das Ziel an. Dornen und Disteln zerrissen 
seine Kleidung. Irgend etwas peitschte schmerzhaft durch sein 
Gesicht, er jedoch drängte vorwärts. 

Wild Bill Hickok, mit einem Trick in seiner Vermutung 

bestätigt, brüllte lautstark: »Los, Jungs, kreist den Filz ein. Ich 
wette, der Greaser hat uns einiges zu erzählen.« 

Adento war inzwischen vom Pferd geglitten. Er hielt die 

Zügel fest in der Faust und bahnte sich einen Weg zu den 
steilen Felsen im Süden. Doch als er sie nach Minuten 
erreichte, trieben ihn Gewehrschüsse zurück. 

»Komm raus, Pistolero«, hörte er die Stimme des 

Schnauzbärtigen mit dem wallenden Haar. »Wir geben dir fünf 
Minuten zum Überlegen, danach brätst du im Gebüsch wie ein 
Ochse bei der Fiesta.« 

Um seinen Worten nachzuhelfen, schlugen in seiner Nähe 

Geschosse ins Gesträuch. Adento kroch in eine flache Mulde. 
Von allen Seiten drangen nun Stimmen auf ihn ein, die zeigten, 
das die Fremden ihn eingeschlossen hatten. 

»Maldito Embudos«, schrie der Mexikaner wütend, »was 

wollt ihr verdammten Gauner von mir? Ich bin ein friedlicher 
Amigo, der den Weg zu seiner Familie sucht.« 

»Pistolero, du hast noch drei Minuten, um über dein Leben 

zu entscheiden«, rief Wild Bill Hickok grimmig, »überlege dir 
gut, für was du dich entscheidest.« 

Adento knirschte mit den Zähnen. Er wußte, der Langhaarige 

mit den harten Augen sprach keine leeren Worte, ihm war 
bewußt, wie aussichtslos seine Lage war. 

»Buenos«, schrie der Mexikaner, während er auf die Beine 

sprang. »Steckt eure Gewehre ein, ich komme.« 

Adento trieb seinen Gaul aus dem filzigen Gebüsch. Die 

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Arme hielt er über dem Kopf verschränkt und blickte ängstlich 
auf den Reiter, der gemächlich den Hang hinuntertrabte. In der 
Rechten hielt Hickok den Colt, und am linken Daumen 
baumelte der Medizinbeutel. In seinen Augen lag ein boshaftes 
Leuchten, als er sagte: »Ich wette, Pistolero, du wirst mir eine 
lange Geschichte erzählen.« 

Es lag so viel Härte und Kälte in diesen Worten, daß die 

Angst trocken in Adentos Kehle hochzog. 

Seine Kundschafter brachten Tehueco die Nachricht von einer 
Wagenkolonne, die durch das Tal der singenden Winde zog 
und sich der Grenze Mexikos näherte. Seit Tagen lauerte er mit 
einer Gruppe von zwanzig Kriegern im zerklüfteten Fels, 
hoffend, bald auf den Chiricahuahäuptling Cochise zu stoßen, 
oder eine Botschaft von ihm zu empfangen, die ihn auf die 
Spur des Roten Wolfes führen konnte. 

Nun sprach Akaze von einer schweren Wagenkolonne, die 

sich mühsam durch das breite Tal quälte und von einer stark 
bewaffneten Eskorte begleitet wurde. Tiefe Freude empfand 
der Yaqui Kazike, als Akaze verkündete, daß Natie mit diesen 
Kriegern an der Flanke des Trecks südwärts zog. 

Er nahm sein schnellstes Pferd und ließ sich von seinem 

Späher führen. In der Abenddämmerung lauerten sie oberhalb 
des Felsplateaus, das der Murphytreck zu überwinden hatte, 
und beobachteten die Fremden, die in einer Senke ihr Lager 
aufschlugen. 

Zorn und wildes Verlangen verdunkelten Tehuecos Blick, als 

er den Roten Wolf inmitten der Meute entdeckte. Aber er 
erkannte, daß seine Kriegergruppe zu schwach war, das Lager 
erfolgreich anzugreifen. Wenn Viktorio mit seinen 
Mimbrenjos, oder Naiche mit Chiricahuakriegern zu ihnen 
gestoßen wären, würde er bedenkenlos den Angriff wagen. 

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Schon allein, um den abtrünnigen Desperado Natie zu stellen. 

Aber Viktorio und auch Naiche ließen sich Zeit mit Ihrem 

Kommen. 

Sein Blick wanderte südwärts über die schroffen Felsen, 

deren Kuppen im Widerspiel niedergehenden Lichtes 
funkelten. Er wußte, am Ende des Canyons der singenden 
Winde verengte sich der Talkessel zu einer schmalen Schlucht, 
die von hohen Steilwänden eingeschlossen war. Deckungslos 
und kahl wie die Wüste, die dahinter lag. 

Tehueco ritt ins Lager zurück und bestimmte den Aufbruch. 

Noch in der Nacht, als Mond und Sterne die einsame 
Bergwildnis erhellten, zogen er und seine Krieger über die 
Steilpässe des Tals der singenden Winde vorbei. Als der 
Morgen graute, erreichten sie den schmalen Schluchtweg, der 
in vielen Windungen den Berg durchschnitt und in die Ebene 
führte. 

Ein verborgener Pfad, den nur Yaquis kannten. Tehueco war 

entschlossen, den Kampf aus dem Hinterhalt zu führen. 

En verteilte seine Krieger auf eine Strecke von einer Meile 

und wartete. 

Schon bald verkündete dumpfes Knirschen von Rädern das 

Annähern der Murphykolonne. Als sie tief genug in die 
Schlucht gezogen waren, gab Tehueco das Angriffszeichen. 

Ein Pfeilhagel schlug nieder und tötete zwei Gelbgesichter 

und ein Weißauge, sowie drei Pferde. Tehueco sah die 
Verwirrung dort unten und zog sich zurück, als die ersten 
Gewehrsalven krachten, deren Kugeln jedoch kein Ziel fanden. 

Lautlos und behend schwang Tehueco von Fels zu Fels. Er 

dirigierte seine Krieger durch Zeichen südwärts der Schlucht, 
wo er einen zweiten Hinterhalt aufbauen wollte, und ließ fortan 
den Gegner nicht mehr aus den Augen. 

Die fremden Reiter unten drängten ihre Pferde, nervös durch 

den plötzlichen Angriff der Roten, in die Schatten der 
Murphys, ohne daß sie sich um ihre Toten kümmerten. 

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Unablässig feuerten ihre schnellen Gewehre, obwohl keiner 
von ihnen ein Ziel entdecken konnte. 

Tehueco sammelte seine Kriegsmannschaft am scharfen 

Schluchtknick, von wo der Blick nach Norden und Süden 
offenlag, und bestimmte hier den Zeitpunkt der nächsten 
Attacke. 

Noch immer rollte das grollende Echo von Abschüssen durch 

die Schlucht und verdrängte das feine Singen des Windes, das 
dem Talkessel seinen Namen gegeben hatte. 

Die Reiter auf der Schluchtsohle, vom plötzlichen Angriff 

der Yaquis gewarnt, bewegten sich im Schutz der hohen 
Planken der Schoner, oder trabten in den tiefen Schatten auf 
der Westseite des Arrayos und boten kaum ein Ziel. 

Ohne Verluste erreichte die Eskorte den scharfen 

Schluchtknick. 

Doch der Yaquihäuptling war zuversichtlich, denn nach 

Süden hin lag die Sohle offen wie ein Buch zu ihren Füßen. 

»Wir müssen die Zugpferde der Gespanne erwischen, 

Akaze«, bestimmte Tehueco zuversichtlich, »dann kommen sie 
nicht mehr vorwärts.« 

Akaze glaubte, Tehuecos Gedanken zu erraten. »Sie führen 

fette Beute mit, Jefe. Vielleicht sogar Gewehre.« 

Der Kazike nickte. Sein Blick wanderte nach Norden, von 

wo er Verstärkung erwartete, und seine Gedanken riefen 
Megias, den Boten Manitus, der Viktorio und Naiche führen 
sollte. Erst dann trat er näher an den Abgrund und beugte sich 
lauernd über die Brustwehr, in der es merklich still geworden 
war. Das Holpern der Wagenräder war verstummt, nur 
schwacher Hufschlag schlug ihm entgegen. 

»Sie verbergen sich im toten Winkel des Felsens, 

Häuptling.« Akaze kroch an seine Seite und neigte lauschend 
den Kopf in die Tiefe. »Sie werden die Finsternis der Nacht 
abwarten und im Schutz ihres schwarzen Mantels 
weiterziehen.« 

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Tehueco lächelte grausam. »Selbst in der Dunkelheit wird 

der Tod sie treffen. Nimm drei Krieger und reite südwärts. 
Suche eine günstige Position, wo wir ihnen begegnen können. 
Wir anderen werden euch bald folgen.« 

Akaze eilte davon, während der Rest der Krieger auf 

Tehuecos Befehle trockenes Strauchwerk suchten und es am 
Abgrund aufschichteten. 

Träge zog der Tag dahin. 
In der Abenddämmerung klangen Geräusche auf, die 

Tehueco zeigten, daß ihr Gegner Vorbereitungen zum 
Aufbruch betrieb. Noch ehe es dunkel wurde, preschten 
unvermutet zwei Reiter auf schnellen Gäulen durch die 
Schatten der Schlucht und entkamen, noch ehe sie der 
Pfeilhagel der Yaquis erreichen konnte. 

Aber Tehueco wußte, daß seine Feinde nicht weit kommen 

würden. 

Ohne Übergang kam die Nacht. Während Tehueco seine 

Krieger bei den hochgeschichteten Sträuchern postierte, 
klangen in der Ferne Schüsse auf. Nur Minuten dauerte das 
Gefecht. Als es verstummte, hatte der Häuptling die Gewißheit, 
daß es zwei Gelbgesichter weniger gab. 

In der Tiefe war Bewegung. Schwere Räder rollten 

knirschend über den Fels. Hufgetrampel zeigte, daß die 
Kolonne in Bewegung geriet. 

Tehueco ahmte den Ruf der Bergammer nach. Das 

vereinbarte Zeichen zum Angriff. Wie von Geisterhänden 
geführt, schlugen Flammen in die Nacht, die knisternd und 
prasselnd in die Tiefe stürzten. Im lodernden Feuerschein 
erkannte Tehueco den Wagenzug. Reiter bemühten sich, ihre 
vom Feuer scheuenden Pferde zu bändigen. Ein Hagel Pfeile 
schlug auf sie nieder. Dann versank der Spuk wieder im 
schwarzen Mantel der Nacht. 

Tehueco eilte zu den Pferden, wo seine Krieger sich 

versammelten. Stumm bestieg er sein Pony und trabte ihnen 

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voraus über das Hochplateau nach Süden. Nach etwa einer 
Stunde hörte er den Ruf der Bergammer, dem er folgte. 

Aus der Dunkelheit tauchte Akaze auf und führte die Gruppe 

zu den zerklüfteten Felsen. Als Tehueco aus dem Sattel stieg, 
leuchteten die ersten Sterne am Himmel auf. Akaze hielt dem 
Häuptling einen langhaarigen Schopf entgegen und sagte stolz: 
»Er gehörte Little Raven, Wenn du ihn magst, soll er dir 
gehören.« Tehueco lächelte in die Dunkelheit. »Es ist deine 
Beute, Akaze. Ich werde mir den Gürtel mit Naties Skalp 
schmücken. Wo ist Little Ravens Begleiter?« 

»Der Mexikaner konnte entkommen. Aber ich weiß, daß er 

die Pfeilspitze Takeoms zwischen den Schultern trägt«, dabei 
deutete er auf den Schatten am Boden. »Takeom war ein 
tapferer Krieger.« 

Tehueco blickte schweigend auf den toten Stammesbruder. 

Aber seine Gedanken waren bei dem geflohenen Reiter. »Das 
Gelbgesicht wird Hilfe holen«, sagte er schließlich und 
lauschte in die Nacht, die ihm die Ankunft der Murphykolonne 
ankündigte. 

»Bis dahin wird der Fels vom Blut unserer Feinde rot sein, 

und wir ziehen mit der Beute ungehindert in unser 
Bergversteck.« Akaze nickte zuversichtlich. 

Zwei Schüsse schreckten die Gemeinschaft der Gesetzlosen 
auf. Noch während das Echo die Felswände entlang rollte, zog 
eine Staubwolke den Paßweg hinunter ins Tal. 

Hickoks wilde Mannschaft formierte sich nun zum Angriff 

auf Don Rodriges Lager. Im jagenden Galopp hetzten sie durch 
den Creek, berannten den Hügel und erreichten die ersten 
Hütten. 

Gewehrfeuer schlug ihnen entgegen. Männer und Frauen 

quollen aus Häusern und Zelten, eilten hilfeschreiend zum 

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erhöhten Platz und warfen sich zwischen lockeres Geröll. 
Flammen züngelten gen Himmel und Rauch verdunkelte das 
Schlachtfeld. Hütte für Hütte, Zelt für Zelt, wurden zu 
lodernden Feuersäulen, und wer sich Hickoks wilder Crew 
entgegenstellte, wurde von den Pferden niedergerissen oder 
erschossen. 

Ein erbarmungsloser Kampf tobte, und es schien für 

Hickocks wilde Mannschaft ein leichter Sieg, als droben von 
der überhängenden Felsplatte vor dem Platz Don Rodriges 
gewaltige Stimme aufschallte, und eine Feuerwalze in die 
Angreifer schlug und sie bis zum Ufer des Creeks 
zurückdrängte. Gleichzeitig jagten etwa zwanzig Reiter auf 
schnellen Pintos aus dem Seitencanyon den Creek entlang und 
bedrohten ihre Flanke. 

Adento sah den günstigen Augenblick, auf die Gegenseite zu 

wechseln. Federnd sprang er auf die Beine. Er kam nur wenige 
Schritte. Claymont, der ihn ständig im Auge behielt, streckte 
ihn mit einem gezielten Schuß nieder. 

»Hol mir den Bastard, Claymont«, schrie Hickok zornig, 

während er sich der wütenden Attacke in der Flanke 
entgegenstemmte, die nun unter dem konzentrierten 
Feuerschlag nach Westen auswich. 

Claymont kroch aus seiner Deckung zu Adento hinüber, der 

sich vergeblich aufzurappeln versuchte. Er erreichte ihn, zog 
ihn über die Schulter und lief den Weg zurück. Einmal war es 
ihm, als zucke Adento zusammen. Als er die Deckung erreichte 
und Adento vor Hickoks Füße legte, erkannte Claymont, daß 
der Mexikaner eine Kugel eingefangen hatte. 

Hickok hob den Mann hoch und schüttelte ihn. »Du Bastard 

hast uns belogen. Hier warten keine zwanzig, sondern fünfzig 
und mehr geübte Schützen. Der Teufel soll dich holen.« 

»El Diablo hat mich schon.« Trotz seiner Schmerzen verzog 

sich Adentos Gesicht zu einer Grimasse. »Aber du wirst mir 
bald folgen, Gringo. Du und deine verteufelten Gesellen!« Sein 

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Körper verkrampfte sich. Als Hickok ihn losließ, stürzte er tot 
zu Boden. 

Hickok gab seinen Leuten ein Zeichen. Sie sprangen die 

Uferböschung hinunter, standen nun knietief im Wasser und 
hatten Mühe, ihre erregten Pferde zu bändigen. 

Finster lauschte er der heftigen Kanonade, die vom Dorfplatz 

herüberschallte und die Böschung aufwühlte. Er war wütend, 
da er wie ein Greenhorn den Worten des verdammten 
Pistoleros vertraut hatte. Adento hatte lange geschwiegen. Als 
er endlich das Maul aufgemacht hatte, hatte er sie mit Lügen 
aufs Kreuz gelegt. Die Hölle sollte ihn braten. 

Das Gewehrfeuer verhallte. 
In die Stille hinein hörte Hickok das Prasseln und Knistern 

lodernder Flammen. Dazwischen klangen die harten Befehle 
des bärtigen Mexikaners auf, den Hickok während der Attacke 
für einen Augenblick bemerkt hatte. Vorsichtig blickte er über 
die Uferböschung zum jenseitigen Platz hinüber, auf dem sich 
dreißig Reiter formierten. 

Rod Claymont kroch heran und warf sich neben Hickok zu 

Boden. »Wir sind in ein Hornissennest gestoßen. Ich fürchte, 
wir verbrennen uns die Finger.« 

Hickok schwieg. Nördlich des Platzes sah er eine Bewegung. 

Zwei Männer jagten mit Riesenschritten am Fels entlang und 
tauchten in Büschen unter. Hickok war es, als habe er den 
mächtigen rothäutigen Hünen erkannt. In Gedanken suchte er 
ihre erste Begegnung. Schmerzhaft verzog er das Gesicht. Er 
hätte den Bastard umlegen sollen. Und seinen weißen Freund 
dazu. 

»Noch ist es nicht soweit, Claymont«, donnerte Hickok 

wütend. »Wir sind fast zwanzig Scharfschützen, die Elite aus 
Texas. Mögen sie kommen und sich blutige Köpfe holen.« 

Rod Claymont war bestimmt kein Feigling. Das zeigten die 

Kerben in seinen Revolverscheiben. Trotzdem schüttelte er 
bedenklich den Kopf. 

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»Sie sind über fünfzig und werden von einem Fanatiker 

aufgepeitscht, Noch hätten wir Gelegenheit, den Paß zu 
erreichen.« 

»Aufgeben?« rief Hickok verwundert, und sein Blick streifte 

Claymont. »Wir haben die Quelle des Übels gefunden, Freund, 
an der Charlie Goodnight zu Grunde geht. Hier und nirgendwo 
anders werden wir die verschwundene Herde finden.« 

Claymont lächelte verächtlich. »Außer ein paar Milchkühen 

habe ich kein Longhorn entdecken können. Deine Phantasie 
geht durch, Hickok.« 

Hickok blickte über die Schulter. Er sah, daß seine Crew die 

Pferde in Vierergruppen zusammengebunden hatte, damit sie 
bei der nächsten feindlichen Attacke nicht ausbrechen konnten. 
Er nickte zufrieden. 

»Sucht euch einen sicheren Platz, Jungs, die Bastarde werden 

uns bald anrennen.« 

Claymont stieß ihn in die Seite und deutete zu den 

Felsbüschen hinüber, wo überraschend zwei Männer 
auftauchten. 

»Das ist doch dieser Cochise und sein weißhäutiger Freund.« 

Hickok nickte. »Ich habe sie schon bemerkt. Ich wußte, daß sie 
mit dem Gesindel gemeinsame Sache machen.« Hickok schob 
die Winchester an die Schulter und visierte den Weißhäutigen 
an, der mit mächtigen Sprüngen die freie Fläche bei den 
schwelenden Hütten überquerte. Er wollte warten, bis der 
Apachero nahe genug heran war, daß er sein Gesicht erkennen 
konnte, wenn er starb. 

In Haggertys Schatten folgte Cochise mit weiten federnden 

Schritten. 

»Sie sind unbewaffnet«, rief Clymont erstaunt. »Was soll das 

bedeuten?« 

In diesem Augenblick scholl vom Platz her wütendes 

Geheul. Ein halbes Dutzend Reiter setzte sich in Bewegung, 
um den Flüchtenden den Weg abzuschneiden. Sie peitschten 

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ihre Gäule zu einer schnelleren Gangart und hielten langläufige 
Revolver in den Fäusten. 

Wild Bill Hickok zögerte. Er wußte nicht, was er von diesem 

Bild halten sollte. Noch ehe seine wirren Gedanken eine 
Richtung fanden, spürte er, wie die Erde bebte. Dumpfes 
Schütteln rüttelte am Berg, der urplötzlich auseinander barst. 
Begleitet von einer ohrenbetäubenden Detonation schlug ein 
greller Feuerball in den Zenit, ehe er feuerrot leuchtend in einer 
schwarzen Rauchwolke versank. Die Druckwelle schleuderte 
die verkohlten Hütten auseinander, fegte Roß und Reiter 
einfach weg, als wäre ein Tornado durch das Tal gezogen. Der 
nun folgende Krach war wie ein mächtiger Peitschenschlag, 
der Hickok für Sekunden taub machte. 

Er sah die Pferde, die sich ängstlich hochrappelten und in 

Panik davongaloppierten, Männer in zerfetzter Kleidung, die 
wankend auf den Beinen standen und entsetzt zu dem 
Rauchpilz sahen, der sich langsam und stetig ausweitete, und 
den Himmel verdunkelte. 

»Was war das?« Claymont dröhnte die Explosion noch in 

den Ohren. 

Hickok hörte ihn nicht. Er suchte die Rothaut und den 

Weißen, die kurz vor dem Inferno im Gras untergetaucht waren 
und nun verschwunden blieben. 

In Intervallen rauschte das Echo durch das weite Bergtal. Als 

es verklang, folgte tödliche Stille, die lähmend auf die Männer 
wirkte. 

Nur langsam begriff Hickok, was geschehen war. Er starrte 

auf die düstere Pulverwolke, die der aufkommende Wind 
auseinandertrieb, und sagte heiser: »Die Rothaut und sein 
Begleiter haben die Pulvervorräte der Bande in die Luft 
gejagt.« 

Claymont wischte den Staub aus dem Gesicht. »Begreifst du 

das, Hickok? Sie gehören doch zu Ihnen?« 

Hickok schwieg. Er spürte unbewußt, daß er den 

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Apachenhäuptling und den Falken falsch eingeschätzt hatte. 
Sie gehörten nicht zu diesem Gesindel von Rinderdieben, 
hinter dem er her war. 

In seine Gedanken hinein tauchten an der rechten Flanke 

unvermutet ein halbes Dutzend schlitzäugiger Pistolenmänner 
auf. Hagere, flinke Burschen, die kompromißlos ihre Colts 
abfeuerten. 

Sam Bass, Emery Hunt und Henry Dickens waren tot, noch 

ehe sie den überraschend angreifenden Gegner entdeckt hatten. 
Hickok spürte den harten Schlag, als eine Kugel seine Leggins 
durchschlug, und Claymont schrie wie ein wildes Tier, als 
heißes Blei über seine Rippen fuhr. 

Behend sprangen die Schützen von der Uferböschung in den 

Creek. Unablässig dröhnten ihre Colts. Blei wühlte die Erde 
auf. 

Hickok ließ die Winchester fahren, griff blitzschnell zur 

Hüfte. Drei-, viermal fuhren Flammenblitze aus seinen 
Coltläufen. Zwei der Angreifer fielen stumm ins flache Wasser 
des Creeks. Nun dröhnten auch Claymonts, Powers und 
Alisons Revolver und bestimmten das Ende der tödlichen 
Auseinandersetzung. Als ihre Waffen leergeschossen waren, 
trieben sechs Tote auf den sanften Wellen des Creeks nach 
Süden. 

Noch während sie ihre Revolver aufluden, schlug 

trommelnder Hufschlag an ihr Ohr. Claymont verbiß seinen 
Schmerz und richtete sich auf. 

»Sie greifen in zwei Wellen an, Hickok. Von Westen und 

Norden«, sagte er wütend. Blut sickerte über sein buntes 
Hemd. 

Hickoks Blick streifte die Gefallenen der eigenen Reihe, ehe 

er sich neben Claymont niederwarf. Er legte die Colts ins Gras 
und nahm den Karabiner. Ein grimmiger Ausdruck bedeckte 
sein Gesicht, als er die anstürmenden Horden entdeckte. 

»Es sind wenigstens dreißig oder vierzig. Wir lassen die 

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Gruppe im Westen bis an die niedergebrannten Hütten 
herankommen und eröffnen dann das Feuer«, sagte er hart. Er 
wußte, sie standen vor einer tödlichen Entscheidung. Aber 
Hickok zeigte keine Furcht, sondern preßte kaltblütig den 
Karabiner an die Schulter. 

Claymonts deutete nach Süden, wo die zweite Gruppe ihre 

Pferde im ständigen Laufwechsel vorwärts trieben und 
fürchterliches Geschrei ausstießen. 

Hickock, der Claymonts Blick folgte, schürzte verächtlich 

die Lippen. »Comanchen«, sagte er trocken, »sie rennen uns 
genau in den Revolver. Los, Jungs, feuert, und denkt daran, je 
Kugel ein räuberischer Bastard.« 

Sie waren noch genügend Gunfighter. Jeder von ihnen ein 

As, der sich mit der Waffe in der Faust Ruhm und Ehre, aber 
auch Ärger mit dem Gesetz, eingehandelt hatte. 

Im ersten Feuerschlag brachen gleich ein halbes Dutzend 

anstürmender Pferde zusammen und begruben ihre Reiter. Die 
nachfolgenden Gruppen stießen in dieses Hindernis, und 
manch einer kam zu Fall. Wer von den Reitern auf die Beine 
kam und floh, erwischte eine Kugel der Scharfschützen. 

Es entbrannte ein Kampf ohne Gnade, der den Gegner ein 

Dutzend Tote und Verwundete kostete. Im pausenlosen 
Hämmern ihrer Karabiner brach der Ansturm zusammen. Die 
Reiter warfen entsetzt ihre Pferde herum und stoben über die 
freie Fläche zum Hügel hinauf. 

Inzwischen war Hickok die Gruppe aus der Nordflanke 

aufgefallen, die auf dreißig Yards heran war. Er sah ihre 
nackten glänzenden Körper, die flach auf den Rücken ihrer 
Pferde hingen. Flammenblitze schossen aus ihren Flanken. Tim 
Hipper erwischte eine Kugel, er war tot. Während er stumm 
umkippte, spürte Rod Claymont das heiße Blei, das ein Loch in 
seinen Schenkel riß. 

Grimmig verbiß er seinen Schmerz, ließ die leergeschossene 

Winchester fahren und hielt den Colt in der Faust. 

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Seine Kameraden krochen heran. Wie eine Mauer stemmten 

sie sich dem Feind entgegen, den nichts mehr aufzuhalten 
schien. Ihr infernales Geschrei füllte den Talkessel. Die 
Comanchen saßen nun aufrecht auf den Rücken ihrer flinken 
Pintos, Keulen und Kriegsäxte ersetzten ihre leergeschossenen 
Karabiner, die sie wirbelnd über den Köpfen schwangen. 

Sechzehn Revolver hämmerten wie ein Feuerschlag. Als der 

Pulverrauch zerflatterte, waren vierzehn Pferderücken leer. 
Noch immer war ihr Angriff nicht gestoppt. Im vollen Lauf 
sprangen die Comanchen von ihren Pferden. Wie Schatten 
wirbelten sie heran. 

Aus kürzester Distanz fuhr ihnen ein Bleiregen entgegen, 

brachte sie zu Fall. Blut färbte das Wasser des Creeks. Die 
geballte Feuerkraft löschte den fanatischen Willen zu töten. 
Mit wütendem Geheul flohen sie über die Grasfläche. 

Wie ein Spuk war plötzlich alles vorüber. In die tödliche 

Stille, die nun folgte, sank Claymont in die Knie und sagte: 
»Weiß Gott, Hickok, es ist ein teurer Lohn, den du uns geboten 
hast. Ich blute aus wie ein geschlachtetes Schwein.« 

Die rechte Seite seines Hemdes war ein einziger roter Fleck. 

Von dem Lederchip tropfte Blut ins Gras. 

Wortlos beugte Hickok sich nieder, löste den Lederbeschlag 

und trennte mit dem Messer das Hosenbein auf. Hickok 
grinste. »Es ist ein glatter Durchschuß, Claymont, der bringt 
dich nicht zu deinen Freunden in die Hölle.« Dabei zog er das 
Tuch vom Hals und band den Oberschenkel oberhalb der 
Wunde ab. Während er Claymonts stark blutende 
Streifschußwunde am Brustkorb verband, hörten sie in der 
Ferne Don Rodriges zornig kläffende Stimme aufschallen. 

Dick Power kroch heran. Schweißbedeckt, mit staubigem 

Gesicht. Er grinste. »Der Mexikaner versucht seine Mannschaft 
neu zu formieren. Einen neuerlichen Ansturm werden wir 
kaum aufhalten können«, dabei deutete er auf seinen leeren 
Patronengurt. »Mehr Kugeln als in der Trommel stecken, habe 

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ich nicht, Hickok. Und den anderen ergeht es ebenso.« 

Hickok nickte ernst. Er richtete sich auf und blickte zum 

ferneren Platz hinter den verbrannten Hütten. Don Rodriges 
zornige Stimme war noch immer zu hören. Donnernd, 
befehlsgewohnt. Tatsächlich sammelten sich die Reiter vor der 
steilen hölzernen Treppe. 

»Das wäre unser Ende, Jungs. Charlie Goodnight wird uns 

wohl ein Denkmal setzen.« 

»Wenn er uns je finden sollte«, erwiderte Power bissig und 

deutete zu dem Toten, dessen Körper halb vom Wasser 
umspült wurde. »Brack hat es auch erwischt.« 

»Fünf Tote«, sagte Wild Bill Hickok grimmig. »Dort 

draußen liegen wenigstens vierzig. Weiß Gott, ein prächtiges 
Geleit für den Weg in die Hölle. Zieht Brack aus dem Wasser.« 

»Was hat er wohl davon«, knurrte Alison. »Er ist schon tot. 

Er kann nicht noch ersaufen.« 

Power blickte unentwegt zum Lagerplatz hinüber. »Der Kerl 

schafft es tatsächlich, seine Mannschaft zu formieren. Sogar 
Weiber klettern auf die Pferde. Verdammt, ich habe noch nie 
gegen sie gekämpft.« Wütend spie Power in den Sand. 

Plötzlich schwieg er. Auch die anderen neigten lauschend 

den Kopf. Sie sahen zur offenen Nordflanke und sie spürten, 
wie dumpfes Dröhnen aus der Erde kam. Zwischen den Felsen 
stieg eine mächtige Staubwolke auf, die in rasender 
Schnelligkeit quer durch das Tal direkt auf sie zufegte. 

»Longhorns«, schrie Power verblüfft. 
Wie ein Blitz schlug es bei Hickok ein. »Charlie Goodnights 

Herde.« 

»Sie ist in Panik, Hickok. Sie überrennt uns einfach. Wir 

müssen zu den Pferden.« 

Dumpfe Peitschenschläge übertönten Powers Stimme. Sie 

kamen von der Ostflanke des Herdenverbandes, der nun in 
panischer Angst westwärts direkt auf Don Rodriges Lager 
drängte. Ungestüm, wild, nicht mehr aufzuhalten. 

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Eine Stampede. 
Aus der Flanke schälte sich ein einzelner Reiter. Er war eine 

Viertelmeile entfernt, aber Hickok sah deutlich die kräftige 
bronzefarbene Gestalt auf dem Pferderücken, die wie ein Pfeil 
das Grasland durchschnitt. 

»Der Gehörnte soll mich holen, wenn das nicht dieser 

verdammte Apache ist«, fluchte Wild Bill wütend. »Was treibt 
er für ein Spiel?« 

Ein breiter Staubgürtel bedeckte den Reiter. Hickok wischte 

sich über die Augen. »Ein Gaukelspiel der Hölle.« 

Sie schwiegen und lauschten den dröhnenden Schlägen vieler 

tausend Rinderhufe, unter deren Anprall die Erde zitterte, ohne 
zu begreifen, was hier vor sich ging, bis Dick Power 
triumphierend rief: »Die Longhorns überrennen den 
Lagerplatz. Schau, wie die Bastarde laufen.« Er lachte 
hysterisch, bis Tränen in seinen Augen standen. 

Mit heißen Gesichtern beobachteten Hickok und seine 

Mannschaft, wie die Rinderherde an den niedergebrannten 
Hütten vorbei den großen Platz anging, wo Rodriges 
Kampfmannschaft die Pferde herumriß und vor der tödlichen 
Gefahr ins Tal floh. 

In diesen Augenblicken machte Hickok Abstriche in seinem 

Leben, denn ihm wurde klar, daß er in der Schuld des 
Apachenhäuptlings stand, dem sie wohl alle ihr Leben 
verdankten. Zugleich wurde ihm bewußt, daß die Gefahr noch 
lange nicht gebannt war. 

»Power, Marwik, Alison. Was glotzt ihr so blöde? Wir 

brauchen Munition. Sie ist draußen bei dem toten Pack zu 
finden. Torney, Lorne, bindet die Pferde auseinander, wir 
schnappen uns den bärtigen Mexikaner, denn ohne Kopf ist die 
Bande ein wirrer Hühnerhaufen ohne Verstand.« 

Wild Bill Hickok war wieder der alte Kämpfer, den klaren 

Verstand und Energie auszeichnete. Während Power, Marwik 
und Alison über die Brustwehr sprangen und Torney zu den 

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Pferden eilte, beugte Hickok sich über den verletzten 
Claymont. »Wir holen dich, Claymont, sowie wir den 
mexikanischen Bastard erwischt haben.« 

Claymont nickte schweigend. Er spürte die Schwäche, die 

tief aus seinem Körper kam. 

Torney und Lorne trieben die Pferde durch den Creek. Die 

Männer stiegen in die Sättel und drängten die Tiere die 
Uferböschung hoch. 

Power, Marwik und Alison standen mitten zwischen den 

Toten und schwenkten breite Waffengurte in den Fäusten. 

Der Tanz konnte weitergehen. 

Lautlos wie Schatten glitten Cochise und der Falke über das 
flache Dach der Hütte, erreichten die hintere Fassade und 
schwangen sich von dort aus durch das offenstehende Fenster 
in Rodriges Wohnstube. 

Im Rahmen der Tür, ihnen den Rücken zeigend, stand Don 

Rodriges und folgte hilflos dem ausbrechenden Inferno. 

Er hörte nicht einmal das Geräusch in seinem Rücken, als die 

beiden Männer nähertraten. Deshalb zuckte er heftig 
zusammen, als Haggerty ihm die Revolvermündung zwischen 
die Schulterblätter drückte. 

»Das Spiel ist aus, General«, sagte Haggerty hart. »Lassen 

Sie Ihre Waffe fallen und schnallen Sie den Gurt vom Leib. Ihr 
Freund, der mexikanische Rebell, wird sich nach einem 
anderen Partner umsehen müssen.« 

Don Rodriges stand reglos wie eine Säule und lauschte den 

Worten des Mannes. Es dauerte eine Weile, ehe er antwortete. 
»Sie sind ein Narr, Senor Haggerty, wenn Sie glauben, lebend 
aus diesem Tal zu kommen. Noch sind meine Leute in der 
Überzahl. Sie werden den Paß besetzen und jeden 
niederschießen, der gewaltsam durchbrechen will. Lassen Sie 

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uns vernünftig miteinander verhandeln und für beide Seiten 
eine befriedigende Lösung suchen.« Rodriges senkte den Arm 
mit der Waffe und wandte sich vorsichtig um. Ein Lächeln 
streifte Haggerty, das erkennen ließ, wie wenig er den 
Armeescout fürchtete. »Sie können nicht gegen vierzig 
waffenerfahrene Pistoleros kämpfen.« 

Haggerty erwiderte Rodriges Lächeln. Mit einer 

Kopfbewegung deutete er nach draußen, wo aus der fliehenden 
Staubwolke heraus eine kleine Reiterarmada auftauchte, die in 
breiter Front auf dem Platz Aufstellung nahmen. 

»Sie vergessen die wilde Mannschaft dort unten, die Ihnen 

seit Stunden Ärger bereitet, und Ihren kampferfahrenen 
Pistolenmännern arge Verluste beibrachte, General. Sie sind 
aus hartem Holz, wie sie wohl erkannt haben. Geben Sie mir 
ihre Waffen, Senor, bevor es zu weiterem Blutvergießen 
kommt.« 

Don Rodriges erkannte die neue Gefahr. Er sah die wilden 

Burschen dort drunten, die von ihren Pferden stiegen. Harte 
Typen, die zu kämpfen verstanden und ihm in der letzten 
Auseinandersetzung einen Teil der Mannschaft raubten. 

Undefinierbar lächelnd reichte Don Rodriges Haggerty den 

Colt und band den breiten Gurt von den Hüften. 

Polternde Schritte eilten die Treppe hoch. Wild Bill Hickok, 

flankiert von Power und Alison, baute sich drohend auf der 
breiten Holzterrasse auf. Ihre Revolver deuteten auf Don 
Rodriges. 

John sah das wilde Feuer in ihren Augen, und er spürte ihre 

Gedanken. 

Schützend trat er vor den Mexikaner und deckte ihn mit 

seinem Körper. »Wenn Sie Don Rodriges töten, Hickok«, sagte 
Haggerty eisig, »wird niemand von uns lebend das Tal 
verlassen. Es gibt nur einen Weg, der hier herausführt.« Sein 
Blick deutete zur Serpentine im Südosten. »Fünf Männer 
würden genügen, um den Paß zu schließen. Sie kämen trotz 

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allen Mutes ihrer Leute nicht einmal bis zur zweiten 
Wegbiegung.« 

Wild Bill zögerte. Er sah die entschlossene Haltung des 

Sprechers, dessen Körper bewußt das Leben des Mexikaners 
schützte. 

»Wer sind Sie wirklich, Haggerty, und welche Rolle spielt 

der Apache?« Hickoks Revolvermündung deutete auf Cochise, 
der stumm und schweigend, mit stolz erhobenem Kopf den 
Scharfschützen ansah. 

»Ich bin ein Mann wie Sie, Hickok, der für Recht und 

Ordnung sorgt. Diese Bestrebungen hat auch Cochise. Die Jagd 
nach einem Abtrünnigen der Yaquis hat uns in dieses Tal 
gerührt. Sie haben dabei, wenn auch unbewußt, nachgeholfen.« 

Hickok senkte zögernd den Colt, ohne Cochise aus den 

Augen zu lassen. Er sah den glimmenden Funken in den Augen 
der Rothaut, der zeigte, daß Cochise die Schmach noch nicht 
überwunden hatte. 

»Wie kann ich Ihnen vertrauen, Haggerty?« fragte Hickok 

zögernd. »Ihr Apachenfreund haßt mich und hat unsere letzte 
Begegnung nicht vergessen.« 

John lächelte. »Der Häuptling trägt die Schmach in seinem 

Herzen. Sie selbst bedeuten ihm nichts, Hickok. Seine 
Gedanken sind beim Roten Wolf, den er zur Strecke bringen 
muß, weil er Tehueco, dem Häuptling aller Yaquis, sein Wort 
verpfändet hat.« John blickte an Hickok vorbei. Im Osten 
sammelten sich Rodriges' Desperados, die nun an der 
auslaufenden Rinderherde vorbei quer durch das Tal sprengten. 

John lächelte hart. »Sie sollten sich entscheiden, Hickok. 

Zwischen Vernunft und Maßlosigkeit. Es wird bald zum 
Kampf kommen. Nur Rodrigez' Wort kann ein weiteres 
Gemetzel verhindern. Also, wie ist Ihre Antwort?« 

Wild Bill Hickok dachte an seine Männer, die ihm verblieben 

waren. Dort drüben kam eine aufgepeitschte Horde 
mexikanischer und indianischer Pistoleros, und ihr wildes 

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Kriegsgeschrei zeigte ihre äußerste Entschlossenheit. 

»Ich will ihn«, erwiderte Hickok, auf Don Rodrigez deutend, 

»und Charlie Goodnights Herde. Damit wären meine 
Verpflichtungen gegenüber dem Texasrancher erfüllt. Der 
Mexikaner soll hängen, wie es die Gesetze Texas für Viehdiebe 
festhalten.« 

»Er wird hängen«, erwiderte John ruhig. »Aber ein 

Militärgericht wird ihn aburteilen. Seine Verbrechen sind 
größer als sie ahnen, Hickok. Also, geben Sie mir eine klare 
Antwort.« 

Ihre Lage wurde bedrohlich. 
Hickok winkte ab. Er schob entschlossen den Colt ins Halfter 

und nickte. »Na gut, Haggerty. Es ist gleich, ob der Bastard in 
Texas oder New Mexiko hängt. Das Übel ist dann beseitigt. Ich 
bin mit der Herde zufrieden.« 

John wandte sich Don Rodriges zu. »Wollen Sie weiteres 

Blutvergießen, General? Ihr Schicksal und das vieler Männer 
liegt allein in Ihrer Hand.« 

Don Rodriges, in dessen dunklen Augen noch immer dieses 

Lächeln stand, zeigte sich kompromißbereit. Er trat an John 
und Hickoks Mannschaft vorbei. 

»Er ist ein mächtiger Mann, Hickok«, flüsterte John 

Haggerty zu. 

»Nur solange, bis ein Strick seinen Hals umspannt, 

Haggerty.« Wild Bill lachte bissig. »Dann wird man ihn mit 
seiner ganzen Macht in einem schwarzen Loch vergraben.« 
Noch während er sprach, richtete er mißtrauisch den Colt auf 
Don Rodriges Rücken, der nahe an die Treppe getreten war 
und den heransprengenden Reitern Handzeichen signalisierte. 

Das wilde Geschrei der Horde verstummte. Sie schwenkten 

auf den Platz nahe des Aufganges und verharrten schweigend 
auf den Rücken ihrer Pferde. 

Don Rodriges sprach mit gewaltiger Donnerstimme auf sie 

ein. John und Cochise, der mexikanischen Sprache mächtig, 

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lauschten aufmerksam seinen Worten. Bill Hickok suchte in 
ihren Gesichtern eine Antwort. 

Die Reiter wandten nun ihre Pferde und strebten an den 

niedergebrannten Hütten vorbei zum nördlichen Taleinschnitt, 
aus dem am Nachmittag überraschend die Longhornherde 
gekommen war. 

Noch ehe John Hickoks stumme Frage beantworten konnte, 

wandte Don Rodriges sich um. Stolz, fast überheblich, blickte 
er den Fremden entgegen. »Sie sehen, Haggerty, ich folge 
Ihren Wünschen. Meine Männer ziehen sich in den Wolfs 
Canyon zurück und werden dort warten, bis die Texaner die 
Herde aus dem Tal getrieben haben.« 

»Und Sie?« Don Rodriges plötzliches Nachgeben stimmte 

John nachdenklich. Irgend etwas verfolgte der Mexikaner. 

Don Rodriges zuckte lächelnd die Achseln. »Ich werde Sie 

begleiten, Senor Haggerty. Ihre Gesellschaft ist mir sicherer als 
die dieser wilden Texaner.« 

»Im Klartext, General: Sie sehen in unserer Nähe die größere 

Chance zu entwischen.« 

»Sie sagen es Senor«, erwiderte Rodriges in frappierender 

Offenheit. »Wann werden wir aufbrechen.« 

John deutete auf Hickok, der zwei Männer aussandte, um den 

verletzten Claymont zu holen. »Es liegt an ihm und der 
Geschicklichkeit seiner Truppe. Die Herde steht weit verstreut 
im Tal.« 

»Ihre Arbeit wird niemand behindern.« Don Rodriges trat 

gelassen in seine Hütte. John gab Cochise ein Zeichen und 
folgte ihm. 

Unten sammelte Hickok seine Mannschaft. Power und 

Alison kehrten zurück. Rod Claymont lag quer über dem 
Sattel. Er war tot. 

»Rod ist verblutet, während wir untätig hier herumsaßen«, 

fluchte Power. Ein finsterer Blick streifte den 
Apachenhäuptling, der einsam auf der obersten Treppenstufe 

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stand und die Nordostecke des Tales im Auge behielt, wohin 
Rodriges' Bande verschwunden war. »Acht Tote, Hickok. Ein 
teurer Preis für das Unternehmen.« 

Hickok blickte auf Claymont, den Power vorsichtig aus dem 

Sättel zog und in den Schatten der Felswand legte. »Jedes Ding 
hat seinen Preis, Power. Wir alle kannten das Risiko. Steigt in 
den Sattel, wir wollen die Herde zusammentreiben. Wer weiß, 
wie lange die Bastarde Ruhe geben.« 

»Und Claymont?« fragte Power düster. 
»Begraben wir am Abend mit den anderen.« 
Bis in die Dunkelheit waren sie damit beschäftigt, die Tiere 

zu einer Herde zu formieren. Dann kehrte Hickok und drei 
seiner Leute zurück, um ihre Toten zu bestatten. Als sie ihre 
Arbeit beendet hatten, ging Hickok die steile Treppe hoch. 

Cochise stand noch immer reglos auf seinem Posten. Don 

Rodriges saß am Ende seines feinpolierten Tisches. 
Schweigend, in Gedanken versunken. Am anderen Ende des 
Tisches lehnte Haggerty in einem weichen Sessel. Als Hickok 
eintrat, hob er den Kopf. 

»Fertig?« 
»Die Herde lagert in der Senke vor der Serpentine. Mit den 

ersten Morgenschatten werden wir mit dem Abtrieb beginnen.« 
Er wandte sich an Don Rodriges. »Wir werden wiederkommen, 
Fettkopf. Mit der gesamten Mannschaft der Goodnight Ranch. 
Ich verspreche Ihnen, daß Sie für den Tod meiner Leute teuer 
bezahlen werden.« 

Don Rodriges hob den Kopf. Seine dunklen Augen streiften 

den Sprecher von Kopf bis Fuß, als wolle er dessen Stärke 
einschätzen. »Sie werden das Tal verlassen finden, Senor 
Hickok, denn es bietet unserer Gemeinschaft keinen Schutz 
mehr. Wenn Sie dennoch meine Soldaten suchen. Sie finden 
sie in Mexiko, in der Nähe General Juárez, für den sie kämpfen 
werden. Geben Sie sich also mit dem zufrieden, was ich Ihnen 
zugesichert habe, Senor, sonst kommt ihr Hochmut zu Fall.« 

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»Er ist sehr selbstsicher, Haggerty. Ein kluger, verschlagener 

Fuchs, der Sie aufs Kreuz legen wird.« 

John lächelte. »Das wird unser Risiko sein, Hickok. 

Beschränken Sie sich auf Ihre Aufgabe. Vor Ihnen liegt ein 
langer, unsicherer Weg.« 

Wild Bill Hickok beherrschte sich und gab keine Antwort. Er 

ging nach draußen und bestieg sein Pferd. Schweigend ritt er in 
die Nacht zum Paß hinüber, wo die Herde, von seinen Männern 
bewacht, am Fuß des breiten Passes lagerte. Noch immer traute 
er dem Frieden nicht. 

Aber die Nacht verlief ruhig. 
Am Morgen standen Haggerty, Cochise und der General auf 

der breiten Terrasse. Hickoks Reiter trieben die Herde bereits 
in die Serpentine. 

»Sie haben viel Macht über ihre Leute«, sagte John 

nachdenklich. 

»Ich bin ihr General und sie sind meine Soldaten.« Stolz 

warf Rodriges den Kopf in den Nacken. »Sie gehorchen 
meinen Befehlen.« 

»Und die Frauen dort unten?« John deutete zum 

überhängenden Felsen, wo sich die übrigen Bewohner der 
seltsamen Gemeinschaft versammelt hatten. 

»Sie verstreuen sich in alle Winde oder folgen meinen 

Soldaten nach Mexiko. Sie kennen kein anderes Leben.« 

»Dann wollen wir aufbrechen, General«, sagte John 

Haggerty. Er spürte, daß eine schwere Last von ihm abfiel. 
»Sie kennen unseren Weg.« 

Don Rodriges nickte. Breites Lächeln floß durch sein 

Gesicht. »Sie wollen die Armeekarabiner und den Roten Wolf. 
Den Yaqui werden sie vielleicht erwischen. Die Waffen aber 
dürften längst über die Grenze in den Händen der Revolution 
gelandet sein.« 

»Um sich selbst machen Sie sich keine Sorgen, General?« 
Rodriges Lächeln wurde überheblich. »Meine Leute werden 

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uns folgen. Sie sind stets in unserer Nähe. Ich weiß nicht, wie 
Sie ihre Aufgabe bewältigen wollen. Sie und Ihr roter Freund 
sind kühne Männer, Senor Haggerty. Irgendwann werden Sie 
als solche in den einsamen Bergen Mexikos sterben.« 

John gab dem Häuptling ein Zeichen, worauf Cochise die 

Treppe hinunterging und drei Pferde einfing. 

Als sie in den Sattel stiegen und in forschem Galopp durch 

das Tal sprengten, stand hoch über den Felsen eine dichte 
Staubwolke, die Hickoks Weg zeichnete. Aus der Nordschlucht 
drängte eine Armada Reiter, die ohne Eile den Talkessel 
durchschritten. 

»Sie sehen, Senor Haggerty«, Don Rodriges deutete lächelnd 

nach Norden, »wir haben eine sichere Eskorte. Stimmt es Sie 
nicht nachdenklich?« 

John schwieg. Er führte Rodriges' Pferd und dachte an die 

kommenden Tage. Irgendwann würde er einen Weg finden, um 
dieses Gesindel abzuhängen. 

Tehueco vermied die offene Auseinandersetzung mit den stark 
bewaffneten Reitern. Aber er blieb unsichtbar in ihrer Flanke, 
und nur die tödlichen Pfeilgarben, die seine Krieger in die 
Tiefe schleuderten, erinnerten Cameron und den Roten Wolf, 
daß die Yaquis ihre Jagd noch nicht aufgegeben hatten. 

Sieben Männer hatte Budd Cameron in wenigen Tagen durch 

Tod und Verletzungen verloren. Natie beklagte zwei Krieger. 

Aber ihr Tod war es nicht, was den Feuerkopf beunruhigte, 

sondern die Tatsache, daß Alfonso Fomey, dem der 
Durchbruch durch die unsichtbare Sperrmauer der Yaquis 
gelungen war, keinen Ersatz heranführte. Rebellen aus Juárez 
Armee, mit deren Hilfe sie das rothäutige Gesindel vertreiben 
konnte. 

Wo blieb der Mexikaner? 

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An diesem Tag, als Cameron sich Sorgen um den 

Murphytreck und um sich selbst machte, trabte Roter Wolf in 
den Schatten des Schooners. 

An seinem Gesicht sah Cameron, daß etwas 

Unvorhergesehenes geschehen sein mußte. »Was gibt es; Roter 
Wolf?« fragte Cameron verärgert. »Du hast die Aufgabe, die 
vordere Flanke zu sichern, die Steilhänge im Auge zu behalten 
und einfach drauflos zu schießen, wenn dir ein Yaqui begegnet. 
Du und deine Leute sind mit Waffen bestens ausgerüstet. Aber 
ihr wagt es nicht, diese verdammte Brut aus ihren Verstecken 
zu locken.« 

Natie blickte dem Sprecher finster entgegen, während er zu 

den Steilhängen deutete. »Tehueco hat Verbündete gefunden. 
Viktorio, der Mimbrenjowolf, ist mit seinen Kriegern zu den 
Yaquis gestoßen und En-akai will Naiche, den Sohn Cochises, 
in den Felsschründen erkannt haben. Sie werden bald ihr 
hinterhältiges Versteckspiel aufgeben und offen angreifen, 
Feuerkopf.«. 

Budd Cameron schwang unwillig seine Winchester. »Das ist 

der Augenblick, auf den wir seit vier Tagen warten. Gegen ihre 
heimtückischen Angriffe aus dem Nichts sind wir machtlos. Im 
offenen Kampf jedoch überlegen. Sie mögen kommen.« 

Natie schwieg. Er musterte Camerons wilden Haufen, der 

sich nahe der hohen Planken der Schooner hielt. Verächtlich 
verzog er den Mund, als er sein Pony schwenkte und in den 
Schatten der Felsen ritt. Der Feuerkopf wußte nicht, wie 
Yaquis, Chiricahuas oder Mimbrenjos kämpften. 

Trotz seiner Kaltblütigkeit beherrschte eine innere Unruhe 

Cameron. In wenigen Tagen hatte er sieben seiner besten 
Pistoleros verloren, ohne daß er nur einen ihrer Mörder hatte 
entdecken können. Sie waren wie Schatten, die lautlos ihrem 
Weg folgten. 

Und nun sprach Natie von weiteren Kriegergruppen, die sich 

mit dem Yaqui Kazike vereint hatten. Am Abend suchte er 

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einen Lagerplatz am Berghang, den ein weites Felsplateau wie 
ein Dach überspannte. Er rief seine Männer zusammen und 
mahnte zur äußersten Wachsamkeit. Trotz 
Übermüdungserscheinungen berief er den Mann auf seinen 
Posten und riegelte beide Schluchtenseiten ab. Er bemerkte 
nicht, daß Natie seine Krieger auf der Südseite des Arrayos 
versammelte. 

Als in der Nacht dröhnendes Echo von Schüssen durch die 

Felsschlucht wehte und mit wildem Geheul eine Reitergruppe 
den Weg hochsprengte, wußte Cameron, daß der Rote Wolf ihn 
verraten hatte und geflohen war. 

»Der rote Bastard spürt, daß es hart auf hart geht. Er läßt uns 

im Stich.« Cameron fluchte wütend und deutete auf die 
dunklen Schatten, die ihre Lager anstürmten. »Schießt, Jungs, 
was eure Karabiner hergeben.« 

Aber noch ehe seine Männer die Gewehre auf die 

gegnerische Armada richten konnten, wandten die Angreifer 
ihre schnellen Pferde und verschwanden in der Dunkelheit der 
Schlucht. 

Zurück blieb lähmende Stille und Furcht, die in ihre Herzen 

kroch. 

»Sie kommen wieder«, prophezeite der Feuerkopf, und ihre 

Aufmerksamkeit richtete sich auf die Südseite der Schlucht. 

Unbemerkt von ihnen schwangen indes ein halbes Dutzend 

Krieger an Seilen von dem überhängenden Felsplateau in die 
Tiefe, erreichten den flachen Hang und krochen, jede Deckung 
nutzend, in die Flanke der Gegner. 

Mario Santiego und Ramon Quero, die am Seilcorral bei den 

Pferden Wache hielten, spürten nicht den Tod, der unvermutet 
in ihrem Rücken auftauchte. Sie hörten nicht einmal die leisen 
Geräusche, als zwei Apachenkrieger sie ansprangen und deren 
Messer ihre Kehlen durchbohrten. Stumm sackten die Männer 
zu Boden. 

»Die Pferde«, flüsterte Victorio, der Mimbrenjo Chief, von 

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dem der Gedanke dieses heimtückischen Angriffs ausging. 
Noch während sein blutbeschmiertes Messer die starken 
Stricke durchtrennte, zog er sich auf den Rücken eines 
sattellosen Pferdes. 

Urplötzlich hallte wildes Geheul von den Steilwänden nieder. 

Die Pferderemuda drängte an den Murphys vorbei und jagte in 
wilder Hast die Schluchtsohle entlang. 

»Unsere Gäule«, schrie Budd Cameron, »schießt doch, ihr 

Idioten.« 

»Auf wen?« fragte Horn. Er sah den langgestreckten 

Schatten der Herde, ohne einen Reiter zu entdecken. Dennoch 
riß er den Bügel durch und erwischte eines der fliehenden 
Pferde. 

Noch während das donnernde Echo der Explosion verhallte, 

war der Spuk verschwunden. Cameron eilte zum 
niedergerissenen Seilcorral. Als er zurückkehrte, murrte er 
dumpf: »Die Apachen haben uns die Pferde genommen, um 
eine weitere Flucht unmöglich zu machen. Drüben liegen 
Santiego und Quero mit durchschnittenen Kehlen. Verdammt!« 

Er war ratlos und dachte zähneknirschend an die Zukunft. 

»Sie haben uns nur die Zugpferde gelassen.« 

Tom Horn kroch heran. »Wir sollten den Treck aufgeben, 

Budd«, sagte Horn. »Wir nehmen die Zugpferde und versuchen 
durchzubrechen.« 

Cameron dachte an die schweren, plumpen Gäule, die als 

Gespann geeignet, doch als Fluchtpferde unbrauchbar waren. 
Heftig schüttelte er den Kopf. »Wir führen ein Vermögen mit, 
Tom. Wir können es nicht aufgeben.« 

»Willst du hier sterben?« fragte Horn. »Ich bin kein Patriot. 

Juárez' Revolution kann mir gestohlen bleiben. Ich habe keine 
Lust, für seine Idee zu sterben.« 

»Wir warten«, erwiderte Cameron. 
»Worauf willst du warten?« höhnte Horn. »Daß sie uns am 

Tage einzeln abknallen? Oder in der kommenden Nacht das 

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Fell vom Schädel schneiden?« Tom Horn sprang behend auf 
die Beine. »Ich nehme mir einen Gaul und versuche im Schutz 
der Dunkelheit durch ihre Linien zu brechen.« Noch während 
er sprach, kletterte er auf einen der Wagen und riß die Plane 
zurück. Er nahm aus der offenen Kiste einige 
Dynamitpatronen. »Damit werde ich mir den Weg 
freimachen.« 

Cameron stand plötzlich vor ihm. In seiner Rechten lag der 

schwere Colt, und trotz der Dunkelheit war zu erkennen, daß er 
es ernst meinte. »Du bleibst wie wir alle, Tom«, sagte er hart, 
»oder ich schieße dich nieder. Forney muß längst eine 
Rebelleneinheit erreicht haben. Vielleicht stoßen sie noch in 
der Nacht zu uns.« 

Horn hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch 

dumpfe rollende Geräusche, von der Höhe herabklingend, 
erweckten seine Aufmerksamkeit. Im selben Moment 
zerplatzten Felsbrocken auf der Halde und ein Splitterregen 
fuhr in die Flanken der Murphys. 

Mit einem Satz war Horn vom Wagen, dessen Speichenräder 

unter der Wucht des Anpralls wie Binsenhalme zerbrachen, 
und rannte los, als säße der Teufel in seinem Nacken. Nach 
zehn Schritten übertönte eine peitschende Detonation das 
Inferno. Tom Horn warf beide Arme in die Luft und brach 
tödlich getroffen zusammen. 

»Idiot«, fluchte Cameron, der sich hinter dem umgestürzten 

Wagen in Deckung geworfen hatte. Sein Blick glitt über das 
flache Felsdach, das sich scharf vom nächtlichen Himmel 
abhob, ohne daß er ein Ziel entdecken konnte. 

Cameron knirschte mit den Zähnen, wenn er daran dachte, 

daß er viele Männer verloren hatte, ohne auch nur eine 
Nasenspitze einer Rothaut gesehen zu haben. 

Langsam verebbte der höllische Lärm. Statt dessen kam von 

der Höhe herab eine helle Männerstimme. 

»Mexikanos«, schrie der unsichtbare Sprecher, »bevor der 

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Tag und eine Nacht vergehen, wird euer Blut den kahlen 
Felsen des Arrayos tränken.« 

»Dann holt uns doch, ihr roten Bastarde«, schrie Cameron 

aufgebracht zurück, »zeigt uns eure dreckigen Visagen und 
verkriecht euch nicht wie Klapperschlangen in den 
Felsspalten.« 

Als die Antwort ausblieb, kroch Cameron zu den drei 

heilgebliebenen Schoonern, hinter denen seine Mannschaft in 
Deckung lag. Ihre stumme Begegnung zeigte Budd Cameron, 
daß sie am Ende ihrer Kraft waren. 

»Wie wird es weitergehen, Budd?« fragte schließlich eine 

belegte Stimme. 

Budd Cameron zuckte die Achseln. »Wir wollen warten und 

hoffen, daß Forney rechtzeitig Verstärkung heranführt. 
Bewaffnet euch mit Dynamit. Vielleicht ist das die Sprache, 
die sie zur Vernunft bringt.« 

Die Dunkelheit der schmalen Felsspalte, die John entdeckt 
hatte, nahm sie auf. 

Noch während John den Gefangenen aus dem Sattel drängte, 

stieß er ihm die Revolvermündung in die Seite. 

»Ein dummer Gedanke nur, General«, sagte er sarkastisch, 

»und Sie werden ihren Ahnen begegnen.« John spürte Don 
Rodriges Widerstand. 

»Mir ist es bitter ernst, General. Wenn ihre Guerillas uns 

entdecken, sind Sie der erste, der in die Hölle fährt.« 

Cochise kroch zum Ausgang, verwischte verräterische 

Spuren und kauerte nun abwartend im dichten Gestrüpp, das 
den Felseinschnitt verbarg. Er hörte fernes Hufgeklapper, das 
sich rasch näherte. 

Seit dem Augenblick, wo sie das Bergversteck verlassen 

hatten, folgte ihnen das Gesindel durch die Wildnis. Einmal 

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kamen sie auf Schußnähe heran, ohne daß sie den Vorteil 
aufnahmen. Ohne Zweifel wollten sie das Leben des Generals 
nicht gefährden und lauerten auf eine sichere Gelegenheit, ihn 
zu befreien. 

Nach einer Weile sah Cochise die Reiter im Abendschatten. 

Eine schwerbewaffnete Armee von über vierzig Reitern, die 
nun ihre Pferde zügelten und ausschwärmten. 

Ohne Zweifel suchten sie nach Spuren der Flüchtigen. Einige 

von ihnen ritten so nahe an den Büschen vorbei, daß Cochises 
Jagdmesser sie im Wurf hätte erreichen können. Schließlich 
sammelten sie sich um ihren Anführer und sprengten an ihrem 
Versteck vorbei in den sinkenden Tag. 

Als der Hufschlag verstummte, schob John Haggerty den 

Colt ins Halfter. »Ich wußte, daß Sie ein kluger Mann sind, 
General«, sagte John sarkastisch, »dem das Leben näher als der 
Tod steht.« 

Don Rodriges blieb ungerührt. »Sie werden meinen Leuten 

nicht entkommen. Wenn sie die Spur verloren haben, werden 
sie umkehren.« 

John nickte. »Daran denke ich auch, General. Aber Cochise 

wird von nun an vorausreiten und wie ein Schatten in ihrer 
Nähe weilen, um uns rechtzeitig zu warnen. Steigen Sie aufs 
Pferd. Unsere Reise geht weiter.« Er führte die Gäule aus dem 
Versteck und ließ Don Rodriges aufsitzen. 

Als er die Zügel des anderen Pferdes aufnahm, ritt Cochise 

bereits zwischen den Hügeln und folgte der schwachen Fährte, 
die durch das Felsland führte. Nach einiger Zeit war er aus 
Johns Blickfeld verschwunden. Erst im Dämmerlicht tauchte 
der Chief wieder auf und trabte zum Lagerplatz, den John 
Haggerty zwischen Husache- und Zapotesträuchern gewählt 
hatte. 

»Ihr Weg führt in den Canyon der singenden Winde«, 

berichtete der Jefe, während er sein Pferd mit einigen Büscheln 
Haarschotengras trockenrieb. »Ihre Zielstrebigkeit läßt darauf 

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schließen, daß sie uns dort vermuten. Wir müssen künftig 
vorsichtig sein, um nicht in einen Hinterhalt zu reiten.« Sein 
Blick streifte Don Rodriges, der auf einem faulenden 
Zedrachstamm saß und lächelnd seinem Bericht folgte. 

»Mir sind die schwachen Abdrücke von großen Wagen 

begegnet«, berichtete Cochise weiter. »Ein Zeichen, daß das 
Gelbgesicht uns auf der richtigen Fährte führt. Aber …«, in 
Cochises dunklen Augen glomm ein Funke, »… er führt etwas 
im Schilde.« 

John überhörte die Warnung. »Wie alt sind die Spuren, 

Cochise?« 

»Vielleicht drei Tage oder weniger.« Cochise zuckte 

bedauernd die Achseln, weil er keine genauere Zeitangabe 
machen konnte. »Morgen werden wir mehr wissen, Falke.« Er 
nahm seine Decke und suchte einen Platz für die Nacht. 

John Haggerty band Don Rodriges an den kräftigen Stamm 

eines Skelettbaumes, prüfte dessen Fesseln und breitete in der 
Nähe die Decke aus. 

Die verflossenen Tage waren recht anstrengend gewesen. 

Obwohl John gegen den Schlaf ankämpfte, fielen ihm bald die 
Augen zu. 

John erwachte, als eine Hand ihn streifte. Tiefe Dunkelheit 

lag zwischen den Büschen. Er erkannte Cochises Stimme. »Der 
Gefangene ist verschwunden«, flüsterte der Jefe, »wir haben 
seine Flucht verschlafen.« 

John fuhr hoch. Er eilte zu den Pferden. Don Rodriges 

kräftiger Wallach war verschwunden. Am Skelettbaum, wo 
John ihn angebunden hatte, fand er die durchschnittenen 
Lederriemen, die ihn ahnen ließen, das Rodriges am Körper ein 
Messer verborgen gehalten und sich selbst befreit hatte. 

»Komm«, sagte der Häuptling ruhig. Er nahm seine Decke 

und warf sie über den Rücken seines Pintos. Als er das hanfene 
Zaumzeug anlegte, sattelte John sein Pferd. Schweigend ritten 
sie aus dem Buschlager. 

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Der Himmel strahlte im dunklen nächtlichen Blau. 

Funkelnde Sterne füllten den Zenit und erhellten die einsame 
Bergwelt, so daß Cochise bald die erste Spur von dem 
flüchtigen General finden konnte. 

»Er reitet ins Tal der Winde, Falke. Dorthin, wo seine 

Männer hingezogen sind.« 

John nickte und war zornig auf sich selbst. Nur einen 

Augenblick hatte er seine Aufgabe vernachlässigt, und schon 
veränderte sich die Situation zu ihren Ungunsten. Aber noch 
war nicht alles verloren. 

Im Morgengrauen erreichten sie den breiten Talkessel. Von 

den Bergen herab fuhr singend der Wind und füllte das Tal. 

Hier, im tieferen Grasboden, vermischte sich Don Rodriges 

Fährte mit der Spur seiner Guerillas. Die Armada selbst blieb 
verschwunden. Wachsam die Umgebung im Auge behaltend, 
strebten sie vorwärts. Gegen Mittag war es ihnen, als hörten sie 
fernes Donnergrollen, dessen Echo durch die Wildnis rollte. Es 
konnte der Berg selbst sein, der sprödes Geröll absprengte. 
Aber auch Schüsse, die irgendwo im Süden des Talkessels 
fielen. 

Sie wechselten nur einen kurzen Blick und trieben ihre Gäule 

zu einer schnelleren Gangart an. Wie der Wind flogen sie 
dahin. 

Nach einigen Stunden waren deutlich Schüsse zu vernehmen, 

in die sich harte Detonationen mischten, und John wußte nun, 
daß sich zwischen den Felsen ein erbarmungsloser Kampf 
abspielte. 

»Wer mag es sein?« fragte er während des Galopps. Scharfer 

Wind wehte durch sein erhitztes Gesicht. 

Cochise gab ihm die Antwort. Er dachte an Tehueco, der 

irgendwo an der Grenze auf seine Nachricht wartete. 

»Yaquis«, rief er über die Schulter, »sie sind auf die 

Wagenkolonne gestoßen.« 

John schüttelte unbewußt den Kopf. Er errechnete den 

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Zeitpunkt, wo der Murphytreck das Bergversteck verlassen 
hatte. »Der Wagentreck müßte längst über die mexikanische 
Grenze sein«, antwortete er und trieb sein Pferd an Cochises 
Seite. 

Ein kühnes Lächeln sprang aus dem Antlitz des Jefes. 

»Vielleicht ist es Tehueco, der sie daran hinderte. Wir werden 
es bald wissen.« 

Und wieder füllte heftiges Gewehrfeuer das breite Tal, 

begleitet von dumpfen Detonationen, die ihnen den Weg zum 
Schlachtfeld wiesen. 

Seit dem Morgen war ein heftiger Kampf entbrannt. Tehueco, 
durch Victorio und Naiches Krieger erheblich verstärkt, 
beschloß die direkte Konfrontation mit den Eingeschlossenen. 
In zwei Wellen, Victorios Mimbrenjos im Norden, Tehueco 
von Süden, stießen sie durch den zerklüfteten Canyon und 
gingen den Feind mit äußerster Verbissenheit an. Naiche mit 
fünfzehn Chiricahuas wollte den Abstieg über das Felsplateau 
wagen, um in die Flanke ihrer Gegner zu kommen. 

Zastee … Ihr wildes Geheul hallte hohl von den Felswänden 

wider. Tiefgeduckt auf den Rücken ihrer Ponys liegend, 
feuerten sie ihre veralteten Gewehre ab, schwangen nun, auf 
fünfzig Yards an die Wagenburg herangekommen, Lanzen und 
Keulen, um eine Bresche zu schlagen. 

Wütendes Gewehrfeuer schlug Tehueco entgegen, tötete 

zwei seiner Krieger und vier Pintos, ohne daß die mörderischen 
Salven sie aufhalten konnten. Von Norden schwenkte Victorio 
auf das Schlachtfeld und teilte die Verteidigergruppe, die sich 
nun ihrem neuen Gegner entgegenwandte. Todesverachtend, 
den Feind vor Augen, übertönte ihr fanatisches Geschrei den 
Kampfeslärm. Wie ein tödlicher Blitz überrollten Mimbrenjos 
den Gegner, der nun, zum Nahkampf gezwungen, den Colt 

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gebrauchte. Keulen schmetterten nieder, Tomahawks töteten. 
Blutgetränkte Lanzen glänzten in der sinkenden Sonne. Ein 
mächtiger Blitz ließ den Canyon dröhnen. Eine Feuersäule 
zerriß Clay Waiter, der, auf zertrümmerten Planken des 
Wagens stehend, eine Dynamitladung zwischen die Reiter hatte 
schleudern wollen, als ihn Victorios Kriegslanze durchbohrte. 
Die Druckwelle erschütterte den mächtigen Murphy und riß 
einige Mimbrenjos aus dem Sattel, die für einen Augenblick 
betäubt auf dem Felsen lagen, nun aber hochsprangen und den 
Gegner aufs Neue angingen. 

Von der Höhe herab kamen Chiricahuas an Seilen, um den 

entscheidenden Schlag zu führen. 

Alles sah nach einem großartigen Sieg aus. Von Camerons 

Männern waren noch acht am Leben, der Rest verblutete auf 
dem kahlen Fels. Sie drängten sich im toten Winkel zweier 
Murphys und luden in aller Eile ihre leergeschossenen Waffen. 

In diesem Augenblick, als Mimbrenjos, Chiricahuas und 

Yaquis den tödlichen Streich führen wollten, sprengten von 
Norden, aus der Schlucht kommend, eine Reiterarmada von 
fast fünfzig Reitern heran, die im vollen Lauf ihrer Pferde ihre 
Karabiner abfeuerten und in die angreifenden Apachen eine 
tödliche Bresche rissen. 

Naiche, der die fremden Reiter als erster entdeckte, erkannte 

die Gefahr und gab seinen Kriegern das Zeichen zum Rückzug. 
Blitzschnell, wie sie vom Berg heruntergeglitten waren, 
hangelten sie sich an den Seilen zum schützenden Felsplateau 
hoch. Victorio, der Apachenwolf, vom Rausch des Tötens 
erfaßt, wollte sich dem neuen Gegner entgegenwerfen, doch 
Tehueco spürte bereits die Niederlage. 

»Es sind zu viele, Victorio, um erfolgreich gegen sie 

kämpfen zu können«, schrie er wütend, als der Mimbrenjo sein 
Pferd herumzog, um den Gegner anzugehen. »Wir ziehen uns 
in die Berge zurück.« 

Victorio zählte fast fünfzig Reiter, die feuernd aus der 

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Staubwolke heraussprengten. Wie Hornissen fuhren Geschosse 
um seine Ohren. Rechts und links von ihm sanken zwei junge 
Krieger tödlich getroffen vom Pferd, und ein Blick über die 
Schulter zu Tehueco, dessen Yaquis südlich durch die Schlucht 
flohen, ließ ihn erkennen, daß der Mut nur mit dem Tod zu 
bezahlen war. 

Er schwang seine blutige Keule, riß sein Pferd herum, und im 

Vorbeireiten zertrümmerte seine Keule einen von Camerons 
Begleitern. Die Staubwolke der fliehenden Yaquis nahm ihn 
auf. 

Zwei Meilen südwärts, dort, wo eine Felsspalte zu einer 

Serpentine auslief, die hinauf zu den schützenden Höhen 
führte, vereinten sich ihre Gruppen. 

Victorio war zornig auf den Yaqui Kazike. Er drängte 

grollend sein Pferd an die Seite Tehuecos und deutete den 
Schluchtweg entlang. »Die Yaquis fliehen feige wie 
Präriehasen. Und auch Naiche hat uns im Stich gelassen.« 

Tehueco blickte ihm drohend entgegen. Er mochte Victorios 

schmähliche Worte nicht unbeantwortet lassen. »Mir fehlt die 
Unbesonnenheit, die dir eigen ist, Victorio, und auch Naiche 
hat die Weisheit seines Vaters geerbt. Wir haben erkannt, das 
alles ein sinnloses Sterben geworden wäre. Unsere Flucht hat 
mit Feigheit nichts zu tun. Wir werden einen anderen Weg 
suchen, um unsere Feinde zu bezwingen.« 

Stolz wandte Tehueco sein Pferd und gab das Zeichen. Dicht 

hintereinander erklommen seine Krieger den schmalen 
Saumpfad, der an schwindelerregenden Abgründen zum 
Hochplateau führte. 

Victorio blieb keine andere Wahl, als ihm zu folgen. Naiche 

lag auf einer Felsplatte, von wo aus er einen ungehinderten 
Blick in die Schlucht hatte. Er winkte Tehueco und Victorio 
heran, die ihre abgetriebenen Gäule in den Schatten des Felsens 
führten. 

Die beiden krochen heran und blickten in die Tiefe. Etwa 

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hundert Reiter hatten sich in der Abenddämmerung gesammelt. 
Sie umstanden einen schweren Schooner, auf dem ein kräftiger 
Mexikaner, mit den Armen fuchtelnd, eine Rede hielt, ehe er 
behend herunterschwang und sein Pferd bestieg. 

Tehueco warf dem Mimbrenjo einen funkelnden Blick zu. 

Victorios kühnes Gesicht zuckte unruhig. »Es waren nur 
fünfzig«, sagte er ratlos. »Wo kommen die anderen Krieger 
her?« 

Naiche deutete nach Süden. »Von dort, Victorio«, erwiderte 

er ruhig. »Sie kamen vor einer halben Stunde. Es sind 
Gelbgesichter aus Mexiko und Verbündete der anderen 
Gruppe.« 

Victorio schwieg. In seinem Herzen brannte der Haß. Aber 

Tehueco antwortete Naiche. »Wir werden die Beute aufgeben 
und dem Roten Wolf folgen. Er ist über die Grenze geflohen 
und wird irgendwann ins Yaquiland zurückkehren. Kann ich 
mit der Hilfe Naiches und Victorios rechnen?« 

Naiche zögerte. »Cochise mag dies entscheiden.« 
»Vom großen Häuptling haben wir seit zwei Wochen nichts 

mehr gehört, Naiche«, gab Tehueco zu bedenken. 

Doch Naiche schüttelte lächelnd den Kopf. »Cochise ist in 

der Nähe. Ich spüre es.« 

Ihre Aufmerksamkeit richtete sich in die Tiefe. Männer 

schirrten in aller Eile die Zugpferde vor die Wagen. Ihre 
Anführer formierten ihre Krieger vor und hinter den 
Gespannen und zogen in die grauen Schatten, die die Nacht 
niedersenkte. 

»Sie haben es sehr eilig«, sagte Victorio nachdenklich. 
Naiche lächelte. »Ihre Eile zeigt mir, daß Cochise und der 

Falke bald kommen werden. Wir wollen warten.« 

»Und sie ziehen lassen?« fragte Victorio und spie seine 

Verachtung in den Sand. Naiche schwieg über Victorios 
unbeherrschte Geste. 

Tehueco sagte, »Du hast gehört, was Naiche vorgeschlagen 

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hat. Wir wollen auf Cochise warten.« 

Die Nacht verwischte die Konturen der Felsen und hüllte die 

Schlucht in tiefe Finsternis. Die Geräusche der ziehenden 
Wagen und das Trampeln der Pferde war längst verklungen. 

Victorio hatte sich grollend zu seinen Mimbrenjos 

zurückgezogen und beschäftigte sich mit dem Gedanken, den 
Mexikanern allein zu folgen. 

Naiche und Tehueco lagen reglos auf dem Fels und lauschten 

in die Tiefe. Einmal war ihnen, als klängen metallische Laute 
zu ihnen nach oben, doch dann wurde es wieder still. 

Weit nach Mitternacht klang der Ruf eines Bergkauzes auf. 

Dieser Ruf wiederholte sich dreimal. 

»Dein Vater«, flüsterte Tehueco heiser. Er sammelte 

trockenes Reisig in der Dunkelheit, das er am Abgrund 
entzündete. Naiche nickte stolz. Sein Gefühl hatte ihn nicht 
betrogen. 

»Ich werde in die Tiefe steigen, Kazike, und ihm berichten.« 

Wie ein Schatten verschwand Naiche in der Dunkelheit. Freude 
über ein Widersehen beflügelte seine Schritte. Er nahm die 
verknüpften Leinen und schwang behend über den Abgrund. 

Charlie Goodnight sah am Morgen die braune Staubwolke, die 
von Westen kommend in das weite Tal floß. Schweigend stand 
er auf der Terrasse und zählte die Reiter, die sich aus der 
Wolke schälten und im Galopp der Ranch entgegen sprengten. 

Sie näherten sich der äußeren Einfriedung und waren so 

nahe, daß Goodnight ihre finsteren und verbissenen Gesichter 
erkennen konnte. Sie schwenkten in den Hof. Hickok sprang 
aus dem Sattel und kam die Terrasse hoch. 

»Ihre Herde steht auf der Weide, Goodnight. Es fehlt kein 

einziges Horn.« Er nahm dankbar die Flasche entgegen, die 
Goodnight ihm reichte und nahm einen tiefen Schluck. 

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»Es war ein teurer Preis für tausend Longhorns, Goodnight. 

Es hat mich fast die halbe Mannschaft gekostet. Junges, 
texanisches Blut. Die Besten dieses Landes.« 

Der Rancher nickte verbissen. Er dachte, es waren harte 

Männer. Weiß Gott, es war die Herde nicht wert. 

»Alle tot?« 
Hickok nickte düster. 
»Und die Diebe? Habt ihr sie erwischt?« 
»Well, Goodnight. Wir haben ihr Bergnest ausgeräuchert. Es 

hat sie dreißig Desperados gekostet und ihr mexikanischer 
Anführer wird in Animas vor einem Kriegsgericht stehen. Ich 
möchte den Tag erleben, wo man den Bastard hängt. Zahlen 
Sie uns den vereinbarten Lohn aus, Goodnight. Wir wollen 
weiter.« 

»Nach Animas etwa?« 
Hickok nickte. »Dorthin und dann weiter nach Süden. Es 

werden noch einige der Viehdiebe auf der Strecke bleiben. So 
haben wir es beschlossen, denn wir sind es unseren toten 
Kameraden schuldig. Wir brauchen frische Pferde, Goodnight. 
Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn die Männer ihre 
Gäule in den Koppeln wechseln.« 

Der Rancher hob überrascht den Kopf. »Ihr wollt gleich 

weiter?« 

»So haben wir es bestimmt.« Hickok nahm die zweite 

Flasche und stampfte mit großen Schritten die Treppe hinunter. 

Charlie Goodnight eilte ins Haus. Als er zurückkehrte, 

führten die Texaner ihre lahmen Gäule zum Gatter und suchten 
frische Pferde aus der Koppel. 

Goodnight sprach eine Weile auf Wild Bill Hickok ein. Er 

versuchte ihn zum Bleiben zu bewegen, denn eine bessere 
Mannschaft, um seine Herden zu schützen, konnte er nicht 
finden. 

Aber Hickok winkte lächelnd ab. »Eine solche teure 

Mannschaft könnten Sie sich auf die Dauer nicht leisten, 

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Goodnight. Außerdem sind die Jungs nicht zum Cowpoke 
geboren. Wir sehen uns bald wieder.« Hickok nahm den Lohn 
entgegen und stampfte zur Koppel. Kurze Zeit später saß er 
bereits wieder im Sattel, hob den Arm und ritt durch das breite 
Tor aus dem Hof. 

Charlie Goodnight stand noch lange auf dem Hof und blickte 

hinter der Staubwolke her, die durch das Tal den Bergen 
entgegen zog. Er hoffte, daß es nun mit seiner Ranch wieder 
aufwärts ging. 

Aber es war ein teuer erkaufter Friede. 

Etwa zur gleichen Zeit standen John Haggerty und Cochise im 
Kreis der Apachenkrieger. John lauschte Tehuecos 
ausschweifenden Worten, die vom verlorenen Kampf gegen 
Bleich- und Gelbgesichter berichteten, und zählte die jungen 
Apachenkrieger. Yaquis, Mimbrenjos und Chiricahuas waren 
insgesamt vierzig Krieger und nach Tehuecos Bericht mußte 
die Kampfstärke ihrer Gegner bei über hundert Kämpfern 
liegen. Er wußte nun auch, daß Don Rodriges sich mit seiner 
Armee vereint hatte und mit dem Waffentransport auf dem 
Weg nach Mexiko war. 

Unerreichbar, wie es schien, denn Tehueco war entschlossen, 

sein eigentliches Ziel, die Bestrafung des Roten Wolfes, 
anzugehen, auf dessen Fährte sich sein Späher bewegte. 

Haggerty suchte verzweifelt einen Weg, Tehueco 

umzustimmen, denn selbst hundert bewaffnete Reiter konnten 
ihn nicht vom Versuch abhalten, die kampfstarken Waffen, die 
Don Rodriges der Rebellenarmee Juárez zuführte, dem 
Banditen wieder abzujagen. 

Überraschend kam ihm der Mimbrenjowolf zu Hilfe, denn 

Victorio hatte längst die kostbare Fracht erkannt, die die 
Rebellen mitführten. Er witterte fette Beute. 

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»Tehueco spricht im Zorn wie eine dumme Krähe. Roter 

Wolf wird seinem Schicksal niemals entgehen. Er ist ein 
streunender Wolf und hat keine Zukunft. Irgendwann wird er 
von einem Apachenpfeil zu Fall gebracht. Den Tag bestimmen 
die Götter. Wir haben aber die Möglichkeit, unsere primitiven 
Streitkräfte und Lanzen gegen schnellfeuernde Gewehre 
einzutauschen. Willst du diese Gelegenheit auslassen, 
Kazike?« rief Victorio verärgert. 

Tehueco schwieg verbissen, denn er dachte daran, wie 

gefährlich und stark ihre Gegner waren. 

Victorios Augen blitzten. Seine Stimme schwoll an wie 

Donnerhall, als er fortfuhr: »Denke an die vielen Skalps, die 
wir erbeuten werden, und die Möglichkeit, die uns die 
schnellen Gewehre bieten. Yaquis, Mimbrenjos und 
Chiricahuas werden zu starken Stämmen, die keinen Gegner zu 
fürchten brauchen. Oder ist es die Angst, die dich zurückhält, 
Tehueco?« 

Tehueco hob stolz den Kopf in den Nacken. »Kein Apache 

fürchtet den Tod, Mimbrenjo. Du weißt es, wie ich es weiß. 
Was sollen deine beleidigenden Worte?« 

»Dann steige auf den Hügel und suche Rat bei den Göttern, 

Tehueco. Wenn sie dir die Antwort geben, magst du dich 
entscheiden«, riet Victorio. 

Tehueco erhob sich. Er blickte zu den hohen Felsen, die den 

südlichen Ausgang des Tales verschlossen. Er dachte, daß der 
Rote Wolf und sein Rudel nach Süden geflohen waren. 
Vielleicht würde er ihn in der Nähe der Mexikanos finden. Und 
auch ein bißchen Neid kam bei dem Gedanken, daß Victorio 
eines der schnellen Donnergewehre besitzen sollte, während er 
noch Streitaxt und Lanze trug. 

»Ich werde deinen Rat befolgen.« Tehueco schwang sich auf 

sein Pferd und ritt allein in die Berge. 

John Haggerty, den Victorios Gedanken erschreckten, 

wandte sich an Cochise, der der Auseinandersetzung mit 

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wachsamer Schweigsamkeit gefolgt war. 

»Victorio verrennt sich in einen dummen Gedanken, Jefe. 

Die Winchestergewehre sind für die US-Army bestimmt. Kein 
Apache darf sie bekommen. Du hast einen Vertrag mit dem 
einarmigen General, Cochise, in dem du dich verpflichtet hast, 
Armee und ihr Eigentum unangetastet zu lassen. Du hast es mit 
deinem Zeichen besiegelt.« 

Cochise lächelte weise, als sein Blick Tehueco folgte, der im 

schnellen Galopp die Schlucht entlang sprengte, um sich Rat 
bei den Göttern zu holen. 

»Die Zeit wird für dich sprechen, Falke. Noch sind wir nicht 

am Ziel.« 

Johns Blick streifte Victorio, der zu seinen Kriegern getreten 

war. 

Victorio war ein wilder Wolf, der stets auf der Jagd nach 

Beute und Skalps war. Ein nicht zu unterschätzender Gegner. 
Von ihm waren Schwierigkeiten zu erwarten. Er nickte. »Du 
hast Recht, Häuptling. Noch sind wir nicht am Ziel.« 

ENDE