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Dan Roberts 

… bis zum bitteren Ende 

Apache Cochise 

Band Nr. 7 

Version 1.0 

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Prolog 

Als die weißen Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunderts den 
Südwesten der USA zu besiedeln begannen, stießen sie auf ein 
indianisches Volk, das bereits die Spanier und Mexikaner hatte 
teuer dafür bezahlen lassen, daß sie unbefugt in ihre 
Jagdgründe eingedrungen waren.
 

Die etwa ein Dutzend umfassenden Apachen-Gruppen und 

Großsippen, am gefürchtetsten die Chiricahua-Apachen, 
widersetzten sich der Niederwerfung durch die Weißen mit 
allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.
 

Sie überfielen zunächst Postkutschen, Frachtwagenzüge, 

Armeepatrouillen, Farmen, abseits gelegene Ranches und 
kehrten anschließend wieder zu ihren Stützpunkten in den 
Bergen zurück, den sogenannten »Apacherias«, die bei den 
Weißen der damaligen Zeit als uneinnehmbar galten.
 

Der Widerstand flammte zum blutigsten und grausamsten 

Grenzkrieg der Indianergeschichte auf, als Cochise von 
Mangas Colorados die Führung der Stämme übernahm.
 

Cochises Weitblick ließ ihn letztlich erkennen, daß der 

Untergang der roten Rasse eine von den Weißen beschlossene 
Sache war, die Anspruch erhoben auf alles Land zwischen den 
Dragoon Mountains im Südosten, dem Mogollon-Rim im 
Westen und der Gran Desierto im Süden.
 

Cochises Chiricahuas, die Kerntruppe seiner Streitmacht, 

blieb im Angesicht der unaufhaltsamen Flut weißer Siedler, 
Goldgräber und Desperados nur noch eine Devise: Raube, 
ohne erwischt zu werden, töte, ohne getötet zu werden. Ein 
Kampf ohne Erbarmen entflammte in den Canyons, Tälern und 
Wüsten. Ein Kampf, dessen Schilderung in dieser Serie nicht 
die ganze Brutalität wiedergeben kann, wie sie uns die 
Geschichte überliefert hat.
 

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1871 gelang es Cochise, die meisten Stämme der Apachen zu 

einer einzigen Widerstandsfront gegen die Eindringlinge aus 
Nord und Süd, Weiße und Mexikaner, zu vereinen. Die 
blutigsten Massaker auf beiden Seiten waren die Folge.
 

Auf ihren flinken Ponys überfielen die Krieger in kleinen 

Gruppen Wagenzüge und Posthaltereien im Norden, um am 
nächsten Tag schon Farmer und Goldgräber im Süden oder 
eine Patrouille der Army im Westen anzugreifen.
 

Militär und Siedler waren macht- und hilflos und ohne eine 

Möglichkeit gezielten Widerstandes den ständigen 
Apachenangriffen ausgesetzt.
 

Wenn 1870 General Sherman nach Washington schrieb: 

»Wir führten einen Krieg gegen Mexiko, um Arizona zu 
bekommen, wir sollten jetzt einen Krieg führen, um dieses Land 
wieder loszuwerden«, so kennzeichnen diese Worte die 
verzweifelte Hilflosigkeit des Militärs.
 

Diese nach authentischen Überlieferungen verfaßte Serie soll 

dem größten aller indianischen Führer ein Denkmal setzen: 
Cochise.
 

Dem Wirken dieses Mannes und seinem Weitblick für 

politische Veränderungen ist es zu verdanken, daß diese Story 
mit ihrer ganzen Dramatik wahrheitsnah niedergeschrieben 
werden kann.
 

Unsere Autoren fühlen sich verpflichtet, neben der 

Herausstellung der abenteuerlichen Charaktere, die in jener 
Zeit Geschichte machten, auch der historischen Wahrheit die 
Ehre zu geben.
 

Nichts soll verschwiegen, nichts hinzugefügt oder entstellt 

werden. 

Ihr Martin Kelter Verlag 

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*** 

Die Schatten im Felsenlabyrinth wirkten grau, verwaschen. Ein 
schwacher Streifen Helligkeit kroch im Osten über den 
Horizont. Aber hier, inmitten der steil aufragenden Steinsäulen, 
blieb es noch lange dunkel. Erst beim höchsten Stand der 
Sonne wich das Zwielicht. 

Es roch nach Wasser, frischen Kräutern und gutem Gras. 
Dies war ein geschützter Ort, eine Zuflucht, die nur den 

Apachen bekannt war. Noch kein Weißer oder Mexikaner hatte 
diesen Platz gefunden. 

Ein leises Schaben war zu hören. Aus dem Halbdunkel trat 

ein Hirsch. Er drehte den Kopf, witterte in alle Richtungen, 
aber kein Windhauch trug ihm den Geruch von Gefahr 
entgegen. 

Zögernd ging das Tier auf die Wasserstelle zu. Immer wieder 

verharrte es, schnupperte und schien zu fühlen, daß es nicht 
allein war. 

Der Durst war stärker als die Mahnungen des Instinkts. Als 

der Hirsch den schlanken Hals beugte, um aus der flachen, 
ausgewaschenen Bodenpfanne zu trinken, da geschah es. 

Der Hirsch zuckte hoch, setzte zu einem gewaltigen Sprung 

an, aber es war zu spät. 

Der Pfeil drang zwei Handbreit hinter dem linken Vorderlauf 

in das Fell und traf das Herz. 

Drei Yards neben der Wasserstelle sank der Hirsch zu 

Boden. 

Eine bronzehäutige Gestalt löste sich aus den Schatten der 

zerklüfteten Felsen. Der Krieger schritt auf seine Beute zu. 
Lange blickte er das Tier an, das dicht an seinem Versteck 
vorbeigelaufen war. 

Der Apache bückte sich. Gewaltige Muskeln spielten unter 

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seiner Haut, als er die Beute aufhob und über die Schulter 
wuchtete. Eine Sekunde schwankte er unter der Last, beugte 
sich etwas vor und verteilte das Gewicht besser, bevor er 
losging. 

Sein Lager befand sich weiter südöstlich. Eine 

ungeschriebenes Gesetz der Apachen befahl ihnen, niemals in 
der Nähe des kostbaren Wassers zu lagern. Denn die Orte, an 
denen das lebenswichtige Naß zu finden war, sollten geheim 
bleiben. 

Es war nicht auszudenken was geschah, wenn Weiße, 

Mexikaner oder andere Feinde Kenntnis von den zahlreichen 
Wasserlöchern bekamen. Sie haßten die Apachen, die doch nur 
ihre Heimat, ihre Art zu leben, verteidigten. Die Weißen hätten 
sich nicht gescheut, Wasserstellen zu vergiften oder mit 
Sprengstoff zu vernichten. 

Der Krieger war vorsichtig, als er zum Lager seiner Familie 

zurückging. Er wartete lange, bis er sich aus der Deckung einer 
Geröllbarriere löste und auf seine Squaw und die beiden 
Männer zuging. 

Stolz wallte in dem Apachen auf, wenn er an die Kinder 

dachte. Sie waren zwölf und dreizehn Sommer alt. Es dauerte 
nicht mehr lange, bis sie als vollwertige Krieger galten. Darum 
streiften sie auch mit ihrem Vater und der Mutter allein durch 
das wilde, karge Land. Sie sollten Erfahrung sammeln, zeigen, 
was sie gelernt hatten. 

Mißtrauisch suchte der Apache mit seinen Blicken die 

Umgebung des langgestreckten Tales ab. Drei Möglichkeiten 
gab es, diesen Ort zu erreichen oder zu verlassen. 

Nun erschien es dem Krieger als Fehler, hier gelagert zu 

haben. Es war richtig, daß mehrere Fluchtwege Leben retten 
konnten. Aber genausogut gaben diese Wege den Feinden 
bessere Möglichkeiten für einen Angriff. 

Als der Indianer auf die Feuerstelle zuging, hörte er das 

Surren des Feuerbohrers. Die Squaw bewegte den kleinen 

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Bogen, in dessen Sehne ein Holzstab stak, geschickt und 
schnell. Das Holz drehte sich in einem weicheren Stück, dessen 
Fasern bereits glommen. Sofort schob die Indianerin trockenes 
Moos heran, und eine Sekunde später loderte eine kleine 
Flamme auf. 

Die beiden Söhne halfen ihrem Vater, den Hirsch abzuladen. 

Sie achteten darauf, daß der Kopf nach Osten wies, als das Tier 
auf dem Boden lag. Denn aus dem Osten kam jeden Tag die 
lebensspendende Sonne. Sie brachte weiteres Wild mit, das aus 
der heiligen Richtung in das Land der Apachen kam. 

Der Krieger setzte das Stahlmesser an, das er irgendwann 

erbeutet hatte. Es dauerte nicht lange, bis der Hirsch aus der 
Decke geschlagen war. 

»Nahrung für viele Tage«, sagte der jüngste Sohn lächelnd, 

als er half, den Leib des Tieres aufzubrechen. 

»Bleiben wir hier?« fragte der andere Sohn. »Wasser ist in 

der Nähe, das kleine Tal liegt ruhig und verlassen, und wir sind 
sicher.« 

»Nein«, antwortete ihr Vater, »wir ziehen weiter, wenn wir 

den Hirsch zerlegt haben. Bleibe nie an dem Ort, wo du deine 
Beute geschlagen hast. Das ist ein Gesetz.« 

»Warum?« fragte der jüngere Sohn. 
»Du wirst träge«, bekam er zur Antwort. »Du beschäftigst 

dich mit gutem Essen und achtest nicht genügend auf deine 
Umgebung. Du wirst unvorsichtig und lockst Fremde, Feinde 
an.« 

Das Feuer brannte rauchlos. Aber der Duft gebratenen 

Hirschfleisches zog langsam nach oben. Besorgt blickte der 
Krieger zu den Felsen hinauf. Dort oben mündete ein schmaler 
Weg, der von Süden kam. Spuren wiesen darauf hin, daß 
beschlagene Pferde diesen Weg benutzt hatten. 

Der nomadisierende Apache war mit den Gefahren der 

Wildnis vertraut. Er achtete auf die Mahnungen und 
Warnungen seines Instinkts, der ihm in diesem Moment Gefahr 

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signalisierte. 

»Sa-re-na, nimm deinen Bogen«, sagte der Indianer. »Dort 

links, auf halber Höhe, wartest du.« 

Der Blick des Jungen folgte dem ausgestreckten Arm seines 

Vaters. Der ältere Sohn sprang auf, nahm seine Waffen und lief 
auf die Felswand zu. 

Der andere Junge sollte beim Feuer bleiben. 
»Halte dich bereit«, mahnte sein Vater, ehe er wie ein 

Schatten lautlos davonglitt. 

Er lief zur Mündung des Felsenweges, kletterte gewandt und 

lautlos hinauf und kauerte sich hinter ein abgebrochenes 
Felsenstück. 

Aber es war zu spät für ihn. 
Ein blitzender Lichtreflex erregte die Aufmerksamkeit des 

Kriegers. Unendlich langsam bog er den Oberkörper so weit 
zurück, daß er die Kante des Gesteinsmassivs dort oben sehen 
konnte. 

Abermals blinkte etwas auf. Zögernd legte der Krieger einen 

Pfeil auf die Sehne, spannte den Bogen und zielte schräg 
hinauf. 

Das Aufblitzen verschwand. Der Apache wußte nicht, daß er 

die Linsen eines Fernrohres gesehen hatte, in denen sich das 
Licht brach. 

Ein menschlicher Oberkörper schob sich vor. Deutlich 

erkannte der Indianer das Gewehr in den Händen des Mannes. 

Die Sehne schnalzte, und der Pfeil schwirrte nach oben. Aber 

der Weiße zuckte blitzschnell zurück. Harmlos prallte das 
Geschoß gegen die Felsen, bevor es zerbrochen runterfiel. 

Orangerot blühte es dort oben auf. Der peitschende Knall der 

Schußdetonation hallte im Tal wider. 

Der Krieger fühlte einen harten Schlag gegen seine Brust, 

den unsagbaren Schmerz und brach zusammen. 

Er war tot. 
Sein ältester Sohn jagte Pfeil auf Pfeil zu dem Mordschützen 

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hoch. Doch auch Sa-re-na starb durch die Kugel eines der 
Weißen. Der Junge fiel aus dem Felsenversteck auf den 
Talboden hinab. 

Sein Bruder schnellte zur Seite. Und die Squaw riß unter 

einem Deckenbündel einen erbeuteten Colt heraus, eilte davon. 

Aber sie hatten nicht den Hauch einer Chance. 
Drei, vier Gewehre entluden sich fast gleichzeitig. Ein 

wahrer Bleihagel ging auf die beiden letzten Menschen im 
kleinen Tal nieder. 

Sie starben, ehe sie auch nur eine halbwegs sichere Deckung 

erreichten. 

Lange Zeit blieb es still. Nichts rührte sich, weder im Tal 

noch oben an den Hängen. 

Die Angreifer brachten Geduld auf. Sie warteten ab, ob sich 

noch weitere Apachen zeigten. Erst nach etwa einer Stunde 
ließen sie ihre Pferde angehen, deren Hufeisen den felsigen 
Grund schrammten. 

Hintereinander ritten sechs Männer den schmalen Pfad hinab. 

Sie hielten ihre modernen Gewehre schußbereit mit dem 
Kolben auf den Oberschenkeln aufgestützt. 

Keiner der Mörder achtete noch auf die Umgebung. Sie 

waren sicher, allein zu sein. 

Aber das Zwielicht verbarg eine Gestalt. Noch war sie zu 

weit entfernt, doch lange dauerte es nicht mehr, bis der einsame 
Reiter auf der anderen Seite des Tales sein Pferd zügelte. 

»Na, das ist ja prima«, sagte einer der sechs Reiter. »Nehmen 

wir die Skalps? Wenn wir zurück nach Mexiko reiten, gibt es 
'ne saftige Belohnung.« 

Aber der Anführer der kleinen Truppe schüttelte den Kopf, 

ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Er fühlte sich nicht 
wohl in seiner Haut. Diese halbdunkle Umgebung wirkte 
unheimlich. 

»Laß es sein«, sagte der Anführer, ein untersetzter Typ. »Wir 

verdienen genug mit unserer Ladung. Haben wir die Gewehre 

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erst in Mexiko verkauft, geht es uns allen gut.« 

Einer der anderen Kerls lachte heiser auf und sagte: »Aber 

noch haben wir die Waffen nicht. Jetzt schleppen wir eine 
Menge Goldpesos mit uns herum.« 

»Wir bekommen schon, was wir brauchen«, entgegnete der 

Anführer. »Wichtig ist erst mal, daß wir ungeschoren 
durchkommen.« 

»Nehmen wir den gleichen Weg zurück?« fragte ein anderer. 

»Ich halte es für zu gefährlich. Wenn die Apachen die Toten 
hier finden, bauen sie eine Falle für uns auf.« 

Nachdenklich musterte der Anführer das kleine Tal. 

Schließlich winkte er ab und antwortete: 

»Nein, wir benutzen einen anderen Weg, Amigo. Du hast 

recht. Sie finden diese Stinker sicherlich. Und dann drehen 
sämtliche Krieger durch. Also los, weiter! Und rührt die Toten 
nicht an. Vielleicht verschafft uns das einen Vorsprung. 
Möglicherweise ist die Wut der anderen nicht ganz so groß, 
wenn ihre Brüder noch die Skalps besitzen.« 

Ohne noch einen Blick zurückzuwerfen, gab der Anführer 

seinem Pferd die Zügel frei. In langer Reihe durchquerten die 
sechs Mexikaner, die wie amerikanische Westmänner gekleidet 
waren, das Tal und verschwanden auf der anderen Seite 
zwischen dem zerklüfteten Felsgebiet. 

Keiner der sechs sah sich um. 
Keiner von ihnen ahnte, daß sie ohne Chance waren. 
Die Verfolger sollten schon in wenigen Stunden auf ihrer 

Fährte reiten. 

Der schlanke, mittelgroße Krieger lag nur sechs Yards von den 
mexikanischen Banditen entfernt, als sie an ihm vorbeiritten. 
Das Pferd des Indianers stand hinter einer steil aufragenden 
Klippe. 

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Vorsichtig hob der Apache den Kopf. Die schwarzen Augen 

funkelten. Dieser Blick drückte einen unbändigen Zorn aus, der 
nach dem Tod für die sechs Männer schrie, die sinnlos eine 
Apachenfamilie niedergemetzelt hatten. 

Lange verharrte der Indianer. Erst als der Hufschlag der 

sechs Pferde nicht mehr zu vernehmen war, stand der 
bronzehäutige Mann geschmeidig auf. Prüfend sog er die Luft 
ein. Es roch nach Tod und Blut, nach verkohlendem Fleisch 
und Holzrauch. 

Der Apache stieß einen kehligen Ruf aus. Sein Mustang 

trabte hinter der Felsnadel hervor und begrüßte seinen Herrn 
mit einem Schnauben. 

Die Sonne stand inzwischen so hoch, daß ihr greller Schein 

die Hälfte des kleinen Tales in gleißendes Licht tauchte. 

Auf dem Mustang ritt der Chiricahua in das Valley zu den 

Toten. 

Der Krieger, der reglos auf halber Höhe des Hanges lag, war 

ein Vetter des untersetzten Apachen. Er wollte die Familie 
besuchen, seinem Vetter mit Rat und Tat zur Seite stehen, 
wenn er den Jungen die letzten Tricks beibrachte. 

Denn das war der Sinn des Zuges gewesen: den beiden 

Jungen beizubringen, was ein Apache im kargen, wüstenhaften 
Land zum Überleben wissen mußte. 

Nachdem der Chiricahua das Feuer erstickt und das 

Hirschfleisch zur Seite geschafft hatte, kauerte er sich mit dem 
Gesicht nach Osten hin und begann mit dem Sterbegesang für 
seine Verwandten. 

Der dumpfe, monotone Singsang hallte durch das ganze Tal. 

Als das Ritual beendet war, erhob sich der Indianer, breitete die 
Arme zur Sonne hin aus und sagte laut: »Oh, großer Geist, 
schenke mir Kraft für meinen Weg, den ich jetzt beginne. 
Diese unsere Brüder und Schwestern sind tot. Sie leben in den 
Ewigen Jagdgründen, sind in deiner Obhut. Aber ihre Mörder 
sollen ihre Tat nicht ungestraft begangen haben. Die 

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Chiricahuas werden der Fährte folgen und die Mörder 
vernichten. Weder Bleichgesichter noch die Olivhäutigen aus 
dem Süden dürfen es wagen, Krieger, Kinder oder Squaws des 
Stammes zu töten. Ich bitte für meinen Vetter, seine Söhne und 
seine Frau. Nimm sie auf, obwohl sie nicht mehr kämpfen 
konnten. Sie sind tapfer gestorben.« 

Noch einmal betrachtete der Krieger die Toten, das dürftige 

Lager, das nur die notwendigste Ausrüstung enthielt, und 
schwang sich auf den Rücken seines Mustangs. 

Wenig später lag das Tal hinter dem Krieger. Er verschwand 

im Gewirr der Felsen und kleinen Canyons, die noch kein 
Weißer erforscht hatte. 

Unermüdlich stampften die Beine des Mustangs. Er war ein 

zähes, ausdauerndes Pferd, das große Strecken zurücklegte, 
ohne zu ermüden. 

Die Sonne hatte ihren höchsten Stand schon überschritten, 

als der Reiter einen gellenden Ruf ausstieß. Der Apache lenkte 
sein Tier auf ein undurchdringlich wirkendes Felsgewirr zu. 

Hinter brüchigen Steinsäulen traten die Wächter hervor. In 

den Armbeugen hielten sie moderne Gewehre, die Beute aus 
einem der Kriegszüge. 

»Ist der Jefe da?« fragte der Krieger heiser, denn der Staub 

brannte in seiner Kehle. 

»Cochise ist in seinem Jacale«, lautete die Antwort. 
Das Jacale war die Behausung der Apachen. Die Weißen 

nannten es Wickiup. Es bestand aus miteinander verflochteten 
Zweigen und Ästen, über die Gras- und Laubmatten gebreitet 
waren. Zog der Stamm weiter, blieben die Behausungen 
zurück. 

Naiche, Cochises Sohn, kam aus der Hütte, als der Krieger 

seinen Mustang davor zügelte. 

Der Sohn des großen Chiricahua-Führers sah dem Gast an, 

daß er schlechte Kunde brachte. Naiche gab den Weg ins 
Innere der Hütte frei. 

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Cochise saß mit untergeschlagenen Beinen hinter der 

Feuerstelle. Der Chief der Chiricahuas war groß, selbst wenn er 
saß. Er maß mehr als sechs Fuß, war also wesentlich größer als 
die meisten Apachen. Die breite Brust war muskulös, und die 
Adlernase ragte aus dem markanten Gesicht. 

»Jefe«, meldete der Krieger, »ich bringe Nachricht von Mord 

und Tod.« 

Naiche trat hinter dem Krieger ein und ging zur Seite. 

Cochise hob die Brauen. 

»So sprich, Saran-tanka«, sagte der Chief. 
»Mein Vetter und seine beiden Söhne und seine Squaw 

lagerten im Tal der Stillen Winde«, begann Saran-tanka. 

Cochise machte eine auffordernde Handbewegung. »Ich 

weiß. Die beiden Söhne sollen tapfere Krieger werden. Und 
Sternenglanz ist eine Squaw, die sich jeder Krieger des 
Stammes als Mutter seiner Söhne gewünscht hat.« 

Saran-tanka holte tief Luft. Seine Stimme klang belegt, als er 

sagte: »Sie wird nie wieder Söhnen das Leben schenken. Sie ist 
tot, Cochise. Die beiden Söhne sind tot, und auch mein Vetter 
reitet auf dem goldenen Mustang durch die Ewigen 
Jagdgründe. Ich habe den Sterbegesang gesungen, wie es Sitte 
ist.« 

»Und die Mörder?« fragte Cochise voller Grimm. 
»Es waren sechs. Sie besaßen Pferde mit beschlagenen 

Hufen. Die Männer kamen von Süden. Sie feuerten sofort, als 
sie unsere Freunde sahen.« 

»Du hast sie verfolgt?« wollte Naiche wissen. 
Saran-tanka schüttelte den Kopf und antwortete: »Nein, aber 

ich schwor, sie alle zu töten. Doch zuvor müssen mein Vetter, 
Sternenglanz und ihre beiden Söhne der Sitte gemäß bestattet 
sein. Ich schwöre bei meinem Leben, daß die Mörder nicht 
entkommen werden.« 

Cochise wirkte plötzlich gedankenverloren. Durch den 

Eingang des Jacale blickte der Chief weit über das zerklüftete 

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Land seiner Apacheria. Diese Felsenfestung in den Dragoon 
Mountains war uneinnehmbar. Hier wuchs gutes Gras, 
wucherten fette Kräuter, und hier gab es Wasser. Es war die 
ideale Zuflucht für die Krieger nach ihren Raubzügen, die sie 
manchmal bis tief nach Mexiko führten. 

Saran-tanka war der einzige männliche Verwandte der Toten. 

Seine Aufgabe war es, die Trauerzeremonie zu vollführen. 
Aber bis sie beendet war, wurde die Spur der Mörder kalt. 

Und das durfte nicht sein. 
Cochise stand auf. Er musterte Saran-tanka und sagte: 

»Deine Aufgabe ist es, deinen Verwandten die letzte Ehre zu 
erweisen. Naiche und ich folgen den Mördern. So wahr ich 
Cochise und Jefe der Chiricahuas bin: sie werden sterben. Ich 
habe gesprochen.« 

Naiche betrachtete seinen Vater. Er kannte die 

Entschlossenheit, die sich in dessen Blick widerspiegelte. 
Cochises Züge wirkten hart und verbittert zugleich. Und es 
beherrschte ihn nur ein Gedanke: Rache den Mördern! 

Naiche nickte und glitt aus dem Jacale. Wenig später führte 

er zwei Pferde vor die Hütte. Auf den Tieren lagen 
Satteldecken, und sie waren mit allem ausgerüstet. 

Cochise nahm sein Gewehr, prüfte, ob das Messer am Gürtel 

hing, und verließ ebenfalls den Wickiup. Der Chief sah sich die 
Ausrüstung an. Alles war so, wie es sein sollte. Auch Naiche 
hatte ein modernes Gewehr bei sich. Dazu führte er die alten, 
erprobten Waffen der Apachen mit sich. Schleuder, 
Kampfkeule, Bogen und Pfeile. 

Saran-tanka beugte achtungsvoll den Kopf, als der Häuptling 

und sein Sohn aufsaßen. 

Sekunden später trabten die beiden Mustangs auf den engen 

Weg zu, der den einzigen Zugang zur Apacheria bildete. 

Als der schlauchartige Teil hinter den Indianern lag, gaben 

sie ihren Pferden die geflochtenen Zügel frei. Im Galopp jagten 
sie nach Süden auf das Tal der Stillen Winde zu. 

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Niemand begegnete Cochise und Naiche unterwegs. Der 

Sohn überlegte, daß sein Vater Saran-tankas Verpflichtung zu 
seiner eigenen gemacht hatte. Das war kluge Stammespolitik. 
Denn wenn der Jefe voranging, wenn er nicht duldete, daß 
Fremde eine Apachenfamilie umbrachten, so wuchs sein 
Ansehen bei den Kriegern ins Unermeßliche. 

Außerdem war es sinnlos, alle erwachsenen Indianer 

aufzubieten, um die Mordbanditen zu verfolgen. Denn das 
führte zu einem neuen Krieg mit den Weißen. Und Cochise 
hatte dem einarmigen General Howard von Fort Buchanan sein 
Wort gegeben, während der nächsten sechs Monate Frieden zu 
halten. 

Natürlich besaßen die anderen Häuptlinge, die Jefes der 

Tontos und Mimbrenjos, noch genügend Möglichkeiten, diese 
Vereinbarung zu umgehen. Aber Cochise hielt sich streng 
daran. Seine Chiricahuas führten zwar Kriegszüge nach 
Mexiko durch, aber die Bleichgesichter ließen sie in Ruhe. 

Naiche dachte für ein paar Minuten über Thomas Jeffords 

nach. Der Postmeister der Butterfield Overland Line war 
Cochises Freund gewesen. Aber bei den elftägigen 
Verhandlungen mit General Oliver Howard und dem Jefe hatte 
Jeffords nach Abschluß der Unterredung die Forderung 
gestellt, die Apachen sollten die Kutschen und Passagiere der 
Postlinie in Ruhe lassen. 

Aber Cochise war nicht bereit gewesen, noch weiter 

nachzugeben. Der Streit hatte sich derart zugespitzt, daß der 
Jefe mit dem Messer auf Jeffords losgegangen war. 

Nur John Haggerty, dem Blutsbruder Cochises, hatte es der 

Postmeister zu verdanken, daß er noch lebte. Der Scout 
Haggerty hatte sich zwischen die beiden geworfen und den 
tödlichen Stich mit seinem Oberarm abgefangen. 

Trotz dieses Streites hielt sich Cochise an die Vereinbarung 

mit dem General. 

Naiche und sein Vater erreichten die Wasserstelle, an deren 

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Ufer der Krieger den Hirsch erwartet hatte. Die Spuren waren 
eindeutig. Das Auge eines Weißen hätte nichts entdeckt, aber 
für die beiden Chiricahuas lag die Fährte wie ein 
aufgeschlagenes Buch vor ihnen. 

Als sie ihre Pferde im Tal des Stillen Windes zügelten, 

wirkte Cochises Gesicht wie aus Stein gemeißelt. Sogleich 
machten sich Vater und Sohn an die Arbeit. Sie legten die 
leblosen Körper behutsam auf Decken, die sie zunähten. Den 
Leib des Kriegers bargen sie im Hirschfell, in der letzten Beute 
des Apachen. 

Anschließend trugen Cochise und sein Sohn die Bündel in 

eine Felsspalte, die sie mit Steinen verschlossen, daß sich 
weder Raubwild noch Aasfresser an den Toten vergreifen 
konnten. 

»Es ist getan, Sohn«, sagte der Jefe ernst. »Aber die Tat wird 

den Mördern auf gleiche Weise vergolten. Das schwöre ich.« 

Naiche trieb seinen Mustang an. Das Tier ging nach Norden, 

zum Ausgang des kleinen Canyons. Als der Häuptlingssohn die 
Fährten entdeckt hatte, winkte er seinem Vater. 

Cochise kam angeritten, beugte sich seitlich vor und prägte 

sich die unterschiedlichen Hufabdrücke ein. 

»Sieh hier«, sagte er zu seinem Sohn, »dieses Hufeisen ist 

gespalten wie der Zeh eines Bisamschweines. Und dort ist das 
Zeichen eine Nadel, ein scharfer Einschnitt im Metall. Naiche, 
wir werden die Mörder stellen und töten.« 

»Was mag die Männer hergeführt haben?« fragte Cochises 

Sohn nachdenklich. »Sicher bedeutet es nichts Gutes, wenn 
sechs Bleichgesichter oder Mexikaner heimlich die Grenze 
überschreiten.« 

»Denk nicht darüber nach«, riet der Jefe. »Wir fragen sie, 

wenn wir sie haben. Aber ich weiß, daß Mexikaner einen 
Aufstand planen. Sie brauchen Waffen, gute Gewehre und 
Revolver. Vielleicht sind die sechs Mörder Schmuggler, die 
unerkannt bleiben wollen.« 

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Naiche sagte nichts mehr. Er trieb sein Pferd an und folgte 

der deutlich sichtbaren Spur. Einem weißen Mann wäre sie 
wohl nicht aufgefallen. Aber für einen Apachen bedeutete 
schon andersfarbiger Staub einen Hinweis. Denn dort war vor 
nicht allzu langer Zeit von einem Pferdehuf oder Menschenfuß 
Sand aufgewirbelt worden und hatte sich wieder am Boden 
abgesetzt. 

»Es wird eine lange Jagd«, sagte Cochise nach einer Weile 

und blickte nach Norden. »Ich weiß es, mein Sohn. Aber ich 
weiß auch; daß wir Erfolg haben werden.« 

Naiche sagte nachdenklich: »Wenn es überhaupt Mexikaner 

sind! Wir wissen doch, daß noch immer hundert Pesos für den 
Skalp eines Kriegers, fünfzig für den einer Frau und 
fünfundzwanzig für das Haar eines Kindes gezahlt werden. 
Vater, glaubst du, daß Mexikaner sich dieses Geld entgehen 
lassen?« 

Cochise lächelte seltsam, bevor er antwortete: »Es kann eine 

List sein. Nehmen sie die Skalps nicht, werden wir unsicher, so 
wie du jetzt. Nehmen sie die Skalps, halten wir sie für 
Mexikaner und riegeln mit unseren Kriegern die unsichtbare 
Grenze ab. Jede Gruppe von sechs Reitern wird mir dann 
gemeldet. Rechne dir selbst aus, wie ein schlauer Mann 
handeln würde.« 

Naiche sah seinen Vater verblüfft an. 
»Du hast recht«, sagte der junge Mann, der fast das genaue 

Ebenbild des großen Häuptlings war. »Es sind Mexikaner, 
nehmen aber die Skalps nicht. Sie hoffen, daß sie es dann nicht 
mit dem ganzen Stamm, sondern nur mit einem Rächer zu tun 
haben. Und mit einem oder zwei Apachen wollen die Mörder 
schon fertig werden.« 

Cochise nickte zufrieden. Sein Sohn hatte begriffen. 
Aber die Gelbhäutigen begriffen nicht. Sie rechneten nicht 

damit, daß sie einen Apachen erst dann sahen, wenn er vor 
ihnen emporschnellte. Die Krieger hatten sich dem kargen 

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Land, der Halbwüste und den vegetationslosen Gebirgen 
angepaßt. Apachen waren Meister der Tarnung und im Legen 
von Hinterhalten. 

Aber das sollten die sechs Mordwölfe noch erfahren. Denn 

zwei erbarmungslose Rächer folgten ihrer Fährte. 

»Wo will der Boß denn jetzt hin?« fragte Norbert Walker und 
blickte verblüfft hinter Thomas Jeffords her, der aus dem 
großen Stationsraum gerannt kam. »Das Essen ist doch bald 
fertig.« 

Walter konnte sich nicht vorstellen, was den Postmeister auf 

die Beine gebracht hatte. 

Aus dem großen Topf auf der eisernen Herdplatte duftete es 

nach Schmorfleisch. In der Pfanne brutzelten Rühreier, und der 
Kaffee blubberte in der zerbeulten Blechkanne vor sich hin. 

Als Norbert den Hufschlag hörte, ging er ebenfalls zur Tür. 

Er sah, wie Jeffords aufsaß und fragte: »He, Boß, was hat dich 
denn gebissen? Wir können gleich essen. Ich wette, so ein 
feines Futter hast du in den letzten Tagen nicht bekommen.« 

Jeffords verzog das Gesicht. 
»Es geht nicht um deine Kochkünste«, gab der Postmeister 

zurück. »Aber mir steht Schmorfleisch bis über den 
Kragenknopf. Ich reite jetzt los und schieße uns was 
Vernünftiges.« 

Besorgt ging Walker bis dicht an die Schimmelstute heran. 

Er achtete nicht auf den tückischen Blick des Pferdes, sondern 
fuchtelte mit der Blechkelle in der Luft umher. 

»Du bist verrückt, vollkommen übergeschnappt«, tönte 

Walker. 

Seine knorrige Figur schien sich zu spannen, geschmeidig zu 

werden. 

»Du kommst doch keine zwei Meilen weit, Boß. Die 

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Apachen sind ganz wild auf deinen Skalp, seit du mit Cochise 
Streit anfingst. Vielleicht erwischt du wirklich einen Hirsch 
oder so was. Vielleicht kommst du auch noch ein paar Meilen 
weit zurück. Aber dann schlagen die Chiricahuas zu.« 

Jeffords lächelte nur. Die Besorgnis des Pferdehelfers rührte 

ihn. Aber der Postmeister war ein erfahrener Mann, ein 
Grenzer, der lange Jahre als Scout im Bürgerkrieg gedient 
hatte. Er kannte sich aus in der Einsamkeit, und er war fähig, 
sich durchzuschlagen, wenn es haarig wurde. 

»Mach dir mal nicht ins Hemd«, sagte Thomas Jeffords und 

machte eine wegwerfende Handbewegung. 

Diesen Moment hielt die Schimmelstute für geeignet. Sie 

schnappte zu wie eine Klapperschlange. Die großen gelben 
Zähne erwischten Norberts Lederhemd. Ein Ruck, und der 
halbe Ärmel hing im Maul des tückischen Pferdes. Das Biest 
sah so aus, als grinste es zufrieden. 

Walter fluchte in allen Tonarten. Er holte mit der anderen 

Hand, in der er die Metallkelle hielt, aus und schmetterte sie 
dem Gaul auf die Nüstern. 

Aber da explodierte das Tier förmlich. Es sprang wie eine 

Katze mit allen vieren zugleich hoch, rammte den Kopf vor 
und traf Walker an der Stirn. Halb benommen taumelte der 
Posthelfer zurück. Mit seiner Kelle teilte er sinnlose Hiebe aus, 
die pfeifend die Luft durchschnitten. 

Jeffords hing halb im Sattel. Er riß am Zügel, aber das Pferd 

kümmerte sich nicht um den Druck der Trense. Es stürmte 
hinter Walter her, dem vor Schmerz Tränen in die Augen 
geschossen waren. 

Während er zurückwich und mit seiner Suppenkelle den 

vermeintlichen Gegner abwehren wollte, taumelte er durch die 
Tür des Stationshauses. 

Erst an der glühendheißen Herdplatte kam Norbert zum 

Stehen. Er schrie abermals, als das heiße Eisen ihm den 
Hosenboden versengte. Mit einem Satz sprang er vor, ließ die 

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Kelle fallen und stürmte auf die Tür zu. 

Aber die Öffnung war durch die Stute blockiert. Sie zwängte 

sich mit aller Gewalt in den Stationsraum. Abwehrend streckte 
Walker beide Arme aus und rief: »Okay, okay, du verdammtes 
Biest. Du kannst den Rest meines Hemdes auch noch haben. 
Aber mach, daß du hier rauskommst!« 

Jeffords lag auf dem Pferderücken. Die Stute marschierte 

zum Herd, schnupperte, sog die Dünste des Essens ein und 
prustete, bevor sie sich umdrehte und wieder rauslief. 

Seufzend wischte Walker die Tränen aus den Augen. 
Schwankend folgte er dem Biest zur Tür. Burt Kelly, der 

zweite Posthelfer, stand ein wenig abseits und grinste von 
einem Ohr zum anderen. 

Sofort schwoll in Walker die Wut an. 
»Sag nichts!« schrie er. »Sag kein Wort, Burt. Ich warne 

dich, sonst gibt es morgen Burt-Kelly-Stew. Das schwöre ich 
dir. Der Gaul hat keine Ahnung von richtigem Essen. Es 
bedeutet überhaupt nichts, daß er bei dem Geruch 
davongelaufen ist. Hast du das begriffen?« 

Kelly kratzte sich am Kopf und antwortete: »Schon gut, 

Partner. Aber wenn es andersrum gekommen wäre, dann 
hättest du jetzt 'nen Gaul als ständigen Gast in der Station. Ob 
das den Passagieren gepaßt hätte?« 

Die Schimmelstute stand wie eine Statue. Kein Muskel 

zuckte unter dem hellen Fell. Nur die kräftigen Zähne 
zermahlten das Stück Wildlederhemd. Das Biest war 
offensichtlich sehr mit sich zufrieden. 

»Teilt euch das Schmorfleisch«, sagte Jeffords. »Ich 

versuche, einen Hirsch zu erwischen oder wenigstens ein paar 
Eselhasen, wenn ich nichts anderes vor die Büchse bekomme.« 

»Du willst doch nicht auf diesem Teufel reiten?« fragte 

Walker entsetzt. »Der bringt dich um, Boß!« 

»Mich nicht«, erwiderte Thomas grinsend, »nur schlechte 

Köche.« 

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Norbert fluchte lästerlich, und der Gaul zog die Lippen 

zurück, prustete unverschämt. 

Jeffords gab dem Tier die Zügel frei. Es trabte die Paßstraße 

nach Westen hinunter. 

Die Sonne trieb den Schweiß aus allen Poren. Sie hatte ihren 

höchsten Stand erreicht. Wie ein Gluthauch lag die Hitze über 
den Bergen und den sandigen Ebenen zwischen den Felsen. 
Alle Kreaturen schienen sich in den Schatten verkrochen zu 
haben. 

Jeffords rückte sich den breitkrempigen Hut zurecht. Es war 

die richtige Zeit für seinen Aufbruch. Am frühen Abend 
wagten sich die Tiere dieser Wildnis wieder aus ihren 
Verstecken, suchten die Wasserstellen auf, die in diesem Land 
kostbarer als Gold waren. 

Der Postmeister hielt auf die tiefen Schluchten der Berge zu 

und erreichte einen Canyon, dessen Boden spärlich mit 
Grasbüscheln bewachsen war. Diesen Einschnitt hatte Jeffords 
noch nie betreten. Er lag abseits der sonstigen Schluchten und 
Wege, die in wirren Linien das Land durchschnitten. Ohne zu 
zögern zupfte Thomas am Zügel. Willig ging der Schimmel in 
die neue Richtung. 

Aber plötzlich stellte das Tier die Ohren auf. Jeffords wurde 

unruhig. Er zog die Sharps aus dem Scabbard und spannte den 
Hahn der schweren Waffe. 

Thomas sah sich um. Eine Bewegung dort vorn! 
Halb über den Kopf seines Pferdes gebeugt trieb ein Apache 

sein Tier in den Galopp. Blitzschnell musterte Jeffords die 
zerklüfteten Felsen zu beiden Seiten des Canyons. Auf einmal 
hetzten zehn Indianerponys auf ihn zu. Sie teilten sich, bildeten 
eine Zange, in der sie den einsamen Weißen fangen wollten. 

Thomas hieb der Schimmelstute die Absätze in die Flanken. 

Mit einem gewaltigen Satz stürmte das Pferd los. Es schien von 
allein zu wissen, wo die Rettung lag. Denn es hielt auf die 
kaum drei Längen breite Lücke zwischen den angreifenden 

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Kriegern zu. 

Es war zu knapp. 
Thomas konnte so den Chiricahuas nicht entkommen. 
Mit bösartigem Zischen sausten die ersten Pfeile heran. Die 

Apachen wollten diesen Weißen erwischen und töten. Er 
gehörte zu den Feinden, den Eroberern, die den Stämmen das 
Land stehlen und sie bekämpften, wo immer sie einen 
Menschen mit roter Haut antrafen. 

Drei, vier Schüsse fielen. Die Kugeln fauchten dicht an 

Jeffords Oberkörper vorbei. 

Mit einem Ruck zerrte er am Zügel, brachte den Schimmel 

zum Stehen, der mit eingestemmten Beinen noch fast zwei 
Längen weiterrutschte. Als das Pferd reglos verharrte, legte 
Thomas die Sharps an und feuerte. Sofort riß er den Hebel 
herunter. Der Blockverschluß öffnete sich, schnellte die Hülse 
heraus, und Thomas lud das mächtige Gewehr und feuerte 
erneut. Die beiden Krieger, die links und rechts der kleinen 
Lücke geritten waren, lagen reglos im Sand. 

»Los, jetzt gilt's!« schrie Jeffords der Schimmelstute in die 

Ohren. 

Das Tier griff mächtig aus. Es preschte in voller Karriere 

durch die Lücke zwischen den Chiricahuas. Doch die Apachen 
gaben nicht auf. Sie wollten ihr Wild stellen und töten. Und 
dieses Wild war ein Bleichgesicht. 

Jeffords drehte sich im Sattel um. Die acht Krieger wahrten 

respektvollen Abstand. 

Wenn ich halte und noch zwei aus dem Sattel hole, stehen 

meine Chancen besser, überlegte sich Thomas. Aber er kam 
von dem Plan ab. Das Gelände war zu unübersichtlich. Sobald 
er die Stute herumriß, verschwanden die Apachen hinter 
herabgebrochenen Steinen oder in Felsspalten. 

Abrupt bog der Schimmel scharf nach links ab. Die 

Hinterhand rutschte weg, und nach einer bangen Sekunde saß 
Jeffords wieder sicher im Sattel. 

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Die Felswände ragten himmelhoch zu beiden Seiten des 

schmalen Weges auf. Nur als schwachen, hellen Streifen sah 
Thomas das Sonnenlicht weit über sich. Die Stute fiel in den 
Trab zurück. Nadelspitze Gesteinszacken ragten aus den 
Wänden in den Trail. 

Ein paar Minuten später änderte sich die Richtung. Nach 

Jeffords' Gefühl ritt er nun genau zurück. Aber weitere zehn 
Längen brachten ihn erneut an eine Biegung heran. 

Einmal mußte sich der Postmeister tief über den Hals des 

Pferdes beugen, um nicht an eine Felsbrücke zu stoßen. Und 
dann ging es steil bergauf. Die Beine der Stute stampften 
unermüdlich wie die Kolben einer Dampfmaschine. Der Atem 
des Schimmels ging nicht schneller als vorher. Das Tier war 
ausdauernd und zäh. 

Der Weg wand sich in Serpentinen weiter hinauf. Manchmal 

war er gerade noch so breit, daß die Hufe des Pferdes gerade 
Halt fanden. 

Prüfend schaute Jeffords weiter nach oben. Aber Felsplatten 

schoben sich ins Sichtfeld, so daß er den weiteren Verlauf nicht 
einsehen konnte. 

Der Pfad endete vor einer steil aufragenden Granitwand. Hier 

ist Raum für ein halbes Dutzend Pferde, stellte der Postmeister 
fest. 

Aber wie kam er weiter? Denn ihm war klar, daß er in der 

Falle saß. 

Die Stute wieherte leise, als ob sie sagen wollte: Jetzt bist du 

dran, Mensch. Ich habe getan, was ich konnte. 

Jeffords glitt aus dem Sattel und ging auf die Felsplatte zu. 

Ein schwacher Luftzug streifte ihn. Sofort änderte er seine 
Richtung. Links hinter der scheinbar unüberwindlichen 
Barriere entdeckte Thomas einen Spalt, aus dem es kühl 
herauswehte. Sorgfältig nahm Thomas die Öffnung in 
Augenschein und kam zu dem Schluß, daß er zu Fuß gehen 
mußte. Er nahm die Schimmelstute am Zügel und bewegte sich 

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auf die Spalte zu. 

Es war fast vollkommen dunkel in diesem Hohlweg. Nach 

einer scheinbar unendlich langen Zeit schimmerte weit vor 
Jeffords schwacher Lichtschein. Er atmete auf, als er wenig 
später ins Freie gelangte. 

Gras wuchs auf dem Boden des Tales. 
Büsche und niedrig wuchernde Sträucher standen vereinzelt 

und bildeten neben Palmlilien und Agaven den einzigen 
Bewuchs. 

Nachdenklich blickte Jeffords zurück, suchte die Kanten des 

Canyons ab und nahm sich vor, zuerst dieses fremde Tal zu 
erkunden, ehe er sich verschanzte oder nach einem Fluchtweg 
Ausschau hielt. 

Thomas schwang sich in den Sattel. Die Stute folgte dem 

Druck der Fersen und ging an. Nach wenigen Minuten zügelte 
der Reiter sein Tier wieder und starrte auf den Ring aus 
Buschwerk, der die Überreste einer Blockhütte umgab. 
Langsam umritt Jeffords die Ruine. Hier mußte es gutes 
Wasser geben, denn die meisten Sträucher waren Ecotillos, die 
Blätter trugen. 

Jeffords kannte diese Büsche. In Trockenperioden warfen sie 

die Blätter ab, um Feuchtigkeit zu sparen, lebten aber weiter. 
Geregnet hatte es seit Monaten nicht mehr. Also gab es hier 
eine Quelle. 

Thomas fand sie hinter der Hütte, halb überwuchert von 

Kräutern mit saftig wirkenden Blättern. 

Die Stute senkte den Kopf und trank ausgiebig. Nun 

versuchte auch Thomas das Wasser. Es war klar und rein und 
hatte keinen fremden Geruch oder Geschmack. 

Er hatte Glück gehabt, zumindest bis zu diesem Zeitpunkt. 
Denn die acht Chiricahuas kamen bestimmt. Er hatte zwei 

ihrer Brüder von den Mustangs geschossen, und seine Spuren 
mußten wie ein offenes Buch vor den Kriegern liegen. 

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Cochise und sein Sohn Naiche parierten die Pferde vor einem 
breiten Sandstreifen, der im Sonnenglast grell schimmerte. 
Schwacher Wind fächelte, wechselte ständig die Richtung. 

Aber diese leichte Luftströmung hatte die Fährte der sechs 

Mörder verwischt, zugeweht. Unmittelbar vor dem Anfang des 
sandigen Streifens deutete Naiche auf die letzten Kratzer von 
Hufeisen. 

Cochise blickte nach Nordwesten. Irgendwo dort, auf der 

anderen Seite des meilenbreiten Streifens, führten die Spuren 
der flüchtenden Halunken weiter. 

»Reiten wir«, sagte der Chief entschlossen, »wir finden die 

wieder, Naiche. Wir sind es den Toten schuldig, ihre Mörder 
zu stellen und zu bestrafen.« 

Cochises Sohn preßte seinem Mustang die Hacken in die 

Weichen. Der Häuptling folgte Naiche. Sie sprachen kein Wort 
miteinander, während sie durch den glühend heißen Sand 
ritten. Für die Pferde war es eine große Anstrengung, durch den 
knöcheltiefen, wie zähe Flüssigkeit wirkenden Sand zu 
stampfen. 

Die Mustangs prusteten, als sie auf der anderen Seite des 

Wüstenstreifens ankamen. Scharfe, staubartige Teilchen waren 
in die Nüstern der Tiere gedrungen und reizte sie. 

»Du links, ich rechts«, sagte der Jefe. 
Naiche zupfte am Zügel. Sein Tier ging dicht am 

Sandstreifen entlang. Dem jungen Krieger entging nichts. Aber 
selbst nach fast einer halben Stunde hatte er noch keine Spur 
gefunden. 

Auf einmal erscholl der Ruf eines Rennkuckucks. Sofort zog 

Naiche sein Pferd herum und ließ es zu Cochise traben. 

Der Chief deutete mit der Linken auf den Boden. Naiche sah 

Kratzer im Gestein. Sie konnten erst wenige Stunden alt sein. 

»Die Mörder entkommen uns nicht«, sagte der Häuptling 

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grimmig. 

Er lenkte sein Pferd in die neue Richtung. Schweigend folgte 

Naiche seinem Vater. 

Eine Stunde mochte vergangen sein, als Cochise witternd 

den Kopf hob. 

Er zügelte sein Pferd und lauschte. Naiche sog tief die Luft in 

seine Lungen und sagte nach einer Weile: »Das sind 
Bleichgesichter, Vater. Sie haben ein Feuer angemacht, aber 
das Holz ist nicht ganz trocken.« 

Zufrieden nickte der Jefe. Er hatte es auch längst gerochen. 

Kein Apache hätte Holz benutzt, das nicht vollkommen 
ausgedörrt war. Denn der geringste Geruch, der winzigste 
Rauchfaden verriet einen Krieger. 

Cochise, der berühmte Häuptling, straffte sich unwillkürlich, 

nahm die Winchester und legte sie quer über seine 
Oberschenkel. Naiche folgte dem Beispiel seines Vaters. 

Sie waren kampfbereit, gleichgültig, welchen Gegner sie 

trafen. 

Im leichten Trab hielten die beiden Apachen auf das 

Lagerfeuer zu. Als sie ein paar Minuten geritten waren, 
mischte sich der Duft gebratenen Fleisches in den Geruch des 
brennenden Holzes. 

Fühlten sich die sechs Halunken so sicher, daß sie eine Rast 

einlegten? 

Cochise schüttelte den Kopf. 
Nein, vor ihnen lagerte eine andere Gruppe weißer Männer. 

Vorsicht war geboten, denn die meisten Bleichgesichter 
feuerten zunächst, wenn sie Indianer sahen, und fragten erst 
danach. 

Im Schritt ließen die beiden Apachen ihre Ponys 

weitergehen. Eine mehr als mannshohe Sanddüne versperrte 
ihnen die Sicht auf das Feuer. 

Naiche sprang von seinem Pferd. Gewandt wie eine Schlange 

kroch der junge Chiricahua die Düne hinauf und verharrte auf 

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der Kuppe. Nicht einmal war Sand unter seinen kniehohen 
Mokassins aus weichem Wildleder herabgerutscht. 

Nach langen Minuten glitt Naiche wieder zurück. 
»Sechs Weiße«, berichtete er seinem Vater. »Alle Männer 

tragen blitzende Metallsterne an den Hemden. Sie vertreten das 
Gesetz der Bleichgesichter, Vater.« 

»Ich reite hin«, entschied Cochise. »Du bleibst mit deinem 

Gewehr auf dem Kamm dort oben. Siehst du, daß sie mir Übles 
wollen, so feuerst du, Sohn. Schieße dann, um zu töten.« 

Der Häuptling beobachtete sekundenlang, wie sich sein Sohn 

abermals, doch diesmal mit der Winchester unter dem Arm, die 
Sanddüne hinaufschob. Als der junge Krieger seine Position 
erreicht hatte, schnalzte der Jefe mit der Zunge. Sein Pferd 
setzte sich in Bewegung. Als es die Sanddüne umrundet hatte, 
hielt der Häuptling auf das Feuer zu. 

Erst als er nur noch etwa 20 Yards von den Weißen entfernt 

war, sahen sie ihn. 

Instinktiv brachten die Männer ihre Waffen in Anschlag. 

Drohend wiesen sechs Mündungen auf den einzelnen Krieger, 
der gelassen näherritt. 

»Ein Apache!« rief einer der Sternträger mit schriller 

Stimme. »Legen wir den Kerl um. Ein Indianer, den wir heute 
umbringen, brauchen wir morgen oder nächste Woche nicht 
mehr zu töten.« 

»Halt, nicht schießen!« Die dunkle Stimme klang grollend. 
Der Mann, der diesen Befehl gegeben hatte, trat ein paar 

Schritte vor. Prüfend blickte er den hochgewachsenen Indianer 
an und sagte: »Ich glaube, das ist Cochise, Leute. Warten wir 
ab, was er will.« 

»Umlegen!« forderte der andere Mann. »Er ist der Boß dieser 

roten Halunken. Wir tun ein gutes Werk für alle, wenn wir ihn 
zu Manitu schicken.« 

»David Slattermill«, drohte der Anführer der Posse, »wenn 

du auch nur einen Schuß abgibst, befördere ich dich persönlich 

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zur Hölle. Merk dir das!« 

»Sind Sie etwa so'n verdammter Indianerfreund, Marshal?« 

wollte der kleine, vertrocknet wirkende Typ wissen. 

»Auf jeden Fall schieße ich nicht gleich deshalb, weil mir 

eine Rothaut begegnet.« 

»Zu schade«, giftete der kleine Kerl, »dann gäbe es nämlich 

einen Stinker weniger auf der Welt.« 

»Hast du dir überlegt, warum Cochise so selbstsicher hier 

auftaucht?« fragte der Marshal. »Denkst du, er kommt einfach 
so? Oder hat er vielleicht zwei Dutzend Krieger versteckt, die 
uns alle mit einem Pfeil oder einem Gewehrschuß erwischen 
können?« 

Slattermill wurde kalkweiß. Unruhig blickte er hin und her. 

Aber außer Sand entdeckte er nichts. Doch was wollte das 
schon besagen? Einen Apachen siehst du erst, wenn du über 
ihn stolperst, lautete ein Sprichwort an der Grenze im 
Südwesten. 

Cochise zügelte seinen Mustang sechs Yards vor dem Feuer. 
»Was sucht ihr in meinem Land?« fragte der Häuptling hart. 

»Reitet wieder, denn ihr setzt euer Leben aufs Spiel.« 

»Der reißt seine Klappe aber ganz schön weit auf«, bemerkte 

Slattermill halblaut. »Ich bin immer noch der Meinung, daß wir 
ihn von seinem Gaul schießen sollten, Marshal.« 

»Halt’s Maul, Mann!« fauchte der Sternträger. 
»Ich bin U.S. Deputy Marshal Alf Morland«, stellte sich der 

massige Mann vor. »Ich bin nicht hier, um mit dir über dieses 
Land zu streiten. Du bist doch Cochise, oder?« 

Würdevoll nickte der große Indianer. »Vielleicht kannst du 

uns helfen«, sagte Morland. »Wir sind hinter sechs 
mexikanischen Schmugglern her. Wir bekamen einen Hinweis 
aus Mexiko. Die Kerle haben eine schmutzige Sache vor. Sie 
wollen hier Dinge kaufen und mit Goldpesos bezahlen. Hast du 
sechs Reiter oder ihre Spuren gesehen, Cochise?« 
Ausdruckslos blickte der Häuptling den Gesetzeshüter der 

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Weißen an. Morland wurde unruhig. Was hatte er falsch 
gemacht? »Das ist nicht deine Sache, Mann des Sterns«, 
antwortete Cochise gelassen. »Diese sechs Gelbhäutigen 
gehören den Chiricahuas. Sie werden keine Gewehre kaufen 
und über die Grenze bringen.« 

»Verdammt, woher weiß er das?« stieß einer der Männer 

hervor. 

Cochise lächelte bitter. »Was kaufen denn die Gelbhäutigen 

schon hier außer Waffen und Patronen? Ihr könnt zurückreiten. 
Sie erreichen ihr Ziel nicht.« 

»Moment mal, so geht das nicht«, widersprach Morland. 

»Ich habe einen Auftrag, verstehst du? Ich muß den Banditen 
folgen. Und wenn sie ihr Geschäft abgeschlossen haben, 
schlagen wir zu. Sie kommen für ein paar Jahre ins Gefängnis. 
Da bin ich ganz sicher.« Cochise schüttelte den Kopf. »Nein, 
dies ist Apachenland«, sagte er. »Hier gelten die Gesetze der 
Chiricahuas. Und ich habe beschlossen, die sechs Männer zu 
töten. Reitet weiter, kreuzt unseren Weg nicht mehr, sonst 
sehen wir euch als Feinde an.« 

»Verdammt, was bildet der sich ein«, knurrte Slattermill. 
»Wir können nicht unverrichteterdinge zurückreiten«, 

konterte der US Deputy ungerührt. »Wir müssen die Lumpen 
erwischen, auf frischer Tat ertappen, Cochise.« 

»Nein, sie sind nicht für euch bestimmt«, widersprach der 

Jefe nachdrücklich. »Sie gehören mir.« 

Morland seufzte. Er hatte kaum eine Chance, den Häuptling 

des großen Stammes umzustimmen. Irgendwas hatte die 
Apachen so aufgebracht, daß sie die Mexikaner jagten. Der 
Marshal wußte, daß die Chance der Schmuggler dünner als ein 
Haar war. Aber er konnte nichts unternehmen. 

Alf Morland musterte Cochise. Dieser Häuptling war von 

faszinierender Ausstrahlung. Seine Selbstsicherheit kam von 
innen heraus, war nicht gespielt. Er wußte genau, was er tat, 
auch wenn er den Weißen verbot, weiter nach den 

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Schmugglern zu suchen. 

»Ich habe einen Auftrag«, erklärte der Marshal nochmals. 

»Daran kann ich nichts ändern.« 

»Reite zurück und sage, daß die sechs gelbhäutigen Hunde so 

gut wie tot sind«, entgegnete Cochise. Und es klang wie ein 
Befehl. 

Er zupfte am Zügel. Das Pferd drehte sich. In voller Absicht 

wandte der Häuptling den Weißen den Rücken zu, als er 
davonritt. Er hörte das Knacken eines Gewehrhahns und gleich 
darauf einen klatschenden Schlag und den wütenden Aufschrei 
eines Mannes. 

»Slattermill, ich mache dich zur Schnecke, wenn du nicht 

endlich vernünftig wirst«, drohte Morland. 

Cochise lächelte, als er diese Worte hörte. Der Mann mit 

dem Sternenschild auf dem Hemd schien gerecht zu sein. Es 
gab nur viel zuwenig Weiße, die den Indianern gegenüber 
gerecht waren. 

Der Jefe erreichte die Rückseite der Sanddüne. Naiche stand 

bereits neben seinem Pferd. 

»Genau nach Westen«, sagte Cochise. »Wir schütteln die 

Gesetzesmänner ab, Sohn. Denn dies ist unser Kampf, unsere 
Rache.« 

Thomas Jeffords überprüfte seine Waffen, lud die Sharps und 
verfluchte sich, daß er statt einer Winchester das Büffelgewehr 
mitgenommen hatte. Nun kam es darauf an, einen Sperrgürtel 
aus heißem Blei zu schaffen. Es nützte ihm nicht viel, wenn er 
einen Angreifer vom Pferd schoß. Bis Thomas nachgeladen 
hatte, waren die anderen schon ein ganzes Stück weiter 
gekommen. 

Angespannt blickte Jeffords auf seine eigene Fährte zurück. 

Selbst ein Kind mußte sie sehen und ihr folgen können. 

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Aber noch war kein Apache zu entdecken. 
Für ein paar Sekunden schloß der Postmeister die Augen und 

lauschte. Doch alles blieb still. Erstaunt sah er sich um. 
Jeffords hockte im Buschwerk, das die Überreste der Hütte 
ringförmig umschloß. 

Kein Tier, kein Vogel ist zu hören, dachte Thomas verblüfft. 
Die Sonne zog weiter auf ihrer Bahn nach Westen. Ihr 

goldener Schein schimmerte auf den kahlen Felsen, überspielte 
die Blätter der Sträucher, die grell aufleuchteten, und tauchte 
das kleine Tal in ein unwirkliches Licht. 

Jeffords nahm die Wasserflasche und trank einen Schluck. 

Mißtrauisch blickte er zum Eingang des kleinen Canyons. 
Noch immer ließ sich kein Chiricahua sehen. 

Was hielt die acht Krieger davon ab, ihm zu folgen und ihn 

niederzumachen? 

Allmählich zerrte die Stille an Jeffords Nerven. Immer 

wieder blickte er sich um, hielt Ausschau, doch keiner der 
Chiricahuas drang zu ihm vor, um den Tod seiner Brüder zu 
rächen. 

Am späten Nachmittag entspannte sich Jeffords etwas. 

Vorsichtig kroch er zwischen den Büschen umher und suchte 
trockenes Holz für ein kleines Feuer. Bald ging die Sonne 
unter, und dann griffen die Apachen nicht mehr an. Aber 
vielleicht nutzen sie die Dämmerung, jene Zeit zwischen Tag 
und Nacht, in der die Schatten länger wurden und Zwielicht 
alles ins Groteske verzerrte. 

Aber auch diese Zeitspanne verging, ohne daß ein Angriff 

erfolgte. 

Es war ganz dunkel. Thomas entzündete mit einem 

Schwefelholz die aufgeschichteten Zweige. Aus der 
Satteltasche nahm er ein paar Streifen Fleisch und spießte sie 
auf einen grünen Zweig, den er in die Flammen hielt. Er konnte 
es wagen, ein Feuer zu entzünden, denn die Apachen wußten, 
wo er war. 

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Die Schimmelstute rupfte die dicken Blätter der Kräuter ab, 

die um die Quelle herum wucherten. 

Als der Duft gebratenen Fleisches durch das Tal zog, spürte 

Jeffords erst, welchen Hunger er hatte. Er legte das Fleisch 
zum Abkühlen auf einen flachen Stein und holte die kleine 
Pfanne, Bohnen und Speck und die zerbeulte Blechkanne 
hervor, in der er sich Kaffee aufbrühen wollte. 

Immer wieder dachte er darüber nach, was die Chiricahuas 

von einem Angriff abgehalten hatte. 

Lagerte er etwa auf Boden, der den Apachen heilig war? 

Dann hatte er keine Chance, nicht mal eine hauchdünne. Denn 
sie würden ihn abfangen, wenn er einen Ausbruch versuchte. 
Die Entweihung eines Heiligtums durch ein Bleichgesicht war 
eines der schlimmsten Verbrechen für die Indianer. 

Ich werde es erfahren, dachte der Postmeister. Aber dann 

wird es wahrscheinlich zu spät sein. 

Der Kaffee brodelte in der Kanne. Thomas nahm sie aus den 

Flammen und fluchte leise, weil er sich die Finger am 
Metallhenkel verbrannt hatte. 

Genußvoll machte er sich über die gebratenen Fleischstücke 

her und griff nach der Pfanne, in der Bohnen und Speck 
brutzelten. 

»How, weißer Mann«, sagte eine gutturale Stimme nicht weit 

entfernt. 

Jeffords zuckte unwillkürlich zusammen. Aber plötzlich warf 

er sich mit einem mächtigen Satz aus dem Lichtkreis des 
Feuers, zog den Colt aus dem Halfter und spannte den Hahn. 
Das metallische Knacken durchbrach die Stille. 

»Nicht, ich bin ein Freund«, sagte der Fremde, »und allein. 

Niemand folgt mir. Red Elk hat Hunger. Als er den Duft deines 
Essens roch, knurrte sein Magen wie ein Rudel Wölfe.« 

»Komm näher!« befahl Jeffords mit gepreßter Stimme und 

hielt den Revolver schußbereit. 

Ein großer Indianer trat in den Lichtkreis. Eine einzelne 

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Feder stak im lang wallenden schwarzen Haar des Kriegers. Er 
war kein Apache, stellte Thomas fest. 

»Welchem Stamm gehörst du an, Red Elk?« fragte Jeffords 

und blieb wachsam. »Was führt dich in diesen Canyon?« 

Das Englisch des Indianers war recht gut. 
»Ich bin ein Ute«, antwortete er. »In Fort Yuma lebte ich 

zwei Sommer als Späher für die Pferdesoldaten. Jetzt will ich 
zurück zu meinem Stamm, denn ich habe genug blanke 
Metallscheiben, um die Dinge zu kaufen, die wir benötigen.« 

Jeffords lächelte sarkastisch und sagte: »Moderne Gewehre 

und Patronen, was? Damit ihr auf alle weißen Eindringlinge 
schießen könnt.« 

»Ja, auch Gewehre, aber für die Jagd, weißer Mann, nicht 

zum Töten von Menschen deiner Art.« 

Thomas war von der Ruhe und Gelassenheit, mit der ihm der 

Ute entgegentrat, beeindruckt. Vielleicht stimmte es, was er 
sagte. Aber es konnte genausogut sein, daß ein halbes Dutzend 
Krieger in der Dunkelheit auf ein bestimmtes Zeichen wartete 
und dem Weißen dann mit Pfeilen spickte. 

»Komm zum Feuer«, lud Jeffords den Ute ein und nannte 

seinen Namen. »Zu essen ist genug da. Bediene dich.« 

Der Indianer hockte sich und kreuzte die Beine unter seinem 

Körper. Er schien wirklich Hunger zu haben, denn Jeffords fiel 
auf, daß der Rote Elch sich mühsam beherrschte, als er zugriff. 
Aber ein Indianer zeigte einem Weißen gegenüber selten eine 
Schwäche. Das hielten die Männer der roten Rasse für 
beschämend. 

Thomas warf dem Ute den eigenen Blechbecher zu. Erfreut 

grunzend fing Red Elk ihn auf, füllte ihn mit dem heißen 
Kaffee und trank schmatzend. 

Schließlich sagte er: 
»Ich danke dir, weißer Mann. Ich stehe in deiner Schuld, 

denn seit zwei Tagen fand ich nichts zu essen. Ich habe mich 
verirrt in diesen Felsenschluchten, die in alle Richtungen zu 

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führen scheinen, aber doch nirgendwo enden. Was führt dich 
hierher? Es ist still, zu still. Ich höre kein Nachttier, keine 
Springmaus, nichts.« 

Jeffords antwortete wahrheitsgemäß, daß er auf der Jagd 

wäre und von zehn Chiricahuas angegriffen worden war. 

»Zwei der Krieger schoß ich vom Pferderücken«, schloß der 

Postmeister. »Ich floh hierher. Seitdem warte ich auf den 
Angriff der restlichen Krieger. Sie müssen meine Spur gesehen 
haben. Doch sie kommen nicht.« 

»Was die Apachen davon abhält, dir zu folgen, weiß ich 

nicht«, sagte der Ute, »aber es hat einen Grund. Wenn die 
Sonne über den Horizont klettert, suche ich nach diesem 
Grund, Thomas Jeffords. In der Nacht greifen die Chiricahuas 
fast niemals an. Ruhe dich aus, ich wache.« 

Der Postmeister rollte sich in seine Decke und schloß die 

Augen. Wenig später war er eingeschlafen. 

Die nervöse Anspannung, unter der er seit dem Angriff der 

Apachen gestanden hatte, trug dazu bei. 

»Laß mich vorausreiten«, bat Naiche seinen Vater. »Wir sind 
zu langsam. Die Mörder entkommen uns.« 

Cochise lächelte über die Ungeduld seines Sohnes. Der 

konnte es kaum erwarten, den gelbhäutigen Mordwölfen 
gegenüberzustehen. 

»Unsere Mustangs sind besser und zäher als die Pferde der 

Mexikaner«, sagte der Häuptling gelassen. »Wenn ihre Tiere 
ausruhen müssen, sind unsere noch voller Kraft und Frische. 
Wir bekommen die Mörder, Sohn.« 

Naiches Gesicht spiegelte nichts von seinen Gefühlen wider. 

Aber in den dunklen Augen stand Unmut über die 
Entscheidung seines Vater. 

»Also reite«, sagte Cochise schließlich. »Bleib in sicherer 

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Entfernung. Wir kämpfen, wie unser Volk seit ungezählten 
Sommern kämpft: wie die Schlange, die vorschnellt, zupackt 
und wieder verschwindet.« 

Naiche gab seinem Mustang die Zügel frei. Das Pferd 

stürmte los, als hätte es nur auf diesen Moment gewartet. 

Cochises Sohn hielt sich seitlich der Fährte und nutzte jede 

Deckung aus, die sich ihm bot. 

Der Jefe nickte zufrieden. 
Naiche war schnell und vorsichtig. Sein Mut grenzte 

manchmal an Tollkühnheit, aber nie verlor er den Überblick 
über die Situation. Naiche war seines Vaters würdig. Noch 
einige Sommer der Erfahrung, und er würde unter den 
Chiricahuas genauso angesehen sein wie Cochise. 

Der Häuptling ließ sein Pferd in Trab fallen. Die Fährte lag 

deutlich vor seinen Augen. Wenig später sah er Naiches 
Mustang neben einem Orgelpfeifenkaktus stehen. Von seinem 
Sohn war aber nichts zu sehen. 

Sie sind schon zu lange unterwegs, dachte der Jefe. Als sie 

die Apachen-Familie überfielen, waren die Pferde der 
Mexikaner bereits gefordert worden. Sie mußten eine Pause 
einlegen, wenn sie nicht riskieren wollten, daß die Gäule total 
erschöpft zusammenbrachen. 

Schließlich sah Cochise seinen Sohn. Er lag auf einem 

flachen Hügel und spähte nach Nordwesten. Dort gab es gutes 
Wasser. Und so, wie sich Naiche verhielt, beobachtete er die 
Mörder. 

Es war windstill. Die Sonne brannte. Cochise glitt vom 

Pferderücken und nahm die Winchester mit. Lautlos schob sich 
der Häuptling den flachen Hang hinauf und blieb neben seinem 
Sohn liegen. 

»Töten wir alle?« fragte Naiche. 
»Nein«, raunte der Jefe, »nur einen. Sie sollen wissen, daß 

sie verfolgt werden. Sie sollen die Angst in ihren Nacken 
spüren. Das ist unsere Vergeltung, Sohn. Sie sollen um ihr 

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Leben zittern und nicht wissen, wer der nächste ist, der stirbt. 
Nimm nicht das Gewehr, sondern den Bogen. Damit sie 
erkennen, wer auf ihrer Fährte reitet.« 

Naiche griff neben sich, packte den kurzen Bogen und legte 

einen Pfeil auf die Sehne. Die Armmuskeln des jungen Mannes 
spannten sich, als er die Sehne zurückzog. 

In diesem Moment kam leichter Wind auf und trug 

Gesprächsfetzen bis zu den beiden Chiricahuas. 

»Warte!« flüsterte Cochise und legte seinem Sohn eine Hand 

auf den Arm. 

»Wieviel Zeit haben wir noch?« fragte einer der Mexikaner. 
»Erst in der Dämmerung treffen wir uns mit unserem 

Partner«, antwortete ein anderer. »Er bringt ein halbes Dutzend 
Mulis mit. Jedes Tier trägt zwanzig Gewehre und genügend 
Munition.« 

»Das reicht nicht«, murrte jemand. »Wir brauchen mehr, viel 

mehr Gewehre.« 

»Hast du Pesos oder Dollars?« fragte der Anführer. 

»Natürlich nicht. Wir auch nicht, – aber mit diesen Gewehren 
sind wir allen überlegen. Wir greifen eine Garnison an und 
plündern sie. Wenn wir keinen überleben lassen, können wir 
den Überfall den Apachen in die Schuhe schieben. Sie haben ja 
erst vor kurzem Colonia Marelas überfallen und geplündert. 
Danach haben wir Gewehre und Munition.« 

Cochise spürte heißen Zorn in sich aufflammen. Er mußte 

sich mit aller Kraft beherrschen, um nicht sofort zu töten. Er 
nickte Naiche zu, der die Bogensehne noch immer gespannt 
hielt. 

Da öffnete der junge Krieger seinen Griff. Schnalzend schlug 

die Sehne gegen seinen Unterarm. Der Pfeil sirrte in gerader 
Linie auf die Mexikaner zu. 

Der Mann, der gerade von zu wenig Gewehren gesprochen 

hatte, gurgelte unartikuliert auf. Er warf seine Hände hoch. 
Entsetzt starrte er auf den wippenden Pfeilschaft, der plötzlich 

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aus der linken Seite seines Oberkörpers ragte. 

Sekunden später brach er tot zusammen. 
Cochise stand auf. In voller Größe, die Gefahr nicht achtend, 

trat er so weit vor, daß ihn die Mörder sahen. 

»Ihr bekommt kein einziges Gewehr!« rief er dröhnend. »Ihr 

werdet sterben, einer nach dem anderen. Denn dies ist die 
Rache der Apachen für vier sinnlose Morde. Ich, Cochise, 
vollstrecke die Vergeltung. Ihr werdet nicht wissen, wann ich 
wieder zuschlage. Aber ich folge euch, wohin ihr auch reitet.« 

Gelassen machte der Häuptling kehrt und ging zu seinem 

Pferd. Naiche blieb auf der Hügelkuppe liegen und beobachtete 
die Mexikaner. Bisher hatten die Kerle wie erstarrt gestanden. 
Doch nun wirbelten sie durcheinander, als wäre in ihrer Mitte 
ein Blitz eingeschlagen. 

Sekunden später waren tackende Hufgeräusche zu hören. Die 

fünf Banditen flohen. Sie wußten nicht, wie viele Apachen 
ihnen folgten, aber sie mußten versuchen, sich in Sicherheit zu 
bringen. 

Naiche kam zu seinem Vater. 
»Wann schlagen wir wieder zu?« fragte er. 
»Wir lassen ihnen einen Vorsprung«, antwortete der 

Häuptling. »Sie sollen uns eine Falle stellen und dann 
erkennen, daß sie Apachenkriegern unterlegen sind.« 

Naiche war einverstanden. Die Gelbhäutigen sollten zweimal 

sterben: vor Angst und durch einen Pfeil oder eine Kugel. 
Denn sie hatten sinnlos eine Apachenfamilie ausgerottet. 

Naiche war ein Kind seiner Zeit. Von klein auf an hatte er 

erfahren müssen, daß der Stamm nur unter äußersten 
Anstrengungen überlebte. Das harte, karge Land, die glühende 
Sonne und die natürlichen Feinde verlangten den Kriegern 
schon sehr viel ab. 

Aber als die Weißen und Gelbhäutigen in ihrer Land- und 

Goldgier immer weiterdrängten, als sie die Indianer 
zurücktrieben und einen Teil der Apachen sogar in ein 

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Reservat umsiedelten, begann für Cochise der Kampf ums 
Überleben. 

Ihm war wohl klar, daß er die weiße Menschenflut nicht 

aufzuhalten vermochte. Aber er mußte für seinen Stamm alles 
tun. Der Jefe der Chiricahuas war davon überzeugt, daß Weiße 
und Apachen friedlich nebeneinander leben konnten. Doch auf 
beiden Seiten gab es immer wieder Menschen, die aus 
Dummheit oder Selbstüberschätzung heraus Unfrieden 
stifteten. 

Und ein Streit nahm in wenigen Stunden solche dramatischen 

Formen an, daß alle, Indianer und Weiße, hineingerissen 
wurden. 

»Wieviel Vorsprung wollen wir den Mördern geben?« fragte 

Naiche. 

»Drei Stunden«, antwortete Cochise. »Bis dahin sind ihre 

Pferde erschöpft. Wir töten dann den zweiten Mordwolf.« 

Die Chiricahuas ritten in weitem Bogen um den Hügel 

herum. Sie sahen den Toten neben dem Wasserloch liegen. Das 
Pferd des Mexikaners war verschwunden. 

»Die anderen haben Waffen, Patronen und Pferd 

mitgenommen«, sagte Naiche, der die Flucht der fünf 
Halunken von der Hügelkette aus beobachtet hatte. 

Cochise nickte. Die Banditen sahen in dem zusätzlichen 

Pferd vielleicht eine Chance. Wenn eines der anderen ausfiel, 
konnte der Reiter auf das Reservepferd umsteigen. 

»Schaffen wir ihn weg?« fragte Naiche seinen Vater. 
Aber der schüttelte den Kopf als er antwortete: »Nein, er war 

ein Mörder. Er soll als Warnung für alle anderen Schurken 
liegenbleiben. Die Aasfresser besorgen die Arbeit für uns.« 

»Was wird, wenn die Sternträger den Toten finden?« wollte 

Naiche wissen. »Dann verfolgen sie uns, Vater, und nicht mehr 
die Mörder.« 

Das Gesicht des Häuptlings nahm einen grimmigen 

Ausdruck an. 

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»Dies ist unser Land, Sohn«, sagte er und machte eine weit 

ausholende Handbewegung. »So weit du sehen kannst, gehört 
das Gebiet den Chiricahuas. Die Gelbhäutigen verstießen 
gegen unser Gesetz. Und nach diesem, unserem Gesetz, ziehen 
wir die Mörder zur Verantwortung. Die Bleichgesichter mit 
den blinkenden Sternen an den Hemden sind Eindringlinge. 
Wir haben ein größeres Recht auf die Gelbhäutigen. Reiten 
wir, Sohn.« 

Nach einer Weile fragte Naiche: »Töten wir die 

Gesetzesmänner, wenn sie unsere Spur kreuzen?« 

Lange Zeit blieb der Jefe still. Seine schwarzen Augen 

blickten in unergründliche Fernen. Nur er sah dort so etwas wie 
eine Vision. Sie verhieß Tod und Verzweiflung für die 
Chiricahuas. 

»Nein, Naiche«, antwortete Cochise nach einigen Minuten, 

»wir dürfen sie nicht töten. Ich gab dem einarmigen Vater der 
Pferdesoldaten mein Wort, sechs Monde lang Frieden zu 
halten.« 

»Aber die Sternmänner brechen das Gesetz des Stammes«, 

begehrte Naiche auf. »Sie kümmern sich nicht um die Regeln 
der Chiricahuas.« 

Der Häuptling lächelte weise. 
»Die Bleichgesichter sind anders als wir«, sagte er. »Wenn 

ich einen Befehl gebe, folgen die Krieger. Aber nur solange, 
bis sie anderer Ansicht werden. Bei den Weißen befolgen 
Untergebene jeden Befehl, egal, wie sinnlos er ist. Und darum 
geben die Sternmänner nicht auf. Erst wenn sie alle sechs 
Gelbhäutigen tot gefunden haben, kehren sie in ihre Städte 
zurück.« 

Naiche verstand, doch er wunderte sich darüber. Die 

Bleichgesichter waren seiner Meinung nach ziemlich verrückt. 
Sie benahmen sich wie Sklaven, wenn ein hochgestellter Mann 
etwas befahl. Andererseits hätten die Apachenkrieger etwas 
mehr Disziplin nötig. Aber nach der grauenhaften Niederlage 

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am Paß in den Bergen war es schwer, die Kämpfer auf 
bestimmte Befehle einzuschwören. 

Die Sonne stand tief im Westen. Ihre Strahlen reichten nicht 

mehr aus, um wabernde Hitzeschleider über den Sand tanzen 
zu lassen. Noch immer war es warm. Der Sandboden hatte 
während des langen Tages die Sonnenglut gespeichert und gab 
sie nun ab. 

»Wir folgen ihnen, bis sie ihr Lager aufschlagen«, entschied 

Cochise. »Wenn sie sich niederlegen, töten wir den zweiten 
Mörder.« 

»Sie werden nicht lagern«, widersprach Naiche, »weil große 

Angst sie plagt. Die krampft ihnen die Herzen zusammen. Sie 
denken nur an Flucht und werden die ganze Nacht reiten.« 

Der Jefe war anderer Meinung. »Wie sahen ihre Pferde aus?« 

fragte er Naiche. 

»Schlecht, sehr schlecht.« 
»Also werden sie nicht die ganze Nacht reiten können«, sagte 

Cochise. »Sie müssen ihnen eine Pause gönnen.« 

Damit war das Gespräch zwischen Vater und Sohn beendet. 

Sie konnten nicht ahnen, was noch auf sie zukommen sollte. 

Thomas Jeffords erwachte, als der Horizont sich im Osten grau 
färbte. Red Elk hockte neben der Feuerstelle und benutzte die 
Glutreste, um eine neue Flamme zu entfachen. 

Der Ute nickte dem Postmeister zu. Der erhob sich, nahm die 

Blechkanne und holte Wasser von der Quelle, die hinter der 
zusammengefallenen Hütte sprudelte. 

»Bereite du Kaffee und Essen«, sagte der Indianer. »Ich 

suche nach dem Grund für die Stille in diesem Tal.« 

Noch immer durchbrach kein Laut die Ruhe. Lediglich 

Jeffords Hantieren mit der Bratpfanne und Kanne zerschnitten 
die Stille. Roter Elch glitt geschmeidig davon. Ein paar 

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Sekunden lauschte Jeffords, aber der Ute bewegte sich leiser 
als ein angreifender Puma. 

Kurz darauf ragten die Zweige der Sträucher, zwischen 

denen der Krieger verschwunden war, wieder reglos nach oben. 

Jeffords schob die Pfanne über die lodernden Flammen und 

stieß dabei mit dem Arm die Blechkanne um. Das Wasser 
sickerte in den Boden. Der Postmeister stand auf und wollte 
neues Wasser für den Kaffee holen. 

Ein halblauter Ruf hinderte ihn daran. 
Was hatte Red Elk gefunden? 
Jeffords nahm die Sharps und ging zur Quelle. Ihm schien, 

als wäre der Ruf des Utes von dort gekommen. Aber Roter 
Elch war nicht da. Thomas verspürte Durst. Er lehnte die 
Sharps an einen Stein und beugte sich vor, um zu trinken. 

Red Elk glitt wie ein Schatten durch das dichte Gestrüpp. 

Nichts entging seinem Blick. Und als er das Skelett sah, war er 
nicht im mindesten erstaunt. Die Wüsten und Gebirge hatten so 
manchem Menschen das Leben gekostet. Geier, Füchse und 
Kojoten nagten die Knochen in wenigen Tagen so ab, daß sie 
weißlich schimmerten. 

Der Indianer bückte sich, nahm den Schädel in die Hand und 

lächelte vergnügt. Vielleicht konnte er dem Bleichgesicht einen 
Schrecken einjagen. 

Jeffords hörte und sah nichts von dem Ute. Aber Thomas 

ging zurück, um die Kanne zu holen, denn Kaffee gehörte zu 
einem Frühstück. 

Er packte den Blechtopf und sah aus den Augenwinkeln eine 

Bewegung. Die Zweige der Büsche teilten sich. Roter Elch trat 
aus dem dicht wuchernden Gestrüpp. In seiner Hand hielt der 
Ute einen menschlichen Knochenschädel. 

»Das wird die Erklärung sein«, sagte Jeffords. »Während das 

Raubzeug sich über den Toten hermachte, wurde es für die 
anderen Tiere zu gefährlich. Sie zogen davon und mieden 
diesen Ort.« 

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Roter Elch nickte. Er war um sein Vergnügen gebracht 

worden, denn der Weiße ließ sich nicht den geringsten 
Schrecken anmerken. 

Jeffords richtete sich mit der Kanne in der Hand auf und 

machte einen Schritt auf die Quelle zu. 

In diesem Moment vernahm er ein schwirrendes Geräusch, 

das er nur zu gut kannte. 

Thomas ließ sich instinktiv fallen. Seine blitzschnelle 

Reaktion rettete ihm das Leben. Drei, vier Schüsse peitschten. 
Die Kaffeekanne wurde von zwei Kugeln getroffen und flog 
durchlöchert hoch. 

Auch der Ute schmiegte sich an den Boden. Er lag Auge in 

Auge mit den Höhlen des Totenschädels. 

Jeffords fluchte laut. Sein Gewehr stand an der Quelle. Mit 

der weittragenden Sharps hätten sie vielleicht eine Chance 
gehabt. 

»Ich versuche, an meinen Karabiner zu kommen«, flüsterte 

Red Elk. »Sie überrennen uns, Jeffords, wenn wir sie nicht mit 
unseren Kugeln daran hindern.« 

Der Ute richtete sich nur eine Handbreit auf. Das war schon 

zuviel. Drei Pfeile bohrten sich neben dem Kopf des Indianers 
in das Erdreich. 

Jeffords zog den Revolver. Es war lächerlich, mit dem Colt 

gegen die Angreifer vorzugehen, denn die Entfernung war für 
einen halbwegs sicheren Schuß viel zu groß. 

Eine Winchester entlud sich krachend. Das Geschoß prallte 

dicht vor Jeffords' Nase gegen einen flachen Stein und sirrte 
wimmernd als Querschläger davon. 

»Das war knapp«, sagte der Postmeister. »Wenn die Kerle so 

weitermachen, sind wir in fünf Minuten erledigt.« 

»Sind es Chiricahuas?« fragte der Ute. 
»Wer kann es sonst sein?« fragte Thomas zurück. »Sie haben 

ihre Angst vor diesem Tal überwunden.« 

Die Gewehrschützen wechselten sich ab. Ein Krieger feuerte 

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ununterbrochen? Die anderen luden in der Zwischenzeit ihre 
Waffen auf. Die Kugeln lagen immer genauer. Eine riß die 
brennenden Zweige auseinander und wirbelte Jeffords 
glühende Holzstücke ins Gesicht. Er stieß einen Schrei aus, als 
er sich mit der Linken über die Haut tastete. 

Vier Gestalten schnellten hoch, rannten vorwärts und warfen 

sich wieder in Deckung. Dann wurde aus allen drei Gewehren 
gefeuert. Die vier Krieger standen auf. Sie waren sicher, durch 
den Kugelhagel ihrer Freunde gedeckt zu werden. 

Mit weiten Sprüngen hetzten die Chiricahuas auf das Lager 

hinter den Büschen zu. Die Gewehrschützen mußten 
mindestens 15 Fuß hoch in den Felswänden stehen, denn ihre 
Kugeln sausten dicht um Jeffords und den Ute. 

Aus, dachte Thomas, und ich bin selbst schuld. Warum habe 

ich keine Winchester mitgenommen? 

Der Ute starrte den weiß schimmernden Knochenschädel an. 

Plötzlich grinste Roter Elch. 

Er hatte die Lösung, wußte, wie der Weiße und er dem 

Angriff der Chiricahuas entkommen konnten. 

Der Ute legte sich den Totenschädel so auf die flache Hand, 

daß die Augenhöhlen und der runtergeklappte Unterkiefer nach 
vorn wiesen. 

Langsam erhob sich Red Elk. Herausfordernd streckte er den 

Arm aus und ging ein paar Schritte auf die Apachen zu. 

»Bist du verrückt?« stieß Jeffords hervor. »In Deckung, los!« 
»Sie haben Angst vor Knochenresten der Menschen«, sagte 

Roter Elch gelassen. »Sieh, weißer Mann, sie dringen nicht 
weiter vor.« 

Die Waffen schwiegen. Kein Pfeil schwirrte heran. 
Bedächtig ging der Ute weiter. 
Zögernd wichen die vordersten Krieger der Chiricahuas 

zurück. Die alte Furcht vor dem jenseitigen Leben, vor der 
Macht, die den Knochen Gestorbener anhaftete, zwang die 
Apachen zur Flucht. 

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Gegen Bleichgesichter oder Indianer kämpften sie bis zur 

letzten Patrone, bis zum letzten Pfeil. Aber gegen Boten aus 
dem Totenreich hielten sie jeden Angriff für sinnlos. 

Ein dumpfer Heulton klang auf, durchschnitt die Stille so 

unerwartet schnell wie ein Blitz, der unvermutet vom Himmel 
zuckt. 

Jeffords verrenkte sich fast den Hals, als er nach oben 

blickte. Eine große Eule segelte über das Tal, schraubte sich 
herab und fand Platz in den Ästen eines halbhohen Baumes. 

Die Chiricahuas stießen Entsetzensschreie aus, als die Eule 

abermals heulte. 

Für die Apachen war sie der Bote, der direkt aus dem 

Totenreich kam. In ihrer Sprache nannten sie das harmlose Tier 
Bü, und den Legenden nach brachte es Nachricht darüber, 
welcher Krieger in das jenseitige Leben übertreten mußte. 

Die vier Chiricahuas wirbelten herum und rannten davon, als 

wäre der Teufel hinter ihnen her. Deutlich sah Thomas die 
Gewehrschützen. Sie kletterten nicht aus den Felsennestern, 
sondern rutschten einfach in das Tal und schlossen sich ihren 
Freunden an. Wenig später dröhnten Hufgeräusche. Die 
Krieger trieben ihre Pferde an, als hätte es gegolten, einer 
tödlichen Gefahr zu entkommen. 

Verblüfft blickte Jeffords Red Elk an, der lächelnd den 

Knochenschädel in der Hand wog. 

»Er rettete uns das Leben, Thomas Jeffords«., sagte der Ute. 

»Ich kenne die Angst der Apachen vor alten Knochen. Daß die 
Eule genau im richtigen Moment erschien, gab ihnen den 
Rest.« 

Jeffords seufzte erleichtert auf und holte die Sharps von der 

Quelle. 

»Wo hast du den Schädel gefunden?« fragte der Postmeister 

neugierig. 

»Weit hinten, zwischen den Büschen«, antwortete Roter 

Elch. »Sieh selbst nach.« 

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Thomas schlug die Richtung ein, in die des Utes 

ausgestreckte Hand wies. 

Red Elk nahm seinen Tomahawk auf, bevor er Jeffords 

langsam folgte. Aber als der Indianer die Büsche erreichte, 
verharrte er. Hufschlag klang nicht weit entfernt auf. 

Kehrten die Chiricahuas um? War ihr Wunsch nach Rache 

größer als ihre Angst vor den geheimnisvollen Knochenteilen? 

Roter Elch ging langsam zurück zum Feuer. Der Hufschlag 

wurde lauter. Die Pferde konnten nicht mehr weit entfernt sein. 
Dem Geräusch nach tippte der ehemalige Scout auf sechs 
Tiere. 

Hatten sich die Chiricahuas geteilt, zwei Gruppen gebildet? 

Wollten sie nun Jeffords und den Ute in die Zange nehmen? 

Zwei Reiter bogen um die Ecke. Es waren Weiße. 

Mißtrauisch wandten sie die Köpfe, bevor einer der Männer 
rief: »Scheint okay zu sein. Niemand ist hier zu sehen.« 

Vier weitere Reiter preschten in das kleine Tal. 
Roter Elch ging weiter. Er hielt den Totenschädel noch 

immer auf der flachen Hand. 

»He, da, eine Rothaut!« rief einer der Weißen und schwang 

sein Gewehr hoch. 

»Slattermill, ich gebe dir deine Donnerbüchse zu fressen, 

wenn du abdrückst!« brüllte der stämmige Marshal Morland. 
»Ihr schießt nur auf meinen Befehl!« 

»Wo ein Indianer ist, sind noch mehr«, widersetzte sich der 

mit der Büchse im Anschlag. 

»Du hast gehört, was ich sagte«, herrschte der Anführer den 

anderen an. 

Roter Elch ging gemessenen Schrittes weiter. Die Reiter 

verhielten ihre Pferde in einer Linie nebeneinander. 

»Warum dringt ihr hier ein?« fragte der Ute. »Warum stört 

ihr die Ruhe dieses Ortes?« 

Er hatte sich überlegt, daß Jeffords sicher nicht daran gelegen 

war, lang und breit zu erklären, was er hier suchte, daß er auf 

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der Jagd war, und daß acht Chiricahuas ihn verfolgten. 

Red Elk kannte die Sterne, die diese Männer trugen. Sie 

waren die Gesetzeshüter der Weißen. 

»Wir wußten nicht, daß hier ein heiliger Platz ist«, sagte der 

stämmige Anführer. »Wir hörten Gewehrfeuer und wollten 
nachsehen und helfen. Was ist denn passiert?« 

»Unwürdige störten diesen Ort«, antwortete Roter Elch 

würdevoll. »Er ist ein Stück des Totenreiches auf dieser Welt. 
Geht jetzt. Euch geschieht nichts, wenn ihr euren Weg 
fortsetzt. Wohin wollt ihr, Gesetzesmänner?« 

»Wir sind hinter sechs Mexikanern her«, erklärte Marshal 

Morland. »Die Kerle treiben sich irgendwo in dieser 
verdammten Gegend herum. Aber es gibt so viele Schluchten 
und Täler, daß ein normaler Mensch den Überblick verliert. 
Außerdem ist auch noch Cochise hinter den Mexen her. 
Warum, weiß ich nicht. Und ich weiß auch nicht, weshalb ich 
dir das alles erzähle.« 

Verärgert schob Morland seinen Stetson in den Nacken. 
»Es ist ein heiliger Ort, Gesetzesmann«, sagte Roter Elch 

geheimnisvoll. »Die unsichtbare Macht hieß dich sprechen. 
Überlasse Cochise die gelbhäutigen Männer aus dem Süden. Er 
wird sie nach dem Gesetz der Chiricahuas strafen. Und nun 
reitet. Es ist Zeit, ich fühle es.« 

Der U.S. Deputy Marshal zog sein Pferd herum. Seine 

Begleiter folgten ihm. Lediglich David Slattermill blickte 
wütend. Er hätte diesem verdammten roten Stinker zu gern eine 
Lektion erteilt. Aber Morland war der Boß. Und gegen den 
Marshal wagte Slattermill nicht aufzumucken. Er wollte den 
Bogen nicht überspannen. 

»Du bist gut«, sagte Jeffords, als er durch die Büsche brach. 

»So brauchen wir wenigstens keine dummen Fragen zu 
beantworten. Die sechs Mexikaner scheinen Schmuggler oder 
Banditen zu sein. Wenn ich nur wüßte, warum Cochise hinter 
den Kerlen her ist.« 

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»Aber du weißt es nicht«, sagte Roter Elch. »Bringen wir die 

Knochenreste nach deinen Sitten unter die Erde?« 

»Ja, und anschließend möchte ich mich mal genauer 

umsehen«, erwiderte Jeffords. »Vielleicht finden wir heraus, 
wer der Tote war.« 

John Haggerty saß leicht vorgeneigt im Sattel. Ein 
breitkrempiger Hut beschattete das Gesicht des Scouts. Er war 
nun schon drei Tage unterwegs. Haggerty wollte nach 
Einbruch der Dunkelheit nach Fort Buchanan zurückreiten. 

Das Land schien ruhig zu sein. Cochise hielt sein Wort, sechs 

Monate Frieden halten zu wollen. Natürlich war John auf 
streifende Apachen getroffen, aber nirgendwo hatte er tote oder 
ausgeplünderte Weiße oder Mexikaner gesehen. 

Unschlüssig musterte der Scout die karge Gegend, über der 

die Gluthitze wie eine Glocke hing. 

Okay, ich reite noch zu den Adams, dachte John. Ihre kleine 

Pferderanch liegt abseits. Vielleicht haben sie etwas bemerkt. 

Der breitschultrige Scout zupfte am Zügel. Der Rappe ging 

nun in Richtung Südwesten. 

Bis zu der Pferderanch mußte das Tier noch gut zwei 

Stunden traben. Aber dafür bekam es dort auch Wasser und 
gutes Körnerfutter. Slim und Eddie Adams waren noch junge 
Männer mit ausgeprägtem Geschäftssinn. Sie hatten das Land, 
auf dem ihre Ranch stand, einem Unterstamm der Tonto-
Apachen abgehandelt und bezahlt. Ein breiter, flacher Creek 
floß durch dieses Gebiet. Der Bach führte selbst in den 
trockensten Sommern Wasser. Das Geschäft war nur zustande 
gekommen, weil die Adams-Brüder den Tontos für ewige 
Zeiten das Recht zugesichert hatten, ihre Pferde dort tränken zu 
dürfen. 

Je näher John der Ranch kam, desto stärker spürte er die 

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Unruhe in sich. Ihm war, als müßte er sich beeilen, dem 
Rappen die Zügel freigeben, wenn er noch rechtzeitig 
eintreffen wollte. 

Haggerty drückte dem Schwarzen die Absätze in die 

Flanken, daß es sich streckte und weiter ausgriff. Sekunden 
später jagte es im gestreckten Galopp durch die Felsen- und 
Sandwildnis. 

Nach ein paar Meilen sog der Scout prüfend die Luft ein. Es 

roch nach Feuer und brennendem Holz. 

Hoffentlich ist den Adams nichts passiert, ging es John durch 

den Kopf. Sie züchten die besten Kavalleriepferde weit und 
breit. Die beiden haben eine gute Hand für diesen Job. 

Unermüdlich stampften die Beine des Rappen. Er schien sich 

in eine Maschine aus Fleisch, Blut und Muskeln verwandelt zu 
haben, zeigte noch keine Ermüdungserscheinungen. Aber 
Haggerty wußte, daß sein Pferd bald langsamer werden mußte. 
Denn es trug ihn schon den ganzen Tag. 

Wenig später entdeckte John die fadendünne Rauchwolke, 

die hinter einigen Hügeln aufstieg. 

»Nur noch über diese Hügel«, schrie er dem Pferd zu, »dann 

haben wir's geschafft.« 

Der Rappe prustete. Noch einmal mobilisierte er seine 

Kraftreserven, streckte sich und gewann die Steigungen in 
vollem Galopp. 

Hart schnitten die Ecken des Gebisses in seine Mundwinkel, 

als Haggerty an den Zügeln riß. 

»Heiliger Jason«, flüsterte der Scout, als er das Bild der 

Verwüstung unter sich sah. 

Die beiden Ställe waren ein Raub der Flammen geworden. 

Die kleine Schmiede, der Schuppen mit dem Futter und das 
Gästehaus, wie die Züchter die kleine Hütte hochtrabend 
nannten, standen lichterloh in Flammen. 

Noch war das Feuer nicht auf das eigentliche Wohnhaus 

übergesprungen. Aber der geringste Windstoß genügte, um 

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auch das letzte Hofgebäude auflodern zu lassen. Denn in der 
Gluthitze waren alle Bretter und Balken so ausgedörrt, daß 
schon ein Schwefelholz genügte, um sie in Brand zu setzen. 

Wild preßte John Haggerty dem Rappen die Absätze in die 

Weichen. Das Pferd scheute vor dem Brandgeruch, wollte zur 
Seite ausbrechen, aber der Scout zwang es auf die Ranch zu. 

Am vorderen Corral sprang John aus dem Sattel und schlang 

die Zügel um den Querbalken. Während der Scout auf das 
Wohnhaus zulief, suchte er den Boden nach Spuren ab. Sechs 
Pferde hatten hier gestanden. Die Hufabdrücke eines Tieres 
hatten sich nicht so tief wie die anderen in den Boden 
gegraben. Es sah so aus, als wäre es reiterlos gewesen. Wo aber 
waren Slim und Eddie? John hastete ins Wohnhaus. Nach 
wenigen Sekunden wußte er, daß die Brüder dort nicht waren. 

Er lief zur Schmiede, sprang vor, sah sich um und hörte ein 

Rauschen und Knarren. Haggerty blickte hoch. 

Der Atem stockte ihm. Denn der schwere Firstbalken senkte 

sich. Jeden Moment drohte er den Scout zu zermalmen. 

John rannte ins Freie. Krachend sauste das schwere Kantholz 

hinter ihm herab. Eine Garbe aus brennenden Stücken 
entfachte sich. 

Der Scout lief zum Gästehaus. Als er über die Schwelle trat, 

spürte er etwas Weiches unter seinen Füßen. John bückte sich, 
packte zu und zerrte den schweren Körper ins Freie. 

Es war Slim Adams. 
Haggerty drang noch mal in die Hütte ein. Sehen konnte er 

nichts. Die Luft war dunkel vor Rauch, der seine Lungen reizte 
und peinigte. Aber als John mit den Händen den Boden 
abtastete, fand er einen zweiten Körper. 

Keuchend und hustend schleppte er auch den anderen Bruder 

hinaus. 

Die beiden lagen nebeneinander. Ihre Oberkörper hoben und 

senkten sich nur langsam in flachen Atemzügen. Behutsam hob 
Haggerty Slim auf und trug ihn ins Wohnhaus. Anschließend 

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versorgte er Eddie, so gut er konnte. Die beiden brauchten viel 
frische Luft. 

Als Haggerty Eddie auf die gepolsterte Holzbank bettete, fiel 

ihm die eigroße Schwellung dicht über den Schläfenhaaren auf. 
Auch Slim war niedergeschlagen worden. 

John preßte die Lippen zusammen. Ein Rudel Banditen hatte 

sich hier frische Pferde besorgt. Hoffentlich kommen die 
beiden bald wieder zu sich, dachte John. Sie können dann 
wenigstens die Tiere beschreiben, auf denen die Outlaws 
weitergeritten waren. 

Doch zuerst galt es, das Feuer zu löschen. 
Der Scout lief hinaus und besah sich die Ställe und die 

Schmiede. Hier war nichts mehr zu retten. Aber das Gästehaus 
brauchte nicht bis auf die Grundbalken abzubrennen. 

In fieberhafter Eile suchte John Eimer. Der Creek war nur 

ein paar Yards entfernt. John stapelte alle möglichen Töpfe 
neben dem Corral auf, bevor er zwei Pferde aus dem Pferch 
holte. Wenig später trug jedes von ihnen vier Wassereimer. 
John schwang sich in den Sattel des Rappen. Der Scout hielt in 
jeder Hand ebenfalls einen Eimer. 

Mit Zungenschnalzen und lauten Zurufen trieb er die anderen 

Pferde zum Bach runter. Haggerty sprang auf den Boden und 
schöpfte mit weit ausholenden Bewegungen Wasser in die 
Eimer, bevor er seine Behälter füllte. 

Langsam führte er die Pferde zum Feuer zurück. Aber die 

zehn Eimer Wasser verzischten in der Gluthitze, als hätte ein 
Kind hineingespuckt. 

Haggerty gab nicht auf. Zum zweitenmal hetzte er die Pferde 

zum Bach und holte Wasser. 

Nur einen oder zwei Mann brauchte ich, dachte der Scout 

verbittert und zornig, dann bekämen wir das Feuer schon unter 
Kontrolle. 

Aber weit und breit war kein Mensch unterwegs, der helfen 

konnte. 

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Wirklich keiner? 
Durch das Prasseln der Flammen hörte John plötzlich 

Hufschlag. Der Scout ließ den Eimer fallen, sprang zu seinem 
Rappen und zog die Winchester aus dem Scabbard. Wenn die 
Feuerteufel zurückkehrten, sollten sie mit heißem Blei 
empfangen werden. 

Erleichtert atmete der Scout auf, als er Cochise und Naiche 

erkannte. Was führte den Chief der Chiricahuas zu dieser Zeit 
hierher? Für Sekunden flackerte Mißtrauen in John auf. Aber er 
nannte sich innerlich einen Narren, denn Apachen hätten alle 
Pferde mitgenommen und die beiden Züchter getötet. 

»Bruder«, rief Cochise und legte die rechte Hand in seine 

Herzgegend, »was ist geschehen?« 

»Holt Wasser«, bat John. »Reitet, so schnell ihr könnt! Ich 

möchte wenigstens etwas retten.« 

»Was ist mit den Männern?« wollte Naiche wissen. 
»Sie liegen im Haus, bewußtlos«, antwortete der Scout. 
Cochise beugte sich weit nach unten, nahm zwei Eimer auf 

und lenkte sein Pferd mit den Knien zum Creek. Naiche folgte 
dem Beispiel seines Vaters. Sekunden danach goß der Scout 
Eimer um Eimer in das Feuer. Dichter schwarzer Rauch wallte 
zum Himmel. Das Gästehaus war gerettet. Nun galt es, die 
abgebrannten Ställe so zu durchnässen, daß alle Funken 
erstickten. 

Wenig später hatte John Haggerty durch Cochises und 

Naiches Hilfe den Adams-Brüdern einen großen Teil ihres 
Besitzes gerettet. 

Der junge Krieger trat an den Corral. Nervös tänzelten die 

meisten Pferde. Der Brandgeruch, das Knistern des Holzes und 
das Prasseln der Flammen hatte die Tiere verschreckt. 

Lediglich sechs Pferde drängten sich in der entferntesten 

Ecke des Corrals dicht aneinander. Sie wirkten müde und 
abgetrieben. Naiches schwarze Augen funkelten, als er sich 
schlangengleich durch die Querstangen des Gatters wand. Der 

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Apache stieß kehlige Laute aus und sprach auf die Pferde ein, 
die sofort ruhiger wurden. 

Dicht vor den erschöpft wirkenden Tieren blieb Naiche 

stehen. Er täuschte sich nicht. Er brauchte auch nicht die Hufe 
abzuheben und nach den Markierungen zu sehen. 

Dieses waren die Pferde, hinter denen Naiche und sein Vater 

den ganzen Tag hergeritten waren. 

Langsam wandte sich der Krieger um und ging zurück. 
»Vater, hier endet die erste Spur. Ich habe die Pferde 

gesehen, als wir den ersten Mörder töteten. Sie haben sich neue 
Tiere geholt, sie sind frisch und ausgeruht und gewinnen einen 
großen Vorsprung.« 

Cochise hörte den Vorwurf, der in diesen Worten lag. Aber 

er entgegnete: »Die weißen Züchter werden uns die 
gestohlenen Pferde beschreiben. Zudem haben wir beide die 
Gelbhäutigen gesehen. Wir erkennen sie, wenn wir sie vor uns 
haben, Sohn.« 

Haggerty verstand einiges von der Apachensprache, aber er 

wußte nicht, ob er richtig gehört hatte. 

»Ihr seid auf dem Kriegspfad?« fragte der Scout ungläubig. 

»Was ist mit deinem Versprechen, Cochise?« 

»Falke«, antwortete der Chief, »du bist mein Bruder. Ich 

belüge dich nicht, niemals. Wir sind nicht auf dem Kriegspfad. 
Aber sechs Gelbhäutige aus dem Süden töteten eine Familie, 
einen tapferen Krieger, seine beiden Knaben und die Squaw. 
Der Vetter des Kriegers hält die Riten ab, die nötig sind, den 
Toten ihren Weg in die Ewigen Jagdgründe zu ebnen. Naiche 
und ich folgen den Mördern. Einer ist tot.« 

Haggerty sah den Häuptling lange an. 
Der ritt also auf der heißen Fährte der Rache. Das war kein 

Wortbruch gegenüber General Howard. 

Aber John war trotzdem besorgt. Wenn andere Weiße davon 

erfuhren, konnten sofort wieder zahllose Gerüchte die Runde 
machen und die trügerische Ruhe zerstören. 

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»Sechs Bleichgesichter suchen die Gelbhäute ebenfalls«, 

fuhr Cochise fort. »Diese Weißen tragen den Stern des 
Gesetzes. Ich habe ihnen verboten, den Mexikanern zu folgen, 
weil sie uns gehören, den Chiricahuas. Doch der Anführer gibt 
nicht auf. Er will seinen Befehl ausführen.« 

John nickte. Er wirkte besorgt, denn ein Aufgebot in diesem 

Land konnte genausogut wie jeder andere Vorfall wie eine 
Lunte wirken, die das Pulverfaß detonieren ließ. 

Aus dem Haupthaus drang ein Poltern, dem langgezogenes 

Stöhnen folgte. Cochise stand dicht am Fenster. Er wandte den 
Kopf und blickte in den Raum. 

»Also doch Indianer, verflucht«, sagte ein Mann gepreßt. 

»Ich habe das Kriegsgeschrei gehört, bevor mich die Kerle 
niederschlugen. Oh, verdammt, warum haben sie uns nicht 
gleich umgebracht?« 

»Du irrst, Adams«, sagte Cochise gelassen, »Gelbhäutige aus 

dem Süden überfielen euch. Sie stahlen fünf Pferde und ließen 
sechs abgetriebene dafür zurück. John Haggerty, der Falke, hat 
dir und deinem Bruder das Leben gerettet.« 

Mit keinem Wort erwähnte Cochise, daß er und Naiche dem 

Scout geholfen hatten, das Feuer einzudämmen. 

Der zweite Mann kam auch zu sich. Unsicheren Schrittes 

wankten die Brüder Adams aus ihrem Haus. Sie starrten 
entsetzt auf die verbrannten Ställe, die zusammengebrochene 
Schmiede und das angekohlte Gästehaus. 

»Nein«, stöhnte Slim, »das darf nicht wahr sein.« 
»Ihr lagt im Gästehaus«, erklärte John. »Zum Glück kam ich 

noch rechtzeitig. Cochise und Naiche trafen hinter mir ein. 
Ohne die beiden hätte ich das Feuer nicht löschen können.« 

Slim und Eddie reichten Cochise die Hände. Nach Art der 

Weißen nahm der Chief den Dank der Männer entgegen. 

»Welche Pferde fehlen dir, Adams?« fragte Naiche. »Wir 

sind auf der Fährte der Banditen. Sie sind Mörder. Mein Vater 
versprach, Frieden zu halten, für sechs Mondzeiten. Daher 

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können wir keine Krieger hinter den Gelbhäutigen 
herschicken.« 

Slim ging zum Corral und fluchte erbittert. 
»Die Burschen verstehen was von Gäulen«, rief der Züchter. 

»Sie haben die Fuchsstuten genommen.« 

Auch Eddie wurde wütend. Denn die fünf Fuchsstuten hatten 

die Adams-Brüder für eine ganz besondere Zucht vorgesehen. 

»Du bekommst deine Pferde zurück«, versprach Cochise und 

blickte die Brüder freundlich an. »Ich gebe mein Wort. Zudem 
erhaltet ihr die Hälfte der sonstigen Beute von uns. Die andere 
Hälfte steht dem letzten Verwandten der Toten zu. Du hast 
mein Wort, Adams. – Falke, reitest du mit uns?« 

Haggerty schüttelte den Kopf und antwortete: »Nein, ich 

muß zurück zum Fort. Aber ich halte die Augen offen. Wenn 
ich etwas sehe, gebe ich Rauchzeichen und warte, bis ihr 
kommt.« 

Naiche sagte: »Wenn du die Männer mit den Sternen siehst, 

Falke, so rate ihnen, umzukehren. Dies ist unsere Jagd, nach 
unseren Gesetzen.« 

John versprach, sein Möglichstes zu tun. Er und die Brüder 

Adams sahen zu, wie die Chiricahuas aufsaßen und 
davonritten. 

Cochise und Naiche hefteten sich an die Fährte. Sie wollten 

erst aufgeben, wenn ihr Schwur dem Stamm gegenüber erfüllt 
war. 

Wieder lag die Stille drückend über dem Canyon. Seit die 
Hufschläge der Aufgebotspferde verklungen waren, hatte sich 
nichts mehr gerührt. Selbst die Eule war verschwunden. 

Roter Elch grinste den Totenschädel an, der vor seinen Füßen 

dicht am Feuer lag. 

»Du warst ein guter Mann«, sagte der Ute zufrieden. »Du 

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warst so gut, daß du uns heute noch das Leben gerettet hast. 
Unser Dank wird dir gewiß sein.« 

»Woher weißt du, daß es ein Mann war?« fragte Jeffords 

erstaunt. 

Red Elk stand auf, schlenderte zu den Sträuchern, wandte 

sich um und sagte: »Komm, Thomas Jeffords, ich zeige es dir.« 

Neugierig folgte der Postmeister dem Ute. Thomas konnte 

sich nicht vorstellen, wie der Indianer an einem Skelett den 
Unterschied der Geschlechter feststellen wollte. 

»Sieh diese Knochen«, sagte Roter Elch, »sie sind schmal, 

passen zu den übrigen Teilen. Eine Squaw besitzt hier viel 
breitete Knochen.« 

Der Ute ließ den Totenschädel einfach fallen und stieß mit 

den Händen gegen seine Hüftknochen. 

»Glaube mir, Jeffords, ich habe schon viele Tote gesehen, 

Krieger und auch Squaws.« 

»Mich interessiert, wer der Mann war«, sagte der Postmeister 

nach einer Weile. »Aber zuerst frühstücken wir und bringen die 
Knochen unter die Erde.« 

Roter Elch folgte Jeffords zum Feuer. Der Speck war soweit. 

Thomas ließ Bohnen aus einem kleinen Leinensäckchen in die 
Pfanne rutschen. Der Kaffee duftete schon verführerisch. 

Wenig später hatten die Männer gefrühstückt und wuschen 

das Geschirr in der Quelle aus. 

»Eine Schaufel habe ich nicht«, sagte Jeffords stirnrunzelnd, 

»aber die Pfanne wird es auch tun.« 

Abwechselnd schaufelten der Ute und Thomas den Sand 

beiseite und hoben eine Grube aus, die vielleicht anderthalb 
Yards lang, einen halben breit und drei Fuß tief war. 

»Das reicht«, sagte Jeffords und richtete sich auf, um den 

Schweiß vom Gesicht zu wischen. 

Der Ute sammelte die Knochen ein, legte sie so in das Grab, 

daß sie ungefähr zusammenpaßten. 

»Willst du ein Gebet sprechen?« fragte Red Elk. 

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Der Postmeister schüttelte den Kopf. Sicher hatte der Ute 

diese Sitte während seiner Kundschafterzeit beim Militär 
gelernt. 

Gemeinsam schaufelten sie die Grube zu. 
»Jetzt möchte ich doch wissen, wer der Mann war«, sagte 

Thomas. »Durchsuchen wir die Hütte. Vielleicht finden wir 
einen Hinweis.« 

Roter Elch ging auf die zundertrockenen Balken zu, wuchtete 

einen hoch und warf ihn bald anderthalb Yards weit. Der Mann 
verfügte über ungeheure Kräfte, stellte Jeffords fest. 

»Hier liegt Metall«, sagte der Ute nach einer Weile. 
Thomas ging zu dem Indianer und blickte die Bügelfalle an, 

deren Auslösestellen verrostet war. Das Fangeisen mußte also 
länger als ein halbes Jahr dort gelegen haben. Denn in 
trockener Luft dauert es lange, bis ein Stück Eisen rostet. 

Jeffords half dem Ute, einen schweren Balken zur Seite zu 

heben. Als der Indianer zurückging, gab der Boden unter ihm 
plötzlich nach. Roter Elch stand bis zu den Hüften in einem 
Loch. 

»Uff, eine Menschenfalle!« 
Der Postmeister half dem Ute heraus und beugte sich weit 

vor. 

»Felle, noch mehr Fallen, Messer, Abhäuteschaber und viele 

Dinge mehr«, sagte Jeffords. »Der Tote war ein Trapper.« 

Gleichgültig nickte Red Elk. Er wußte, daß die Jahreszeiten 

jede Spur verwischt hatten. Es gab keine Möglichkeit 
festzustellen, wie der Trapper gestorben war. Vielleicht war es 
sogar Mord gewesen, aber die Knochenreste waren unversehrt. 
Doch das besagte nicht viel. Denn ein Messerstich ins Herz 
war einem Skelett nicht mehr anzusehen. 

»Ich habe keine Lust mehr zur Jagd«, sagte Jeffords, als sie 

wieder am Feuer standen. »Ich bin lange genug weg von der 
Paßstation. Reitest du mit mir, Roter Elch?« 

»Ich danke dir«, erwiderte der Ute würdevoll, »und nehme 

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dein Angebot an. Du bist ein guter Mensch, der nichts gegen 
meine Hautfarbe hat. Aber was werden die anderen 
Bleichgesichter sagen, wenn du mit mir dort eintriffst?« 

»Das kümmert mich nicht«, antwortete Jeffords. »Ich bin der 

Stationsverwalter. Das genügt.« 

»Du bist der Mann, den Cochise in seinem Zorn beinahe 

getötet hätte«, stellte der Ute fest und schaute Jeffords prüfend 
an. »Bist du sicher, daß die zehn Krieger nicht auf seinen 
Befehl handelten? Sein Versprechen, den Frieden zu bewahren, 
schließt Einzelfehden nicht ein.« 

Der Postmeister verzog das Gesicht, als hätte er Essig 

getrunken. Daran hatte Thomas noch gar nicht gedacht. Aber 
eine solche Schurkerei traute er Cochise nun doch nicht zu. 
Begegneten sie sich irgendwo in der Einsamkeit, dann konnte 
es leicht zu einem Duell kommen. Aber einem Trupp Krieger 
hätte der Jefe niemals den Befehl gegeben, für ihn Rache zu 
üben. 

»Wenn ich je herausfinde, wie sich die Nachrichten in 

diesem menschenleeren Land so schnell herumsprechen«, sagte 
Jeffords, »brauchen wir keine Telegrafenlinien mehr.« 

Roter Elch verschwand wie ein Schatten hinter den Büschen. 

Minuten später kam er mit einem herrlichen Apfelschimmel 
zurück, der bereits gesattelt war. Erfreut sah der Ute, wie 
Jeffords den Hengst bewunderte. 

»Für ein paar gute Stuten braucht Roter Elch die 

Metallscheiben der Weißen«, sagte der Ute bedächtig. »Ich 
kenne ein Tal weit im Nordwesten, in dem süßes Blaugras 
wächst und das Wasser immerzu fließt. Selbst der zornige 
Winter mit seinen tobenden Stürmen erreicht dieses Tal nicht. 
Dort wird Roter Elch Pferde züchten. Der Häuptling meines 
Stammes hat schon mit den Bleichgesichtern verhandelt. Ihnen 
ist das Tal zu klein, zu eng. Es gehört uns für alle Zeiten.« 

Der Krieger machte eine Pause und fragte dann verwundert: 
»Warum müßt ihr Weißen alles so groß beginnen? Laßt doch 

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der Natur ihren Lauf. Sie gab uns Indianern alles, was wir 
brauchten. Aber jetzt bekommen die Menschen meiner Rasse 
schlechtes Essen in den Reservaten. Sie werden alt und krank 
davon. Als wir nur die Nahrung besaßen, die uns die Natur gab, 
lebten unsere Ältesten hundertdreißig Sommer und mehr. Aber 
nun, da sie das weiche Fleisch der kranken Tiere der Weißen 
essen, werden auch die Kinder des Großen Geistes krank und 
siechen dahin. Heißt das, daß unsere Zeit abgelaufen ist? In 
diesem unendlichen Land schuf Manitu viele rote Völker und 
gab ihnen Raum zum Leben. Für die Bleichgesichter sah er 
kein Stück vor. Zuerst nahmt ihr das Land, das im 
Sonnenaufgang liegt. Ihr branntet alte Bäume nieder, 
vernichtetet die Freunde des Indianers und pflanztet Getreide. 
Immer weiter drangen die unersättlichen Menschen vor. Es ist 
vorbei mit den Zeiten des freien Umherschweifens. Wir 
können der weißen Flut nichts entgegensetzen. Denn ihre 
Zungen sind gespalten, und das Papier ihrer Verträge ist so viel 
wert wie ein entkommenes Wild.« 

Betroffen hatte Jeffords zugehört. Er kannte die endlose 

Kette gebrochener Verträge, Versprechungen und Schwüre, mit 
denen die Indianer immer weiter zurückgedrängt wurden. Aber 
den Weißen trieb eine merkwürdige Unrast immer weiter, 
gleichgültig wohin. 

Die Rothäute schafften es nicht, sich auf gemeinsames 

Vorgehen zu einigen. Jahrhundertealte Fehden verhinderten, 
daß sich die Stämme zu einer einzigen Front 
zusammenschlossen, zu einer Front, die sämtliche Weiße 
hinweggefegt hätte. 

»Reiten wir«, sagte Jeffords. »Ich bin ein Freund der roten 

Männer. Aber meine Haut ist weiß, und ich denke auch wie ein 
Weißer. Doch ich bin sicher, daß deine Rasse, Roter Elch, und 
meine eines Tages friedlich nebeneinander leben werden.« 

Der Ute lächelte nur. In seinen Augen stand ein Wissen, dem 

Jeffords nichts entgegenzusetzen hatte. 

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Die Pferde trabten an, als sie die Hacken ihrer Reiter in den 

Flanken spürten. Jeffords ritt voraus. Er nahm den gleichen 
Weg, den er tags zuvor benutzt hatte, und der sich wie eine 
Schlange durch die Berge wand. 

Als die Pferde den großen Canyon erreichten, atmete der 

Postmeister erleichtert auf. Er hatte es geschafft, leider ohne 
Wild, ohne Beute, aber dafür besaß er noch seinen Skalp. 

Jeffords ritt auf den Apache-Paß zu. Red Elk folgte dem 

Postmeister in kurzem Abstand. 

Die Pferde waren ausgeruht und schafften die Steigung, ohne 

auch, nur einmal anzuhalten. 

Eine Kutsche stand vor dem Stationshaus. Walker spannte die 
müden Deichselpferde aus und führte sie in den Corral. Von 
den Passagieren war nichts zu sehen. Sie saßen sicher im 
Gastraum und ließen sich eine Mahlzeit schmecken. 

»Ho, der Boß ist zurück!« rief Walker lauthals und ließ die 

Pferde allein weitergehen. 

Er lief auf Jeffords zu, umrundete die Schimmelstute in 

respektvollem Abstand und schüttelte den Kopf, als er den Ute 
ansah. 

»Hör mal, Thomas«, sagte Walker bedächtig, »du wolltest 

doch Wild schießen. Statt dessen kommst du mit einer Rothaut 
zurück.« 

»Paßt dir das nicht?« fragte Jeffords. 
»Es ist mir egal, verdammt noch mal«, maulte Walker, »aber 

verlange nicht von mir, daß ich den Kerl kochen oder braten 
soll. So was mache ich nicht. Wenn das dein Wild ist, mußt du 
ihn schon selbst zubereiten.« 

Roter Elch grinste über das ganze Gesicht. Er hielt plötzlich 

seinen Tomahawk in der Rechten und sagte: »Thomas Jeffords, 
deine Beute wehrt sich, wenn du sie in eine Pfanne stecken 

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willst.« 

»Englisch kann er auch«, stöhnte Walker, »das wird ja 

immer toller. Wo hast du den Burschen aufgegabelt, Boß?« 

»Später. Das ist 'ne lange Geschichte, Norbert«, antwortete 

der Postmeister. »Zuerst die Kutsche und die Passagiere. Wie 
viele sind es überhaupt?« 

»Drei. Ein süßes, schnuckeliges Tanzhallengirl«, sagte 

Walker und verdrehte schwärmerisch die Augen. »Dann noch 
ein sauertöpfischer Methodisten-Prediger und ein Bursche, den 
ich für einen Revolverschwinger halte.« 

Kopfschüttelnd wies Jeffords auf das geöffnete Fenster des 

Gastraumes. Die Passagiere hatten jedes Wort verstanden. Und 
die meisten Revolverhelden reagierten empfindlich, wenn man 
sie mit herabsetzenden Worten titulierte. 

Aber es geschah nichts. 
Walker zuckte mit den Achseln und machte die Geste des 

Ausspuckens. Ihm war vollkommen egal, was die Leute von 
ihm hielten. 

Jeffords saß ab. Der Ute nahm den Zügel der Schimmelstute 

und führte sie zum Stall, wo der Indianer die beiden Pferde 
versorgte. Zuerst sah Walker ein paar Minuten mißtrauisch zu. 
Aber danach wußte er, daß der Indianer diese Arbeit nicht zum 
erstenmal machte. Norbert holte die ausgeruhten 
Gespannpferde aus der Koppel und schirrte sie an. Aus den 
Augenwinkeln bemerkte Norbert, daß Jeffords die Gaststube 
betrat. 

»Maritoba Jones!« rief Thomas erfreut und ging auf den 

Kutscher zu. »Wie sieht es unterwegs aus? Seid ihr überall gut 
durchgekommen?« 

Der Fahrer bestätigte, daß sich die Apachen zur Zeit ruhig 

verhielten. 

Thomas wandte sich an die drei Gäste, die ihren Kaffee 

tranken. In wenigen Minuten ging es weiter. 

»Lady, Gentlemen«, sagte der Postmeister, »ich bin Thomas 

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Jeffords, der Leiter dieser Station. Ich hoffe, unser Essen hat 
Ihnen geschmeckt.« 

Das Flittergirl nickte und trank ihren Kaffee. Der angebliche 

Revolverschwinger rührte sich gar nicht. Er hielt den Kopf 
gesenkt und schien hingebungsvoll den Kaffee zu studieren. 

»Der Herr sorgt für die Seinen«, verkündete der Prediger 

salbungsvoll. »Er nährt die Vögel, die nicht säen, nicht ernten, 
und er nährt auch uns.« 

Das Mädchen stand ungeschickt auf und stieß an den Arm 

des Revolvermannes, der gerade die Kaffeetasse zum Mund 
führte. Für einen Moment sah der Fremde hoch, murmelte aber 
kaum hörbar: »Schon gut, Miss, macht nichts.« 

Seine Stimme hatte flach und kalt geklungen. 
Jeffords drehte sich Maritoba Jones zu und krümmte den 

Zeigefinger in Richtung Tür. Der Kutscher nickte unmerklich. 
Sein Beifahrer und Wächter räusperte sich kurz. Die beiden 
hatten verstanden. 

Hoffentlich ist dem Coltman die kurze Verständigung 

entgangen, dachte Thomas. 

»Ich sehe mal nach den Gäulen«, dröhnte Maritoba Jones 

Stimme. »Ich will nicht wieder solche Ziegenböcke wie bei der 
letzten Fahrt von Walker bekommen. Wenn die Biester nichts 
taugen, gäbe ich sie Norbert stückweise zu fressen.« 

»Ich komme mit«, sagte der Beifahrer. 
»Ich habe die Pferde gesehen«, sagte Jeffords, »sie sind 

einwandfrei, Jones. Du kannst dich selbst davon überzeugen. 
Los, komm schon.« 

Gemeinsam verließen die drei Männer den Gastraum und 

gingen zur Kutsche. 

»Was ist los?« fragte Jones leise. 
»Dieser Revolverheld«, antwortete Jeffords. »Ich habe sein 

Gesicht schon mal auf 'nem Steckbrief gesehen. Laßt euch nur 
nicht auf Verdruß mit ihm ein. Aber in Tombstone verständigt 
ihr den Sheriff, klar? Solche Typen bringen nur Unruhe ins 

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Land.« 

»Weißt du, wer der Bursche ist?« fragte der Beifahrer. 
»Ich denke, Claude Atkins«, antwortete Thomas. »Er ist ein 

Killer, der für Dollars jeden Auftrag erledigt. Bleibt wachsam, 
Freunde, sonst schickt er euch zur Hölle.« 

»So einfach geht das auch wieder nicht«, brummte Maritoba 

Jones und kümmerte sich um die Pferde. 

»Die Tiere sind gut«, gab er schließlich zu. »Von mir aus 

können wir weiterfahren. – He, Leute nach Tombstone 
einsteigen! Wenn ihr eine brodelnde Hölle erleben wollt, müßt 
ihr euch beeilen. Ich fahre in einer Minute.« 

Der Methodisten-Prediger kam gemessenen Schrittes ins 

Freie. Er hielt dem Flittergirl zuvorkommend den Wagenschlag 
auf und ließ ihr den Vortritt. 

Der Coltschwinger kam als letzter aus der Station. Noch 

immer beschattete die Krempe des Hutes sein Gesicht. Aber für 
eine halbe Sekunde sah der Killer den Postmeister an. Nun 
wußte Jeffords es endgültig. Dieser Mann war Claude Atkins, 
der eiskalte, skrupellose Mörder. 

Hoffentlich hat er nichts bemerkt, dachte Thomas besorgt. Er 

verfolgte, wie sich Atkins geschmeidig in den Wagenkasten 
schwang. 

Maritoba Jones ließ die Peitsche knallen. Die sechs 

Gespannpferde stemmten sich in die Geschirre. Knirschend 
mahlten die Eisenreifen über Sand und Gestein. 

Das letzte, was Jeffords von dem Coltman sah, war ein 

spöttischer Blick. 

Maritoba Jones fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Der 
Fahrer spürte, daß etwas in der Luft lag. Auch der Begleitmann 
saß mit eingezogenem Kopf auf dem Kutschbock und fingerte 
nervös an den Hähnen seiner Parkerflinte herum. 

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Die Pferde gingen im gleichmäßigen Rhythmus. Len 

Lindfors, der Begleiter, nestelte eine lange, dünne Zigarre aus 
seiner Jackentasche, schob sich den Glimmstengel in den 
Mundwinkel und riß am Sitzbrett ein Schwefelholz an. 

Len hatte kaum zwei Züge gemacht, als die kleine 

Glasscheibe hinter ihm zerklirrte. Der Beifahrer rutsche zur 
Seite, wandte den Kopf und kaute heftig auf seiner Zigarre, als 
er in die Mündung starrte. 

»Anhalten!« fauchte der Revolvermann. »Sofort, sonst 

bekommt einer von euch 'ne Kugel.« 

Atkins stand in der Kutsche. Durch das kleine Fenster, das 

zum Kutschbock hin lag, konnte er Jones und auch Lindfors 
erwischen, wenn er feuerte. 

»Mann, was soll das?« fragte Maritoba heiser. »Wir rollen 

doch gerade so schön.« 

»Ich sag's nicht noch mal«, warnte Atkins mit kalter, 

schneidender Stimme. 

Knackend rastete der Hahn ein. 
Jones wechselte einen Blick mit Lindfors. Der zuckte 

resigniert mit den Achseln. Was sie auch versucht hätten, der 
Coltschwinger wäre schneller gewesen. 

Maritoba zügelte das Gespann. 
Die Kutsche wurde langsamer, kroch nur noch dahin und 

stand schließlich. Jones riß den großen Bremshebel hoch. Die 
Räder waren blockiert. 

»Jetzt hast du deinen Willen, Mann«, sagte der Fahrer. »Wie 

geht dein komisches Spielchen weiter?« 

Atkins gab keine Antwort. Er ließ den Colt sinken und befahl 

dem Prediger und dem Tanzhallengirl: »Steigt aus! Los, macht 
schon!« 

»Mein Sohn, was hast du vor?« fragte der Prediger. »Denk 

immer an das Wort: Wer mit dem Schwert lebt, wird durch das 
Schwert umkommen.« 

»Spar dir dein Gewäsch für alte Weiber auf«, knurrte Atkins. 

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»Raus mit euch, aber schnell!« 

Maritoba holte tief Luft und rief: »Verdammt, Mister, was 

soll das? Wir haben keine wertvolle Fracht an Bord. Und die 
paar Bucks in unseren Taschen reichen für ein halbes Dutzend 
Drinks, mehr nicht. Wenn das ein Hold-up sein soll, hast du dir 
die falsche Kutsche ausgesucht!« 

»Runter vom Bock!« zischelte Atkins. »Und kommt nicht 

auf dumme Gedanken, sonst habt ihr die längste Zeit gelebt.« 

Widerwillig kletterte Lindfors runter. Jones folgte ihm. Sie 

stellten sich etwas seitlich von dem Girl auf. 

»Ihr haltet mich wohl für blöde, wie?« fragte Atkins und 

grinste verzerrt. »Ich habe genau gesehen, daß euch der 
Briefträger in der Station was geflüstert hat. Nur darum seid ihr 
rausgegangen.« 

Jones sah den Outlaw erstaunt an, blickte zu Len Lindfors 

und vollführte mit dem Zeigefinger eine kreisende Bewegung 
an seiner Schläfe. 

»Der spinnt«, sagte Maritoba, »oder er hat eine blühende 

Phantasie.« 

»Du kannst mich nicht reizen.« Atkins winkte ab. »Ich lasse 

euch keine Chance.« 

Jones seufzte. »Paß auf, Mister, du setzt dich jetzt wieder 

friedlich in die Kutsche, und wir fahren weiter. Niemand trägt 
dir nach, daß du durchgedreht bist. Okay?« 

»Ich will wissen, was euch der Postmeister gesagt hat«, 

forderte Atkins scharf. »Vergeßt nicht, daß ihr für die 
Passagiere Verantwortlich seid.« 

Maritobas Gesicht wurde ausdruckslos. Genau das hatte er 

befürchtet. Wenn Claude Atkins auf die Passagiere losging, 
mußte er – Maritoba – reden. Er durfte das Leben Unbeteiliger 
nicht gefährden. 

»Es ging um die Gäule, weiter nichts«, sagte Lindfors. »Und 

wenn du das nicht glaubst, ist das deine Sache, Mister.« 

»Ich will die Wahrheit wissen«, drängte Atkins flach. »Ich 

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bekomme sie schon raus. Paßt mal auf, ihr beiden Spaßmacher. 
Der Prediger hat sicher keine Angst vorm Sterben. Und was 
kümmert mich schon so ein Kerl, der nur dummes Zeug von 
sich gibt.« 

Mit zwei langen, gleitenden Schritten gelangte Atkins vor 

den Mann in Schwarz, hob den Revolver und schlug ihm den 
Lauf auf die Schulter. 

Der Prediger stöhnte und brach in die Knie. 
»Das war 'ne Warnung, Leute«, krächzte der Outlaw. »Wie 

ist es jetzt mit der Wahrheit?« 

Der Killer wartete nur ein paar Sekunden. Als keine Antwort 

kam, versetzte er dem Prediger einen Fausthieb in die Seite. 

»Es geht noch weiter!« warnte Atkins. »Er ist noch lange 

nicht fertig.« 

»Hör auf!« brüllte Maritoba Jones. »Was hat dir der Mann 

getan? Laß ihn in Ruhe, du verdammte Ratte.« 

Atkins grinste breit. Nun hatte er die Kerle da, wo er sie 

hinhaben wollte, »Packt aus, Freunde«, forderte er, »dann 
bleibt ihr ungeschoren.« 

»Jeffords erkannte dich, Claude Atkins«, begann Maritoba 

zögernd. »Er sah dich auf einem Steckbrief. Wir sollten in 
Tombstone den Sheriff benachrichtigen. Das ist alles.« 

Der Killer war sichtlich erleichtert. Es ging um seinen Kopf. 

Er mußte alles tun, um seinen Vorsprung zu vergrößern. Denn 
er nahm an, daß die Männer der Paß-Station bereits zu diesem 
Zeitpunkt hinter der Kutsche herjagten. 

»Schirrt mir zwei Pferde aus!« befahl Atkins. 
»Bist du verrückt?« erkundigte sich Len. »Das sind 

Gespanngäule. Darauf kannst du kaum reiten. Außerdem haben 
wir keinen Sattel.« 

»Zwei Pferde!« wiederholte Atkins scharf. »Beide müssen 

Zügel an den Gebißstücken haben. Kapiert?« 

Langsam gingen Lindfors und Maritoba nach vorn. Die zwei 

vordersten Pferde ließen sich geduldig ausspannen. Jones 

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richtete erst die Riemen und Leinen der übrigen vier Gäule, ehe 
er Zügel an die Gebißstangen knüpfte. 

»Bring sie her!« zischelte Atkins. 
Er behielt die Männer ständig im Auge, so daß sie keine 

Möglichkeit hatten, mit den Pferden etwas anzustellen. 

»Wie heißt du?« fragte der Coltman das Flirtergirl. 
»Kate Chandler.« 
»Okay, Kate, wir bleiben in der nächsten Zeit zusammen«, 

sagte der Outlaw grinsend. »Wenn du meine Befehle befolgst, 
passiert dir nichts. Stellst du dich quer, geht's dir dreckig. Ich 
kenne eine Menge Dinge, die für dich ziemlich unangenehm 
werden könnten.« 

Das Mädchen wich unwillkürlich zurück, hob abwehrend 

beide Arme, streckte sie aus und rief: »Nein, nein, ich will 
nicht mit. Ich habe Ihnen nichts getan. Warum lassen Sie mich 
nicht in Ruhe?« 

Atkins lachte rauh und antwortete: »Wenn die Kerle von der 

Station die Verfolgung aufnehmen, zeige ich dich vor. Sie 
werden sich hüten, mir zu nahe auf den Pelz zu rücken. Du bist 
ein besseres Druckmittel als der alte Geier in Schwarz.« 

»Mensch, laß sie doch hier«, sagte Maritoba Jones. »Bevor 

die Leute von der Station hier sind, hast du einen großen 
Vorsprung, wenn du in die Berge reitest. Da brauchst du das 
Girl doch nicht, Atkins.« 

Ein gemeines Grinsen verzerrte das Gesicht des Banditen. 
»Das denkst du dir auch nur, Mann. Wenn ich allein bin, 

fange ich mir 'ne Kugel aus dem Hinterhalt ein. Kate ist meine 
Lebensversicherung. – Los, Mädchen, auf einen Gaul! Warte, 
bis ich komme!« 

Unsicher ging Kate Chandler auf das schwere Gespann zu. 

Behende kletterte sie auf den breiten Rücken des Tieres und 
nahm die Zügel auf. 

»Schnallt eure Gurte ab!« befahl Atkins. »Werft sie rechts 

den Hang runter! Anschließend nehmt ihr vorsichtig eure 

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Gewehre und laßt sie ebenfalls runterrutschen. Ich habe keinen 
Appetit auf heißes Blei.« 

Maritoba und Lindfors sahen sich kurz an. Sie wußten, daß 

sie keine Chance gegen diesen Revolvermann hatten. Also 
befolgten sie dessen Aufforderung. 

Der Prediger lag bewußtlos am Boden. 
»In den Kasten mit euch!« rief Atkins. 
Len und Jones stiegen in die Kutsche. 
»Dieser Kerl denkt an alles«, sagte Maritoba Jones wütend. 

»Bis wir wieder draußen und an unseren Gewehren sind, ist er 
schon zwischen den Felsen verschwunden. Verdammtes 
Miststück!« 

Atkins sprang aus dem Stand auf den Pferderücken. Der 

Revolver wies auf die Kutsche. 

»Los, Kate«, befahl der Killer, »nach links, in den 

Einschnitt! Und reite richtig. Wenn ich sehe, daß du es dem 
Gaul schwer machst, bekommst du Prügel.« 

Das Mädchen preßte die Absätze in die Flanken des Pferdes. 

Nach ein paar Schritten hatte es sich an die ungewohnte Last 
gewöhnt und ging gleichmäßig voran. Atkins wartete, bis nur 
noch der helle Schweif des Tieres zu sehen war und trieb sein 
eigenes Pferd an. 

Sekunden später hörten Jones und Len nicht mal mehr den 

Hufschlag. Die Bergwildnis hatte die beiden verschlungen. 

Thomas Jeffords fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Ruhelos 
lief er vor der Station auf und ab. Er schien Norbert Walker 
und Burt Kelly, die ihn beobachteten, gar nicht zu sehen. 

Schließlich betrat der Postmeister den Gastraum, ging zu 

dem Tisch, an dem der Revolvermann gesessen hatte, und 
blickte aus dem Fenster. 

Verflucht, dachte Thomas, dieser Killer hat sicher gehört, 

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wie ich Maritoba Jones den Tip gab. 

Die bangen Ahnungen verdichteten sich bald zur Gewißheit. 

Jeffords eilte wieder hinaus, ging zum Stall und sattelte die 
Schimmelstute. Am Zügel führte er sie ins Freie. 

»Du hast verloren«, sagte Walker triumphierend zu Burt. 

»Also, rück den Dollar raus.« 

»Was ist denn mit euch los?« wollte Jeffords wissen. 
»Nun, wir haben darum gewettet, daß du hinter der Kutsche 

herreiten wirst«, antwortete Walker. »Burt hielt dagegen. Jetzt 
reitest du, Boß, und ich habe einen schönen, runden Dollar 
gewonnen.« 

»Du willst doch nicht allein losziehen, wie?« erkundigte sich 

Kelly. 

»Doch, ihr beide bleibt hier«, erwiderte Thomas. »Die 

Kutschen müssen versorgt werden. Alles geht weiter seinen 
normalen Gang. Ich suche Atkins. Wenn er nichts gemerkt hat, 
bleibe ich hinter der Kutsche zurück und folge ihr bis 
Tombstone.« 

»Und wenn der Halunke schon auf und davon ist?« wollte 

Walker wissen. 

»Dann bleibe ich auf seiner Spur, bis ich ihn habe«, 

versprach Jeffords grimmig. »Das bin ich der Gesellschaft 
schuldig. Immerhin trage ich eine gewisse Verantwortung für 
die Sicherheit der Passagiere.« 

»Nimm besser 'ne Winchester mit«, riet Walker. »Deine 

Sharps ist zwar auf große Entfernungen eine feine Waffe, aber 
jetzt kommt es darauf an, ein paar Kugeln in Reserve zu 
haben.« 

Jeffords schwang sich in den Sattel und wartete, bis Norbert 

Walker ihm die Winchester brachte. 

»So long, Boß«, sagte Burt Kelly, »laß dich nicht von dem 

verdammten Killer erwischen. Schieß zuerst, wenn du ihn 
siehst.« 

Der Postmeister hob grüßend die linke Hand und ließ die 

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Schimmelstute angehen. Im Trab lief sie die Paßstraße nach 
Westen hinunter. Jeffords achtete nicht auf die herbe Schönheit 
der Landschaft. Er beschäftigte sich mit dem Revolvermann 
Claude Atkins, dem steckbrieflich gesuchten Mörder. 

Beiderseits des Weges ragten Kiefern mehr als mannshoch 

auf. Ihre Wurzeln umklammerten sich in Felsspalten, in die der 
Wind gute Erde geweht hatte. Bergkräuter wucherten 
breitblättrig an feuchten Stellen, und ab und zu glänzte eine 
gelbe Nachtkerze im Sonnenschein golden auf. 

Ich muß ihnen helfen, wenn er sie bedroht, dachte Jeffords. 

Es ist meine Pflicht. Es genügt nicht, auf der Station den 
Postmeister zu spielen. Dazu gehört mehr. 

Ja, so dachte der ehemalige Scout. Er war ein Mann, auf den 

sich die Butterfield Overland-Line verlassen konnte. 

Ein mächtiges, kahles Felsmassiv ragte vor dem Reiter auf. 

Der Weg beschrieb eine Biegung, wand sich um diesen 
gewaltigen Brocken herum und führte danach direkt Richtung 
Tombstone. 

Jeffords zügelte sein Pferd vor der Biegung. Er ahnte, daß er 

zu spät kam. Im Schritt ließ er die Schimmelstute weitergehen, 
während er die Winchester aus dem Scabbard zog und 
schußbereit auf dem Oberschenkel aufstützte. 

Da stand die Stagecoach. 
Der Postmeister preßte die Lippen zusammen. Ein schwarzes 

Bündel lag am Boden. Die Kutscher kümmerten sich um den 
Mann. Es mußte der Prediger sein. 

Hatte Atkins den Mann Gottes erschossen? Und wo war das 

Mädchen? 

Als Maritoba Jones den Hufschlag hörte, wirbelte er herum 

und riß den Colt hoch. 

»Jeffords, Gott sei Dank!« rief der Fahrer. »Ich dachte schon, 

der verdammte Halunke käme zurück. Beinahe hätte ich dir 'ne 
Kugel verpaßt.« 

Thomas glitt aus dem Sattel und beugte sich über den immer 

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noch bewußtlosen Prediger. 

In diesem Moment flatterten die Lider. Der Mann kam zu 

sich. Ein leises Stöhnen drang über seine Lippen. Unsicher 
tasteten die Hände umher, berührten das Kinn und fielen 
schlaff auf den Oberkörper. 

»Wie ist das passiert?« fragte Jeffords grimmig. 
Jones erzählte mit wenigen Sätzen, wie Claude Atkins sie 

zum Anhalten gezwungen hatte. 

»Er schlug wie ein Irrer auf den Prediger ein, Thomas«, 

schloß der Fahrer, »wenn wir nicht geredet hätten, wäre der 
Priester jetzt tot. Und das Girl nahm er als Faustpfand mit. 
Falls er verfolgt wurde, wollte er sie als Druckmittel benutzen. 
Sie heißt Kate Chandler und wollte nach Tombstone. Dort 
hinten, in diese Felsspalte sind sie geritten.« 

Jeffords spürte kalte Wut in sich aufsteigen. Es genügte 

offenbar nicht, daß er sich mit den Apachen herumschlagen 
mußte, um die Kutschen sicher an ihre Ziele zu bringen. Nun 
mußten ihm auch noch weiße Mörder das Leben 
schwermachen. 

»Ich hole mir den Lumpen«, sagte der Postmeister 

entschlossen. »Und wenn ich noch so lange reiten muß, ich 
hole diesen verdammten Killer ein und bringe ihn verschnürt 
nach Tombstone.« 

Der Prediger stöhnte laut und richtete sich auf. Blut rann ihm 

über das Gesicht. 

»Sei vorsichtig, mein Sohn«, sagte der Mann in Schwarz mit 

unsicherer Stimme, »er ist eine Ausgeburt der Hölle und tötet 
ohne Skrupel. Er achtet nicht Gottes Gesetze und nicht die der 
Menschen.« 

»Sobald Sie wieder einigermaßen klar sind«, sagte Jeffords, 

»setzt die Kutsche die Fahrt nach Tombstone fort. Ihr schafft es 
auch mit vier Gespannpferden.« 

Maritoba Jones blickte den Postmeister kopfschüttelnd an. 
»Du willst allein hinter diesem Halunken her?« fragte der 

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Fahrer. »Er gehört zur anderen Sorte, Thomas. Er kämpft nicht 
fair. Der feuert aus dem Hinterhalt, sobald er auch nur einen 
Zipfel von dir sieht.« 

»Ich muß«, entgegnete Jeffords hart. »Ich habe die 

Verantwortung für die Linien in dieser Gegend und für die 
Sicherheit zu sorgen. Wenn sich herumspricht, daß die Männer 
der Butterfield Line Schwächlinge sind, haben wir bald keine 
Fahrgäste mehr. Begreifst du, Jones? Ich muß alles 
daransetzen, den Killer zu erwischen. Ich muß zeigen, daß wir 
uns nicht einfach auf der Nase herumtanzen lassen.« 

Maritoba Jones kratzte sich am Kopf und murmelte 

Unverständliches. 

Vielleicht war es gut, daß Jeffords nicht verstand, denn 

Maritoba hatte ihn gerade einen verdammten Idioten genannt. 

»Macht euch auf den Weg, sobald der Prediger das Rütteln 

aushält«, sagte der Postmeister und saß auf. 

Die Fahrer blickten dem breitschultrigen, stämmigen 

Postmeister nach, der seine Schimmelstute in die 
Felsausbuchtung lenkte, in der auch Claude Atkins mit seiner 
Geisel verschwunden war. 

»Viel Glück«, murmelte Maritoba Jones. »Alles Glück der 

Erde, Jeffords. Du wirst es brauchen.« 

John Haggerty trieb sein Pferd durch dichtes Buschwerk. Der 
Scout ritt fast nie auf den normalen Wegen. Er zog kreuz und 
quer durch das Land und registrierte alles, was eventuell 
wichtig werden konnte. 

Unvermutet tat sich eine Lichtung vor John auf. Er parierte 

den Rappen und sah sich um. Das kurze Gras in der Mitte des 
ovalen Platzes war niedergetreten. Vor nicht mehr als drei bis 
vier Stunden hatten hier Reiter gerastet. 

Haggerty glitt aus dem Sattel und beugte sich prüfend über 

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die Spuren. Fünf Pferde hatten hier gestanden, und fünf Pferde 
hatten die Mexikaner den Brüdern Adams gestohlen. 

Ein Trick, ging es John durch den Kopf, sie halten genau auf 

Süden, der Grenze zu. Die Kerle wissen ja, daß ihnen Cochise 
auf den Fersen ist. 

Haggerty konnte sich nicht vorstellen, daß die Mexikaner 

ihre zwielichtigen Geschäfte so einfach aufgaben. Deshalb 
legten sie nun eine falsche Spur. Aber glaubten sie denn 
wirklich daran, daß sie einen Apachen überlisten konnten? 

Der Scout folgte der Fährte beinahe eine Stunde lang. Die 

Reiter trieben ihre Tiere genau südwärts. Wenn sie diese 
Richtung beibehalten, mußten sie irgendwo östlich von 
Douglas die Grenze überqueren. 

John überlegte, ob er Cochise mit Rauchzeichen 

benachrichtigen sollte. John verehrte den Häuptling. Er hielt 
ihn für einen der größten indianischen Führer überhaupt. Denn 
der Jefe der Chiricahuas bewies Weitblick und Instinkt. Er 
wußte sicher, daß die Zeiten des roten Mannes vorbei waren. 
Aber er versuchte, seinem Volk die angestammte Lebensweise 
zu erhalten. 

Cochise wollte den Frieden mit den Bleichgesichtern. Aber 

genau wie bei den Weißen, gab es auch unter den 
verschiedenen Apachenstämmen widersprüchliche Meinungen. 
Und obwohl Cochise der anerkannt größte Häuptling war, 
richteten sich die Chiefs der anderen Stämme oftmals nicht 
nach seinen Worten. 

John Haggerty kämpfte mit sich. Rief er den Häuptling und 

Naiche durch Rauchzeichen herbei, so besiegelte er damit das 
Schicksal der fünf Mexikaner. Aber hatten diese Kerle denn 
etwas anderes als den Tod verdient? 

Sie hatten grundlos einen Krieger, dessen Söhne und seine 

Squaw umgebracht. Die Mexikaner wollten in den Staaten 
wahrscheinlich Waffen kaufen. Unter dem Deckmantel einer 
Revolution würden sie in Mexiko zahllose Raubzüge 

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durchführen und Feuer und Tod über das Land bringen. 

Haggerty sammelte trockenes Holz, das er mitten auf der 

Lichtung stapelte. Erst wenn die dürren Zweige brannten, 
wollte er frische grüne Äste auflegen und mit seiner 
Wildlederjacke den Rauch einfangen und in bestimmten 
Abständen zum Himmel steigen lassen. 

Der Scout zog seine Jacke aus, bevor er die belaubten Äste in 

die Glut schob. Im Nu qualmte es dicht. Wenig später stiegen 
die Signale auf. John Haggerty wiederholte sie einmal, bevor er 
das Feuer sorgfältig löschte. 

Mehr konnte John nicht tun. Er setzte sich mit dem Rücken 

gegen einen Baumstamm und wartete. Das Pferd graste auf der 
Lichtung. 

Es mochte eine gute Stunde vergangen sein, als John das 

Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Er blieb ruhig sitzen, sagte 
aber laut und deutlich: »Komm schon raus, Jefe! Ich spüre, daß 
du hier bist.« 

Die Büsche teilten sich. Naiche glitt auf die Lichtung. Die 

Zügel seines Pferdes hielt er in der Hand. Unmittelbar hinter 
dem jungen, hochgewachsenen Häuptlingssohn kam Cochise. 
Er überragte Naiche noch um zwei Inches. 

»Du hast die Fährte, Falke?« fragte der Häuptling beinahe 

gleichgültig. »Ja, Chief. Sieh selbst – dort.« Haggerty streckte 
die Linke aus und deutete auf die gut erkennbaren Hufspuren, 
die von der Lichtung nach Süden führten. 

»Eine List«, sagte Cochise, »sie wollen uns nach Süden 

locken und im Gebirge ihre Richtung ändern.« 

»Das denke ich auch«, sagte John. »Lassen wir ihnen den 

Spaß, oder folgen wir den Kerlen sofort?« 

»Du reitest mit uns?« fragte Naiche beunruhigt. 
Er dachte wohl daran, daß Haggerty ein Weißer war, daß er 

Mexikanern sicher näherstand als den Apachen. Die 
Vergeltung der Chiricahuas war gefährdet, wenn sich ein 
Bleichgesicht einmischte. 

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»Nur ein kurzes Stück«, antwortete John. »So lange, bis die 

Spur wieder nach Südwesten weist. Ich denke mir, daß diese 
Mörder in die Nähe von Tombstone wollen. Nur dort können 
sie Waffen kaufen. Und ich bin sicher, daß es um Gewehre und 
Revolver geht.« 

»Reiten wir«, entschied der Häuptling. »Falke, du hältst dich 

an meiner Seite. Ich möchte mit dir sprechen, Bruder.« 

Naiche verstand und ritt voraus. 
Gemeinsam brachen Cochise und John auf. 
»Schmerzt dein Arm noch, Bruder?« wollte der Jefe wissen. 
Lächelnd schüttelte Haggerty den Kopf und antwortete: 

»Nein, es war ein glatter Stich. In ein paar Tagen ist alles 
verheilt.« 

»Ich verlor die Beherrschung«, gab Cochise zu. »Aber 

Hellauge reizte mich so, daß ich ihn töten wollte.« 

Lange Zeit schwiegen die Freunde. 
Behutsam sagte Haggerty nach einer Weile: »Er ist noch 

immer dein Freund, Jefe. Thomas Jeffords weiß, daß er durch 
seine Unbesonnenheit beinahe einen Krieg ausgelöst hätte. Es 
schmerzt ihn, daß er deine Freundschaft verlor.« 

»Er ist ein kühner Mann«, sagte der Häuptling. »Ich verstehe 

auch, daß er Sicherheit für seine rollenden Wickiups haben 
will. Aber in den elf Tagen der Verhandlung habe ich schon 
zuviel nachgegeben. Die anderen Jefes sind zornig. Sie 
sprechen davon, daß ich das Land der Apachen, das uns von 
Usen gegeben wurde, verschenkte. Sie lechzen nach Kampf 
und Blut, nach Beute und Skalps der Bleichgesichter. Ich weiß 
nicht, wie lange sie noch auf mich hören.« 

»Du bist der größte Führer«, entgegnete Haggerty. »Du bist 

Rotärmels Nachfolger und setzt sein Werk fort.« 

Rotärmel nannten die Weißen Mangas Coloradas, der ein 

großer Jefe unter den Mimbrenjos gewesen war. 

Aber Cochise gehörte den Chiricahuas an. Und darin lag 

schon ein Groll begründet. Denn Victorio, der Chief der 

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Mimbrenjos, wollte die Nachfolge von Mangas Coloradas 
antreten und seinen Stamm wieder an die Spitze aller Apachen 
setzen. 

Aus diesem Grund kümmerte sich Victorio auch nicht 

darum, daß die Chiricahuas die schwerfälligen Concord-
Kutschen ungeschoren ließen. Die Krieger der Mimbrenjos 
überfielen dagegen immer wieder die Fahrzeuge der 
Butterfield. 

Länger als drei Stunden begleitete Haggerty den berühmten 

Häuptling. Naiche erwartete sie an einem Ort, der aus blankem 
Fels bestand. 

»Hier also haben die Kerle die Richtung geändert«, sagte 

John. »Trennen wir uns und reiten Kreise?« 

Naiche wechselte mit seinem Vater einen Blick und 

schüttelte kaum merklich den Kopf. 

»Falke, dies ist unser Kampf, unsere Rache«, erklärte 

Cochise würdevoll. »Es geht nicht um dich. Aber wenn eines 
Tages ein schlechter Mensch sagt, der Scout Haggerty machte 
gemeinsame Sache mit den Apachen und brachte fünf 
Mexikaner um, dann ist das schlecht für dich und für uns.« 

John war klar, daß Cochise ihn schützen wollte. Denn in der 

rauhen Grenzregion des Südwestens hatten Gerüchte und 
Halbwahrheiten schon so manchen ehrlichen Mann ruiniert. 

»Häuptling, ich respektiere deine Entscheidung«, sagte John 

deshalb. 

Er hob die Hand, lächelte dem großen Jefe und seinem Sohn 

zu und zupfte am Zügel. 

Naiche trieb sein Pferd an, verhielt es dicht neben dem 

Rappen Haggertys und fragte: 

»Soll ich nicht Grüße ausrichten, Hellauge?« 
John lächelte und seine Augen bekamen einen sonderbaren 

Glanz. Er wußte, was Naiche meinte: Cochises Schwester Tla-
ina, was in der Sprache der Weißen soviel wie »Sanfter Wind« 
bedeutete. 

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»Ja, Naiche, grüße sie von mir«, erwiderte John. »Diese 

Grüße sind das einzige, an dem wir uns erfreuen können. 
Niemand weiß, wann ich wieder in eure Apacheria komme.« 

Haggerty zerrte an den Zügeln. Cochises Sohn sollte nicht 

sehen, daß der Scout seiner innerlichen Regung kaum Herr 
wurde. Aber der junge Krieger bemerkte es doch. 

Denn ein Apache sieht nicht nur, er fühlt auch. Diese 

Schwäche verzieh Naiche allerdings dem Bleichgesicht. 

Thomas Jeffords kam nur langsam voran. Der Outlaw Claude 
Atkins war so clever gewesen, mehr als ein halbes Dutzend 
Meilen nur über kahlen Fels zu reiten. Ständig mußte der 
Postmeister aus dem Sattel und die winzigen Anzeichen der 
Fährte suchen. 

Einmal fand er einen frischen Kratzer im Gestein, der nur 

von Metall herrühren konnte. Ein anderes Mal lag ein kleiner 
Stein mit der dunklen Seite nach oben. Thomas drehte ihn um 
und wußte, daß er noch der richtigen Spur folgte. Denn die 
andere Seite des Steines war hell, von der Sonne gebleicht. 

Bisher ritt Atkins nach Norden. Aber das war sicher eine 

Finte. Für Typen wie ihn gab es nur in der Umgebung einer 
wilden Town wie Tombstone eine Chance. Irgendwann mußte 
er die Richtung ändern. Aber wenn das nicht bald geschah, 
geriet er in die Dragoon Mountains. Und dort lagerten die 
Chiricahuas. 

Vielleicht löst sich das Problem auf diese Weise von selbst, 

dachte Jeffords. Aber sofort verdrängte er diesen Gedanken. 
Kate Chandler würde genau wie Atkins sterben. Und das 
Tanzhallengirl war unschuldig. 

Die Schatten wurden länger. Prüfend blickte Jeffords zur 

Sonne. Sie stand schon weit im Westen. In spätestens 
anderthalb Stunden war es dunkel. Aber diese Zeitspanne 

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wollte der Postmeister noch nutzen. Er mußte unbedingt den 
Vorsprung des Banditen verkürzen. 

Aufmerksam betrachtete Jeffords das zerklüftete Land. Weite 

Sandflächen wechselten mit verwitterten Felsklippen ab. Es 
gab Leben in diesem so tot scheinenden Gebiet. 

Eselhasen, Springhörnchen, Känguruhratten und Vögel 

hatten sich der kargen Natur angepaßt. 

Thomas sah ein Bisamschwein, das vorsichtig aus einer 

kaum sichtbaren Felsspalte lief. Das Tier witterte in alle 
Richtungen, schien sicher zu sein und umrundete einen steil 
aufragenden Block. In diesem Moment sprang ein Rotluchs 
schräg von oben herab. Das Bisamschwein hatte nicht einmal 
mehr Zeit, ein Quieken auszustoßen. Die Zähne des Raubtieres 
zermalmten sein Genick. 

Jeffords dachte an seinen kargen Proviant und schnalzte mit 

der Zunge. Die Schimmelstute trabte an. Der Rotluchs 
schnellte herum, angriffsbereit. Fauchend erwartete er seinen 
größten Feind: den Menschen. Jeffords zog das Messer aus der 
Scheide, lenkte sein Pferd genau auf das Raubtier zu und 
beugte sich weit aus dem Sattel. Thomas vollführte einen 
halbkreisförmigen Hieb mit der Klinge, doch der Luchs sprang 
mit allen vieren zugleich hoch und lief davon. 

Thomas saß ab und schnitt sich die besten Stücke aus dem 

Bisamschwein. Anschließend suchte er einen Lagerplatz. Denn 
er wollte das Fleisch gebraten haben, bevor die Dunkelheit 
einsetzte und das Glimmen des Feuers seinen Standort verriet. 

Schon bald fand Jeffords eine überhängende Felsplatte, die 

ihn wie ein Dach beschützte. Wenig später brannte ein 
rauchloses Feuer, und der Duft gebratenen Fleisches verwehte 
im auffrischenden Wind. 

Als Jeffords gegessen hatte, band er der Stute den Futtersack 

um. Anschließend machte er sich auf die Suche nach Wasser. 
Denn wo Rotluchs und Bisamschwein lebten, mußte es Wasser 
geben. 

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Aber die Quelle war ausgetrocknet. Mißmutig schaufelte der 

Postmeister den Sand des kleinen Beckens aus. Nach Minuten 
wurde der Boden dunkler, feucht. Und als Jeffords fast zwei 
Fuß tief gegraben hatte, sammelte sich Wasser in der Grube. 

Thomas wartete eine Weile. Endlich erreichte er mit seinen 

Lippen das lebensspendende Naß und trank in langen Zügen. 

Auch der Schimmel trank, als Jeffords ihn zur Quelle führte. 
Die Ruhepause hatte Pferd und Reiter gutgetan. 
Schwach leuchtete der dunkelrote Sonnenball im Westen 

dicht über dem Horizont. 

»Komm, wir machen noch ein paar Meilen«, sagte Thomas 

zur Stute und saß auf. »Jeder Schritt näher an Atkins heran ist 
wichtig.« 

Thomas ritt, bis er die Hand nicht mehr vor Augen erkennen 

konnte. Mißmutig zügelte er sein Pferd. Es war sinnlos, sich 
und das Tier in Gefahr zu bringen. Die Berge bargen zuviel 
Unsicherheit. Ein Fehltritt des Pferdes genügte, um jegliche 
Chance zunichte zu machen. 

Jeffords sattelte ab, wickelte sich in seine Decke und legte 

den Kopf auf den Sattel. Träumend blickte der Mann zu den 
Sternen auf, die als winzige Lichtpunkte am Nachthimmel 
glitzerten. 

Im Norden leuchtete ein besonders heller Stern. Jeffords 

drehte sich etwas um und staunte nicht schlecht. 

Das war kein Stern, sondern ein Feuer. 
Gleich darauf hörte er das dumpfe Pochen einer Trommel. 

Der monotone Rhythmus fand weiter westlich ein Echo. Bald 
war die Stille der Nacht von den Signalen der Apachen erfüllt. 
Überall entdeckte Jeffords kleine Feuer, aber sie waren weit 
entfernt. 

Besorgt dachte Thomas darüber nach, wer wohl Atkins und 

das Girl zuerst erreichte, eine Horde wilder Krieger oder er. 

Jeffords hoffte inbrünstig, daß er es war. Denn der Tod des 

Mädchens durch Apachen würde eine Menge Staub aufwirbeln 

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und abermals Unfrieden an der Grenze stiften. 

Trotz der dumpfen Trommelschläge schlief der Postmeister 

schließlich ein. Aber in seinen Träumen wurde er von bösen 
Vorstellungen geplagt. Er sah eine Rotte Krieger unter 
triumphierendem Geheul davonjagen. Zwei der Apachen 
hielten Skalps in den Händen. Und als Jeffords endlich den Ort 
des Überfalls erreichte, lagen Kate Chandler und Claude 
Atkins tot am Boden. 

Sofort sprang Jeffords hoch. Er atmete tief durch, blickte sich 

um und beruhigte sich. Im Osten stand ein grauer Streifen am 
Horizont. Es war Zeit, die Verfolgung wieder aufzunehmen. 

Wenig später war die Schimmelstute gesattelt. Thomas band 

ihr den Futtersack um und aß selbst den Rest des 
Bisamschweines. 

An der Quelle stand das Wasser bis zum Rand. Fährten 

verrieten, daß schon andere Tiere zur Tränke gekommen 
waren. 

Das Pferd trank ausgiebig. Jeffords löschte seinen Durst 

ebenfalls an der Tinaja. 

»So, heute müssen wir dem Lumpenhund aber auf den Pelz 

rücken«, sagte Thomas zur Stute. 

Er fand die Spur, die sich nunmehr deutlicher abzeichnete. 

Aufmerksam beobachtete der Postmeister die Umgebung. Die 
zahlreichen Feuer in der Nacht bewiesen ihm, daß eine Menge 
Krieger unterwegs waren. Vielleicht sammelten sie sich für 
einen Raubzug nach Mexiko. 

Am späten Vormittag entdeckte Jeffords Staubfahnen am 

Horizont. Eine ganze Rotte mußte dort reiten. Besorgt behielt 
der breitschultrige Mann diese Staubwolke im Auge. Erst nach 
unendlich lang scheinender Zeit drehten die Reiter ab und 
schlugen die östliche Richtung ein. 

Allmählich erkannte Jeffords, wohin Atkins fliehen wollte. 

Er rechnete sich wohl eine Chance aus, seine Verfolger in den 
südlichen Ausläufern der Dragoon Mountains abzuhängen. 

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Der Postmeister trieb die Stute an. Immer wieder sah er sich 

von Staubfahnen umgeben, die von den Ponys streifender 
Indianer aufgewirbelt wurden. 

Stunde um Stunde verging. Jeffords fühlte, daß er dem 

Revolvermann näherkam, aber noch war nichts von dem Killer 
und seiner Geisel zu entdecken. 

Cochise und sein Sohn folgten der Fährte der fünf Mexikaner. 
Als sich die Dämmerung wie ein graues Tuch über das Land 
legte, zügelte der Häuptling sein Pferd. 

»Sieh dort«, sagte Cochise und deutete mit ausgestrecktem 

Arm nach Südwesten. 

Naiche erkannte einen Reiter auf einem hellen Pferd. Die 

Haltung des Mannes im Sattel kam Naiche bekannt vor. 

Er sah seinen Vater an und fragte: »Ist es Hellauge Thomas 

Jeffords?« 

»Ja, und ich frage mich, was ihn so weit in das Gebiet der 

Chiricahuas treibt«, antwortete der Jefe. »Er ist mutig, daß er 
sich nach unserem Streit in unser Land wagt.« 

Cochise ruckte am Zügel. Sein Mustang trabte an. 
»Du willst Jeffords folgen«, stellte Naiche fest, als sie die 

Fährte der Mexikaner verließen. 

»Ja. Ich muß wissen, was er sucht«, antwortete der 

Häuptling. »Vielleicht entsteht neuer Streit aus seinem 
Vorhaben. Vielleicht sucht er einen anderen Weg für die 
rollenden Wickiups.« 

»Die Mörder, Vater«, erinnerte Naiche den Jefe an den 

eigentlichen Grund ihres Rittes. 

»Wir finden sie wieder«, erwiderte Cochise. »Sie haben 

Angst. Die Furcht läßt sie Fehler machen, Naiche. Oh, ja, wir 
finden sie wieder und erfüllen unseren Schwur.« 

Der junge Indianer betrachtete seinen Vater von der Seite. 

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Dem bronzefarbenen Gesicht war keine Regung anzumerken. 
Die Adlernase verlieh dem Häuptling etwas Kühnes, 
Verwegenes. 

Was ging wohl gerade in Cochises Kopf vor? Warum wollte 

er unbedingt dem weißen Postmeister folgen? War es, um den 
Streit endgültig auszutragen, die Fehde zwischen Jeffords und 
Cochise mit Jeffords' Tod zu beenden? 

Der Häuptling schien zu ahnen, was sein Sohn dachte. 
»Falke hat recht«, sagte Cochise nach einer Weile, »Jeffords 

ist ein Freund der Apachen. Aber er trägt die Verantwortung 
für die rollenden Wickiups. Und deshalb müssen wir ihn 
beobachten.« 

Die beiden Indianer hielten weiten Abstand von Thomas 

Jeffords. Sie ritten Parallel zu ihm, blieben aber immer 
geschickt in Deckung. Er sollte nicht merken, daß er 
beobachtet wurde. 

Nach einigen Stunden zügelte Naiche seinen Mustang und 

sagte: »Er folgt einer Fährte, Vater. Hellauge ist hinter einem 
Feind her. Warum sollen wir ihn noch weiter verfolgen?« 

Cochise blickte seinen Sohn an und antwortete: »Weil er ein 

Freund ist, Naiche. Einem Freund hilft man, wenn er in 
Schwierigkeiten gerät. Und ich ahne, daß Hellauge unsere 
Hilfe bald nötig hat.« 

Aber der Tag verging, ohne daß Jeffords auf Wild stieß. 

Cochise und Naiche lagerten. Aufmerksam hielten sie 
Ausschau, doch Jeffords schien kein Feuer anzuzünden. 

»Er ist seinem Feind nahe«, vermutete Cochise. »Er will sich 

nicht verraten und dadurch seinen Gegner warnen. Jeffords ist 
ein kluger Mann.« 

Wieder hallten dumpfe Trommelschläge durch die Nacht. 
»Sie tanzen«, sagte Naiche leise zu seinem Vater. »Noch 

tanzen sie nur. Was geschieht aber, wenn die Krieger Kampf 
und Blut wollen?« 

Der Häuptling wußte, daß er nur seine Chiricahuas fest in der 

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Gewalt hatte. Die anderen Häuptlinge hörten zwar auf ihn, aber 
wenn es ihnen gefiel, vergaßen sie einfach seine Anweisungen. 
Hier lag die große Gefahr eines langdauernden Krieges im 
Südwesten. 

Die Verlierer standen für Cochise schon jetzt fest: es waren 

die Apachen aller Stämme. Sie hatten den gut bewaffneten und 
ausgebildeten Pferdesoldaten nichts Gleichwertiges 
entgegenzusetzen. Aber sie konnten nach Apachenart kämpfen, 
wie die Schlange: zustoßen, Beute schlagen und wieder in 
einem Versteck verschwinden. 

Cochise war sich darüber im klaren, daß der Untergang 

seines Volkes nur eine Frage der Zeit war. Die Weißen drangen 
selbst in die kargen Wüstenregionen ein, leiteten Flüsse um, 
bewässerten Land und schufen so fruchtbaren Boden. 

Und die Lebensweise der Apachen hatte keinen Platz mehr 

zwischen diesen veränderten Landschaften. 

Der Jefe legte sich hin und schlief ein. Er war ein Mann der 

Wildnis. Das geringste Geräusch vermochte ihn zu wecken. 

Jeffords hatte den Abstand zu Atkins erheblich verkürzt. Aber 
noch war der Mörder zu weit entfernt. In der Nacht dröhnten 
wieder die Apachentrommeln. Der Postmeister beschloß, sich 
nicht darum zu kümmern und schlief diesmal ohne Alpträume. 

Mit dem Einsetzen der Morgendämmerung verzehrte er sein 

karges Frühstück und spülte das Trockenfleisch mit Wasser 
herunter. Der Futtersack war schon fast geleert. Die 
Schimmelstute mußte im Laufe des Tages Kräuter und Gras 
fressen, um bei Kräften zu bleiben. 

Jeffords wollte den Banditen Atkins unbedingt an diesem 

Tage stellen. Gelang ihm das nicht, war eine weitere 
Verfolgung sinnlos. Denn mit einem müden Pferd holte er den 
Halunken niemals ein. 

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Aber auch der Revolvermann mußte erschöpft sein. Seine 

Tiere waren zwar kräftiger, brauchten aber auch mehr 
Nahrung. 

Während des ganzen Tages trieb Jeffords seine 

Schimmelstute an. Er spürte, daß er aufholte, dem Mörder und 
Mädchenentführer näherrückte. 

Doch erst als es dunkelte, sprang ein Gefühl der Gefahr den 

Verfolger wie ein Tier an. 

Sofort parierte Thomas sein Pferd und glitt aus dem Sattel. 

Zu Fuß schlich er weiter, bis er ein Geröllstück erreichte, das 
völlig unübersichtlich war. Dort irgendwo mußte Atkins mit 
Kate Chandler stecken. 

Jeffords glitt zu Boden und kroch schlangengleich weiter. 

Geschickt wand er sich von Deckung zu Deckung. Er strebte 
im rechten Winkel von dem mit Steinen übersäten Stück weg, 
um dort plötzlich aufzutauchen und den Outlaw zu 
überraschen. 

Aber Atkins war mit allen Wassern gewaschen. Er wußte, 

daß ihm ein Mann auf der Spur war. Im Laufe des Tages hatte 
der Revolvermann den Verfolger mehr als einmal gesehen. 

Jeffords erreichte den letzten großen Felsbrocken, richtete 

sich auf und zog den Colt, als er langsam vortrat. 

Orangerot flammte es genau gegenüber auf. Das dumpfe 

Wummern eines Revolverschusses dröhnte überlaut. Die Kugel 
klatschte dicht neben Jeffords gegen den Felsen. 

Mit einem Sprung gelangte Thomas in Deckung. Atkins hatte 

ihn also die ganze Zeit beobachtet! 

Thomas spürte unbändige Wut in sich aufsteigen. Er wollte 

den Halunken stellen, ihn unschädlich machen und nach 
Tombstone schaffen. 

Der Postmeister rollte sich zur nächsten Deckung. Sofort 

drückte der gesuchte Mörder ab, doch das Blei sauste weit über 
Jeffords hinweg. 

Er kroch zurück zu seinem Pferd, das etwas abseits stand, 

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und zog die Winchester aus dem Scabbard. Erleichtert hebelte 
Thomas die erste Patrone in das Lager. 

Ein paar Sekunden lang konzentrierte er sich, dann sprang er 

auf, hetzte gebeugt vor und jagte Schuß um Schuß aus dem 
Lauf. Ein wahrer Kugelhagel prasselte gegen Atkins Deckung 
und hielt ihn nieder. 

Jeffords machte sich erst flach, als der Hahn leer klickte. Auf 

dem Rücken liegend zerrte der Postmeister die Patronen aus 
den Gurtschlaufen und schob sie in die Ladeklappe des 
Gewehrs. 

Angespannt lauschte Thomas Jeffords. Nach langer Zeit 

hörte er ein schwaches Geräusch. Metall schabte über Stein, 
und plötzlich wieherte ein Pferd vor Schmerz gellend und 
galoppierte in panischer Angst durch das Geröllfeld auf 
Jeffords zu. 

Thomas dachte an den alten Comanchentrick, bei dem ein 

Mann – dem Gegner abgewandt – seitlich am Pferd hing und 
sich auf diese Weise seinem Ziel näherte. 

Als das Tacken der Hufe dicht bei Jeffords aufklang, 

schnellte er hoch und feuerte. Wie vom Blitz getroffen brach 
das Wagenpferd zusammen. Kein Körper löste sich von dem 
massigen Leib des Tieres. Kein Mann hing an der Seite und 
griff an. Doch dafür entlud sich der Colt des Banditen 
krachend. Die Geschosse sirrten dicht an Jeffords' Kopf vorbei. 
Eine Kugel bohrte sich in ein mürbes Gestein, zersplitterte es 
und wirbelte die kleinen, nadelscharfen Bruchstücke davon. 

Der Postmeister lag fast genau in der Mitte des Geröllfeldes. 

Wenn er die andere Seite erreichte, ging es ums Ganze. 
Jeffords sprang noch einmal auf und schoß die Winchester leer, 
während er vorwärtslief. Mit einem großen Sprung brachte er 
sich hinter einem Felsbrocken in Sicherheit, der beinahe 
senkrecht an einer Bodenwelle lehnte. 

Atkins hatte das Feuer nicht erwidert. 
Welchen schmutzigen Trick plante der Revolvermann? 

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Vorsichtig stand Thomas auf. Inch für Inch schob er sich vor, 

bis er die Kante der Felsplatte erreichte. Nach einer Sekunde 
des Zögerns streckte er den Kopf vor, bereit, sofort wieder 
zurückzuzucken

.

 Aber nichts geschah, kein Schuß fiel. 

Langsam trat Jeffords aus seiner Deckung heraus. Die 

einsetzende Dämmerung verzerrte die Schatten der Felsen, 
Bäume und Sträucher zu bizarren Gebilden. 

Der Postmeister ging langsam weiter. Er lauschte 

angespannt, hörte aber nur die Geräusche der Tiere und das 
sanfte Rascheln der Zweige im schwachen Wind. 

Wo war Atkins mit dem Mädchen? Was hatte der 

Revolvermann vor? 

Für ihn ging es um seinen Kopf. Denn als steckbrieflich 

gesuchten Mörder war ihm der Strick sicher, sobald er vor eine 
Jury kam. 

Thomas verharrte am Ende des Geröllfeldes. Mißtrauisch 

blickte er zu den gähnenden Felsspalten hinüber, die das 
Gestein durchbrachen. In einer dieser Spalten mußte Atkins 
verschwunden sein. Irgendwo lauerte er darauf, seine Verfolger 
zu Gesicht zu bekommen. 

Der Postmeister lief dem Killer vor die Mündung, wenn er in 

dieses Labyrinth von Gängen eindrang. Atkins war dort im 
Vorteil. Zudem hatte er immer noch das Girl als Geisel. 

Oder lebte Kate Chandler bereits nicht mehr? 
Jeffords unterdrückte einen Fluch. Ihm war klar, daß er näher 

an den Mörder heran mußte, wollte er ihn stellen und 
niederkämpfen. Aber seine Chance war hier so groß wie die 
eines Schneeballs in der Hölle. 

Alle Vorteile lagen auf Seiten des Outlaws. 
Thomas zog sich zur anderen Seite des Geröllfeldes zurück. 

Es war schon dunkel, als er den rettenden Einfall hatte. Er 
mußte die verschiedenen sich kreuzenden Gänge umgehen, in 
den Rücken des Banditen gelangen und ihn festnageln. 

Aber das ging nur gut, wenn Jeffords sehen konnte, auf 

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welchem Weg er war. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die 
Nacht abzuwarten. Im Morgengrauen wollte er es riskieren. 

Atkins hatte ein Pferd geopfert, um seinen Verfolger 

abzulenken. Er mußte Jeffords töten, um an ein zweites Reittier 
zu kommen. Aber vielleicht ließ er auch Kate Chandler hilflos 
zurück und machte sich allein aus dem Staub. Ein 
Menschenleben galt dem Killer nichts. 

Der Postmeister führte die Stute am Zügel weit hinter dem 

Geröllfeld nach Nordwesten. Dort mußte es irgendwo einen 
Zugang zu dem zerklüfteten, unübersichtlichen Felsenlabyrinth 
geben. 

Schließlich sattelte Jeffords ab und benutzte den Sattel 

wieder als Kopfkissen. Der Futtersack war leer. Die Stute 
mußte sich mit den kargen Gräsern und Kräutern begnügen. 
Thomas kaute einen Streifen Trockenfleisch und trank einen 
Schluck Wasser. 

Er schloß die Augen und schlief ein. Aber es war der Schlaf 

eines Raubtieres, dem kein Geräusch entgeht. 

Atkins lag flach auf einer Steinplatte. Nur ein einzelner Mann 
war hinter ihm her. Das verbesserte seine Chancen gewaltig. 
Der Revolvermann beobachtete, wie sich der Postmeister der 
Apachen-Station zurückzog. 

Zähneknirschend stellte Atkins fest, daß die Distanz für 

einen Coltschuß viel zu groß war. Das Zwielicht der 
Dämmerung machte ein genaues Zielen außerdem unmöglich. 

Langsam rutschte der Killer auf dem Sims zurück, glitt herab 

und grinste Kate Chandler an. Die lag gefesselt und geknebelt 
auf dem Boden. Ihr Gesicht war vor Anstrengung verzogen, 
denn die dreitätige Flucht auf dem nackten Pferderücken hatten 
ihren Tribut gefordert. Kates Oberschenkel und ihr Sitzfleisch 
schmerzten derart, daß sie es kaum noch ertragen konnte. 

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»Er zieht sich zurück«, verkündete Atkins selbstgefällig. 

»Aber aufgeben wird er nicht, dieser Sturkopf. Und das kostet 
ihm das Leben. Wenn er nicht spurt, bist du dran, Mädchen.« 

Kate stöhnte. Atkins beugte sich vor und löste den Knebel. 
»Wasser, bitte, einen Schluck nur!« flüsterte Kate. 
»Verdammt, ich habe kein Wasser mehr«, brummte Atkins. 

»Denkst du, ich hätte keinen Durst?« 

»Was wird aus mir? Was haben Sie vor?« 
Der Bandit fuhr sich mit der flachen Hand über die 

Bartstoppeln seines Kinns. Er schien zu überlegen. Aber der 
gemeine Ausdruck in seinem Gesicht verriet Kate, daß ihr 
Schicksal längst feststand. Sie konnte den Angstschauer nicht 
unterdrücken, der ihr plötzlich den Rücken hochkroch. Dieser 
Kerl war brutal, skrupellos, wenn es um ihn selbst ging. Er 
entledigte sich notfalls seiner Geisel, ohne auch nur einen 
Gedanken an sie zu verschwenden. 

»Das überlege ich mir noch«, wich Atkins aus. »Vielleicht 

nehme ich dich mit, wenn ich den verbohrten Postmeister 
umgebracht habe. Vielleicht tausche ich dich gegen sein Pferd 
und seine Wasserflasche ein.« 

Der Outlaw lachte gehässig, als er fortfuhr: »Dann könnt ihr 

euch ja gegenseitig beim Verdursten trösten.« 

Kate war völlig verzweifelt. Sie starrte zu Boden. Nein, 

mitnehmen konnte der Killer sie nicht. Sobald sie in die Nähe 
einer Ansiedlung gelangten, war sie zu gefährlich für Atkins. 
Denn Kate konnte dann einen Gesetzeshüter alarmieren. Die 
Folgerung daraus war, daß Atkins sie tötete, ehe er seine Flucht 
mit einem richtigen Reitpferd fortsetzte. 

»Was nützt Ihnen mein Tod?« fragte sie nach einer Weile. 
»Ich habe nicht gesagt, daß ich dich umbringe«, antwortete 

der Revolvermann. »Vielleicht besorgen das die Apachen für 
mich. Du hast doch in der Nacht ihre Feuer gesehen. Sie 
verschaffen sich erst eine Menge Spaß mit 'ner weißen Frau, 
bevor sie kurzen Prozeß machen.« 

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Wieder lachte der Outlaw gemein. Ihn schien die 

Vorstellung, was die Krieger mit Kate anstellen konnten, zu 
erheitern. 

»Sie sind ein Satan«, sagte das Mädchen angeekelt, »und 

kein Mensch.« 

Atkins trat dicht an Kate Chandler heran. Sie blickte zu ihm 

auf, und er schien turmhoch über ihr zu stehen. 

»Sag so was nie wieder«, zischelte er wütend, »oder du hast 

keine Gelegenheit mehr, es zu bereuen. Verlaß dich drauf, du 
Drei-Dollar-Hure. Schreib's dir hinter deine Ohren.« 

Atkins schnippte mit zwei Fingern. 
»He, mir kommt da eine prima Idee«, prahlte er. »Ich bringe 

dich um und nehme deinen Skalp. Jeder wird glauben, die 
Apachen hätten dich getötet. Und jeder denkt, daß ich auf und 
davon hin, um den Rothäuten zu entwischen.« 

Angewidert drehte Kate Chandler den Kopf zur Seite. Sie 

konnte diese Mördervisage nicht länger ansehen. Am liebsten 
hätte sie schon alles hinter sich gehabt. Aber noch klammerte 
sie sich verbissen an die hauchdünne Hoffnung, die ihr der 
Verfolger gab. 

Wenn es Jeffords gelang, den Outlaw unschädlich zu 

machen, blieb sie am Leben. 

Es wurde schnell dunkel. Atkins packte das Mädchen unter 

den Achseln und zerrte es tiefer in das Gewirr von Wegen und 
Gängen. Als er weit genug war, ließ er Kate einfach fallen. Sie 
stieß einen leisen Schrei aus, denn sie war mit dem Rückgrat 
genau auf einen Steinbrocken geprallt. 

»Was ist? Halt’s Maul!« knurrte Atkins. »Ich will hören, ob 

sich der Trottel heranschleicht.« 

Kate Chandler krümmte sich wie eine Schlange, scharrte mit 

den Füßen über den Boden und rutschte schließlich ein Stück 
weiter. Erleichtert atmete sie auf, als der Druck in ihrem 
Rücken nachließ. 

Lange Zeit lag sie reglos und beobachtete Atkins, der auf den 

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Hacken kauerte und in die Nacht lauschte. Als sich nichts 
rührte, entspannte sich der Revolverschwinger. 

Er rutschte dicht an Kate heran und flüsterte: »Na, wie ist es 

mit uns? Willst du mich nicht etwas verwöhnen?« 

Kate antwortete nicht. 
Atkins riß ihr den Kopf an den Haaren hoch und zischelte 

wuterfüllt: »Gib Antwort, wenn ich mit dir rede!« 

Das Mädchen wollte den Banditen anspucken, aber ihr 

ausgetrockneter Mund gab keinen Speichel mehr her. 

»Eher würde ich mit einem Apachen schlafen«, sagte sie 

schließlich. 

Atkins lachte heiser. »Das kannst du bald Lilien, wette ich. 

Bin ich erst einmal unterwegs, tauchen die Rothäute schon von 
selbst auf. Ich weiß nur nicht, ob ich dich vorher umbringe.« 

Kate spürte, daß er mit ihr spielte. Er wollte ihre Angst 

schüren, sie zu einem willenlosen, jammernden Bündel 
machen, das um sein Leben flehte. 

Aber er kannte Kate Chandler nicht. Sie hatte schon so 

manches hinter sich, das weniger zähe Frauen zerbrochen hätte. 

Seine Hände glitten über ihren Leib. Kate lag reglos auf dem 

Boden. Sie spürte die Berührungen zwar, aber sie drängte ihren 
Ekel vor diesem Killer zurück. Sie war wie eine leere Hülle, 
eine menschengroße Puppe unter den Händen des Banditen. 

Er tastete nach den Knöpfen ihrer Bluse, öffnete sie und 

strich über ihre warme Haut. 

Aber Atkins merkte, daß Kate seine Gier einfach ignorierte. 
Mit einem lästerlichen Fluch stand er auf, ging ruhelos hin 

und her. 

Was wird dieser Jeffords unternehmen? Wie würde ich mich 

in dessen Situation verhalten, dachte Atkins. 

Nachdem er zahllose Möglichkeiten erwogen und verworfen 

hatte, blieb nur noch eine übrig: Jeffords versuchte kurz vor der 
Morgendämmerung in seinen Rücken zu gelangen, um ihn zu 
überwältigen. 

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Grinsend blieb der Bandit stehen. Das wollte er dem 

verdammten Postmeister gründlich verderben. 

Der Killer legte sich auf den Felsboden und schlief sofort 

ein. 

Genau zur richtigen Zeit erwachte er. Prüfend blickte er nach 

Osten. Noch war kein heller Schimmer zu entdecken, und die 
Sterne spendeten genug Licht, um Atkins seinen Weg finden zu 
lassen. 

Kate drehte sich um, als sie seine Schritte hörte. Entsetzt 

zuckte sie zurück, als sie die Hände des Halunken an ihrem 
Hals spürte. 

»Noch ist es nicht soweit«, sagte Atkins. »Ich knebele dich 

zur Vorsicht. Sonst schreist du noch durch die Gegend, daß ich 
weggegangen bin. Und das kann ich nicht brauchen.« 

Kate würgte, als der Schurke ihr das Tuch in den Mund 

preßte und mit einem weiteren Fetzen Stoff sicherte. 

»Laß dir die Zeit nicht zu lang werden«, spottete Atkins, als 

er losging. 

Er glitt fast lautlos durch das zerklüftete Felsmassiv. Nach 

einer Weile erreichte er ein Gebiet, das kurz hinter dem 
Geröllfeld lag. Das ist der ideale Ort, dachte Atkins. Wenn 
Jeffords kommt, dann hier entlang. 

Der Killer zog sich auf eine Felssäule, die mindestens 12 Fuß 

hoch aufragte. Der Outlaw legte sich flach auf den glatten 
Stein. Von hier aus übersah er die gesamte Umgebung. Und 
hier mußte der Postmeister vorbeikommen, wenn er überhaupt 
diesen Weg nahm. 

Thomas Jeffords hatte kaum geschlafen. Er wußte, daß der 
nächste Morgen die Entscheidung brachte. Er mußte all seine 
Kraft einsetzen, um den Mörder unschädlich zu machen und 
Kate Chandler zu retten. 

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Hoffentlich lebt sie noch, dachte Thomas. Wenn er sie 

umgebracht hat, ihr vielleicht sogar den Skalp nahm, dann 
brennt Arizona wieder. Denn wenn sich das herumspricht, 
knallt jeder Weiße sofort los, wenn er auch nur einen Fetzen 
roter Haut sieht. Dann ist der richtige Krieg da. 

Am Stand der Sterne sah Jeffords, daß es Zeit war. Langsam 

erhob er sich, bewegte Arme und Beine, um sie aufzulockern. 
Sorgfältig überprüfte er seinen Revolver. Das Gewehr konnte 
er nicht mitnehmen. Es war zu unhandlich und behinderte ihn 
nur. 

Minuten später glitt Thomas Jeffords lautlos davon. Er 

machte einen weiten Bogen, lief bis hinter das Geröllfeld und 
dann zur Seite. 

Links und rechts ragten Steinsäulen empor. Der Boden war 

sandig und knirschte leicht unter Jeffords' Stiefelsohlen. Er 
ging noch langsamer, denn er wollte sich nicht vorzeitig 
verraten. 

Einmal wich Thomas einem Orgelpfeifenkaktus aus, der 

schattenhaft vor ihm auftauchte. Ein langgezogener Ruf klang 
auf, gefolgt von Flügelschlägen. Jeffords zuckte zusammen. Er 
sah die Silhouette der Kaktuseule gegen den Sternenhimmel. 
Sie flog wohl zum letztenmal aus, um Beute zu machen. Denn 
bald ging die Sonne auf und trieb die Nachttiere in ihre 
Verstecke. 

Vorsichtig bewegte sich Thomas weiter. Es konnte nicht 

mehr lange dauern, bis er das Gewirr der Gänge und Wege 
zwischen den Felsen erreichte. Zögernd nahm er den Revolver 
in die Rechte. Sobald Atkins erschien und Jeffords den 
Halunken sah, mußte er sofort schießen. Denn dem 
Coltschwinger war der Postmeister sicher unterlegen, was die 
Schnelligkeit betraf. 

Thomas erreichte eine Klippe, die doppelt so groß war wie er 

selbst. Nur ganz kurz wollte er stehenbleiben, in die Nacht 
lauschen, ob er nicht durch ein Geräusch die Richtung 

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feststellen konnte, die er einschlagen mußte. 

Da! Ein leises Scharren, ein Knirschen! 
Jeffords wurde plötzlich klar, daß die Geräusche von oben 

kamen. 

Er blickte hoch, hob die Rechte mit dem Colt, aber es war zu 

spät. 

Mit ausgebreiteten Armen ließ sich Atkins auf Jeffords fallen 

und begrub ihn unter sich. Im gleichen Atemzug sprang der 
Killer auf die Beine. Mit seinem Revolver schlug er zu. 

Besinnungslos sank Jeffords zurück. 
Verdammter Narr, dachte er noch, bevor es dunkel wurde 

und er in einen scheinbar endlos tiefen schwarzen Schacht 
stürzte. 

Der Bandit grinste zufrieden, als er sich Jeffords auf die 

Schulter gewuchtet hatte. Das hatte ja besser geklappt als 
erwartet. Statt eines Faustpfandes hatte er nun zwei. 

Hoffentlich kam dieser Trottel bald wieder zu sich, denn 

Claude wollte einen Handel mit ihm machen. 

Der Revolvermann lief zurück zu seinem Lager und warf den 

Bewußtlosen einfach ab. Jeffords fiel schwer zu Boden und 
stöhnte nicht einmal. Besorgt prüfte Atkins, ob er so hart 
zugeschlagen hatte, aber der Mann atmete noch. 

Der Outlaw fingerte ein Schwefelholz aus der Tasche, riß es 

an und entzündete einige Zweige, die er noch am Abend 
aufgeschichtet hatte. Durch die Flammen sah er Kates Gesicht, 
das Verzweiflung, Trauer und Hoffnungslosigkeit ausdrückte. 

»Pech gehabt, was?« Atkins lachte gemein. »In zwei 

Minuten ist dein Retter genauso verschnürt wie du.« 

Atkins löste ihren Knebel. 
»Was wollen Sie denn mit ihm anfangen?« fragte Kate 

lauernd. 

»Ich brauche sein Pferd«, antwortete der Killer. »Mit einem 

richtigen Reitpferd verschwinde ich so schnell, daß mich 
niemand mehr einholt.« 

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Kate kam das irgendwie falsch vor, aber sie erkannte nicht, 

was daran nicht stimmte. 

Sie blickte hinter dem Mörder her, als er davonging. Diesmal 

bemühte er sich nicht, möglichst keine Geräusche zu 
verursachen. Wenig später kam er mit Jeffords Schimmelstute 
zurück. Die mißachtete den harten Druck der Zügel und ging 
zu ihrem Herrn, der noch immer am Boden lag. 

Das Pferd senkte den Kopf und prustete Thomas ins Gesicht. 

Als er sich nicht rührte, bleckte die Stute die Zähne. 

»Hierher, los, komm schon!« fauchte Atkins und riß mit aller 

Kraft an der Trense. 

Scheinbar willig folgte das Pferd. Aber als es den 

Jackenärmel des Halunken dicht vor seinen Lippen witterte, 
packten die großen Zähne zu. 

Atkins schrie, zerrte an dem Stoff, aber die Stute schlenkerte 

zweimal den Kopf und riß den Ärmel ab. 

»So ein Mistvieh!« fluchte Atkins und hieb dem Tier die 

geballte Hand auf die Nüstern. 

Das Pferd stieß einen beinahe menschlichen Schrei aus, 

steilte und strampelte mit den Vorderhufen. Aber Atkins war 
auf der Hut. Er packte im richtigen Moment zu, riß am 
Gebißstück und zwang das Tier runter. 

Lammfromm stand die Stute nun vor Atkins und zermalmte 

die Reste seines Jackenärmels. 

Der Revolvermann nahm die Wasserflasche, schraubte sie 

auf und trank in langen Zügen. Es lag in seiner Natur, zuerst an 
sich selbst zu denken. Außerdem interessierte er sich nicht 
mehr für Kate Chandler. Sie war der Einsatz in dem Spiel, das 
er mit Jeffords beginnen wollte. 

Der Postmeister stöhnte und bewegte den Kopf. Ein 

stechender Schmerz zuckte durch den ganzen Schädel und ließ 
Thomas in der Bewegung innehalten. Es dauerte noch ein paar 
Minuten, bis er klar war. Er öffnete die Augen, sah sich um 
und dachte voller Wut: du verdammter Idiot bist dem Halunken 

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genau in die Falle gelaufen. 

»Na, hast du deinen Schönheitsschlaf beendet?« erkundigte 

sich Atkins hämisch. 

»Fahr zur Hölle!« antwortete Jeffords verächtlich. 
»Vorsichtig, Mister«, warnte der Bandit. »Du stehst mit 

einem Bein schon im Grab. Vergiß das nicht. Du hast nur eine 
Chance: bring mich heil aus dem Indianerland, dann lasse ich 
dich und das Girl laufen.« 

»Glauben Sie ihm kein Wort, Mr. Jeffords«, sagte das 

Mädchen bitter. »Er bringt uns beide um, sobald er in 
Sicherheit ist.« 

»Mit dir fange ich jetzt sofort an, wenn du nicht die Klappe 

hältst«, drohte Atkins. »Vielleicht bringt dein Schreien unseren 
guten alten Jeffords auf den richtigen Einfall, he?« 

Thomas ließ sich die Worte des Halunken durch den Kopf 

gehen. 

»Bisher haben Sie es doch auch geschafft«, sagte der 

Postmeister. »Warum soll ich jetzt den Führer spielen?« 

»Weil zu viele verdammte Rothäute unterwegs sind«, 

antwortete der Bandit. »Ich kenne die Wasserstellen nicht. Und 
ich habe keine Zeit, stundenlang zu suchen, bis ich was zu 
trinken finde. Na, wie ist es? Oder soll ich dem Flittergirl das 
Gesicht etwas verschönern?« 

Atkins zog ein langes, schmales Messer aus der Innentasche 

seiner Jacke und ging auf Kate Chandler zu. Langsam beugte 
er sich hinab. Die nadelscharfe Spitze des Dolches berührte die 
Wange des Mädchens. 

»Nur zu, los doch«, stieß Kate hervor. »Sie bringen uns ja 

doch um. Da macht es mir nichts aus, wann es geschieht.« 

Es gelang ihr, die Angst zu unterdrücken. Ihre Stimme klang 

herausfordernd. 

»Du machst dir doch selbst was vor«, sagte Atkins. »Wenn 

ich wirklich Ernst mache, bettelst du um Gnade.« 

»Schluß damit!« sagte Thomas Jeffords. »Welche andere 

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Möglichkeit habe ich?« 

»Keine«, antwortete Atkins gnadenlos. 
»Und wenn ich mich weigere?« 
»Dann bleibt ihr hier, tot und skalpiert. Die Fesseln nehme 

ich euch danach ab. Irgendwann werdet ihr gefunden. Wenn du 
nicht zu deiner dämlichen Station zurückkommst, suchen dich 
die Postleute schon. Und dann geht der Tanz hier so richtig los. 
Denn jeder muß annehmen, daß die Apachen euch erwischten. 
In dem Getümmel kann ich ungestört abhauen.« 

Jeffords hatte keine andere Wahl. Er mußte Kates und sein 

Leben so lange wie möglich erhalten. Vielleicht ergab sich 
doch eine Möglichkeit zur Flucht. 

Jeffords fixierte den Killer. 
»Okay, Atkins«, sagte Thomas. »Ich bringe uns aus dem 

Apachenland raus. Aber es ist nicht einfach. Wenn ich sage, 
anhalten, dann hältst du. Verstanden? Wenn ich sage, Galopp, 
dann jagen wir los, als sei der Teufel hinter uns her.« 

»Schon gut, brich dir nur nichts ab.« Thomas faßte einen 

verwegenen Plan. Wenn er gelang, waren alle Probleme gelöst. 
Aber es konnte auch so enden, daß Jeffords neben dem Mörder 
am Marterpfahl stand. Denn der Postmeister wollte den 
Banditen direkt zu Cochises Apacheria in die Dragoon 
Mountains führen. Vielleicht hatte der große Häuptling seinen 
Groll inzwischen etwas besänftigt und half. Wenn nicht, dann 
war wenigstens Kate Chandler gerettet. 

Denn diese Forderung wollte Jeffords stellen. 
»Ihr reitet auf dem Wagenpferd«, sagte Atkins. »Ich hebe 

euch rauf und fessele euch aneinander. Wenn einer einen 
krummen Trick versucht, fallt ihr wenigstens beide in den 
Dreck.« 

Jeffords wünschte, die nächsten sechs oder sieben Stunden 

wären schon vergangen. Denn nach dieser Zeit mußten sie am 
Zugang zu dem versteckten Hochtal ankommen, in dem 
Cochises Stamm lagerte. 

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Aber es sollte anders kommen. 
Atkins wandte sich ab, ging tiefer in das Gewirr der Gänge 

und holte das Schwere Wagenpferd. 

Jeffords blickte ihm nach. Inzwischen war es so hell, daß er 

die Augenfarbe des Mädchens erkennen konnte. Es war ein 
helles Grau, in dem grünliche Punkte schimmerten. 

Der Postmeister schaute dann dorthin, woher er eigentlich 

kommen wollte, um Kate zu befreien. 

Plötzlich stockte Thomas der Atem. Denn er sah einen 

bronzefarbenen Arm, der einen Tomahawk hielt. 

Die Apachen waren ihnen schon auf den Fersen! Sie standen 

keine zehn Yards entfernt und warteten auf den günstigsten 
Moment. 

Jeffords sagte kein Wort, als Atkins zurückkam. Vielleicht 

lag hier die Chance, derentwegen sich der Postmeister das 
Gehirn zermartert hatte. 

Und als sich der Bandit zu dem Mädchen runterbeugte, glitt 

der Apache um die Ecke. 

Cochise lag dicht neben Naiche. Sie sahen, wie Jeffords von 
Atkins überwältigt wurde. 

Vorsichtig zogen sich die Apachen zurück. Naiche 

betrachtete seinen Vater. Dem Gesicht war keine Regung 
anzumerken. Aber Naiche kannte den Vater gut genug. Er 
spürte, daß der in einem Zwiespalt war. 

Noch immer nagte die Beleidigung am Stolz des Häuptlings. 

Thomas Jeffords war einmal Cochises Freund gewesen. Nun 
standen sie sich als Feinde gegenüber. 

Der Häuptling erkannte mit hellsichtiger Klarheit, daß der 

Postmeister sein Leben aufs Spiel gesetzt und es fast schon 
verloren hatte. 

Cochise ahnte, warum Jeffords dem weißen Mörder gefolgt 

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war und das Mädchen befreien wollte. Denn der Jefe und sein 
Sohn hatten jedes Wort gehört, das im Camp des Halunken 
gesprochen worden war. 

»Hellauge dachte an uns«, sagte Cochise leise zu seinem 

Sohn. »Wenn der Bandit seine Absicht durchführt, wenn er die 
Squaw und Hellauge tötet und ihnen die Skalps nimmt, kann 
ich die Krieger nicht länger zügeln. Wir müssen dann einen 
Kampf beginnen, der unser Untergang sein wird.« 

Der Häuptling war tief beeindruckt von Jeffords' 

Handlungsweise. Er schützte die Schwachen, versuchte, 
Unrecht wieder gutzumachen und wollte gleichzeitig die 
Apachen vor den Nachstellungen weißer Männer schützen. 

Thomas Jeffords wollte Frieden. Das ging aus seiner 

Handlungsweise klar hervor. 

Cochise kämpfte lange mit sich. Schließlich hob er in einer 

resignierenden Geste beide Arme zum Sternenhimmel und 
flüsterte: 

»Usen, großer Geist, zürne deinem Kind nicht, wenn es nun 

deinen Weg verläßt und einen falschen einschlägt. Du gabst 
uns dieses Land. Wir leben hier seit unendlich langen Jahren. 
Wir verteidigen es gegen alle Feinde. Aber jetzt kommen die 
Bleichgesichter und fressen das Land. Aber es gibt auch unter 
den Weißhäutigen gute Männer, wie Thomas Jeffords. Ich muß 
ihm helfen, denn er war mein Freund, mein Bruder.« 

Naiche hatte respektvoll zugehört, wie sein Vater den 

Großen Geist anrief. Als Cochise geendet hatte, klang gar nicht 
weit entfernt der Ruf eines Rennkuckucks auf. 

Die für Naturerscheinungen sehr empfänglichen Apachen 

deuteten diesen Ruf als Zeichen. 

»Du hörst«, sagte der Häuptling lächelnd, »wir handeln 

richtig, Sohn. Also schleiche lautlos wie ein Puma vor. Ich 
klettere auf die Felsen. Achte darauf, daß der weiße Bandit 
keine Gelegenheit bekommt, seinen Revolver abzufeuern.« 

Naiche nickte nur und glitt lautlos davon. Stück für Stück 

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schob er sich weiter und achtete darauf, daß die umgestülpten 
Enden seiner fast kniehohen Wildlederstiefel nicht am Gestein 
entlangscheuerten. 

Nichts sollte Naiche verraten. Wie ein Puma sollte sein 

Angriff sein. Und wie ein Puma wollte er seine Beute beim 
ersten Ansturm töten. 

Cochise kletterte in die Felsen. Im Dämmerlicht des 

grauenden Morgens sah er vor sich eine kaum fußbreite 
Felsbrücke. Der Häuptling schätzte den Abstand zwischen den 
beiden Steinsäulen. Ohne Anlauf kam er nicht auf die andere 
Seite. Also mußte er die Brücke benutzen. 

Der Jefe setzte Fuß vor Fuß. Er glitt förmlich vorwärts und 

verlagerte ganz behutsam sein Gewicht. 

Schließlich stand er auf der zweiten Säule. Ungefähr zehn 

Fuß unter sich sah er das Lager des weißen Halunken. 

Der führte das schwere Wagenpferd heran. 
Cochise stieß das leise Fiepen einer Springmaus aus. 
Das war das Zeichen! 
Atkins bückte sich, als Naiche vortrat und mit drei großen, 

lautlosen Sprüngen dicht hinter den Revolverschwinger 
gelangte. 

Kate verdarb den Überraschungseffekt. Sie schrie ängstlich 

auf. 

Atkins reagierte instinktiv. Er stieß sich ab, landete auf allen 

vieren und sprang hoch. Wie durch Zauberei lag der Revolver 
in seiner Rechten. 

Naiche fintete mit dem Tomahawk. Mit der Linken zog er 

das Messer aus dem Gürtel. Als Atkins den Finger krümmte, 
ließ sich der Apache fallen. Die Kugel sirrte weit über ihn 
hinweg. Aus dem Liegen heraus schleuderte Naiche das 
Kampfbeil. Mit der flachen Seite des Metallkopfes prellte es 
den Revolver aus der Hand des Banditen. 

Der stieß einen Wutschrei aus, bückte sich, schnappte seine 

Waffe mit der Linken, wollte erneut feuern, als der Häuptling 

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vom Felsen sprang und Atkins unter sich begrub. 

Schon blitzte Cochises Tomahawk im ersten Sonnenlicht, als 

Jeffords brüllte: »Nicht, er soll hängen! Er soll die Angst 
kennenlernen, bevor er stirbt!« 

Im letzten Moment drehte der Jefe seine Hand. Es gab ein 

dumpfes Geräusch, als die flache Seite den Schädel des 
Outlaws traf. 

Kate Chandler war leichenblaß. Sie sah sich wohl schon als 

Squaw in einer Zweighütte, verachtet von den anderen Frauen, 
verhöhnt von den Kindern und hin und her gestoßen von den 
Kriegern. 

Cochise ging auf das Mädchen zu. 
Plötzlich hielt er ein Messer in der Hand. Er erkannte die 

Furcht der weißen Frau und lächelte ihr zu. 

»Du sollst keine Angst haben, weiße Blume«, sagte der 

Häuptling. »Dir geschieht nichts mehr. Du bist jetzt frei.« 

Kate glaubte es erst, als die Klinge die Fesseln durchtrennte 

und sie aufstehen konnte. Noch immer hatte sie Angst, denn in 
diesem stattlichen Indianer hatte sich etwas verändert, als er 
sich Jeffords zuwandte. 

Thomas blickte dem Häuptling in die Augen, wich dem 

harten Blick nicht aus und zuckte nicht zurück. 

Cochise zerschnitt die Fesseln. Der Postmeister erhob sich, 

ließ sich den rasenden Kopfschmerz nicht anmerken. 

Schweigend standen sich die beiden so ungleichen Männer 

gegenüber. 

Der eine war der hochgeachtete Anführer eines starken 

Apachenstammes, der oberste Chief für die anderen Gruppen 
und verkörperte die wahre Macht dieses Landes. 

Der andere war vier Inches kleiner als der Jefe, aber auch er, 

ein Weißer, verkörperte etwas. Er war der Vertreter der neuen 
Zeit. Und er wünschte nichts sehnlicher, als daß Apachen und 
Weiße friedlich miteinander lebten. 

Wärme stand auf einmal in Cochises Blick. Auch Thomas 

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Jeffords wurde klar, daß ihre Freundschaft eine 
Belastungsprobe überstanden hatte. 

Cochise und Jeffords waren durch unzerreißbare Bande 

miteinander verknüpft. 

Der Jefe streckte nach Art der Weißen die Rechte aus. 

Thomas schlug ein. Er spürte, daß der Häuptling seinen Groll 
begraben hatte. 

»Ich schulde dir mein Leben, Freund«, sagte der Postmeister 

fast heiter. 

»Ich schenke es dir«, entgegnete der Indianer großzügig. 

»Naiche und ich sind seit Tagen auf deiner Fährte. Wir wollten 
wissen, welches Wild du jagst.« 

Jeffords deutete auf den besinnungslosen Atkins und sagte: 

»Menschenwild, Jefe. Einen Mörder, den ich bei der Station in 
einer Kutsche erkannte: Er bemerkte, daß ich den Fahrer 
warnte und schleppte das Mädchen mit.« 

Naiche fesselte Atkins kunstgerecht so, daß er sich auf 

keinen Fall selbst befreien konnte. 

»Wie bringen wir den Halunken nach Tombstone?« fragte 

Jeffords. »Wir haben nur noch zwei Pferde.« 

»Ich zeige dir einen neuen Weg von hier aus«, versprach der 

Häuptling. »Der Mörder kann laufen. Für die Squaw richtet 
Naiche aus deinen Decken und Zweigen einen Sattel.« 

So geschah es auch. 
Kate Chandler überwand ihre Angst erst, als sie auf dem 

Rücken des Wagenpferdes saß und den Sitz wundervoll 
bequem fand. 

Ihr wurde bewußt, daß nicht alle Apachen Schurken, daß sie 

Menschen ihrer Zeit waren und nach jahrhundertealten 
Gesetzen lebten, die ihnen die karge Umgebung aufgezwungen 
hatte. 

»Danke«, sagte Kate und lächelte Naiche an. 
Der Häuptlingssohn erwiderte das Lächeln und nickte ihr zu. 
Wenig später kam Atkins zu sich. Er versuchte, sich 

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hochzustemmen, fiel aber stöhnend wieder zurück. 

»Verfluchte rote Stinker«, krächzte er rauh. »In der Hölle 

sollt ihr alle braten.« 

Cochise winkte ab, als Jeffords den Kerl handgreiflich 

zurechtweisen wollte, denn das war Hellauge seinem Freund 
doch schuldig. 

»Seine Worte sind wie Staubkörner im Wind«, sagte der 

Jefe. »Er weht weiter und ist nicht mehr aufzufinden.« 

Der Postmeister nahm von Naiche eine rohlederne Leine 

entgegen, die er mit den Handfesseln des Outlaws verband. 
Das andere Ende knotete Jeffords um sein Sattelhorn. 

»Es kann losgehen«, sagte Thomas zufrieden. »Wer führt?« 
»Naiche«, erwiderte der Jefe, »Er bringt uns erst zu gutem 

Wasser.« 

»Seit ihr verrückt geworden?« kreischte Atkins. »Ihr könnt 

mich doch nicht zu Fuß laufen lassen. Ich will ein Pferd, 
verdammt noch mal.« 

Jeffords blickte den Killer verächtlich an, als er sagte: »Du 

hast noch zwei andere Möglichkeiten. Erstens: Du läßt dich 
über den Boden schleifen. Zweitens: Wir lassen dich hier. 
Cochise wird einige seiner Krieger herbeiholen, die sich ihren 
Spaß mit dir machen. Du kannst es dir aussuchen.« 

Atkins fluchte, drohte und bettelte – umsonst. Er wurde auf 

die Beine gezerrt und mußte hinter der Schimmelstute 
herlaufen. 

Naiche ritt an der Spitze. Ihm folgten Kate Chandler, und – 

hinter ihr – Seite an Seite, Cochise und der Postmeister. 

Nach einer Stunde änderte Naiche die Richtung und führte sie 
in eine Schlucht. Zu beiden Seiten wölbten sich die Felsen so 
weit über das kleine Tal, daß der blaue Himmel nur als 
schmales Band zu sehen war. 

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Der junge Krieger schob eine Felsplatte zur Seite. Staunend 

blickte Jeffords auf einen fußbreiten Wasserlauf, der nach 
knapp zwei Yards in einem Loch in der Felswand verschwand. 

Sie löschten alle ihren Durst und füllten die Wasserflaschen 

auf, ehe Cochise zum Weiterreiten mahnte. 

Jeffords spürte, daß dem Häuptling die Zeit auf den Nägeln 

brannte. Aber es war unhöflich, nach seinen Absichten zu 
fragen. 

So erzählte Thomas von dem merkwürdigen Tal und dem 

verschlungenen Weg, der in den kleinen Canyon führte. 

»Eine Hütte stand dort, aber jetzt ist sie zerfallen«, schloß der 

Postmeister. »Ich fand Fallen und Tellereisen und andere 
Dinge, die ein Trapper braucht. Hinter den Büschen lag ein 
Skelett, Cochise. Ich konnte nicht erkennen, woran der Mann 
gestorben war.« 

Der Jefe nickte bedächtig. 
»Ich erinnere mich an den Pelztierjäger«, sagte er. »Er war 

ein guter und gerechter Mensch, ging den Apachen aus dem 
Weg, und wir ließen ihm auch seinen Frieden. Der große 
Canyon ist das Tal der Seufzer, Hellauge. Niemand weiß, 
warum es so heißt. Vor langen, langen Sommern marterten 
unsere Vorfahren dort zwei Männer in langen Kutten zu Tode. 
Diese Kapuzenträger kamen aus dem Süden, aus dem Land der 
Eisenmänner.« 

Land der Eisenmänner, dachte Thomas. Wie lange sich die 

Erinnerung an die Eroberung durch Spanier in metallenen 
Rüstungen doch hält. 

Sie ritten eine Weile schweigend. Nur ab und zu stieß Atkins 

wüste Beschimpfungen und Drohungen hinter ihnen aus. Sie 
achteten nicht auf den Mörder, dem in Tombstone sicher der 
Prozeß gemacht wurde. 

»Ich traf Falke, den du John Haggerty nennst«, sagte der 

Häuptling unvermittelt. »Er sprach davon, daß Freundschaft 
kein Ding für einen Tag ist. Er sagte es nicht so deutlich, aber 

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ich verstand ihn.« 

Konnte Thomas es wagen, nun seinen Wunsch 

vorzubringen? War dies der richtige Zeitpunkt, das Thema der 
schutzlosen Kutschen anzuschneiden? 

Der Postmeister entschied sich dagegen. Cochise hatte es 

eilig. Also wäre die erneuerte Freundschaft sofort wieder einer 
Zerreißprobe ausgesetzt worden. 

»Wie weit begleitet ihr uns?« fragte Thomas. 
Cochise antwortete lächelnd: »Bis zu jener unsichtbaren 

Grenze, die heute das Gebiet der Bleichgesichter vom Land der 
Apachen trennt. Naiche und ich leisteten einen Schwur. Wir 
müssen ihn erfüllen, wenn wir nicht unsere Ehre verlieren 
wollen.« 

»Teufel auch«, sagte Jeffords beeindruckt, »da muß ja etwas 

Furchtbares geschehen sein.« 

Cochise blinzelte und erwiderte: »Ja, Hellauge, sechs 

Gelbhäutige ermordeten einen meiner besten Krieger, dessen 
zwei Söhne und die Squaw, die noch vielen Söhnen hätte das 
Leben schenken können. Ich habe geschworen, die 
Gelbhäutigen zu töten, um das Gesetz des Stammes zu 
vollziehen.« 

Jeffords schwieg. Was konnte er dagegen schon einwenden? 

Er selbst war ja bereit gewesen, den gesuchten Verbrecher zu 
töten, wenn ihm keine andere Wahl blieb. 

Aber bei den Apachen lagen die Gesetze eben anders. Sie 

forderten für den Tod eines der ihren den Tod des Schuldigen. 

»Männer mit Sternen an den Hemden sind unterwegs«, sagte 

Cochise nach einer Weile. »Sie suchen ebenfalls die Mörder, 
jedoch aus einem anderen Grund. Sie vermuten, daß die 
Gelbhäutigen Waffen über die Grenze schaffen wollen. Ich 
möchte nicht, daß mir die Sternenmänner mein Wild vertreiben 
oder wegfangen.« 

Der Häuptling schilderte ausführlich die Begegnung mit dem 

Aufgebot. 

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Jeffords wiegte bedenklich den Kopf. 
»Scheint eine harte Mannschaft zu sein«, sagte er. »Ich 

glaube nicht, daß deine »Worte sie beeindruckt haben.« 

»Dann sind sie unsere Feinde«, entgegnete Cochise hart. 

»Das Recht des Stammes und das der Toten geht vor.« 

Thomas kannte diesen Tonfall. Es war zwecklos, den Jefe 

von seiner Meinung abbringen zu wollen. 

Am frühen Nachmittag überquerten die Reiter und Atkins 
einen langgezogenen Hügel. Verblüfft zügelte der Postmeister 
sein Pferd und starrte auf die Town hinab. Dort unten lag 
Tombstone vor ihm. 

»Wie, viele solcher Wege kennst du noch, Cochise?« fragte 

Jeffords. 

Aber der Jefe winkte ab. Er durfte nicht alle Geheimnisse der 

Chiricahuas preisgeben. 

»Da, aus Richtung Winter!« rief Naiche und legte schützend 

die Hand Über die Augen. 

Jeffords machte es ihm nach. 
»Sechs weiße Reiter«, sagte Naiche. »Sie haben uns gesehen, 

Vater, wir sollten uns von hier entfernen.« 

Würdevoll entgegnete Cochise: »Nein, wir sind die Herren 

dieses Landes. Nicht jene Männer, die mit der Macht des 
Mundes, der doppelten Zunge sprechen.« 

Die sechs Reiter brachten ihre Tiere in Galopp und stürmten 

den Hügel hinauf. 

Von weitem schon sah Thomas Jeffords die Sterne an den 

Hemden blitzen. Es war die Posse, von der Cochise vor 
wenigen Minuten berichtet hatte. 

Die Männer formierten sich zu einer Linie, machten breite 

Front zu der seltsamen Gruppe, die auf der Kuppe gewartet 
hatte. 

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»Wir haben einen toten Mexikaner gefunden«, sagte jemand 

mit harter Stimme. »Den Spuren nach hatte er noch fünf 
Begleiter. Wo sind sie?« 

Der Häuptling übersah den Mann einfach und sagte zu 

seinem Sohn: »Ich höre, daß ein Gilatier spuckt. Geh hin und 
vertreibe es, Naiche.« 

Der Marshal wurde vor Wut puterrot. 
»Verdammt, ihr könnt hier nicht einfach rumreiten und Leute 

aus dem Sattel schießen!« rief er. 

David Slattermill goß Öl ins Feuer. 
»Und was ist das da? Ein Mädchen und ein Weißer als 

Gefangene? Oha, Marshal Morland, wir sollten diesen beiden 
roten Hundesöhnen ganz schnell das Fell über die Ohren 
ziehen.« 

Claude Atkins rappelte sich auf. Er war vor Müdigkeit zu 

Boden gesunken. 

»Hölle und Pestilenz!« fauchte der Marshal. »Macht sofort 

den Mann los! Was soll das, einen Weißen so zu quälen?« 

Jeffords konnte nicht mehr an sich halten. 
»Sie gehören wohl zu der ganz besonderen Sorte von 

Dummköpfen, was, Marshal?« fragte der Postmeister spöttisch. 

Morland fuhr auf, wollte losbrüllen, aber ein Blick in 

Jeffords graue, kalt wirkende Augen ließen den Gesetzeshüter 
schweigen. 

»Sie sehen etwas und denken, daß Sie auch wissen, was los 

ist«, fuhr Jeffords fort. »Das ist nicht nur dumm, Marshal, das 
ist in diesem Land sogar lebensgefährlich und unverantwortlich 
allen anderen Menschen gegenüber. Erstens sind Miss Kate 
Chandler und ich keine Gefangenen. Im Gegenteil. Cochise 
und sein Sohn befreiten uns aus der Gewalt dieses üblen 
Vogels, der da am Seil hängt. Und der Kerl hat mehr verdient, 
als einen halben Tag Fußmarsch. Er gehört an den Strick. Und 
das möglichst schnell.« 

»Wer ist der Mann?« fragte Marshal Morland einigermaßen 

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friedlich. 

»Claude Atkins«, antwortete Thomas. »Vielleicht erkennen 

Sie ihn nicht auf Anhieb, denn der Spaziergang hat ihn doch 
etwas erschöpft, aber er ist es.« 

Morland tat sich schwer mit seiner Entschuldigung, aber er 

brachte sie über die Lippen. 

Cochise nickte nur. 
»Ich bin Thomas Jeffords«, stellte sich der Postmeister vor, 

»und ich gebe Ihnen den Rat, in Zukunft vorsichtiger mit Ihren 
Anschuldigungen zu sein Morland. Zwei normale Apachen-
Krieger hätten sich jetzt schon in wilde Teufel verwandelt, um 
die Beleidigung zu rächen. So etwas kann einen Krieg 
auslösen.« 

Slattermill konnte seinen Mund nicht halten. 
»Na, wenn schon«, krähte er, »dann wird wenigstens schnell 

aufgeräumt in Arizona. Es wird Zeit, daß die Rothäute 
verschwinden. Ihre Zeit ist abgelaufen.« 

»Ihre auch, Mister«, entgegnete Jeffords drohend. »Wenn ich 

Sie in Tombstone mal zwischen die Fäuste kriege, schlage ich 
Ihnen Ihr großes Maul so breit, daß Sie kein vernünftiges Wort 
mehr rausbekommen. Narren wie Sie sollte man ganz schnell 
an die Leine legen, bevor sie Unheil anrichten.« 

»Genug jetzt!« sagte Morland. »Mußte Atkins denn laufen? 

Konnte ihn nicht einer von Ihnen aufs Pferd nehmen?« 

Jeffords grinste, als Kate Chandler sagte: »Sie müssen 

ziemlich naiv sein, Mr. Sternträger. Oder nehmen Sie 'ne 
Klapperschlange vor sich aufs Pferd? Dieser Dreckskerl hat 
mich entführt und tagelang gefesselt durch die Wildnis 
getrieben. Mann, Marshal, sollte ich mich dafür vielleicht noch 
dankbar erweisen? Einen Outlaw noch belohnen? Nein.« 

Die Männer der Posse murmelten zustimmend. Der Marshal 

verlor an Boden. Er wollte das gleich wieder aufholen und 
sagte: »Das alles erklärt aber nicht den toten Mexikaner.« 

»Apachengesetz«, sagte Jeffords. »Wenn Sie schlau sind, 

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halten Sie Ihre Nase aus der Sache.« 

Wieder lief Morland rot an, aber bevor er explodieren 

konnte, hob Cochise die linke Hand. Von dieser Geste ging 
etwas so Zwingendes aus, daß sich der Sternträger schlagartig 
beruhigte und den Häuptling anstarrte. 

»Die anderen fünf Männer sind tot«, verkündete Cochise. 

»Sie überfielen eine Pferderanch, stahlen die besten Tiere und 
steckten die Wickiups in Brand. Mein Freund Falke, den die 
Weißen Lieutenant John Haggerty nennen, half uns, dem Fraß 
der Flammen Einhalt zu gebieten. Mein Sohn und ich folgten 
den Gelbhäutigen und töteten sie im Süden. Das ist alles. Wir 
reiten.« 

Cochise nickte Jeffords freundlich zu und zog sein Pferd 

herum. Naiches Mustang folgte, und wenige Minuten später 
schienen die beiden Apachen wie vom Erdreich verschluckt zu 
sein. 

»Hol mich der Geier«, stöhnte Morland, »so erwischen wir 

die Schmuggler nie. Jeffords, Hunderte von modernen 
Gewehren werden über die Grenze gebracht. Bald bricht in 
Mexiko eine Revolution aus. Und wir schlagen uns dann mit 
sämtlichem Gelichter herum, das es nur gibt.« 

»Das ist doch was für Slattermill«, bemerkte Thomas 

sarkastisch. »Kann ich Ihnen Atkins und Miss Chandler 
übergeben und zu meiner Station zurückreiten?« 

Abwehrend hob Morland die Hände und antwortete: »Auf 

keinen Fall. Sie müssen mit, ein Protokoll unterschreiben und 
so weiter. Aber wir begleiten Sie nach Tombstone runter.« 

Während des kurzen Rittes lenkte der Marshal sein Pferd 

dicht neben das von Jeffords und fragte mit gedämpfter 
Stimme: »Sind die Mexikaner wirklich tot? Was meinen Sie?« 

»Spätestens heute abend sind sie es«, gab Jeffords zurück. 

»Vergessen Sie das alles am besten. Und wenn dieser 
Slattermill in der Town sein Maul aufreißt, müssen sie es ihm 
irgendwie stopfen. Die Gerüchte verbreiten sich schneller als 

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ein Präriefeuer.« 

Cochise und Naiche hielten sich noch einige Minuten in ihrer 
Deckung auf und blickten den Weißen nach. 

»Hellauge weiß, daß die Gelbhäutigen noch leben«, sagte 

Naiche lächelnd. 

»Aber er achtet unser Gesetz«, entgegnete sein Vater. 

»Darum ist er mein Freund, der Freund aller Apachen. Er 
möchte Frieden, wie ich. Aber auf beiden Seiten, der weißen 
und der roten, gibt es Menschen, die Frieden für etwas 
Verwerfliches halten. Reiten wir, Sohn, jagen wir die Mörder.« 

Auf Pfaden, die noch keines Weißen Auge gesehen hatte, 

ritten die Chiricahuas dorthin, wo sie die Verfolgung der 
Mörder abgebrochen hatten, um Jeffords zu folgen. 

»Die Spuren sind noch deutlich zu erkennen«, sagte Cochise 

zufrieden. 

Aber für das Augen eines Weißen gab es auf dem Boden 

nichts zu sehen. Vielleicht konnte ein erfahrener Scout wie 
Haggerty etwas erkennen, aber auch er hätte nicht von einer 
deutlichen Fährte geredet. 

Cochise und Naiche trieben ihre Pferde an. Die zähen Tiere 

schienen unermüdlich zu sein und fielen in Galopp. 

Nach einer weiteren Stunde scharfen Rittes teilten sich die 

Spuren plötzlich. Drei Pferde waren nach Osten abgebogen, die 
anderen zwei gingen in die entgegengesetzte Richtung. 

»Du nach Westen, ich nach Osten?« fragte Naiche, dem es 

förmlich auf den Nägeln brannte. 

Aber der Jefe schüttelte den Kopf. 
»Nein, das ist eine List«, antwortete er. »Sie wollen uns 

trennen, Sohn. Wir reiten nach Süden. Denke darüber nach, 
wie weit die beiden Gruppen kommen.« 

Naiche verzog nach einer Weile das Gesicht. Er hatte einen 

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Fehler gemacht. Denn im Osten lag der Apache-Paß mit Fort 
Buchanan. Und die Gelbhäutigen mußten den Pferdesoldaten 
aus dem Weg gehen. Die Gruppe, die nach Sonnenuntergang 
ritt, geriet immer tiefer in das Felsengewirr der Dragoon 
Mountains. 

Und dort war die Heimat, die Zuflucht der Chiricahuas. 
»Sie treffen sich am Hirschplatz«, sagte Naiche, als er seine 

Überlegungen beendet hatte. 

Cochise lächelte stolz. Sein Sohn war seiner würdig. 
»Ja, am Hirschplatz«, wiederholte der Jefe. »Und dort 

werden sie sterben.« 

Die Chiricahuas ließen die Mustangs galoppieren. Der 

Hirschplatz war vielen Menschen bekannt, Indianern, 
Mexikanern und auch weißen Scouts. 

Dort war die Salzlecke der Tiere, eine flache Pfanne, die gut 

zwei Yards breit war. Rundherum hatte das Wild die Büsche 
abgefressen und das Gras niedergetrampelt. Erst in einiger 
Entfernung fand sich wieder Deckung. 

Zwei Stunden scharfen Rittes lagen hinter Naiche und 

seinem Vater, als sie ihre Pferde zügelten. Auf einen Blick hin 
lenkte der junge Krieger seinen Mustang nach links und 
verschwand wie ein Schatten im Unterholz. 

Cochise trieb sein Pferd genau gegenüber in die Sträucher. 

Es würde geduldig an diesem Platz verharren, bis es sein Herr 
abholte. Das war das Ergebnis der indianischen 
Dressurmethode. Bei ihr wurde der Wille des Tieres nicht 
gebrochen, sondern der Mensch erwarb dessen Zuneigung und 
Freundschaft. 

Geduld galt als eine der größten Apachentugenden. Ein 

Krieger blieb unter Umständen tagelang in einem Versteck, um 
etwas auszukundschaften. Und wenn er glaubte verfolgt zu 
werden, blickte er stundenlang auf die eigene Fährte zurück. 

Von der anderen Seite der Salzlecke klang zweimal der Ruf 

der Wüstenspottdrossel auf. 

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Cochise nickte lächelnd. Naiche hatte zwei der Feinde 

ausgemacht. 

Wenig später gab der Häuptling den Vogelschlag dreimal 

zurück. 

Die Fronten waren klar. Doch es dauerte noch fast 20 

Minuten, bis die Gelbhäutigen es wagten, das Unterholz zu 
durchbrechen und sich zu begrüßen. 

»Haben wir die Kerle abgeschüttelt?« fragte ein Mexikaner, 

dem der Schweiß in wahren Bächen vom Kopf lief. 

»Scheint so, Ramon«, antwortete ein anderer, »aber wir 

wollen trotzdem nicht unvorsichtig werden. Kein Feuer jetzt. 
Und nach Einbruch der Dunkelheit über die Grenze. Sollen 
andere das große Geschäft mit den Gewehren machen. Uns 
sitzen die Apachen im Nacken.« 

»Hätten wir die Sippe doch bloß nicht umgenietet«, stöhnte 

ein hagerer Mexikaner, »dann brauchten wir jetzt nicht wie die 
Hasen davonzulaufen.« 

»Quatsch«, sagte wieder ein anderer. »Der Krieger wäre uns 

gefolgt, hätte seine Freunde alarmiert, und dann wären wir 
auch dran gewesen. Du weißt doch, daß uns die Apachen nicht 
ausstehen können.« 

»Wir hängen so oder so in der Falle.« 
Cochise sagte laut in gutem Spanisch: »Da habt ihr recht, 

Gelbhäutige.« 

Zwei Pfeile durchschnitten sausend die Luft, und zwei 

Mexikaner brachen zusammen. 

Ehe sich die restlichen drei Kerle von ihrem Schrecken 

erholen konnten, starben auch sie. 

Cochise hatte seinen Schwur erfüllt. 
Naiche skalpierte die Toten. Die Skalps wurden in der 

Apacheria durch den Schamanen dem Großen Geist Usen 
geopfert, damit die Seelen der toten Chiricahuas gnädige 
Aufnahme in die Ewigen Jagdgründe fanden. 

Der Jefe durchsuchte die Taschen der Mexikaner. Er fand 

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sechs Beutel, prall gefüllt mit goldenen Pesos. Cochise teilte 
gerecht, bevor er sich der Waffen annahm. Diese Beute war 
fast noch wichtiger für die Apachen als das gemünzte Gold. 

Denn mit Feuerwaffen konnte ein Krieger seinen Feind auf 

weite Entfernung bekämpfen. Er konnte so kämpfen, wie die 
Bleichgesichter. 

Cochise schnürte alles zusammen, was für den Stamm 

gedacht war, und verbarg es hinter einem großen Felsen, der in 
der Nähe der Salzlecke stand. 

Nun galt es, den Pferdezüchtern Adams ihre Tiere und den 

Anteil am Gold zu bringen, damit sie ihren Besitz wieder 
aufbauen konnten. 

Cochise hielt sein Wort unter allen Umständen, dafür war der 

berühmte Häuptling bekannt. 

Aber er kämpfte auch bis zum bitteren Ende, wenn er einen 

Schwur getan hatte. 

ENDE