Küsse vor der Hochzeit
EINE PEMBROKE PALACE—KURZGESCHICHTE
Julianne MacLean
Küsse vor der Hochzeit
Originaltitel: A Kiss before the Wedding © 2012 Julianne MacLean
Copyright für die deutsche Übersetzung: Küsse vor der Hochzeit ©
2013 Annika Dick, Agentur Libelli
Lektorat: Ute-Christine Geiler & Birte Lilienthal, Agentur Libelli
Deutsche Erstausgabe
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text gesetzt und bilden nicht die Wirklichkeit ab. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder
toten Personen, tatsächlichen Ereignissen, Orten oder Organisationen ist rein
zufällig.
Cover Design: Kim Killion
Formatting: Author E.M.S.
1
12. Juni 1842
Obwohl sie noch jung war—es war noch ein Monat bis zu ihrem
neunzehnten Geburtstag—besaß Lady Adelaide Robins die Weisheit
zu verstehen, dass bestimmte Momente im Leben Wendepunkte
waren, deren Konsequenzen nie wieder ungeschehen gemacht wer-
den konnten.
Dies, das wusste sie, war einer dieser Momente.
In vielen Jahren würde sie auf die Entscheidung zurückblick-
en, die sie an diesem Abend gefällt hatte, als sie mit der Feder in
der Hand an ihrem Schreibtisch saß, und sich fragen: Was, wenn
ich anders gehandelt hätte? Was, wenn ich diesen Brief nie ges-
chrieben hätte?
Lady Adelaide wusste nicht, ob sie heute Nacht die richtige
Entscheidung traf. Wie sollte sie das auch? Sie besaß weder eine
Kristallkugel noch die Lebenserfahrung, um die meisten Männer
von Welt richtig einzuschätzen.
Außer vielleicht den einen Mann, dem ihr Herz gehörte.
William Thomas, ihr Freund seit Kindertagen, war der zweite
Sohn eines Viscounts, wohingegen sie die Tochter eines Earls war,
die mit zwei älteren Schwestern, beide bereits verheiratet, auf
einem großen Anwesen in Yorkshire aufgewachsen war.
Ihr Vater war dankbar für die Ehemänner, die ihre Schwestern
sich gesichert hatten, denn es war allgemein bekannt, dass ihre
Familie verarmt war und es kein Geld für eine Mitgift gab. Nicht
einen einzigen Viertelpenny.
Dennoch hatten Mary und Margarite eine gute Partie gemacht,
was keine große Überraschung darstellte, waren beide doch weithin
als unvergleichliche Schönheiten bekannt.
Margarite hatte den gut aussehenden ältesten Sohn eines
Barons aus dem Süden geheiratet, der eines Tages die weitläufigen
Ländereien seines Vaters erben würde, während Mary den weniger
gut aussehenden, aber dafür außerordentlich liebenswerten jüng-
sten Sohn eines Marquis' geehelicht hatte, ein Vikar, mit dem sie in
Devonshire lebte.
Nun war Adelaide an der Reihe, vor den Altar zu treten, und
ihr Vater war außer sich vor Freude, denn sie hatte beide Schwest-
ern noch übertroffen. Irgendwie, entgegen aller Wahrscheinlichkeit
und ohne es darauf anzulegen, hatte sie das Herz eines Herzogs
erobert.
Nicht irgendeines Herzogs, wohlgemerkt. Adelaide war, wie
hinlänglich bekannt, mit Theodore Sinclair verlobt—Seiner Gn-
aden, dem Duke of Pembroke—einem der ranghöchsten Mitglieder
des Hochadels des Britischen Empire, wohlhabender, als man es
sich vorstellen konnte, selbstverständlich unglaublich gut ausse-
hend und mit einem palastartigen Herrenhaus, das man als eine
der
größten
architektonischen
Errungenschaften
Englands
bezeichnen konnte.
Das Anwesen war ein extravagantes barockes Meisterwerk, an-
geblich auf den Ruinen eines alten Klosters erbaut, mit aufsehen-
erregenden italienischen Gärten (die vor noch nicht langer Zeit vom
Herzog selbst entworfen worden waren) und einem komplizierten
Zedernlabyrinth, das seinen vornehmen Gästen Stunden der Unter-
haltung bot.
Einige behaupteten, in dem Gewirr unterirdischer Gänge unter
dem Palast spukten immer noch die Geister der Mönche, aber
Adelaide glaubte nicht an Gespenster. Sie glaubte jedoch an die fein
säuberlich aufgeschriebenen geschichtlichen Fakten, und demnach
war allgemein bekannt, dass der erste Duke of Prembroke ein en-
ger, persönlicher Freund von König Henry VIII. gewesen war, der
ihn überhaupt erst mit der Herzogswürde belohnt hatte.
Ja, tatsächlich, Theodore Sinclair, der derzeitige Duke of Pem-
broke, war der begehrteste Junggeselle Englands, und aus
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unerfindlichen Gründen hatte er in einem überfüllten Ballsaal ein-
en Blick auf Adelaide geworfen und sich Hals über Kopf in sie
verliebt.
Sie wusste nicht, was sie getan hatte, um eine solche
Leidenschaft zu entfachen. Sie hatte auf dem Ball, auf dem sie sich
kennengelernt hatten, zweimal mit ihm getanzt, dann an den näch-
sten drei Tagen seine Einladung zu einem Spaziergang durch den
Park angenommen und war in der folgenden Woche Gast in seiner
Loge im Theater gewesen.
Sie konnte ihre eigene Vernarrtheit nicht leugnen, immerhin
war der Herzog sehr gut aussehend und sehr beeindruckend. Selbst
jetzt wurde sie von dem Gedanken an seine athletische Gestalt, sein
charmantes Lächeln und daran, wie schmeichelhaft das alles war,
abgelenkt.
Und dann…war er zu ihrem Vater gegangen und hatte ihn
praktisch angefleht, sie ihm zur Frau zu geben. Ihr Vater hatte
eingewilligt und war nun wieder ganz der Alte, zufrieden damit,
dass sich die Verhältnisse der Familie verbessern würden. Genauso
wie ihre Schwestern, die ebenfalls von ihrer Hochzeit profitieren
würden.
Genau deshalb war dieser Brief wahrscheinlich ein Fehler.
Adelaide ließ die Feder sinken.
Nein…ich kann William nicht schreiben. Es wäre so, als
würde ich mit einem Stock in ein Hornissennest stoßen und darin
herumrühren.
Sie war nun mit Theodore verlobt. William hatte Yorkshire vor
beinahe einem Jahr verlassen, und er war gegangen, ohne ir-
gendwelche Gefühle für sie, die über Freundschaft hinausgingen, zu
erwähnen. Sie hatte genug Tränen vergossen und viel zu lange auf
Briefe gewartet, die nie kamen. Ihr gesunder Menschenverstand
sagte ihr, dass sie ihn ein für alle Mal vergessen und mit ihrem
Leben weitermachen sollte. Ohne ihn.
Sie erhob sich hastig von ihrem Stuhl und ging durch das von
Kerzen erleuchtete Schlafzimmer zum Kamin. Die Flammen
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flackerten ausgelassen auf dem Rost, und ein verbranntes Stück
Holz zerbrach knisternd in der Stille des Zimmers.
Es war beinahe Mitternacht. Sie sollte sich schlafen legen und
die Vergangenheit ruhen lassen. In drei Wochen würde sie einen
der bedeutendsten Männer Englands heiraten und die Duchess of
Pembroke werden. Ihre Familie würde an Ansehen gewinnen, und
sie ging davon aus, dass es eine großzügige Vereinbarung gab, die
die finanzielle Not ihres Vaters beenden würde.
Mit dem Wissen, dass sie verantwortlich und pflichtbewusst
handeln musste, kehrte sie zu ihrem Schreibtisch zurück, zerknüllte
den Brief, der mit „Lieber Mr. Thomas“ begann, und warf ihn ins
Feuer. Dann blies sie die Kerze aus und ging ins Bett.
~ * ~
Am nächsten Tag rang Adelaide wegen ihrer Entscheidung, William
nicht zu schreiben, mit sich.
Wie kann ich heiraten, ohne ihm ein Wort zu sagen? Sicher
verdient er es, davon zu wissen. Was wird geschehen,
wenn—falls—er aus Italien heimkehrt und herausfindet, dass ich
Herzogin bin und ihm nichts davon gesagt habe? Er wird schock-
iert sein und sehr verletzt.
Sie runzelte die Stirn.
Obwohl William ihr in letzter Zeit sehr wehgetan hatte und sie
enttäuscht hatte—indem er ihr seit Februar kein Wort geschrieben
hatte—, konnte sie den Gedanken nicht ertragen, ihn zu verletzen.
Ihr ganzes Leben lang war er ihr engster Freund gewesen. Sie kon-
nte diesen Schritt nicht wagen, ohne es ihm zu sagen. Er musste es
von ihr erfahren und niemand anderem.
Die Entscheidung war gefallen.
Nach dem Abendessen setzte sie sich an ihren Schreibtisch
und strich sich mit der Schreibfeder übers Kinn. Sie würde diesen
Brief schreiben und an ihn nach Italien senden. William würde ihn
wahrscheinlich nicht vor der Hochzeit erhalten—also bestand nicht
die Gefahr, dass er sie ihr ausreden würde—, aber immerhin würde
er wissen, dass sie es ihm persönlich mitteilen wollte. Und obwohl
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sie wütend auf ihn war, weil er sie verlassen hatte, empfand sie et-
was für ihn, mehr als Worte auszudrücken vermochten. Mehr, als
sie sollte.
Vorsichtig tauchte sie die Feder in die schwarze Tinte, brachte
sie auf das Papier und begann, endlich, zu schreiben.
Mein lieber Mr. Thomas,
es gibt etwas, was ich Ihnen mitteilen muss…
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2
William war angetrunken, als er von der Abendgesellschaft in der
Villa des Arztes nach Hause zurückkehrte. Er hatte noch nicht gel-
ernt, wie er mit den Italienern und deren ständigem Konsum guten
Weins mithalten konnte, aber er würde nicht aufgeben, verdammt
nochmal. Bei Gott, er genoss ihre Gastfreundschaft und lernte eine
Menge interessanter Dinge.
Menschliche Anatomie. Medizin. Die Funktionsweise des
Gehirns.
Es waren faszinierende Themen, und er war dankbar dafür,
dass er die Möglichkeit gehabt hatte, hierher reisen zu können. Ob-
wohl er nicht vorgehabt hatte, so lange zu bleiben…
Vor zwei Jahren hatte seine Schwester einen italienischen
Grafen geheiratet. Neun Monate später war William auf Wunsch
seines Vaters hergereist, um seinen kleinen Neffen kennenzulernen.
William hatte nicht geahnt, dass er eine neue Leidenschaft ent-
decken würde, eine Berufung, während er hier zu Gast war. Es
geschah am Tag seiner Ankunft, als man ihm ihren Nachbarn Gi-
ulio Donatello, einen berühmten italienischen Arzt und Medizin-
forscher, vorstellte.
Seit diesem Tag hatte William sich in jedes medizinische Buch
vertieft, dessen er habhaft werden konnte, und zog ein Leben in
Betracht, das sich ganz der Wissenschaft, der Forschung und der
Medizin widmete, obwohl sein Vater sicherlich über ein solches
Vorhaben die Stirn runzeln würde. Sein Vater betrachtete jegliche
Profession außerhalb von Kirche oder Armee als unwürdig für seine
Söhne, denn sie waren schließlich Aristokraten—wenn auch nicht
von hohem Rang. Williams Vater war ein Viscount, und als zweitge-
borener Sohn besaß William keinen Titel.
Nicht, dass es ihm etwas ausmachte. Er hatte nie den Titel
seines Vaters begehrt. Stattdessen verlangte es ihn nach
Freiheit—der Freiheit, seinen eigenen Weg im Leben zu wählen.
Und heute Nacht fühlte er sich geradezu euphorisch. Donatello
hatte ihn eingeladen, in der kommenden Woche mit ihm gemein-
sam an einem Abendessen im Vatikan teilzunehmen, bei der auch
eine Gruppe Ärzte aus Amsterdam anwesend sein würde.
Als William die Stufen zu seinem Schlafzimmer emporstieg,
wurde ihm bewusst, dass es Monate her war, seit er einen Brief
nach Hause geschrieben hatte. Er spürte den plötzlichen Drang, so-
fort zur Feder zu greifen und Adelaide alles über die jüngsten
Ereignisse zu schreiben. Er wünschte, sie wäre hier, damit er ihr all
die Wunder Roms zeigen konnte. Es war so lange her, dass sie im
selben Zimmer gesessen hatten oder gemeinsam über die Moore
geritten oder unter den Wasserfall auf dem Anwesen ihres Vaters
geschwommen waren. Gott, wie sie ihm fehlte.
Sie würde bald ihren neunzehnten Geburtstag feiern. Endlich
erwachsen. Vielleicht war es an der Zeit, nach Hause zurück-
zukehren, denn er hatte lange darauf gewartet, ihr seine Gefühle
gestehen zu können. Sein ganzes Leben lang, so schien es ihm.
Als er sein Schlafzimmer erreichte, betrat er es leise, weil es
bereits so spät war und er niemanden im Haus wecken wollte. Er
schloss die Tür hinter sich und stellte die Kerze auf dem Schrank zu
seiner Linken ab.
Während er aus der Jacke seines Abendanzugs schlüpfte, sah
er zum Kamin. Das Anmachholz war für ihn bereitgelegt, doch er
wollte in einer so warmen Sommernacht kein Feuer anzünden.
Einige Kerzen auf seinem Schreibtisch würden ihm genügen.
Er warf seine Jacke über die gepolsterte Bank am Fußende des
Bettes, aber gerade als er sich an seinem Halstuch zu schaffen
machte, bemerkte er den Brief auf der Ecke des Schreibtisches. Er
musste abgegeben worden sein, während er weg war.
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Eilig trat er an den Tisch, nahm den Brief und drehte ihn um.
Als er das vertraute rote Siegel sah, machte sein Herz einen Satz,
denn der Brief war von Adelaide. Genau zur rechten Zeit.
Sicher war hier das Schicksal auf irgendeine Art und Weise am
Zuge, denn nun, da er seine wahre Bestimmung in der Welt gefun-
den hatte, hatte er so wundervolle Pläne für ihre gemeinsame
Zukunft.
Voller Eifer brach er das Siegel, setzte sich auf den Stuhl und
begann zu lesen…
Mein lieber Mr. Thomas,
es gibt etwas, das ich Ihnen mitteilen muss. Es scheint mir
selbst ganz unvorstellbar, wenn ich dies schreibe. Ich kann nicht
glauben, dass beinahe zwei Jahre vergangen sind, seit Sie York-
shire verlassen haben. Entschuldigen Sie bitte, dass ich in den let-
zten Monaten nicht öfter geschrieben habe, aber in der letzten Zeit
haben mich Umstände beschäftigt, auf die ich nun näher eingehen
werde.
Im Mai war ich zur Saison in London. Auf einem Ball wurde
ich einer sehr berühmten Persönlichkeit, Seiner Gnaden, dem Duke
of Pembroke, vorgestellt. Wenn Sie hier wären, würde ich Ihnen
jedes Detail erzählen, aber ich kann die Worte unmöglich zu Papi-
er bringen. Um es kurz zu machen, der Herzog hat um meine
Hand angehalten, und ich habe den Antrag angenommen. Seine
Gnaden möchte keine aufwendige oder extravagante Hochzeit, da-
her werden wir im Juli in seiner privaten Familienkapelle auf
Pembroke getraut.
Die Welt um William herum wurde weiß. Er erhob sich so jäh,
dass der Stuhl zu Boden fiel.
Adelaide hatte den Antrag eines Herzogs angenommen? Nein,
das konnte nicht sein.
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Ich frage mich, was Sie denken, während Sie diese Worte
lesen. Ich hoffe, Sie sind nicht zu überrascht.
Es fühlt sich auch für mich merkwürdig an. Ich wünschte, Sie
wären hier gewesen, um mir einen Rat zu geben, bevor ich mich
für einen Ehemann entscheide. Sie waren immer mein engster,
teuerster Freund und haben mir stets die Wahrheit gesagt, selbst
wenn es nicht das war, was ich hören wollte. Aber in diesem Fall
bin ich sicher, dass Sie mich bestärken würden.
Der Herzog ist ein gut aussehender, freundlicher und sehr
wohlhabender Mann. Ich bin mir sicher, ich muss nicht erklären,
was dies für meine Familie bedeutet. Vater verwöhnt mich wie nie
zuvor, behandelt mich wie eine kostbare Porzellanfigur und erfüllt
mir jeden Wunsch. Ich bin natürlich glücklich darüber, dass er so
zufrieden ist, aber ein Teil von mir zweifelt.
Ich wünschte, Sie wären nicht so weit weg, denn Sie wüssten
genau, wie Sie mir meine Sorgen nehmen könnten. Sie würden mir
helfen, mich an meine Pflicht zu erinnern.
Ich sollte vielleicht nicht auf diese Art an Sie schreiben, aber
ich konnte diesen Schritt nicht wagen, ohne Ihnen davon zu erzäh-
len. Ich muss diejenige sein, die es Ihnen sagt.
Seien Sie gewiss, dass Sie auch in Zukunft stets mein teuerster
Freund sein werden, lieber William, und dass ich nie vergesse, was
wir uns bedeutet haben, als wir als Nachbarskinder hier in den
Mooren Yorkshires aufwuchsen.
Wünschen Sie mir Glück, so wie ich es Ihnen wünsche.
Wenn Sie mich das nächste Mal sehen, werde ich Herzogin
sein, aber ich verspreche, ich werde immer das Mädchen bleiben,
das Sie gekannt haben.
– Adelaide
Williams Magen zog sich schmerzhaft zusammen, aber er
bückte sich, um den Stuhl aufzuheben, damit er sich darauf setzen
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konnte. Für einen langen Moment saß er entsetzt und mit
bebendem Herzen da, dann warf er den Brief auf den Schreibtisch,
als wäre er mit der Pest infiziert.
Seine Verwirrung war so groß, dass ihm fast übel wurde,
während er versuchte, das soeben Gelesene zu begreifen. Vielleicht
war es nicht wahr. Vielleicht spielte sie ihm einen Streich.
Aber nein…Adelaide würde nie auf diese Weise mit seinen Ge-
fühlen spielen. Sie waren Freunde. Mehr als Freunde. Sie hatten
sich stets so gut verstanden, wie es nur wenige Menschen taten.
Er hatte geglaubt, sie würde auf ihn warten, dass er, sobald er
nach Yorkshire zurückkehrte, um ihre Hand anhalten und sie Ja
sagen würde. Hatte er dies nicht deutlich zu verstehen gegeben?
Hatte sie seine Gefühle nicht richtig verstanden und nicht erkannt,
dass sie weit mehr als eine Freundin für ihn war? Offensichtlich
nicht.
Das Wissen, dass ihr Vater Adelaide für die Saison nach Lon-
don gebracht hatte, war unerträglich. In gewisser Weise hatte Willi-
am sie als seine eigene Entdeckung betrachtet, vielleicht sogar sein-
en persönlichen Besitz. Sie lebten im abgelegenen nördlichen Teil
des Landes. Es hatte nie Konkurrenz um ihre Zuneigung gegeben.
Ihr Vater konnte kein Geld erübrigen, daher war der bloße Gedanke
an eine Londoner Saison für Adelaide unvorstellbar gewesen.
William hätte es besser wissen müssen. Er hätte sich ihrer
nicht so sicher sein dürfen. Er hätte voraussehen müssen, dass ihr
Vater eine Möglichkeit finden würde, sie wichtigen Leuten
vorzustellen.
William vergrub sein Gesicht in den Händen. Es war ein Fehler
gewesen, so lange in Italien zu bleiben und anzunehmen, dass sie
nicht ohne ihn in die Welt hinausziehen würde. Was für ein Narr
war er gewesen, zu glauben, dass sie sein bleiben würde.
Aber was sollte er nun tun? War es bereits zu spät? Hatte er sie
für immer verloren?
Nein, das war nicht möglich. Sie war sein, und kein anderer
Mann würde sie je so verstehen, verehren, lieben, wie er es tat.
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Entschlossen zerrte er seine Truhe aus dem Ankleidezimmer
und warf mit einem an Wahnsinn grenzenden Gefühl von Dring-
lichkeit, das er selbst kaum begreifen konnte, Kleidungsstücke
hinein.
Er schrieb eine Nachricht an Donatello, um sich für seinen
überraschenden Aufbruch zu entschuldigen, und bekundete sein
Bedauern wegen des Abendessens im Vatikan, dem er nun würde
fernbleiben müssen.
„Einen privaten Notfall“, nannte er es.
In der Tat war es ein Notfall. Würde er England noch
rechtzeitig erreichen? Oder würde er zu spät kommen, um ihr in
klaren Worten zu sagen, wie es in seinem Herzen aussah, wie er es
längst hätte tun sollen, noch rechtzeitig, um die glanzvollste
Hochzeit des Jahrzehnts zu verhindern?
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3
Pembroke Palace
Zwei Tage vor der Hochzeit…
Während sie die Sonnenschirme über ihren Köpfen drehten,
schlenderten Adelaide und ihre beiden Schwestern Mary und Mar-
garite gemächlich über den weißen Kiesweg des italienischen
Gartens. Die Luft war schwül, und Adelaide war es unter den un-
barmherzigen Strahlen der Sonne unangenehm warm.
Sie blieb am Steinbrunnen stehen und betrachtete die
Venusstatue in dessen Mitte. „Himmel, diese Hitze ist wirklich un-
erträglich. Ich wünschte, wir könnten unsere Schuhe ausziehen und
durchs Wasser laufen. Glaubt ihr, Venus hätte etwas dagegen?“
Margarite zog die Brauen hoch. „Nein, ihr würde die Ab-
wechslung wahrscheinlich gefallen, aber Vater würde uns ohrfei-
gen, sollte er uns dabei erwischen, dass wir uns wie unzivilisierte
Bauerntölpel verhalten. Das ist kaum der Eindruck, den er zu hin-
terlassen wünscht, jetzt, da wir hier auf Pembroke sind.“
„Mm“, erwiderte Adelaide nachdenklich. „Die Leute stehen
dieser Hochzeit wirklich sehr kritisch gegenüber, nicht wahr? Ich
glaube, sie sind so argwöhnisch, weil alles so überstürzt wirkt. Sie
wundern sich sicher darüber, wie jemand wie ich es schaffen kon-
nte, den berühmten Duke of Pembroke zu umgarnen und in die
Falle zu locken.“
„Jemand wie du?“, erwiderte Margarite. „Du bist eine echte
Schönheit, Adelaide. Jeder außer dir sieht das.“
„Die anderen sind nur eifersüchtig“, versicherte Mary ihr. „Der
Herzog galt jahrelang als unerreichbar. Er hat keinerlei Interesse an
der Ehe gezeigt, bis du aufgetaucht bist. Es war Liebe auf den ersten
Blick, und jetzt sind alle außer sich vor Neid.“
Adelaide setzte sich auf den mit Flechten bedeckten Brunnen-
rand und hielt ihren Sonnenschirm schützend vor die blendende
Sonne.
„Glaubt ihr wirklich an Liebe auf den ersten Blick?“, fragte sie.
„Der Herzog kennt mich kaum und ich ihn auch nicht. Er sieht sehr
gut aus und ist überaus liebenswert. Seine Aufmerksamkeit
schmeichelt mir natürlich, und er behandelt mich mit dem größt-
möglichen Respekt. Aber es ist nicht, was ich mir vorgestellt hatte.“
Sie hielt inne. „Um die Wahrheit zu sagen, ich mache mir Sorgen
wegen der Hochzeitsnacht.“
Ihre Schwestern wechselten einen wissenden Blick und setzten
sich rechts und links neben sie.
„Es ist normal, nervös zu sein“, erklärte Margarite. „Jede Braut
ist das, aber alles wird gut werden. Der Herzog kennt sich aus. Er
wird dir zeigen, was zu tun ist. Mach dir keine Sorgen. Und nach
dem ersten Mal wird es einfacher werden.“
Adelaide schluckte ängstlich. „Du hast sicher recht, immerhin
bist du verheiratet und hast viel mehr Erfahrung als ich.“
Die Hintertür des Herrenhauses öffnete sich genau in diesem
Augenblick. Ein livrierter Diener erschien, überquerte die geflieste
Terrasse und schritt zielstrebig die Stufen hinab. In einer behand-
schuhten Hand trug er ein goldenes Tablett.
„Er hat einen Brief“, sagte Mary. „Ich frage mich, für wen von
uns er ist.“
Sie standen alle auf und warteten. Die polierten Schnal-
lenschuhe des Dieners knirschten laut auf dem Kies, als er auf sie
zu kam. Adelaide konnte nicht umhin, den Schweiß zu bemerken,
der unter seiner weißen Perücke hervorrann.
Was für eine alberne Aufmachung an einem Tag wie diesem,
dachte sie. Und fragte sich erneut, ob sie wirklich dafür gemacht
war, Herzogin zu werden. Wie sollte sie das je schaffen?
Der Diener erreichte sie und verbeugte sich vor ihr. „Ein Brief,
Mylady.“
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Sie sah auf das goldene Tablett und verzog das Gesicht, als sie
das reflektierte Sonnenlicht blendete, während sie den Brief entge-
gennahm. „Danke.“
Er verbeugte sich erneut, drehte sich um und machte sich auf
den langen Weg zurück ins Haus.
„Von wem ist er?“, fragte Mary.
Adelaide erkannte das dunkelblaue Siegel sofort, und ihr Puls
begann zu rasen. Die Sommerhitze wurde plötzlich noch unerträg-
licher, und sie musste sich erneut auf den Brunnenrand setzen.
„Er ist von Mr. Thomas“, erklärte sie, während sie das Siegel
brach.
Ihre Schwestern nahmen sie wieder in die Mitte und beugten
sich zu ihr, um über ihre Schulter einen Blick auf das Blatt zu er-
haschen, aber das konnte sie unmöglich zulassen. Sie erhob sich
und ging ein paar Schritte über das grüne Gras, um den Brief allein
zu lesen.
Meine liebe Adelaide,
bitte verzeihen Sie mir diese Vertraulichkeiten so kurz vor
Ihrer Hochzeit, aber ich muss aussprechen, was in meinem Herzen
ist. Ich habe Ihren Brief über Ihre Verlobung erhalten, und ich bin
unverzüglich nach Hause zurückgekehrt, um mich zu erklären.
Sie sagten, ich sei Ihr engster Freund, und das werde ich im-
mer bleiben. Nichts bedeutet mir mehr als Ihr Glück. Aus diesem
Grund muss ich mich vergewissern, dass Sie sich Ihrer
Entscheidung sicher und in Kenntnis aller Fakten sind, bevor Sie
einen Weg beschreiten, von dem es keine Umkehr gibt.
Bitte treffen Sie sich ein letztes Mal vor Ihrer Hochzeit mit
mir. Ich bin nicht weit entfernt. Ich halte mich im Gasthof im Dorf
Pembroke auf und werde bei Sonnenuntergang zum Anwesen
kommen. Ich werde am Eingang des Irrgartens auf Sie warten.
– William
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Noch ehe Adelaide die Situation richtig verstehen konnte, be-
merkte sie, wie sie den Horizont absuchte, als würde William plötz-
lich aus dem fernen Wald herangaloppiert kommen, sie auf den
Rücken seines Pferdes ziehen und mit ihr davonreiten.
Ihr Herz schlug schneller. Er war zurück. Er war aus der Ferne
zurückgekehrt. Wie sie sich danach sehnte, ihn zu sehen.
Eine Hand berührte sie an der Schulter, und sie zuckte
zusammen.
„Was steht in dem Brief?“, fragte Margarite mit gerunzelter
Stirn.
Adelaide faltete das Blatt hastig wieder zusammen. „Er
schreibt, dass er aus Italien zurückgekehrt und in Pembroke ist. Ich
kann es kaum glauben.“
„Will er zur Hochzeit kommen?“, erkundigte Mary sich un-
schuldig. „Gütiger Himmel, wird der Herzog das erlauben? Die
Gästeliste ist sehr kurz, nur die engste Familie. Ich glaube, er hat
Wachteln bestellt, und zwar eine bestimmte Menge.“
Mary schien sich große Sorgen um das Menü zu machen.
Adelaide bemerkte Margarites besorgten Blick und wusste so-
fort, dass ihre ältere Schwester die Gefahr erkannt hatte und ver-
stand, dass es bei dieser heiklen Situation um mehr ging, als um die
richtige Anzahl Wachteln für die Hochzeitsgäste.
„Er will mich am Irrgarten treffen“, gestand Adelaide. „Bei
Sonnenuntergang.“
„Aber warum?“, wollte Mary wissen.
Mit wachsendem Unbehagen räusperte Adelaide sich und ver-
suchte, die Fassung zu bewahren. „Ich bin mir sicher, du wirst dich
daran erinnern, dass er mich immer beschützen und vor Unheil be-
wahren wollte. Ich denke, er möchte sich nur davon überzeugen,
dass ich weiß, was ich tue.“
„Nun, natürlich weißt du, was du tust“, antwortete Margarite
skeptisch. „Um Himmels Willen, du wirst Herzogin werden.“
Adelaide erwiderte mit Nachdruck: „Er will sich davon
überzeugen, dass ich keinerlei Bedenken habe.“
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„Hast du die denn?“, fragte Mary und klang dabei vollkommen
schockiert und fassungslos.
Adelaide straffte die Schultern und antwortete zu schnell:
„Natürlich habe ich keine Bedenken, aber das spielt jetzt keine
Rolle. Es geht darum, dass…“, sie hielt inne. „Ich habe William über
ein Jahr lang nicht gesehen. Ihr wisst beide, dass er mir ein teurer
Freund ist. Ich muss zu ihm gehen, wenn auch nur, um Hallo zu
sagen…und Lebewohl.“
Margarite griff nach ihrem Arm. Ihre Fingerspitzen gruben
sich schmerzhaft in Adelaides Haut. „Das kannst du nicht tun. Es
wird dich nur verwirren.“
„Ich werde nicht verwirrt werden“, beharrte Adelaide. „Ich
weiß, welches Glück ich habe, Theodore heiraten zu können, und
ich werde ihn in zwei Tagen heiraten. Daran wird nichts etwas
ändern.“
Margarites Griff um ihren Arm wurde fester. „Bist du dir
dessen sicher? Du sagst, dass William nur ein Freund sei, aber…“
Adelaide wollte ihrer Schwester nicht die Gelegenheit geben,
ihren Gedankengang zu beenden. „Ich bin keine Närrin.“
Die Schwestern starrten einander aufgebracht an. „Warum
ziehst du dann überhaupt in Betracht, dich nur wenige Tage vor der
Hochzeit mit einem anderen Mann zu treffen—dem so offensicht-
lich an deiner Zuneigung gelegen ist? Wenn du dem Herzog tat-
sächlich so zugetan wärst, würdest du nicht deine Zukunft mit ihm
aufs Spiel setzen. Du wärest treu. Geh nicht zu ihm, Adelaide. Du
kannst William in einem Brief Lebewohl sagen. Nach der
Hochzeit.“
Adelaide befreite ihren Arm und sah zu dem weißen Prachtbau
hinauf. Es war unmöglich, William nicht zu treffen, nachdem er
nach England zurückgekehrt war. Sie konnte ihn nicht einfach al-
lein und ohne Erklärung im Irrgarten warten lassen.
Margarites Augen verengten sich misstrauisch. „Was ist zwis-
chen euch beiden geschehen? Ich dachte, ihr wärt nur Freunde,
sonst nichts.“
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„Wir sind Freunde“, beharrte sie. „Nichts ist geschehen.“
„Hat er dich jemals geküsst?“, fragte Margarite. „Oder dich
berührt?“
Mary ergriff ihren anderen Arm. „Was das betrifft, hat der
Herzog dich eigentlich geküsst?“
„Das ist völlig irrelevant“, wies Margarite sie zurecht. „Sie sind
verlobt und werden heiraten. Aber wenn es früher eine Affäre zwis-
chen Adelaide und Mr. Thomas gegeben hat, könnte es kompliziert
werden. Bist du noch Jungfrau, Adelaide?“
„Um Himmels willen!“, erwiderte sie, schockiert darüber, dass
ihre Schwester ihr eine solche Frage stellte. „Natürlich bin ich das.
Und es gab keine Affäre.“ Sie trat einen Schritt zurück. „William
und ich sind nur…“, sie hielt inne. „Wir stehen uns nahe. Das ist
alles. Er sorgt sich um mich. Wie ein Bruder.“
Ein Bruder? Oh Gott. Für diese Lüge würde sie im Fegefeuer
schmoren, denn sie hatte an William nie als einen Bruder gedacht.
Darin lag ja das gegenwärtige Problem. Die Unwahrheit dieser
Behauptung traf sie wie ein Holzknüppel vor die Brust.
Margarite schüttelte warnend den Kopf. „Mach keinen Fehler,
Adelaide. Nicht, wo wir so weit gekommen sind. Der Herzog wird
uns Zutritt zu den höchsten Gesellschaftskreisen verschaffen. Denk
an deine zukünftigen Kinder. Sie werden Söhne und Töchter eines
Herzogs sein und eines Tages ein großes Vermögen erben.“ Sie hob
warnend den Zeigefinger. „Triff dich unter keinen Umständen mit
Mr. Thomas im Irrgarten. Sei vernünftig und lass ihn gehen.“
Ihr Ratschlag traf Adelaide schwer, denn sie wusste, dass ihre
Schwester die Wahrheit sagte. Sie konnte William nicht zwei Tage
vor ihrer Hochzeit mit einem anderen Mann treffen. Die Worte in
seinem
Brief
waren
deutlich
gewesen.
Nach
all
dieser
Zeit—nachdem sie ihn endlich aufgegeben hatte—war er gekom-
men, um sich zu erklären.
Ein Teil von ihr hasste ihn dafür—dafür, dass er so lange
weggeblieben war. Dafür, ihr nicht früher einen Grund zur
Hoffnung gegeben zu haben.
20/45
Dafür, sie überhaupt verlassen zu haben.
Oh, warum hatte sie diesen Brief geschrieben? Sie hätte wissen
müssen, dass so etwas passieren würde.
Vielleicht hatte sie es gewusst.
Der Gedanke, dass sie irgendetwas hiervon gewollt hatte,
ängstigte sie. Sie war sich ihrer Entscheidung, den Herzog zu heir-
aten, so sicher gewesen.
Margarite hatte recht. Adelaide konnte William nicht treffen,
und schon gar nicht bei Sonnenuntergang. Wenn sie das täte, kön-
nte es alles ruinieren. Sie musste akzeptieren, dass ihre Freund-
schaft mit William—wie sie sie gekannt hatte—vorbei war. Sie
musste sich gegen das, was einst war, und das, was hätte sein
können, wappnen, denn sie würde eine Herzogin werden und alles
würde sich ändern.
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4
William trieb sein Pferd zu einem schnellen Galopp, um den Ir-
rgarten noch vor Sonnenuntergang zu erreichen. Er stieg in einem
Wäldchen unter einer Eiche ab, wo er sein Pferd von den
Schlossfenstern aus unbeobachtet anbinden konnte.
Die Hitze war erdrückend, aber er bemerkte davon kaum et-
was, während er an den quadratisch gestutzten Zedern an der
Außenseite des Irrgartens entlangschritt. Als er den Eingang er-
reichte, schlüpfte er rasch hinein, während er versuchte, die Kom-
plexität seiner Gefühle und seine Anwesenheit hier—einen Kontin-
ent entfernt von der Welt, die er während des letzten Jahres so gut
kennengelernt hatte—zu verstehen. Wie impulsiv er gewesen war,
all dem, das ihn so faszinierte—der Wissenschaft und dem Medizin-
studium—den Rücken zu kehren, um seinem Traum von Liebe zu
folgen. Er hatte diese Hochzeit so unbedingt verhindern wollen. Es
war, als würde er wie ein Fass Schießpulver explodieren, wenn er
Adelaide nicht wiedersehen und für sich beanspruchen könnte.
Würde sie heute Nacht zu ihm kommen? War dies sein Schick-
sal und auch das ihre? Oder war er ein verdammter Narr zu
glauben, sie könnte ihn auf diese Weise lieben? Genug, um einen
reichen Herzog sitzen zu lassen und ihren Vater und ihre Schwest-
ern zu enttäuschen? Vielleicht sogar enterbt zu werden? Würde sie
all das in Kauf nehmen, um einen einfachen Arzt zu heiraten?
Eine Amsel flog aus den Zedern über ihm auf, während er an
den hohen grünen Hecken entlangschritt. Er war darauf bedacht,
sich nicht zu tief in den Irrgarten zu wagen, um sich nicht in der
Dunkelheit zu verlaufen und am Ende nicht wieder herauszufinden,
um Adelaide bei ihrer Ankunft zu treffen.
Sollte sie kommen…
Er drehte um und ging zurück zum Eingang, um sich dort hin-
zusetzen und zu warten.
Wenn es sein musste, würde er die ganze Nacht dort verbring-
en, denn er durfte sie nicht verlieren.
~ * ~
Als William zum hundertsten Mal auf seine Taschenuhr sah, lag
sein Herz in Scherben.
Es war nach Mitternacht, und Adelaide war nicht gekommen.
Mit unendlichem Bedauern erhob er sich, blickte zu den
Sternen empor und fragte sich, was zur Hölle er eigentlich hier in
diesem dunklen Irrgarten tat, wenn Adelaide doch offensichtlich
ihre Entscheidung getroffen hatte und er den Brief, den sie ihm ges-
chrieben hatte, missverstanden hatte.
Er wandte sich zum Gehen, entschlossen, sie zu vergessen,
entschlossen, die Vergangenheit und die törichten Hoffnungen, an
die er sich geklammert hatte, zu begraben, aber er hielt abrupt inne,
als eine wunderschöne Vision vor seinen müden Augen erschien…
Dort, im Mondlicht am Eingang des Irrgartens, stand
Adelaide. Ihr goldblondes Haar fiel offen und vom Wind zerzaust
um ihre Schultern, ihre Brust hob sich heftig, als sei sie eine lange
Strecke gerannt. Er stellte sich vor, wie sie aus dem Herrenhaus ge-
flohen war—blindlings über die weiten, hügeligen Rasenflächen
unter dem sternenklaren Himmel rennend—, um ihn zu erreichen.
Seine geliebte Adelaide. Sie war so schön, so viel erwachsener
als damals, als er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Eine Frau.
Eine Frau, die bald die Ehefrau eines anderen Mannes werden
würde.
Ärger und Erbitterung erfassten ihn—zusammen mit dem bar-
barischen Verlangen, sie zu packen, sie auf den Rücken seines
Pferdes zu werfen und mit ihr ins Ungewisse zu galoppieren.
Langsam, vorsichtig, ging er auf sie zu. Als er jedoch
näherkam, schmerzte und verwirrte ihn die Bitterkeit, die er in
ihren Augen sah.
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„Was tust du hier, William?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn.
„Warum tust du das?“
Warum? Gott…Ja, warum eigentlich?
„Ich musste dich sehen“, erklärte er, aber es war eine armse-
lige Antwort, denn sie traf nicht den komplizierten Zustand seiner
Gedanken, sein plötzlich aufloderndes Verlangen oder seine Selbst-
sucht in diesem Moment, denn er wollte sie um jeden Preis. In
seinem Brief hatte er behauptet, er würde ihr Glück über alles stel-
len, aber das war eine Lüge gewesen. Als er sie nun nach so langer
Zeit der Trennung wiedersah, fühlte er starke Erregung und
fürchtete, dass es ihn umbringen würde, wenn es ihm nicht gelang,
sie für sich zu gewinnen.
„Du hattest kein Recht, mir das in deinem Brief zu schreiben“,
sagte sie, während sie den Schal enger um ihre Schultern zog. „Es
ist fast zwei Jahre her, seit du Yorkshire verlassen hast, und du hast
mir monatelang nicht geschrieben. Was auch immer wir einander
damals waren—und ich bin mir nicht einmal sicher, was wir war-
en—, sind wir nicht mehr.“ In ihren Augen flackerten Emotionen
und ihre Brust hob und senkte sich, während ihr Atem schneller
ging. Sie sah rasch zurück zum Haus, beinahe verzweifelt. „Ich
hätte nicht kommen sollen. Margarite hat mich gewarnt. Ich weiß
gar nicht, warum ich es trotzdem getan habe.“
Sie wandte sich zum Gehen, aber er beeilte sich, ihr den Weg
zu versperren. „Du bist gekommen, weil du etwas für mich
empfindest.“
Sie hob ihren Blick, bis er den seinen traf. „Ja, aber als Freund.
Nicht mehr.“
Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube dir nicht. Wir waren immer
mehr als Freunde, Adelaide. Das weißt du so gut wie ich.“
Ihr Blick glitt über seine Schultern und seine Brust. Wegen der
Hitze hatte er sein Halstuch gelockert, und sein Hemd stand am
Kragen offen. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Zum er-
sten Mal existierte eine deutlich spürbare, sinnliche Hitze zwischen
ihnen.
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„Warum bist du dann gegangen, ohne dass es irgendeine Ab-
sprache zwischen uns gegeben hat?“, wollte sie fast trotzig wissen.
„Du warst zu jung“, erklärte er.
„Ich war nicht so jung. Ich war alt genug, um von dir zu träu-
men. Dich zu wollen. Und warum bist du nicht eher
zurückgekehrt?“
Er ließ ihren Arm los und trat einen Schritt zurück. „Ich hatte
nicht vor, so lange wegzubleiben. Aber ich hatte immer gedacht…“
„Was?“
Ein Schatten der Verzweiflung verdunkelte ihre Augen, und er
war froh darüber. Er wollte, dass es ihr wehtat, damit sie den
Herzog nicht heiratete.
„Ich dachte“, erklärte er aufrichtig, „dass du auf mich warten
würdest, wenn ich nach Hause komme.“
„Wie arrogant von dir.“ Sie zog ihren Schal zurecht und straffte
die Schultern. „Zwischen uns gab es keinerlei Versprechen, Willi-
am. Du hast mir keinen Antrag gemacht, bevor du gegangen bist.
Hättest du es getan, hätte ich auf dich gewartet, denn der Himmel
ist mein Zeuge, ich habe dich geliebt. Aber all das hast du nicht get-
an. Was sollte ich glauben? Als du vor Monaten aufgehört hast, mir
zu schreiben, nahm ich an…“ Ihre Brust hob sich in einem tiefen
Atemzug. „Wenn du es wirklich wissen willst, ich habe erwartet,
dass du mit einer Braut am Arm nach Hause kommst—falls du
überhaupt jemals heimkehren würdest. Also zwang ich mich, dich
zu vergessen. Und nun habe ich nach vorn geblickt.“
„Nein“, erwiderte er mit einem finsteren Blick. „Du lügst. An-
sonsten hättest du mir nicht diesen Brief geschrieben, und du wärst
sicher jetzt nicht allein mit mir hier, um Mitternacht.“
„Ich bin hier, um dir Lebewohl zu sagen, weil ich dich als Fre-
und betrachte“, erklärte sie gereizt, „und ich fand, dass du die
Wahrheit verdienst.“
„Und was genau ist die Wahrheit?“, fragte er und griff erneut
nach ihrem Arm. „In deinem Brief sagtest du, du wärst dir unsich-
er, und ich kenne dich zu gut, um zu glauben, dass sich daran etwas
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geändert hat. Ich kann es in deinen Augen sehen, Adelaide. Du hast
Zweifel. Gib es zu.“
Sie versuchte wieder, sich ihm zu entziehen, aber er ließ es
nicht zu.
„Ich gebe dir gegenüber gar nichts zu“, sagte sie.
„Nicht mir gegenüber“, antwortete er. „Dir selbst gegenüber.
Liebst du ihn?“
Adelaide starrte ihn wütend an, dann fuhr sie herum und
wagte sich tiefer in den Irrgarten, als könnte sie ihm—und der
Frage—so entkommen. Aber da brauchte sie sich keine Hoffnung zu
machen. Er würde nicht aufgeben. Er würde niemals aufgeben.
„Liebst du ihn?“, wiederholte er mit mehr Nachdruck, als sie
nach links in einen weiteren mit Zedern gesäumten Gang abbog.
Ihre Röcke schwangen um ihre Beine, als sie eilig im silbernen
Mondlicht entlangschritt.
Plötzlich blieb sie stehen, hielt für einen Moment inne und
drehte sich schließlich um. „Tritt beiseite, William“, verlangte sie.
„Sonst verlaufen wir uns noch, und ich muss zurück.“
„Gib mir erst eine Antwort“, sagte er. „Wenn du mir sagst, dass
du Pembroke wirklich aus ganzem Herzen liebst, schwöre ich, dass
ich gehen und niemals wieder ein Wort hierüber verlieren werde.
Ich werde mit dem Wissen nach Italien zurückkehren, dass du
glücklich bist.“
Ihr Atem ging schneller. Sie runzelte die Stirn. „Er verehrt
mich sehr“, erklärte sie. „Er ist in jeder Hinsicht ein Gentleman,
und er ist ein Herzog. Der Duke of Pembroke! Hast du eine Ah-
nung, was das für meine Familie bedeutet?“
William zögerte, bevor er mit ruhiger Stimme entgegnete. „Du
hast die Frage noch nicht beantwortet…und doch hast du es getan.“
Die Grillen zirpten laut im Gras außerhalb des Irrgartens, und
eine sanfte Brise flüsterte durch die immergrünen Hecken.
„Ich respektiere ihn“, sagte Adelaide schließlich. „Er ist intelli-
gent, geistreich und sehr aufmerksam. Darf ich außerdem hinzufü-
gen, dass er gutaussehend ist? Ich will nicht leugnen, dass ich von
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ihm betört war, als er mich zum ersten Mal zum Tanz aufgefordert
hat und als er mich zu einem Spaziergang im Park einlud. Ich hatte
Schmetterlinge im Bauch, als seine Kutsche vorfuhr, um uns ins
Theater zu bringen. Es war alles sehr aufregend, William. Sehr
schmeichelhaft.“
Während er ihr so zuhörte, wurde ihm beinahe schlecht.
Er wollte durch die Tore des Palasts marschieren, ins Haus
stürmen und den Duke of Pembroke würgen, bis der blau anlief.
Adelaide fuhr fort: „Als er mir den Antrag machte, spürte
ich…“
„Ja?“
„Triumph. Das fühle ich immer noch.“
William kämpfte gegen die ungezähmte Eifersucht, die ein
Loch in sein Innerstes brannte. Er ballte die Hände zu Fäusten,
starrte Adelaide lange und fest in die Augen und kämpfte darum, in
ihre Seele zu sehen, wie er es immer gekonnt hatte—denn sie hatte
nie etwas vor ihm verheimlicht.
Heute Nacht jedoch waren ihre Augen kühl und hart wie Stahl.
Zurückhaltend. Es war, als hätte sie eine Tür vor ihm zugeschlagen.
Offensichtlich war sie wütend auf ihn, weil er gegangen war,
und hatte jede Anstrengung unternommen, ihn aus ihrem Herzen
zu verbannen. Auch jetzt versuchte sie es noch.
Adelaide reckte das Kinn, als wolle sie ihm klipp und klar zu
verstehen geben, dass sie sich nicht beirren lassen würde.
Vielleicht war es falsch gewesen, hierher zu kommen. Viel-
leicht hatte sich das offenherzige junge Mädchen, das er einst
gekannt hatte, verändert. Oder vielleicht hatte sie es auch versteckt,
es für immer unter ihrer Pflicht und ihrem Ehrgeiz vergraben.
Betroffen zog William die Brauen zusammen. Schmerz
durchzuckte ihn. Hatte er sie wirklich verloren? War dies das Ende?
„Dann bist du dir sicher?“, fragte er und trat einen Schritt
zurück, versuchte zu verstehen.
„Ja, ich denke schon“, erwiderte sie fest.
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Etwas flackerte in seinem Herzen auf und begann zu lodern.
„Du denkst schon“, sagte er. „Das ist nicht entschieden genug,
Adelaide. Nicht, um mich zu überzeugen.“
Sie neigte ihren Kopf zu ihm, so, wie sie es immer getan hatte,
um ihn zu warnen, nicht zu weit zu gehen.
„Leg nicht jedes meiner Worte auf die Goldwaage, William. Du
musst einfach akzeptieren, dass ich meine Entscheidung getroffen
habe und dass ich nicht vorhabe, sie zu ändern.“
Für einen langen, qualvollen Moment sahen sie sich im Mond-
licht an, während die nächtliche Brise weiterhin durch die Hecken
strich. William hatte das Gefühl, als würden die Zedernwände näh-
er rücken. Er wollte Adelaide nehmen und schütteln, dann in die
Arme schließen und sie festhalten—so fest, dass sie ihm nicht en-
tkommen konnte, bis ihr bewusst wurde, dass sie einen furchtbaren
Fehler beging. Dass sie sein war. Dass sie keinen anderen heiraten
konnte, nicht einmal einen Herzog.
„Bitte, William…du musst mir nun Lebewohl sagen“, flüsterte
sie. „Lass uns als Freunde auseinander gehen.“ Sie hielt ihm die
Hand hin.
Nein. Das war falsch. Er wollte nicht ihre Hand schütteln. Er
wollte nicht Lebewohl sagen. Seine Gedanken wanderten zurück zu
anderen Zeiten. Guten Zeiten, die sie gemeinsam erlebt hatten.
„Bevor wir uns verabschieden“, sagte er, „und bevor du Herzo-
gin wirst, gewähre mir eine Bitte.“
„Ja?“
„Triff mich morgen noch einmal, wie wir es in Yorkshire im-
mer getan haben. Erinnerst du dich noch?“
Ihre Augen verschleierten sich besorgt. „Wir sind keine Kinder
mehr, William. Ich kann nicht mit dir durch die Moore laufen oder
bei Sonnenaufgang fischen gehen oder im Regen schwimmen. Ich
werde bald eine verheiratete Frau sein.“
„Aber noch bist du es nicht.“ Er sprach leichthin, seine Stimme
verführerisch freundlich und offen. „Komm und triff mich. Wir
werden reden und lachen. Ich möchte alles wissen, was ich verpasst
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habe, seit ich Yorkshire verlassen habe. Streift Mrs. Jenkins Ziege
noch immer durch Mrs. Smiths Gemüsegarten?“
Adelaide zögerte, dann entspannten sich ihre Schultern leicht.
„Ja, aber es ist jetzt noch schlimmer, weil Mrs. Jenkins drei neue
Ziegen hat, die liebend gerne ihrem Anführer folgen.“
William lächelte, denn da war es—der Hauch des Mädchens,
das er einst gekannt hatte. Sie war doch nicht verschwunden, zu-
mindest noch nicht.
„Wirst du mich morgen treffen?“, fragte er mit Nachdruck.
„Ich habe auf meinem Weg hierher ein hübsches Haus am Seeufer
gesehen, und da ist ein Spazierpfad um den See. Könntest du dich
für eine kurze Zeit davonschleichen?“
Sie dachte darüber nach und warf einen Blick über ihre Schul-
ter. „Mir gefällt dieses Wort nicht…davonschleichen.“
„Nenn es, wie immer du willst. Ich werde den ganzen Tag am
Haus am See sein“, sagte er. „Und ich werde dort auf dich warten.“
Egal, wie lange es dauert.
Und irgendwie werde ich deine Meinung ändern.
Plötzlich, unerwartet, wurden ihre Gesichtszüge weicher, und
zu seiner großen Überraschung und Freude, trat sie zu ihm und
umarmte ihn.
Er war so überrascht, dass seine Lungen kurzzeitig ihre Funk-
tion einstellten. Er benötigte einen Moment, um zur Besinnung zu
kommen. Als er endlich wieder atmen konnte, legte er die Hand an
ihren Hinterkopf und presste sein Gesicht an ihren Nacken.
Verlangen erfasste ihn, als er den süßen Duft ihrer Haut einat-
mete und die weiche Seide ihrer Haare an seiner Wange fühlte. Er
war von ihrer Berührung so überwältigt, dass der Boden unter ihm
bebte und er es bereute, Yorkshire je verlassen zu haben. Er bereute
es entsetzlich, denn er wusste, dass dies das Ende war.
Sie sagte Lebewohl.
Hastig trat sie zurück, bevor er irgendetwas tun konnte, um es
zu verhindern. „Ich muss gehen, bevor jemand bemerkt, dass ich
nicht da bin, und die Hunde losschickt.“
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Sie hätte ebenso gut in seine Brust fassen und sein Herz
herausreißen können.
„Das können wir nicht zulassen“, erwiderte er ritterlich,
während er darum kämpfte, seinen Schmerz unter Kontrolle zu hal-
ten. Er war noch nicht bereit, aufzugeben. Es musste einen Weg
geben, diese Tragödie aufzuhalten.
Als sie den Eingang des Irrgartens erreichten, nahm er ihre
Hand, hob sie an seine Lippen und küsste sanft ihre Fingerknöchel.
Sein Herz klopfte fieberhaft, und als er sprach, bebte seine Stimme.
„Ich werde dich immer lieben, Adelaide.“
Als sie ihre Finger seinem Griff entzog, wich alle Freude aus
seinem Körper.
Er spürte ihre Handfläche auf seiner Wange. Sie war weich
und sanft in der Nacht.
Langsam hob er den Blick. Er legte seine Hand auf ihre und
sah sie voller Verlangen an, was mehr als unangemessen und
taktlos war, aber er konnte vor dieser Frau nichts verbergen.
In ihren Augen glitzerte es feucht, und eine Träne rann ihr
über die Wange.
Oh, Adelaide…
Er drehte den Kopf, sodass seine Lippen ihre Handfläche ber-
ührten, und küsste sie fest, verharrte einen Augenblick. Als sie
keinen Widerstand leistete, küsste er ihr schlankes Handgelenk,
glitt mit seinen Lippen über die zarte Haut ihres Unterarms, bis er
die Innenseite ihres Ellbogens erreichte.
Sie sog überrascht die Luft ein, aber in das Erschrecken mis-
chte sich Verlangen.
Ein wildes Gefühl der Befriedigung erfüllte ihn. Es war ihm
unmöglich, seine Lust für sie zu kontrollieren. Er nahm ihr Gesicht
zwischen die Hände und ergriff von ihrem süßen, vollen Mund
Besitz.
Ihre Lippen öffneten sich für ihn. Sie waren feucht und heiß
unter der unbändigen Hitze seines Kusses. Während er mit seiner
Zunge ihre streichelte, glitten seine Hände über ihren Nacken, ihre
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Schultern, bis er den Seidenschal beiseiteschob. Der Stoffstreifen
schwebte zu Boden. Adelaide stöhnte leise, als sie sich auf die Ze-
henspitzen stellte, um ihm die Arme um den Hals zu legen.
Ihr schneller werdender Atem und der berauschende Beweis
ihrer Lust entzündete eine wahre Feuersbrunst in William, und er
zog sie enger an sich.
Sie zitterte in seinen Armen und wurde schwach, ergab sich
schließlich dem, was immer zwischen ihnen existiert hatte, doch nie
erforscht worden war.
„Oh William.“ Sie seufzte, als sie ihren Kopf wie im Rausch
zurückwarf.
Das Blut strömte ihm heiß durch die Adern. Als er mit seinem
unersättlichen Mund ihren Hals fand, stöhnte er, und hauchte sen-
gende Küsse bis zu ihrem Schlüsselbein hinunter. Mit der Zunge
kostete er ihre Haut.
„Du gehörst mir, Adelaide“, flüsterte er, seine Stimme heiser
und leise. Er zog sich zurück und nahm ihr Gesicht zwischen seine
Hände. „Folge deinem Herzen und komm mit mir. Wir werden ge-
meinsam nach Italien gehen. Ich werde dich heiraten und für im-
mer lieben.“
Verwirrt und bebend, fuhr sie sich mit der Zunge über die Lip-
pen, klammerte sich an seine Jackenaufschläge, fragte fast flehend.
„Warum hast du all das nicht früher gesagt? Warum hast du so
lange gewartet, bis es zu spät ist?“
Er lehnte seine Stirn an ihre und schloss die Augen. „Es ist
nicht zu spät.“
„Doch, ist es. Ich liebe dich, William. Das habe ich immer, aber
ich weiß einfach nicht…“
Er öffnete die Augen. „Doch, das weißt du. Du musst an dein
eigenes Glück denken. Es gibt im Leben mehr als die Pflicht. Lass
uns jetzt gehen“, drängte er.
„Nein, ich kann nicht. Ich muss zuerst nachdenken…“
„Dann triff mich morgen“, verlangte er.
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Als sie noch immer zögerte, zog er sich den Rubinring vom
Finger, legte ihn in ihre offene Hand und schloss ihre Finger dar-
um. „Dies ist mein Versprechen an dich, vor Gott. Ich werde dein
Ehemann sein, Adelaide, wenn du nur zu mir kommst.“
Sie hielt den Ring fest umschlossen und drückte ihn sich ans
Herz.
„Ja“, sagte sie schließlich, und die ganze Welt erstrahlte vor
seinen Augen. „Warte morgen am Haus am See auf mich.“ Sie
begann, sich von ihm zu lösen. „Ich werde zu dir kommen, wenn es
dunkel ist.“
Er machte einen Schritt nach vorn, um ihr zu folgen,
entschlossen, sie nicht zu verlieren. „Versprichst du es?“
„Ja, ich schwöre es. Nichts und niemand wird mich von dir
fernhalten.“ Damit drehte sie sich um und winkte ihm ein letztes
Mal, bevor sie sich eilig entfernte.
Und einfach so durchflutete wieder Freude seinen Körper, und
sein Herz barst in tausend Sterne, während er vor Erleichterung auf
die Knie sank.
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5
Kurz nach Sonnenuntergang am nächsten Tag nahm Adelaide ihren
Hut in die Hände, setzte ihn auf und band ihn unter ihrem Kinn
fest. Sie durchquerte ihr Schlafzimmer und öffnete die Tür, doch sie
sog erschrocken die Luft ein, als sie ihren Vater an der gegenüber-
liegenden Wand lehnen sah, die Arme vor der Brust verschränkt.
Als er sie anblickte, bebten seine Nasenflügel.
„Wo willst du hin?“, fragte er vorwurfsvoll, während er sich
von der Wand abstieß und sie zurück in ihr Schlafzimmer drängte.
„Es ist ein netter Abend für einen Spaziergang“, erklärte sie
ruhig.
Er betrat das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Er war
ein großer Mann und ragte vor ihr auf wie ein Riese. „Lüg mich
nicht an, Adelaide. Ich weiß, wo du letzte Nacht warst. Ich weiß,
dass du zum Irrgarten gegangen bist, um dich mit Mr. Thomas zu
treffen. Margarite hat mir alles erzählt.“
Adelaide runzelte die Stirn. Woher hatte Margarite das
gewusst? Adelaide hatte ihrer Schwester versichert, dass sie Willi-
am nicht treffen würde. Zu dieser Zeit hatte sie in ihrem eigenen
Herzen daran geglaubt, dass sie der Versuchung eines Treffens
widerstehen konnte und würde. Letzten Endes hatte sie ihr Zimmer
mit der größten Eile verlassen und war durch den mondhellen
Garten gestürmt, um zu William zu gelangen.
Margarite musste mit ihrem Sinneswandel gerechnet haben.
Sie könnte ihr sogar gefolgt sein.
„Ich habe nichts Verbotenes getan“, teilte sie ihrem Vater mit.
„Mr. Thomas ist ein Freund. Ich fand, ich schuldete ihm eine
Erklärung.“
„Warum?“
„Weil er…“ Sie hielt inne, hob ihr Kinn und sprach mit einem
genau bemessenen Grad an Herablassung: „Weil er, wie du sicher
weißt, glaubt, er sei in mich verliebt. Ich musste die Sache richtig-
stellen, damit er versteht, dass ich meine Entscheidung getroffen
habe und wir niemals zusammen sein können.“
Ihr Vater verengte die Augen, bis sie nur noch dünne Schlitze
waren. „Wohin gehst du dann heute Nacht?“
„Nirgendwohin“, erwiderte sie zu schnell. „Ein Spaziergang. Es
gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Ich war Mr. Thomas ge-
genüber standhaft, und nun ist er fort. Ich nehme an, er ist bereits
auf halben Weg nach Italien.“
Ihr Herz schlug schmerzhaft in ihrer Brust, und sie betete, ihr
Vater würde ihre Panik nicht erkennen.
Einen langen Moment betrachtete er ihr Gesicht. Dann wurde
sein Blick weicher, und er kam zu ihr. Er fasste sie an den Schultern
und sprach voller Mitgefühl, als wäre sie noch immer ein Kind und
hätte gerade ihren Lieblingswelpen verloren.
„Ich weiß, wie es zwischen dir und Mr. Thomas steht“, sagte er
sanft. „Es gibt eine Verbindung, immerhin seid ihr zusammen
aufgewachsen, aber ich kann nicht zulassen, dass du diesen Fehler
begehst, Adelaide. Es liegt nur an seiner langen Abwesenheit, dass
du das, was ihr füreinander wart, romantisierst.“
Sie schüttelte ihren Kopf und bestritt: „Ich romantisiere gar
nichts…“
Er hob einen Finger an seine Lippen. „Still. Du musst vernün-
ftig sein. Sieh dich um. Du hast es bis nach Pembroke Palace geb-
racht. Es ist dein Schicksal, hier Herzogin zu werden. Der Herzog
vergöttert dich. Er hätte jeden Preis gezahlt, um dich zu haben. Du
musst die Vergangenheit ruhen lassen und morgen zum Altar
schreiten, um den Mann zu heiraten, der dir zum Ehemann bestim-
mt ist. Du musst das doch spüren. Du musst doch verstehen, dass
Mr. Thomas lediglich eine Ablenkung ist.“
Adelaide schluckte schmerzhaft um den Kloß in ihrer Kehle.
„Natürlich tue ich das“, erwiderte sie. „Ich bin keine Närrin, Vater.“
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„Gut.“ Er ließ seine Hände sinken und ging zur Tür. „Aber nur,
um sicher zu gehen…“, er blieb auf der Türschwelle stehen, „werde
ich dich einschließen.“
Adelaides Augen weiteten sich vor Schreck. Eine Mischung aus
Wut und Entsetzen loderte in ihr auf, während sie sich nach vorn
warf, um ihn aufzuhalten.
Die Tür fiel ins Schloss, bevor sie sie erreichen konnte. Sie
hörte, wie er den Schlüssel umdrehte.
„Vater, nein!“ Sie schlug fest gegen die Tür.
„Es ist zu deiner eigenen Sicherheit“, erklärte er von der ander-
en Seite. „Später wirst du mir dafür dankbar sein. Du wirst schon
sehen.“
„Nein, das werde ich nicht. Ich werde dir dafür niemals
danken. Du darfst das nicht tun.“ Sie kämpfte mit der Klinke und
trat wieder und wieder gegen die Tür.
„Ich werde dem Herzog sagen, dass du dich heute Abend nicht
wohlfühlst“, sagte ihr Vater, „und dass du dich ausruhen musst.
Wenn du schreist oder dich weiterhin wie ein verwöhntes Kind
aufführst, Adelaide, werde ich zu dir reinkommen und dir eine
Tracht Prügel verabreichen. Hast du mich verstanden?“
Adelaide war plötzlich schwindelig, denn sie kannte ihren
Vater gut. Er machte keine leeren Drohungen, und er hatte sie
bereits früher einmal geschlagen. Nur einmal, denn sie hatte ihre
Lektion beim ersten Mal gelernt und ihm nie wieder getrotzt.
Oder besser gesagt, sie ließ sich nie wieder dabei erwischen,
wenn sie sich ihm widersetzt hatte.
Sie trat langsam von der Tür zurück, während ihr Herz wie
wild in der Brust schlug. Bitte, Gott…das kann nicht passieren.
Sie drehte sich um und eilte zum Fenster, um nach draußen zu
sehen. Die Sonne war am fernen Horizont in einer Sinfonie aus
Rosa und Orange untergegangen. Bald würde es dunkel sein, und
William würde am Haus am See auf sie warten.
Wie lange würde er warten?
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Was, wenn sie nicht entkommen konnte und er denken
musste, sie hätte ihre Meinung geändert?
Sie öffnete das Fenster und lehnte sich heraus. War es mög-
lich, in die Freiheit zu klettern oder zu springen?
Nein. Sie war zu hoch oben und würde bei dem Versuch sicher
sterben.
Adelaide schloss das Fenster wieder. Verzweifelt sah sie sich
auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit im Zimmer um. Ihr
Vater hatte gesagt, es sei ihr Schicksal, den Herzog zu heiraten,
aber das konnte sie nicht glauben.
Sie liebte William. Sie würde William immer lieben, und sie
wusste tief in ihrer Seele, dass es ihr Schicksal war, mit ihm zusam-
men alt zu werden. Aber wie…wie konnte sie zu ihm kommen?
~ * ~
Vielleicht war es doch nicht ihr Schicksal, dachte Adelaide verz-
weifelt, als sie kurz nach zwei Uhr in der Nacht ins Bett schlüpfte.
Sie hatte alles versucht. Sie hatte die Klingelschnur gezogen
und nach ihrer Zofe geläutet, jede Ausrede vorgebracht, die sie sich
ausdenken konnte, um aus dem Zimmer zu kommen, aber ihr Vater
war immer da, saß vor ihrem Schlafzimmer und sah sie unter halb
geöffneten Lidern heraus an, hörte jedes Wort, das sie sagte.
Schließlich hatte sie genau das getan, wovor er sie gewarnt
hatte. Sie hatte geschrien und gegen die Tür geschlagen und um
Hilfe gerufen, und ihr Vater hatte sein Wort gehalten. Er war
hereingekommen, hatte die Tür hinter sich geschlossen und ihr
hart ins Gesicht geschlagen. Er hatte ihr Schlimmeres angedroht,
sollte sie nicht still sein.
Dann hatte er etwas gesagt, dass ihr das Blut in den Adern
hatte gefrieren lassen. Er hatte versprochen, William seine Wut
spüren zu lassen, sollte sie ihrer Pflicht nicht nachkommen und wie
geplant zum Altar schreiten.
Unterdessen war es fast drei Uhr am Morgen und ihre
Hochzeit würde am heutigen Tag, in acht Stunden, stattfinden.
Ihr Herz war in tausend Scherben zerbrochen.
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Hatte William sie bereits aufgegeben? Glaubte er, sie hätte ihre
Meinung geändert, oder würde er auf seinem großen, schwarzen
Hengst am Morgen wie ein mutiger, mittelalterlicher Ritter durch
die Kirchentüren galoppieren und sie mit sich nehmen, ehe der
Pfarrer mit der Trauung beginnen konnte?
Oh, jetzt wurde sie närrisch, träumte von Märchen und Din-
gen, die nie sein konnten…
Sie kniff die Augen fest zu.
William…wenn du mich über die Entfernung hören kannst,
dann wisse, dass ich dich liebe und versucht habe, zu dir zu kom-
men. Ich werde nie den Zauber unseres Kusses im Mondlicht
vergessen…
Eine kühle Brise wehte über das Bett und strich durch ihr
Haar. Sie hörte ein knarrendes Geräusch, als ob eine Tür geöffnet
und wieder geschlossen wurde.
Sie setzte sich in der Dunkelheit auf und blickte zur Tür, aber
die war noch immer verschlossen.
Eine plötzliche Panik erfasste sie. Sie hatte die Geschichten
über die Geistermönche gehört, die in den unterirdischen Gängen
dieses Gebäudes spuken sollten. Sie hatte nie zuvor an Geister ge-
glaubt, aber eine Vorahnung sandte ihr einen Schauer über den
Rücken—ein Gefühl, dass etwas passieren würde.
Plötzlich legte sich eine Hand auf ihren Mund, und ihr schlug
das Herz bis zum Hals. Als sie sich beruhigt hatte, lockerte sich der
Griff der Hand, und sie wusste, wer zu ihr gekommen war…
„William?“
Träumte sie? War er wirklich da, neben ihrem Bett, oder war
es doch ein Geist?
Er stand in den Schatten verborgen, aber irgendwie wusste sie,
dass er es wirklich war. Sie konnte ihn in ihrer Seele fühlen.
„Du musst still sein“, flüsterte er, als er sich auf die Kante des
Bettes setzte.
Sie nickte zustimmend, ihr Rücken kerzengerade.
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Er nahm seine Hand von ihrem Mund und legte sie an ihre
Wange. „Geht es dir gut?“
„Ja“, flüsterte sie. „Ich wollte zu dir kommen. Ich habe es
versucht.“
„Ich weiß.“
„Vater hat mich eingeschlossen.“
„Das habe ich mir gedacht.“
Sie spürte, wie sich ihre Stirn vor Verwirrung in Falten legte.
„Aber wie bist du hier hereingekommen? Bist du durch das Fenster
gestiegen?“
Er schüttelte seinen Kopf. „Ich habe noch nicht gelernt, wie
man fliegt, Liebling. Als du nicht gekommen bist, bin ich, so schnell
ich konnte, hierher gelaufen, zum Dienstboteneingang, und habe
versucht, mich hineinzuschleichen.“
„Was ist passiert?“
„Die Haushälterin dachte, ich sei ein Dieb und warf mich
hinaus. Ich hätte beinahe aufgegeben und wollte zum Dorf zurück-
kehren, als mir ein Diener begegnete. Er hat mir von einem Ge-
heimgang erzählt und mir angeboten, mich zu dir zu bringen—für
einen Preis.“
„Das war sehr skrupellos von ihm“, sagte sie.
„Das stimmt, aber ich habe ihn dennoch bezahlt. Er war gerade
entlassen worden, also nehme ich an, hatte er noch eine Rechnung
offen.“ William sah zu dem großen Wandteppich neben dem Bett.
„Wusstest du, dass hier eine Tür in der Wand ist?“
„Nein. Hätte ich es gewusst, hätte ich sie schon vor Stunden
benutzt, um zu entkommen.“
Von Neugier getrieben, schlüpfte Adelaide aus dem Bett und
betrachtete die Wand. Da war tatsächlich eine geheime Tür hinter
dem Wandteppich. Sie öffnete sich dieses Mal lautlos, um einen
dunklen Gang zu offenbaren.
„Wir können uns gemeinsam rausschleichen“, flüsterte Willi-
am. „Wenn du dir sicher bist, dass es das ist, was du willst. Mein
Pferd wartet bei den Ställen. Wenn wir die ganze Nacht
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durchreiten, können wir morgen am späten Nachmittag London er-
reichen und an Bord eines Schiffes gehen. Ich nehme dich mit nach
Italien, Liebste, und ich verspreche dir, du wirst dort sehr glücklich
sein. Ich muss dir so viel über die Entdeckungen erzählen, die ich
gemacht habe, und was ich dort gelernt habe, was wir dort zusam-
men tun können—aber nicht jetzt, Adelaide. Wenn wir vor deiner
Hochzeit gehen wollen, müssen wir es jetzt tun.“
Sie nickte, zögerte jedoch und sah sich um. „Soll ich etwas
mitnehmen?“
Sie sah auf die verschlossene Tür, und plötzlich überkamen sie
Gewissensbisse. Würde sie ihre Schwestern je wiedersehen?
„Deinen Umhang“, erwiderte er. „Es ist kalt geworden. Und
was immer du in eine kleine Tasche packen kannst.“
Sie eilte durch den Raum, nahm ein paar Dinge aus dem
Kleiderschrank und stopfte sie in ihre Reisetasche. Dann legte sie
sich ihren Umhang um die Schultern.
William trat zu ihr und schloss die Schnalle an ihrem Hals.
Ihre Blicke trafen sich, und sie spürte eine prickelnde Welle
der Vorfreude, aber darein mischte sich Angst und Unsicherheit.
„Bist du dir sicher?“, fragte er mit ernster Miene.
„Natürlich bin ich das. Du bedeutest mir alles, William. So war
es schon immer, so lange ich mich erinnern kann. Und jetzt, da ich
weiß, dass du genauso empfindest wie ich, kann ich mir kein Leben
mehr ohne dich vorstellen.“
„Genauso wenig, wie ich mir ein Leben ohne dich vorstellen
kann. Ich liebe dich, Adelaide. Nichts wird daran je etwas ändern.“
Von der Kraft seiner Liebe zu ihr gerührt, hob sie den Kopf,
um seinen Kuss zu erwidern, der ein Versprechen gab, das nie
gebrochen werden würde. Sie spürte es in ihrem Herzen und in ihr-
em Körper—besonders wenn er sie mit so ungezügelter heißer
Leidenschaft küsste. Glückseligkeit breitete sich in ihr aus und sie
wusste, dass William Thomas die große Liebe ihres Lebens war.
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Er küsste sie hingebungsvoll, bevor er sich zurückzog und sie
anlächelte. „Jetzt beginnt sie“, flüsterte er, als er ihre Hand nahm
und sie durch den Raum zur Tür hinter dem Wandteppich führte.
„Was beginnt?“, fragte sie.
„Unsere gemeinsame Zukunft.“
Leise schlüpften sie in den geheimen, engen Korridor, durch
den sie aus dem Palast gelangen würden.
Adelaide hielt Williams Hand fest in ihrer, als er sie den
dunklen Gang entlangführte. Ihr Herz schlug mit einer Mischung
aus Angst und einem wagemutigen Hochgefühl. Es kam ihr so vor,
als seien sie Häftlinge, die einen wagemutigen Ausbruch aus einem
Kerker begingen.
Sie waren jedoch noch nicht in Sicherheit. Es konnte noch viel
passieren, bevor sie die Ställe erreichten.
Und dennoch wusste Adelaide, als sie ihren Weg in die Freiheit
beschritten, dass nichts sie beide voneinander fernhalten würde.
Selbst wenn ihr Vater sie einholen würde, selbst wenn er sie schla-
gen und wieder einsperren würde, sie und William würden irgend-
wie einen Weg finden, zusammen zu sein, denn das war ihr Schick-
sal. Er war die andere Hälfte ihrer Seele.
Sie hatte es in dem Moment gewusst, als er sie küsste.
Ende
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Liebe Leser,
ich hoffe, Sie haben „Küsse vor der Hochzeit“, einen Teil mein-
er „Pembroke Palace“-Serie, gerne gelesen. Bitte beachten Sie, dass
demnächst zwei weitere Kurzromane der Serie, „Married by Mid-
night“ und „Seduced at Sunset“, auf Deutsch erscheinen werden.
„Married by Midnight“ handelt von Lord Garett Sinclair,
Adelaides jüngstem Sohn, der nach Hause zurückkehren und bis
Weihnachten heiraten muss, wenn er das Erbe seines Vaters antre-
ten will.
„Seduced at Sunset“ handelt von Lady Charlotte Sinclair,
Adelaides Tochter, die letzte der Geschwister von Pembroke Palace,
die nicht verheiratet ist und als alte Jungfer gilt, während ihre
Brüder alle die Liebe gefunden haben. Außerdem werden die weit-
eren Entwicklungen in der noch nicht beendeten Liebesgeschichte
von Lady Charlottes Mutter Adelaide und Dr. William Thomas
geschildert.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und Ihnen, liebe Leser,
für all die wunderbaren Briefe und E-Mails danken, die Sie mir
über die vergangenen Jahre hinweg geschrieben haben. Sie haben
mir so viel bedeutet und mir häufig bei der Entscheidung, welche
Geschichte ich als nächstes schreiben sollte, weitergeholfen.
Wenn Sie auch zeitgenössische Romane mögen, würde ich
mich freuen, wenn Sie „Wenn du die Augen schließt“, das ich unter
dem Pseudonym Evelyn Mitchell geschrieben habe, lesen würden.
Bitte melden Sie sich für meinen Newsletter an, sodass ich Sie
benachrichtigen kann, wenn ein neues Buch von mir erhältlich ist.
Und besuchen Sie meine Website
, um
mehr Informationen über alle meine Bücher zu erhalten oder direkt
mit mir in Kontakt zu treten. Ich freue mich, von Ihnen zu hören.
Liebe Grüße,
– Julianne
auch von Julianne MacLean
Wenn du die Augen schließt
(The Colour of Heaven)
Eine Liebe, die den Tod überdauert—voller Magie und echter
Gefühle
Die Welt von Sophie Duncan, einer erfolgreichen Kolumnistin, ger-
ät nach der unerwarteten Krankheit ihrer Tochter und der schocki-
erenden Affäre ihres Mannes aus den Fugen. Als es so scheint, als
könnte es nicht noch schlimmer werden, rutscht ihr Auto bei Glätte
von der Fahrbahn und versinkt in einem zugefrorenen See. Dort in
der kalten, dunklen Tiefe des Wassers legt eine allumfassende und
außergewöhnliche Erfahrung die Geheimnisse in Sophies Vergan-
genheit frei und führt ihr vor Augen, was es in Wahrheit bedeutet,
zu leben…und zu lieben.
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Über die Autorin
Julianne MacLean ist die Autorin von über 20 historischen
Liebesromanen. Ihre Bücher schafften es auf die Bestseller-Liste
von USA Today, gewannen zahlreiche Auszeichnungen wie die Ro-
mantic Times Reviewers’ Choice, Bookseller’s Best, Colorado Award
of Excellence und Bookbuyer’s Best und waren dreimal für den
RITA (der Liebesroman-Oscar) nominiert.
Als Evelyn Mitchell erschien von ihr der Frauenroman „Wenn
du die Augen schließt“ (The Colour of Heaven).
Sie lebt mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in
Neuschottland, Kanada, und ist engagiertes Mitglied der Romance
Writers of Atlantic Canada.
Für weitere Informationen besuchen Sie bitte Julianne
MacLeans Website
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