Dunlop, Barbara Eine unmoegliche Affaere

background image
background image

Barbara Dunlop

Eine unmögliche Affäre

background image

IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: 040/60 09 09-361
Fax: 040/60 09 09-469
E-Mail:

info@cora.de

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)

Produktion:

Christel Borges

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit
Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2012 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „A Conflict of Interest“
erschienen bei: Harlequin Books, Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II
B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1802 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Roswitha Enright

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2014 – die elektronische Aus-
gabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion:

GGP Media GmbH

, Pößneck

ISBN 9783733720186
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen
Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

background image

CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen
Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe
sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen
Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und
Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop

www.cora.de

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

4/171

background image

1. KAPITEL

Es war die Nacht der Amtseinführung des amerikanischen Präsid-
enten in Washington, und Cara Cranshaw musste sich zwischen
dem Präsidenten und ihrem Liebhaber entscheiden. Der eine betrat
hoch aufgerichtet und strahlend den großen Ballsaal des Worthing-
ton Hotels, während die Band einen Triumphmarsch anstimmte
und die Menge ihm zujubelte. Der andere, dem das dunkle Haar
wie immer etwas zerzaust in die Stirn fiel und dessen Fliege nicht
ganz gerade saß, starrte Cara vom anderen Ende des Ballsaales an.
Und als sie seinem Blick kurz begegnete, wurde sie rot. So eindeutig
war das, was er wollte. Sie nackt in den Armen halten.

Momentan gewann Reporter Max Gray den Kampf um Caras

Aufmerksamkeit. Obwohl sie fest entschlossen war, mit ihm
Schluss zu machen, konnte sie sich einfach nicht seinem Blick ent-
ziehen. Unwillkürlich legte sie sich die Hand auf den flachen Bauch.
Doch da Ted Morrow zum Präsidenten gewählt worden war, musste
sie die Beziehung mit Max unbedingt abbrechen.

„Meine Damen und Herren“, versuchte sich der Moderator ver-

ständlich zu machen, was bei dem begeisterten Klatschen und der
lauten Musik nicht ganz einfach war. „Der Präsident der Verein-
igten Staaten!“

Der Jubel kannte keine Grenzen, die Band spielte lauter. Die

Menge bildete eine Gasse, um Platz für Präsident Morrow zu
machen. Auch Cara trat ein paar Schritte zurück, konnte den Blick
aber nicht von Max lösen, der auf der anderen Seite der Gasse das
Gleiche tat. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, denn auf
keinen Fall durfte sie ihm zeigen, wie verwirrt und verunsichert sie
seit ihrem Termin beim Arzt am Nachmittag war. Es gibt eine

background image

Lösung, versuchte sie sich immer wieder gut zuzureden. Kein
Grund, besorgt zu sein oder gar Angst zu haben.

„Er ist spät dran“, hörte sie Sandy Hanifords schrille Stimme.
Sandy Haniford war relativ neu im Pressebüro des Weißen

Hauses, in dem Cara als Public Relation Spezialistin arbeitete.

„Nur ein paar Minuten“, gab Cara zurück, die Augen immer noch

auf Max gerichtet. Sie musste sich unbedingt beruhigen. Seit sie er-
fahren hatte, dass sie schwanger war, war zwar ihre Welt irgendwie
aus den Fugen, was aber nicht bedeutete, dass sie ihren Job in
dieser wichtigen Nacht nicht gut machte.

„Ich hatte gehofft, dass der Präsident etwas früher kommt“,

schrie Sandy ihr wieder ins Ohr. „Weil in letzter Sekunde noch ein
weiterer Redner hinzugekommen ist.“

„Was?“ Cara sah sie entsetzt an. „Was hast du gesagt?“
„Noch ein Redner.“
„Das kann doch nicht wahr sein.“
„Ist es aber.“
„Dann musst du das wieder rückgängig machen.“
Die Redner dieses Abends, der von Organisationen veranstaltet

wurde, die dem Präsidenten eher feindlich gesinnt waren, standen
schon lange fest. Auch der Fernsender American News Service
(ANS), der diesen Ball im Worthington Hotel ausrichtete, gehörte
zu den Organisationen, die dem Präsidenten kritisch gegenüber-
standen. Aber sein Ball hatte eine lange Tradition, und so musste
der Präsident auch hier erscheinen.

Seine Anwesenheit war mit dreißig Minuten festgelegt. Man er-

wartete ihn um 22.45 Uhr, jetzt wohl eher um 22.52 Uhr, und um
23.15 Uhr musste er bereits wieder aufbrechen. Denn als Nächstes
musste er den Ball besuchen, den das Militär für ihn veranstaltet
hatte, und zu dem wollte er auf keinen Fall zu spät kommen.

„Aber was soll ich denn tun? Soll ich den Mann anfallen, wenn er

in Richtung Bühne geht?“ Sandys Verzweiflung schlug in Sarkas-
mus um.

6/171

background image

„Du hättest dieses Problem gar nicht erst aufkommen lassen sol-

len.“ Cara zog ihr Telefon aus der Tasche, um ihre Chefin, die
Pressesprecherin Lynn Larson, anzurufen.

„Glaubst du denn, das hätte ich nicht versucht?“
„Offenbar nicht hartnäckig genug. Wie konntest du dem ANS die

Genehmigung geben, noch einen Redner aufzustellen?“

„Sie haben mich doch gar nicht gefragt!“, verteidigte sich Sandy.

„Graham Boyle persönlich hat Mitch Davis ausgesucht. Es soll nur
ein kurzer Toast sein, höchstens zwei Minuten.“

Cara war empört. Mitch Davis war der Starreporter vom ANS.

Dem Milliardär Graham Boyle gehörte zwar der Sender, und er
hatte diesen Ball hier ausgerichtet. Aber das gab ihm noch lange
nicht das Recht, in den Terminkalender des Präsidenten einzugre-
ifen. Unwillkürlich warf Cara Max einen Hilfe suchenden Blick zu.
Max war der Starreporter von ANS’ Konkurrenzunternehmen, dem
Sender National Cable News (NCN). Vielleicht hatte er eine Ah-
nung, was hinter dem Ganzen steckte. Aber Cara konnte ihn nicht
fragen, nicht jetzt und nicht später. Niemals mehr.

Sie wählte Lynns Nummer, bekam aber nur die Voicemail. In

diesem Augenblick hatte der Präsident den Tisch unterhalb der
Bühne erreicht und schüttelte lächelnd einigen festlich gekleideten
Gästen die Hand. Der Moderator David Batten, Gastgeber einer
sehr populären Talkshow, übernahm wieder das Mikrofon. Nach
wenigen herzlichen Worten übergab er das Mikro Graham Boyle,
der laut Terminplan drei Minuten Redezeit hatte.

Cara steckte das Telefon ein und kämpfte sich durch die Menge

in Richtung Bühne. Vielleicht gelang es ihr, Mitch Davis zu fassen
zu kriegen, bevor er die Bühne erreichte. Wenn sie nur ein bisschen
größer und ein bisschen kräftiger wäre. Ein bisschen mehr wie Max

Er war als Kriegsreporter in allen Krisengebieten unterwegs

gewesen, in zerschossenen Städten und in unwegsamen Berggebi-
eten, um mit Rebellen zu sprechen, in undurchdringlichen

7/171

background image

Urwäldern und auf Flüssen reich an Krokodilen, um die Sorgen und
Ängste der einheimischen Stämme dem westlichen Publikum na-
hezubringen. Wenn also Max Gray einen bestimmten Sprecher
nicht auf der Bühne sehen wollte, dann hätte der keine Chance.
Aber diesmal konnte Cara seine Hilfe nicht in Anspruch nehmen
und musste sich selbst etwas ausdenken.

Sie drängte sich in Richtung der Treppe vor, während Graham

Boyle launige Anekdoten über den Präsidenten zum Besten gab,
ironisch aber durchaus akzeptabel. Wenn ich doch nur größer wäre,
ging Cara durch den Kopf. Bei ihren eins fünfundsechzig konnte sie
nicht sehen, ob Mitch auf der rechten Seite der Bühne stand und
auf seinen Auftritt wartete.

„Wo willst du denn hin?“
„Ich muss zur Bühne.“
„Bleib dicht hinter mir.“ Schon hatte er sich vor sie geschoben.

Mit seinen fast eins neunzig und den breiten Schultern wirkte er
beeindruckend. Außerdem ist er ziemlich berühmt, und das schadet
auch nicht unbedingt, dachte Cara und drängte sich hinter ihn. In
einer Magazinumfrage des letzten Monats war er als einer der zehn
begehrenswertesten Männer Washingtons bezeichnet worden. Aber
was für sie viel wichtiger war, er pflügte sich mit einem enormen
Tempo durch die Massen. Doch dann hielt ein Pulk von Menschen
ihn auf, und er wandte sich schnell zu Cara um. „Warum musst du
denn so dringend auf die Bühne?“

„Nicht auf die Bühne, zur Bühne“, zischte sie ihm zu. „Und nur zu

deiner Info, ich bin kein Geheimnisträger.“

„Und da ich kein Spion bin, können wir uns doch unterhalten,

ohne die nationale Sicherheit zu gefährden“, gab er ebenso scharf
zurück.

Aber es war sowieso alles zu spät. Cara ließ die Schultern hängen.

Denn nun hatte ein Mann mit einer leider nur zu bekannten
Stimme das Mikro übernommen.

8/171

background image

„Guten Abend, Mr Präsident.“ Das war Mitch Davis’ schleimige

Stimme.

Überrascht reckte alles die Köpfe. Denn es war allgemein bekan-

nt, dass Mitch Davis der schärfste Kritiker von Präsident Morrow
war. Cara schloss kurz die Augen. Und sie hatte ihn nicht zurück-
halten können …

„Erst einmal möchte ich Ihnen im Namen von American News

Service zu der Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten
gratulieren.

Man klatschte, wenn auch nicht so frenetisch wie sonst.
„Ihre Freunde“, fuhr Mitch mit einem schmierigen Lächeln fort,

„Ihre Anhänger und Ihre Eltern müssen sehr stolz auf Sie sein.“

Cara stellte sich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, was der

Präsident für ein Gesicht machte. War er nur überrascht oder auch
verärgert über diese Abweichung vom Programm? Aber sie konnte
ihn nicht sehen.

Das blieb Max nicht verborgen. „Der Präsident lächelt“, flüsterte

er ihr zu. „Wenn auch etwas gezwungen.“

„Davis war nicht als Redner vorgesehen“, stieß sie zwischen den

Zähnen hervor.

„Kann ich mir vorstellen.“ Er grinste kurz.
Cara warf ihm einen wütenden Blick zu, drängte sich an ihm

vorbei und schaffte es tatsächlich, mit Ellbogenkraft fast bis zum
Tisch des Präsidenten vorzudringen. Lynn Larson war sicher auf
hundertachtzig! Dieser Ball war zwar nicht eigentlich Caras Verant-
wortung, aber sie hatte eng mit dem Stab zusammengearbeitet, der
die Bälle mit dem Zeitplan des Präsidenten koordinierte, also war
auch sie an dieser Panne schuld.

„Aber besonders stolz wird Ihre Tochter sein“, nahm Mitch

wieder das Wort.

Betretenes Schweigen. Fragend sahen sich die Gäste an, denn der

Präsident war nicht verheiratet und hatte keine Kinder.

9/171

background image

Mitch lächelte breit, das Mikrofon in der einen und ein Glas

Champagner in der anderen Hand. „Ihre Tochter Ariella Winthrop,
die heute Abend hier ist, um mit Ihnen und uns zu feiern!“

Die Menge schwieg immer noch geschockt. War das Ganze nur

ein schlechter Witz? Auch Cara war sekundenlang nicht sicher, aber
dann wurde ihr sehr schnell klar, dass eine sehr bösartige Absicht
dahinter steckte. Sie blickte auf das eine Bühnenende, wo ihre Fre-
undin Ariella stand, deren Firma mit der Ausrichtung dieses Balls
betraut worden war. Sie starrte die Freundin an, und es überlief sie
eiskalt.

Ariella sah dem Präsidenten tatsächlich sehr ähnlich. Das war

Cara bisher nie aufgefallen, wahrscheinlich weil sie nie eine Ver-
bindung zwischen den beiden gezogen hatte. Allerdings wusste sie
seit Jahren, dass Ariella adoptiert worden war, ihre leiblichen El-
tern jedoch nicht kannte.

Der Geräuschpegel stieg. Jeder fragte jeden, was er wusste, ge-

hört hatte, von der Sache hielt oder vermutete. Wahrscheinlich
waren schon Tausende SMS herausgegangen. Cara machte einen
Schritt auf Ariella zu, die sich jedoch auf dem Absatz umdrehte und
hinter der Bühne verschwand.

Mitch hob das Glas. „Auf den Präsidenten!“
Keiner stimmte in den Toast ein.
Cara kämpfte sich zu Lynn durch, als immer mehr Fragen laut

wurden und die Presseleute auf den Präsidenten zukamen. Die
Pressesprecherin sprang auf. „Bitte richten Sie Ihre Fragen an
mich“, rief sie und lenkte so die Aufmerksamkeit von Morrow ab,
der ganz offensichtlich unter Schock stand.

„Anschuldigungen dieser Art nehmen wir sehr ernst“, begann sie

mit erhobener Stimme und warf Cara einen kurzen Blick zu, die so-
fort verstand. Sie ging um die Presseleute herum, die sich um Lynn
scharten, um an das Mikrofon auf der Bühne zu kommen. Eine so-
fortige Schadensbegrenzung hatte jetzt erste Priorität. Dazu war der
Stab des Präsidenten da.

10/171

background image

Aus dem Augenwinkel sah sie, dass er, umringt von Sicher-

heitsleuten, bereits Richtung Ausgang ging. Das war Routine, und
sie war sicher, dass draußen bereits die Präsidentenlimousine auf
ihn wartete. Ob Mitch Davis’ Behauptung stimmte oder ob er nur
die Ähnlichkeit von Ariella und dem Präsidenten auf schäbige Art
und Weise ausnutzte, wusste sie nicht. Dennoch musste sie han-
deln. Sie lief die Stufen hinauf, überquerte die Bühne und riss
Mitch Davis das Mikrofon aus der Hand, der sie verblüfft ansah,
sich aber nicht wehrte. Offenbar wusste er, dass er erreicht hatte,
was er wollte.

Doch sein selbstgefälliges Lächeln, mit dem er sich jetzt der

Menge zuwandte, verging ihm sehr schnell, als er Max erblickte, der
ihn wütend ansah. Hastig überquerte er die Bühne, um sie über
eine der Treppen zu verlassen, doch Max folgte ihm unterhalb der
Bühne und ließ ihn nicht aus den Augen.

„Meine Damen und Herren“, versuchte Cara die Aufmerksamkeit

auf sich zu ziehen, während sie sich in Windeseile eine kurze Rede
im Kopf zurechtlegte. „Das Weiße Haus dankt Ihnen für Ihr Kom-
men, um mit dem Präsidenten seinen Sieg zu feiern. Präsident
Morrow schätzt Ihre Unterstützung sehr und hofft, dass Sie sich
auch den Rest des Abends gut amüsieren. Und der hier versam-
melten Presse möchte ich sagen, dass wir für Sie eine Erklärung
vorbereiten und uns morgen im Rahmen der üblichen Pressekon-
ferenz allen Ihren Fragen stellen werden.“

Dann wandte sie sich lächelnd der Band zu. „Und nun überlasse

ich Sie wieder den Sea Shoals und ihren mitreißenden Rhythmen.“
Sie nickte dem Bandleader zu, der dankbar den Stab hob. Die
Musik setzte ein.

Max stand unten an der Treppe, als Cara die Stufen herunterkam.

Er breitete die Arme aus, aber ein warnender Blick von ihr ließ ihn
innehalten. Als er mit den Lippen das Wort „später“ formte, wusste
Cara, sie waren noch lange nicht fertig miteinander.

11/171

background image

Oft empfand Max es als ausgesprochen lästig, dass jeder sein
Gesicht vom Fernsehen her kannte. Manchmal aber hatte das auch
seine Vorteile. So wie jetzt, als der Portier des Apartmentkom-
plexes, in dem Cara wohnte, ihn lächelnd durchwinkte, obgleich
Max erst wenige Male hier gewesen war. Aber er kannte ihn aus der
Nachrichtensendung „After Dark“ und ließ ihn zum Fahrstuhl ge-
hen, ohne vorher bei Cara anzurufen.

Das war sehr günstig, denn Max war ziemlich sicher, dass Cara

ihn abgewiesen hätte. Und er musste sie unbedingt sehen.

Das, was auf dem ANS-Ball geschehen war, hatte das Weiße Haus

hart getroffen, besonders natürlich die Presseabteilung. Cara und
Lynn hatten getan, was sie konnten, aber Cara war bestimmt
vollkommen durcheinander. Der Skandal und seine Auswirkungen
würden ohne Frage den sorgfältig aufgestellten Terminplan des
Präsidenten auf Monate hinaus umwerfen. Max musste einfach se-
hen, wie es Cara ging.

Er verließ den altmodischen Fahrstuhl und lief den Flur entlang.

Das Gebäude war früher eine Schule gewesen, die in zwölf Apart-
ments umgebaut worden war. Von einem kleinen Vorraum, der
bereits mit einer Tür von dem allgemeinen Hausflur abgetrennt
war, führte eine Wendeltreppe zu Caras Apartment, einem großen
hellen Raum mit einem glänzenden Holzfußboden. In der einen
Ecke war eine kleine, perfekt eingerichtete Küche untergebracht, in
einer anderen der Schlafteil, der mit einem Wandschirm aus durch-
brochenem Holz von dem übrigen Raum abgetrennt war.

Max hatte das Loft auf Anhieb gefallen. Es passte sehr gut zu

Cara, war stilvoll, ohne überladen zu sein, war klar und praktisch,
hell und luftig. Auch Cara war praktisch und von einer klaren
Schönheit, mit ihrem kurzen lockigen braunen Haar, den großen
blauen Augen, den vollen rosa Lippen und der zierlichen, wohl pro-
portionierten Figur war sie ihm sofort aufgefallen. Sie war ein Ener-
giebündel, das so schnell nichts umhaute.

12/171

background image

Mitte Dezember war Max das letzte Mal hier gewesen. Nachdem

Ted Morrow die Wahl im November gewonnen hatte, hatte Cara
sich zurückgezogen, doch diesmal hatte sie ihn hereingelassen. Max
hatte ihr rosa Diamantohrringe aus Australien mitgebracht. Er
hatte die Rohdiamanten selbst für sie ausgesucht, sie schleifen und
dann in Gold fassen lassen.

In dieser Nacht hatten sie sich geliebt, und sie hatten beide

gewusst, dass es wahrscheinlich das letzte Mal für eine lange Zeit
sein würde, zumindest so lange Ted Morrow im Amt blieb. Darauf
hatte Cara bestanden, denn sie arbeitete für den Präsidenten, und
Max war ein Starreporter des Fernsehens. Sie durfte nicht in den
Verdacht kommen, Geheimnisse weiterzugeben.

Er klopfte an die Tür und hörte ziemlich bald ihre Schritte auf

der eisernen Wendeltreppe. Vor der Tür blieb sie stehen, und er
wusste, sie sah jetzt durch den Türspion.

„Geh weg!“
„Nein.“ Er legte die Handflächen an die Tür.
„Ich habe dir nichts zu sagen.“
Er trat dicht an die Tür heran, um die Stimme nicht heben und so

die Nachbarn wecken zu müssen. „Wie geht es dir, Cara?“

„Wunderbar.“
„Ich muss mit dir sprechen.“
Sie schwieg.
„Möchtest du wirklich, dass ich dir von hier draußen das sage,

was ich dir zu sagen habe?“

„Nein. Ich möchte, dass du gehst.“
„Erst wenn ich mich vergewissert habe, dass es dir gut geht.“
„Ich bin über einundzwanzig, Max. Ich kann auf mich selbst

aufpassen.“

„Das weiß ich.“
„Warum bist du dann hier?“
„Mach auf, dann sage ich es dir.“
„Darauf falle ich nicht herein.“

13/171

background image

„Nur fünf Minuten“, bat er.
Sie schwieg.
„Zehn Minuten, wenn ich es von hier aus sagen muss.“
Nach wenigen Sekunden wurde der Riegel zurückgeschoben. Die

Tür ging auf. Cara stand da und sah Max schweigend an. Sie trug
ein überweites graues T-Shirt zu schwarzen Yogahosen und war
barfuß. Ihr Haar war ungekämmt, und da sie kein Make-up trug,
fielen die wenigen hellen Sommersprossen auf, die Max besonders
entzückend fand.

„He, du“, sagte er leise und hätte sie am liebsten in die Arme

genommen.

„Ich bin wirklich okay“, behauptete sie wieder, aber die an-

gespannten Gesichtszüge und die verkrampfte Hand, mit der sie die
Tür festhielt, sprachen dagegen.

Doch Max nickte nur, trat ein und nahm ihr die Tür aus der

Hand, um sie selbst zu schließen. Er blickte fragend auf die
Wendeltreppe.

Sie nickte zögernd und ging auf die Treppe zu. „Aber nur fünf

Minuten.“

Er folgte ihr und musste wieder dem Drang widerstehen, sie zu

berühren.

„Cola oder Bier?“, fragte sie, während sie auf die Küchenecke

zuging.

„Bier.“ Er ließ die Smokingjacke auf einen Stuhl fallen und zog

die Fliege auf. Leise seufzend ließ er sich auf einer der dunkelgrün-
en Ledercouchs nieder, die einander gegenüberstanden.

Mit einem Bier für ihn und einer Cola für sich kam Cara zurück,

reichte ihm das Bier und kuschelte sich in einen Sessel. Sie öffnete
ihre Dose und trank. „Noch vier Minuten“, sagte sie dann.

Er nickte, nahm seine Armbanduhr ab und stellte sie so auf den

Couchtisch, dass er das Zifferblatt sehen konnte. „Geht es dir wirk-
lich gut?“, fragte er wieder.

„Ja, ja.“

14/171

background image

„Wusstest du davon?“ Er musste die Frage einfach stellen.
„Du weißt, dass ich dir darauf keine Antwort geben kann.“
„Ja, ich weiß. Ich hoffte nur, ich könne deiner Miene etwas

entnehmen.“

Sie hob leicht die Augenbrauen. „Und? Konntest du?“
„Nein. Du bist undurchschaubar wie immer.“
„Danke. Das brauche ich bei meinem Job.“
Er trank einen Schluck Bier und stellte die Dose dann auf den

Tisch. „Dir ist schon klar, dass ich Nachforschungen anstellen
muss.“

„Ja, ich weiß. So eine Story darfst du dir nicht entgehen lassen.“
„Du weißt, wie sehr ich den Präsidenten schätze. Aber eine

Tochter, die da plötzlich auftaucht?“

„Wir wissen noch nicht genau, ob es wirklich seine Tochter ist.“
Er war überrascht, dass sie immerhin so viel preisgab. „Stimmt.

Aber wir werden es bald wissen.“

„Das glaube ich auch.“
„Hast du schon mit Ariella gesprochen?“ Er wusste, dass die

beiden befreundet waren.

„Glaubst du ernsthaft, dass das für irgendjemanden sinnvoll

wäre?“

„Das ist weder ein Ja noch ein Nein.“
Cara sah ihn schweigend an.
„Ich weiß, ich weiß“, entschuldigte er sich. „Du darfst nichts

sagen.“

Sie setzte sich gerade hin und beugte sich dann vor. „Mir ist klar,

Max, dass du der Sache nachgehen musst. Aber ich möchte dich bit-
ten, fair zu sein.“

Jetzt stützte auch Max sich auf den Oberschenkeln ab und kam

Cara so nah, dass er ihren feinen Duft wahrnehmen konnte. Und sie
am liebsten geküsst hätte. „Du weißt, dass ich mich immer erst um
die Fakten kümmere.“

15/171

background image

Er griff nach ihrer Hand, doch Cara zuckte zurück. „Da wird noch

viel Unerfreuliches auf uns zukommen“, sagte sie leise.

„Allerdings.“ Max war klar, wie gierig sich die Presse auf diese

Geschichte stürzen würde. Von der Opposition ganz abgesehen, die
bereits Blut geleckt hatte. „Wirst du heute noch arbeiten?“

„Nein. Lynn hat die Spätschicht übernommen. Ich fahre morgen

früh ins Büro.“

„Die Sache wird sich lange hinziehen.“ Max sah sie mitfühlend

an. Wenn er ihr doch nur irgendwie helfen könnte. Aber er hatte
nun mal einen ganz anderen Beruf als sie, einen Job, der es ihr sog-
ar besonders schwer machte.

„Das fürchte ich auch.“ Sie seufzte leise.
„Ich werde fair sein, Cara.“
„Danke.“ Sie senkte den Kopf, und Max griff wieder nach ihrer

Hand. Diesmal hielt er sie fest, bevor sie sie ihm entziehen konnte.
Sie sah ihn traurig mit ihren großen blauen Augen an und blickte
dann auf die miteinander verbundenen Hände. „Du weißt, warum
es nicht geht“, flüsterte sie.

„Ja. Aber ich kann es nicht akzeptieren.“
„Ich kann nicht mehr mit dir befreundet sein.“
„Und ich kann nicht aufhören, dich zu begehren, Cara.“
Wieder sah sie ihn ernst an. „Du musst es versuchen, Max. Du

bist doch dafür berühmt, dass du alles schaffst, was du dir
vornimmst.“

Er lächelte traurig. „Du weißt hoffentlich, dass ich nicht hier bin,

weil ich mit Insider-Informationen rechne. Ich mache mir Sorgen
um dich.“

„Wie ich schon sagte …“
„Ich weiß“, unterbrach er sie. „Dir geht es gut. Begriffen.“ Davon

würde sie nicht abgehen, das war ihm klar. Ihre helle Haut sah so
glatt und weich aus, die Lippen waren leicht geöffnet. Er konnte sie
förmlich spüren, riechen, schmecken … Unwillkürlich beugte er
sich vor und kam ihr näher.

16/171

background image

Aber sie drehte schnell den Kopf weg, bevor er ihre Lippen ber-

ühren konnte. „Deine fünf Minuten sind um.“

Er ließ ihre kleine Hand los und stand seufzend auf. „Okay.“

Max hatte seine Armbanduhr in ihrem Apartment liegen gelassen.
Cara wusste nicht, ob das Absicht oder Zufall war. Sie nahm die
kostbare Rolex und legte sie sich auf den Nachttisch, um sie am
nächsten Morgen auf keinen Fall zu vergessen.

Der Wecker klingelte um 3.30 Uhr, und eine halbe Stunde später

war Cara bereits unterwegs. Sie hatte die Uhr mitgenommen. Falls
Max sie vermisste und sie deshalb anrief, würde sie sie ihm auf dem
Nachhauseweg vorbeibringen. Auf keinen Fall durfte er das als Vor-
wand benutzen, wieder in ihr Apartment zu kommen.

Sie zog ihre Ausweiskarte durch den Scanner in der Halle des

Weißen Hauses, passierte die Sicherheitskontrolle und ging den
Flur zu ihrem Büro entlang. So früh am Morgen war es noch
dunkel, aber nicht nur das Reinigungspersonal war unterwegs, son-
dern mit dem neuen Präsidenten waren auch verschiedene Posi-
tionen ausgetauscht worden, sodass bereits die ersten Umzüge
stattfanden, Möbel und Kisten geschleppt wurden.

„Morgen, Cara.“ Lynn trat an ihre Seite.
Im Gehen knöpfte Cara den Mantel auf und nahm sich den Schal

ab. „Morgen. Hast du schon mit dem Präsidenten sprechen
können?“

„Nein. Der Geheimdienst war eine Stunde bei ihm. Danach Barry.

Und dann hat er sich in seine Privaträume zurückgezogen.“

„Was meinst du? Ist es wahr?“
Eine ihrer Assistentinnen nahm Caras Handtasche und ihren

Schal. Cara drückte ihr auch noch den Mantel in die Arme.

„Keine Ahnung.“ Lynn stieß die Tür zu ihrem Büro auf.
Cara folgte ihr. „Hat Barry ihn nicht gefragt?“ Der Stabschef

Barry Westmore kannte den Präsidenten besser als jeder andere.

17/171

background image

Als Oberste der Presseabteilung hatte Lynn das größte Büro. Es

war nicht nur mit einem großen Schreibtisch aus schwerer Eiche
und einer bequemen Sitzecke ausgestattet, sondern auch mit drei
Fernsehapparaten, die Nachrichten aus aller Welt brachten. Mo-
mentan spekulierten Reporter in Englisch, Deutsch und Russisch
über das Privatleben des Präsidenten.

Lynn ließ sich in ihren ledernen Schreibtischsessel sinken und

drehte nervös an ihrem Topasring. „Selbst wenn es wahr ist, der
Präsident wusste nichts von dieser Tochter.“

„Das ist gut.“ Cara war erleichtert. Das war eine klare Aussage

und den Medien leichter zu vermitteln.

Aber Lynn schüttelte besorgt den Kopf. „Nicht unbedingt. Als

Mutter kämen nämlich mehrere Frauen infrage.“

„So?“
„Ja.“ Lynn ließ sich seufzend zurückfallen. „Barry und ich haben

zurückgerechnet. Wenn man sehr großzügig rechnet, hatte er in der
Zeit der möglichen Empfängnis mit drei Frauen Kontakt.“

„Drei? Wow!“ Unwillkürlich musste Cara lächeln.
Lynn runzelte kurz missbilligend die Stirn. „Wieso? Es war sein

letztes Highschooljahr, und er war ein Footballstar.“

„Verstehe.“ Cara setzte sich auf einen der Besucherstühle, der vor

dem Schreibtisch stand.

„Aber er weigert sich, uns die Namen der Frauen zu nennen. Erst

will er wissen, ob Ariella wirklich seine Tochter ist. Nur in dem Fall
dürfen wir mit seinen Exfreundinnen Kontakt aufnehmen.“

„Dann wird die Presse sie zuerst ausfindig machen.“ Cara musste

sofort an Max denken. Sämtliche Medien stürzten sich auf diese
Geschichte. Sie warteten bestimmt nicht den DNA-Test ab, sondern
würden alles daransetzen, Ariellas Mutter zu finden.

„Das fürchte ich auch. Aber der Präsident will nicht Unschuldige

in die Sache mit hineinziehen.“

18/171

background image

Dafür ist es längst zu spät, dachte Cara. Wer auch immer in den

letzten Highschooljahren mit dem Footballstar Morrow geschlafen
hatte, war den Medien ausgeliefert.

Wieder drehte Lynn nervös an ihrem Ring. „Immer passiert et-

was, womit man nicht gerechnet hat. Und meist hat es mit Sex zu
tun. Vielleicht sollten wir das nächste Mal einen Kandidaten unter-
stützen, der blass und unscheinbar und eher intellektuell ist. Viel-
leicht einen berühmten Schachspieler oder so.“

„Hast du schon mit Ariella gesprochen?“
„Nein. Wir wissen nicht, wo sie ist.“
„Dass sie sich versteckt, kann ich gut verstehen.“ Wenn mir das

passiert wäre, wäre ich längst über die kanadische Grenze …

„Hast du eine Ahnung, wo sie sein könnte?“ Lynn sah Cara

prüfend an. „Meinst du, du kannst sie finden?“

„Ich kann dich hier doch nicht mit allem allein lassen.“
„Doch, du kannst. Wir kommen auch ohne dich zurecht.“
„Danke. So etwas hört man besonders gern“, sagte Cara sarkas-

tisch. „Aber ehrlich, Lynn, du musst doch heute die Erklärung der
Presse gegenüber abgeben. Und die sollte ich schreiben. Außerdem
musst du unbedingt ein paar Stunden schlafen.“ Sie wünschte, sie
selbst hätte etwas länger als drei Stunden schlafen können. Denn
da sie schwanger war, musste sie mehr auf ihre Gesundheit achten.
Und jetzt in dieser Krisensituation …

„Das werde ich auch tun. Barry wird die Erklärung vorbereiten,

und wir werden die Pressekonferenz auf den Nachmittag ver-
schieben. Meinst du, dass du Ariella findest?“

Cara stand auf. „Ich kann es versuchen.“ Sie verließ den Raum

und ging in ihr eigenes Büro. Falls sie Ariella fand, konnte man ihr
wenigstens Polizeischutz anbieten. Sie zog den Mantel an, wickelte
sich den Schal um den Hals und verließ das Weiße Haus. Draußen
schneite es. Wenn Ariella wirklich Morrows Tochter war, würde sie
ihr Leben lang unter Polizeischutz stehen. Und das war noch das
geringste Übel. Selbst Cara konnte ihr Privatleben nicht mehr selbst

19/171

background image

bestimmen, und das nur, weil sie im Weißen Haus beschäftigt war.
Was würde da erst auf Ariella zukommen.

20/171

background image

2. KAPITEL

Nachdem Cara auf der Suche nach Ariella stundenlang die Stadt
durchstreift hatte, musste sie schließlich aufgeben. Es war bereits
neun Uhr abends, und sie hatte Nachrichten bei jedem hinter-
lassen, der Ariella kannte, und hatte mit allen Leuten gesprochen,
die eventuell etwas wissen konnten. Erschöpft und enttäuscht stieg
sie schließlich in den Fahrstuhl, der zu ihrem Loft hinauffuhr.

Cara schloss die Tür zu dem Vorraum auf. Erstaunt blickte sie die

Wendeltreppe hoch. Von oben kam Licht und auch Musik!

Unwillkürlich griff sie nach ihrer Handtasche, in der sie Max’ Uhr

verstaut hatte. Sollte er diesen lahmen Trick tatsächlich als Grund
benutzt haben, wieder bei ihr aufzutauchen?

Sie warf Mantel und Schal auf die kleine Bank in dem Vorraum

und zog die Stiefel aus. Leise stieg sie die Wendeltreppe hinauf. Er
konnte was erleben! Auf sein Gesäusel würde sie diesmal nicht
hereinfallen. Dann wurde ihr klar, dass ein berühmtes Lied von
Beyoncé gespielt wurde. Das passte nicht zu Max. Und es duftete
nach Kuchen. Schnell lief sie die restlichen Stufen hinauf – und
blieb wie angewurzelt stehen.

Ariella stand in der Küchenecke, um sie herum das reinste mit

Mehl besprenkelte Chaos! Sie hatte eins von Caras weiten T-Shirts
über ihr kurzes Kleid gezogen und rote Topflappen in den Händen,
in denen sie ein Blech mit Cupcakes hielt.

Schuldbewusst sah sie Cara mit ihren großen blauen Augen an.

„Hoffentlich bist du mir nicht böse. Ich wusste nicht, wohin ich
sonst gehen sollte.“

„Natürlich bin ich dir nicht böse.“ Cara ging schnell auf sie zu.

„Ich habe dich schon überall gesucht.“

background image

Ariella setzte das Blech ab. „Sie beobachten mein Haus und den

Club. In ein Hotel zu gehen, wage ich nicht. Und auch auf dem
Flugplatz warten sie sicher auf mich. Dein Portier unten kennt mich
und hat mir geglaubt, als ich ihm sagte, ich hätte den Ersatzschlüs-
sel verloren.“

„Ich bin froh, dass du gekommen bist.“ Cara umarmte sie vor-

sichtig, denn Ariella war überstäubt mit Mehl. Dann blickte sie auf
das große Holzbrett, auf dem Cupcakes in den schönsten Farben
abkühlten, hellgelbe Vanille, dunkelbraune Schokolade, pink-
farbener Fruchtzusatz, alle dekoriert mit Buttercreme und gekrönt
von kleinen Marzipanfiguren, die Ariella offenbar selbst geformt
hatte.

„Du bist wohl ordentlich hungrig“, bemerkte Cara lachend.
„Ich musste wohl eher irgendwie meine nervöse Energie

loswerden.“

„Vielleicht können wir sie ins Büro mitnehmen und für einen

guten Zweck verkaufen.“

Ariella warf die Topflappen auf den Tresen und stellte die Musik

aus. „Hast du Wein zu Hause?“

„Selbstverständlich.“ Caras Weinvorrat war nicht sehr üppig,

aber gut sortiert. „Was möchtest du? Merlot? Shiraz? Cabernet? Ich
habe auch noch einen guten Mondavi da.“

„Vielleicht ist der gute Wein heute an mich verschwendet. Mir ge-

ht es augenblicklich mehr um die Menge.“

Trotzdem zog Cara den Mondavi aus dem Weinregal. „Kann ich

gut verstehen.“

Sie nahm einen Korkenzieher aus der Schublade. „Gläser stehen

über dem Herd.“

Ariella holte zwei Gläser aus dem Schrank, und die beiden

Frauen gingen zu der Sitzecke. Dort zog Ariella das T-Shirt aus, das
sie über ihr schlichtes graues Cocktailkleid gezogen hatte, ließ sich
in einen Sessel fallen und zog die Füße unter sich. „Muss der Wein
noch atmen?“

22/171

background image

Cara lachte und goss ein. „Nicht in Notsituationen.“
Ariella beugte sich vor und griff nach einem der Gläser. Cara set-

zte sich auf die Couch und nahm das andere. Plötzlich fiel ihr die
Schwangerschaft ein, und sie stellte das Glas schnell neben sich.
Was hatte sie sich nur dabei gedacht? „Meiner kann ruhig noch ein
bisschen atmen. Aber nun zu dir. Wie hältst du das alles aus? Ich
würde total ausrasten.“

„Ich raste total aus.“
Cara lehnte sich zurück. „Könnte es wahr sein? Weißt du irgen-

detwas über deine richtigen Eltern?“

Ariella schüttelte den Kopf. „Überhaupt nichts.“ Dann lachte sie

leise und etwas verlegen. „Sie waren Amerikaner. Einer von beiden
hat es vielleicht sogar bis zum Präsidenten geschafft.“

„Mir war immer klar, dass du tolle Gene hast.“
Ariella stand auf und ging zu dem großen Spiegel, der neben der

Treppe hing. Nachdenklich betrachtete sie sich. „Findest du, dass
ich ihm ähnlich bin?“

Cara stellte sich hinter ihre Freundin. „Ja, ziemlich.“
„So sehr, dass es wahr …“
„Ja“, flüsterte Cara und legte ihr den Arm um die Schultern.
Ariella schloss ein paar Sekunden lang die Augen. „Ich muss weg,

irgendwohin, wo das Ganze nicht so eine Rolle spielt.“

„Du solltest in Washington bleiben. Hier wirst du geschützt. Die

Polizei …“

Ariella riss die Augen auf. „Nein!“
„Verstehe.“ Wie konnte sie ihr nur helfen? Ihre Blicke begegneten

sich im Spiegel. „Du musst einen DNA-Test machen lassen“, sagte
Cara ernst.

Doch Ariella schüttelte heftig den Kopf.
„Es nicht zu wissen, bringt dich auch nicht weiter.“
„Das weiß ich. Aber ich kann es noch nicht.“ Ariella schniefte

leise. „Etwas zu vermuten, ist eine Sache. Aber es genau zu wissen,
ist eine ganz andere.“

23/171

background image

„Ich weiß. Aber lass dir doch helfen. Komm mit mir ins Büro und

rede mit Lynn.“

„Ich brauche Zeit, Cara.“
„Du brauchst Hilfe, Ari.“
Ariella drehte sich zu ihr um. „Ich muss ein paar Tage für mich

haben, bevor ich mich dem Medienwahnsinn stelle. Okay?“

Cara zögerte. Wie sollte sie ihrer Chefin erklären, dass sie Ariella

zwar gefunden, aber leider auch wieder verloren hatte? Anderer-
seits war sie das der Freundin schuldig. Sie nickte. „Okay.“

„Ich werde den DNA-Test machen, aber noch nicht jetzt. Ich

glaube nicht, dass ich in meinem jetzigen Zustand mit einem posit-
iven Ergebnis umgehen könnte.“

„Wohin wirst du gehen?“
„Das kann ich dir nicht sagen. Du musst überzeugend wirken,

wenn du sagst, dass du es nicht weißt.“

„Ich kann lügen.“
„Nein, das kannst du nicht. Nicht, wenn die amerikanische

Presse dich löchert. Und nicht deiner Chefin gegenüber. Oder dem
Präsidenten.“

Sie hatte recht. „Und wie kann ich dich erreichen?“
„Ich melde mich bei dir.“
„Aber, Ariella …“
„Tut mir leid, aber es muss sein.“
Caras Handy klingelte einmal kurz. Das bedeutete, dass Lynn ihr

eine Nachricht geschickt hatte. Cara zog es aus der Tasche. Sie solle
den Fernsehapparat anstellen, ANS.

„Was ist?“, fragte Ariella ängstlich.
„Eine Nachricht von Lynn. Irgendetwas ist am Kochen.“ Sie ging

zum Fernsehapparat und stellte ANS ein.

Ariella trat neben sie. „Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl.“
Die Reporterin Angelica Pierce war zu sehen. Natürlich sprach

sie über Ariella und ihre mögliche Verwandtschaft mit dem Präsid-
enten. Dabei erwähnte sie eine Frau namens Eleanor Albert, die aus

24/171

background image

Fields in Montana kam, der Heimatstadt des Präsidenten. Alte
Jahrbücher der Highschool wurden eingeblendet, die Fotos von
Eleanor Albert und dem jungen Morrows dicht nebeneinander.
Dann ein dramatischer Tusch, und ein Bild von Ariella wurde zwis-
chen die beiden geschoben.

Ariella riss die Augen auf und sank auf die Couch. „Oh, nein …“,

ächzte sie.

Cara setzte sich neben sie und umarmte sie. Die Ähnlichkeit war

einfach verblüffend. Man brauchte noch nicht einmal einen DNA-
Test, um festzustellen, dass Ariella die Tochter des Präsidenten
war.

Max wusste, dass seine Ausrede mit der Uhr, die er in Caras Apart-
ment vergessen habe, wirklich lahm war. Aber etwas anderes fiel
ihm auf die Schnelle nicht ein. Es war Licht in ihrem Apartment.
Also war sie auch zu Hause.

Er hatte gerade die Sendung mit Angelica Pierce auf seinem

Tablet-PC gesehen. Wahrscheinlich war im Weißen Haus jetzt die
Hölle los. Und in den nächsten Wochen würde es kaum eine Mög-
lichkeit geben, sich mit Cara zu treffen. Nachdem er aus seinem
Mustang ausgestiegen war, stellte er den Mantelkragen hoch, denn
es herrschte ein ungemütlicher Schneesturm. Als er unter dem Vor-
dach stand, strich er sich die Schneeflocken von den Schultern.
Dann blickte er hoch und sah direkt in die Augen von Ariella
Winthrop.

Beide erstarrten.
„Ariella?“ Vorsichtig sah Max sich nach beiden Seiten um, aber

kein Mensch war zu sehen.

„Hallo, Max.“
Er ergriff sie beim Arm und zog sie aus dem Schein der Straßen-

lampe. „Was machst du hier? Wenn dich nun jemand sieht!“

„Der Portier hat mir ein Taxi bestellt.“

25/171

background image

„Ein Taxi? Weißt du denn nicht, dass dein Bild über alle Fernseh-

sender verbreitet wurde? Dein Gesicht kennt jetzt jeder. Ich fahre
dich nach Hause.“ Doch sofort fiel ihm ein, wie unsinnig dieser
Vorschlag war. „Besser ist ein Hotel. Auf keinen Fall kannst du hier
draußen stehen und auf ein Taxi warten.“

Er machte einen Schritt auf sein Auto zu, aber Ariella blieb

stehen und machte sich mit einem kräftigen Ruck frei. „Warum
sollte ich mit dir kommen? Du bist doch einer von denen, denen ich
dringend aus dem Weg gehen sollte.“

Beinahe empört sah er sie an. „Ich bin hier als Privatmann und

nicht als Reporter.“

„Du bist immer Reporter.“
Er schwieg kurz. „Kann ich dir eine einzige Frage stellen?“
Sie warf ihm einen wütenden Blick zu.
Er wartete ihre Antwort nicht ab. „Hast du ANS über das in-

formiert, was die heute in den Nachrichten brachten?“

„Natürlich nicht. Ich habe noch nie von Eleanor Albert gehört.

Und die Fotos beweisen gar nichts.“

„Aber für den Rest der Welt ist die Sache klar“, sagte er vor-

sichtig. „Ariella, bitte, komm mit mir zum Weißen Haus.“

„Nein!“
„Dort bist du in Sicherheit. Hast du denn vor, irgendwo

unterzutauchen?“

Sie schwieg.
„Ich kann dir helfen. Und dich dahin bringen, wo du sicher bist.“
Jetzt verdrehte sie genervt die Augen. „Ein sicheres Versteck,

vom dem der Starreporter des NCN weiß? Dass ich nicht lache. Du
wirst doch bestimmt auch dieses Gespräch hier veröffentlichen,
oder?“

Damit traf sie einen empfindlichen Punkt. Natürlich konnte er

seinen Sender nicht belügen. Aber er konnte durchaus entscheiden,
welche Informationen er wann und in welcher Form zur

26/171

background image

Veröffentlichung freigab. „Das weiß ich noch nicht. Was würdest du
denn der Öffentlichkeit durch mich mitteilen wollen?“

Sie zögerte. Was hatte sie schon zu verlieren? „Dass ich nicht

weiß, wer meine richtigen Eltern sind. Und dass ich Washington
verlassen habe.“

„Okay.“
„Das würdest du für mich tun?“
Er nickte. „Natürlich.“
Zum ersten Mal zeigte sie so etwas wie ein Lächeln. „Danke,

Max.“

„Ich kann dich doch zu dem Privatflughafen Potomac bringen.

Dort kannst du eine Privatmaschine chartern, die dich hinbringt,
wohin du willst. Und wenn du Geld brauchst …“

„Ich brauche kein Geld.“
„Und sonst?“
Sie sah ihn misstrauisch an. „Musst du nicht melden, dass du

mich zum Potomac gebracht hast?“

Er grinste und sagte mit geübter Reporterstimme: „Aus gut in-

formierten Quellen haben wir erfahren, dass Ariella Winthrop
Washington verlassen hat, wahrscheinlich mit einer Privat-
maschine vom Flughafen Potomac aus. Über das Ziel, das Flugzeug
und den Piloten ist nichts Näheres bekannt.“

Er sah sich kurz nach allen Seiten um. „Du kannst dein Haar

hochstecken, Ariella. Wir besorgen dir eine Jeans, eine Baseball-
mütze und eine Sonnenbrille. Am besten nimmst du einen kleinen
Learjet. Die Piloten sind verschwiegen und reden nicht über ihre
Passagiere.“ Als sie immer noch zögerte, fügte er hinzu: „Oder hast
du eine bessere Idee?“

„Was hast du davon?“
„Dankbarkeit und Wohlwollen. Deins und das des Weißen

Hauses. Und vielleicht auch des Präsidenten. Außerdem bin ich
nun mal ein netter Mensch.“

„Als Mann von der Presse?“

27/171

background image

„Ja, auch als Reporter. Außerdem liebe ich es, hilflosen Frauen

beizustehen.“

Wieder musste sie lächeln.
„Mein Wagen steht da drüben.“ Er wies mit dem Kopf auf den

Mustang. „Lass uns fahren. Jede Minute kann jemand vorbeikom-
men und dich erkennen.“

In diesem Augenblick hielt ein Taxi an der Bordsteinkante. Ari-

ella sah zwischen dem Mustang und dem Taxi hin und her. Dann
nickte sie Max zu. „Fahr mich zum Flughafen.“

„Zwei Dinge haben Priorität.“ Lynn blickte Cara über den Schreibt-
isch hinweg an. Es war zehn Uhr morgens, und Lynn hatte eine
frühe Pressekonferenz bereits hinter sich. Bisher hatte Präsident
Morrow sich noch nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen. Heute
Abend würde er jedoch eine Vorstellung im Kennedy Center
besuchen.

„Zum einen Eleanor Albert“, fuhr Lynn fort. „Wer ist das? Wo

wohnt sie? Ist sie wirklich Ariellas Mutter? Und dann müssen wir
uns um die Einwohner von Fields kümmern, was sie wissen, an was
sie sich erinnern und was sie über den Präsidenten zu sagen
haben.“

Sie richtete sich auf und blickte auf die Tür. „Da sind Sie ja.“ Sie

machte eine einladende Handbewegung. „Kommen Sie herein.“

Cara drehte sich um. Max! Mit den Jeans, den Stiefeln und dem

weißen offenen Hemd unter dem schwarzen Jackett wirkte er bei-
nahe elegant, zumal er auch glatt rasiert war. Es umgab ihn eine
Aura von selbstverständlicher Macht. Er begegnete ihrem Blick,
sein Gesichtsausdruck blieb neutral.

Auch mit Lynn im Raum konnte sich Cara kaum zusammenneh-

men. Sie war enttäuscht und wütend. Denn gestern spät abends
hatte er in einer Sondersendung des US-weiten Fernsehens über
Ariella und ihre Pläne gesprochen. Und das alles nur wegen der
Einschaltquote!

28/171

background image

„Setzen Sie sich.“ Lynn wies auf den Stuhl neben Cara.
Nach einem kurzen Seitenblick auf Cara setzte er sich.
„Wer ist Ihr Informant?“ Lynn kam sofort zur Sache.
„Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?“ Max hob in gespielter Über-

raschung die dunklen Augenbrauen.

„Woher wissen Sie das von Ariella?“
Das interessierte Cara brennend, denn auch sie hatte keine Ah-

nung gehabt, dass die Freundin zum Potomac Flughafen wollte.
Woher wusste Max das? Und warum hatte man gerade ihn
informiert?

„Sie wissen doch sehr gut, dass ich meine Quellen nicht preis-

geben kann.“ Max sah kurz zwischen beiden Frauen hin und her.

„Doch, das können Sie. Wenn die nationale Sicherheit es ver-

langt.“ Lynn beugte sich vor. „Und dies scheint so ein Fall zu sein.“

„Tatsächlich? Wieso?“ Max lehnte sich gelassen zurück.
„Wenn sie entführt wurde, von irgendeiner ausländischen Macht

oder, was noch fataler wäre, von einer terroristischen Vereinigung,
dann wäre dadurch tatsächlich die nationale Sicherheit bedroht.
Denn als Tochter des Präsidenten …“

„Es ist ja noch vollkommen ungeklärt“, unterbrach Max sie

schnell, „ob sie wirklich Morrows Tochter ist. Es sei denn, der
Präsident gibt zu, mit Eleanor Albert geschlafen zu haben.“

Vorübergehend war Lynn sprachlos, und so sprang Cara ein.

„Wer hat Ihnen denn erzählt, dass Cara zum Potomac Flughafen
wollte?“

Max wandte sich zu ihr um und sah sie an. Sein Gesicht war eine

ausdruckslose Maske.

„Nun sagen Sie schon, Max“, drängte Cara. „Sie wollen doch auch

nicht, dass Ariella etwas passiert. Sie ist unschuldig in diese Situ-
ation geraten. Sie braucht Polizeischutz.“

„Ach ja?“ Max verzog kurz die Mundwinkel. „Haben Sie ihr das

gestern Abend auch gesagt?“

Jetzt war Cara sprachlos.

29/171

background image

„Haben Sie ihr gesagt, dass sie Polizeischutz braucht?“, wieder-

holte er.

Es gab nur eine Erklärung dafür, dass er von Ariellas Besuch bei

Cara wusste. „Selbstverständlich. Ich habe sie angefleht, sich helfen
zu lassen. Das habe ich auch gerade Lynn erzählt.“

Darauf wandte Max sich wieder an Lynn. „Sie wollen wissen, von

wem ich das habe? Von Ariella selbst. Und ich weiß, dass sie von
Potomac abgeflogen ist, weil ich sie selbst zum Flugplatz gefahren
habe. Sie ist weg, Lynn.“

„Aber warum um alles in der Welt haben Sie sie nicht

aufgehalten?“

„Weil die Macht der Presse weder Entführungen noch gewalt-

sames Festhalten einschließt. Ariella ist eine erwachsene Frau. Sie
ist amerikanische Staatsbürgerin. Und sie kann kommen und ge-
hen, wann sie will.“

„Ist sie noch im Lande?“, fragte Cara.
„Sie sagte mir, dass sie ihren Pass bei sich hätte. Ich bin Ariella

gestern zufällig begegnet. Ich habe ihr meine Hilfe angeboten. Sie
wollte unbedingt raus aus Washington, und ich habe sie dabei
unterstützt.“

Cara wusste aus eigener Erfahrung, dass sich Ariella nicht ums-

timmen ließ, wenn sie einmal einen Entschluss gefasst hatte. Hof-
fentlich kam sie nur bald zurück. Denn ein DNA-Test war auch in
ihrem Interesse.

Lynn räusperte sich. „Das Weiße Haus dankt Ihnen für Ihre

Bemühungen, Max“, brachte sie etwas steif hervor.

„Das kann ich mir vorstellen“, sagte Max trocken und stand auf.

„Ich bin hier wirklich nicht der Buhmann.“

Als er das Büro verließ, klingelte Lynns Telefon. Schnell nutzte

Cara die Gelegenheit, sprang auf und lief hinter Max her. „Max?“

Er blieb stehen und drehte sich um. Sie wies mit dem Kopf auf

ihre Bürotür. Er trat ein, und Cara schloss hinter ihm die Tür.

30/171

background image

Sicher, er hatte das Richtige getan. Aber etwas musste sie noch wis-
sen. „Wo bist du Ariella denn begegnet?“, fragte sie.

„Logan Circle.“
„Vor meinem Apartment? Hast du dort auf sie gewartet?“
Mit wenigen Schritten stand er direkt vor Cara, deren Herz sofort

wie verrückt anfing zu rasen. Ihr Atem kam schnell und flach. Of-
fenbar konnte sie sich noch so viel Mühe geben, konnte Vernunft
und Logik einsetzen, es half nichts. Max Grays Wirkung auf sie war
so stark wie eh und je.

Er sah ihr tief in die Augen. „Glaubst du wirklich, dass ich mich

vor deinem Apartment aufhielt, weil ich hoffte, dass Ariella
vorbeikommt?“

Nein, das war sehr unwahrscheinlich. Cara senkte den Kopf und

machte einen Schritt zurück. Schon stieß sie gegen ihren
Schreibtisch.

Sofort trat er wieder vor und verringerte den Abstand. „Kannst

du dir keinen anderen Grund vorstellen? Überhaupt keinen?“

„Aber ich habe dir doch gesagt, dass es nicht geht.“
„Ich war wegen meiner Armbanduhr gekommen.“
Sie sah ihn wieder an. „Wir wissen doch beide, dass du sie ab-

sichtlich liegengelassen hast.“

„Stimmt. Aber anders komme ich ja nicht mehr an dich heran.

Ich habe keine andere Wahl.“

„Doch. Du sollst dich von mir fernhalten.“
„Das kann ich nicht akzeptieren.“
„Du musst. Und ich muss jetzt wieder arbeiten. Ich weiß nicht, ob

es sich schon bis zu dir herumgesprochen hat, wir haben eine
Krise.“

Sein Blick wurde weich. „Das tut mir wirklich sehr leid.“
„Und du musst auch zurück zu deinen Job.“
„Ja, stimmt.“ Er strich ihr kurz über die Wange und verließ den

Raum. Dass schon diese leichte Berührung ein solches

31/171

background image

Gefühlschaos in ihr anrichtete, macht sie mutlos. Wie sollte das
bloß weitergehen?

Sie ließ sich in ihren Schreibtischsessel fallen und blickte auto-

matisch auf den Computerschirm. Eine Menge E-Mails waren
aufgelaufen. Aber sie konnte sich nicht dazu bringen, sich mit ihnen
zu beschäftigen. Stattdessen legte sie sich die Hand auf den Bauch.
Sie war noch in einem sehr frühen Schwangerschaftsstadium.
Wenn sie nicht so ultraregelmäßig wäre, was ihren Zyklus betraf,
und wenn es nicht diese superschnellen Mittel zum Schwanger-
schaftsnachweis gäbe, würde sie gar nicht wissen, dass sie ein Kind
erwartete.

Aber sie war schwanger, und sie wusste es. Und dass es Max’

Baby war, machte eine an sich schon schwierige Situation noch
komplizierter. Max war einer der begehrtesten Junggesellen in
Washington. Er war intelligent, witzig, mutig und sehr sexy. Er
begehrte sie, so viel war klar. Aber was er nicht wollte, nicht in der
Vergangenheit und nicht in der Zukunft, waren ein Heim und Fam-
ilie. Oft genug hatte er ihr von seiner Mutter erzählt, die von dem
Vater verlassen worden war, und dass er keine Lust hatte, diese un-
rühmliche Tradition fortzuführen.

Als Fernsehjournalist war er unschlagbar. Er hatte ein gutes

Gespür für eine Story und verfolgte sie furchtlos. Auch wenn sie ihn
nach Afghanistan oder Afrika führte, wenn er dafür hoch in der Luft
oder auf dem Grund des Ozeans recherchieren musste. Ents-
prechend authentisch waren seine Sendungen, die Millionen von
Zuschauern in ihren Bann schlugen. Das war das Leben, das er
liebte. Er brauchte nichts anderes, und er sehnte sich nach nichts
anderem.

Von Anfang an hatte Cara versucht, ihm und damit seiner

Wirkung auf sie aus dem Weg zu gehen. Schon wegen ihrer so un-
terschiedlichen Berufe war eine Beziehung während des
Wahlkampfs riskant und vollkommen unmöglich, seitdem Morrow
Präsident war.

32/171

background image

Mehr als einmal hatte Cara den Eindruck gehabt, dass Max sie

nur wollte, weil er sie nicht haben konnte. Und manchmal hatte sie
sich nachts im Bett vorgestellt, sich ihm hinzugeben und so viel Zeit
mit ihm zu verbringen, wie sie wollte. Wie lange es wohl dauern
würde, bis er ihrer überdrüssig war?

Für Max war es nur eine weitere Affäre, ein Flirt, eine Liebelei,

Sex mit einer neuen Frau in der Reihe der vielen Frauen, die vor ihr
waren. Aber für Cara war es etwas anderes. Sie liebte ihn, und jetzt
erwartete sie sein Kind. Vater zu sein, war ohne Frage ein Albtraum
für ihn, schlimmer noch als eine längere Beziehung, da machte sie
sich nichts vor. Wenn er davon erführe, war er sicher im nächsten
Flugzeug nach Borneo oder die hintere Mongolei …

Cara lächelte traurig. Das alles wusste sie, und dennoch musste

sie immer wieder an die ersten Tage und Wochen mit ihm denken.
Und sie verdrängte das Wissen, dass er sie verlassen und ihr das
Herz brechen würde. War es das wert? Manche Tage war sie sogar
davon überzeugt.

33/171

background image

3. KAPITEL

Im Rahmen seines Jobs hatte Max so manches auf sich zu nehmen.
Er hatte sich mit der Machete einen Pfad im Dschungel freischlagen
müssen, hatte Wasserfälle überwinden, Schlangen und Skorpione
bekämpfen und sogar einmal mit einem Krokodil ringen müssen.
Aber nichts hatte ihn auf das vorbereitet, was er hier ertragen
musste. Auf einem Skihang in Fields/Montana, dem Geburtsort des
Präsidenten, umgeben von fünfhundert kreischenden Schulkindern
auf Skiern und Snowboards.

Als der Präsident hier aufwuchs, war Fields eine kleine Stadt

gewesen, die im Wesentlichen von der Viehzucht lebte. Aber in den
letzten zehn oder zwanzig Jahren war die Stadt, die malerisch in-
mitten von Bergen lag, als Skiparadies entdeckt worden. Man hatte
Lifte gebaut, und große Hotel- und Ferienanlagen hatten das
Gesicht der Stadt total verändert.

Max’ Kameramann Jake Dobson kam mit kühnem Schwung auf

seinem Snowboard neben Max zum Stehen. Die beiden Männer
hatten schon bei einem kleinen lokalen Fernsehsender in Maryland
zusammengearbeitet.

„Wollen wir noch mal?“, fragte Jake.
„Lieber nicht.“ Max blickte auf den Hang, der dicht von Kindern

bevölkert war. „Die haben mich zu Tode erschreckt.“

Jake lachte. „Aber die sind doch wirklich harmlos.“
„Ich habe keine Angst, dass sie mir wehtun könnten. Aber dass

ich ein achtjähriges Mädchen umfahren könnte. Das Risiko will ich
nicht eingehen.“ Max beugte sich vor und löste die Schuhe von
seinem Snowboard.

Leise seufzend machte Jake es ihm nach. „Die ganze Woche wird

hier die Hölle los sein. Es sind Skiferien.“

background image

„Wir haben sowieso anderes zu tun.“ Max stellte sein Snowboard

auf und nahm den Helm und die Schneebrille ab.

Am Vormittag hatten die beiden Männer angefangen, die Ranch-

er in der Umgebung aufzusuchen. Einige erinnerten sich noch an
den Präsidenten als Teenager. Allerdings war keiner bereit
gewesen, sich der Kamera zu stellen. Und alle taten so, als wüssten
sie nichts von Eleanor Albert.

Max war angenehm überrascht, wie freundlich aber zurückhal-

tend die Einwohner von Fields waren. Viele kannten ihn von seinen
Fernsehberichten, aber nur wenige kamen auf ihn zu und baten um
ein Autogramm.

„Wollen wir nicht etwas essen?“ Jake wischte den Schnee von

seinem Snowboard. „Ich bin am Verhungern.“

„Klar. Ich habe auch Hunger.“ Max wandte sich um und ging in

Richtung Lodge. „Sind diese kleinen Monster wirklich die ganze
Woche hier?“ Leider gingen ihre beiden Räume auf den überdacht-
en Innenhof mit dem beheizten Pool hinaus. Außerdem waren die
Kinder die ganze Nacht den langen Flur rauf- und runtergerast.

„Ja. Ich habe mit einem ihrer Lehrer gesprochen.“
„Na, toll …“ Max hatte nicht übermäßig viel für Kinder übrig. Zu-

mindest nicht, wenn sie sich nicht wie Erwachsene benahmen. Er
bewunderte die Leute, die einfach über den Krach und die Unord-
nung und die nervige Spontaneität der süßen kleinen Tyrannen
hinwegsehen konnten. Er bevorzugte Vernunft und Berechen-
barkeit. Und die war bei Erwachsenen gegeben. Denn er hatte fest-
gestellt, dass man sich auf einen entscheidenden Charakterzug ver-
lassen konnte: Jeder handelte in seinem eigenen Interesse.

„Ich habe schon unten angerufen und den Manager gebeten, uns

andere Zimmer zu geben“, sagte Jake lächelnd.

„Ach, wirklich?“ Max fiel ein Riesenstein vom Herzen.
„Ja, wir ziehen jeder in ein kleines Cottage, die weiter weg liegen.

Die werden nur an Erwachsene vermietet.“

„Jake, du bist fantastisch!“

35/171

background image

Der Freund grinste. „Der Pool da oben hat den Ausschlag

gegeben. Außerdem hat Jessica sich letzte Woche von mir getrennt.
Und meine Freiheit als Junggeselle will ich nicht unbedingt mit
Kindern teilen.“

„Jessica hat dich verlassen?“
Jake zog sich die Handschuhe aus. „Sie kommt bestimmt zurück.

Aber bis dahin fühle ich mich nicht verpflichtet, ihr treu zu sein.“

„Ist sie sich darüber im Klaren?“
Sie stiegen die Treppe hoch, die zu den Schließfächern führte.

Jake zuckte mit den Schultern. „Ich bin Single, und sie ist Single.“

„Dann ist sie wohl nicht diejenige welche?“
„Das kann ich noch nicht sagen. Dazu kennen wir uns nicht lange

genug.“

Max schüttelte lächelnd den Kopf. „Glaub mir, Jake. Wenn sie die

Richtige wäre, dann würdest du jeden Mann erwürgen, der sie nur
von der Seite ansieht, geschweige denn mit ihr schläft.“

„Echt? Seit wann bist du der Fachmann in diesen Fragen?“
„Bin ich nicht, aber das weiß ich sehr genau.“ Max konnte den

Gedanken nicht ertragen, dass Cara mit jemand anderem ins Bett
gehen könnte. Rein praktisch gesehen waren sie beide Single. Aber
das hatte äußere Ursachen. Andere Frauen interessierten ihn ein-
fach nicht mehr.

Nachdem sie ihre Snowboards und die dicken Stiefel in den

großen Schließfächern verstaut hatten, gingen sie hinüber in den
Alpine Grill. Die Kellnerin brachte jedem ein großes Glas Red Ale,
das hier in einer kleinen Brauerei hergestellt wurde. Sie saßen in
der rustikalen Bar, die nur Erwachsene betreten durften, aber das
Geschrei ausgelassener Kinder drang aus dem Restaurant bis zu
ihnen. Dann brach auch noch eine Gruppe in grölenden Gesang
aus. Offenbar hatte jemand mit Namen Amy Geburtstag.

„Vielleicht sollte ich dem Manager sagen, dass du heute auch Ge-

burtstag hast“, meinte Jake fröhlich.

36/171

background image

„Um Himmels willen!“ Max nahm einen großen Schluck Bier. Er

wurde heute tatsächlich dreißig. Für viele Menschen wäre das ein
Anlass zum Feiern. Nicht für Max. Gestern war er neunundzwanzig
Jahre und dreihundertvierunddreißig Tage alt gewesen. Jetzt war
er vierundzwanzig Stunden älter. Na und?

Jake reckte den Hals. „Du liebe Zeit, jetzt haben sie den Kindern

auch noch Wunderkerzen gegeben!“

„Die sind wohl verrückt!“ Max drehte sich um und erstarrte. Da,

in dem Vorraum des Restaurants, stand da nicht Cara? Ja, sie war
es und sah zum Anbeißen aus wie immer in ihrer engen Jeans, der
knappen taillenlangen Jacke und den schwarzen Lederstiefeln. Die
Wangen waren von der Kälte gerötet, die blauen Augen leuchteten,
und diese Lippen …

Sofort schob Max den Stuhl zurück und stand auf.
„Hallo, Cara.“ Er lächelte freundlich.
Mit einem Ruck drehte sie sich um und starrte ihn überrascht an.

„Max“, brachte sie schließlich heraus. „Du bist in Fields?“

„Ja, ich bin in Fields.“
Sie runzelte die Stirn und schloss kurz die Augen, als müsse sie

sich aus einem Traum aufwecken. Doch als sie die Augen
aufmachte, war Max immer noch da.

„Komm doch mit an unseren Tisch“, sagte Max. „Jake ist auch

hier.“

Cara kannte Jake, hatte ihn in den letzten Monaten ein paarmal

getroffen. Sie zögerte, blickte zu Jake hinüber. „Okay“, sagte sie
schließlich. „Warum nicht?“

Max führte sie an den Tisch. „Du erinnerst dich an Cara Cran-

shaw, Jake?“

Jake stand auf und reichte Cara lächelnd die Hand. „Selbstver-

ständlich. Schön, dich wiederzusehen.“

Verdammt. Max sah schnell zwischen den beiden hin und her,

die sich offenbar sehr sympathisch waren. Daran hatte er nicht
gedacht. Beide waren ungebunden. Sicher, auch Jake arbeitete für

37/171

background image

einen Nachrichtensender, aber als Kameramann hatte er nicht so
direkt mit den Menschen zu tun, über die berichtet wurde, wie ein
Reporter, der die Story recherchierte und schrieb. Mit ihm könnte
Cara durchaus was anfangen. Und er wirkte auf Frauen, war groß
und durchtrainiert, hatte graue Augen und einen sorglosen
Charme.

Max wusste nur zu genau, dass Jake keine Probleme mit Frauen

hatte, im Gegenteil. „Mach dir keine Hoffnungen, mein Freund“,
sagte er schnell. „Cara fängt nichts mit Nachrichtenleuten an.“

Cara warf ihm einen empörten Blick zu.
Jake lachte. „Sie wird aber doch in diesem Fall mal eine Aus-

nahme machen können. Was meinst du? Meine Freundin hat mich
gerade verlassen. Ich bin tief in meiner Seele verletzt und schreck-
lich einsam.“

„So so.“ Cara setzte sich und legte sich die Serviette auf den

Schoß. Dann sah sie Jake lächelnd an. „Tut mir leid, aber die Trös-
terrolle liegt mir nicht.“

„Autsch!“ Jake verzog gequält das Gesicht. „Möchtest du viel-

leicht etwas trinken?“

„Aber gern.“ Cara bedachte ihn mit einem zuckersüßen Lächeln.

„Eistee bitte.“

„Kommt sofort.“ Jake sah sich suchend nach der Kellnerin um,

stand dann aber auf und ging selbst zur Bar.

„Sehr nett. Ein Gentleman.“ Cara glättete die Serviette in ihrem

Schoß.

„Er flirtet mit dir.“
Sie verdrehte die Augen. „Also wirklich, Max! Aber sag, was

machst du denn hier in Fields?“

„Das Gleiche wie du.“
„Das glaube ich nicht.“
„Wir sind beide hinter der Story her.“
„Nein.“ Sie strich sich das Haar zurück. „Du bist hinter der Story

her. Ich suche nach der Wahrheit.“

38/171

background image

„Oho! Nun tu doch nicht so selbstgerecht. Das ist kein attraktiver

Charakterzug.“

„Meinst du denn“, sie beugte sich vor und senkte die Stimme,

„dass ich unbedingt attraktiv sein will? Für dich?“

Auch er flüsterte jetzt. „Du bist es, ob du willst oder nicht.“
Jake kam zurück. „Ihr Eistee, Ma’am.“ Er stellte das Glas auf den

Tisch.

Cara lächelte ihn schmachtend an. „Ich danke Ihnen, Sir.“
„Immer gern zu Diensten.“
Max griff verärgert nach seinem Bierglas. „Nun hört schon auf!“
„Weißt du, dass Max heute Geburtstag hat?“, fragte Jake mit

leicht boshaftem Unterton.

„Nein.“ Cara sah Max an und warf ihm ein zuckersüßes Lächeln

zu. „Herzlichen Glückwunsch.“

„Findest du nicht, dass wir die Restaurantbelegschaft bitten soll-

ten, ihm ein Ständchen zu bringen?“, wandte Jake sich mit ernster
Miene an Cara.

„Sei vorsichtig.“ Max konnte über den Vorschlag nicht lachen.

„Ich glaube nicht, dass sich eine Prügelei zwischen uns sehr gut in
den Abendnachrichten des NCN macht.“

Jake ließ sich auf seinen Stuhl fallen und lachte laut los. In

diesem Augenblick wurde wieder ein Geburtstagsständchen geb-
racht. Gleichzeitig plärrte ein kleines Mädchen los.

Max stöhnte tief auf. „O Kinderglück, o Erwachsenenpein!“
Cara sah ihn nachdenklich von der Seite her an. Doch dann klin-

gelte ihr Handy, und sie wühlte in ihrer Handtasche.

Da war es. „Entschuldigung“, sagte sie leise und hob das Telefon

ans Ohr. „Hallo, Lynn.“ Während sie zuhörte, strich sie mit den
Fingerspitzen an ihrem Glas auf und ab. „Okay“, sagte sie schließ-
lich. „Das geht. Morgen?“ Und nach einer längeren Pause: „Ver-
standen. Danke.“ Sie klappte das Telefon zu und ließ es in ihre
Tasche gleiten.

„Was gibt es denn?“, fragte Max harmlos.

39/171

background image

Sie warf ihm ein verschmitztes Lächeln zu, das ihm durch und

durch ging. „Nichts Besonderes.“

„Ich fürchte, sie ist uns um einiges voraus“, meinte Jake nur.
Ja, dachte Max. Das Gefühl hatte er von dem Augenblick an ge-

habt, in dem er Cara begegnet war.

Später dann versuchte Cara die Schulkameraden von Eleanor Al-
bert und dem Präsidenten ausfindig zu machen, was anhand des
Highschool-Jahrbuchs nicht besonders schwierig war. Diejenigen,
die sie antraf, konnten sich an nichts Besonderes erinnern, was für
die Medien interessant gewesen wäre. Und das war gut. Denn so-
lange sie nichts wussten und Eleanor Albert nicht auftauchte, gab
es nichts zu berichten.

Als Cara schließlich die Tür ihres Hotelzimmers hinter sich zu-

machte, war sie richtig erschöpft. Um Max nicht wieder zu
begegnen, bestellte sie sich etwas beim Zimmerservice. Statt Wein
nahm sie Milch, außerdem achtete sie auf eine ausgewogene
Zusammensetzung der Mahlzeit. Hm, als Nachtisch hätte sie gern
ein Stück Schokoladenkuchen gehabt. Aber die Vernunft siegte, und
sie bestellte Joghurt mit Erdbeeren. Auch nicht schlecht.

Obgleich sie bereits einen Termin bei einem Frauenarzt hatte,

kam die Schwangerschaft ihr noch sehr unwirklich vor. Kurz hatte
sie sich im Internet über Ernährung und körperliche Veränder-
ungen informiert. Das alles beunruhigte sie nicht. Aber wenn ihr
dann einfiel, dass das nicht Theorie war, sondern tatsächlich ein
Kind in ihr heranwuchs, überfiel sie doch eine leichte Panik. Sie
wusste, sie musste mit jemandem darüber sprechen. Und eigentlich
gab es nur eine Person, der sie sich anvertrauen konnte.

Leise seufzend griff sie nach ihrem Telefon und wählte. Es klin-

gelte ein paarmal, dann war die Stimme ihrer Schwester Gillian zu
hören. „Hallo, Cara!“

„Hallo, Gillian“, sagte Cara betont munter.
„Wie geht es dir in Washington?“

40/171

background image

„Hektisch. Und dir in Seattle?“
„Genauso. Nächsten Monat eröffnen wir einen Laden in Peking.

Du kannst dir vorstellen, was da los ist.“ Für ein paar Sekunden war
Gillians Stimme kaum zu hören, dann war sie wieder da.
„Entschuldige.“

„Bist du noch im Büro?“
„Es ist doch erst sieben Uhr abends hier bei uns. Bist du zu

Hause?“

Cara ging nicht auf ihre Frage ein. „Hast du immer so lange zu

tun, oder ist es schlimmer als sonst?“

„Eigentlich nicht … He, Sam, sag ihnen, ich zeichne es ab, aber

nur, wenn es unter einer Million ist … Entschuldige, Cara.“

„Macht doch nichts.“ Da Gillian ihre eigene Firma hatte, war Cara

daran gewöhnt, dass sie immer in Zeitnot war. „Aber mir tut es leid,
dass ich dich störe.“

„Du störst mich überhaupt nicht. Also, was ist los?“
Cara zögerte.
„Du hast doch wahrscheinlich wahnsinnig viel zu tun. Ich meine,

seit diese geheimnisvolle Tochter von Morrow aufgetaucht ist …“

„Ja, das stimmt.“
„Wusste er das? Aber du darfst ja nichts sagen, höchste Geheim-

stufe, was? Also, liebe FBI-Leute, ihr könnt euch entspannen.“

Cara musste lachen. „Keine Sorge, der FBI hört nicht mit. Doch

du hast recht, ich darf nichts sagen.“

„Okay, Schwesterchen, was gibt es sonst?“
„Du hast nicht zufällig Zeit, nach Montana zu kommen?“
„Nach Montana? Was soll ich denn in Montana?“
„Nach Fields in Montana.“
„Ach so … nach Fields. Dorthin, wo alles anfing. Aber warum soll

ich kommen? Als Undercover? Soll ich jemanden bestechen?“

Wieder musste Cara lachen. „Wenn das der FBI hören würde.“
„Wieso, habe ich bestechen gesagt? Ich meinte doch besuchen.“

41/171

background image

„Das kommt schon eher hin. Ja, ich möchte, dass du mich

besuchst.“

Schweigen. „Du bist in Montana?“
„Ja.“
„Das ist mit dem Jet ja nur eine Stunde entfernt. Um acht kann

er flugbereit sein.“

„Dann könntest du kommen?“ Cara wagte kaum zu hoffen.
„Ist irgendetwas los?“
„Nein … nicht eigentlich.“
Wieder schwieg Gillian kurz. „Aber dich beunruhigt doch irgen-

detwas. Hat es mit deinem Job zu tun?“

„Nein, nein. Vorläufig wissen wir auch nicht mehr als das, was

die Nachrichten bringen. Ich meine, was Ariella betrifft.“

„Dann ist es etwas Persönliches?“
„Kannst du kommen?“
„Bist du krank?“
„Nein.“
„Hast du etwas Ungesetzliches getan?“
„Aber Gillian!“
„Brauchst du Geld? Bist du spielsüchtig? Ist die Mafia hinter dir

her?“

„Nein.“
„Okay. Also, was ist es dann? Bist du schwanger?“
Cara stockte der Atem, und ihr fiel leider überhaupt nichts ein,

womit sie die Schwester von der richtigen Fährte abbringen könnte.

„Cara?“
„Bitte, komm …“
„Bin schon unterwegs.“

Damit, dass ausgerechnet Max so spät in der Nacht im Flughafen
von Fields auftauchte, hatte Cara nicht gerechnet. Der hübsche
kleine, aber gut ausgestattete Flughafen wirkte zu dieser Zeit wie
verlassen. Die Läden und Restaurants waren geschlossen, die

42/171

background image

Warteräume leer. Nur das Reinigungspersonal war unterwegs, und
ein einsamer Angestellter saß am Eincheckschalter.

Max hatte Cara natürlich sofort erkannt, stand auf und ging auf

sie zu. Als sie Schritte hörte, drehte sie sich um. Wie schon in dem
Restaurant mittags schien sie keineswegs erfreut zu sein, ihn zu
sehen.

„Verfolgst du mich?“ Sie sah sich hastig um, als erwarte sie, dass

Jake mit seiner Kamera jeden Augenblick auftauchte.

„Nein, aber du mich vielleicht?“ Er trat neben sie.
„Ich will jemanden abholen“, sagte sie abweisend.
„Um diese Zeit kommen keine Flüge mehr an.“
„Es ist ein Privatjet.“
„Ach so.“ Er musterte sie eindringlich. War es wirklich Zufall,

dass sie hier war, oder wusste sie, wen er hier treffen wollte?

Doch ihrer Miene war nichts zu entnehmen. „Und warum bist du

hier?“, wollte sie wissen.

„Auch, um jemanden abzuholen.“
„Wen?“, fragte sie sofort.
Er schüttelte lächelnd den Kopf und schwieg.
Das ärgerte sie. „Das kann doch wohl nicht wahr sein!“
„Was kann nicht wahr sein?“
„Du hast mir doch versprochen, dass du unsere Beziehung nicht

ausnutzen würdest.“

„Was für eine Beziehung?“ Ja, wenn sie wenigstens eine Bez-

iehung hätten …

„Du weißt genau, was ich meine. Du kannst nicht …“ Wieder sah

sie sich hastig um. „Das ist nicht fair. Bitte, verschwinde. Es ist
wirklich nichts Wichtiges.“

„Darf ich dich daran erinnern, dass dies ein öffentlicher

Flughafen ist und wir in einem freien Land leben?“ Er war nun
doch neugierig geworden. Wenn sie ihm nicht gefolgt war, dann
hatte sie vielleicht selbst etwas zu verbergen? Etwas Wichtiges?

„Cara!“ Eine Frau winkte vom anderen Ende der Eingangshalle.

43/171

background image

Sofort wandte Cara sich um und lief der Frau entgegen. Die Frau

ließ ihre Reisetasche fallen und breitete die Arme aus. Die beiden
umarmten sich, und Max fiel auf, wie sehr sie sich ähnelten. Sie
hatten nicht nur die gleiche Frisur und die gleiche Haarfarbe, auch
der Gesichtsschnitt war sehr ähnlich. Cara war ein bisschen kleiner
und ein bisschen schlanker als die Fremde.

Er ging auf die beiden zu und streckte die Hand aus. „Max Gray.“
„Oh, tatsächlich?“, flötete die andere und löste sich von Cara.

„Dann sind Sie …“

„Max ist Reporter“, unterbrach Cara sie schnell. „Und wir

müssen sehr vorsichtig mit dem sein, was wir in seiner Gegenwart
sagen.“

„Ich leite eine Nachrichtensendung“, stellte Max richtig. „After

Dark auf NCN.“ Das hörte sich vielleicht ein bisschen arrogant an,
aber Max wollte nicht, dass die Frau ihn für einen miesen kleinen
Reporter irgendeiner Boulevardzeitung hielt.

„Ich bin Gillian Cranshaw, Caras Schwester.“
„Das habe ich mir gedacht. Sie sehen sich sehr ähnlich.“
„Wir müssen jetzt los.“ Cara hob die Reisetasche hoch, hakte die

Schwester ein und zog sie zum Ausgang.

„Darf ich?“ Max griff nach der Tasche, doch Cara hielt sie fest.
„Nicht nötig.“ Sie ging schneller.
„Bis später“, konnte Gillian Max gerade noch über die Schulter

zurufen.

In diesem Augenblick betrat ein Mann die Eingangshalle, durch

dieselbe Tür, durch die auch Gillian gekommen war. Cara warf ihm
einen kurzen Blick zu, hastete dann aber weiter mit Gillian zum
Ausgang.

Das überraschte Max. Offenbar gab es eine Art Familiendrama,

das die beiden Schwestern zu besprechen hatten. Sonst hätte Cara
sicher wissen wollen, wen Max so spät noch vom Flugplatz abholte.

„Liam Fisher?“ Max trat auf den Mann zu.
„Hallo, Max. Ich kenne Sie von Ihrer Sendung her.“

44/171

background image

„Danke, dass Sie gekommen sind.“
„Ich freue mich, dass NCN an mich gedacht hat.“
Die beiden Männer schüttelten sich die Hand.
Seit seiner Ankunft in Fields hatte Max zwei Dinge festgestellt.

Zum einen stand die Stadt voll auf der Seite des Präsidenten. Zum
anderen hatte Eleanor Albert keinen großen Eindruck hinterlassen.
Einige erinnerten sich vage an sie, aber kaum jemand brachte sie
mit Ted Morrow in Verbindung.

Das bedeutete, dass es schwierig sein würde, auf normalem Weg

etwas über die Beziehung zwischen Ariella und Eleanor
herauszubekommen. Also musste man zu ungewöhnlichen, even-
tuell auch illegalen Mitteln greifen.

Liam Fisher hatte früher für den Konkurrenzsender ANS

gearbeitet. Er hatte den Sender unter merkwürdigen Umständen
und unzureichenden Erklärungen verlassen. Dass er mit dem Bes-
itzer Graham Boyle nicht klarkam, war allgemein bekannt. Max
hatte instinktiv den Verdacht, dass es hier eigentlich nicht um
Eleanor Albert ging, sondern um den ANS.

Vor allem darum, auf welchem möglicherweise krummen Weg

der Sender überhaupt an den Namen dieser Frau gekommen war.

45/171

background image

4. KAPITEL

Cara zerrte ihre Schwester zu einer verborgenen Seitentür, die zum
Parkplatz führte, vorbei an dem kleinen Flughafenrestaurant und
dem Süßigkeitsladen.

„Kurz dachte ich daran, dass er vielleicht der Vater sein könnte“,

sagte Gillian leicht atemlos, überrascht, dass die Schwester es so ei-
lig hatte, und warf einen letzten Blick auf Max.

„Er ist Reporter.“ Cara wollte jetzt nicht weiter auf die Be-

merkung eingehen. „Und ich habe den Eindruck, er folgt mir.“

„Ich glaube, er holt den Mann ab, der kurz nach mir mit der

Cessna gekommen ist.“

„Kann sein. Wahrscheinlich hat er Verstärkung angefordert“,

meinte Cara und schob die Schwester durch die Tür. „Die Gegend
hier wimmelt von Reportern.“

„Kann ich mir vorstellen. Du kennst doch diese Ariella? Hat sie

nicht mal diese Thanksgiving Party ausgerichtet? Wo die Sängerin
in den Kuchen fiel?“

„Ja, das ist sie.“
Sie gingen die Betonrampe zu dem Parkplatz hinunter, wo kaum

noch Autos standen, und stiegen in Caras Mietwagen.

„Sie war damals nicht aus der Ruhe zu bringen“, sagte Gillian

lächelnd. „Scheint einen guten Humor zu haben.“

„Wie der Präsident.“
Gillian sah die Schwester überrascht an. „Dann glaubst du, es

stimmt?“

„Was?“
„Dass sie seine Tochter ist. Du hast gerade gesagt, sie hätten

beide Humor. Oder weißt du es vielleicht sogar?“

background image

„Ich weiß nichts mit Sicherheit. Aber du hast doch auch die

Bilder im Fernsehen gesehen.“

Gillians Handy klingelte, bevor sie darauf reagieren konnte.

„Hallo?“

Cara ließ den Motor an, fuhr rückwärts aus der Parklücke und

dann Richtung Ausgang. Es hörte sich so an, als habe Gillian Prob-
leme mit einem Lieferanten in Indien. In einem zweiten Telefonge-
spräch, das sich gleich anschloss, ging es um die Pensionsverträge
ihrer Angestellten. Als Gillian schließlich genervt das Telefon in die
Tasche steckte, waren sie fast schon in der Stadt. Sie lehnte sich
zurück. „Genetisch wäre das ein Hauptgewinn“, meinte sie
schmunzelnd.

„Für Ariella?“ Cara sah sie kurz von der Seite her an, richtete den

Blick dann aber schnell wieder auf die verschneite Straße.

„Nein. Ich denke an dich und diesen Max. Groß, attraktiv, athlet-

isch. Und sicher auch schnell im Kopf, sonst hätte er keine
Nachrichtensendung.“

„Aber bestimmt nicht vernünftig. Denn er ist oft in Krisengebi-

eten unterwegs und setzt sich ständig irgendwelchen Gefahren
aus.“

„Also auch noch mutig? Umso besser.“
„Ich glaube eher, dass er sich von seinem Testosteron führen

lässt und nicht von seinem Verstand. Aber wie ist es, wollen wir
nicht was trinken?“ Ohne Gillians Antwort abzuwarten, bog Cara in
den Parkplatz hinter der Pine Tree Lounge ein, einer neueren Bar in
einem Vorort von Fields.

„Gern“, sagte Gillian etwas verwundert. „Ich könnte gut was

vertragen.“

Der Weg zum Eingang war vom Schnee freigeschaufelt. Der

Raum wirkte sehr einladend mit seinen blanken Holztischen, den
roten Lederstühlen und den kleinen Öllämpchen auf den Tischen.
Leise spielte Countrymusik. Cara steuerte auf einen Tisch in der
Ecke zu, wo sie ungestört sprechen konnten.

47/171

background image

Die Kellnerin kam sofort mit zwei Gläsern Wasser. Nach einem

kurzen Blick auf die Weinkarte bestellte Gillian sich einen trocken-
en Weißwein.

Endlich waren sie allein. Cara wurde nicht durchs Fahren

abgelenkt und Gillian nicht durch Telefongespräche. „Also …“, fing
Gillian bedeutungsvoll an und zog die Schale mit den gemischten
Nüssen näher an sich heran.

Cara gab sich einen Ruck. „Ja“, sagte sie, „er ist es. Er ist

derjenige welcher.“

Gillian sah sich nach allen Seiten um. „Wer ist was?“
„Max. Er ist der Vater.“
„Was? Aber warum …?“
„Er weiß es nicht. Er darf es nicht wissen. Wir sollten eigentlich

nicht … ich meine, er ist Reporter, und ich arbeite in der Presseab-
teilung des Weißen Hauses.“

„Aber du hast trotzdem mit ihm geschlafen?“
„Das war noch vor der Wahl. Und, ja, einmal nachher, aber noch

vor der Amtseinführung. Und das war ein Fehler. Ich hätte es nicht
tun sollen.“

„Ach du Schreck“, sagte Gillian trocken.
„Das habe ich auch gesagt. Und er … und ich … und dann …“ Cara

machte eine unbestimmte Handbewegung. „Du weißt schon, was
ich meine.“

Gillian lächelte leicht. „Ich würde es, wenn du deine Sätze

beenden würdest.“

Cara ließ den Kopf hängen. „Ich meine, es ist alles schrecklich.“
Erst als Cara wieder den Kopf hob, nahm Gillian ihre Hand. Sie

strahlte die Schwester an. „Unsinn, es ist nicht alles schrecklich. Du
bekommst ein Baby! Wir bekommen ein Baby! Mach dir keine Sor-
gen. Wie auch immer es dazu gekommen ist, es ist wunderbar, dass
es geschehen ist. Babys sind nie etwas Schreckliches. Besonders
nicht deins.“

48/171

background image

„Aber er will keine Kinder“, fing Cara wieder an. „Er will

spannenden Geschichten hinterherjagen in möglichst gefährlichen
Gegenden der Welt. Und sich keine Gedanken um Frau und Kinder
machen müssen.“

„Egoist!“
„Aber selbst wenn er Kinder haben wollte“, fuhr Cara fort. „Wir

könnten nie eine normale Beziehung haben. Wegen des Interessen-
konflikts, meine ich. Der Präsident hat seine Regierungszeit kaum
angefangen, und schon stecken wir in einer fatalen Situation.“

„Und du bist absolut sicher, dass du es Max nie sagen könntest?“
„Absolut.“
„Niemals?“
„Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“
„Hm …“ Gillian griff wieder nach den Nüssen. „Dann gibt es nur

einen Ausweg. Du musst mit jemand anderem schlafen.“

„Was?“ Ungläubig starrte Cara sie an.
„Ich meine nicht tatsächlich. Du musst Max gegenüber be-

haupten, dass du nicht nur mit ihm im Bett warst. Wenn er dann
herausfindet, dass du schwanger bist, gibt es zwei Möglichkeiten.
Entweder er besteht auf einem DNA-Test, um zu erfahren, ob er der
Vater ist. Wenn er aber nicht scharf darauf ist, Vater zu sein, wird
er froh sein, wenn kein Test gemacht wird. Dann hat er keinerlei
Verantwortung.“

„Du bist ganz schön zynisch.“
„Ich bin schon länger auf dieser Welt als du.“
„Gerade mal vierzehn Monate.“
„Aber ich war immer nüchterner als du.“
Die Kellnerin kam mit dem Wein. Cara bestellte sich eine heiße

Schokolade.

„Dann findest du es in Ordnung, wenn ich ihm nichts von dem

Kind erzähle? Ich meine, vom ethischen Standpunkt aus?“

„Ja, warum nicht?“

49/171

background image

„Das überrascht mich jetzt. Ich hatte eine andere Antwort

erwartet.“

„Dass du dich ihm an den Hals werfen und alles gestehen soll-

test? In der Hoffnung, dass er nichts lieber hätte als Frau und
Kinder und ein gemütliches Heim?“

Cara musste zugeben, dass sie an etwas Ähnliches gedacht hatte.

Nicht dass sie zugestimmt hätte … Aber es hätte ihr gut getan, wenn
die Schwester sie moralisch unterstützt hätte.

Gillian musterte sie eindringlich und schien zu ahnen, was in ihr

vorging. „Oh, Schwesterchen, das tut mir leid.“

„Nein, nein, an so etwas habe ich nicht gedacht“, log Cara. „Und

das will ich auch gar nicht. Eine schreckliche Vorstellung, einen
Mann zu haben, der sich für die Familie opfert, der die Hecke
schneidet und den Müll rausbringt und mir Vorwürfe macht, dass
ich seine Karriere zerstört habe. Nein, vielen Dank, so etwas kann
ich nicht gebrauchen!“

„Hm, fast hättest du mich überzeugt.“ Gillian lächelte die Sch-

wester zärtlich an. „Aber du bist keine gute Schauspielerin.“

„Wie kommst du denn jetzt darauf?“
„Deine Empörung war ein bisschen zu übertrieben.“
Leider hatte Gillian recht, das musste Cara zugeben. Ihr war klar,

dass Max keine Familie wollte. Und dennoch ertappte sie sich hin
und wieder dabei, dass sie sich genau das wünschte.

Max und Jake hörten gespannt zu, als Liam Fisher ihnen von nicht
ganz sauberen Tricks erzählte, mit denen der ANS an manche
Geschichten gekommen war. Die drei Männer saßen in der Apex
Lounge an der obersten Seilbahnstation. Jetzt zur Mittagszeit war
die Lounge bereits gut besucht, meist von Familien mit Kindern.

„Es wurde besonders schlimm, als Marnie Salloway als

Produzentin eingestellt wurde“, sagte Liam. „Die Frau hat kein
Gewissen. Würde mich wundern, wenn sie eine Seele hätte.“

50/171

background image

„Kannst du uns irgendein Beispiel nennen?“ Max kannte Marnie

gut, denn sie war früher seine Vorgesetzte gewesen, und er konnte
sich sehr gut vorstellen, dass sie über Leichen ging. Seit drei Tagen
waren Jake und er jetzt in Fields unterwegs, ohne allerdings einen
einzigen Schritt vorangekommen zu sein. Wen auch immer sie
fragten, alle liebten den Präsidenten und waren ratlos, wenn sie
Eleanor Albert ins Gespräch brachten.

„Es war schlimmer als Manipulation“, berichtete Liam. „Man

kann schon von Nötigung sprechen. Ich habe zwar nie direkt mit
Geld bestochen, aber ich habe diejenigen, von denen wir etwas wis-
sen wollten, in teure Hotels einladen müssen, sie mit Hummer und
superteurem Wein verwöhnt. Da konnten sie gar nicht anders, sie
mussten mir meine geschickt formulierten Fragen beantworten.“

„Aber das ist nicht illegal“, warf Max ein. „Verdammt noch mal!“,

fluchte er dann, als ein Junge kreischend an dem Tisch vorbeiran-
nte und ihn dabei heftig anrempelte. Empört sah Max sich um. Gab
es denn hier keine Aufsichtsperson?

„Das nicht, aber dann ging sie zu weit. Marnie wollte, dass ich in

dem Haus eines der Opfer ein Mikrofon anbringe. Es handelte sich
um einen Jungen im Teenageralter, der von seinem Sportteam tyr-
annisiert wurde und deshalb Anzeige erstattet hatte. Sie war der
Meinung, er übertreibe maßlos und wolle nur dem populären
Trainer eins auswischen.“

„Das geht allerdings wirklich zu weit“, gab Max zu.
„Eben. Deshalb habe ich auch gekündigt. Oder bin rausgeworfen

worden

wegen

Befehlsverweigerung,

je

nachdem,

wessen

Geschichte du glauben willst.“

Von der Seilbahnplattform waren lautes Lachen und fröhliches

Geschrei zu hören. Max wandte sich um. Viele Kinder hatte sich
dort versammelt, schubsten und drängelten und rissen einander die
Mützen vom Kopf.

„Wie soll man bei dem Krach nur einen klaren Gedanken fassen

können!“, stieß er verärgert hervor.

51/171

background image

Jake lachte. „Reg dich ab, Max. Die sind doch nur fröhlich.“ Dann

wandte er sich zu Liam um. „Hast du irgendeinen Beweis?“

„Leider nicht. Ihr Wort gegen meins. Aber ich habe auch nicht

besonders nachgeforscht. Nachdem ich bei ANS ausgeschieden war,
habe ich erst mal mein Leben neu geordnet. Deshalb kann es gut
sein, dass wir was Belastendes finden, wenn wir ein wenig graben.“

„Womit wollen wir anfangen?“, fragte Max, während er der Kell-

nerin seine Kreditkarte reichte.

„Bei ein paar Leuten habe ich noch was gut“, meinte Liam. „Da

könnten wir es versuchen.“

„Hier in Fields sind wir noch nicht ganz fertig.“ Max sah Jake an,

der zustimmend nickte. „Aber wir melden uns bei dir, wenn wir
wieder in Washington sind.“

„Gut.“ Liam stand auf. „Habt ihr vor runterzufahren, oder nehmt

ihr die Seilbahn?“

„Ich fahre runter.“ Max hatte das dringende Bedürfnis, sich zu

bewegen und einen klaren Kopf zu kriegen. Es hörte sich so an, als
habe Liam eine Idee, wo sie suchen sollten. Er sah Jake fragend an,
obgleich er wusste, dass der Freund mit ihm kommen würde. Jake
entschied sich nie für den einfachen Weg.

„Okay, wir treffen dich dann unten in der Halle.“ Jake nickte

Liam zu.

Max unterschrieb den Kreditkartenbeleg, stand auf, zog seine

Jacke an und folgte Jake. Glücklicherweise hatten die meisten
Kinder die Plattform schon verlassen. Wahrscheinlich waren sie
bereits mit ihren Snowboards unterwegs.

Jake hatte sein Snowboard bereits aus dem Gestell genommen.

Doch Max kam nicht an seins heran, weil ein Junge von ungefähr
zehn oder zwölf davor hockte und mit seiner Bindung nicht
zurechtkam. Innerlich seufzend hockte Max sich neben ihn.
„Brauchst du Hilfe?“

Wieder wunderte er sich, dass keiner von den Erwachsenen hier

war, um dem Jungen beizustehen. Das war doch schließlich der Job

52/171

background image

des Aufsichtspersonals, das mit knallgelben Jacken überall zu se-
hen war.

„Hat sich verbogen“, stieß der Junge weinerlich hervor und ver-

suchte immer wieder, mit seinen klammen Fingern den Metallver-
schluss gerade zu biegen.

„Das haben wir gleich.“ Max zog sich die Handschuhe aus,

drückte den Verschluss gerade, zog den Riemen hindurch und be-
festigte das Board an dem Stiefel des Jungen. „Wie fühlt sich das
an?“

Der Junge bewegte den Fuß. „Okay.“ Er schniefte leise.
Gerade als Max sich aufrichtete, kam Jake, der bereits sein Board

an einem Fuß befestigt hatte und sich mit dem anderen abstieß.
Während Max nach seinem Board griff, bemerkte er, dass der
Junge sich beunruhigt umsah. „Bist du mit deinen Eltern hier?“

„Mit meinen Freunden.“
„Ach so.“ Max sah sich um. „Kannst du sie sehen?“
„Sie sind schon weg.“ Der Junge zeigte auf die mittelschwere

Piste. „Da runter.“

„Ohne auf dich zu warten?“ Schöne Freunde …
Der Junge nickte und war wieder den Tränen nahe.
Max ging bis zum Beginn des Abhangs und schnallte sich dann

das Board unter. Auch Jake befestigte den zweite Fuß. Was ging sie
dieses Kind an? Andererseits konnten sie den Jungen doch nicht
einfach hier seinem Schicksal überlassen.

„Wie heißt du?“, fragte Max.
„Ethan.“
„Okay, Ethan.“ Max setzte sich die Schneebrille auf. „Es wird

wohl besser sein, wenn du mit uns fährst.“

Der Junge strahlte.
„Ich bin Max, und das ist Jake. Deine Freunde warten sicher un-

ten auf dich.“

Schon nach den ersten Metern wurde klar, dass Ethans

Begeisterung größer war als seine Erfahrung als Snowboarder.

53/171

background image

Besorgt sah Max, dass er sehr unsicher auf dem Brett stand und
nach jeder kleinen Unebenheit hinfiel. Also verringerte er die ei-
gene Geschwindigkeit und stellte sich neben den Jungen. „Du
musst leicht in die Knie gehen, wobei die Füße fest auf dem Board
stehen müssen.“ Er machte es ihm vor. „Gleichzeitig musst du die
Arme ausstrecken, um die Balance zu halten.“

Ethan sah ihm aufmerksam zu.
„Möchtest du sehen, wie ich den kleinen Hügel da vorne

nehme?“, fragte Max.

Der Junge nickte eifrig. „Ja, das wäre gut.“
„Okay.“ Max fuhr langsam auf die kleine Erhöhung zu, sprang

flach ab und hielt mit den Armen sein Gleichgewicht. „Jetzt du,
Ethan.“

Ethan machte es ihm genau nach und landete sicher auf der an-

deren Seite der Erhöhung. Strahlend streckte er die Faust in die
Luft.

Auch die nächsten Unebenheiten brachte er gut hinter sich, und

als er den letzten etwas höheren Hügel mit einem Sprung nahm
und tatsächlich aufrecht auf der anderen Seite landete, schrie Max:
„Bravo!“ Ethan grinste breit, vor allem als eine Gruppe von sechs
Jungen ihm zujubelten.

„Super!“, schrie einer.
„Gut gemacht!“, ein anderer.
„Wieso kannst du das auf einmal so gut?“, fragte ein dritter, kam

heran und klopfte Ethan auf die Schulter.

Ethan straffte die Schultern und wies auf Max. „Der Mann da

weiß, wie man’s macht.“

Einer der Jungens kam näher und sah Max genauer an. „Sind Sie

nicht dieser Max … äh, Max … na der, der im Fernsehen auch mit
einem Krokodil gekämpft hat?“

Alle starrten Max an.
„Ja, der bin ich“, musste Max zugeben. Er zog einen Handschuh

aus und schüttelte den Jungens die Hand. „Max Gray.“

54/171

background image

„Wahnsinn“, flüsterte einer. Ein anderer stieß Ethan in die Seite.

„Woher kennst du denn Max Gray?“

Ethan war vollkommen überwältigt und brachte kein Wort

heraus. Und so sprang Max ein. „Wir haben uns oben getroffen und
sind zusammen runtergefahren.“

Jetzt hatte Ethan sich wieder gefangen. „Können Sie uns viel-

leicht noch was anderes zeigen?“

Max warf einen Blick auf Jake, der sich nur mit Mühe das Lachen

verkniff. Dann zuckte er mit den Schultern und sagte ohne
Begeisterung: „Okay.“ Es blieb ihm gar nichts anderes übrig. Sch-
ließlich hatte er den zuschauerfreundlichen Ruf des Senders zu
verteidigen.

So glitt er den letzten Teil der Piste hinunter, gefolgt von sieben

Jungens, die sich bemühten, seinen Anweisungen zu folgen. Und so
widerwillig er die Aufgabe auch übernommen hatte, er musste
zugeben, dass es auch ein bisschen Spaß machte. Denn die Jungs
waren freundlich und wissbegierig.

Unten trafen sie dann den Rest der Gruppe, und im Nu war Max

von Zwölfjährigen umringt und musste ihnen die Helme signieren.
Jake nahm natürlich feixend alles mit der Kamera auf, und Max
wusste, er würde es wieder und wieder zu hören kriegen.

„Heute Morgen in der Lobby haben ein paar Kinder über Max ge-
sprochen“, sagte Gillian. Cara und sie gingen den freigeschaufelten
Bürgersteig entlang. Es war kurz nach zwölf, und sie suchten ein
Restaurant, um Mittag zu essen. „Sie schwärmten davon, dass er
ihnen das Snowboarden beigebracht hätte.“

„Kinder? Bist du sicher, dass es Kinder waren?“
„Ja, es waren eindeutig zehn- bis zwölfjährige Jungs. Er hat ihre

Skihelme signiert. Das hört sich doch nicht nach einem Kinderhass-
er an.“

„So etwas kann ich mir von Max gar nicht vorstellen.“ Cara schüt-

telte entschieden den Kopf.

55/171

background image

„Vielleicht siehst du ihn falsch.“
„Er hat mir doch selbst gesagt, dass er keine Kinder mag.“ Für

Cara bestand kein Zweifel, dass Max keine Familie wollte. Das hatte
er mehr als einmal deutlich gemacht. Wahrscheinlich war er ir-
gendwie gezwungen worden, sich mit den Kindern zu beschäftigen.

Gillian blieb vor dem Big Sky Restaurant stehen. „Wollen wir hier

reingehen?“

„Ja, warum nicht?“
Sie traten ein. Ein großer Kamin aus Feldsteinen verbreitete eine

gemütliche Wärme. Sie setzten sich in eine Nische an einen blank
polierten Holztisch und griffen sofort nach der Speisekarte.

„Ich habe wirklich Hunger“, gestand Cara. „Das muss die Bergluft

sein.“

„Wahrscheinlich. Mir geht es genauso.“
„Du hast heute viele neue Fans gewonnen“, sagte eine vertraute

Stimme dicht neben Cara. „Warte nur die Abendsendung ab.“

Erstaunt sah sie hoch und erblickte Jake, der genauso verblüfft

war wie sie. „Hallo, Cara“, grüßte er erfreut, und sein Lächeln
wurde breiter, als er sich Gillian zuwandte. „Hallo … Hätten die Da-
men etwas dagegen, wenn wir uns zu ihnen setzten?“

„Nein, natürlich nicht“, sagte Gillian, bevor Cara noch reagieren

konnte.

„Hallo, Cara.“ Max nickte ihr kurz zu.
„Neue Fans? Woher denn?“, fragte Gillian, als Jake neben ihr

Platz genommen hatte.

„Junge Snowboarder.“ Jake reichte ihr die Hand. „Ich bin Jake

Dobson, Max’ Kameramann.“

„Und ich bin Gillian Cranshaw, Caras Schwester.“
Lächelnd sah Jake zwischen den Frauen hin und her. „Das lässt

sich nicht leugnen.“

Max zögerte kurz, bevor er sich neben Cara setzte. „Du hast doch

nichts dagegen?“

56/171

background image

„Natürlich nicht.“ Cara zwang sich, gelassen zu erscheinen. Fields

war eine relativ kleine Stadt. Und da war es nicht zu vermeiden,
dass sie sich immer wieder begegneten. Sie blickte auf die
Speisekarte.

„Ich

glaube,

ich

nehme

einen

Milchshake.

Schokolade.“

Gillian lachte. „Um die Mittagszeit wird Cara immer verwegen.“
„Und Sie? Haben Sie auch Ihre wilden Stunden?“, wandte Jake

sich leise an Gillian.

Cara warf den beiden einen prüfenden Blick zu. Ohne Zweifel war

Jake gleich aufgefallen, wie hübsch Gillian war. Obgleich die beiden
Schwestern sich sehr ähnlich sahen, fiel Gillian eher auf. Sie war
lebhafter und legte etwas mehr Wert auf ihr Äußeres, zog sich
auffälliger an, schminkte sich etwas stärker, hatte rötliche Sträh-
nchen im Haar und einen sehr guten Geschmack, was Accessoires
betraf. Cara bewunderte sie dafür.

Gillian sah Jake in gespielter Empörung an und wandte sich an

Max. „Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Max. Die Kinder heute
Morgen in der Lobby haben nur von Ihnen gesprochen.“

„Ja ja, die guten Taten werden immer bestraft“, meinte Max

lächelnd.

Cara blickte die beiden Männer fragend an. „Wieso? Was ist denn

passiert?“

Jake grinste. „Da man in Fields nicht unbedingt After Dark sieht,

hoffte Max, etwas länger unerkannt zu bleiben.“

„Und du hast mir nicht gerade dabei geholfen“, grollte Max.
„Ich habe gestern ein paar sehr ungewöhnliche Aufnahmen

machen können. Und mit ein bisschen Aufarbeitung kann das eine
sehr interessante Story werden, die den Menschen ans Herz geht.“
Lächelnd klappte Jake die Speisekarte zu. „Schließlich haben wir
noch nicht so richtig was über den Präsidenten.“

„Aber ihr habt überhaupt schon etwas?“ Cara sah Max neugierig

an.

„Jake, sei vorsichtig“, warnte Max.

57/171

background image

„Warum willst du mir nicht sagen, was du weißt?“ Cara ließ nicht

locker.

„Ich weiß nichts. Habe zu viel damit zu tun, Kindern das Snow-

boarden beizubringen.“ Max beschäftigte sich jetzt intensiv mit der
Speisekarte.

Seine letzte Bemerkung griff Gillian auf. „Wie nett. Haben Sie

selbst Kinder?“

Cara stockte der Atem. War Gillian verrückt geworden?
Jake lachte laut los. „Max doch nicht. Zumindest weiß er von

keinen.“

„Nein, ich habe keine Kinder. Sie?“ Max fand das Ganze gar nicht

komisch.

„Nein, ich habe keine Kinder. Auch keinen Mann und keinen

festen Freund.“

„Tatsächlich nicht?“ Jake rückte strahlend etwas näher an Gillian

heran.

„Immer mit der Ruhe, Junge“, stieß Gillian leise hervor und

schlug ihre Speisekarte wieder auf. „Ich glaube, ich nehme den
Erdbeershake.“

„Ich bin seit Kurzem auch wieder Single“, flüsterte Jake ihr zu.
„Hör auf, dich an Caras Schwester heranzumachen, Jake“, warnte

Max.

„Ist schon okay.“ Gillian warf ihm ein Lächeln zu, das ihm sagte,

sie sei diese Situationen gewohnt und könne sie managen.

„Du meinst, auf diese Art und Weise will ich mich an sie heran-

machen?“ Jake tat beleidigt. „Dann solltest du mich mal erleben,
wenn ich es wirklich drauf anlege.“

„Das habe ich oft genug gesehen, auf allen sechs Kontinenten,

wenn ich ehrlich bin“, gab Max lächelnd zurück. „Ich mag Cara, und
ich möchte nicht, dass du mit ihrer Familie deine Spielchen
treibst.“

Gillian und Cara sahen sich an. Er mag dich, sagte Gillians Blick.

Na und? signalisierte ihr Cara. Sie und Max lebten vollkommen

58/171

background image

verschiedene Leben und hatten andere Prioritäten. Dass er sie
mochte, würde daran nichts ändern.

59/171

background image

5. KAPITEL

Sie kürzten ihr Mittagessen ab, denn dass sich der bekannte Max
Gray in Fields aufhielt, hatte sich leider zu schnell herumge-
sprochen. Max war genervt, und nachdem der zehnte Tourist nach
einem Autogramm gefragt hatte, ließen sie sich ihr Essen einpacken
und standen auf.

„Wir sollten in eins der Hotelzimmer gehen“, schlug Jake vor.
„Ich habe nur einen winzig kleinen Raum“, sagte Cara. „Schließ-

lich darf der Stab des Präsidenten nicht das Geld des Steuerzahlers
verschwenden.“

„Ich habe eine Suite im obersten Stockwerk.“ Gillian sah die an-

deren lächelnd an. „Dort können wir uns verstecken.“

„Ich fürchte, das wird mir auch nicht helfen“, meinte Max und

runzelte die Stirn. „Sie sind hinter mir her. Aber ihr könnt natürlich
machen, was ihr wollt.“

„Aber, Max!“ Cara lachte. „Diese Märtyrer-Rolle steht dir gar

nicht.“

„Wir lassen Sie doch nicht im Stich!“, sagte Gillian

nachdrücklich.

Hätte sie das doch nur nicht gesagt! Je länger Cara mit Max

zusammen war, desto schwerer fiel es ihr, nach außen hin Gleich-
mut zu zeigen.

„Lasst uns doch zu Max’ Cottage gehen“, kam Jake mit einem

neuen Vorschlag. „Es ist größer als meins, liegt ziemlich weit oben
auf dem Hügel und hat eine Wahnsinnsaussicht.“

„Hört sich gut an“, sagte Gillian strahlend.
Cara warf der Schwester einen strafenden Blick zu. Sie hoffte

doch

wohl

nicht,

dass

es

genüge,

Cara

und

Max

background image

zusammenzusperren, und schon würde es bei ihnen funken. Ein
riesengroßer Irrtum …

Da der SUV der beiden Männer am nächsten geparkt war und es

außerdem wieder anfing zu schneien, setzten sie sich alle vier in
den bulligen Vierradantrieb. Als sie das erste der Cottages erreicht-
en, fiel der Schnee bereits in dichten Flocken. Max stellte das Radio
an. Der Wetterdienst sagte gut fünfzehn Zentimeter Neuschnee
voraus.

„Ich gehe morgen ganz sicher auf die Piste“, meinte Jake fröhlich.
„Ich auch, solange mich keiner verfolgt.“ Max klang bitter. Er

warf Cara einen langen Blick zu. „Ich glaube, ich gebe kein Geheim-
nis preis, wenn ich sage, dass unsere Interviews bisher eine völlige
Pleite waren.“

„Allerdings. Das Interessanteste war Max’ Begegnung mit den

Kindern. Alles andere war eine reine Zeitvergeudung.“

„Inwiefern denn?“ Für Cara hätte es gar nicht besser laufen

können. Bisher hatte sie nichts gefunden, was sich als Zeitbombe
für den Präsidenten entpuppen könnte.

„Nette Leute sagen nette Sachen über den netten Jungen, der jet-

zt ihr Präsident ist. Daraus kann man nicht gerade eine spannende
Sendung zimmern.“

„Aber genau das hatte ich vermutet.“ Cara konnte ihre

Genugtuung nicht ganz verbergen. „Ihr sucht nach einer saftigen
Story und hofft, einem Skandal auf die Spur zu kommen. Und es ist
euch egal, ob und wie dadurch der Präsident und die Regierung der
Vereinigten Staaten geschädigt werden.“

Für den Bruchteil einer Sekunde verlor Max die Konzentration,

der Wagen rutschte seitlich ab, aber Max brachte ihn wieder auf die
Spur. „Das ist unfair!“

„Euch kommt es doch nur auf die Quote an.“
„Meinem Produzenten vielleicht“, stieß Max verärgert hervor.

„Ich möchte etwas über Eleanor Albert erfahren.“

„Aus reinem Wissensdurst, was?“

61/171

background image

„Eins ist sicher, ich werde die Wahrheit nicht verheimlichen.“
„Willst du damit andeuten, dass ich das tun würde?“, fragte Cara

wütend.

„Ich will damit nur sagen, dass du auf der Seite des Präsidenten

stehst.“

„Allerdings!“ Cara verschränkte die Arme vor der Brust. Hätte sie

sich nur nie darauf eingelassen, den Nachmittag mit Max zu ver-
bringen. „Ich möchte, dass du uns zum Hotel zurückfährst.“

„Nein.“
„Wie bitte?“
„Die Hamburger sind bereits kalt und die Milchshakes warm.

Außerdem sind wir schon da.“ Max bog in eine Einfahrt ein und
stellte den Motor ab.

„Vielleicht sollten wir es mit einem Waffenstillstand versuchen“,

schlug Gillian vor.

„Der Mann ist unmöglich“, schimpfte Cara.
„Er tut nur, was er von Berufs wegen tun muss“, stellte Gillian

richtig.

Cara sah die Schwester wütend an. Wie kam sie dazu, Max’ Partei

zu ergreifen? Sie wollte etwas erwidern, aber dann überlegte sie es
sich doch noch anders. Es stimmte schon, Max machte nur seinen
Job. Und sie ihren. Dass damit der Konflikt programmiert war,
würde Gillian auch bald herausfinden. „Okay. Waffenstillstand.“

Max sagte nichts, sondern stieg aus und griff nach der Tüte mit

dem Essen. Gillian trat neben die Schwester und ging mit ihr die
Steinstufen zur Haustür hinauf. „Legst du es darauf an, dass auch
genau passiert, was du prophezeit hast?“, zischte sie ihr zu. „Willst
du unbedingt recht behalten?“

„Was meinst du damit?“
„Ich weiß nicht, was du gegen Max hast. Er ist ein toller Mann.“
„Er ist Reporter, und er hasst Kinder.“
„Aber sicher! Erstaunlich eigentlich, dass er die Kinder dann

nicht den Berg heruntergeworfen hat, anstatt ihnen …“

62/171

background image

„Ich weiß, ich weiß. Er war freundlich zu ihnen, obgleich er sie

nicht leiden konnte.“

„Ich will damit ja auch nur sagen, dass du schon um der Jungs

willen nett zu ihrem Helden sein solltest, wenigstens solange er
seinen Hamburger isst. Meinst du, du bist dazu in der Lage?“

Natürlich konnte sie das. Schließlich war sie lange genug in dem

Geschäft. Sie nickte nur und folgte Gillian durch die Haustür, die
Max offen hielt.

Das Cottage, eigentlich eher eine kleine Villa, war sehr

beeindruckend. Das Haus lag hoch am Hang und hatte einen
großen Wohnraum mit riesigen Fenstern und anschließender
Küche. In einen geräumigen Nebenraum, in dem auch Snowboards
und Skis untergebracht werden konnten, hängten alle ihre dicken
Jacken. Eine massive Holztreppe führte in den ersten Stock, in dem
das Schlafzimmer, ein zusätzliches kleines Wohnzimmer und das
Fernsehzimmer Platz hatten.

Jake trat ans Fenster. „Man kann sie jetzt nicht sehen, weil es zu

stark schneit“, meinte er, „aber von hier aus hat man einen Blick
über die ganze Stadt. Weiter im Süden liegt der See. Und wenn man
auf den Balkon geht …“

„Was momentan etwas ungemütlich ist …“, Gillian trat neben

ihn.

Jake sah sie lächelnd an. „Vom Balkon aus“, fuhr er fort, „kann

man im Norden abends die beleuchteten Pisten sehen.“

„Für so einen Luxus zahlt der Steuerzahler ganz sicher nicht“,

murmelte Cara vor sich hin.

„Ich habe dich gehört“, sagte Max und winkte Jake zu, der Gillian

das Haus zeigen wollte.

„Entschuldige.“ Cara war beschämt. Gillian hatte recht, sie be-

nahm sich zickiger als sonst.

„Komm, lass uns was essen.“ Max ging vor zu dem großen

Esstisch und stellte die Tüte ab.

63/171

background image

„Wie viele Schlafzimmer hat das Haus?“, fragte Cara freundlich

und setzte sich an den Tisch. Sie musste sich unbedingt zusammen-
nehmen. Der Blick von ihrem Platz aus war normalerweise sicher
atemberaubend. Jetzt blickte sie nur auf eine weiße Wand. Dass
Schneestürme ganz plötzlich und unerwartet aufkommen konnten,
hatte sie schon gehört. Und auch, dass es ebenso schnell wieder
aufklaren konnte.

„Nur eins. Die Häuser werden nur an Erwachsene ohne Kinder

vermietet. Wahrscheinlich meist an Jungverheiratete. Jake hat uns
hier eingemietet, als wir feststellten, dass in dem Hotel die Hölle los
war.“

„Muss schön ruhig hier oben sein.“
Max lächelte. „Sehr ruhig. Und sehr schön.“
Es lag ihr auf der Zunge zu sagen, dass Kinder durchaus nicht die

Hölle seien, aber sie schwieg und packte ihren Cheeseburger aus.

„Fliegst du bald wieder nach Washington zurück?“, fragte Max.
„Wahrscheinlich morgen.“
„Ich auch. Ich glaube nicht, dass wir hier in Fields weiterkom-

men. Und wir müssen unsere Reise nach Südamerika vorbereiten.“

„Nach Südamerika?“
„Ja. Wir haben vor, uns die Wirkung der Weltmarktpreise auf die

Rohstoffe, die in den Anden abgebaut werden, genauer anzusehen.
Besonders auf das Leben der einheimischen Bevölkerung und die
Umwelt ganz allgemein.“

Das würde wieder eine sehr gut recherchierte Story werden, dav-

on war Cara überzeugt. „Du bist ganz schön intelligent, weißt du
das?“

Er lachte. „Alles halb so wild. Aber was mir an Intelligenz fehlt,

mache ich durch Neugier wett.“

An Intelligenz fehlte es ihm ganz sicher nicht. Vielleicht war an

dem, was Gillian gesagt hatte, doch etwas dran. Ihr Baby hatte mit
Max als Vater genetisch das große Los gezogen. „Und was ist mit

64/171

background image

dieser mysteriösen Vaterschaft, die dem Präsidenten angedichtet
wird? Macht sie dich nicht neugierig?“

Zu ihrer Überraschung zuckte er nur kurz mit den Schultern.

„Nicht besonders. Entweder ist Ariella seine Tochter oder nicht.
Entweder wusste er davon oder nicht. Auf alle Fälle wird dadurch
die Politik nicht beeinflusst werden. Zumal meiner Meinung nach
nicht Ariella der Skandal ist. Es geht um etwas ganz anderes.“

„So?“ Das überraschte Cara und beunruhigte sie auch. „Worum

geht es denn dann?“

„Du weißt doch sicher, dass ich dir das nicht sagen kann.“
Ja, natürlich war ihr das klar. Ihre so genannte Beziehung war

ein ständiger Eiertanz, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
Natürlich konnte und durfte Max seine Informationen nicht mit je-
mandem vom Pressebüro des Weißen Hauses teilen.

„Ja, ich weiß.“ Sie wischte sich die Hände an einer Papierserviette

ab. „Tut mir leid, dass ich gefragt habe.“

„Fragen tut ja nicht weh.“
„Doch, denn man kann jemanden durch eine Frage in Verlegen-

heit bringen.“

„Ich bin schon erwachsen, Cara“, sagte er mit einem fast zärt-

lichen Lächeln. „Ich habe keine Angst vor dir, und du bringst mich
auch nicht in Verlegenheit.“

„Ich habe oft Angst vor dir“, bekannte sie.
„Okay, ein bisschen was kann ich dir erzählen.“
„Nein, tu das nicht!“ Sie presste sich die Hände auf die Ohren.
In diesem Augenblick kamen Gillian und Jake wieder ins Zim-

mer. „Was hat der Kerl zu dir gesagt?“, fragte Jake drohend.

„Nichts, gar nichts.“ Hastig nahm Cara die Hände wieder her-

unter. „Wir albern nur herum.“

„Ihr beide?“ Überrascht hob Jake eine Augenbraue. „Das kann

ich mir gar nicht vorstellen.“ Er warf einen Blick auf die kalten
Hamburger. „Die sehen vielleicht traurig aus.“

65/171

background image

„Schmecken aber ganz gut.“ Max steckte sich den Rest seines

Hamburgers in den Mund.

„Das sagt ein Mann, der auch schon geröstete Ameisen gegessen

hat.“ Er sah Gillian an. „Glauben Sie mir, von Haute Cuisine hat er
keine Ahnung.“

„Die sind wirklich gut.“ Auch Cara steckte sich den letzten Bissen

in den Mund.

Doch Gillian blickte die fettige Tüte und die Pappbecher mis-

strauisch an. „Ich glaube, ich lasse das Lunch diesmal ausfallen.“

„Kommen Sie, wir können uns doch was Frisches holen.“ Jake

sah Gillian auffordernd an.

Cara wollte protestieren, doch Gillian nickte.
„Wir sind gleich wieder da.“ Jake lief schnell in den Nebenraum

und kam mit Gillians Mantel und seiner Jacke zurück.

„Wollt ihr denn wirklich bei dem Sturm los?“ Cara wies aufs

Fenster.

„Der hört schon wieder auf.“ Gillian ließ sich von Jake in ihren

weißen flauschigen Mantel helfen.

„Außerdem hat der Wagen Vierradantrieb“, fügte Jake hinzu.
Gillian sah Cara übermütig an. „Bleib du nur hier, und sei nett zu

Max.“

Du hast gut reden! Cara warf der Schwester einen wütenden

Blick zu. Selbst wenn sie nett zu Max war, würde das nicht einen
Mann aus ihm machen, der plötzlich sein Herz für die Familie ent-
deckte. „Ich würde gern mitkommen, um …“

„Nicht nötig“, unterbrach sie Jake. „Leg die Beine hoch, und ruh

dich aus. Wenn es aufhört zu schneien, hat man von hier aus einen
fantastischen Blick. Wir sind gleich wieder zurück.“ Schon waren
die beiden aus der Tür.

„Meinst du, sie wollen allein sein?“ Max ging zum Fenster und

blickte ihnen hinterher.

„Wieso?“
„Na, das war doch ziemlich deutlich.“

66/171

background image

Cara schätzte die Situation total anders ein. „Meinst du

wirklich?“

„Allerdings. Sie haben uns ja geradezu mit der Nase darauf

gestoßen.“

Du irrst dich, dachte sie. Das war eindeutig Gillians nicht gerade

subtile Art und Weise, sie mit Max allein zu lassen in der verrück-
ten Hoffnung, dass sich daraus etwas entwickeln könne.

„Tut mir leid, dass du mit mir hier festsitzt“, sagte Max leise und

beobachtete aufmerksam Caras Reaktion.

„Das macht doch nichts.“ Doch, es macht etwas. Gerade mit ihm

hatte sie den heutigen Nachmittag eigentlich nicht verbringen
wollen. Doch Jake und Gillian waren mit dem einzigen Fahrzeug
unterwegs. Bis zu ihrer Rückkehr saß sie hier fest.

„Erzähl mir von Südamerika.“ Cara lehnte sich leise seufzend

zurück. Es blieb ihr nichts anderes übrig, sie musste das Beste aus
der Situation machen.

Bevor er etwas sagen konnte, piepste sein Handy. Eine Textna-

chricht. Er blickte auf das Display. „Es ist Jake. Er möchte, dass wir
NCN anstellen. Vielleicht bringen die örtlichen Nachrichten etwas
über die Snowboarding-Geschichte mit den Jungs.“ Er wandte sich
vom Fenster ab. „Auch das noch!“

„Du wirkst nicht sehr glücklich darüber“, sagte Cara leise.
„Ich mag diese Art von Storys nicht.“
„Ich denke, du magst keine Kinder“, platzte sie heraus und hätte

sich hinterher am liebsten auf die Zunge gebissen.

„Die auch nicht.“
Es hatte keinen Sinn, ihn immer wieder auf die Probe zu stellen.

Seine Antworten deprimierten sie zu sehr. Cara trank ihren Milch-
shake aus.

Inzwischen hatte Max den Sender gefunden und stellte den Ton

lauter. Dann setzte er sich auf das kleine Sofa und Cara sich in ein-
en bequemen Sessel. Natürlich brachten sie die Geschichte. Jake
hatte auch das Mikrofon laufen lassen, sodass man hörte, wie Max

67/171

background image

den Kindern die Grundzüge des Snowboarding erklärte. Die Jungs
waren begeistert.

Das Ganze dauerte keine drei Minuten. Aber Cara war erstaunt,

welche Geduld Max aufbrachte. Natürlich himmelten die Jungs ihn
an, aber sie hörten auch gut zu. Denn bei der anschließenden Ab-
fahrt war ihre Technik sehr viel besser. Unten angekommen waren
sie alle stolz und strahlten Max an. Als sie sah, wie Max die Ski-
helme signierte, traten Cara vor Rührung die Tränen in die Augen.

„Das war’s.“ Max machte den Apparat wieder aus. „Grässlich,

diese rührseligen Geschichten.“

„Ich fand es sehr schön.“
„So was brauchen diese Moms aus der Kleinstadt offenbar“, sagte

er zynisch.

„Aber du siehst aus, als hätte es dir Spaß gemacht.“ Cara wollte

ihm einfach nicht glauben, dass er Kinder aus tiefstem Herzen
ablehnte. Unwillkürlich legte sie sich die Hand auf den Bauch. Max
als Vater?

„Die ganze Zeit wünschte ich mir, ich könne allein mit meinem

Snowboard den Berg hinunterdüsen“, sagte er zu Caras Ent-
täuschung. „Aber um uns herum standen Menschen, und so musste
ich gute Miene zum bösen Spiel machen. Wenn ich die Wahl gehabt
hätte, hätte ich die Jungs sich selbst überlassen.“

Schuft! „Dann war das alles nur Show?“
Er grinste. „Ich bin leider nicht der gute Mensch, als den der

Sender mich gern hinstellen möchte.“

„Und der Kinder mag.“
„Kinder mögen und wegen der Zuschauer so tun sind zwei ver-

schiedene Dinge. Ich habe das getan, was der Sender von mir er-
wartet.“ Jetzt klingelte sein Handy, und er stand auf und trat an
den Esstisch.

„Oh, hallo“, sagte er nur. Und dann: „Jetzt gleich?“ Pause. „Ja,

wir sind hier. Ich sag es ihr. Bis später.“

„Was ist denn?“

68/171

background image

„Jake und Gillian kommen erst später, weil Gillian noch an einer

Konferenzschaltung teilnehmen muss.“

Cara wurde flau im Magen. „Du machst Witze, oder?“
„Nein. Es ist jetzt Morgen in China. Und offenbar muss Gillians

Büro in China noch unbedingt mit ihr sprechen. Da ihr Laptop im
Hotel ist, sind sie ins Hotel gefahren.“

„Aber … sie …“
„Das ist doch alles sonnenklar.“ Max hob ironisch lächelnd die

Mundwinkel. „Glaub mir, ich kenne Jake sehr gut. Und ich denke,
dass die beiden …“

„Sei vorsichtig, du sprichst von meiner Schwester!“, fuhr Cara

dazwischen.

„Wieso? Ist deine Schwester gegen Sex?“
„Nein. Aber sie schläft nicht mit Jake.“ Die beiden hatten sich

schließlich gerade erst kennengelernt. „Sie hat Geschäftsbeziehun-
gen mit China, sehr wichtige sogar. Ich bin sicher, es ist genauso,
wie Jake gesagt hat.“

Max setzte sich wieder. „Das werden wir wahrscheinlich nie

genau wissen.“

„Doch, ich weiß es schon jetzt.“
„Du bist wirklich süß.“
Sein Lächeln spürte sie bis in die Zehenspitzen. Hätte sie sich nur

nicht darauf eingelassen, hier mit ihm allein zu bleiben. „Max …“,
fing sie an, stockte aber, als sie ein dumpfes Grollen hörte. „Was ist
das?“

Max war kreidebleich geworden. Fluchend sprang er auf, und be-

vor Cara wusste, wie ihr geschah, hatte er den rechten Arm um sie
gelegt und zerrte sie hoch.

„Was ist das?“, flüsterte sie entsetzt, als das Grollen lauter wurde

und der Boden unter ihren Füßen zitterte.

Max schob sie durch die Tür ins Badezimmer und hob sie dann in

die große Badewanne. „Runter!“, befahl er und verschwand.

69/171

background image

O Gott, das war ein Erdbeben … Ob man in der Badewanne be-

sonders geschützt war? Aber egal, sie tat, was Max gesagt hatte.
Kurz danach war er wieder da, mit dem Couchtisch. Er kippte ihn
über die Badewanne, legte sich auf Cara und zog die schwere Tis-
chplatte über sich.

Das Grollen wurde zu einem Nerven zerfetzenden Kreischen und

Quietschen. Alles um sie her bewegte sich. Cara presste das Gesicht
gegen Max’ Schulter. „Ein Erdbeben?“, stieß sie keuchend hervor.

Er hielt sie fest an sich gedrückt. „Nein, eine Lawine.“
Das Licht ging aus, und die Welt versank in einem schmutzigen

Grau.

„Leben wir noch?“, flüsterte Cara. Seit einer Minute herrschte
dröhnende Stille.

„Ja.“ Er hob den Kopf und lauschte. Nichts war zu hören.
„Ist es vorbei?“
„Vielleicht.“
„Vielleicht?“
„Eine Lawine kann eine zweite auslösen.“ Auch Max flüsterte und

schob sich leicht zur Seite, damit er nicht mit dem vollen Gewicht
auf Cara lag. „Tu ich dir weh?“

„Nein. Müssen wir eigentlich leise sprechen?“
„Nein.“
Stille.
„Wie lange müssen wir warten?“, fing Cara wieder an.
Er streckte den Arm aus, hob den Tisch an und schob ihn zur

Seite. „Nicht länger, glaube ich.“

Vorsichtig stieg er aus der Wanne, dann reichte er Cara die Hand.

Sie ergriff sie und ließ sich von ihm hochziehen. Ihr war leicht
schwindelig, und sie setzte sich auf den Beckenrand.

Sein Telefon klingelte. Es lag auf dem Esstisch.
„Glaubst du, dass es Verletzte gibt?“

70/171

background image

„Das weiß ich nicht.“ Aber Max fürchtete das Schlimmste. Sein

Haus stand, aber er hatte einige Erfahrung mit Lawinen, und dieses
war eine gewaltige gewesen. Wieder klingelte das Telefon.

„Du solltest rangehen“, meinte Cara.
Er sah sie besorgt an. „Bist du okay?
Sie nickte.
Es war Jake. „Alles in Ordnung mit euch?“, fragte Max statt einer

Begrüßung.

„Oh, Mann, es ist so gut, deine Stimme zu hören. Wie geht es

Cara?“

„Es geht uns gut.“ Max sah hoch, als Cara aus dem Badezimmer

kam. Sie hielt sich am Türrahmen fest.

„Es geht ihnen gut“, sagte Jake nach hinten. „Die Lawine muss

wohl gerade an euch vorbeigerauscht sein“, kam dann wieder seine
klare Stimme.

„Ich habe noch nicht gesehen, wie es draußen aussieht. Aber ich

dachte, das Haus reißt sich von seinem Fundament los, so stark hat
es gebebt. Wie sieht es denn von unten her aus?“

„Die halbe Bergseite ist mit Schnee bedeckt. Und die Straße ist

voller Menschen.“

„Hat es die Stadt auch erwischt?“
„Nein. Und die Pisten auf dem Hügel nebenan auch nicht.“
„Gott sei Dank. Ist jemand verletzt?“ Max brannte darauf zu

helfen. Aber es gab keine Möglichkeit, von hier wegzukommen.

„Die Suchdienste sind voll im Einsatz. Bis wir Genaueres wissen,

wird noch einige Zeit vergehen. Euch beiden geht es gut?“

„Ja. Wir haben keinen Strom, aber hier ist ja ein Kamin.“
„Es sieht so aus, als ob ihr diese Nacht da oben bleiben müsst.“
„Das vermute ich auch.“ Max sah kurz zu Cara hinüber. Ihr

Gesicht bekam allmählich wieder Farbe. „Kannst du dafür sorgen,
dass wir nicht in den Nachrichten auftauchen?“

„Ja, klar.“

71/171

background image

Max wusste, dass Cara die Situation sehr unangenehm war. Es

sollte keiner erfahren, dass sie mit ihm hier die Nacht verbringen
musste. „Ich habe es ehrlich gesagt momentan satt, mich im
Fernsehen zu bewundern.“

„Kann ich verstehen. Ich habe ein paar Aufnahmen von der Law-

ine machen können, allerdings nur mit dem Tablet-PC und nicht
mit der Kamera. Aber man kann was erkennen.“

Max schüttelte lächelnd den Kopf. Jake war unglaublich. Selbst

in der größten Gefahr griff er nach dem nächstbesten Aufnah-
megerät anstatt das Weite zu suchen wie jeder andere.

„Könntest du noch kurz Cara ans Telefon holen? Gillian möchte

mit ihr sprechen.“

„Selbstverständlich.“ Max hielt Cara das Telefon hin. „Gillian.“
„Hallo, Gillian.“ Sie schwieg. „Ja, bin ich.“ Wieder Pause. „Kein

Kratzer. Ich stehe vielleicht noch etwas unter Schock.“ Wieder
schwieg sie, dann lachte sie nervös auf. „Tatsächlich?“

Das konnte noch länger dauern. Also trat Max auf den Balkon

und zog die Tür fest hinter sich zu. Der Anblick, der sich ihm bot,
war atemberaubend und grauenhaft zugleich. Der Hauptteil der
Lawine war nördlich des Hauses losgebrochen, war am Haus
vorbeigerast, hatte sich aber seitlich aufgetürmt. Unter dem enor-
men Druck war der Schnee inzwischen sicher hart wie Beton. Das
wusste Max aus früheren Erfahrungen.

Nicht nur Max und Cara hatten unglaubliches Glück gehabt. Die

anderen kleinen Villen lagen südlich ihres Hauses und tiefer am
Abhang. Sie hatte die Lawine nicht mehr getroffen, die sich inzwis-
chen aufgefächert und an Kraft verloren hatte.

Hinter ihm öffnete sich die Schiebetür.
„Oh, nein …“
Er drehte sich um. Cara stand wie angewurzelt in der Tür und

starrte auf die weiße Mondlandschaft. „Die Straße ist nicht mehr
da“, stieß sie fassungslos hervor, trat auf den Balkon und schloss
die Tür hinter sich.

72/171

background image

„Ja, es wird ein bisschen dauern, bis wir die wieder ausgegraben

haben.“

Sie stellte sich neben ihn ans Geländer. „Kommen wir hier nicht

weg?“

„Im Augenblick nicht. Man könnte uns mit einem Hubschrauber

abholen, aber ich glaube, die werden momentan dringend für die
Verletzten gebraucht.“

„Ja, natürlich. Gillian sagt, sie habe ihnen auch ihren Jet ange-

boten. Für den Fall, dass man schnelle Hilfe in großen Kranken-
häusern braucht.“

„Bald wird es dunkel sein.“ Max konnte nur hoffen, dass sich

keiner mehr auf den Pisten befand.

„Ja.“ Cara legte fröstelnd die Arme um sich und betrachtete die

untergehende Sonne.

„Wir sollten reingehen.“ Er hätte ihr gern den Arm um die sch-

malen Schultern gelegt, aber er wagte es nicht. Sie war sehr
entschieden gewesen, was die Grenzen ihrer Beziehung betraf. „Wir
sollten wirklich reingehen“, wiederholte er. Ohne Strom würde es
bald dunkel und kalt im Haus sein.

Glücklicherweise war ausreichend Holz neben dem Kamin

gestapelt, und auch Zeitungspapier und Streichhölzer waren zu
finden. Außerdem standen zwei Öllampen auf dem Kaminsims, und
im ganzen Wohnzimmer waren Kerzen verteilt. Offenbar kam es
häufiger mal vor, dass der Strom ausfiel.

Max machte eine Öllampe an und reichte Cara eine zweite

Streichholzschachtel. „Hier. Zündest du ein paar Kerzen an?“

„Ja, gern.“
Dass es wichtig war, sie zu beschäftigen, war ihm klar. Wenn sie

nichts zu tun hatte, dachte sie nur ständig daran, dass sie jetzt auch
tot sein könnten. Während sie langsam durch den großen Raum
ging und die Kerzen anzündete, ließ Max sich auf die Knie nieder
und bereitete den Kamin vor. Dann zündete er das Zeitungspapier
an, und bald verbreiteten sich die Flammen in dem Reisig.

73/171

background image

„Deine Schwester hat einen Jet?“
„Ihre Firma hat einen.“
„Aber ihr gehört die Firma?“
„Ja.“ Inzwischen hatte Cara ungefähr sechs Kerzen angezündet,

die den Raum in ein mildes warmes Licht tauchten.

„Ist es eine große Firma?“ Inzwischen hatten die Flammen die

größeren Holzscheite erreicht, und das Feuer prasselte munter vor
sich hin. Befriedigt schloss Max die Glastüren.

„Sie wird immer größer.“ Cara gab ihm die Streichhölzer zurück,

und er legte sie auf den Kaminsims. Dann rückte er das Sofa vor
den Kamin und setzte sich.

„Komm, mach’s dir bequem.“ Zögernd nahm sie in einer Ecke

Platz. „Offenbar stammst du aus einer erfolgreichen Familie.“

„Das kommt darauf an, wen du fragst.“
Er sah sie überrascht an. „Wieso? Eine Tochter ist Unternehmer-

in und die andere in der Presseabteilung des Weißen Hauses. Was
will man mehr? Wer würde das nicht als erfolgreich bezeichnen?“

„Die Landbevölkerung von Wisconsin.“
„Hat die Landbevölkerung von Wisconsin etwas gegen erfol-

greiche Frauen?“

„Meine Eltern hätten sich gewünscht, dass Gillian und ich zwei

nette Milchfarmer heiraten, uns in der Gegend von Rim Creek
niederlassen und Enkelkinder produzieren.“

„Ach so.“ Max nickte bedächtig.
„Glücklicherweise hat mein Bruder eine wunderbare Frau aus der

Gegend geheiratet. Sie erwarten ihr drittes Kind und scheinen auf
der Farm sehr glücklich zu sein.“

„Landleben ist also nichts für dich?“
Cara fuhr schaudernd zusammen. „Gillian und ich konnten nicht

schnell genug von zu Hause wegkommen. Wir sind nach der Schule
zusammen nach Milwaukee gegangen. Nach den ersten Jahren
wechselte ich zu Harvard, und Gillian ging nach Massachusetts aufs
MIT.“

74/171

background image

Max war beeindruckt. Er betrachtete sie. Wie hübsch sie aussah

in dem rötlichen Feuerschein. Wahrscheinlich waren die jungen
Männer von Rim Creek sehr enttäuscht, als sie wegzog. Er lachte.
„Du hättest sicher süß als Milchmädchen ausgesehen.“

„Aber ich wäre eine völlige Pleite gewesen.“
„Es ist schon erstaunlich. Du bist auf dem Land aufgewachsen

und in der Hauptstadt gelandet. Und ich bin in der City aufgewach-
sen und sehne mich nach unberührter Natur.“

„Dann musst du dich hier ja sehr wohlfühlen.“
So war es auch. Allerdings nicht aus den Gründen, an die sie

dachte. Sondern weil sie die ganze Nacht hier allein sein würden,
und seine Fantasie sich kaum auszumalen wagte, was alles passier-
en könnte.

75/171

background image

6. KAPITEL

Das Kerzenlicht spiegelte sich in dem glatt polierten Holz des
großen Esstisches. Die ledernen Stühle waren sehr bequem, das
Holz im Kamin knisterte, und das Porzellan und die Gläser schim-
merten golden im rötlichen Feuerschein.

Was allerdings ganz und gar unpassend war in dieser luxuriösen

Umgebung, war der Haferbrei, den Max in einer Trockenversion im
Schrank gefunden hatte. Seiner hatte Zimt-Apfelgeschmack und
Caras schmeckte nach Ahornsirup. Doch Cara beschwerte sich
nicht. Da sie weder Strom noch andere Heizmöglichkeiten hatten,
hatte Max den Barbecue-Grill vom Balkon geholt, der mit Propan-
gas betrieben wurde. Damit hatten sie Wasser erhitzen können, und
so hatten sie wenigstens Tee und den Haferbrei.

Inzwischen hatte Jake sie auch darüber informiert, dass glück-

licherweise die Kinder, die zur Zeit der Lawine noch unterwegs
gewesen waren, mit nur geringfügigen Verletzungen hatten gebor-
gen werden können. Cara hatte ihrer Chefin getextet, dass ihr
nichts passiert sei, sie aber vorübergehend festsitze und außerdem
die Batterie ihres Handys schonen müsse.

Aus diesem Grund hatten sie und Max auch ihre Handys und die

Laptops abgeschaltet, sodass sie tatsächlich von aller Kommunika-
tion abgeschnitten waren. Lediglich die entfernten Lichter der Stadt
im Tal zeigten ihnen, dass sie nicht allein auf der Welt waren.

„Dann warst du also wirklich bei den Pfadfindern“, sagte Cara

und blies auf den Haferbrei, um ihn abzukühlen.

„Wie kommst du denn darauf?“ Max, der ihr an dem langen

Tisch gegenübersaß, blickte überrascht hoch.

„Du weißt, wie man Feuer macht. Du kamst auf die Idee, auf dem

Barbecue-Grill Wasser zu erhitzen. Wahrscheinlich hast du auch

background image

einen Kurs in Erster Hilfe gemacht und kannst aus einem Stück
Holz eine Gabel schnitzen.“

„Das mit der Ersten Hilfe stimmt. Aber ansonsten muss ich

passen.“

Cara wusste, dass Max in einem südlichen Stadtteil von Chicago

aufgewachsen war. Seine Mutter hatte ihn allein erzogen und das
Geld als Kellnerin verdient. „Und woher kannst du dann all so
was?“

„Ich hab’s einfach versucht. Wobei oft was danebenging.

Während meiner Zeit im College habe ich ein paar Abenteuerreisen
mitgemacht, und dabei ist manches schiefgelaufen. Wenn du in ein-
er Kellerwohnung aufwächst und als Werkzeug nicht mehr als ein-
en Hammer und einen Schraubenzieher kennst, dann hast du keine
guten Voraussetzungen. Vor allem, wenn dazu noch der Vater fehlt,
der dir zeigen kann, wie das Wenige, das da ist, benutzt wird.“

Cara

war

peinlich,

dass

sie

überhaupt

gefragt

hatte.

„Entschuldige. Ich wollte nicht …“

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich gebe niemandem

die Schuld. Und ich beklage mich auch nicht. Daran, wie ich
aufwuchs, kann ich nichts ändern. Aber wie mein Leben als Er-
wachsener verläuft, das habe ich in der Hand.“

„Möchtest du deshalb keine Familie haben?“, rutschte es ihr

heraus. „Weil du eine schlechte Kindheit und Jugend hattest?“

„Das ist nicht der einzige Grund. Sicher, eine Kindheit wie meine

wünsche ich niemandem. Auch meine Mutter hatte ein elendes
Leben.“

„In Armut aufzuwachsen ist sicher sehr hart.“
Darauf ging er nicht ein. „Genetisch bin ich auch nicht unbedingt

geeignet, eine Familie zu haben. Schließlich bin ich der Sohn eines
Vaters, der die Mutter seines Sohnes und den Sohn verlassen hat.
Der keinerlei Verantwortungsgefühl hatte. Das muss man nicht un-
bedingt weitervererben.“

„Du bist anders als dein Vater.“

77/171

background image

„Das mag sein. Aber auch ich bin heute hier und morgen da.

Heutzutage benutzt man dazu einen Jet und nicht mehr einen Bus,
aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich in meiner eigenen
egoistischen Welt lebe und meinen eigenen egoistischen Träumen
nachjage.“

„Aber du lässt doch niemanden zurück und stiehlst dich aus der

Verantwortung.“

Max lächelte zynisch. „Stimmt. Das ist das Gute an der Sache.

Keiner muss um mich weinen. Wenn ich erschossen oder im
Kriegsgebiet getötet werde, wenn ich einen Wasserfall hinabstürze
und ertrinke, dann hätte das keine negativen Folgen.“

„Das ist nicht wahr.“
„Nun gut, die Quoten von NCN würden sinken. Aber das wäre

nur eine vorübergehende …“

„Aber deinen Freunden würdest du fehlen.“ Cara ertrug es nicht,

wie er über sich sprach. Sie wusste, wie sehr ihn seine Freunde
liebten und schätzten. Und das galt auch für seine Vorgesetzten und
natürlich seine Zuschauer.

„Cara, ich will damit nicht sagen, dass es etwas Schlechtes ist. Im

Gegenteil, diese Einstellung gibt mir viel Freiheit. Natürlich würde
ich meinen Freunden fehlen. Bei ihrem Tod ginge es mir genauso.
Aber einen Freund zu verlieren ist etwas ganz anderes als der Ver-
lust eines Elternteils oder des Lebenspartners. Ich will nicht zu den
Menschen gehören, die ihre Lieben allein lassen, wodurch auch im-
mer, und sie so zwingen, für sich allein zu sorgen.“

„Wenn ich dich richtig verstehe, willst du eine mögliche Ehefrau

und mögliche Kinder schützen, indem du es gar nicht erst dazu
kommen lässt?“

Max nickte nachdenklich. „Ja, so ungefähr.“
„Mit dieser Logik stimmt etwas nicht.“
„Das sehe ich nicht so.“
„Du lebst doch nicht in einer künstlichen Blase, die dich von al-

lem abschirmt.“ Das alles sollte sie nicht überraschen. Sie hatte

78/171

background image

immer gewusst, dass Max nicht geeignet war, Vater zu sein. Er woll-
te nicht einmal eine echte Beziehung mit einer Frau haben. Also
sollte sie auch nicht enttäuscht sein, wenn er ihr genau das
bestätigte.

In den letzten fünf Minuten hatte sich nichts verändert, das

musste sie sich immer wieder sagen. Erst in einigen Monaten
würde sich ihre Schwangerschaft zeigen. Sie hatte sich schon über-
legt, eventuell einen Posten in Übersee anzunehmen. In den
Botschaften wurden immer Presseleute gebraucht. Vielleicht kon-
nte sie nach London gehen oder nach Sydney, vielleicht auch nach
Montreal. Dann konnte ihr Kind Französisch lernen.

„Ich lebe nicht in einer künstlichen Blase“, verteidigte Max sich.

„Ich stecke mitten im Leben. Schließlich mache ich Fallschirms-
pringen, gefährliche Bergtouren und Wildwasserfahrten. Ich habe
sogar schon mal mit einem Krokodil gekämpft.“

„Ach, die alte Geschichte …“
„Die war schon ein bisschen anders, als allgemein angenommen

wird. Aber ich warne dich. Was ich dir jetzt erzähle, muss unter uns
bleiben.“

Sie lächelte müde. „Himmel, was willst du mir denn jetzt

gestehen?“

„Bei der Sache mit dem Krokodil hatte ich einen Führer mit. Und

der hat dem Krokodil eins mit dem Paddel übergezogen, bevor der
Kampf begann.“

Cara schüttelte missbilligend den Kopf. „Willst du damit sagen,

dass das Krokodil quasi außer Gefecht gesetzt war?“

„Na ja, nicht ganz. Außerdem hatte Jake beeindruckende Aufnah-

men gemacht, und so beschlossen wir, aus der Sache mehr zu
machen, als eigentlich dran war.“

„Dann hast du mit einem halb benebelten Krokodil gekämpft?“
„Und gewonnen.“

79/171

background image

„Und dadurch hast du diesen Ruf als unerschrockener Aben-

teurer gewonnen, von dem deine naive und unschuldige Fange-
meinde besonders beeindruckt ist?“

Lächelnd zwinkerte er ihr zu. „Ich habe nie behauptet, ein Pfad-

finder zu sein.“

„Stimmt. Und ich habe keinen Grund, mich darüber zu empören.

Ich habe noch nicht einmal mit einem betäubten Krokodil
gekämpft.“

„Nur mit den Geiern von der Presse.“
Sie lachte. „Manchmal wünsche ich mir schon, jemand würde

ihnen mal einen Schlag mit dem Paddel versetzen.“

„Das kann ich verstehen.“ Dann wurde Max wieder ernst. „Hier

in Fields kommen wir nicht weiter. Ich meine, in der Sache mit
Eleanor.“

„Nein?“ Sie sah ihn misstrauisch an. „Du weißt, dazu kann ich

nichts sagen.“

„Sollst du auch gar nicht. Das ist nur meine Meinung. Keiner sagt

etwas. Keiner meint, etwas von Bedeutung erinnern zu können.
Sieht so aus, als handele es sich hier entweder um eine Ver-
schwörung, oder die Leute können sich tatsächlich nicht erinnern.“

„Ich glaube, sie können sich wirklich nicht erinnern“, meinte

Cara, ärgerte sich aber dann, dass sie überhaupt etwas gesagt hatte.

„Ich auch. Aber stellt sich dann nicht die Frage, wie Angelica

Pierce und der ANS an die Geschichte gekommen sind?“

„Allerdings. Hast du eine Theorie?“
Max lehnte sich leicht vor und fixierte Cara gespannt. „Willst du

damit sagen, dass du bereit bist, auch mir Informationen zu
geben?“

„Das kann ich nicht tun, und das weißt du genau.“
„Dann habe ich keine Theorie.“ Er richtete sich wieder auf.

„Obgleich ich eine habe. Und zwar eine ziemlich stichhaltige.“

„So?“ Jetzt beugte sie sich vor. „Du bluffst doch nur.“
„Es gibt bloß eine Möglichkeit, das herauszufinden.“

80/171

background image

Sie konnte sich zwei vorstellen, aber die zweite war noch schlim-

mer als die erste.

„Ich weiß, was du denkst“, forderte er sie heraus.
„Das glaube ich nicht.“
„Doch.“ Er grinste. „Du denkst daran, dass ich dir alles erzählen

würde, wenn du dich vor mir ausziehst.“

„Ich werde dich ganz sicher nicht mit Sex bestechen.“
„Schade. Denn das würde funktionieren.“

Dass er sich den Rest des Abends beschäftigen musste, war Max
sonnenklar. Denn wenn er zur Ruhe kam, wurde ihm leider deut-
lich bewusst, mit wem er hier allein im Haus war, mit einer nur zu
verführerischen Frau.

Er wusch ab, holte Holz von draußen herein und schichtete es

neben dem Kamin auf. Dann überprüfte er die Wände auf der Seite,
auf der sich Schnee von der Lawine aufgetürmt hatte, aber Risse
waren nicht zu sehen. Danach ging er systematisch alle Schränke
und Kommodenschubladen durch, auf der Suche nach etwas, das
sie gebrauchen könnten, falls sie noch ein paar Tage hier festsaßen.

Cara hatte ihren Blazer in den Schrank gehängt und sich einen

flauschigen Bademantel übergezogen, den sie im Bad gefunden
hatte. Der war wärmer. Ein Paar von Max’ dicken Socken benutzte
sie als Hausschuhe, und als sie so in die Sofaecke gekuschelt dasaß
und in einer Illustrierten blätterte, hätte sie eigentlich komisch aus-
sehen sollen. Aber auch so war sie sexy.

„Was hast du gefunden?“, rief sie ihm zu, als sie sah, dass er ge-

bückt in ein offenes Schränkchen starrte.

„Brettspiele.“ Er zog eins heraus. „Hast du Lust zu Monopoly?“
„Das habe ich schon ewig nicht mehr gespielt.“
„Was spielst du denn so? Mensch ärgere dich nicht?“
Sie lachte. „Höchstens Mensch ärgere die Wähler nicht.“
„Und? Gewinnst du?“, fragte er schmunzelnd.
„Selten.“

81/171

background image

Er kam hoch und nahm das Spiel mit. „Hast du Lust, es mit mir

aufzunehmen?“ Er hatte nichts mehr zu tun, und er wollte sich
lieber auf das Spiel als auf Cara konzentrieren.

„Ich dachte, das tue ich bereits.“ Doch sie legte die Zeitschrift zur

Seite.

Er ging zum Esstisch, stellte ein paar Kerzen auf eine Seite und

öffnete dann die Schachtel. Erstaunlicherweise schien das Spiel
vollständig zu sein, wenn die Geldscheine auch etwas ausgeblichen
waren. „Was für einen Spielstein möchtest du?“

Cara zog sich einen Stuhl heran. „Am liebsten den Hund.“
„Hier.“ Max klappte das Spiel auf und gab ihr den Stein.
„Was nimmst du denn?“ Sie griff nach einem Stapel Geldscheine

und fing an zu verteilen.

„Den Zylinder.“
„Nicht den Rennwagen?“
Er runzelte die Stirn. „Der sieht aus wie ein importierter Wagen.“
„Dann magst du nur die amerikanischen Flitzer?“
„Ja. Es gibt nichts Schöneres, als in einem Mustang Cabrio GT

am Meer entlangzufahren.“ Er setzte sich ihr gegenüber, legte die
Extrakarten auf das Spielbrett und nahm die Würfel in die Hand.

Cara stützte den Kopf in eine Hand und sah verträumt in die

Ferne. „Das hört sich wunderbar an.“

„Ich fahre mit dir gern überall hin. Aber vielleicht warten wir bis

April oder Mai. Es sei denn, wir starten im Süden.“

„Hast du denn ein Cabrio?“
„Ich habe drei.“
„Findest du das nicht etwas extravagant?“
„Sie sind Teil meiner Sammlung.“
„Na dann …“ Sie tat so, als sei eine Sammlung teurer Wagen für

sie das Normalste von der Welt, konnte sich ein Lächeln aber nicht
verkneifen. „Wie viele Autos hast du denn insgesamt?“

„ Äh … siebzehn, glaube ich. Drei restauriere ich gerade. Die

meisten sind Oldtimer.“

82/171

background image

„Du restaurierst alte Wagen?“
„Ja.“
„Warum weiß ich nichts davon?“
„Es gibt vieles, was du von mir nicht weißt.“
„Geschenkt.“ Sie schüttelte leicht genervt den Kopf. „Aber wo und

wie tust du das? Du hast doch ein Penthouse in Connecticut.“

„Ich habe auch noch ein Haus in Maine.“
„Ernsthaft?“
„Warum sollte ich mir das ausdenken?“
„Ich wundere mich nur.“ Sie sortierte weiter Spielgeld. „Du hast

mir nie davon erzählt.“

„Wann auch. Wir waren nicht sehr oft zusammen.“ Und wenn,

dann hatten sie über das Tagesgeschehen oder Politik diskutiert.
Oder sie waren zusammen im Bett. Bei der Erinnerung daran über-
fiel ihn das Verlangen, sie zu küssen, wie ein Fieber.

Caras Handbewegungen wurden langsamer, und als sie den Kopf

hob und ihn ansah, wusste er, dass sie auch daran gedacht hatte.
„Was gibt es denn sonst noch, was ich nicht von dir weiß?“, fragte
sie leise.

„Eine ganze Menge. Das meiste ist eher positiv.“
Sie lächelte verschmitzt. „Erzähl mir das Negative zuerst.“
„Nein, erst mal bist du dran.“
„Ich?“ Sie lehnte sich zurück. „Ich bin ein gutes Mädchen.“
„Was? Und dann bist du scharf auf einen Teufelskerl von

Reporter?“

„Ich und eine Million andere Frauen.“
„Danke für das Kompliment.“ Er lachte. „Spaß beiseite, Cara. Du

bist anders, und das weißt du auch.“

„Ich bin nicht anders als die Frauen, die hinter dem berühmten

und sexy Krokodilringer her sind.“

„Aber für mich bist du etwas Besonderes.“ Max war ernst

geworden.

„Nur weil ich im Augenblick hier vor dir sitze.“

83/171

background image

„Schöne Frauen gibt es überall. Aber ich empfinde für sie nicht

das, was ich für dich empfinde.“

„Weil du mich nicht haben kannst.“
Daran hatte Max auch schon gedacht. Könnte es sein, dass er sie

so sehr begehrte, weil sie für ihn aus beruflichen Gründen tabu
war? Waren seine Gefühle für sie wirklich so oberflächlich?

„Also stimmt es!“, rief sie triumphierend aus, als er schwieg.
„Zumindest wünsche ich mir das manchmal“, sagte er nachdenk-

lich. „Das würde vieles sehr viel einfacher machen.“

„Aber wenn ich nun zu haben wäre, wenn ich zum Beispiel bei

der Bank arbeiten würde, auf alle Fälle nichts mit Politik oder Öf-
fentlichkeit zu tun hätte, wenn ich dir meine Liebe gestehen würde
und meinen Wunsch, den Rest meines Lebens mit dir zusammen zu
sein, dich zu heiraten, deine Kinder zu bekommen …“

„He, stopp!“, rief er aus. „Wie kommst du denn plötzlich darauf?“
Sie lächelte traurig und schüttelte den Kopf. „Du willst mich gar

nicht.“

„Das geht mir alles zu schnell. Warum soll ich mir eine vollkom-

men andere Frau vorstellen als die, die du bist? Wenn du auf dem
Land geblieben wärst und nach einem Farmer Ausschau hieltest,
um mit ihm gemeinsam Farming Today zu lesen und zum Feuer-
wehrball zu gehen, dann würde ich mich sicher nicht für dich
interessieren.“

„Eben. Ganz schön oberflächlich.“
„Aber so bist du nicht. Das passt nicht zu dir. Ich mag dich so,

wie du bist, Cara. Wie du jetzt lebst, wofür du dich einsetzt. Mit
deinen Hoffnungen und Träumen und Wertvorstellungen.“

„Also doch die verbotene Frucht.“
„Es ist sehr viel komplizierter.“
Sie seufzte leise. „Das kannst du laut sagen.“
Er griff nach ihrer Hand. „Ich habe eine sehr gute Idee. Du und

ich, wir leben beide in unterschiedlichen Welten, die wir nicht

84/171

background image

verlassen dürfen. Und die nicht miteinander vereinbar sind.“ Er
drückte ihr zärtlich die Hand. „Komm her.“

„Nein.“
„Dann komme ich.“ Er stand auf und ging um den Tisch herum.
„Max …“
Doch er nahm sie bei der Hand und zog sie hoch.
„Ich muss mich vor dir schützen“, sagte sie abwehrend.
„Das machst du doch sehr gut.“
„Leider nicht.“
„Aber nicht heute Nacht“, flüsterte er weich. „Heute Nacht

kannst du bei mir sein.“

„Max, ich …“
„Hier sind doch nur wir beide, Cara. Zum ersten und vielleicht

auch zum letzten Mal ist es egal, was sich außerhalb dieser Mauern
abspielt.“

„Aber ich kann nicht …“
„Psst … Lass uns in dieser Nacht nur Cara und Max sein, zwei

Menschen, die sich begehren. Diese Situation wird in den nächsten
vier Jahren nicht wiederkehren.“

„In den nächsten acht Jahren“, korrigierte sie.
„Wenn Morrow wiedergewählt wird. Das ist ja noch schlimmer.“
„Nicht für Präsident Morrow.“
„Kann sein. Umso dringender muss ich dich jetzt küssen.“ Er

neigte den Kopf.

„Max“, protestierte sie leise.
Das ist kein Nein, sagte er sich, ganz bestimmt nicht.

Sowie Max ihren Mund berührte, war es um Cara geschehen. Sie
konnte nichts dagegen tun, sie kam ihm entgegen, schmiegte sich in
seine starken Arme und hatte das Gefühl, endlich wieder angekom-
men zu sein. Alles war so vertraut, sein Duft, der Druck seiner Lip-
pen und seine Hände auf ihrem Rücken, die sie an seinen sch-
lanken muskulösen Körper drückten.

85/171

background image

Nur kurz wollte sie das genießen, nur zehn Sekunden, zwanzig

Sekunden, dreißig Sekunden … Aber sie konnte sich nicht von ihm
lösen. In seinem Armen fühlte sie sich zu Hause, Max war ihre
große Schwäche, sie war hoffnungslos abhängig von ihm.

„Ich habe mich so nach dir gesehnt“, flüsterte er, während er den

Gürtel des Bademantels aufzog, das weiche Ding vor dem Kamin
ausbreitete und dann anfing, ihr die Bluse aufzuknöpfen, bis ihr
knapper Spitzen-BH zu sehen war.

Ohne nachzudenken griff sie auch nach seinen Hemdknöpfen.

Als sie ihm das Hemd von den Schultern schob, hielt er gespannt
den Atem an. Im Feuerschein waren die Narben auf seiner kräfti-
gen gebräunten Brust gut zu sehen. Als sie die längste mit dem
Finger nachzog, stieß er erregt den Atem aus.

„Tut das weh?“, fragte sie leise.
„Überhaupt nicht.“
Sie berührte eine andere Narbe. „War das das Krokodil?“
„Nein. Ein starker Ast bei einer unsanften Landung nach einem

Fallschirmabsprung.“ Er schob ihr die Hände unter die Brüste und
streichelte die weiche Haut. „Du bist so glatt, so makellos.“

„Ich springe ja auch nicht aus Flugzeugen ab.“ Sie legte ihm die

Hände auf die Schultern und hob ihm das Gesicht entgegen.

„Dir darf nie etwas passieren.“
Hm, was sollte sie dazu sagen? Also küsste sie ihn.
„Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas passiert.“ Er er-

widerte den Kuss voll Verlangen und schob ihr dabei die Bluse von
den Schultern. Dann hob er den Kopf, sah ihr tief in die Augen,
löste den BH-Verschluss und streifte ihr das kleine Spitzending ab,
was sie lächelnd geschehen ließ. Wieder nahm er sie in die Arme,
und sie strich ihm mit den Fingerspitzen über den starken Rücken,
während sie seine warme Haut mit den Lippen liebkoste, bis er
leise aufstöhnte.

Vorsichtig ließ er sie auf den weichen Bademantel nieder und

legte sich mit aufgestütztem Ellbogen neben sie. Mit dem

86/171

background image

Zeigefinger strich er ihr über die sanfte Halslinie, die Schultern und
dann über die Brüste bis zum Bauchnabel. „Wie kann man nur so
schön sein“, flüsterte er und umrundete wieder die harten rosa
Spitzen, sodass Cara von lustvollen Empfindungen überschwemmt
wurde und sich ihm unwillkürlich entgegenbog.

Als er sich vorbeugte und eine der Spitzen mit Lippen und Zunge

umschloss und vorsichtig reizte, schloss sie die Augen. Es war
Wahnsinn … Ihr Puls beschleunigte sich, und ihr Herz schlug
kräftig. „Max … oh, Max …“

Er lachte leise, öffnete den Reißverschluss ihrer Hose und streifte

sie ab. Cara wollte nach ihm greifen, ihn anfassen, doch er hielt ihre
Hand fest. „Nicht bewegen. Du bist so schön. Ich könnte dich die
ganze Nacht betrachten.“

Sie öffnete die Augen und sah ihn an. Mit ernstem Blick folgte er

seiner Hand, mit der er ihre Hüften liebkoste, dann ihr über die
flache Bauchdecke strich und kurz die Brustspitzen berührte. Er
hatte wunderschöne grüne Augen, ein ausgeprägtes Kinn und sens-
ible und doch männliche Lippen. Alle Frauen in Washington
schwärmten für ihn. Und doch sah er sie, Cara Cranshaw, beinahe
andächtig an.

Jetzt schob er die Finger unter das dünne Slipgummi, drang weit-

er vor und streichelte ihre empfindsame Haut. Unwillkürlich
drückte Cara sich gegen die Hand. „Küss mich“, stieß sie zwischen
den Zähnen hervor.

Er beugte sich vor, und sie öffnete bereits die Lippen, doch dann

spürte sie ihn wieder auf ihren Brüsten, wie er die aufgerichteten
Spitzen umspielte. Was für ein Gefühl … Ihr Körper stand in Flam-
men, sie warf den Kopf zurück und spreizte leicht die Schenkel. Sie
wollte, sie musste ihn dort spüren. „Max, bitte …“

Er lachte leise und dunkel, kam wieder hoch und küsste sie wild

und leidenschaftlich, während er ihr den Slip abstreifte, dann den
eigenen Reißverschluss aufzog und sich aus der Hose wand. Die
Boxershorts folgte.

87/171

background image

Und dann schob er sich auf sie, und ihn auf sich zu fühlen, seinen

kräftigen Körper in ganzer Länge zu spüren, ließ Cara schwindelig
werden vor Erregung. Sie spreizte die Beine weit. Komm zu mir …

Er stützte sich auf den Ellbogen ab und sah ihr tief in die Augen.

„Es gibt keine andere auf der ganzen Welt“, sagte er ernst. „Wirk-
lich keine.“ Er griff neben sich, holte ein Kondom aus der
Hosentasche und streifte es sich schnell über. Dann küsste er sie
wieder, während er in sie eindrang.

Sofort schlang sie ihm die Beine um die Hüften, überwältigt von

Glücksgefühlen. Er war hier, er war in ihr … Auch für sie gab es
keinen anderen. Unvorstellbar, dass irgendein anderer diese Em-
pfindungen in ihr hervorrufen könnte. So etwas erlebte man nur
einmal im Leben. Wenn überhaupt.

Die heutige Nacht war besonders. Heute Nacht gehörte Max ihr.

Sie legte ihm die Arme um den Hals und kam ihm entgegen, wieder
und wieder. Jegliches Gefühl für Raum und Zeit war ihr verloren
gegangen, während sie sich dem Rhythmus des geliebten Mannes
unterwarf. Als sie schon glaubte, es nicht mehr aushalten zu
können, spürte sie seine Hand an ihrem Po, die sie hochhob und
fest an ihn presste. Ja, das war es … „Oh, Max …!“ Er küsste sie hart
und fordernd, – und die Welt um sie herum schien zu explodieren.

Keuchend rang sie nach Luft. Auch Max atmete schwer, als er

sich vorsichtig mit ihr umdrehte, sodass sie jetzt auf ihm lag. „Das
war … das war …“, fing sie an, wusste aber nicht, wie sie den Satz
beenden sollte.

„Ja“, sagte Max und küsste sie auf die Nasenspitze. „Das war es

wirklich.“

Langsam färbten sich die Wolken rosa, als die Sonne aufging und
die verschneiten Berge hinter dem Haus sanft anstrahlte. In dem
großen Bett bemühte Max sich, gleichmäßig zu atmen, damit Cara
nicht aufwachte. Mit dem Kopf in seiner Armbeuge lag sie dicht an
ihn geschmiegt und schien fest zu schlafen.

88/171

background image

Unter der Bettdecke war es mollig warm. Das Haus aber schien

langsam auszukühlen, denn das Feuer im unteren Stockwerk war
schon lange ausgegangen. Die Kälte, das war die Realität. Sie kon-
nten sie für eine Zeit vertreiben, aber dann holte sie sie wieder ein.

Cara bewegte sich in seinen Armen, und sofort wurde die Erre-

gung in ihm wieder wach. „Ist es schon morgen?“, fragte sie mit
rauer verschlafener Stimme.

„Beinahe.“ Er küsste sie zärtlich auf den Nacken.
„Danke“, murmelte sie.
„Bitte.“ Er strich ihr mit den Lippen über den Hals.
„Für gestern Abend“, meinte sie und lachte leise.
„Umso besser.“
„Ich meine dafür, dass du hier warst. Für das Feuer, den Tee, den

Haferbrei. Dafür, dass du wusstest, was man macht und wie man es
macht.“

„Das höre ich oft.“ Lächelnd strich er ihr über den flachen Bauch.

„Was man macht…“, er legte ihr eine Hand auf eine der Brüste,
„und wie man es macht.“

Sie hielt lachend seine Hand fest. „Ich wollte damit doch nur

sagen, dass du mich wie der Prinz aus dem Märchen gerettet hast.“

„Dann warst du die verzweifelte Jungfrau? Gefällt mir extrem

gut.“

„Nun übertreiben Sie nicht, Sir Max.“ Sie drehte sich auf den

Rücken, und er sah ihr tief in die Augen.

„Nein, Sie haben meine Erwartungen weit übertroffen, edle

Cara.“

Sie schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen, um

nicht loszulachen.

„Bitte, sagen Sie doch wieder Sir Max zu mir“, flehte er.
Sie stieß ihn kurz in die Seite, und er nahm sie lachend in die

Arme und drehte sich mit ihr um, sodass sie wieder auf ihm lag.
„Kannst du nicht ernst sein?“, schmollte sie.

89/171

background image

„Oh, doch.“ Sofort machte er eine ernste Miene, doch dann legte

er ihr die Hände ums Gesicht und küsste sie. Erst wollte sie sich
wehren, doch dann konnte sie nicht anders, sie überließ sich ihrem
Verlangen und erwiderte seinen Kuss. Als habe sie keine Kraft in
den Gliedern, lag sie auf ihm wie hingegossen und genoss die
Wärme und die Erregung ihrer beider Körper.

Sehr bald merkte sie, dass er hart und bereit war, dass er sie

kräftiger und hastiger streichelte und versuchte, eine Hand zwis-
chen ihre Schenkel zu schieben. Sie richtete sich stöhnend auf.

Sofort hielt er in der Bewegung inne. „Zu schnell?“
„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das heißt, ja.“
Geduld, Max, Geduld. Sie sollte nichts tun, was sie nicht wirklich

wollte. Aber er war so erregt, dass er nicht sehr viel länger warten
konnte. Denn sie war heiß und feucht und so süß, wie sollte er da
Geduld aufbringen?

Schließlich zog sie sich leicht zurück. „Max?“
„Ja?“
„Du musst mir etwas versprechen.“
Alles, was du willst … „Und was?“
„Es ist …“
Die Hand immer noch zwischen ihren heißen Schenkeln drang er

etwas weiter mit den Fingern vor, und Cara holte keuchend Luft.

„Ist es gut oder schlecht?“
Sie schloss die Augen, befeuchtete sich kurz die Lippen und

drückte sich gegen seine Hand.

Wohl gut … Er kam hoch und küsste sie, legte ihr dann den freien

Arm um den Rücken und zog sie auf sich herunter. Jeglichen
Gedanken schob er beiseite, war nur noch Körper und Begierde.
Hastig drehte er sich wieder mit ihr um und schob ihr ein Knie
zwischen die gespreizten Schenkel, während er sich vorbeugte und
sie leidenschaftlich küsste, sie dann wieder überall streichelte, ihre
Brüste liebkoste, an den harten Spitzen saugte … Er war wie im
Rausch.

90/171

background image

Und auch Cara konnte die Hände nicht ruhig halten, streichelte

ihn überall, und als sie ihn, hart und heiß und glatt wie er war, mit
beiden Händen fest umfasste und ihn in sich eintauchen ließ, stöh-
nte Max tief auf. „Kondom …!“

Doch sie ließ ihn immer wieder spielerisch zu sich kommen, nicht

ganz, aber beinahe. „Ist schon in Ordnung so. Keine Sorge.“ Dann
öffnete sie sich ihm weit, und Max konnte nicht anders, er war mit
einem einzigen Stoß in ihr. Langsam, nur nicht zu schnell … doch er
konnte sich nicht zurückhalten, nicht, wenn Cara ihm leise an-
feuernde Worte ins Ohr flüsterte und sie sich so unglaublich gut
anfühlte.

Ihre Körper passten einfach ideal zusammen. Wieder und wieder

stieß er vor, und sie kam ihm entgegen, nahm ihn tief auf, bot sich
ihm dar, bis er den Höhepunkt nicht mehr zurückhalten konnte –
und kam.

„Oh, Cara …“ Keuchend presste er sie fest an sich und spürte, wie

sich ihr Körper kurz versteifte, während ihre Muskeln sich um ihn
schlossen und sie dann schwer atmend zurücksank.

Auch Max atmete keuchend, seine Glieder zitterten kraftlos, als

er mit seinem ganzen Gewicht auf Cara lag. Hatte er immer so lange
gebraucht, sich vom Sex zu erholen? Vielleicht wurde er alt …

„Max?“, flüsterte sie ihm ins Ohr.
„Bin ich zu schwer?“
„Nein. Aber beweg dich nicht.“
„Okay.“
„Du fühlst dich gut an.“
„Und ich fühle mich fantastisch.“ Als wenn er Glücksdrogen gen-

ommen hätte.

„Du musst mir etwas versprechen.“
Richtig, dabei waren sie unterbrochen worden. Wenn sie jetzt

wieder darauf zurückkam, musste es etwas Wichtiges sein. „Was
den Präsidenten betrifft?“

„Nein, es geht um mich.“

91/171

background image

„Es geht um dich?“ Max stützte sich auf den immer noch etwas

wackligen Armen ab. „Dir verspreche ich alles.“ Das war sein voller
Ernst. Wenn er Cara in irgendeiner Form helfen konnte, würde er
Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit das geschah, was sie
wollte.

Sie wandte den Blick ab. „Wenn sie kommen, ich meine, wenn

wir gerettet werden und wieder nach Washington zurückkehren
können …“

„Ich werde niemandem etwas sagen“, versprach er sofort. Was

hier zwischen ihnen geschehen war, ging niemanden etwas an. Es
hatte keinerlei Auswirkung auf ihr berufliches Leben und schadete
keinem.

„Das ist es nicht, nicht nur. Ich möchte, dass du Abstand von mir

hältst.“

Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Aber er hatte nichts anderes

erwartet. Denn sie waren nun einmal unterschiedlicher Meinung,
ob sie ihr Verhältnis aufrechterhalten könnten, solange Morrow im
Amt war und Cara für ihn arbeitete. Und die letzte Nacht hatte an
Caras Einstellung sicher nichts geändert.

„Ich kann mir vorstellen, was in dir vorgeht“, begann er, doch sie

legte ihm schnell einen Finger auf die Lippen. „Es ist mein voller
Ernst, Max. Wir dürfen uns nicht wiedersehen, denn ich bin nicht
stark genug. Ich kann dir nicht widerstehen, wenn du es darauf an-
legst. Und das darf nicht sein.“

„Aber wir können doch wenigstens Freunde sein.“
Sie warf einen Blick auf ihre nackten Körper. „Wir können nicht

nur Freunde sein, Max.“

Ihm war, als habe ihm jemand einen Schlag in den Magen verset-

zt. Keinesfalls konnte er ihr versprechen, vier Jahre auf sie zu
warten. Aber dass er nicht auf sie warten würde, konnte er auch
nicht sagen. Er wusste nicht, wie sich das Ganze weiterentwickeln
würde. Aber das wusste sie auch nicht. Andererseits konnten sie
doch nicht einfach so auseinandergehen.

92/171

background image

„Versprich mir“, jetzt sah sie ihn wieder an, „dass du nicht ein-

fach so bei mir im Apartment vorbeikommst, dass du mich bei ge-
meinsamen Veranstaltungen nicht ansprichst. Und dass du nicht
mehr deine Uhr bei mir vergisst.“

„Nein, das kann ich nicht versprechen.“ Das kam gar nicht in-

frage. Sie hatte ihre Sicht der Dinge. Aber er hatte seine. Und den-
noch, als er sah, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen, fühlte er
sich mies. „Bitte, Cara, lass es mich doch versuchen. Vielleicht
können wir einfach Freunde sein.“

Sie versuchte vergeblich, die Tränen zurückzuhalten. „Wenn du

es versuchst, habe ich darunter zu leiden.“

„Aber ich werde dir nie wehtun, Cara, ganz bestimmt nicht. Ich

schwöre es.“

„Nein.“ Energisch wischte sie sich mit dem Handrücken die

Tränen ab. „Du musst dich von mir fernhalten. Wenn ich dir nur
ein bisschen was bedeute, musst du Abstand wahren.“

Ihm war, als würde sein Herz zu Eis. Er hatte geschworen, er

würde alles für Cara tun. Und wenn sie verlangte, dass sie sich nicht
mehr wiedersahen, dann musste er das tun. Um ihretwillen. Auch
wenn es ihn umbrachte.

93/171

background image

7. KAPITEL

Am späten Vormittag kamen dann schließlich die Rettungs-
fahrzeuge. Cara hatte sich einen Skihelm aufgesetzt und einen Schal
umgebunden, sodass sie nicht zu erkennen war. Aber ihre Sorge
war unbegründet gewesen. Die Einwohner von Fields hatten an-
deres zu tun als sich um sie zu kümmern. Ein paar Leute erkannten
zwar Max, aber zu dem Zeitpunkt war Cara bereits auf der anderen
Seite des Parkplatzes, sodass keiner sie mit Max in Verbindung
brachte.

Glücklicherweise hatte es keine Toten gegeben. Diejenigen mit

leichten Verletzungen wurden in das kleine Krankenhaus von
Fields gebracht, die etwas komplizierteren Fälle in die nächst
größere Stadt.

Cara und Gillian trafen sich in der Hotellobby. Jake war mit Max

losgefahren, um einen Fernsehbericht über die Lawine zu machen.
Da Cara in Washington bereits sehnsüchtig erwartet wurde, pack-
ten die beiden Frauen ihre Sachen zusammen und fuhren zum
Flugplatz.

Im Grunde gab es keinen Grund mehr, in Fields zu bleiben. Aber

als Cara die Stufen zu dem kleinen Jet hochstieg, hatte sie irgend-
wie das Gefühl, dass sie etwas sehr Kostbares zurückließ. Allerdings
war ihr bewusst, dass ihr Herz ihr da einen Streich spielte. Denn
was sie in Fields zurückließ, war ihr Wunsch nach einem Familien-
leben mit Max als idealem Ehemann und Vater. Die Wirklichkeit
sah anders aus, und es wurde Zeit, dass sie die Realität akzeptierte.

Gebückt ging sie durch die niedrige Tür und war überrascht, wie

luxuriös der Jet eingerichtet war. Die zwölf bequemen Sitze waren
mit weißem Leder bezogen und standen sich immer paarweise ge-
genüber, durch einen kleinen polierten Holztisch getrennt. Sie

background image

setzte sich in einen der weichen Sitze in der vorderen Hälfte der
Kabine. Der Copilot hatte ihr bereits das Gepäck abgenommen.

Verblüfft sah sie die Schwester an, die noch im Gang stand. „Hast

du dich in eine Milliardärin verwandelt, als ich gerade mal nicht
geguckt habe?“

„Nein.“ Gillian lachte. „So weit ist es noch nicht.“ Sie drehte sich

um und wechselte ein paar Worte mit dem Piloten, bevor sie sich
der Schwester gegenübersetzte.

„Noch nicht?“ Cara sah sie neugierig an. „Was heißt das?“
„Eines Tages vielleicht. Das hängt davon ab, wie die Geschäfte in

Indien laufen.“

Die Tür schloss sich, und die Maschine bewegte sich in

Startposition.

„Macht es dich nicht manchmal nervös, wenn du an dein

Geschäft und seine Möglichkeiten denkst?“ Cara bewunderte ihre
Schwester sehr.

„Macht es dich nicht manchmal nervös, wenn du in einem Raum

mit dem Präsidenten bist?“, stellte Gillian die Gegenfrage.

„Ja“, sagte Cara ehrlich.
„Aber das hält dich nicht davon ab, deinen Job zu machen.“
„Nein, wohl nicht.“
Gillian öffnete eine kleine Box, die neben ihrem Sitz eingelassen

war, und holte eine eisgekühlte Flasche Wasser heraus. „Wie kamen
wir eigentlich auf dieses Thema?“

„Weil wir hier in einem irrsinnig teuren Jet sitzen und unver-

schämt verwöhnt werden.“

Gillian schnallte sich an und hob dann die Flasche. „Hast du

Durst?“

„Eigentlich nicht.“ Auch Cara schnallte sich an, während der Jet

an Geschwindigkeit zunahm.

Gillian schraubte den Deckel der Flasche ab. „Wir sollten uns

lieber über Max unterhalten.“

95/171

background image

„Ich möchte nicht über Max reden.“ Cara wandte sich ab und

nahm nun doch eine Flasche Wasser aus ihrer kleinen Seitenbox,
weniger weil sie Durst hatte, sondern um etwas zu tun zu haben.

Gillian lehnte sich zurück und trank einen Schluck. „Was war das

für ein Bums mitten in der Nacht?“

„Meinst du die Lawine?“
„Was denn sonst? Oder bist du etwa deinen Vorsätzen untreu

geworden?“

„Was für Vorsätzen?“, fragte Cara, obgleich sie genau wusste, was

Gillian meinte. Sie hob die Flasche an den Mund.

„Na, nichts mit Max Gray anzufangen.“
Cara verschluckte sich und hustete.
„Ist das ein Geständnis?“ Gillian lachte.
„Eher eine Schockreaktion auf deine unverschämte Frage.“
„Na, Schwesterchen, so schlimm war das doch auch wieder

nicht.“ Immer noch gluckste Gillian vergnügt vor sich hin. „Aber du
hast es getan, was? Du hast mit ihm geschlafen?“

„Ja“, gab Cara zu. „Und daran bist nur du schuld. Ich möchte

nicht darüber reden.“

„Warum denn nicht?“
„Weil ich mir alle Mühe gebe, nicht daran zu denken.“
„Und? Klappt es?“
„Nein, nicht besonders gut.“
Jetzt wurde Gillian ernst. „Es tut mir leid, dass ich dich allein

gelassen habe“, sagte sie mit weicher Stimme.

„Aber warum bist du eigentlich mit Jake weggefahren?“, fragte

Cara. Gillian musste doch gewusst haben, wie schwer es ihr fiel,
Max zu widerstehen.

„Ich hatte wirklich Hunger“, gab Gillian zu. „Und Jake machte

einen netten Eindruck. Mit der Konferenzschaltung hatte ich natür-
lich nicht gerechnet. Und erst recht nicht mit der Lawine.“

„Dann hast du vorgehabt, zurück zu sein, bevor Max mich ver-

führen könnte?“

96/171

background image

„Ja. Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, dass ihr zwei so-

fort ins Schlafzimmer stürzt, sowie wir aus der Tür sind.“

„So war es auch nicht!“
„Nein?“
„Ich habe ziemlich lange durchgehalten. Aber er hat praktisch

mein Leben gerettet. Das heißt, er hätte es gerettet, wenn die Law-
ine das Haus direkt getroffen hätte.“ Immer noch zitterte Cara bei
der Erinnerung an diesen Moment. Sie war sicher gewesen, dass sie
sterben müssten. Gleichzeitig war ihr bewusst gewesen, dass Max
auf ihr lag, um sie mit seinem Körper zu schützen.

Inzwischen hatte der Jet sich in die Luft erhoben und umflog in

großem Bogen die Bergspitzen.

„Und wie ist es dann dazu gekommen?“, fragte Gillian.
Cara lachte etwas verlegen. „Du willst es wohl ganz genau

wissen.“

„Selbstverständlich. Wir haben doch nie etwas voreinander

verheimlicht.“

Das stimmte. „Also, was willst du wissen? Welche Stellungen wir

ausprobiert haben und was er mir ins Ohr flüsterte?“

Gillian lachte laut los. „Nein, nicht so detailliert. Ich möchte wis-

sen, was du in dem Augenblick dachtest, bevor du Ja sagtest und
ihm in die Arme gefallen bist.“

„Nein, nein, nein!“
„Das scheint aber nicht sehr gut gewirkt zu haben.“
„Ich hatte mir die Gründe dafür, ihn nicht berühren zu wollen,

genau im Kopf zurechtgelegt.“

„Und?“
„Er sagte mir, ich solle nicht so viel nachdenken.“
„Und dann?“
„Hat er mich geküsst.“
„Einfach so?“
„Einfach so. Als Nächstes fiel mir auf, dass ich nackt war.“

97/171

background image

Wieder musste Gillian lachen. „Entschuldige. Ich weiß, es ist

nicht komisch. Aber die Vorstellung, dass meine beherrschte, logis-
che und disziplinierte Schwester einer unpassenden Leidenschaft
nachgeben musste, ist einfach wunderbar.“

Cara warf ihr einen scharfen Blick zu. „Ich fand es gar nicht wun-

derbar“, log sie.

„War es denn nicht gut?“ Gillian war ernst geworden.
„Doch.“
„Richtig gut?“
„Fantastisch.“ Noch jetzt kribbelte Cara die Haut, wenn sie daran

dachte. Max musste der beste Liebhaber der Welt sein, und in sein-
en Armen zu liegen war das Paradies.

„Und nun?“
„Nichts nun. Es ist vorbei.“
„Vorbei? Du hast dich von ihm getrennt?“
„Das war nicht nötig. Wir waren ja nie richtig zusammen. Er hat

mir allerdings das Versprechen geben müssen, mich in Ruhe zu
lassen und Abstand zu halten. Und da Max ein Mann mit Prinzipien
ist, wird er sein Wort halten.“

Gillian runzelte die Stirn. „Hältst du das für klug?“
„Es war genial.“ Denn auf Max konnte sie sich eher verlassen als

auf sich selbst.

„Na gut, wenn du meinst. Aber was wirst du machen, wenn du

deine Schwangerschaft nicht mehr verheimlichen kannst? In Wash-
ington spricht sich doch alles herum, und so wird auch Max davon
erfahren.“

„Dazu habe ich mir schon was überlegt.“ Schluss jetzt mit dem

Nachdenken und Reden über Max. Sie musste an sich und das Baby
denken.

„Was denn?“ Gillian sah sie neugierig an.
„Ich werde mich um eine Auslandsstelle bewerben. An den US-

Botschaften im Ausland braucht man immer PR-Leute. Vielleicht

98/171

background image

gehe ich nach Kanada oder Australien oder England. Irgendwo ist
sicher was frei.“

„Wird die Pressestelle im Weißen Haus dich denn gehen lassen?“
„Ich hoffe es. Zumindest habe ich eine gute Chance.“
„Und wenn nicht?“
„Sie werden es tun, ganz bestimmt.“
„Aber, Cara …“
„Ich brauche keinen Plan B, C oder D. Ich bin schließlich nicht

du.“

„Und ich bin nicht schwanger“, konterte Gillian.
„Das war gemein!“
„Aber, Schwesterchen, ich will damit doch nur sagen, dass du auf

alles vorbereitet sein musst. Und, ja, du solltest einen Plan B oder C
haben, auch wenn du anders bist als ich. In deinem Fall würde ich
dir unbedingt raten, Max möglichst bald beizubringen, dass er nicht
der einzige Mann ist, mit dem du im Bett warst. Und das musst du
tun, bevor irgendjemand auch nur den Verdacht haben könnte, du
seist schwanger.“

„Du meinst, ich soll ihn einfach anrufen und mit dieser Lüge kon-

frontieren?“ Das war einfach lächerlich, das könnte sie nie tun.

„Na ja, ein bisschen geschickter musst du es schon anstellen.“
„Das nimmt er mir nie ab.“
„Woher soll er wissen, dass du lügst?“
„Das würde er sofort an meiner Stimme hören. Oder mir anse-

hen, wenn ich es ihm ins Gesicht sage.“

„Hm.“ Gillian überlegte. „Okay, dann mache ich es für dich.“
Cara lächelte leicht zynisch. „Das kann ich deiner schwester-

lichen Liebe nun wirklich nicht zumuten.“

„Ich würde alles für dich tun.“
„Du würdest Max sagen, dass ich mit anderen Männern gesch-

lafen habe?“

99/171

background image

„Aber nein.“ Gillian schüttelte den Kopf. „So plump würde ich

doch nicht vorgehen. Max würde ich gar nichts sagen. Aber ich
würde Jake gegenüber Andeutungen machen.“

„Jake? Warum denn ausgerechnet Jake?“
„Er mag mich“, meinte Gillian lächelnd. „Zumindest ist er an mir

interessiert. Er hat eindeutig mit mir geflirtet.“

„Allerdings.“ Das war Cara auch nicht entgangen. „Und du

meinst nicht, dass es etwas merkwürdig aussieht, wenn du ihn an-
rufst und mit ihm über mein Sexleben sprichst?“

„Ich muss ihn nicht anrufen, er wird mich anrufen.“
„Wieso denn? Moment mal … Hast du mit ihm geschlafen?“
„Nein.“ Gillian tat empört. „Ich habe nicht mit Jake geschlafen.

Ich habe den Mann doch gerade erst kennengelernt.“

„Aber er hat doch letzte Nacht bei dir in der Hotelsuite

übernachtet.“

„Wo hätte er denn sonst bleiben sollen? Die Hotels waren total

überfüllt, und seine kleine Villa war von der Lawine zerstört.“

Cara zog zweifelnd eine Augenbraue hoch.
„Nun hör mir mal gut zu, Schwesterchen.“ Gillian drohte ihr

lächelnd mit dem Zeigefinger. „Es war eine große Suite, und ich
habe mich korrekt verhalten.“

„Findest du ihn nett?“
„Er ist irgendwie süß und witzig. Außerdem hat er einen guten

Sinn für Ironie. Mein Geld schien ihn überhaupt nicht zu in-
teressieren, er hat es wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Und das ist
mir schon lange nicht mehr passiert.“

„Du meinst, ihm ist nicht aufgefallen, dass du in einer Suite

wohnst, die dreitausend Dollar die Nacht kostet?“

„Und wenn, hat er nichts dazu gesagt. Aber nun wieder zu dir. Ich

brauche Jake gegenüber nur zu erwähnen, dass ich in Washington
bin. Dann wird er mich zum Drink einladen – und voilà!“

„Voilà? Zwischen zwei Martinis bringst du das Gespräch mal so

eben auf das Sexleben deiner Schwester?“

100/171

background image

Gillian nickte stolz. „Ja, das ist ganz einfach.“
„Nein.“
„Aber du brauchst gar nichts zu tun.“
„Nein.“
„Bist du da ganz sicher?“
„Absolut.“ Irgendwie schon. Vielleicht. Sie musste zugeben, dass

es etwas für sich hatte, wenn Max glaubte, jemand anderer sei der
Vater. Aber die Vorstellung, er könne glauben, sie habe ihn betro-
gen, war ihr schrecklich. Andererseits war Betrug vielleicht ein zu
starkes Wort. Sie waren ja nicht im eigentlichen Sinn eng befreun-
det gewesen. Vielleicht war es für Max gar nicht so abwegig, dass
sie auch mit anderen Männern im Bett war. Wie er vielleicht auch
mit anderen Frauen …

Schon der Gedanke tat weh. Sie wusste, sie durfte so nicht em-

pfinden, aber sie tat es. Denn sie liebte ihn.

„Dein Instinkt für das, was ankommt, ist dir wohl vollkommen
abhanden gekommen.“ Max’ frühere Chefin Marnie Salloway
drückte auf die Fernbedienung, und der Bildschirm wurde dunkel.
Offenbar gefiel ihr der Ausschnitt aus dem Video über die Lawine in
Fields nicht. Max hatte vor vielen Jahren mit ihr zusam-
mengearbeitet. Da war sie Produktionsassistentin gewesen, und
Max kam frisch vom College.

Jetzt hatte er schon jahrelang nichts mehr mit ihr zu tun gehabt,

war aber ihrer Einladung, die mehr eine Vorladung war, gefolgt,
weil er ihr von Angesicht zu Angesicht ein paar Fragen stellen woll-
te. „Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, sagte er ruhig und
wandte sich ihr zu.

„Wie du da so brav den Kindern Unterricht im Snowboarden

gibst, siehst du aus wie der typische harmlose amerikanische
Mann.“

„Das glaube ich kaum“, sagte Max leise und lächelte leicht.
„Leider aber siehst du trotzdem verdammt gut aus.“

101/171

background image

„Flirtest du mit mir?“ Marnie war mindestens zehn Jahre älter

als Max. Früher schon war sie hinter ihm her gewesen, und er hatte
keine Lust, wieder in diese Situation zu kommen. Außerdem wollte
er sie mit Dingen konfrontieren, die ihr sehr unangenehm sein kön-
nten. Wenn Liam Fisher recht hatte und der ANS auf mehr oder
weniger illegale Weise an die Informationen gekommen war, die
dann zu dem Skandal um Ariella Winthrop geführt hatten, sah es
nicht gut aus für Marnie. Denn sie steckte mittendrin.

„Aber keineswegs“, säuselte sie, „ich bitte dich! Ich sage lediglich,

was wir beide wissen. Du bist ein sehr berühmter Reporter, Max.
Ich glaube aber, dass du bei NCN nicht mehr weiterkommst. Dass
du erreicht hast, was du dort erreichen kannst. Hast du nicht Lust,
für einen erfolgreichen Sender zu arbeiten?“

„NCN ist ein erfolgreicher Sender.“
„Nicht nach den letzten Quoten. Deine Sendung läuft allerdings

immer noch sehr gut.“

„Und etwas anderes interessiert mich eigentlich nicht.“
Marnie beugte sich vor und legte die Hände mit den feuerroten

Nägeln auf den Tisch. „Ich rede nicht davon, wie deine Sendung
momentan dasteht. Ich rede davon, was du alles hier bei uns
machen könntest. Wir haben mehr Geld, könnten dir ein größeres
Budget zur Verfügung stellen. Wir haben mehr Zuschauer. Even-
tuell könntest du bei uns auch als Produzent arbeiten. Denk doch
mal darüber nach, Max. Du hättest Einfluss auf die Redaktion dein-
er Sendungen.“

„Ich bin mit meinem Budget und der Redaktion sehr zufrieden.“
Sie legte kokett den Kopf zur Seite und sah Max mit einem wis-

senden Lächeln an. „Soll ich das Ganze noch ein bisschen interess-
anter für dich machen?“

Max schwieg und sah sie nur fragend an. Er war gespannt, wie

weit sie gehen würde.

„Ich habe noch jede Menge Storys in der Schublade, saftige St-

orys, von denen niemand etwas weiß.“

102/171

background image

„So? Das interessiert mich. Wieso kommt der ANS an solche

Sachen und andere nicht?“

„Wir haben eben besonders effektive Methoden bei unseren

Nachforschungen.“

„Seid ihr so auch an die Story von Ariella Winthrop gekommen,

Marnie? Wie habt ihr das gemacht?“

Sie lehnte sich zurück und sah ihn misstrauisch an.
Offenbar hatte sie Verdacht geschöpft. „Wie kann ich sicher sein,

dass ihr noch mehr herauskriegt?“, fragte er, um sich selbst wieder
ins Spiel zu bringen.

Sie zögerte. „Soll das heißen, dass du bereit bist, den Arbeitgeber

zu wechseln?“

„Ich bin bereit, darüber nachzudenken. Also, wie würdet ihr das

anstellen?“

„Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Sie lächelte geheimnisvoll,

aber auch stolz und triumphierend. Max war absolut sicher, dass
der ANS mit unsauberen Methoden arbeitete und dass Marnie
dahintersteckte.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte. „Jeder hat

mal Glück.“

„Der ANS hat sehr häufig Glück.“
„Und von diesem Glück könnte ich auch profitieren?“
„Selbstverständlich.“
Max schwieg. Ihm war klar, dass er heute nicht mehr aus Marnie

herauskriegen würde. „Kann ich ein paar Tage Bedenkzeit haben?“,
fragte er dann und lächelte treuherzig.

Doch Marnie war damit nicht zu beschwichtigen. Sie blieb mis-

strauisch. „Aber warte mit deiner Antwort nicht zu lange.“

Er erhob sich. „Danke, dass du mir Gelegenheit zu diesem Ge-

spräch gegeben hast, Marnie.“

Auch sie stand auf. „Danke, dass du an ANS denkst.“
„Ich denke doch immer an dich, Marnie.“

103/171

background image

Sie lächelte, und er war sicher, dass sie die Ironie nicht ver-

standen hatte. Glücklicherweise. Es war dumm und überheblich
gewesen, so etwas zu sagen.

Er verließ den Konferenzraum, fuhr mit dem Fahrstuhl in die

Lobby. Jake wartete zwei Straßen weiter in einem Café auf ihn. Auf
dem Weg dahin klingelte sein Handy. Es war seine Chefin und
Produzentin bei NCN, Nadine Clarke. „Hallo, Nadine.“

„Ich habe gehört, du hast dich mit Marnie Salloway getroffen. Ist

da was dran?“

„Du machst wohl Witze!“ Unwillkürlich warf er einen Blick

zurück auf das Gebäude von ANS. „Das war doch gerade erst vor
drei Minuten.“

„Na und? Wir sind ein Nachrichtensender. Ich habe so meine

Quellen.“

„Ich bin beeindruckt.“ Es war später Nachmittag, und die Sonne

war bereits hinter den hohen Bürogebäuden verschwunden. Es war
kalt.

„Habe ich Grund, mir Sorgen zu machen?“, fragte Nadine.
„Nein, überhaupt nicht.“
„Gut.“ Sie klang sehr sachlich. „Du musst deine Sachen für Los

Angeles packen. Der Präsident nimmt dort an der Konferenz der
pazifischen Randstaaten teil, die in wenigen Tagen beginnt. Und ich
möchte, dass du an dieser Ariella-Story dranbleibst. Wir werden et-
was aus Los Angeles bringen, die Einzelheiten stehen noch nicht
fest.“

„Darüber möchte ich noch mit dir reden.“ Max überquerte die

Straße. „Ich bin nicht sicher, ob der Präsident die besten Schlagzei-
len abgibt.“

„Ach nein…?“
Max kannte diesen gelangweilten lang gezogenen Tonfall. Nadine

hatte sich bereits eine Meinung gebildet und war nicht bereit, dav-
on abzugehen.

104/171

background image

Doch er ließ nicht locker. „Ich glaube, viel interessanter ist es

herauszufinden, wie der ANS an diese Geschichte gekommen ist.“

„Und ich glaube, wir sollten herausfinden, wie der NCN diese St-

ory zum Ende bringt. Und da ich die Produzentin bin, wollen wir es
doch auf meine Art und Weise versuchen, ja?“

„Und du möchtest gar nicht wissen, woher mein Verdacht

stammt?“

„Nicht jetzt, Max. Du hast mich schon beschwatzt, Liam einzus-

tellen. Ich vermute, dass er uns bald Näheres über ANS erzählen
wird.“

„Liam kann das nicht allein.“
„Momentan macht er einen ganz munteren Eindruck. Und du

kannst mir mehr erzählen, wenn du aus Los Angeles wieder zurück
bist.“

„Okay, Boss.“ Max grinste.
„So ist’s recht.“ Kurze Pause. „Es sei denn“, fing sie wieder an,

„du denkst wirklich daran, zum ANS überzuwechseln. In diesem
Fall lade ich dich zum Dinner ein, damit ich deinem Ego
schmeicheln und dir eine Gehaltserhöhung anbieten kann.“

„Das ist nicht nötig.“
„Umso besser. Dein Flug geht um neun.“ Klick.

Das Telefon an das linke Ohr gepresst machte Lynn Cara
Handzeichen, dass sie hereinkommen sollte. „Ohne neue Fakten ist
es nicht leicht, sie vom Spekulieren abzuhalten“, sagte Lynn in den
Hörer.

Caras Kollegin Sandy kam mit ihr ins Büro und legte einen Stapel

Papiere auf Lynns Schreibtisch. „The Morning News, The Night
Show, Hello Virginia, alle wollen den Präsidenten interviewen“,
sagte sie seufzend.

Lynn hielt das Mikrofon zu. „Keiner spricht mit dem

Präsidenten.“

105/171

background image

„Hello Virginia hat versprochen, nett zu sein und dem Präsiden-

ten Gelegenheit zu geben, seine Sicht der Dinge darzustellen.“

„Nein, Barry“, sagte Lynn wieder in den Hörer. Sie presste kurz

die Lippen zusammen. „Weil ich nicht zaubern kann, deshalb.“
Genervt schüttelte sie den Telefonhörer, bevor sie ihn wieder ans
Ohr presste. „Ja, tun Sie das. Und ich will wissen, was er gesagt
hat.“ Sie knallte den Hörer auf den Apparat.

„Von wegen, dass sie den Präsidenten zu Wort kommen lassen.

Niemals!“, sagte sie zu Sandy, die erschreckt zusammenzuckte.

Cara gab ihr recht. Hello Virginia würde den Präsidenten mit den

widerlichsten Fragen quälen. Doch dann fuhr auch sie leicht
zusammen, als Lynn sich plötzlich an sie wandte.

„Cara, wir brauchen dich auf dem Trip.“
Cara wandte sich zu ihr um. „Was für ein Trip?“
„Nach Los Angeles. Zur Konferenz der pazifischen Randstaaten.“
„Wieso? Fliegst du nicht selbst?“ Cara fing gerade noch Sandys

verärgerten Blick auf, als sie den Raum verließ. Wahrscheinlich war
sie eifersüchtig, weil das ein ziemlicher Vertrauensbeweis war. Und
wenn schon, Sandy musste sich damit abfinden. Barry und Lynn
machten die Einsatzpläne.

„Nein, Barry will, dass ich hierbleibe“, sagte Lynn. „Außerdem

war er beeindruckt, wie du die Katastrophe auf dem Ball gehandh-
abt hast.“

„Ich habe nur getan, was du mir beigebracht hast.“ Cara setzte

sich. Sie bewunderte Lynn für ihre Fähigkeit, mit den schwierigsten
Situationen umzugehen. Lynn war manchmal etwas kurz ange-
bunden und beinahe unfreundlich, aber sie war unglaublich intelli-
gent und konnte sehr charmant sein.

„Wie dem auch sei, du bist Barry positiv aufgefallen, und er hat

das auch dem Präsidenten gesagt.“

„Wirklich?“ Cara riss die Augen auf.
„Ja. Nun tu nicht so schockiert.“ Lynn tippte etwas in ihren

Laptop. „Du musst ein paar Tage vor der Konferenz nach Los

106/171

background image

Angeles fliegen. Am besten wäre schon morgen. Der übliche Beg-
leittross wie Sicherheitsdienst und so ist schon da.“

„Okay.“
„Ich maile dir die Tagungsabfolge. Die Reden des Präsidenten

werden gerade überarbeitet, aber wir müssen darauf gefasst sein,
dass unvorhergesehene Fragen kommen, auf die wir vorbereitet
sein sollten. Barry wird versuchen, den Präsidenten von der Presse
fernzuhalten, aber irgendjemand hält ihm dann doch irgendwo ein
Mikro ins Gesicht.“

„Okay.“ Cara machte sich ein paar Notizen.
„Gut, dann bist du für die Antworten auf die informellen Fragen

zuständig.“

„Was?“ Sie starrte Lynn fassungslos an.
„Wir können das nicht dem Präsidenten überlassen.“
„Aber …“
„Keine Sorge, du kannst das.“
„Aber ich habe noch nie etwas spontan gesagt, ohne es vorher

aufgeschrieben zu haben.“

„Und wie nennst du das, was du an diesem verdammten Abend

auf dem Ball gemacht hast?“

„Das war ja auch ein Notfall.“
„Auf den du ganz spontan reagiert hast.“
„Ich bin sehr geschmeichelt, natürlich, aber …“ Cara hatte

eiskalte Hände vor Aufregung.

Lynn legte die Arme auf den Schreibtisch und sah Cara ernst an.

„Dies ist eine einmalige Gelegenheit.“

„Und wenn ich das Ganze nun verpatze?“
„Würde ich dir diese Aufgabe übergeben, wenn ich der Meinung

wäre, dass du sie nicht erfüllen kannst?“

Als Cara zögerte, antwortete Lynn selbst. „Nein, ich würde es

nicht tun.“

„Aber …?“
„Traust du meinem Urteil nicht?“

107/171

background image

„Doch, natürlich.“
„Gut. Der Präsident möchte, dass du mit nach Los Angeles

kommst. Barry vertraut dir und ich auch. Also mach dich nicht
verrückt.“

„Nein.“ Cara stand auf.
„Und nimm etwas Elegantes zum Anziehen mit. Da gibt es sicher

ein paar Partys.“

108/171

background image

8. KAPITEL

Für Januar war es ungewöhnlich warm in Los Angeles. Schon mor-
gens kurz vor sieben war Cara so heiß, dass sie beim Joggen am
Strand von Santa Monica ihr Sweatshirt auszog. Sie band es sich
um die Hüften. Der frische Wind, der vom Meer kam, kühlte an-
genehm die nackten Arme, und so lief sie mit frischer Kraft weiter.

Wie der ganze Begleittross des Präsidenten war auch sie in dem

Jade Bay Hotel untergebracht, in dem auch der Wirtschaftsgipfel
stattfinden würde. Der Präsident sollte an drei Mittagessen, zwei
Dinners und dem Empfang teilnehmen, der nach dem Schlusskom-
muniqué der Teilnehmer stattfinden würde.

Caras Handy meldete sich. Sie zog es aus der Tasche. Die Num-

mer auf dem Display kannte sie nicht. „Hallo …“, stieß sie keuchend
hervor.

„Cara?“
„Ari …“ Sie hielt schnell inne, um Ariellas vollen Namen nicht zu

nennen.

„Ja, ich bin es.“
„Wie geht es dir? Wo bist du? Nein, sag es nicht …“
„Ich bin in Seattle.“
Cara lief langsamer und blieb dann stehen. „Du solltest doch

nicht …“

„Ich bleibe hier nicht mehr lange.“ Ariellas Stimme klang

enttäuscht. „Hier oben im Norden hatte ich es mir ganz anders
vorgestellt. Mehr Natur, Berge, Wälder, vielleicht ein Blockhaus an
einem Fluss.“

„Schöner Traum.“ Cara kannte Seattle gut, denn ihre Schwester

lebte dort.

„Aber es ist eine große Stadt. Mit so vielen Menschen.“

background image

„Ich weiß“, sagte Cara mitfühlend. „Über eine halbe Million. Und

sonst? Wie geht es dir sonst?“

„Ich habe Angst.“
„Wovor?“
„Erkannt zu werden. Ich bin meistens im Hotel, aber wenn ich

rausgehe, sehen die Leute mich so an, als hätten sie mich schon mal
gesehen, wüssten aber nicht, wo.“

„Du weißt wahrscheinlich aus dem Fernsehen, was los ist?“
„Ja. Es ist ziemlich schlimm, was?“
„Die Opposition will, dass der Präsident zurücktritt. Das tun sie

zwar schon bei der kleinsten Kleinigkeit. Aber die Umfragewerte für
Morrow sinken.“

„Wahrscheinlich meinetwegen, oder?“, sagte Ariella verzagt.
„Es ist doch nicht deine Schuld.“
„Aber ich möchte so gern helfen“, stieß Ariella leise hervor. „Ich

bewundere den Präsidenten. Kann ich nicht irgendetwas tun?“

„Soll ich dir als Freundin antworten oder als Mitglied des Press-

estabes des Präsidenten?“

„Ich möchte wissen, was ich für den Präsidenten tun kann.“
Cara ging zu einer Bank, setzte sich und strich sich das feuchte

Haar zurück. „Lass den DNA-Test machen.“

Ariella schwieg ein paar Sekunden. „Mir war klar, dass du das

vorschlagen würdest.“

„Es ist das Beste, was du für Morrow tun kannst. Um ehrlich zu

sein, wir müssen endlich wissen, woran wir sind. Was auch immer
der Test ergibt, ist besser als die Ungewissheit.“

„Ich weiß. Noch etwas?“
„Wie meinst du das?“
Ariella lachte traurig. „Kann ich sonst noch irgendwas tun? Mir

schien es das Beste zu sein, erst einmal zu verschwinden. Aber das
war sehr egoistisch von mir, denn ich habe dich in dem Schlamassel
sitzengelassen.“

„Das ist mein Job. Dafür werde ich bezahlt.“

110/171

background image

„Und was ist mit diesem Mann?“
„Was für ein Mann?“
„Diesem Max Gray. Er hat mir an dem Abend doch geholfen zu

verschwinden.“

Max … Cara war leicht zusammengezuckt. „Ich habe davon

gehört.“

„Weißt du, ich habe schon überlegt, ob es nicht das Beste wäre, in

seiner Nachrichtensendung aufzutreten und eine Erklärung
abzugeben. Das würde dem Präsidenten vielleicht helfen.“

„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, Ariella.“ Cara war

ziemlich sicher, dass Max und der NCN wie jeder Nachricht-
ensender das meiste aus so einer Story herausholen würden, ohne
Rücksicht auf Ariella.

„Sagst du das als meine Freundin?“
„Ja.“
„Aber was würdest du als PR-Frau im Weißen Haus dazu sagen?

Wäre so ein Auftritt gut für den Präsidenten?“

„Es ist riskant. Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen.“
„Aber ich vertraue Max.“
„Ich nicht.“ In dieser Situation konnte Cara keinem Presse-

menschen trauen.

„Dann rede doch mit Lynn. Frag sie, was ich tun soll.“
Cara war klar, dass sie das tun sollte. Ihre Chefin sollte von Ariel-

las Angebot wissen. Aber sie hatte Angst, dass Lynn dieses Angebot
sofort annehmen würde. „Okay, ich mach es“, versprach sie schwer-
en Herzens.

„Ich melde mich wieder bei dir.“

Als sein Handy klingelte, war Max gerade mitten im Malibu Creek
State Park während eines Wettrennens mit Jake auf dem Moun-
tainbike. Er fluchte laut, während er sich darauf konzentrierte,
Felsbrocken zu umfahren und sich unter tiefhängenden Zweigen

111/171

background image

hindurchzuducken. Er raste durch ein flaches Bachbett, dass es
spritzte, und sprang dann vom Rad.

Jake, der kurz hinter ihm war, musste scharf bremsen. „Was soll

das denn?“

„Telefon“, stieß Max wütend hervor, nahm den Helm ab und zog

das Handy aus der Tasche. „Nadine!“, stöhnte er nach einem kur-
zen Blick aufs Display. „Hallo, Nadine.“

„Ich habe einen Superknüller für dich!“, sagte Nadine aufgeregt.
„Sehr gut.“
„Ich habe gerade mit Lynn Larson telefoniert.“
Max hielt mitten in der Bewegung inne. „Ich kann den Präsiden-

ten interviewen?“

„Nicht ganz. Nicht den Präsidenten. Ich kann nicht zaubern.“
„Schade.“ Er nahm einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche.

Jake legte ein scharfes Tempo vor, und sie wirbelten viel Staub auf.

„Aber es ist fast ebenso gut“, sagte Nadine triumphierend. „Ich

habe Ariella für dich.“

„Ariella Winthrop?“ Max warf Jake einen bedeutungsvollen Blick

zu.

Jake sah ihn fragend an.
„Ja, Ariella Winthrop. Wen denn sonst?“
„Ich dachte, sie hat die Stadt verlassen?“
„Hat sie auch. Aber sie kommt zurück.“
„Nach Los Angeles? Und woher weißt du das?“
„Das habe ich doch schon gesagt. Von Lynn Larson.“
„Das verstehe ich nicht.“ Max blickte zu Jake hinüber, der

genauso verblüfft aussah.

„Ich weiß nicht, wie du das geschafft hast, Max. Ariella will nur in

deiner Nachrichtensendung auftreten. Natürlich macht das
Presseamt ein paar Auflagen, doch mit denen können wir leben.
Der Beitrag wird kurz sein, aber ist das nicht eine tolle Sache? Und
Caroline Cranshaw wird auch dabei sein.“

„Cara?“

112/171

background image

Nadine schien ihn nicht gehört zu haben, denn sie fuhr fort: „Ich

vermute, dass Caroline im Wesentlichen das Wort führen wird, so-
dass wir nicht viel von Ariella zu hören kriegen, aber …“

„Cara Cranshaw von der Presseabteilung des Weißen Hauses ist

bereit, in meiner Sendung aufzutreten?“ Wieder warf Max Jake ein-
en Blick zu. Der Freund wusste von seiner Beziehung zu Cara. Nach
dem, was in Fields passiert war, hatte er Jake alles erzählt.

„Ja. Sie ist bereits in Los Angeles mit dem Team aus Washington,

das den Besuch des Präsidenten vorbereiten soll. Lynn wird sie an-
rufen und sie einweihen, und dann können wir die Details planen.“

Das hörte sich ja so an, als wisse Cara bisher noch nichts. Max

mochte sich kaum vorstellen, wie sie reagieren würde.

„Ich wollte dich nur als Ersten informieren“, sagte Nadine.
„Danke.“
„Wie spät ist es da bei euch in Kalifornien?“
„Gleich sieben.“
„Und hier zehn Uhr. Heute Abend werde ich wohl keine neuen

Informationen haben. Ich rufe dich morgen wieder an.“

„Bis morgen dann.“ Max klappte das Handy zu.
„Na? Was ist?“ Jake sah ihn gespannt an.
„Warum will Ariella sich stellen?“, murmelte Max vor sich hin.
„Ich dachte, du hast Cara versprochen, Abstand zu halten.“
„Das habe ich auch.“ Max steckte das Telefon wieder ein. „Offen-

bar hat ihre Chefin noch nicht mit ihr gesprochen. Cara scheint hier
in Los Angeles zu sein.“

„Und ihre Schwester?“
„Schlag dir die Schwester aus dem Kopf. Gillian ist intelligent,

sieht toll aus und hat unanständig viel Geld. Sie kann jeden Mann
haben.“

„Warum dann nicht mich? Ich kann mit jedem anderen

mithalten.“

„Das kannst du eben nicht. Gillian hat ihr Examen auf einer der

besten Universitäten gemacht. Sie ist mit Leuten befreundet, die du

113/171

background image

jeden Abend in den Wirtschaftsnachrichten siehst. Die ihre Priv-
atjets und Privatyachten in Monaco haben und einen Sternekoch in
der Küche.“

„Und wenn schon.“ Jake grinste. „Ich will ja nicht angeben, aber

ich habe immerhin meinen Abschluss auf der Stony Hills Digital
Film Academy gemacht!“

Max lachte. „Ich weiß. Und ich kenne dein Apartment und das,

was bei dir netto herauskommt. Gillian ist nicht deine Kragenweite.
Jessica ist passender.“

Jake machte eine wegwerfende Handbewegung. „Jessica ist

Geschichte. Außerdem bin ich sehr gut im Bett, hat man mir
gesagt.“

Max stellte einen Fuß auf die Pedale. „Wohl von Frauen, die du

dafür bezahlt hast.“

„Das ist gemein.“
„Entschuldige, ein dummer Scherz.“ Max schlug dem Freund auf

die Schulter. „Lass uns los. Wie viele Meilen sind es bis zum
Parkplatz?“

„Sieben.“ Jake setzte sich den Helm auf. „Und dann ist Zeit für

einen Drink.“

„In der Lounge vom Jay Bay Hotel.“
„In der Höhle des Löwen?“
„Ja. Ich will sehen, was auf mich zukommt.“
„Tatsächlich?“ Jake grinste. „Und ich darf dabei sein?“
Max antwortete nicht, sondern schwang sich auf den Sattel und

trat hart in die Pedale. Aber nicht nur deshalb raste sein Puls. Die
Erinnerung an die Zeit in Fields mit ihr war nicht zu unterdrücken.
Es war schon schwer genug, das Versprechen ihr gegenüber zu hal-
ten, wenn sie Tausende von Meilen entfernt war. Aber wenn sie mit
ihm auf Sendung war, direkt neben ihm saß? Unmöglich!

Von der Terrasse vor der Lounge des Hotels aus sah Cara Max an
der Bar sitzen. Die Nacht war kühl, die Heizpilze zwischen den

114/171

background image

Tischen summten leise, und von dem beheizten Pool stieg leichter
Dampf auf. In den Bäumen blinkten helle Lichter, und die Terrasse
und die Lounge waren mit elegant gekleideten Gästen gut besetzt.

Nervös, aber entschlossen ging Cara auf Max zu, der mit dem

Rücken zu ihr saß. Auf jeder Seite neben ihm war ein Barhocker
frei. Die Ärmel seines weißen Hemdes hatte er aufgerollt. Zu der
schwarzen Tuchhose trug er bequeme Lederschuhe. Vor ihm stand
ein Glas Bier.

Cara selbst kam von einem Dinner mit ihren Kollegen vom

Weißen Haus, das im obersten Stockwerk des benachbarten Hotels
ausgerichtet worden war. Lynns Anweisung ließ an Klarheit nichts
zu wünschen übrig. Der NCN wollte Ariella und Cara. Und das
Weiße Haus versprach sich von der Sendung viel.

Ohne ihr kurzes schwarzes Kleid zu sehr hochzuziehen, schob

Cara sich auf einen Barhocker neben Max. „Willst du auf diese Art
und Weise dein Versprechen umgehen?“, fragte sie leise. „Indem du
mich in deiner Sendung auftreten lässt?“

Max wandte sich ihr zu und schien nicht überrascht zu sein, sie

hier in Los Angeles zu sehen. „Das Ganze war nicht meine Idee.“

„Das glaubst du doch selbst nicht“, spottete sie. „Einen

Orangensaft, bitte“, sagte sie dann zu dem Bartender, der sie fra-
gend angesehen hatte.

„Es ist die Wahrheit. Deine Chefin hat meine Chefin angerufen

und ihr Ariella auf einem Tablett serviert. Was sollte ich machen?“

„Und dann hast du mich gleich auch noch angefordert.“ Cara griff

nach den Mandeln, die auf dem Tresen standen. Zwar hatte sie
gerade erst gut gegessen, aber irgendwie war sie schon wieder
hungrig.

Max sah sie verärgert an. „Wenn ich mit dir zusammen sein will,

dann mache ich das auf dem direkten Weg und nicht auf diese
krumme Tour.“

„Das glaube ich dir nicht.“ Solche Zufälle gab es doch gar nicht.
„Nein?“, fragte er leise.

115/171

background image

Was sollte sie darauf antworten? Soweit sie wusste, hatte er sie

noch nie angelogen. Und auch jetzt wirkte er ehrlich. „Das geht
nicht, Max. Das können wir nicht durchziehen.“ Ihre Stimme zit-
terte leicht. Warum musste ihr ausgerechnet in diesem Augenblick
auffallen, wie sehr er ihr fehlte? Seit sie sich getrennt hatten, war
ihr Leben irgendwie ohne Farbe, ohne Pep. Und jetzt neben ihm zu
sitzen und ihn nicht berühren, nicht streicheln, nicht küssen zu
können, war hart.

„Aber wir sind doch Profis, Cara. So schnell haut uns nichts um.“

Er sah sie eindringlich mit seinen grünen Augen an, als könne er
Gedanken lesen.

Sie starrte ihn an und vergaß beinahe zu atmen. Der Bartender

stellte ein Glas Orangensaft vor sie hin, sie bemerkte es nicht.

„Hallo, Cara!“
Bei Jakes Stimme zuckte sie zusammen, als erwache sie aus

einem tiefen Traum. „Oh, hallo, Jake. Ich wusste gar nicht, dass du
auch hier bist.“

„Wo Max ist, kannst du auch mich finden. Der Mann ist einfach

zu gut. Die besten Storys laufen ihm zu.“ Jake setzte sich auf die an-
dere Seite von Max.

„Ich habe gehört, dass NCN gerade eine Superstory an Land

gezogen hat“, sagte sie zu Jake.

Er reagierte nicht darauf. „Und wie geht es deiner Schwester?“
Max sah Jake drohend an.
„Was ist denn?“ Jake tat harmlos.
„Wir wollten Gillian doch aus der ganzen Sache heraushalten“,

zischte ihm Max zu.

„Es geht ihr gut.“ Also hatte ihre Schwester doch recht gehabt.

Jake interessierte sich für sie. Kein Wunder.

„Habt ihr schon was gegessen?“
„Ich könnte was essen“, gab Cara zu. Glücklicherweise wussten

die beiden nicht, dass sie bereits ein ganzes Dinner hinter sich
hatte.

116/171

background image

Jake rutschte vom Barhocker herunter. „Dann sollten wir uns

einen Tisch suchen.“

„Ich hoffe, du versuchst während des Essens nicht, Cara auszu-

quetschen“, warnte Max den Freund.

„Gillian ist übrigens auf dem Weg hierher.“ Cara nahm ihre

kleine schwarze Abendtasche unter den Arm.

Jake blieb wie elektrisiert stehen. „Wie bitte?“
Selbst Max sah Cara interessiert an.
„Sie wohnt doch in Seattle und bringt Ariella mit ihrem Jet nach

Los Angeles.“ Gillian hatte sich sofort dazu entschieden, als sie
hörte, dass Max in Los Angeles und Cara gezwungen war, mit ihm
in einer Nachrichtensendung aufzutreten. Obwohl Cara protestiert
hatte, war sie im Grunde ihres Herzens froh über die seelische Un-
terstützung durch die Schwester.

„Also in Seattle hat Ariella sich versteckt. Keine schlechte Wahl“,

murmelte Max vor sich hin.

„Und wann kommen sie an?“, wollte Jake wissen.
Max schüttelte unwillig den Kopf, dann winkte er einen Kellner

herbei und fragte nach einem freien Tisch.

„Morgen Abend.“ Cara ging hinter Max her, der dem Kellner fol-

gte. Jake trat neben sie. „Brauchst du moralische Unterstützung?“,
fragte er leise.

„Inwiefern?“
„Ich weiß über Max und dich Bescheid.“
Cara starrte ihn entgeistert an.
„Dass ihr verrückt nacheinander seid.“
„Was?“
Sie hatten einen freien Tisch erreicht. „Du kannst mir vertrauen“,

flüsterte Jake Cara zu, während sie sich setzten.

Cara sah Max empört an. „Wie konntest du …?“
„Ich glaube, es ist besser, wenn Jake auf unserer Seite ist.“
„Aber du hast geschworen, es niemandem zu sagen.“
„Weiß Gillian Bescheid?“

117/171

background image

„Ja, aber …“ Das war doch etwas ganz anderes. Gillian war ihre

Schwester. Sie war absolut vertrauenswürdig und würde nie etwas
tun, was schlecht für Cara war.

Max hob fragend eine Augenbraue.
„Das ist etwas anderes“, behauptete Cara.
„Inwiefern?“, hakte Max nach.
Das war doch offensichtlich. „Sie ist meine Schwester.“
„Ich habe Jake mehr als einmal mein Leben anvertraut.“
„Und umgekehrt“, warf Jake ein.
Cara sah ihn an. Es tat ihr leid, dass sie ihn mit ihren Zweifeln

beleidigt hatte, denn er war sicher ein anständiger Mann und guter
Freund. Aber Geheimnisse waren nun mal dazu da, dass man sie
bewahrte.

„Du kannst mir vertrauen.“ Jake sah sie aus seinen grauen Augen

aufrichtig an. „Und nun setz dich, und iss etwas.“

Sie breitete ihre Serviette auf dem Schoß aus, während Max nach

der Weinkarte griff. „Möchtest du ein Glas Wein?“

„Nein, danke. Ich bleibe bei meinem Saft.“
„Hast du Angst, dass der Alkohol dich enthemmen könnte und

du dich in meiner Gegenwart nicht mehr beherrschen kannst?“,
flachste er.

„Ja.“
Diese Antwort hatte er offenbar nicht erwartet, denn er sah sie

aufmerksam an.

Jake sah zwischen Cara und Max hin und her. „Nur damit ich

klar sehe“, sagte er mit gedämpfter Stimme und beugte sich leicht
vor. „Möchtet ihr, dass ich euer Alibi für Fields bin, oder soll ich
dafür sorgen, dass es hier nicht wieder passiert?“

„Das ist nicht nötig“, meinte Max gelassen, aber in diesem Au-

genblick stieß er gegen Caras Knie, was nicht nur ihn aus dem
Konzept brachte, sondern auch Cara erröten ließ. Sie wusste, sie
sollte ihr Knie zur Seite nehmen, aber irgendwie konnte sie sich
nicht aus der Berührung lösen.

118/171

background image

„Bist du sicher?“ Jake hatte die Verwirrung der beiden natürlich

bemerkt. „Ich bin bereit, vor Caras Hotelzimmer Wache zu stehen.“

Max runzelte unwillig die Stirn.
Doch Jake genoss die Situation. „Es sei denn, ich komme mit Gil-

lian voran. In dem Fall müsst ihr schon selbst auf euch achten.“

„Lasst uns über die Sendung sprechen“, sagte Max in scharfem

Ton. Doch sein Blick wurde weich, wenn er Cara ansah, und der
Druck seines Knies wurde stärker.

„Okay“, stieß sie atemlos hervor.
„Man gesteht uns zwei Minuten mit Ariella zu. Die zwei Minuten

werden aufgezeichnet, sind also nicht live. Und wir müssen die er-
laubten drei Fragen vorher einreichen. Du wirst dabei sein, allerd-
ings nur im Hintergrund.“

„Umso besser.“ Cara zog einen Zettel aus ihrer Handtasche „Erste

Frage: Was können Sie uns über Ihre Kindheit erzählen?“, begann
Cara. „Dann: Wissen Sie irgendetwas über Ihre richtigen Eltern?
Und: Haben Sie jemals daran gedacht, dass Präsident Morrow Ihr
Vater sein könnte?“

„Okay, scheinen mir vernünftig zu sein“, meinte Max.
„Du weißt, ich bin dabei und werde jede weitere Frage ver-

hindern.“ Cara wusste, wie Max arbeitete und dass er durch
geschicktes

Fragen

mehr

aus

seinen

Gesprächspartnern

herausholen konnte, als sie preisgeben wollten.

„Keine Sorge, ich werde mich beherrschen.“
Obgleich er das mit ruhiger Stimme sagte, machte irgendetwas

Cara nervös. Dann fiel ihr auf, dass er sie immer noch mit dem Knie
berührte. Sie räusperte sich. „Ich muss auch die Aufzeichnung se-
hen, bevor sie gesendet wird.“

„War Nadine damit einverstanden?“ Max war skeptisch.
„Ich glaube, Lynn ist eine noch härtere Verhandlungspartnerin

als Nadine“, sagte Cara.

„Au weia! Dann möchte ich nicht auf der anderen Seite des Ver-

handlungstisches sitzen“, meinte Jake lachend.

119/171

background image

„Ja, sie ist ein Naturtalent“, gab Cara zu.
„Und gegen die Natur kann man nicht ankämpfen“, fügte Max

leise hinzu und warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu.

Wieder versuchte sie, sich von seinem Knie zu lösen, aber es war

wie verhext, sie hatte keine Gewalt über ihre Glieder.

Stirnrunzelnd sah Jake seine beiden Tischnachbarn an. „Ist was

los? Ihr wirkt so … angespannt.“

„Nein“, sagte Max gleichmütig, hielt aber weiterhin sein Knie ge-

gen Caras gepresst und sah sie jetzt wieder an. „Nadine möchte
auch ein paar Minuten über die Konferenz hier bringen. Worüber
wird der Präsident sprechen?“

„Über erneuerbare Energien. Über Erdgas zum Beispiel. Und

natürlich

über

technologische

Entwicklungen,

Raumfahrt,

Flugverkehr.“

In diesem Augenblick kam der Kellner und brachte ihnen die

Speisekarten.

„Darüber solltet ihr mit Gillian sprechen.“ Cara schlug ihre

Speisekarte auf.

Jake sah sie überrascht an.
„Unter anderem hat sie bei technologischen Fragen auch mit Ch-

ina und Indien zu tun. Software und so.“

Max und Jake sahen sich an. „Würde sie mitmachen?“, fragte

Max.

„Keine Ahnung. Wir müssen sie fragen.“
„Das kann ich tun“, sagte Jake sofort. „Ich kann sie vom Flug-

platz abholen.“ Er grinste. „Aber ihr zwei müsst mir versprechen,
euch zu benehmen, während ich fort bin.“

Unwillkürlich sah Cara Max an. Er fing ihren Blick auf und gab

ihn zurück, glühend vor Verlangen.

Ihr wurde heiß bis in die Fußspitzen.

120/171

background image

9. KAPITEL

„Glaubst du, das ist Schicksal?“, rief Gillian Cara vom Schlafzimmer
her zu. Sie hatte eine geräumige Suite im Jade Bay Hotel gebucht.

„Wahrscheinlich hat das mit meinem Karma zu tun“, gab Cara

seufzend zurück. „In einem meiner früheren Leben muss ich etwas
Fürchterliches verbrochen haben. Und dafür werde ich jetzt
bestraft.“

„Wie kommst du denn darauf?“
„Warum ist Max denn ausgerechnet jetzt in Los Angeles? Warum

will Ariella ausgerechnet in seiner Sendung auftreten? Und dann
die Schwangerschaft …“

Gillian lächelte leicht. „Eine Schwangerschaft ist aber keine

Strafe, die vom Himmel kommt.“

Cara ging zu der kleinen Bar, die nicht nur alle Sorten Alkohol

führte, sondern in dem kleinen Kühlschrank auch noch sehr appet-
itliche Hors d’oeuvres bereithielt. „Die ganze Situation empfinde
ich als Strafe.“

„Du solltest es ihm sagen.“
Cara schüttelte störrisch den Kopf.
„Vielleicht überrascht dich seine Reaktion.“
„Ganz sicher nicht.“
Gillian kam auf Cara zu. „Irgendwann wird er es erfahren.“ Zärt-

lich legte sie die Hand auf Caras Bauch. „Dieses kleine Wesen hier
kann nicht auf ewig verborgen bleiben.“

„Noch habe ich Zeit.“
„Wenn du es ihm nicht sagen willst, dann musst du Abstand von

ihm halten.“

„Wem sagst du das.“ Cara lachte gequält auf. „Ich bin auf die an-

dere Seite des Kontinents geflohen.“

background image

„Ich meine nicht diese Art von Abstand. Such dir einen anderen

Freund. Lass jeden sehen, dass du mit jemand anderem zusammen
bist.“

„Den ich dann in die ganze Sache mit hineinziehe? Nein.“
„Aber Max muss denken, dass es nicht sein Baby ist.“
„Ja, ich weiß“, gab Cara bedrückt zu. Aber das sollte sie im Au-

genblick nicht kümmern. Jetzt war keine Zeit für ihre Probleme. Sie
atmete tief durch, nahm sich eine Flasche Wasser und griff nach
einer kleinen Pastete. „Ich wünschte, ich hätte in Washington
bleiben können. Der Präsident kommt morgen, und ich muss zu
zwei formellen Dinners gehen. Außerdem bin ich in der letzten Zeit
ständig müde. Um zehn kann ich mich kaum noch auf den Beinen
halten. Und ich bin immer hungrig. Ich könnte fünfmal am Tag
essen.“

„Du solltest auch gut essen.“
„Das tu ich ganz bestimmt. Aber ich freue mich schon auf mein

Zuhause und mein eigenes Bett.“

„Ich habe Ariella übrigens bei einem Labor in Washington an-

gemeldet“, wechselte Gillian jetzt das Thema. „Nach der Aufzeich-
nung wird sie dort den DNA-Test machen lassen.“

Cara hatte Ariella nur kurz bei der Ankunft hier im Hotel gese-

hen. Gillian hatte einen Bodyguard für sie engagiert, der sie sofort
auf ihr Zimmer begleitet hatte. „Wie geht es ihr? Wie fühlt sie
sich?“

„Gut.“ Gillian ließ sich in eins der weichen Sofas sinken. „Es geht

ihr besser, als ich erwartet hatte. Du bist es eher, um die ich mir
Sorgen mache. Je mehr ich darüber nachdenke, desto überzeugter
bin ich, dass es nicht gut für dich ist, in Max’ Nähe zu sein.“

„Ja, natürlich wäre es besser, wenn er nicht hier wäre.“ Leise

seufzend ließ Cara sich auf einem Sessel nieder. „Alles ist so
schrecklich kompliziert. Dabei weiß ich genau, was ich tun und was
ich empfinden sollte.“

„Aber du kannst es nicht?“

122/171

background image

„Er ist so … Ich weiß auch nicht … Ich meine, ich sollte mich

nicht zu ihm hingezogen fühlen. Eigentlich sollte er mir noch nicht
einmal sympathisch sein, denn er ist sarkastisch und stur. Aber er
ist intelligent, Gilly, und witzig. Und er braucht mich nur anzu-
fassen, und mein Körper steht in Flammen.“

Gillian beugte sich vor. „Dann fasst er dich an?“
„Nein, so nicht. Eher zufällig, unabsichtlich.“
„Unsinn, so etwas ist nicht Zufall. Lass dir das sagen.“
„Es ist sicher nicht ganz unabsichtlich, da hast du recht“, gab

Cara zu. „Und ich weiche ihm nicht aus. Es ist eher verspielt als
ernsthaft.“

„Ich kenne dieses Spiel, glaub mir. Es heißt Spiel mit dem Feuer.“
Cara nickte lächelnd. „Ja, und es ist sehr sexy. Wahrscheinlich

weil es im Geheimen abläuft und irgendwie verboten ist, oder?“

„Alles Geheime und Verbotene ist sexy.“
„Vielleicht hat es dann gar nichts mit Max zu tun. Vielleicht

würde ich bei jedem Mann so empfinden.“

„Vielleicht.“ Gillian schüttelte zweifelnd den Kopf. „Vielleicht

aber auch nicht. Kann es denn sein, dass du dich in ihn verliebt
hast?“

Ein leichter Stich ins Herz … „Nein“, Cara schüttelte energisch

den Kopf. „Nein, ganz bestimmt nicht“, log sie. „Ich mag ihn“, be-
hauptete sie, „aber ich liebe ihn nicht. Ich meine, ich bewundere
manches an ihm. Aber grundsätzlich, also wenn es um so Fragen
wie Familie und Kinder geht, leben wir auf unterschiedlichen
Planeten.“

„Das ist gut.“
„Ja“, stimmte Cara zu. Wer weiß, wenn sie sich das oft genug

vorsagte, vielleicht konnte sie sich dann selbst davon überzeugen
und endlich diese elende Liebe loswerden.

Da Cara Ariella so gut kannte, wusste sie, dass die Freundin da
oben auf der Theaterbühne, wo die Sendung mit ihr aufgezeichnet

123/171

background image

werden sollte, nervös war. Auf Außenstehende jedoch wirkte Ariella
gelassen und freundlich. Max saß ihr gegenüber, und die beiden
waren von Kameras, Kabeln, Scheinwerfern und umhereilenden
Aufnahmeleuten umgeben.

Cara stand an der Seite und fieberte mit der Freundin. Es war un-

glaublich mutig und selbstlos von Ariella, dass sie das für den
Präsidenten tun wollte. Allmählich wurde es ruhig. Der Regisseur
gab das Zeichen, und alle bis auf Ariella und Max gingen aus der
Reichweite der Kameras. Die Kameracrew und die Techniker, die
für die Tonaufnahme zuständig waren, hoben den Daumen. Da-
raufhin richtete Max sich in seinem Stuhl auf und machte sein
Kameragesicht.

„Wir sitzen hier in Los Angeles mit Ariella Winthrop zusammen,

die sich versteckt gehalten hatte, seit ihr eine gewisse Verbindung
zu Präsident Morrow nachgesagt wird.“

Dass Ariella sich versteckt gehalten hatte, hätte Max nicht un-

bedingt sagen müssen, aber deswegen wollte Cara nicht
unterbrechen.

„Willkommen in unserer Sendung, Ariella.“ Max knipste seinen

Charme an. „Wir wissen alle, dass Sie adoptiert wurden. Können
Sie uns etwas über Ihre Kindheit bei Berry und Frank Winthrop
erzählen?“

„Gern, Max. Die Winthrops waren wunderbare Eltern. Ich bin in

Chester in Montana aufgewachsen. Mein Vater hat sich sehr in der
Gemeinde engagiert. Er hat unter anderem mein Softballteam ge-
coacht.“ Sie lächelte verschmitzt. „Ich war keine besonders gute
Spielerin, aber ich habe es genossen, an diesen Sonntagen mit
meinem Vater zusammen zu sein. Meine Mutter hat von Hause aus
gearbeitet, sodass sie immer da war, wenn ich aus der Schule kam.
Sie backte sehr gern. Ich habe ihre eigenen Rezepte aufbewahrt, die
jetzt die Grundlage meines Catering Services sind.“

„Ich habe gehört, dass Ihre Eltern bei einem Flugzeugabsturz

umkamen?“

124/171

background image

Diese Frage war nicht abgesprochen worden, und Cara warf Max

einen warnenden Blick zu, den er mit gleichgültiger Miene auffing.

„Ich vermisse sie sehr“, sagte Ariella, ging aber sonst nicht auf

Max’ Bemerkung ein.

Sehr gut. Cara triumphierte innerlich.
„Wissen Sie irgendetwas über Ihre richtigen Eltern?“, nahm Max

sich jetzt die nächste Frage vor.

Ariella schüttelte den Kopf. „Ich wusste immer, dass ich adoptiert

worden war. Meine Mutter sagte mir, sie habe mich ausgewählt,
weil ich das beste Baby auf der ganzen Welt sei. Die Unterlagen
über meine Adoption waren geheim, und ich habe das immer re-
spektiert. Viele Menschen haben sehr nachvollziehbare Gründe, ihr
Baby zur Adoption freizugeben. Glücklicherweise treffen sie dann
diese selbstlose Entscheidung. Ich kann mir keine bessere Kindheit
vorstellen als die, die ich hatte, Max.“

„Glauben Sie, dass der Präsident gelogen hat, als …“
„Stopp!“ Cara ging direkt auf die Bühne und hielt ihre Hand in

Richtung der Kameras. Wütend sah sie Max an. „Hör auf! Sofort!“

Verlegen lächelte er sie an und hob entschuldigend die Hände.

„Tut mir leid. Alte Gewohnheiten wird man nur schwer los.“

„Von wegen“, zischte sie ihm zu.
Grinsend zeigte er auf das Mikro, das noch eingeschaltet war.
„Tu das nicht noch mal!“, sagte sie warnend.
„Ich werde es versuchen.“
„Ms Cranshaw“, rief der Regisseur, der nicht wusste, worum es

ging, und offensichtlich genervt war. „Können wir weitermachen?“

„Sagen Sie Max Gray, dass er sich an das Skript halten soll.“
„Halte dich an das Skript, Max.“
Cara trat wieder aus dem Scheinwerferlicht.
„Ariella“, fing Max wieder an, „hatten Sie vor dem Ball zur Ein-

führung des Präsidenten auch nur den geringsten Grund zu
glauben, dass Präsident Morrow Ihr Vater sein könnte?“

125/171

background image

„Nein, Max. Ich verstehe, dass das amerikanische Volk Klarheit

haben will. Und ich will hinzufügen, dass ich dem Präsidenten den
allergrößten Respekt entgegenbringe. Wenn ich an seine Bemühun-
gen in Bezug auf Krankenversicherung, wirtschaftliche Stabilität
und internationale Beziehungen denke, kann ich ihn nur bewun-
dern. Die Wähler haben eine gute Wahl getroffen, und ich bin sich-
er, er wird uns nicht enttäuschen.“

Cara strahlte. Max wollte etwas sagen, aber Cara sah ihn scharf

an. Der Regisseur rief „Cut“, und Max und Ariella standen auf.
„Haben Sie eigentlich schon einen DNA-Test machen lassen?“,
fragte er sie.

„Sag nichts“, mischte Cara sich sofort ein. „Dein Mikro ist noch

eingeschaltet.“

Ariella blieb schweigend stehen, während Leute vom Kamer-

ateam sie und Max von den Mikrofonen befreiten.

„Ich musste es versuchen, das kannst du sicher verstehen.“ Max

sah Cara treuherzig an.

„Nein, kann ich nicht.“
„Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht besser helfen konnte“, wandte

Ariella sich an Max.

„Ich hoffe, es geht Ihnen gut.“ Er sah sie mitfühlend an.
„Ich bin …“
„Ariella“, warnte Cara, „sei vorsichtig. Er steht nicht auf unserer

Seite.“

„Das stimmt nicht“, wehrte sich Max.
„Er macht den Eindruck eines guten Menschen, Cara.“ Ariella

sah die Freundin ernst an. „Du solltest ihm wirklich eine Chance
geben.“

Wie gern würde sie das tun. Aber sie wagte es nicht.

Max hatte den Verdacht, dass Cara sich absichtlich von ihm
fernhielt. Sie stand am anderen Ende der großen Flugzeughalle von
Manning Aviation und redete mit dem Vizepräsidenten des

126/171

background image

Unternehmens, der offenbar die Gelegenheit nutzte, mit einem Mit-
glied der Entourage des Präsidenten sprechen zu können. Die ge-
planten Interviews waren bereits im Kasten.

Jake und Max waren hier, um sich die neuen einmotorigen Flug-

zeugtypen anzusehen, die hier gebaut wurden. In den meisten hat-
ten zehn Passagiere Platz, und sie wurden mit Skiern, Gleitern und
einem Fahrwerk für Buschlandungen gebaut. Max und Jake hatten
beide Pilotenlizenzen, und Max hatte überlegt, eventuell von der
Cessna auf ein etwas größeres Flugzeug umzusteigen.

„Ich will versuchen, Gillian heute Abend noch einmal zu einem

Date zu überreden“, vertraute Jake dem Freund an und warf einen
Blick auf Gillian, die von einem halben Dutzend Manning-Anges-
tellten umgeben war, die sich eindeutig um ihre Aufmerksamkeit
bemühten.

Max folgte Jakes Blick und grinste. „Sieht so aus, als hättest du

Konkurrenz bekommen.“

„Leider ja.“ Jake zögerte kurz. „Andererseits, wer ist schon frei

von Konkurrenz?“, bemerkte er dann mit einem seltsamen Unter-
ton in der Stimme.

Max sah ihn verwundert an. „Du meinst in Beziehung auf

Gillian?“

„Gillian, Cara, im Grunde betrifft das jede Frau.“
Max warf schnell einen Blick auf Cara, die sich immer noch mit

dem Vizepräsidenten unterhielt. „Ich habe den Eindruck, der Mann
ist eher an Morrow als an Cara interessiert.“ Außerdem ist er
mindestens sechzig, stellte Max befriedigt fest.

„Den meine ich auch nicht.“
„Wen denn dann? Dich?“
„Nein, nicht mich. Aber ganz bestimmt finden viele Männer Cara

sehr attraktiv.“

„Kann sein.“ Er hatte noch nie richtig darüber nachgedacht, aber

er konnte sich schon vorstellen, dass sich viele Männer für Cara in-
teressierten. Wahrscheinlich vermied er auch den Gedanken, so gut

127/171

background image

es ging, weil er dabei immer so etwas wie Eifersucht verspürte, und
das gefiel ihm gar nicht.

„Habt ihr jemals darüber gesprochen?“, fing Jake wieder an und

beugte sich über den Motor der kleinen Maschine.

„Worüber?“
„Über andere Männer.“ Jake sah den Freund nicht an, sondern

schien von dem Motor fasziniert zu sein.

„Warum sollten wir uns über andere Männer unterhalten?“ Sehr

wohl war Max nicht bei dem Gedanken an andere Männer. „Was
soll das alles?“

Jake richtete sich wieder auf. „Hat Cara jemals jemand anderen

erwähnt?“

„Mit dem sie befreundet war?“ War etwa plötzlich jemand aus

der Versenkung aufgetaucht? Aus ihrer Vergangenheit? Und behar-
rte auf älteren Rechten? Wenn das der Fall war, warum sagte Jake
nicht klipp und klar, was Sache war? „Warum fragst du, Jake?“

Jake sah sich vorsichtig nach allen Seiten um, dann sagte er leise:

„Gillian hat gestern etwas erwähnt, was mich auf den Gedanken
brachte, dass da noch ein anderer Mann ist.“

Max überlief es eiskalt. „Was genau hat Gillian gesagt?“
„Ich weiß, dass ihr euch ja eigentlich getrennt habt. Aber ich ver-

stehe nicht …“

Am liebsten hätte Max Jake bei den Schultern genommen und

geschüttelt. „Was genau hat Gillian gesagt?“, wiederholte er.

„Dass euer Verhältnis nicht ‚exklusiv‘ sei, wie sie sich ausdrückte.

Dass ihr wohl eine eher offene Beziehung hättet.“

„Das waren ihre Worte?“
„Ja, ziemlich genau. Ich fand es irgendwie merkwürdig. Ihr habt

zwar immer gesagt, es sei nicht so ganz ernst. Aber ich dachte, das
hätte mit euren Berufen zu tun. Denn Cara scheint mir nicht die
Frau zu sein, die mehrere Liebhaber gleichzeitig hat.“ Jake blickte
schnell zur Seite, denn Max war kreidebleich geworden. „Das geht

128/171

background image

mich natürlich nichts an. Aber ich war der Meinung, du solltest es
wissen.“

Starr vor Zorn warf Max wieder einen Blick auf Cara. Er ballte die

Hände zu Fäusten. „Hat Gillian irgendeinen Namen genannt?“

„Also, Max …“
„Hat sie einen Namen genannt?“ Wenn er den Kerl zu fassen

kriegte …

„Nein, keinen Namen.“ Jake legte ihm die Hand auf den Arm.

„Vielleicht sollten wir beide …“

„Nicht!“, herrschte Max ihn an und riss sich los.
„Lass gut sein, Max. Ich habe nicht gedacht, dass dir das so viel

…“

„Ausmachen würde?“, schrie Max den Freund an.
„He, reg dich doch nicht so auf. Komm wieder runter von der

Palme“, versuchte Jake es wieder.

Doch Max war außer sich. „Runter von der Palme, ich denke

nicht daran. Ich werde den Kerl mit meinen eigenen Händen
erwürgen.“

„Mir ist vollkommen egal, was du mit irgendeinem namenlosen

Würstchen anstellst. Aber ich mache mir Sorgen um Cara.“

„Um Cara brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“ Er war auch

nicht wütend auf sie. Vielleicht ärgerlich, aber nicht wütend. Er ver-
langte eine Erklärung. Und dann würde er gern jemanden umbring-
en. Bevor er Cara in die Arme schloss und sie vergessen ließ, dass es
überhaupt andere Männer auf diesem Planeten gab.

„Ich mache mir aber Sorgen.“ Jake blieb hartnäckig.
„Ich werde ihr nichts tun, bestimmt nicht.“
Jake verdrehte genervt die Augen. „Das weiß ich doch! Ich

möchte aber auch nicht, dass du sie traurig machst oder von ihr
eine Erklärung forderst. Denn Gillian hat mir das im Vertrauen
gesagt.“

Max lachte trocken. „Dann hast du Pech gehabt, Buddy. Denn

eins ist sicher, ich werde nicht so tun, als wüsste ich nichts.“

129/171

background image

„Ich weiß …“ Jake seufzte schwer. „Und ich konnte es einfach

nicht vor dir verheimlichen. Obwohl Gillian enttäuscht von mir sein
wird. Und vielleicht nichts mehr von mir wissen will. Und das wäre
bitter. Denn ich finde sie einfach super, finde alles an ihr toll.“

Max fluchte leise. Dem besten Freund die Chancen zu verpatzen

tat ihm sehr leid. Aber er musste es tun. „Ich muss Cara fragen.“

„Das kann ich verstehen.“ Jake ließ den Kopf hängen. „Aber

mach es nicht schlimmer, als es sein muss, okay?“

„Ich versuche es.“ Max wandte sich um und ging auf Cara zu.

Was sollte er tun? Was sollte er sagen? Tausend Gedanken schwir-
rten ihm gleichzeitig durch den Kopf, die Nerven lagen bloß.

Als er vor Cara und dem Vizepräsidenten stand, machte er keine

Umstände. „Tut mir leid, dass ich unterbrechen muss“, sagte er zu
dem Mann, „aber es wird Zeit für uns.“ Und ohne Caras Reaktion
abzuwarten, packte er sie beim Arm und zog sie mit sich.

„Was … was soll das?“, stieß sie hervor und hatte Mühe, das

Gleichgewicht zu bewahren. „Nicht so schnell!“

„Entschuldige.“ Er ging langsamer und geradewegs auf den Aus-

gang zu.

„Wohin gehen wir? Was hast du vor? Was ist mit den anderen?“
„Wir müssen miteinander reden.“
„Worüber denn?“
„Nicht hier.“
„Aber, Max, nun sag schon“, drängte sie.
„Später. Gillian kann mit Jake zurückfahren.“
Drei Wagen des Senders standen auf dem Parkplatz. Max hatte

die Absicht, mit einem wegzufahren. Wie die anderen dann
zurechtkommen würden, war ihm total egal. „Gillian und Jake hat-
ten gestern ein Date. Wusstest du das?“

„Ich weiß, dass sie nach dem Essen noch in einen Club gegangen

sind.“ Sie sah Max besorgt an. „Ist etwas passiert? Ist irgendetwas
nicht in Ordnung? Gillian hat nur gesagt, sie hätte sich gut
amüsiert.“

130/171

background image

„Nein, es ist nichts passiert.“ Aber etwas war ganz fürchterlich

nicht in Ordnung.

Sie gingen schnell über den heißen Parkplatz, und Max öffnete

die Beifahrertür eines der drei NCN-Wagen. Cara entriss ihm den
Arm und sah Max wütend an. „Was soll das? Was musst du mir
sagen?“

„Steig ein.“
„Nein, ich steige nicht ein.“
„Steig ein, dann sage ich es dir.“
Sie sah ihn empört an, aber dann wurde sie plötzlich blass und

stieg ein, ohne sich weiter zu sträuben.

Offenbar ahnte sie, was er mit ihr besprechen wollte. Sie wusste,

dass er wusste … Hoffentlich fiel ihr eine gute Erklärung ein, das
konnte er ihr nur wünschen. Obwohl ihn keine Erklärung befriedi-
gen würde. Sie hatten zwar nie miteinander über ihre Beziehung ge-
sprochen, hatten alles ganz locker gehalten. Aber wenn er daran
dachte, was geschehen war, wenn sie zusammen waren, dann kon-
nte er sich einfach nicht vorstellen, dass sie auch noch mit einem
anderen Mann …

Wieder stieg die Wut in ihm hoch. Er setzte sich auf den Fahr-

ersitz und umfasste das Steuerrad so fest, als wolle er es zerdrück-
en. Ein anderer Mann … Warum tat sie ihm das an? Er ließ den Mo-
tor an, fuhr aus der Parklücke heraus und auf die Straße in Rich-
tung Berge.

„Max …“, fing Cara leise an. Ihre Stimme zitterte.
„Nicht jetzt“, unterbrach er sie. „Ich kann nicht darüber sprechen

und gleichzeitig für unsere Sicherheit auf der Straße garantieren.“

Sie schwieg verschreckt und legte sich die Fingerspitzen an die

Schläfen.

Max nahm die Kurven so schnell, wie er es verantworten konnte,

und erst als sie die Stadt hinter sich gelassen und bereits eine ziem-
liche Höhe erreicht hatten, bog er in einen kleinen Feldweg ein und
fuhr um die nächste Biegung, sodass sie von der Straße aus nicht

131/171

background image

gesehen werden konnten. Dort stellte er den Motor ab und zog die
Handbremse an. Danach blieb er bewegungslos sitzen und starrte
geradeaus.

„Max …“, versuchte Cara es wieder.
Mit einem Ruck wandte er sich zu ihr um. „Wer ist es?“
Sie zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn verwirrt an.
„Wer … ist … dieser … Mann?“, stieß er jetzt laut hervor und

betonte jedes Wort.

Cara drückte sich gegen die Tür. „Wer soll wer sein?“, fragte sie

ängstlich.

„Ich will ihn umbringen!“ Max schlug mit voller Wucht auf das

Steuerrad. „Ich möchte ihn erwürgen, mit meinen eigenen
Händen!“

„Um Himmels willen, wen denn?“
„Diesen anderen Mann. Wer auch immer es ist. Mit wem auch

immer du zusammen warst …“ Er brach ab, außerstande noch mehr
zu sagen. Wieder packte er das Lenkrad und drückte zu.

Beide schwiegen. Nur der Wind war zu hören, und hin und

wieder rief ein Vogel. Max schloss die Augen. Es hatte keinen Sinn,
er sollte jetzt nicht mit ihr reden. Er war zu zornig, als dass er bereit
war, ihre Erklärungen anzuhören. Und das war nicht fair ihr ge-
genüber. Er sollte sich erst beruhigen. „Entschuldige meinen Aus-
bruch“, stieß er leise hervor und griff nach dem Autoschlüssel.

„Max, ich weiß wirklich nicht, was das alles soll. Was meinst du?

Wovon sprichst du?“

„Gillian …“ Dann wandte er sich ihr zu und sah sie an. „Gillian

hat Jake erzählt, dass du mit einem anderen Mann zusammen
warst. Darüber bin ich wütend, zu wütend, als dass wir jetzt dieses
Gespräch führen sollten.“

„Gillian?“ Cara konnte es einfach nicht glauben.
„Ja, Sie hat es ihm im Vertrauen gesagt, aber Jake meinte, ich

müsse es wissen.“ Er sah ihr jetzt direkt in die Augen. „Und er hat
recht, ich sollte es wissen. Mir ist nicht klar, warum du es mir nicht

132/171

background image

sagst.“ Er spürte, wie die Wut wieder in ihm hochstieg. „Und mir ist
nicht klar, warum du es überhaupt getan hast!“

Cara stiegen die Tränen in die Augen. „Max, ich …“
„Du brauchst es mir nicht zu erklären.“ Nun hatte er sie auch

noch zum Weinen gebracht. Das hatte er nicht gewollt. Unwillkür-
lich wurde er ruhiger, weicher. Er musste ihr erklären, warum er so
außer sich geraten war.

„Gillian hätte das nicht sagen sollen.“ Eine einzelne Träne löste

sich und rollte ihr über die Wange.

Diese Träne zerriss ihm das Herz. Ihm stockte der Atem, er kon-

nte kaum sprechen. „Du musst mir nichts erklären“, sagte er leise.

Mit dem Handrücken wischte sie die Träne fort. „Da war kein an-

derer Mann, Max.“

Er sah sie sprachlos an. Er wollte ihr glauben, so wahnsinnig gern

glauben. Sie sah so ehrlich aus mit ihren großen blauen Augen, so
ehrlich und zerbrechlich und schöner denn je.

„Es hat für mich keinen anderen Mann gegeben, seit ich mit dir

zusammen bin. Auch nicht vorher. Ein Jahr lang nicht, bevor wir
uns kennenlernten.“

Nein? Aber warum …? Hoffnung keimte auf.
Cara legte ihm die Hand auf den Arm. „Gillian irrt sich. Sie muss

irgendetwas missverstanden haben. Vielleicht habe ich mich falsch
ausgedrückt.“

„Ist das dein Ernst?“ Noch wagte er nicht ganz, ihr zu glauben.
„Für mich gibt es nur dich, Max.“ Sie lächelte ihn unter Tränen

an. „Nur dich.“

Da löste sich der Eispanzer, der sein Herz umschlossen hatte,

und er nahm sie mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung in die
Arme. Er konnte nicht anders, er musste sie haben, sofort.

Er zog sie auf seinen Schoß, umschloss ihr Gesicht mit beiden

Händen und küsste sie, wie er noch nie eine Frau geküsst hatte,
zärtlich und leidenschaftlich zugleich. Ihm war, als hätte er sie nach
jahrelanger Trennung wiedergefunden, und er strich ihr beglückt

133/171

background image

über die weiche zarte Haut. Wie wunderbar sie sich in seinen Ar-
men anfühlte. Und als sie voll Verlangen seinen Kuss erwiderte,
war er sofort voll erregt.

Sie lachte leise, denn sie konnte seine harte heiße Erregung nur

zu genau spüren, und legte ihm die Arme um den Hals, küsste ihn
auf die Ohren und strich ihm mit den Lippen über den kräftigen
Hals.

Die Sehnsucht nach ihr ließ seinen Puls rasen. Er konnte keinen

klaren Gedanken mehr fassen, wusste nur, er musste sie lieben,
hier und jetzt, musste in ihr sein und sie zu einem Höhepunkt brin-
gen, den sie nie vergessen würde. Er strich ihr über die Seiten und
legte ihr die Hände unter die Brüste. Dann knöpfte er ihr schnell
die Bluse auf und küsste die weißen prallen Rundungen, die von
dem knappen BH nur unvollkommen bedeckt wurden.

Cara stöhnte auf und bewegte sich unruhig auf seinem Schoß.
Das hätte sie nicht tun sollen, denn nun konnte Max sich nur mit

Mühe zurückhalten. „Cara …“, keuchte er. Sie war sein, nur sein, er
musste sie haben …

Sie schien ähnlich wie er zu empfinden, denn mit fliegenden

Fingern knöpfte sie sein Hemd auf, drückte ihm immer wieder
Küsse auf die heiße Brust und schob ihm schließlich das Hemd von
den Schultern. Dann warf sie den Kopf zurück und biss sich auf die
Lippen, um nicht loszuschreien, als Max ihren Hals mit kurzen
feuchten Küssen bedeckte, während er den BH-Verschluss löste.

Oh, ihre Brüste fühlten sich so wunderbar an, warm und glatt,

und die harten Spitzen kitzelten ihn an den Handflächen. Doch das
war nicht mehr genug. Mit einer Hand griff er ihr unter den Rock,
streifte ihr den winzigen Slip ab und drang sofort mit den Fingern
in sie ein. Sie war bereits heiß und feucht, stöhnte auf und drückte
sich fest gegen seine Hand. Es war Wahnsinn.

Dann setzte sie sich mit gespreizten Beinen auf ihn, und sie sahen

sich mehrere Sekunden lang tief in die Augen, keuchend und mit
leicht geöffneten Lippen.

134/171

background image

Sie rutschte ein wenig zurück, damit er seine Hose aufmachen

und so weit über die Hüften schieben konnte, dass sie sich direkt
auf ihn setzen konnte. Das war so gut …

„Nur du“, flüsterte sie, und ihre Augen schimmerten.
„Oh, Cara …“ Er hob sie kurz an und ließ sie dann langsam auf

sich nieder, so dass er tief eindringen konnte. Endlich … Er spürte,
wie sie sich um ihn schloss. Und als er sie anhob und wieder auf
sich sinken ließ, warf sie den Kopf zurück und stöhnte laut auf.

„Ja, Max, oh, das ist … das ist …“ Sie presste sich an ihn,

streichelte ihn mit den aufgerichteten Spitzen, legte selbst die
Hände unter die Brüste und bot sie ihm dar.

Er beugte sich sofort vor, strich mit den Lippen über die glatte

weiße Haut und umschloss die harten Knospen mit den Lippen,
saugte und reizte. „Max, ich kann nicht mehr warten.“ Cara ließ los
und packte ihn bei den Schultern, sodass er die Nägel spürte, und
beschleunigte ihren Rhythmus.

Darauf hatte er nur gewartet, denn auch er war längst so weit.

Immer wieder hob er sie an und ließ sie schneller und schneller
kommen. „Du bist so schön“, stieß er hervor, „und so unglaublich
sexy.“ Die Welt verschwand um ihn her. Nichts existierte mehr, nur
noch Cara.

„Du auch“, keuchte sie, und dann: „Max, ja, ja …“ Sie versteifte

sich und presste sich fest gegen ihn. Und als er ihren Höhepunkt
spürte, ja, miterlebte, konnte er sich auch endlich gehenlassen, und
die Spannung löste sich explosiv und so überwältigend, dass er
glaubte, ohnmächtig zu werden. Waren nicht Stunden vergangen,
bevor er wieder einigermaßen zu Atem gekommen war?

Doch dann hörte er wieder Vogelstimmen und das Rauschen der

Blätter im Wind. Und er nahm den ganz spezifischen Duft von Cara
wahr. Er öffnete die Augen, Cara war ihm erschöpft gegen die Brust
gesunken.

„Kannst du atmen?“, flüsterte er.
„Kaum.“

135/171

background image

Irgendwie schaffte er es, den Autoschlüssel halb im Zündschloss

zu drehen, sodass er die Fenster öffnen konnte. Eine leichte Brise
kühlte ihre heiße Haut.

„Danke.“ Lächelnd schob Cara sich das feuchte Haar aus der

Stirn.

Er grinste und küsste sie auf die Nasenspitze. „Gern geschehen,

ausgesprochen gern.“ Er wurde ernst. „Wann immer du möchtest.“

Auch ihr Lächeln verschwand. „Das habe ich nicht gemeint.“
„Ich weiß.“
Wieder schwiegen sie, bewegten sich aber nicht.
„Das war nicht geplant“, sagte Max schließlich. Das sollte keine

Entschuldigung sein, denn er bedauerte nichts, im Gegenteil. Aber
sie sollte nicht denken, er habe sie hier in die Wildnis gefahren, um
sie zu überfallen.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll“, gestand sie leise.
Inwiefern? „Du meinst jetzt? In diesem Moment?“
Sie ging nicht darauf ein. „Früher habe ich immer geglaubt zu

wissen, was zu tun ist. Es hat mir vielleicht nicht immer gefallen,
aber zumindest wusste ich, was man von mir erwartete.“ Sie sah ihn
traurig an. „Wir können uns nicht befreunden. Und eine Affäre dür-
fen wir schon gar nicht haben.“ Sie lachte kurz, aber es klang nicht
fröhlich, sondern eher hilflos. „Und immer wenn wir versuchen,
uns aus dem Weg zu gehen …“

„Greift das Schicksal ein?“
„Ich weiß nicht, ob wir das Schicksal nennen können.“
„Diesmal war es meine Wut“, musste er zugeben. Er legte die

Stirn an ihre. „Ich war außer mir vor Wut, Cara. Auch wenn wir
nicht offiziell zusammen sind, kann ich es nicht ertragen, dass du
mit jemand anderem schläfst.“

„Das tu ich ja auch nicht.“
„Ich weiß.“
„Es tut mir so leid“, wisperte sie.
„Wieso? Du hast doch nichts gemacht.“

136/171

background image

Plötzlich legte sie ihm die Arme um den Hals, und er umarmte

sie und zog sie fest an sich.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll“, wiederholte sie mit leiser

Stimme.

Er strich ihr tröstend über den Rücken. „Das brauchst du doch

auch jetzt nicht zu entscheiden. Wir sollten jetzt gar nichts
entscheiden. Wir können es nicht.“

„Aber wir müssen doch irgendetwas tun.“
„Ich bereite die Sendung weiter vor, und du machst deinen Job

wie immer.“ Er lehnte sich zurück und sah sie zärtlich an. „Du bist
wunderbar.“

„Nein, ich sehe sicher furchtbar aus.“ Sie strich sich unter den

Augen entlang, als wolle sie das sicher verschmierte Make-up ent-
fernen. Ihr Haar war völlig durcheinander und ihre Kleidung
verknüllt. Ihre Wangen waren rot, und das sanfte Sonnenlicht
umgab sie wie eine Gloriole. Er begehrte sie schon wieder.

Doch er zwang sich dazu, ihr die Bluse zuzuknöpfen, um nicht in

Versuchung zu kommen. „Du wirst schon sehen, es wird sich eine
Lösung finden“, versuchte er sie zu beruhigen. „Mit Krisen umzuge-
hen ist unser Beruf.“ Er lächelte aufmunternd. „Erst werden wir un-
sere Aufgaben hier erledigen, und dann fliegen wir zurück nach
Washington. Und wir werden keine Entscheidung fällen, bevor wir
nicht Zeit hatten, alles gründlich zu durchdenken.“

Das hörte sich sehr viel überzeugter an, als er sich fühlte. Denn

eigentlich gab es keine Zukunft mit Cara. Andererseits konnte er
sich auch nicht vorstellen, sie aufzugeben.

Gillian zerrte Cara buchstäblich über die Türschwelle in ihre Hotel-
suite. „Was ist passiert? Wo warst du? Warum bist du nicht ans
Telefon gegangen?“

„Erst einmal möchte ich dich etwas fragen.“ Cara drehte sich zu

Gillian um, die gerade die Tür fest zudrückte. „Was hast du Jake
erzählt?“

137/171

background image

Verwirrt sah Gillian sie an. „Worüber?“
„Über mich und mein Sexleben. Und andere Männer.“
„Ach so, das.“
„Ach so, das?“ Cara ging mit festen Schritten in die Mitte des

großen Raumes und drehte sich abrupt zur Schwester um. „Einfach
so?“

Gillian wusste offenbar nicht, was sie davon halten sollte. „Aber

du wolltest doch, dass ich das mache.“

„Was? Wann habe ich jemals etwas gesagt, das du so auslegen

konntest?“

„Gestern Abend, hier.“ Gillian war ganz verfolgte Unschuld. „Wir

haben darüber gesprochen, dass du anfangen solltest, Leuten von
deiner Schwangerschaft zu erzählen.“

„Aber ich habe sehr eindeutig gesagt, dass ich Max nichts erzäh-

len würde.“ Daran konnte Cara sich noch sehr genau erinnern.

„Und ich sagte, Max muss denken, dass es nicht sein Baby ist.

Und darauf hast du gesagt, und das zitiere ich jetzt, ja, ich weiß.“

„Und du hast daraus geschlossen, dass du ihn belügen musst?“
Gillian schüttelte ungeduldig den Kopf. „Nein, ich habe daraus

geschlossen, dass dir endlich klar war, was wir tun müssen. Und
Jake war ein leichtes Opfer. Ich wusste, dass er seinem Freund alles
erzählen würde.“

„Und ich dachte, Max weiß, dass ich schwanger bin. Als er mich

zwang, mit ihm zu kommen, war ich fest der Meinung, er hätte es
herausgefunden. Ich war schon kurz davor, ihm alles zu gestehen.“

„Aber du hast es nicht getan?“
„Nein.“
Gillian wies auf einen der zwei bequemen Sessel, die vor dem

Erkerfenster standen, von dem aus man die ganze Stadt überblick-
en konnte. Beide setzten sich. „Und was hat er gesagt? Was ist
passiert?“ Gillian beugte sich gespannt vor.

„Er war außer sich vor Wut.“ Cara zitterte immer noch, wenn sie

daran dachte. „Erst da wurde mir klar, dass er gar nichts von

138/171

background image

meiner Schwangerschaft wusste. Aber er regte sich fürchterlich auf,
weil er dachte, dass ich mit einem anderen Mann geschlafen hätte.“

„Tatsächlich?“ Gillian lächelte fröhlich.
„Tu doch nicht so überrascht.“
„Na ja, wir leben schließlich nicht mehr in den Fünfziger Jahren.“
„Treue ist zeitlos“, sagte Cara mit Nachdruck.
„Aber hast du mir nicht selbst erzählt, dass ihr eure Beziehung

locker seht und auf keinen Fall exklusiv?“

„Ich bin nicht der Typ, der dauernd mit anderen Männern

schläft.“

„Das habe ich auch nicht so gemeint. Entschuldige, wenn ich dich

beleidigt haben sollte.“

Cara ließ sich zurückfallen und seufzte leise. Irgendwie wollte sie

nicht mehr kämpfen. „Ich weiß, du wolltest mir wahrscheinlich nur
helfen. Aber du kannst dir nicht vorstellen, wie wütend er war.“

„Hat er dir wehgetan?“
„Nein. Aber er hat gedroht, den Mann umzubringen.“ Unwillkür-

lich musste Cara schmunzeln, als sie sich an Max’ Ausbruch erin-
nerte. „Dann hat er sich beruhigt. Offenbar verliert er nicht sehr oft
die Beherrschung. Und dann …“

Gillian wartete.
Cara wurde rot.
„Und dann?“ Gillian sah die Schwester neugierig an.
„Nachdem ich geschworen hatte, dass es keine anderen Männer

gibt …“

„Was? Du hast meine perfekte Szenerie zerstört? Warum, um

Himmels willen, hast du ihm gesagt, dass es keine anderen Männer
gibt?“

„Ich kann ihn nicht anlügen, Gilly. Aus welchem Grund, weiß ich

nicht. Aber ich kann es nicht.“

„Das ist doch albern. Er ist auch nur ein Mann. Dir ist klar, dass

dich das wieder an deinen Ausgangspunkt zurückwirft.“

„Ich wäre froh, wenn es so wäre.“

139/171

background image

„Was? Du verheimlichst mir doch etwas.“
Cara senkte den Kopf und strich sich mit einer abwesenden Geste

den Rock glatt. „Wie gern würde ich jetzt ein Glas Wein trinken.“

„Wegen des Geschmacks oder des Alkohols?“, fragte Gillian.
„Meinst du, die können hier einen Margarita machen, den auch

Schwangere trinken können?“

„Klar. Leider musst du den Tequila weglassen.“ Gillian beugte

sich vor und nahm Caras Hand. „Du hast wieder mit ihm gesch-
lafen, stimmt’s?“

„Wenn du mit Schlafen irren Sex auf den Vordersitzen eines

Autos meinst, dann ja.“

„Um zu vergessen, was gewesen war?“
„So ungefähr. Das ist sowieso der beste Sex.“
Gillian drückte ihr die Hand. „Ach, Cara.“
„Ich weiß, ich bin süchtig. Ich muss irgendetwas dagegen tun, ir-

gendetwas Drastisches. Schafft dein Jet es bis Australien?“ Dort
sprach man Englisch, und Australien war sehr weit entfernt. Viel-
leicht könnte sie da tatsächlich einen Job in der amerikanischen
Botschaft bekommen.

„Mit einem Zwischenstopp in Hawaii sicher. Willst du gleich

los?“

Für einen Augenblick stellte sich Cara vor, wie es wäre, wenn sie

einfach direkt von diesem Hotelzimmer aus nach Australien ent-
fliehen könnte. Leider tauchte dann plötzlich Max auf und zerstörte
den Traum.

„Können wir uns über was anderes unterhalten?“ Bittend sah sie

die Schwester an.

„Wenn du willst.“
„Ich fühle mich so elend, dass mich nur trösten würde, wenn

auch jemand anderes in einer schlimmen Situation wäre. Hast du
nicht in letzter Zeit mal irgendetwas Dummes gemacht?“

„Ich habe heute etwas Geschmackloses gemacht.“
„Wunderbar.“ Cara kuschelte sich in den Sessel. „Erzähl.“

140/171

background image

„Ich habe mit den Piloten von Manning geflirtet.“
„Ist das alles? Warum ist das geschmacklos? Weil es sechs

waren?“

Gillian lachte. „Vielleicht. Aber was anderes. Hast du Hunger?“
„Immer.“
„Dann bestellen wir uns was beim Zimmerservice.“ Gillian griff

nach dem Telefon. „Was möchtest du denn?“

„Einen Milchshake.“
„Ernsthaft? Schon wieder? Dann stimmt es, was man über Sch-

wangere und bestimmte Essvorlieben sagt?“

„Ich will aber keine sauren Gurken.“ Schreckliche Vorstellung.

„Aber vielleicht nehme ich lieber einen Sundae, mit geschmolzener
Schokolade, Schlagsahne und einer Kirsche als Dekoration.“

„Du bist verrückt.“
„Ja.“
„Was möchtest du wirklich?“
Einen Sundae. Doch laut sagte Cara: „Irgendein Wrap mit Salat.

Und einen Milchshake.“

„Macht es dir was aus, wenn ich mir einen Wein bestelle?“
„Ja, denn du solltest keinen Wein trinken, Tante Gillian. Wenn

ich trocken bleiben muss, so auch du. Nimm einen Milchshake.“

Gillian lachte und wählte. „Wenn ich nicht mehr in meine Jeans

passe, bist du schuld.“

„Dann musst du eben häufiger ins Fitnesscenter gehen.“
Gillian gab die Bestellung auf, dann schleuderte sie die Schuhe

von sich und zog die Beine unter sich. „Sollte nicht lange dauern.“

„Dann erzähl mir inzwischen von deinem geschmacklosen

Flirten.“ Cara brauchte unbedingt etwas, das sie ablenkte. Von Max,
dem Baby, der ungewissen Zukunft … „Hast du etwas damit
bezweckt?“

„Ja. Ich wollte Jake eifersüchtig machen.“
„Wieso das denn? Ich denke, er war bereits an dir interessiert?“

141/171

background image

„Das schon. Ein bisschen wenigstens. Wir haben gestern Nacht

ziemlich lange getanzt. Und dann hat er mich zum Hotel gebracht.
Und sich am Fahrstuhl verabschiedet.“

„Wolltest du denn, dass er mit nach oben kommt?“
Gillian zuckte kurz mit den Schultern. „Ich wollte, dass er es

wollte.“

„Aber du hast ihn nicht eingeladen?“
„Nein.“
„Also hat er dir auch keinen Korb gegeben.“
„Trotzdem. Er ist doch schließlich ein Mann.“
Cara lachte laut los. Das tat gut. „Weißt du denn, was du willst?“
„Nein“, gab Gillian zu. „Das heißt, irgendwie schon. Mit ihm er-

lebt man Wechselbäder. Mal ist er heiß, dann wieder kalt. Mal ist er
sehr aufmerksam und flirtet sogar. Im nächsten Augenblick behan-
delt er mich, als sei ich ein Dekorationsstück aus Stein.“

„Offenbar bekommt dir dein Milliardärsdasein nicht sehr gut.“
„Ich habe keine Milliarde.“
„Wie auch immer, du bist es gewohnt, immer im Mittelpunkt der

Aufmerksamkeit zu stehen. Ich könnte wetten, dass alle Männer
strammstehen, wenn du den Raum betrittst.“

„Nur weil ich ihre Gehaltsschecks unterschreibe.“
„Aber Jake ist anders, und das macht dich nervös.“
„Hm.“ Gillian strich sich das Haar zurück. „Habe ich mich in eine

verwöhnte Prinzessin verwandelt?“

„Haben die Piloten denn auch mit dir geflirtet?“ Cara genoss es,

dass die sonst so selbstsichere Schwester gewisse Selbstzweifel
hatte.

„Ja. Ohne dass sie wussten, wer ich war. Also habe ich meine An-

ziehungskraft noch nicht ganz verloren.“

„Das wird Jake bestätigen. War er denn eifersüchtig?“
„Ich hoffe.“
„Siehst du ihn heute Abend wieder?“
„Das weiß ich noch nicht. Was hast du denn vor?“

142/171

background image

„Der Präsident gibt einen Empfang und ein Essen für die Honor-

atioren. Es ist ein kleines privates Dinner, nur zweihundert Leute.“
Cara lachte. „Glücklicherweise hat die Presse keinen Zugang.“ Sie
blickte auf die Uhr. „In einer Stunde muss ich mich umziehen.“

„Wann fliegst du wieder zurück nach Washington?“
„Morgen Abend nach dem Schlusskommuniqué. Ich werde in der

Präsidentenmaschine mitgenommen. Bis dahin ist jede Minute aus-
gefüllt.“ Und das war gut so. Je weniger sie zum Nachdenken kam,
desto besser.

143/171

background image

10. KAPITEL

Seit drei Tagen war Max zurück in Washington. Ariellas kurzes In-
terview hatte zwar vorübergehend das Interesse am Präsidenten ab-
flauen lassen, dafür aber das an Eleanor Albert wieder gesteigert.
Max’ Chefin Nadine war fest entschlossen, diese Eleanor ausfindig
zu machen. Zur gleichen Zeit hatte Liam Fisher neue Information-
en. Ein talentierter Hacker mit Verbindung zum ANS hatte sich
Zugang zum Computer im Hauptquartier der Morrow-Wahlkam-
pagne verschafft.

„Der Name ist zwar noch nicht bekannt“, sagte Liam und zog sich

einen Stuhl heran, um am Konferenztisch vom NCN Platz zu
nehmen.

„Den kriegen wir schon noch raus“, meinte Max. „Zumindest wis-

sen wir, dass wir auf der richtigen Spur sind.“

Es gab keine Hinweise darauf, dass Graham Boyle, der Besitzer

des Senders, oder Marnie Salloway in die Sache verstrickt waren.
Aber Max traute seiner alten Chefin nicht. Sie war aalglatt gewesen
und hatte immer so süffisant gelächelt, als sie das letzte Mal mitein-
ander gesprochen hatten. Irgendwie hatte er das Gefühl, sie ver-
heimliche etwas. Aber was?

Nadine stürzte in den Raum, ihre Sekretärin im Schlepptau. „Du

bist viel zu nachgiebig gegenüber dieser Caroline Cranshaw in Los
Angeles gewesen!“, fuhr sie Max an.

„Die weiß, was sie tut, sie ist ein absoluter Profi“, gab Max

zurück, während Nadine sich hinsetzte. „Es war klar, dass sie keine
Kompromisse machen würde.“

Jake sah kurz zu Max hinüber und schüttelte leicht den Kopf. Of-

fenbar war er Nadines Meinung.

background image

„Die eigentliche Story hat mit dem ANS zu tun“, sagte Max und

sah Liam an. „Wir wissen, dass sie das Gesetz gebrochen haben.“

„Wir wissen, dass jemand, der früher dort angestellt war, das Ge-

setz gebrochen hat“, stellte Nadine richtig. „Und wir wissen auch,
dass sie das getan haben, um Informationen aus dem innersten
Zirkel zu bekommen. Das bedeutet, dass jemand im Weißen Haus
mehr weiß, als sie rauslassen.“

„Nein“, widersprach Max. „Es bedeutet lediglich, dass der ANS

glaubt, dass jemand im Weißen Haus mehr weiß, als sie
rauslassen.“

„Und wer weiß nun am meisten über den Skandal mit der unehe-

lichen Tochter?“ Nadine tappte verärgert mit ihren blutroten
Fingernägeln auf den Tisch.

Max schwieg.
„Der ANS weiß am meisten über den Skandal“, beantwortete

Nadine ihre eigene Frage. „Und sie zielen auf das Weiße Haus, weil
sie wissen, dass dort die Informationen zu holen sind. Eleanor Al-
bert ist die Story. Ihr müsst sie finden.“

Liam räusperte sich kurz und legte die Arme auf den Tisch.

„Wenn das Hacking auf den ANS zurückzuführen ist“, sagte er mit
klarer Stimme, „wenn man beweisen kann, dass entweder ANS-Re-
porter, vielleicht sogar Marnie Salloway oder, schlimmer noch, Gra-
ham Boyle ihre Finger da drin haben, dann hat der NCN seinen ei-
genen Knüller.“

„Wenn es so ist“, sagte Nadine skeptisch, „und wenn wir es be-

weisen können. Und wenn wir es beweisen können, bevor jemand
anderer mit der Geschichte kommt.“

„Sie sind darin verwickelt“, sagte Liam mit Überzeugung. „Und

der Hackerangriff auf das Wahlkampfbüro ist nur die Spitze des
Eisbergs.“

„Und ich würde einiges wetten, dass Marnie ihre Finger in dieser

Sache hat“, fügte Max hinzu.

145/171

background image

„Dann muss es ja stimmen!“, sagte Nadine sarkastisch. „Aber die

Eleanor-Story ist eine sichere Sache. Wenn wir sie finden, haben
wir bereits eine gute Geschichte im Sack.“ Sie sah Liam an. „Nach
Fields ist sie irgendwohin gegangen. Und selbst wenn sie tot ist,
muss sie irgendwo gestorben sein.“

„Okay, ich kümmere mich darum.“ Liam musste die

Entscheidung akzeptieren.

Dann wandte Nadine sich an Max. „Wir haben Lynn Larson ein-

en großen Gefallen getan.“

„Ich glaube eher, dass Lynn Larson uns einen großen Gefallen

getan hat.“ Schließlich hätte die Pressesekretärin jeden anderen
Sender anrufen und ihm ein Interview mit Ariella zusagen können.

„Du gehst ins Weiße Haus und sprichst mit ihr.“
Sofort musste Max an Cara denken. Sie schien ihm aus dem Weg

zu gehen, seit sie wieder in Washington war. Er wusste, dass die
gesamte Presseabteilung sich darum bemühte, den Präsidenten
nicht weiter in den Umfragewerten absinken zu lassen. Sie hatte
also sicher sehr viel zu tun. Dennoch hätte sie zurückrufen können.
Er hatte schließlich ein halbes Dutzend Nachrichten auf ihrem An-
rufbeantworter hinterlassen.

Sie fehlte ihm mehr, als er sich vorgestellt hatte. Das Gute an

dem Auftrag war, dass er die Chance hatte, Cara wiederzusehen.

„Okay. Was soll ich sie fragen?“
Nadine stand auf. „Du bist doch der Reporter. Dir wird schon was

einfallen.“ Und damit war sie aus der Tür, wieder gefolgt von ihrer
Sekretärin.

Die drei Männer warteten genau eine Minute.
„Wie weit können wir gehen, wenn wir die ANS-Geschichte auf

eigene Faust verfolgen?“, fragte Jake.

„Ich würde sagen, bis zur eindeutigen Befehlsverweigerung“,

meinte Max lächelnd.

Liam grinste. „Was wir nach unseren offiziellen Dienststunden

machen, ist doch unsere Sache.“

146/171

background image

„Ich bin dabei.“ Max wusste, dass er Cara am besten helfen kon-

nte, wenn der Skandal aufgedeckt würde, der sie tags und sicher
auch nachts beschäftigte. Wenn sie beweisen konnten, dass sich der
ANS gesetzwidrig verhalten hatte, dann würde die Aufmerksamkeit
der Öffentlichkeit vom Präsidenten abgelenkt und auch der Presse-
und PR-Abteilung mehr Luft verschafft. Damit würde er sich in den
kommenden langen Arbeitstagen trösten.

Cara blieb vor dem größten TV-Schirm in Lynns Büro stehen. Was
war das?

„Neue Entwicklungen in dem Skandal, der die Beliebtheit des

Präsidenten dramatisch sinken lässt“, sagte eine hübsche blonde
TV-Moderatorin, die vor dem Tor des Weißen Hauses stand.
„Madeline Schulenburg, eine sechsundvierzigjährige Frau, die in
Doublecreek aufwuchs, einem Ort, der nur zwei Stunden von
Fields, dem Heimatort von Präsident Morrow entfernt liegt, be-
hauptet, dass der Präsident der Vater ihres achtundzwanzigjährigen
Sohnes sei.“

Cara legte ihren Bericht über den Aufenthalt in Los Angeles auf

Lynns Schreibtisch. „Das war ja zu erwarten.“

„Dass sich plötzlich alle möglichen Frauen melden?“ Lynn drehte

sich in ihrem Schreibtischsessel zu Cara um.

„Daran ist doch kein Wort wahr, oder?“
„Ich weiß nicht mehr, was wahr ist“, sagte Lynn seufzend.
„Es kann einfach nicht stimmen.“ Obgleich Cara selbst nicht ganz

davon überzeugt war. Warum sollte es nicht zwei illegitime Kinder
geben? Oder drei? Oder vier? „Hast du schon mit dem Präsidenten
gesprochen?“

„Nein, das muss ich jetzt.“ Lynn stand auf und nahm ein paar

Aktenordner vom Schreibtisch. „Mr Präsident“, murmelte sie vor
sich hin. „Es geht um Madeline Schulenberg. Können wir über Ihr
Sexleben sprechen? Noch einmal?“

147/171

background image

„Dann nimmt das Weiße Haus die Sache ernst?“, kam eine tiefe

Stimme von der offenen Tür.

Lynn sah hoch, und Cara drehte sich überrascht um. Max.
„Wer hat Sie denn hereingelassen?“, fuhr Lynn ihn sofort an.
Cara starrte ihn an wie eine Erscheinung. Sie arbeitete rund um

die Uhr, seitdem sie aus Los Angeles zurück war, und trotzdem
musste sie immer an Max denken. Er fehlte ihr ganz fürchterlich.
Und sie hatte große Angst vor der Zukunft.

„Ich habe einen Termin“, sagte Max fröhlich.
„Den sollte Sandy doch absagen.“ Lynn runzelte verärgert die

Stirn.

„Stimmt es? Gibt es noch ein uneheliches Kind? Geht das Weiße

Haus davon aus, dass noch mehr auftauchen?“

„Verschwinden Sie, Max“, sagte Lynn müde.
„Dann kann ich Sie mit ‚kein Kommentar‘ zitieren?“
Lynn richtete sich auf und sah Max wütend an. „Cara, würdest du

bitte diesen liebenswürdigen Reporter nach draußen begleiten?“

Jetzt erst kam wieder Leben in Cara. „Ja.“ Sie ging auf Max zu.

„Selbstverständlich. Kommen Sie bitte mit.“ Sie wies auf den Flur.

„Was ist denn los?“, flüsterte er ihr ins Ohr.
„Geh!“, brummte sie.
Sie und Max gingen den Flur hinunter, während Lynn zum Oval

Office abbog. Bevor Cara wusste, wie ihr geschah, hatte Max sie in
ihr eigenes Büro geschoben.

„Was soll das, Max?“, schrie sie leise auf und drückte ihren gel-

ben Schreibblock auf die Unterlagen, die auf dem Schreibtisch la-
gen. Dann schob sie die Schubladen zu, in denen die Hänger aufbe-
wahrt wurden.

„Sag doch was, Cara.“
Sie wandte sich zu ihm um. „Ich habe nichts zu sagen.“
„Wenn da nun noch mehr Kinder …“
„Unmöglich“, sagte sie fest.
„Du lügst.“ Er beobachtete sie genau.

148/171

background image

Sie fühlte, wie ihr Herz schneller schlug und sie eine Erregung er-

fasste, die nichts mit dem Präsidenten zu tun hatte.

Max kam einen Schritt näher.
Cara hob abwehrend die Hand. „Lass das.“
„So so.“ Er lächelte amüsiert und kam noch näher. „Entweder

lügst du, weil der Präsident noch mehr Kinder hat. Oder weil du
überhaupt nichts weißt.“

„Du musst jetzt gehen, Max.“ Sie sollten nicht über den Präsiden-

ten sprechen, und sie durfte nicht mit Max allein sein. Denn selbst
jetzt, mitten in einer den Staat erschütternden Krise, sehnte sie sich
danach, sich Max in die Arme zu werfen.

Er senkte die Stimme. „Ich muss dich unbedingt sprechen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist nicht möglich.“
„Nicht hier. Später. Heute Abend. Bei dir.“
„Nein. Ich muss heute Abend arbeiten. Und auch morgen

Abend.“ Wahrscheinlich immer in der nächsten Zeit.

„Irgendwann musst du auch mal schlafen.“
„Nicht mit …“ Sie stockte gerade noch rechtzeitig.
Seine grünen Augen schienen kurz aufzuleuchten. „Mit mir fände

ich natürlich besonders schön.“

Sie machte ein paar Schritte zurück, aber stieß sehr schnell an

ihren Schreibtisch. „Das ist nicht komisch.“

„Das soll es auch nicht sein. Ich sehne mich so nach dir, Cara.“

Wieder machte er einen Schritt vorwärts.

Verzweifelt versuchte sie, ihre Gefühle für Max zu unterdrücken.

Sie durfte ihn nicht begehren. Sie durfte ihn noch nicht einmal ber-
ühren oder mit ihm sprechen, ja, ihn nicht einmal sehen. „Du hast
es mir versprochen“, stieß sie leise hervor und sah ihm direkt in die
Augen.

„Ich möchte doch nur mit dir reden.“
„Du lügst.“
„Stimmt.“

149/171

background image

Draußen waren Stimmen zu hören, und Cara glitt schnell an Max

vorbei.

Als sie sah, dass er ungeniert auf ihren Schreibtisch starrte,

wurde sie wütend. Das half. „Du bist hinter der Story her“, fuhr sie
ihn an.

„Ja“, gab er zu.
„Raus aus meinem Büro, aber schnell! Sonst hole ich den

Sicherheitsdienst.“

Das wirkte. Er machte einen Schritt rückwärts. „Ich rufe dich an.“
„Ich lege gleich wieder auf.“
„Ich versuche es trotzdem.“ Damit drehte er sich um und ging.
Cara griff nach der Schreibtischkante, um das Gleichgewicht

nicht zu verlieren, und atmete ein paarmal tief durch. Offensicht-
lich hatte sie große Schwierigkeiten, Max zu widerstehen. Und
genauso offensichtlich war, dass Max sich nicht von ihr fernhalten
würde.

Sie ließ sich in ihren Schreibtischsessel fallen und starrte

minutenlang auf den Computerschirm, ohne etwas zu sehen. Dann
raffte sie sich auf und klickte die Website der Personalabteilung an.
Daraufhin suchte sie nach offenen Stellen in den Presseabteilungen
der amerikanischen Botschaften.

Zu ihrer großen Überraschung wurde tatsächlich jemand für die

Botschaft in Australien gesucht.

Nachdem sie sich in den Bergen bei Los Angeles geliebt hatten, war
Max optimistisch gewesen, dass er und Cara vielleicht doch eine
Möglichkeit finden könnten, zusammen zu sein. Dieser Optimismus
verflüchtigte sich total, als er nach der Auseinandersetzung mit ihr
das Weiße Haus verließ. Sie hörte einfach nicht zu, wenn er ihr
Vorschläge machte, sie würde ihrer Beziehung nie eine Chance
geben. Da sie für sich beschlossen hatte, dass es nicht möglich war,
war sie auch nicht bereit, Möglichkeiten auszuprobieren.

150/171

background image

Er konnte nichts anderes tun, als sie sich entweder aus dem Kopf

zu schlagen oder vier Jahre zu warten. In diesen vier Jahren müsste
er gegen den Präsidenten Stimmung machen, sodass er auf keinen
Fall wiedergewählt wurde. Dann wäre Cara nach der nächsten Wahl
frei. Aber vier Jahre warten? Das würde er wohl kaum schaffen.

Er ließ sich auf den Fahrersitz seines Mustangs fallen und zog

sein Smartphone aus der Tasche. Schluss mit den Gefühlen für
Cara, die ihn immer wieder von dem abgehalten hatten, was eigent-
lich seine Aufgabe als Reporter war. Schnell tippte er die Adresse in
Georgetown ein, die sie auf dem gelben Notizblock notiert hatte. In
weniger als einer Stunde wollte sie sich da mit jemandem treffen.

Er ließ den Motor an und musste auch die Heizung aufdrehen,

denn es war kalt an diesem grauen Januartag. Die Adresse gehörte
zu einem Ärztehaus, genauer zu einer Frauenarztpraxis. Die, wie er
schnell herausfand, schon seit dreißig Jahren existierte.

Suchte sie da nach näheren Hinweisen auf uneheliche Kinder des

Präsidenten? Aber hier in Washington? Das lag wohl etwas zu weit
von Montana entfernt. Vielleicht hatte der Arzt früher in Montana
praktiziert? Oder eine der Mütter wohnte jetzt in Washington? Es
war bekannt, dass Eleanor Fields verlassen hatte, als sie schwanger
war. Er rief Jake an.

„Ja?“
„Du, Jake, ich habe hier etwas, was uns zu einer Spur führen

könnte.“

„Zu Eleanor?“
„Nicht unbedingt. Ich denke eher an die Gerüchte von weiteren

unehelichen Kindern des Präsidenten. Lynn Larson schien ziemlich
von der Rolle zu sein.“

„Und? Was kann ich tun?“
„Ich fahre nach Georgetown zu einer Frauenarztpraxis. Ich will

die Leute nicht verschrecken, indem wir da gleich mit einer Kamera
auftauchen. Aber es wäre gut, wenn du dich dort in der Nähe auf-
hältst. Vielleicht ist ja einer der Ärzte bereit zu reden.“

151/171

background image

„Mach ich. Ich sitze hier mit Liam, aber wir sind gleich fertig.

Kannst du mir die Adresse schicken?“

„Ja, mach ich gleich.“ Max beendete das Gespräch, schickte Jake

die Adresse und fuhr los. Es war viel Verkehr, und er brauchte
länger, als er gedacht hatte. Aber schließlich hielt er vor dem Ärzte-
haus, vergewisserte sich, dass es die richtige Hausnummer war,
und parkte eine Straße weiter. Auf dem Weg zurück zum Eingang
sah er Cara, die gerade aus einem Taxi stieg. Er blickte auf die Uhr.
Sie war eine Viertelstunde zu früh.

Er folgte ihr in einem gehörigen Abstand. Die Frauenarztpraxis

war im sechsten Stock am Ende eines langen Flurs. Cara war
bereits vor einigen Minuten in der Praxis verschwunden, als Max
vorsichtig die Doppeltür mit den Milchglasscheiben öffnete und in
das Wartezimmer trat.

Drei sehr schwangere Frauen lasen in Elternzeitschriften, zwei

saßen da mit ihren Babys auf dem Schoß, und alle fünf sahen Max
erstaunt an. Er lächelte verlegen und ging schnell zur Anmeldung
vor, wo eine junge Frau ihn freundlich anlächelte.

„Ja, bitte?“
Max zögerte kurz. Wonach sollte er fragen? Offenbar teilten sich

vier Frauenärzte diese Praxis, zumindest stand das auf einem
Schild oberhalb des Empfangsbereichs. „Ich … äh …ich bin hier we-
gen Caroline Cranshaw. Leider habe ich vergessen, bei welchem
Arzt sie in Behandlung ist.“

„Ach, dann sind Sie der Vater!“ Die junge Frau strahlte ihn an.

„Sie ist gerade bei Dr. Murdoch. Sie können gern hineingehen. Ein-
fach den blauen Flur entlang. Dr. Murdochs Name steht an der
Tür.“

Max war schockiert. Nie hätte er geglaubt, dass Cara so weit ge-

hen würde. So zu tun, als sei sie schwanger, nur damit sie mit
Frauenärzten ins Gespräch kam. Das waren ja Undercover-Meth-
oden. Himmel, sie war doch eine PR-Frau und kein Privatdetektiv!

152/171

background image

„Immer geradeaus“, sagte die junge Frau freundlich, als Max im-

mer noch wie festgewurzelt dastand. „Den blauen Flur entlang.“

„Danke.“ Er löste sich aus der Erstarrung und ging. Cara war

sicher sauer, aber das durfte ihn nicht mehr stören. Er hatte auch
einen Job zu erledigen. Und sie hatte es mehr als klargemacht, dass
sie mit ihm nichts zu tun haben wollte.

Vor der Tür von Dr. Murdoch blieb er kurz stehen, dann klopfte

er und öffnete unmittelbar danach die Tür. Überrascht sah der Arzt,
der wahrscheinlich in den Fünfzigern war, ihn an, und Cara drehte
sich um. Sie riss die Augen auf und wurde weiß wie die Wand.

„Hallo, Darling“, begrüßte Max sie fröhlich und schloss die Tür

hinter sich. Wenn sie ihn anlog, sollte er keine Skrupel haben, es
auch zu tun. Wenn er so tat, als sei er der Vater, würde sie es nicht
abstreiten können, ohne sich zu blamieren.

Der Arzt sah Cara kurz an, dann richtete er den Blick wieder auf

Max.

Max trat auf ihn zu und reichte ihm die Hand. „Ich bin Max Gray.

Tut mir leid, dass ich zu spät komme.“ Er küsste Cara kurz auf den
Scheitel und setzte sich dann auf den zweiten Besucherstuhl neben
ihr.

„Max“, stieß sie mit Mühe hervor, „woher wusstest du, dass ich

hier bin?“

Er lächelte zärtlich und strich ihr über die Hand. „Du hast mir

doch von dem Termin erzählt. Ich weiß, ich vergesse eine ganze
Menge, aber das hier ist einfach zu wichtig.“

Sie schlug die Augen nieder und versuchte, ihre totale Verwir-

rung vor Dr. Murdoch zu verbergen. Doch der achtete momentan
nicht auf sie.

„Sie sind Max Gray von After Dark?“, fragte er neugierig.
„Ja.“
„Freue mich, Sie kennenzulernen. Ich habe gerade zu Caroline

gesagt, dass alles glattgehen wird. Sie hat das richtige Alter für ihr
erstes Kind. Ich habe ihr ein paar Vitamine verschrieben, und wir

153/171

background image

werden hin und wieder eine Blutuntersuchung machen. Ansonsten
kann sie den nächsten Monaten ruhig entgegensehen.“

Max sah Cara gespannt an. Wie lange würde sie diese Komödie

noch aufrechterhalten? Und wie wollte sie von der falschen Sch-
wangerschaft auf Fragen zu sprechen kommen, die mögliche une-
heliche Kinder des Präsidenten betrafen? Sie hatte den Kopf wieder
gehoben und starrte Max unablässig und wie unter Schock an.

„Cara?“ Er wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum.
Keine Reaktion.
„Caroline?“ Der Arzt stand auf, kam um den Schreibtisch herum

und nahm eine ihrer Hände. „Was ist los?“

„Woher weißt du es?“, flüsterte sie tonlos.
Etwas stand in ihren Augen, das ihn tief ins Herz traf. Ihn

schwindelte. Nein, nein, das kann nicht sein … Er starrte den Arzt
an, dann Cara, dann wieder den Arzt. „Haben Sie den Schwanger-
schaftstest hier in der Praxis gemacht?“, fragte er.

„Selbstverständlich“, sagte Dr. Murdoch. „Die Tests, die man zu

Hause machen kann, sind nicht immer korrekt. Ich schätze,
Caroline ist in der siebten Woche.“

Cara war schwanger.
Und sie hatte nur mit ihm geschlafen. Das hatte sie klar gesagt.

Sie erwartete sein Kind. Er wurde Vater.

Der Boden unter ihm schien nachzugeben, und er fiel fast vom

Stuhl. Mit Mühe stand er auf und wies auf die Tür. „Ich gehe schon
mal … ich treffe dich dann …“ Noch ein Blick auf Caras blasses
Gesicht, und er verließ das Büro. Wie in Trance ging er durch das
Wartezimmer und bemerkte nicht die erstaunten Blicke. Er konnte
nicht mehr klar denken und steckte in einem Gefühlswirrwarr, wie
er es noch nie erlebt hatte.

Er war in Caras Privatsphäre eingedrungen, gegen ihren Willen,

und das war unverzeihlich. Aber sie hatte ihn angelogen. Sie hatte
ihm nichts gesagt. Und er wurde Vater …

154/171

background image

Während er auf den Fahrstuhl wartete, formte sich ein Gedanke

immer deutlicher in seinem Kopf. Er war in keinerlei Hinsicht da-
rauf vorbereitet oder gar in der Lage, Vater zu werden beziehungs-
weise zu sein. Das hatte er Cara immer unmissverständlich
klargemacht.

Als Cara die Tür ihres Apartments öffnete und ihre Schwester be-
grüßte, bemühte sie sich, ein fröhliches Gesicht zu machen. „Du
kannst doch nicht jedes Mal in deinen Jet springen und hier-
herkommen, wenn mein Leben mal nicht so ganz glatt läuft.“

„Nicht so ganz glatt läuft ist ja wohl die Untertreibung des

Jahres.“ Gillian umarmte die Schwester herzlich. „Es ist eine
Katastrophe.“

Cara wies nach oben und flüsterte: „Ariella und Scarlet sind hier.“
„Wissen sie Bescheid?“
Cara wollte schon den Kopf schütteln, da erschien Ariellas

lächelndes Gesicht oben am Geländer der Wendeltreppe. „Worüber
sollen wir Bescheid wissen?“ Dann zeigte sich auch Scarlets Kopf an
der Treppe. Scarlet war eine gute Freundin von Cara, die sie seit
Jahren kannte.

„Du solltest es ihnen ruhig sagen“, meinte Gillian, schloss die Tür

und zog ihren Mantel aus.

„Was denn?“ Ariella kam die Treppe herunter.
„Ich habe mich um einen Job an der Botschaft in Australien

beworben.“

„Aber warum das denn?“ Ariella war fassungslos.
Gillian sah Cara auffordernd an, und als die Schwester schwieg,

sagte sie: „Weil sie schwanger ist.“

„Ach du Schreck.“ Ariella fiel von einer Ohnmacht in die andere.
„Jetzt kommt endlich rauf und erzählt, was los ist“, rief Scarlet

von oben.

„Sie hat recht.“

155/171

background image

Die drei stiegen nach oben, und als alle sich gesetzt hatten, sagte

Cara: „Ja, es stimmt, ich bin schwanger.“

„Aber warum musst du dann nach Australien?“ Scarlet verstand

überhaupt nichts mehr.

„Weil sie weit weg von dem Vater sein will“, sagte Gillian ruhig.
„Ist er widerlich? Wer ist es?“, wollte Ariella wissen.
„Max Gray.“ Cara hatte beschlossen, den Freundinnen nichts

mehr zu verheimlichen. Sie wusste, sie konnte ihnen vertrauen.

„Echt?“ Scarlet blieb vor Ehrfurcht der Mund offen stehen. „Der

ist doch toll!“

„Ja, aber er will keine Kinder. Außerdem ist er Reporter, und ich

arbeite fürs Weiße Haus. Das passt nicht zusammen.“

„Aber, Cara, als Vater muss er doch Verantwortung überneh-

men!“ Ariella war empört.

„Einen solchen Vater möchte ich meinem Baby nicht zumuten. Er

weiß es seit drei Tagen und hat sich nicht gemeldet. Deutlicher
kann er sein Desinteresse nicht zeigen. Ich muss weg hier.“

„Aber du kannst uns doch nicht einfach verlassen.“ Scarlet war

den Tränen nahe.

„Und wenn du die Schwangerschaft in Zukunft nicht mehr ver-

heimlichen willst, dann kannst du doch auch hier bleiben. Kündige
deinen Job im Weißen Haus, und such dir einen anderen.“

„Ich weiß nicht …“, sagte Cara unsicher.
„Du kannst sofort bei mir anfangen“, drängte Ariella. „Du kannst

die meiste Zeit von zu Hause aus arbeiten und unsere verschieden-
en Termine koordinieren.“

„Hm …“ Der Vorschlag hatte seine Vorteile. Sie hatte nichts mehr

mit dem Weißen Haus zu tun und mehr Zeit für ihr Kind. Aber Max
lebte auch in Washington. Sie würde immer an ihn denken müssen
und Angst vor jeder Begegnung haben. Denn ihn zu sehen und zu
wissen, dass er sie und ihr Baby nicht wollte, war zu qualvoll.

„Liebst du ihn?“, fragte Scarlet leise.
„Nein“, sagte Cara.

156/171

background image

„Ja“, sagte Gillian.
„Nein, ich liebe ihn nicht.“ Cara warf der Schwester einen schar-

fen Blick zu. „Ich bin schwanger von ihm und bin sexuell von ihm
angezogen. Das ist alles.“

„Das ist schon eine ganze Menge“, meinte Ariella lächelnd, wurde

dann aber wieder ernst. „Aber noch etwas anderes, Cara. Bitte, ver-
lass mich nicht, nicht in dieser Situation. Du kennst diesen ganzen
Politikbetrieb und musst mir helfen.“

„Dann bist du Morrows Tochter?“ Cara sah die Freundin ver-

ständnisvoll an.

„Ich fürchte, ja.“
Ariella hat recht, das musste Cara zugeben. Sie brauchte sie. Und

ihr wurde auch klar, dass sie nach Washington gehörte. Alle ihre
Freunde lebten hier, es war ihre Stadt. „Okay, ich bleibe.“ Wer weiß,
vielleicht gab ihr auch das Baby die Kraft, sich innerlich von Max zu
lösen.

157/171

background image

11. KAPITEL

Max saß an einem Holztisch im O’Donnovan’s, einem Irischem
Pub, und starrte den Freund düster an, der ihm gegenübersaß.

„Ich kann nicht glauben, dass du sie noch nicht angerufen hast“,

sagte Jake. „Es ist doch schon drei Tage her.“

„Das geht dich nichts an.“
„Doch, ich bin dein Freund.“
„Freunde müssen wissen, wann sie den Mund zu halten haben.“
„Eben nicht.“
„Was soll ich denn zu ihr sagen?“ Max strich sich verzweifelt

durchs Haar. „Soll ich ihr Geld anbieten? Ich will kein Kind. Ich
wäre ein schrecklicher Vater.“

„Das hast du schon hundertmal gesagt. Wie kommst du darauf?“
„Ich mag keine Kinder. Ich habe einen gefährlichen Beruf, bei

dem ich leicht ums Leben kommen kann. Mein Vater war alles an-
dere als ein Vorbild. Ich bin genetisch vorbelastet.“

„Ja ja“, sagte Jake gelangweilt, „das weiß ich ja alles. Aber du

musst trotzdem mit ihr sprechen.“ Er hob den Kopf und sah den
Freund eindringlich an. „Wenn du ihr nichts anderes anzubieten
hast, dann biete ihr Geld an, damit sie ihr Kind ohne Vater
aufziehen kann. Aber sieh ihr dabei in die Augen, Max. Sei ehrlich,
und sag ihr, dass das alles ist, was du für sie und das Kind tun
willst.“

Max krümmte sich zusammen. Jakes Worte trafen ihn wie Dolch-

stöße ins Herz. Ein Schatten fiel auf den Tisch, und er hob den
Kopf. Gillian. Ob Cara bei ihr war? Schnell sah er sich um. Nein …

„Hast du mit ihm gesprochen?“, fragte Gillian Jake.
„Ja.“
„Dann hast du das in ihrem Auftrag getan?“ Max war empört.

background image

„Warum nicht?“, nahm Gillian die Antwort vorweg. „Du tust

meiner kleinen Schwester sehr weh.“

„Ich weiß.“
„Dann mach was dagegen.“
„Das kann ich nicht.“
„Cara hat vor, nach Australien zu gehen, damit du ihr und dem

Baby nicht begegnen musst.“

Wieder ein Dolchstoß. Aber vielleicht war das die richtige

Entscheidung. Sie würde gut für das Baby sorgen, und sein Leben
konnte weitergehen wie bisher. „Wann?“, fragte er nur. Aber war-
um wollte er das wissen? Vielleicht weil Jake recht hatte. Weil er es
ihr schuldig war, ihr Rede und Antwort zu stehen. Aber wenn er ihr
nur Geld anzubieten hatte, sollte er das wirklich persönlich tun?
Und würde sie ihm überhaupt zuhören?

Da Cara Gillian erwartete, trat sie erschreckt einen Schritt zurück,
als sie die Tür öffnete und Max vor ihr stand. Mit ihm wollte sie
sich jetzt wirklich nicht auseinandersetzen müssen. Aber er sah
genauso müde und ausgelaugt aus, wie sie sich fühlte.

„Wir müssen miteinander sprechen, Cara“, sagte er leise und

wirkte wie ein Mann auf dem Weg zum Schafott.

„Es gibt nichts zu reden.“ Sie verschränkte die Arme vor der

Brust, fest entschlossen, das Gespräch so kurz wie möglich zu
halten.

„Aber du bist schwanger.“ Dabei sah er so entsetzt aus wie an

dem Tag, als die Lawine zuschlug.

„Ja, das stimmt. Und ich freue mich darüber. Ich habe auch

schon Pläne gemacht.“

„Ich weiß. Von Gillian. Kann ich hereinkommen?“
„Wirklich, Max, ich weiß nicht … na gut, komm rein.“
Sofort trat er ein, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich

dagegen. „Es tut mir so leid“, begann er und warf einen Blick auf
ihren Bauch.

159/171

background image

„Mir nicht.“
„Es tut mir leid, dass ich da so bei dem Arzt hereingeplatzt bin.

Das hätte ich nicht tun sollen. Aber du hättest mir auch sagen
können, dass du schwanger bist.“

„So? Glaubst du nicht, dass es besser wäre für dich, es nicht zu

wissen? So hast du doch nur ein schlechtes Gewissen. Denn es hat
deine Einstellung zu Kindern nicht verändert. Und auch nicht deine
Abscheu davor, Vater zu sein.“

„Dann wolltest du das Kind tatsächlich immer von mir fernhal-

ten? Einfach abhauen und mich verlassen?“

„Dich verlassen? Wie kann ich dich verlassen, Max? Wir waren

doch nie richtig zusammen. In unserer Beziehung war von Anfang
an der Wurm drin.“ Und so würde es auch bleiben, wenn sie nicht
mehr im Weißen Haus arbeitete, die unterschiedlichen Berufsin-
teressen also keine Rolle mehr spielten. Denn Max wollte kein
Vater sein. Und da sie eine Mutter sein würde, würden sie nie
zusammenkommen können.

Er hob die Hand, und Caras Herz schlug schneller. Doch dann

ließ er sie wieder sinken, ohne sie gestreichelt zu haben.

„Was willst du, Max?“, fragte sie knapp.
„Ich habe Geld. Ich meine, du und das Baby, ihr braucht euch

keine finanziellen Sorgen zu machen.“

Das war wie ein Schlag ins Gesicht, doch sie nahm sich zusam-

men. „Danke.“

Er runzelte die Stirn, als sei er mit dieser Antwort nicht zu-

frieden. „Ich kann wahrscheinlich nicht mit dir zusammen sein,
aber ich werde dafür sorgen …“

Er stockte, und sie wartete ein paar Sekunden. „Danke“, sagte sie

dann wieder.

Er schüttelte den Kopf, als begreife er gar nichts mehr. Dann ging

er erregt in dem kleinen Vorraum auf und ab. „Mehr hast du nicht
dazu zu sagen?“

„Was erwartest du denn von mir?“

160/171

background image

Er blieb vor ihr stehen. „Ein Idiot bietet dir lediglich Geld an und

erwartet, dass du sein Baby allein aufziehst. Und du sagst nichts an-
deres als ‚danke‘?“

„Bist du wütend auf mich?“
„Allerdings!“
„Warum?“ Er hatte kein Recht, wütend zu sein. Sie versuchte, es

für ihn so einfach wie möglich zu machen. Wenn jemand wütend
sein könnte, dann war sie es.

„Bedank dich nicht bei mir, Cara! Sag mir, dass es schäbig ist, dir

Geld anzubieten und sonst nichts! Hau mir eine runter! Sei wütend!
Und sag mir, was du von mir erwartest.“

„Nichts, Max, ich erwarte nichts von dir. Wir brauchen dein Geld

nicht, ich will keine Almosen. Das Baby und ich werden gut
zurechtkommen, auch ohne dich.“

„Ohne mich?“
„Ja.“
Er senkte den Kopf und ließ die Schultern hängen. „Aber versteh-

st du denn nicht“, sagte er kraftlos und verzweifelt, „wenn ich dich
im Stich lasse, dann bin ich nicht besser als mein Erzeuger.“

Das war es also … „Das ist kein Grund zu bleiben“, sagte sie mit

fester Stimme.

Sie blickten sich schweigend in die Augen. Dann griff Max nach

ihrer Hand, und sofort spürte sie die Wärme bis in die Fußspitzen.
„Ich liebe dich, Cara“, flüsterte er. „Wäre das für dich ein aus-
reichender Grund zu bleiben?“

Cara starrte ihn sprachlos an.
Er hob ihre Hand und küsste sie auf die Handfläche. „Ich liebe

dich so sehr, dass ich meine Gedanken nur schwer zusammenhal-
ten kann. Und ich bedaure so sehr, dass mir das erst jetzt bewusst
geworden ist.“

„Max, was soll das? Weißt du, was du da sagst?“
„Ja, das wenigstens weiß ich genau. Ich lasse dich nicht gehen,

niemals. Dich nicht und das Baby nicht.“

161/171

background image

Sprach er von der Zukunft? „Aber du möchtest doch kein Kind.“
„Theoretisch nicht. Aber du bist keine Theorie und unser Baby

auch nicht. Also habe ich meine Meinung geändert.“

„In den letzten zwei Minuten?“
„Ja, nenne es eine Erleuchtung, wenn du willst. Mir ist klar ge-

worden, dass ich dich liebe, von ganzem Herzen.“

„Aber …“
Er legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Ich war blind und ver-

nagelt. Und ein Idiot. Und ich muss dich jetzt küssen.“

Cara konnte es immer noch nicht ganz begreifen. „Sagst du damit

das, was ich glaube, dass du sagst?“

„Wenn du glaubst, dass ich sage, ich liebe dich, ich werde dich

nie verlassen, ich freue mich auf unser Baby, und ich werde dich
gleich küssen, dann sage ich das, was du glaubst, dass ich sage.“

„Küss mich, Max.“
Er zog sie an sich und flüsterte: „Und nach dem Kuss erwarte ich,

dass du mir eine Liebeserklärung machst.“

Sie lachte, schlang ihm die Arme um den Hals und schloss die

Augen. Und er beugte sich vor und strich erst mit den Lippen über
ihren Mund, dann drang er mit der Zunge vor, und sie öffnete sich
ihm bereitwillig. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt! Sie er-
widerte seinen Kuss mit Leidenschaft und spürte, wie das Leben
und die Lust in sie zurückkehrten und sie bis in die Zehenspitzen
wärmten.

Als er schließlich den Kopf hob und sie erwartungsvoll ansah,

lachte sie leise. „Ja, Max Gray, ich liebe dich auch von ganzem
Herzen.“

„Gott sei Dank.“ Max grinste und strich ihr das Haar aus der

Stirn. „Dann wird es dir ja auch leichter fallen, mich zu heiraten.“

Als sie ihn fassungslos ansah, fügte er hinzu: „Ich habe noch

keinen Ring, aber der lässt sich schnell besorgen. Ich liebe dich und
unser Baby. Und ich verspreche dir, dass ich mich nach einer an-
deren journalistischen Aufgabe umsehen werde. Kriegsgebiete und

162/171

background image

hungrige Krokodile werde ich in Zukunft meiden. Denn ich will für
euch da sein.“

Sie konnte es kaum glauben. Ein Traum, den sie noch nicht ein-

mal gewagt hatte zu träumen, war wahr geworden.

„Allerdings unter einer Bedingung“, sagte er ernst.
„Und die wäre?“ Cara sah ihn ängstlich an.
„Ich möchte heute Nacht hier bei dir bleiben.“
Lachend warf sie ihm die Arme um den Hals. „Nichts lieber als

das.“

Einige Tage später saßen Cara, Max, Gillian und Jake zusammen,
um Gillians Abschied zu feiern, die wieder nach Seattle zurück-
kehren musste. Das Essen war sehr gut gewesen, und sie warteten
auf den Nachtisch.

Als der Kellner mit einer üppigen Mousse au Chocolat kam, die

mit Walderdbeeren, Sahne und einer Spirale aus weißer und dunk-
ler Schokolade gekrönt war, lief Cara das Wasser im Mund zusam-
men. Sie hatte immer noch einen sehr gesunden Appetit, und Max
sah schmunzelnd zu, wie sie den Dessertlöffel nahm und anfing zu
essen.

Da, was war denn das? Der Löffel stieß an etwas Hartes, und erst

jetzt sah Cara, dass ein Ring mit einem großen rosa Diamanten
über die Spirale geschoben auf der Erdbeere lag. Vorsichtig hob sie
ihn ab, sah Max an und flüsterte: „Oh, Max, er ist wunderschön.
Und passt genau zu meinen Ohrringen, die du mir aus Südafrika
mitgebracht hast.“

„Er ist auch aus derselben Quelle“, sagte er lächelnd und griff

nach dem Ring. „Und nun gib mir deine Hand.“ Sie hielt ihm die
linke Hand hin, und er steckte ihr den Ring an den Ringfinger.

Alle Umsitzenden klatschten.
„Aber nun esse ich meinen Nachtisch“, sagte Cara entschlossen.
„Können wir danach gehen?“, flüsterte Max ihr ins Ohr und

blickte auf seine Uhr.

163/171

background image

„Bis neun müssen wir schon bleiben“, gab sie leise zurück. „Es ist

Gillians letzter Abend.“

Aber Gillian und Jake schienen sich selbst genug zu sein. Max

hörte, wie er ihr erzählte, dass er seine eigene Produktionsfirma für
Dokumentarfilme gründen wollte, er habe genug Geld gespart, und
Max brauche ihn ja nicht mehr, weil er bei NCN einen mehr admin-
istrativen Job übernehmen würde.

„Und wo willst du die Firma ansiedeln?“, fragte Gillian. „In Los

Angeles?“

„Nein, ich habe eigentlich eher an den Norden gedacht. Vielleicht

in Seattle.“

„Das ist aber ein Zufall“, sagte Gillian lachend, „ich wohne in

Seattle.“

„Das ist wirklich ein Zufall.“ Jake grinste sie frech an.
„Wenn du willst, kannst du bei mir wohnen.“
„Das hört sich sehr verführerisch an.“
„Ja, ich habe ein hübsches kleines Apartment über der Garage“,

meinte Gillian schmunzelnd.

„Ich wohne nicht über deiner Garage.“
„Aber es hat einen Blick auf den Pazifik, und du darfst auch den

Pool benutzen.“

„Ich wohne nicht über der Garage.“
„Was willst du denn dann?“, fragte sie kokett. „Hast du andere

Pläne?“

„Allerdings.“ Jake hob ihr Kinn mit dem Zeigefinger an und

küsste sie.

„Jetzt wird es aber doch Zeit für uns zu gehen.“ Max zwinkerte

Cara zu, und als sie nickte, nahm er sie bei der Hand und zog sie
vom Stuhl hoch. Nach einem letzten Blick auf das verliebte Paar
verließen sie das Restaurant.

Im Wagen schmiegte Cara sich an Max. „Ich bin so wahnsinnig

glücklich. Wir werden ein wunderbares Leben haben, wir und das
Baby.“

164/171

background image

Er küsste sie zärtlich auf die Stirn. „Und ich verspreche dir, ich

werde mich bemühen, ein guter Vater zu sein. Ich werde Bücher
lesen und Kurse nehmen und …“

Lachend richtete sie sich auf und küsste ihn zärtlich auf den

Mund. „Du brauchst keine Bücher und keine Kurse. Du wirst ein
wunderbarer Vater sein, Max. Du brauchst nichts weiter zu tun, als
unser Baby zu lieben.“

– ENDE –

165/171

background image

Hat Ihnen dieses Buch gefallen?

Diese Titel von Barbara Dunlop könnten Ihnen auch gefallen:

Barbara Dunlop
Heute verführe ich den Boss

Heute Nacht oder nie! Auf der Party im ex-
klusiven Texas Cattleman’s Club will Jenny
ihren Boss Mitch verführen. Schließlich liebt
sie ihn seit Jahren, während er in ihr nur die
perfekte Assistentin sieht. Im sexy roten
Kleid zieht Jenny die Blicke aller Männer auf
sich - und als Mitch sie im Sportwagen heim-
fährt, kann auch er ihr nicht widerstehen!
Zusammen erleben sie Stunden zügelloser
Leidenschaft. Umso größer ist der Schock,
als Mitch nach der heißen Nacht nichts mehr
von ihr wissen will. Doch Jenny fasst einen
Plan, damit Mitch keinen ihrer Küsse mehr
vergisst …

Zum Titel im Shop >>

Barbara Dunlop
Nachts lockt das Verlangen

Er ist ihr Feind! Aber wie kann er dann nur
so sexy auf sie wirken? Devin versteht sich
selbst nicht. Denn der Milliardär Lucas De-
marco scheint Gefühle nicht zu kennen: Wo
sie ein weiches Herz hat, hat er einen Stein!
Und das Sorgerecht für seine kleine ver-
waiste Nichte, um die Devin sich liebevoll
kümmert, will er sicher nur erstreiten, weil
das Kind Anteile am Familienunternehmen
geerbt hat. Aber das wird Devin verhindern.
Auch wenn das bedeutet, dass sie vorüberge-
hend auf sein Anwesen ziehen muss - wo es
zwischen ihr und ihrem sexy Feind jede
Nacht heißer knistert …

background image

Zum Titel im Shop >>

Harlequin Enterprises GmbH

Valentinskamp 24

20354 Hamburg

167/171

background image

Hat Ihnen dieses Buch gefallen?

Diese Titel aus der Reihe Baccara könnten Sie auch interessieren:

Tessa Radley
Küss mich, und ich bin
verloren

"Clea, ich habe dich so vermisst." Diese
Stimme! Das kann nicht sein! Schockiert wir-
belt Clea herum, ungläubig flüstert sie:
"Brand?" Ist ihr Ehemann wirklich zurück-
gekommen? Brand Noble war ihre große
Liebe, bis er eines Tages plötzlich ver-
schwand und für tot erklärt wurde. Doch der
Mann, der jetzt vor ihr steht, kann nicht
lebendiger sein. Seine stürmischen Küsse
wecken

sofort

wieder

glühend

heiße

Leidenschaft in Clea. Trotzdem droht sie zu
verzweifeln. Im falschen Glauben, Brand für
immer verloren zu haben, hat sie gerade erst
eine schwerwiegende Entscheidung getroffen

Zum Titel im Shop >>

Kathie Denosky
Wie Samt und Seide

Glühend heiße Sommertage in Mission
Creek. Der neue Auftrag für die Agenten El-
ise Campbell und Cole Yardley ist eigentlich
ein Traum, denn sie dürfen in einem exklus-
iven Luxushotel wohnen. Nur einen Haken
hat die ganze Sache: Sie müssen ein
Liebespaar spielen. Sinnliche Versuchung
pur! Bei diesem sexy Typ mit den stählernen
Muskeln kann Elise gar nicht wider

Zum Titel im Shop >>

background image

Harlequin Enterprises GmbH

Valentinskamp 24

20354 Hamburg

169/171

background image

Inhaltsverzeichnis

Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL

background image

@Created by

PDF to ePub


Document Outline


Wyszukiwarka

Podobne podstrony:
Dunlop, Barbara Texas Cattleman Club 03 Heute verfuehre ich den Boss
Dunlop Barbara Przeklęty ślub
4 Dunlop Barbara Prawdziwe szczęście
Dunlop Barbara Oszaleć na jej punkcie
Dunlop Barbara Hudsonowie z Hollywood 03 Dziedzic francuskiej fortuny (Gorący Romans Duo 918)
Dunlop Barbara Miłosne manewry
Dunlop Barbara Dotyk pożądania
Dunlop, Barbara Was fuer ein Mann
871 DUO Dunlop Barbara Przystanek Las Vegas
Connelly, Stacy Eine Affaere ist lange nicht genug
Kobieta z charakterem Barbara Dunlop ebook
Gra pozorów Barbara Dunlop ebook
Ucieczka z wielkiego miasta Barbara Dunlop ebook
Barbara Szumilas Powiat limanowski
Lesetext Kaufen eine Krankheit
No 115 Dunlop Beslan 2004
Psychologia ogólna - ćwiczenia , Szkoła - studia UAM, Psychologia ogólna, Konwersatorium dr Barbara
barbararadziwil
eine medchien

więcej podobnych podstron