Apache Cochise 01 Gefaehrlich wie eine Vipernbiss

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Alexander Calhoun

Gefährlich wie ein Vipernbiß

Apache Cochise

Band Nr. 1

Version 1.0

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Prolog

Als die weißen Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunderts den
Südwesten der USA zu besiedeln begannen, stießen sie auf ein
indianisches Volk, das bereits die Spanier und Mexikaner hatte
teuer dafür bezahlen lassen, daß sie unbefugt in ihre
Jagdgründe eingedrungen waren.

Die etwa ein Dutzend umfassenden Apachen-Gruppen und

Großsippen, am gefürchtetsten die Chiricahua-Apachen,
widersetzten sich der Niederwerfung durch die Weißen mit
allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.

Sie überfielen zunächst Postkutschen, Frachtwagenzüge,

Armeepatrouillen, Farmen, abseits gelegene Ranches und
kehrten anschließend wieder zu ihren Stützpunkten in den
Bergen zurück, den sogenannten »Apacherias«, die bei den
Weißen der damaligen Zeit als uneinnehmbar galten.

Der Widerstand flammte zum blutigsten und grausamsten

Grenzkrieg der Indianergeschichte auf, als Cochise von
Mangas Colorados die Führung der Stämme übernahm.

Cochises Weitblick ließ ihn letztlich erkennen, daß der

Untergang der roten Rasse eine von den Weißen beschlossene
Sache war, die Anspruch erhoben auf alles Land zwischen den
Dragoon Mountains im Südosten, dem Mogollon-Rim im
Westen und der Gran Desierto im Süden.

Cochises Chiricahuas, die Kerntruppe seiner Streitmacht,

blieb im Angesicht der unaufhaltsamen Flut weißer Siedler,
Goldgräber und Desperados nur noch eine Devise: Raube,
ohne erwischt zu werden, töte, ohne getötet zu werden. Ein
Kampf ohne Erbarmen entflammte in den Canyons, Tälern und
Wüsten. Ein Kampf, dessen Schilderung in dieser Serie nicht
die ganze Brutalität wiedergeben kann, wie sie uns die
Geschichte überliefert hat.

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1871 gelang es Cochise, die meisten Stämme der Apachen zu

einer einzigen Widerstandsfront gegen die Eindringlinge aus
Nord und Süd, Weiße und Mexikaner, zu vereinen. Die
blutigsten Massaker auf beiden Seiten waren die Folge.

Auf ihren flinken Ponys überfielen die Krieger in kleinen

Gruppen Wagenzüge und Posthaltereien im Norden, um am
nächsten Tag schon Farmer und Goldgräber im Süden oder
eine Patrouille der Army im Westen anzugreifen.

Militär und Siedler waren macht- und hilflos und ohne eine

Möglichkeit gezielten Widerstandes den ständigen
Apachenangriffen ausgesetzt.

Wenn 1870 General Sherman nach Washington schrieb:

»Wir führten einen Krieg gegen Mexiko, um Arizona zu
bekommen, wir sollten jetzt einen Krieg führen, um dieses Land
wieder loszuwerden«, so kennzeichnen diese Worte die
verzweifelte Hilflosigkeit des Militärs.

Diese nach authentischen Überlieferungen verfaßte Serie soll

dem größten aller indianischen Führer ein Denkmal setzen:
Cochise.

Dem Wirken dieses Mannes und seinem Weitblick für

politische Veränderungen ist es zu verdanken, daß diese Story
mit ihrer ganzen Dramatik wahrheitsnah niedergeschrieben
werden kann.

Unsere Autoren fühlen sich verpflichtet, neben der

Herausstellung der abenteuerlichen Charaktere, die in jener
Zeit Geschichte machten, auch der historischen Wahrheit die
Ehre zu geben.

Nichts soll verschwiegen, nichts hinzugefügt oder entstellt

werden.

Ihr Martin Kelter Verlag

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***

Der Wind frischte auf, als der Reiter von der Mesa
herunterkam zu der Schlucht, die sich am Fuße der Anhöhe
hinzog. Er spähte mit entzündeten Augen zur anderen Seite des
Canyons hinüber, sah aber nichts, was Gefahr für ihn bedeutet
hätte.

Der Reiter sah gut aus. Hochgewachsen und breitschultrig

saß er gerade im Sattel und stemmte die Stiefel mit den kleinen
Radsporen fest gegen die Steigbügel. Mit der Linken hielt er
sich am Sattelhorn fest, die Rechte führte die Zügel.

John Haggerty wußte, daß er nicht allein in der abgelegenen

Bergwildnis war. Abgesehen von den beiden anderen Scouts,
die weiter westlich ritten, folgten ihm Chiricahuas, unsichtbar
und lautlos wie Panther auf der Jagd.

John hielt seinen Wallach mit einem Zungenschnalzen an

und blickte nach Westen in die Sonne hinein. Wie ein
purpurner Gong hing sie über dem Mogollon Rim und drückte
den Tagesdunst tiefer in die Täler.

Von Bill Harwig und Lefty Roman, dem Halbindianer, war

nichts zu sehen. Waren sie von den Apachen weiter nach
Westen abgedrängt worden? Oder hatten sie sich einfach nur
verirrt, darauf hoffend, irgendwann auf eine Schlucht zu
stoßen, die aus dem Gebirge führte?

John lauschte. Es war still hier oben am Mesarand, einfach

zu still, um natürlich zu wirken. Nichts bewegte sich. Es war
direkt unheimlich. Er wußte, was dies zu bedeuten hatte. Er
wußte es nur zu genau. Sie hatten ihn eingeholt und
beobachteten jede seiner Bewegungen aus sicheren Verstecken.

Fünf waren es vermutlich, oder auch mehr. So sicher konnte

man bei Chiricahuas nie sein. Vielleicht noch einmal fünf bei
Harwig und weitere bei Roman. Im günstigsten Falle also 15.

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Die fünffache Übermacht.
John registrierte Bewegung da draußen, aber sie war kaum zu

erkennen. Nach einer Weile konnte er das verstaubte Blau von
Uniformen ausmachen.

Er lächelte. Sie hatten die Patrouille gefunden, die seit zwei

Wochen überfällig war.

Haggerty ritt bis an den Canyon und starrte hinab. Trübe

spiegelte das Wasser einer Tinaja, in deren Nähe zwei
Antilopen grasten. Wenigstens dort unten waren keine
Apachen. Links von dem Wasserbecken sah er die seltsame
Steinformation, die von oben aussah, als hätten Giganten vor
Jahrtausenden im lässigen Spiel tonnenschwere Quader
aufgetürmt. Die Schlucht war etwa 100 Yards breit. Kein Licht
fiel von Westen dort hinein. Breite Schatten glitten an den
Felshängen entlang, stauten sich am Ende, um dann den Weg
wieder zurückzufließen.

Ein Geräusch ließ Haggerty aufblicken.
Drüben hielt ein einzelner Indianer auf einem Pinto. Nur die

Schluchtbreite trennte die beiden Erzfeinde. Gekleidet war er
wie alle Apachen in diesem Land: graues Calicohemd, wollene
Hosen, kniehohe Wüstenmokassins. Um die Stirn trug er das
farbige Schweißtuch wie einen dünngewickelten Turban.

Die beiden Männer blickten sich über die Distanz hinweg

finster an. Der Indianer, hochgewachsen, schlank, mit einem
mächtigen Brustkorb und einer großen Adlernase, saß
unbewegt auf seinem Pferd und starrte herüber.

John Haggerty unterließ jede verdächtige Bewegung. 100

Yards waren für eine Sharps oder eine Winchester keine
Entfernung, und an einem Mann seiner Größe und Breite
konnte selbst der einfältigste Indianer kaum vorbeischießen.

Hinter sich vernahm John ebenfalls Geräusche, auch zu

seiner Rechten. Sie waren da und lauerten auf eine günstige
Gelegenheit. Er trieb seinen Wallach vorwärts, aber das große,
starke Tier kam ihm seltsam matt vor.

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John wischte sich den Schweiß von der Stirn und verteilte

den Staub gleichmäßig über die gesamte Gesichtspartie. Dabei
beobachtete er die schnellen, kaum wahrnehmbaren
Bewegungen drüben bei den Klippen.

Wilde Tiere? Wölfe?
Nein. Die zeigten sich nicht am hellen Tag und schon gar

nicht so dicht bei den Menschen.

Nun sah er die Patrouille wieder. Sie war vollzählig. 12

Dragoner mit einem Lieutenant an der Spitze. Ein Scout in
Zivil sicherte die rechte Flanke. Nach einigen Sekunden
verschwand die Patrouille wieder in einer Wolke aus Staub.

Unablässig belauerten sich der fremde Indianer und

Haggerty. Die Rothaut machte keine Anstalten, zum Gewehr
zu greifen. Sie hielt mitten im Sonnenlicht, umflossen von den
roten Strahlen, wie ein Standbild aus Bronze.

Der Indianer war kein einfacher Krieger, darüber war sich

John klar. Er mußte eine Führerrolle innehaben, wenn er nicht
gar Cochise selbst war. John kannte den legendären Häuptling
nicht persönlich. Aber der Gestalt nach konnte er recht gut
jener Mann sein, der seit Jahren die Grenze in Atem hielt und
alle Sippen der Apachen vereinigte.

Dies war nicht einmal Mangas Coloradas gelungen, weder

ihm noch einem anderen vor ihm.

In diesem Augenblick wurde John durch eine Salve

abgelenkt. Die Hälfte der Patrouille sank in den Staub. Trotz
der dicken Schwaden, die über die Ebene hinwegzogen, konnte
er jede Einzelheit dort unten erkennen.

Plötzlich sah er Harwig und Roman aus den Klippen jagen.

Aber kurz darauf zügelten beide ihre Pferde und kehrten wieder
in den Schutz der Felsen zurück. Eine zweite Salve hatte auch
den Rest der Dragoner aus den Sätteln geholt.

Von drei Seiten glitten dort unten Chiricahuas an die

Gefallenen heran, skalpierten und plünderten sie. Herumirrende
Pferde wurden eingefangen, Waffen verteilt. Und als John

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aufblickte, saß der Indianer noch immer unbeweglich auf
seinem Pferd und verfolgte mit stoischer Gelassenheit das
grausame Treiben.

Durch den Canyon preschten im Galopp zwei Reiter. Bill

Harwig und Lefty Roman. Sie sahen herauf und winkten. Als
sie um die Kehre preschten, bemerkten sie auch die Rothaut
auf der anderen Schluchtseite.

Nach Osten hin stieg der Canyon und endete auf der Mesa.

Hier angelangt, hatten die beiden Scouts jetzt zwei Ziele. Sie
konnten sich mit John vereinen oder den Indianer angreifen.
Sie zogen es vor, den anderen Weg zu wählen, um sich zu
ihrem Gefährten zu gesellen.

»Schweinerei, was?« rief Roman schon von weitem. »Wie

konnte das nur geschehen?«

Bill Harwig parierte sein Pferd vor John. Seine Rechte

machte eine wischende Bewegung in Richtung des Indianers
auf dem gegenüberliegenden Canyonrand.

»Am liebsten würde ich mir den Burschen kaufen, John.

Muß ein Häuptling von den roten Kerlen sein. Soll ich?«

John erwiderte:
»Laß es bleiben. Sie sind hinter uns in den Klippen, Jungs.

Paßt auf, daß sie nicht zu nahe an uns herankommen. Warum
habt ihr euch aus meiner Sichtweite entfernt?«

Roman wischte sich Staub und Schweiß aus dem Gesicht und

schob den grauen Feldhut in den Nacken.

»Ging nicht anders, Amigo. Wir mußten einem Trupp

Chiricahuas zu Fuß ausweichen. Willst du die verdammte
Rothaut dort drüben laufenlassen?«

»Geht nicht anders, wir müssen zum Camp zurück, um zu

melden, was mit der Patrouille geschah.«

»Teufel!« fluchte Harwig. »Verdammtes, mörderisches

Pack!«

»Spar deinen Atem, Bill. Sinnlos. Der Krieg ist an der

Indianerfront zur vollen Heftigkeit entbrannt. Wir werden noch

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einiges mitmachen, bevor der Aufstand niedergeschlagen ist.«

Lefty Roman warf einen letzten Blick über die Schlucht und

zog sein Pferd am Zügel in die neue Richtung.

»Es würde mich interessieren, was der Kerl dort drüben

vorhat.«

Harwig folgte ihm grinsend.
»Das müßtest du eigentlich wissen, Lefty. Er ist doch dein

Blutsbruder.«

Roman drehte sich im Sattel um.
»Ich bin zur Hälfte Yuma, Bruderherz, und kein Apache.

Mein Vater soll ein Bastard gewesen sein, die eine Hälfte Mex,
die andere New Orleans. Im alten Europa nennt man das
Franzose.«

Bill Harwig lachte. Selbst John Haggerty konnte sich ein

Grinsen nicht verkneifen. Die beiden Scouts frotzelten gern.
Das lockerte die Verkrampfung und hob die Stimmung.

Ein Hohlweg nahm sie auf. Links und rechts stiegen die

Felswände 30 Fuß und mehr in die Höhe. Es war dämmerig
hier unten und kühl.

John hatte die Mitte der aufwärts führenden Klamm fast

erreicht, als es begann…

*

Graue Schatten überall. Wolfsgleich stürzten sie sich auf die
berittenen Weißen. Halbnackte Gestalten, tief auf den Hals
ihrer Ponys gebeugt, stoben den Hohlweg herab, drangen von
hinten in ihn ein.

»Stehen und kämpfen!« schrie John und riß den Revolver aus

dem Halfter.

»Runter von den Gäulen!« brüllte Roman. »Treibt sie den

Weg zurück, das verwirrt sie.«

John schoß auf einen angreifenden Apachen. Der ließ seine

Streitaxt fallen und legte sich still aufs Gesicht. Ein anderer

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Krieger sprang über ihn hinweg und stürzte sich auf Haggerty.
Wieder krachte ein Schuß. Die Rothaut wurde halb
herumgerissen und gegen die Felswand geschleudert.

Auch Bill und Lefty feuerten, was die Läufe hergaben.

Pulverdampf zog träge durch den Hohlweg und verdeckte die
Sicht. Es half nichts. Panik hatte die Scouts gepackt, ließ sie
zurückweichen. Die Chiricahuas brachen über sie herein.

»Bleibt stehen und kämpft!« schrie John. »Wenn nicht,

machen sie euch fertig!«

Er drückte erneut ab, traf einen Krieger tödlich. Einem

anderen war es gelungen, so nahe an Lefty Roman
heranzukommen, daß er ihn packen konnte. Der Scout schlug
mit dem Revolverkolben zu und stieß ihn von sich.

In einer zweiten Welle griffen die Chiricahuas von vorn und

hinten gleichzeitig an. John warf einem Krieger den
abgeschossenen Colt an den Kopf und griff zum Gewehr. Der
Henry-Stutzen war kurzläufiger als die Enfields oder eine
Sharps. Er umklammerte den Lauf der Waffe und ließ sie wie
eine Keule über seinem Kopf kreisen.

Die Rothaut, die von dem stählernen Geschoß getroffen

worden war, richtete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht hinter
einem Felsen auf, zog die Sehne des kurzen Bogens aus dem
Holz des Maulbeerbaums bis ans Ohr zurück und ließ den Pfeil
schwirren.

Der bohrte sich in die rechte Brustseite des Halbindianers,

blieb zitternd stecken und riß den Mann von den Beinen. John
wollte sich über ihn beugen, den Verwundeten schützen. Aber
Lefty stieß ihn zurück.

»Hau ab, Mann, bevor sie auch dich massakrieren.«
John und Bill machten sich auf die nächste Attacke gefaßt.

Sie kam und überrollte die beiden Army-Scouts. Bill Harwig
wurde von einer Kriegskeule an der Schläfe getroffen und
brach zusammen. John erwischte ein geschleuderter Stein. Er
taumelte.

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Beinahe müde und wie gleichgültig gegen alles, was um sie

herum geschah, legte er sich neben Roman und schloß die
Augen.

Als er wieder zu sich kam, lag er gefesselt neben einem

Feuer, das Wärme und einen harzigen Geruch verbreitete.

Mehr als 20 Chiricahuas befanden sich im Lager. Sie trugen

die Trophäen mit Stolz, die sie der hingemetzelten Patrouille
abgenommen hatten: Militärjacken, Feldhüte, Stiefel, Waffen.

Neben John stöhnte Roman. Der Pfeil ragte noch immer aus

seiner Brust und bewegte sich zitternd bei jedem Atemzug. Bill
war ebenfalls wieder bei Bewußtsein. Er fluchte mörderisch
und ununterbrochen.

Ein Apache kam vorbei, trat ihm in die Seite und schleuderte

ihm höhnisch mit dem Mokassin Sand ins Gesicht. Alle waren
sie gefesselt. An einem Nachbarfeuer brieten die Apachen
Pferdefleisch. Der süßliche Duft zog zusammen mit einem
Schwarm schwarzer Fliegen über die Mesa, trieb ab und
verteilte sich in den Canyons.

Es ging auf den Abend zu. Schatten fielen und krochen wie

müde Schlangen aus den Klippen. Die Chiricahuas schwatzten,
lachten und brüsteten sich mit ihren Heldentaten.

Plötzlich wurde es still.
Ein hochgewachsener Indianer näherte sich den Feuern und

blieb vor den Gefangenen stehen. Lange starrte er auf John
Haggerty.

»Wer bist du?«
»Du kennst mich. Wir sahen uns drüben beim Canyon. Bist

du der Anführer dieser Rotte?«

»Ich bin Cochise«, erklärte der Indianer ohne Pathos in der

Stimme. »Und du?«

»John Haggerty. Was hast du mit uns vor?«
»Wir werden euch töten, weißer Mann. Wir werden es

langsam tun und mit Bedacht. Unsere Weiber werden euch ins
Gesicht spucken, unsere Kinder mit Steinen auf euch werfen,

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und wenn ihr auf der Schwelle des Todes steht, werden wir
euch den Alten überlassen.«

Das war also Cochise, der berühmte und gefürchtete

Häuptling. John starrte den Mann an, lange, eindringlich, ohne
Unterlaß.

Cochise war schlank, trotz seines mächtigen Brustkorbs. Die

kühne Adlernase wirkte nicht entstellend, eher aristokratisch.
Unter den Wangenknochen zeichneten sich starke Muskeln ab,
die ständig zuckten und wellenartige Bewegungen auf dem
braunen Gesicht hervorriefen. Der Häuptling war etwas größer
als John, ungefähr einsachtzig.

»Das hast du gut gesagt, Cochise«, erwiderte John und

verzog die Lippen zu einem Grinsen.

»Für jeden von uns, den

ihr umbringt, werden zehn, hundert, tausend von euch sterben.«

»Wie bei Pinos Altos?« fragte Cochise grimmig. »Oder wie

im Camino des Diablo, Bleichgesicht?«

»Das war nicht die Armee«, antwortete John kühn. »Die

Chiricahuas begannen mit dem sinnlosen Kampf. Denk an das
Gemetzel von Tubac am Santa Cruz. Nicht mal Frauen und
Kinder wurden von deinen Kriegern verschont.«

»Hundert Pesos für einen Chiricahua-Skalp, fünfzig für den

einer Frau, fünfundzwanzig für die Kopfhaare eines Kindes.
Was willst du, Bleichgesicht? Winselst du um dein Leben?«

Cochise wandte sich ab, aber Johns Zuruf hielt ihn zurück.
»Was haben wir mit dem Kopfgeld zu tun, Häuptling? Die

Armee nimmt keine Skalps. Du mußt dich an die Mexikaner
halten, wenn du uns das ankreiden willst. Vergiß nicht, wie
deine Krieger bei Signal Crossing wüteten.«

Cochise schüttelte den Kopf.
»Chiricahuas waren nie so weit im Norden.« Er wollte sich

wieder umdrehen, aber Johns Zuruf hielt ihn ein zweites Mal
zurück.

»Willst du den Verwundeten neben mir mit einem Pfeil in

der Brust krepieren lassen, Cochise?«

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»Er stirbt so oder so. Weshalb also die Mühe?«
»Mit dem Sterben hat's noch 'ne Weile«, sagte John

wegwerfend. »Binde mir die Hände los, daß ich diesem
tapferen Krieger helfen kann.«

Der Häuptling zögerte. Schließlich murmelte er etwas in

seiner Sprache und gab zwei Kriegern einen Wink. Sie kamen
herbei und lösten die Fesseln von Johns Händen. Haggerty
stand auf, rieb sich die Handgelenke und sagte:

»Danke, Cochise. Wo habt ihr mein Pferd? Ich brauche die

Satteltaschen.«

»Wozu?«
»In ihnen ist gute Medizin, die dem Scout hilft.«
»Einem Hund von einem Yuma«, entgegnete Cochise und

spuckte aus. Trotz seiner Verachtung für den Halbindianer gab
er den Befehl, Haggertys Satteltaschen zu bringen.

Von mehr als 40 Argusaugen bewacht, packte der Scout den

Inhalt auf eine Decke. Das Feuer flackerte, zauberte zuckende
Lichtreflexe auf den sandigen Boden. John wischte sich den
Schweiß aus den Augen, griff dann nach dem schmalen Stilett
und hielt die Klinge in die Flammen.

Als sie heiß wurde, legte er das Stilett auf ein sauberes

weißes Leinentuch und griff nach einer kleinen Flasche. Er
schüttelte sie. Enttäuscht legte er sie zur Seite und griff zum
Messer.

»Nicht zu tief, John, um Himmels Willen!« krächzte Lefty.
»Du roter Bastard hast gestern nacht den Alkohol gesoffen«,

knurrte Haggerty und grinste dabei. »Jetzt mußt du's eben ohne
Betäubung aushalten. Halt still!«

»Ein Mann in dieser Situation braucht dann und wann mal 'n

Schnaps.«

Haggerty setzte sich auf Leftys Brust und machte mit dem

Messer einen Schnitt nach unten. Das Stilett drang in das
Fleisch und trennte die Muskeln. Lefty stöhnte, blieb aber bei
Bewußtsein.

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Beifällig grunzten die Apachen. Blut lief über Johns Hände,

als er einen weiteren Querschnitt machte und den Pfeil packte.
Mit einem kurzen Ruck riß er ihn heraus.

Lefty fiel in Ohnmacht. Die Chiricahuas traten näher und

tuschelten. Mit Wasserspeiergesichtern starrten sie aus der sie
einhüllenden Dunkelheit in das Feuerlicht und nickten.

»Mensch, John, mach schon«, drängte Harwig aufgeregt. »Er

stirbt dir unter den Händen.«

»Ist schon raus.«
John hielt den Pfeil hoch und warf ihn Cochise mit der

blutigen Feuersteinspitze zuerst vor die Füße.

»Ist noch mal gutgegangen«, sagte er und fing an, die Wunde

mit dem Rest Alkohol aus der Flasche zu desinfizieren.
Schließlich verband er die Schulter und richtete sich auf.

»Wird er's überleben?«
»Wenn keine Blutvergiftung eintritt, bestimmt.«
»Genug«, brummte Cochise. Er gab in seiner Sprache

Befehle und wandte sich ab.

Zwei Krieger stürzten sich auf John Haggerty und warfen ihn

zu Boden. Er wehrte sich nicht, weil es angesichts der
Übermacht sinnlos gewesen wäre. Im Nu war er wieder
gefesselt.

Mitten in der Nacht erwachte John. Roman hatte so laut

gestöhnt, daß er sich trotz seiner Hand- und Fußfesseln
aufrichtete. Sofort stand ein Krieger neben ihm und stieß ihn
wieder zurück.

»Laß mich los, verdammter roter Bastard!«
Ein Schlag ins Genick warf John wieder auf den harten

Boden. Die Sinne schwanden ihm, Stille und Vergessen hüllten
ihn ein.

*

Um das Jahr 1870 bestand Santa Magdalena am Oberlauf des

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San Pedro, aber noch diesseits der mexikanischen Grenze, aus
nicht mehr als zehn armseligen Hütten aus Adobeziegeln,
wovon die Hälfte Cantinas und Bars waren. Im ›Gouadeloupe‹,
einer armseligen Spelunke aus wackligen Tischen und
Reihenbänken, ging es jede Nacht hoch her.

Baconora und Whisky flossen in Strömen, und wenn nicht

gerade ein großes Spiel im Gange war, prügelten sich die
Männer aus reinem Übermut und schlugen alles kurz und klein.

Nicht selten fielen auch Revolverschüsse. Und jedesmal,

wenn eine Schießerei stattgefunden hatte, trug man einen Mann
oder mehrere mit den Füßen zuerst hinaus auf den Boot Hill
mit seiner winzigen Kapelle und den verdorrten und
verwitterten Grabkreuzen.

Einige waren aus Stein gemeißelt, aber es war immer

dasselbe, was man auf ihnen der Ewigkeit anvertraut hatte.

Der Name, geboren am… Gestorben durch eine Kugel am…
In dieser Vollmondnacht ging es wieder einmal tüchtig rund.

Tabakschwaden drangen durch die doppelteilige Schwingtür
und zerwehten rasch im kalten Mesawind.

Ein Mann betrat den halbverfaulten Gehsteig, fluchte wegen

des Windes, der ihm feinen Sand ins Gesicht schleuderte, und
betrat die Kneipe. Insgesamt gab es acht Tische mit je fünf
Stühlen. Ganz hinten war die Bar. Bar? Jedenfalls etwas, was
man bei einiger Phantasie Ausschank nennen konnte. Leere
Bierfässer, darüber eine zollstarke Bohle, davor eine rostige
Stange zum Aufstützen, Gläser, Flaschen, Flaschen und wieder
Flaschen.

Gut und gerne 30 Männer aller Hautfarben und Rassen waren

anwesend, zum Teil bereits betrunken, zum Teil stocknüchtern
und mit kalten Augen. An zwei Tischen wurde gespielt. Der
Fremde ging, verfolgt von den Augen der Nüchternen, bis zu
einem Mitteltisch und blieb hinter einem Spieler stehen.

Dieser Mann war besser gekleidet als die anderen. Eine

geblümte Weste spannte sich über einen Bauchansatz, eine

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Weste mit einer dicken goldenen Uhrkette und Knöpfen aus
Perlmutt. Er hielt eine Zigarre zwischen den fleischigen Lippen
und musterte mit wasserhellen Augen den Kartenfächer in
seiner Linken. Als er die Hand auf seiner Schulter spürte,
schob er den breitrandigen Stetson in den Nacken und sah auf.

»Ich muß dich sprechen, Hank.«
»Doch nicht jetzt. Siehst du nicht, daß ich ein Bombenspiel

habe?«

»Unwichtig. Komm mit!«
Das war ein unmißverständlicher Befehl. Der füllige Typ

warf seine Karten mit einem unwilligen Schnaufen auf den
Tisch und erhob sich. Er war unbewaffnet, was in diesem Land
schon eine Menge bedeutete.

Der andere, der ihn zum Mitkommen aufgefordert hatte, trug

seinen Revolver tief an der Hüfte und das Halfter mit einem
Riemen am Knie befestigt.

Sie gingen zur Hintertür hinaus. Lauernde Blicke folgten

ihnen, bis sich die Tür in ihrem Rücken schloß. Es war
sternenhell auf dem unkrautbewachsenen freien Platz zwischen
Kneipe und Toilette.

»Hank, Mercroft ist tot. Apachen schnappten ihn beim

Leguan Arroyo und brachten ihn um.«

»Der arme Kerl. Was jetzt?«
»Du bist der Boß, ich dein Segundo. Was sollen wir tun?«
Hank Doolin zuckte mit den Achseln. Sein Gesicht drückte

alles und nichts aus.

Pokerface.
»Was wir tun sollen? Einen neuen Mercroft finden. Die Welt

ist voller Mercrofts, und ich denke, die Welt wird uns einen zur
Verfügung stellen. Wo sind die Jungs?«

»Im Lager.«
»Gut, da sollen sie auch bleiben, bis von mir neue Order

kommt. So, Mercroft hat's also erwischt? Passiert uns alles
früher oder später. Woher weißt du es?«

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»Ich war im Heereslager. Auch die Armee hatte starke

Verluste in den letzten Wochen. Cochise geht ganz schön ran.
Alle Wetter, der versteht sein Handwerk.«

»Kein Wunder«, sagte Hank Doolin mit einem schmelzenden

Lächeln auf den Zügen. »Was man den Chiricahuas so alles an
Greueltaten anlastet, macht selbst einen kaltblütigen Häuptling
nervös.« Er lachte ein fettes Lachen und stieß Elvis Wash hart
gegen die Brust. »Du reitest zurück, El. Ich komme ins Lager.
Wir besprechen die Details für den nächsten Coup und suchen
gemeinsam einen neuen Mercroft. Alles klar?«

»Okay. Bis morgen also. Good bye, Boß.«
Wash ging um das Haus herum und knüpfte die Zügel seines

Pferdes vom Hitchrail los. Seine Vorsicht, das Pferd nicht
unmittelbar vor der Kneipe anzubinden, in der er sich gerade
aufhielt, hatte sich schon oft bezahlt gemacht. Er stieg auf und
ritt in die Nacht hinein.

Hank Doolin ging zum Spieltisch zurück und verlangte ein

neues Päckchen Karten. Hier an der Grenze hielten sich nicht
nur Engel auf, und ein vorsichtiger Spieler kalkulierte das ein.

Bis Mitternacht ging das Spiel ohne Höhepunkte weiter.

Gäste kamen und gingen. Kurz nach Mitternacht ritt ein
größerer Trupp in das Nest und hielt vor der Kneipe nebenan.
Fluchend polterten Männer in die Bar und ließen ihre müden
Pferde stehen, wo sie gerade standen.

Hank Doolin hob den Kopf und lauschte. Drüben ging es zu

wie bei einem Scharmützel. Als kurz darauf ein Schuß fiel,
warf Doolin die Karten hin und erhob sich.

»Bin müde, Freunde. Ein andermal geht's weiter. Adios,

Hombres!«

Er ging.

*

Die Wüste sah im Sternenlicht aus wie satiniert. Alles glänzte

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und funkelte, wirkte glatt wie ein poliertes Brett. Das Zeltlager
zwischen den Hügeln machte einen verlassenen Eindruck.
Alles schlief, nur die Posten gingen ihre Runden und wurden
alle zwei Stunden durch andere abgelöst.

Aus einem flachen Zelt trat ein Zivilist und ging bis in die

Mitte des Lagers. Vor einem mittelgroßen Zelt blieb er stehen.
Die Pferde im nahen Seil-Corral äugten neugierig herüber,
blieben aber ruhig. Um die Zeltgruppe herum kam der Posten
mit geschultertem Gewehr, und als er den Scout erkannte,
nickte er.

»Noch unterwegs, Mr. Miller? Bei dieser Schwüle kann man

auch keinen Schlaf finden, was?«

»Das ist es nicht, Ed. Major Tanner will mit mir die morgige

Route der Patrouille besprechen. Schließlich kenne nur ich die
Wege bis hinüber zu den Chiricahua Mountains.«

Der Posten ging weiter. Miller betrat das Zelt und blieb

stehen. Es war still und heiß. Kein Luftzug bewegte die Plane.
Das Zelt hatte zwei Räume, die von einer Zwischenplane
getrennt wurden. Das hintere Abteil diente dem Offizier als
Schlafraum, das vordere als Besprechungszimmer. Ein Tisch
und mehrere Feldstühle standen dort, bedeckt mit Karten dieses
Gebietes.

»Major Tanner! Ich bin's, Miller!«
Keine Antwort.
Die beinahe absolute Lautlosigkeit legte sich bedrückend auf

die Seele des Scouts. Nur der Sand knisterte draußen, und
wenn ein Posten vorbeischlenderte, knirschte es.

»Hallo, Major Tanner!« Am liebsten hätte er noch gesagt:

Verdammt noch mal, Sir!

Er wartete ein paar Minuten, dann öffnete er die Zeltklappe.

Es stank nach Schnaps und Schweiß und nach noch ein paar
anderen Dingen. Eine Kerze steckte im Hals einer Flasche. Ihr
Licht fiel auf einen Klapptisch und ein zerwühltes Lager. Der
Offizier lag quer über der Bettstatt, mit dem Rücken auf dem

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Kissen, die Hände flach an den Schenkeln.

Seine braunen Augen starrten unentwegt geradeaus. Sein

schütteres Haar hing ihm wirr durcheinander in die
schweißnasse Stirn. Er trug seine Dragonerhosen und die
Stiefel, aber von der Hüfte an aufwärts war er nackt. Schweiß
rann ihm durch die spärlichen dunklen Haare auf der Brust.

»Major Tanner, Sir!«
Die dunklen Augen sahen Miller an, erkannten ihn aber

nicht.

Der Scout schaute sich im Raum um. Flaschen lagen am

Boden, Whiskyflaschen. Eine weitere stand halbvoll auf dem
Tisch, angestrahlt vom Kerzenlicht. Daneben ein
umgeworfenes Glas in einer Schnapslache.

»Mr. Tanner, Sir!«
»Was wollen Sie, Scout?«
»Sie haben mich rufen lassen, Sir. Es ist wegen der Patrouille

morgen, Erinnern Sie sich?«

»Deswegen stören Sie mich? Scheißleben hier draußen…

Sand, Hitze, Staub und – Chiricahuas. Wie soll das ein Mensch
nur aushalten?«

»Sie haben mich bestellt, Sir. Lieutenant Smith' Patrouille ist

seit Tagen überfällig. Colonel Richard krank, die Männer sind
übermüdet. Disziplinlosigkeit macht sich in der Truppe
breit…«

»Ist das alles, Mann? Was denken Sie, warum ich mich

besaufe? Hier draußen ist das Leben nur im Suff auszuhalten.
Noch was?«

»Die Scouts Haggerty, Roman und Harwig sind ebenfalls seit

drei Tagen überfällig. Major, wir müssen die Route für die
morgige Patrouille besprechen.«

»Gehen Sie zum Teufel!« Plötzlich richtete sich Tanner auf.

»Geben Sie mir die Flasche, Mann!«

Miller widerstand einer plötzlichen Regung, den Offizier

vom Bett hochzureißen und ihm in seine betrunkene Visage zu

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schlagen.

»Du irischer Scheißkerl, gib mir die Flasche!« fauchte

Tanner wütend.

»Major Tanner, Sie sind jetzt Kommandant des Lagers und

der einzige Offizier, der noch diensttauglich ist. Die anderen
sind entweder krank oder auf Patrouille.« Müde fügte er hinzu:
»Sie sollten aufstehen und das Trinken sein lassen.«

Tanner bewegte sich blitzschnell. Seine rechte Hand zuckte

mit dem gespannten Dienstrevolver hoch. Die Mündung kam
Miller mächtig groß vor.

»Her mit der Flasche, Scout!«
Miller rührte sich nicht.
»Sie müssen jetzt das Kommando übernehmen, Major.«
Die dunklen Augen blickten abwesend, drückten

Verständnislosigkeit aus.

»Die Flasche, Mann!«
Miller hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. Er nahm

die Flasche beim Hals und trat ans Bett. Tanner richtete den
Revolver auf Millers Bauch.

»Ich sollte dich wegen Ungehorsam im Dienst töten, du

irischer Scheißkerl. Du dämliches, loyales, patriotisches
Stinktier!«

»Ich bin kein Ire, Sir. Meine Eltern kamen aus Old

Germany.«

»Aha, ein Dutchman.«
»Nein, ein Deutscher.«
»Alle gleich, die verdammten Schlauberger, die von drüben

kommen und die Armee auf den Kopf stellen wollen. Hau ab!«

»Die Route, Sir.«
»Weißt du was, German? Leute wie du sind Pack, Pöbel,

Abschaum. Dreck aus allen Gossen Europas.«

»Dreck und Unflat kommt nur aus den Gossen Amerikas,

Sir.«

»Wie? Was hast du gesagt? Wurm, das kommt dir teuer zu

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stehen.«

Es gelang ihm mühsam, auf die Füße zu kommen.

Schwankend stand er vor dem Scout, die geballte Rechte zum
Schlag erhoben. Miller war aber schneller. Seine Faust traf den
Major aufs Kinn. Genau auf den Punkt. Mit einem Röcheln fiel
der Offizier zurück, verdrehte die Augen und begab sich in das
Reich der süßen Träume.

Miller stand da, als hätte sich nichts ereignet. Seine großen

Hände ballten sich wieder, öffneten sich, dann ging er hinaus
und blieb im Wüstenwind stehen, um sich umfächeln zu lassen.

Der glutheiße Gilawind wütete über dem Zeltlager. Bis zum

nächsten Fort, über dem das Sternenbanner wehte, waren es
lange und tödliche Meilen.

Ein unheimliches Gefühl beschlich den Scout. Er hatte einen

Offizier besinnungslos geschlagen, und was das hieß, wußte er
nur zu gut.

Er mußte weg, sein Leben retten. Aber wohin? Das Land

ringsum wurde von den Apachen aller Stämme abgeriegelt. Er
würde nicht weit kommen, keine zehn Meilen.

Trotzdem, sie würden ihn vor ein Feldgericht und dann an

die Wand stellen. In diesem Fall war es ein Pfahl. Aber was
machte das schon aus?

Er ging zu seinem Zelt, packte alles zusammen, was seine

Habe betraf. Proviant hatte er als Scout genug, auch
Konserven. Aber Wasser brauchte er. Die nächste Quelle war
am Apache-Paß, 20 Meilen vom Lager entfernt.

Nachdem er alles beisammen hatte, ging er mit knirschenden

Schritten zum Corral, sattelte sein Pferd und belud es. Als er
aus dem Zeltlager ritt, stieß er auf den Posten.

Der Mann hob seine Hand und rief:
»Ich beneide Sie wirklich nicht, Mr. Miller. Guten Ritt und

gesunde Rückkehr!«

*

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Am Abend des zweiten Tages – sie ritten über die Mesa mit
einem Ziel, das nur Cochise zu kennen schien – erreichten sie
eine breite Schlucht. Johns Pferd hob den Kopf und witterte
Wasser. Aber wo? Lefty Roman, den man quer zum Sattel auf
sein Pferd gebunden hatte, war schon wieder ohne Bewußtsein.
Haltlos pendelte sein Kopf hin und her.

Die Chiricahuas teilten sich. Vor dem Canyon zog die eine

Gruppe nach rechts, nach Osten weiter, die andere, unter
Führung des berühmten Häuptlings, nach Westen. Am Ende
der Schlucht überbrückte eine Felsenrampe den
Höhenunterschied.

Cochise gab das Zeichen, in die Tiefe zu reiten. Langsam

folgte er dem Trupp. Nachdem sie alle den Grund des Canyons
erreicht hatten, sah John Haggerty die Wickiups.

Aus dem Grüngürtel stacheliger Büsche hoben sie sich wie

graue Elefantenrücken ab und verstärkten mit ihren Ausmaßen
und ihrem Aussehen den gefährlichen Eindruck der
Landschaft. Rauch hob sich träge über die Jacales und hing wie
eine Dunstglocke über der Apacheria.

Ein Wall aus Steinen umgab das Lager. Sie durchritten

diesen Wall an einer offenen Stelle, die durch sehr dichtes
Strauchwerk besonders gut geschützt wurde.

Erstmalig in seinem Leben sah John eine der

Hochgebirgsfestungen der Chiricahuas. Er wußte von ihnen nur
durch Erzählungen der Scouts und von Indianern anderer
Stämme, die die Apacherias mehr als die Pest fürchteten.

Der Trupp hielt an. Man löste die Fußfesseln der Gefangenen

und riß sie brutal von den Pferden. Bill Harwig fiel so
unglücklich, daß seine ganze rechte Seite taub wurde. Er
fluchte in allen Tonarten und spuckte einem Krieger ins
Gesicht.

»Mach keinen Blödsinn, Bill, sie mißhandeln dich sonst.«
»Sauhunde! Kein Funken Menschlichkeit in ihren…«
»Mensch, sei still!«

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Cochise kam heran. Lautlos wie eine große Katze bewegte er

sich auf den dicken Sohlen der Mokassins. Sein Gesicht wirkte
verschlossen, abweisend. Er wandte sich an John Haggerty:

»Deine Stunden sind gezählt, Bleichgesicht. Meine Krieger

werden dich morgen bei Sonnenuntergang töten und…«

»Warum nicht gleich, Häuptling?« unterbrach John ihn.
»Nicht alle meine Krieger sind anwesend. Sie müssen erst

verständigt werden. Hast du einen Wunsch?«

Humane Seiten bei einem Chiricahua? John traute seinen

Ohren kaum.

»Well, ich habe einen Wunsch. Behandelt meinen

schwerverwundeten Gefährten etwas menschlicher. Siehst du
nicht, daß er am Verbluten ist?«

Cochise zuckte mit den Achseln.
»Es wird ihm tausend Martern und Qualen ersparen. Laß ihn

sterben.«

»Ich will nicht, daß er stirbt. Ich will, daß er am Leben bleibt.

Gib mir ein Wickiup.«

»Du wirst im Freien übernachten, es ist so oder so egal.«
»Ich verlange ein Wickiup! Oder soll später die Kunde

umgehen, daß der große Häuptling der Chiricahuas einem
Sterbenden eine letzte Bitte abschlug?«

»Kunde? Von was? Von wem?«
»Vom Krieg an der Grenze. Vom großen Kampf der roten

gegen die weiße Rasse. Von einem Indianerführer, der weit
über diesen Kontinent hinaus bekannt ist, vor dem sich die
Weißen fürchten und vor dem sie zittern.«

»Du zitterst nicht, obwohl der sichere Tod neben dir steht.«
»Ich habe das Zittern und Fürchten verlernt, Cochise. Wer

die Wüsten und die Gebirge dieses Landes kennt, braucht sich
nicht zu fürchten. Der Tod sagt mir nichts, er stand immer an
meiner Seite, seit ich das Gebiet der Chiricahuas betrat.«

Cochises Kopf hatte sich gesenkt. Er dachte nach und wurde

sich nicht darüber schlüssig, ob es Mut oder Angst war, was

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aus dem Weißen sprach. Langsam wandte er sich ab.

John blickte ihm nach. Eine wahrhaft fürstliche Erscheinung,

die sich mit einer sanften Handbewegung und ruhiger Stimme
an die Krieger wandte. Cochise sprach eine Weile auf seine
Leute ein, die ihm mit stoischem Gleichmut zuhörten. Dann
verschwand er im wallenden Bodennebel.

Abseits von den anderen Jacales, aber noch im geschlossenen

Ring des Steinwalls, bauten Frauen und Halbwüchsige in aller
Eile ein kleines Wickiup. Als es errichtet war, brachte man die
Gefangenen und den Verwundeten hinein. Ein Feuer wurde
entzündet, Decken und Felle wurden gebracht. Kurz darauf
erschien eine alte Squaw mit einem tönernen Gefäß und stellte
es auf die Flammen. Alles das geschah völlig lautlos und
schweigend.

John bemühte sich um Lefty Roman. Er war noch ohne

Bewußtsein und lag wie tot auf den Decken. Sein bleiches
Gesicht mit der spitzen Nase verriet, wie sehr ihm der
Transport auf dem harten Pferderücken zugesetzt hatte. John
Haggerty gab keinen Nickel mehr für Leftys Leben.

»Wird er diese Tortur durchhalten?« fragte Bill Harwig.
»Keine Ahnung, schließlich bin ich kein Arzt. Nur weiß ich,

zu welchen Strapazen Menschen fähig sind, wenn sie
überleben wollen und noch einen Funken Hoffnung haben.«

»Besteht eine?«
»Sieht nicht so aus, Bill. Sie werden uns martern und

schließlich das Herz bei lebendigem Leib aus der Brust reißen.
Oder sie nehmen uns den Skalp bei vollem Bewußtsein. Ich
kann dir nicht sagen, was sie tun werden.«

»Tolle Aussichten! Sag mal, kocht das alte Schreckgespenst

etwa für uns? Riecht appetitlich. Was ist das?«

Die Alte war fertig, nahm den Topf vom Feuer, stellte ihn

auf einen erhitzten Stein und verließ das Wickiup. Nach ein
paar Minuten kam ein Junge und stellte mit scheuen
Seitenblicken auf die Weißen Holzteller und ebenso viele

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Holzlöffel neben das Tongefäß. Auch er verschwand ohne
einen Laut.

Harwig ging zum Feuer, hob den Topf hoch und schnüffelte.
»Fleisch«, sagte er. »Mann, Fleisch, und noch etwas. Aber

ich finde nicht heraus, was es ist. Gemüse?«

»Gemüsepflanzen. Sie kennen sich da aus und verstehen es,

schmackhafte Gerichte aus Wildgemüse herzustellen. Probier
mal.«

Bill tauchte einen Löffel in das Gefäß und kostete.
»Großartig! Komm zum Feuer, John.«
John Haggerty warf einen letzten Blick auf den

Verwundeten. Lefty war noch immer ohne Bewußtsein. John
ließ sich neben Bill im Schneidersitz nieder, direkt am
ersterbenden Feuer. Sie aßen.

Es schmeckte wirklich ausgezeichnet.
Ein leichter Luftzug strich durch den Jacale. John Haggerty

sah auf, aber niemand hatte die Behausung betreten. Sein
zweiter Blick streifte Roman.

Lefty war tot, gestorben, während sie gegessen hatten. Still

und heimlich war er hinübergegangen.

Seine mageren, abgezehrten Hände hatten sich in die

schmutzigen Decken verkrallt, die weit offenen Augen starrten
nach oben.

Auf seinem schmalen, eingefallenen braunen Gesicht lag ein

sonderbarer Ausdruck, fast wie Erleichterung, denn das
Halbblut war für immer fertig mit dem Schnaps und der
unverstandenen Welt.

»Lefty ist tot«, sagte John Haggerty zu Bill. »Einer weniger,

den sie nicht mehr martern können.«

»Es ist so unheimlich hier drin. Bringen wir ihn hinaus.«
Haggerty sagte:
»Er war unser Kamerad, ein guter Kamerad, der zwar den

Schnaps mehr liebte als sich selbst… Trotzdem: Lefty war
neben dir mein bester Kumpel und ein ausgezeichneter Scout.«

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»Danke«, murmelte Bill Harwig. »Verdammt, John, ich kann

seine toten Augen nicht mehr sehen. Bring ihn raus.«

John stand auf, und dann ging er zum Eingang, der mit einer

zerschlissenen Armeedecke verhängt worden war.

Als er ins Freie trat, streckte sich ihm eine federgeschmückte

Lanzenspitze entgegen. John faßte zu, riß die Lanze samt
Rothaut zu sich heran und stieß den polierten Schaft wieder
von sich.

Der Krieger fiel nach hinten, stolperte und stürzte. Mit einem

Wutschrei sprang er wieder auf die Füße und warf sich mit
gezücktem Messer auf den Weißen.

Der Scout ließ ihn kommen. Als die Klinge vor ihm

hochzuckte, wich er einen Schritt zurück, dann zur Seite. Die
Rothaut sauste an ihm vorbei. John schlug ihm die Handkante
in den Nacken und die geballte Rechte gegen die Schläfe.

Mit einem abgrundtiefen Grunzen fiel der Apache auf die

Knie und schließlich flach auf den Boden. Jemand trat aus dem
Schatten. Mit einem Wutschrei stürmte er auf John Haggerty
zu und zückte ein Messer.

»Verdammter Hund!«
John wich aus, hob die Hand.
»Ich hatte nichts Böses vor, Cochise«, sagte er und wich

immer mehr vor den wütenden Angriffen zurück. »Der Yuma
ist gestorben. Ich wollte dich nur bitten, den Leichnam aus dem
Jacale tragen zu dürfen.«

»Kojote! Lügner!«
»Ich lüge nicht, Apache.«
Wieder drang Cochise auf den Weißen ein. John Haggerty

machte eine Finte, sprang zurück zur Seite, dann wieder vor,
und im hohen Bogen wurde das Messer aus Cochises Hand
geschleudert. Waffenlos standen sich beide gegenüber.

»Rufe nach deinen Kriegern und laß mich jetzt in Stücke

reißen.«

»Ich brauche keine Krieger, um mit dir fertig zu werden«,

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sagte Cochise ohne den gewohnten Pathos seiner Rasse.

Der zu Boden gegangene Apache erhob sich wieder und

wollte auf den verhaßten Weißen eindringen.

Ein Zuruf stoppte ihn. Cochise sagte etwas in seiner Sprache.

Der Angesprochene brummelte eine Antwort und verschwand
in der armseligen indianischen Behausung. Schon bald darauf
kam er zurück.

Der kurze Dialog der beiden Rothäute sagte John nichts, er

hörte aber aus dem Tonfall heraus, daß sich der Apache vom
Tode eines der drei Scouts überzeugt hatte.

Cochise wandte sich ihm wieder zu.
»Du hast die Wahrheit gesagt, der Yuma ist tot. Geh und setz

dich beim Feuer nieder. Kommst du noch einmal heraus, ist es
um dich geschehen. Der Tote wird durch meine Krieger
abgeholt.«

Stolz wandte er sich um und verschwand in der Dunkelheit.

*

Hank Doolin verließ Santa Magdalena im Morgengrauen. Er
tat es heimlich und verstohlen wie ein Dieb. Als die
Ansiedlung hinter ihm lag, schlug er den Weg nach Westen
ein. Die Pahute Range war sein Ziel.

Langsam stahl sich das erste schüchterne Grau im Osten über

die Wüste. Licht folgte, zuerst zaghaft, dann stärker,
drängender. Aus dem hellen Grau wurden Spektralfarben, die
sich fächerartig über die Ebene ausbreiteten und die
Nachtkonturen verschwinden ließen.

Als sich der Reiter einmal umblickte, entdeckte er im

Nordwesten einen dunklen Punkt, der sich im spitzen Winkel
näherte. Doolin war sich im ersten Augenblick nicht sicher, ob
er einen Weißen oder eine Rothaut vor sich hatte. Erst eine
Weile später konnte er feststellen, daß es ein Weißer war.

Der Mann mußte ihn erkannt haben, denn er streckte sich in

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den Steigbügeln und winkte. Doolin winkte zurück. Es dauerte
noch eine Viertelstunde, bevor sie zusammentrafen.

Hank Doolin musterte den anderen eingehend, während der

ihn freundlich grüßte. Der Mann trug Wildlederkleidung, hohe
Stiefel und einen Militärhut.

»Hallo, Sir! Ich bin Curt Miller, Scout der Armee in Arizona.

Wohin des Weges, und warum so früh am Tag?«

Doolin lächelte und zeigte sein prächtiges Gebiß.
»Hank Doolin, Händler, Mister. Und warum so früh? Hm,

Morgenstund' hat Gold im Mund. Oder ist es nicht so?«

Miller nickte, ritt neben Doolin her, der sein Pferd wieder in

Bewegung gesetzt hatte.

»Ein Händler also? Mit was handeln Sie? Waffen?«
»Warum ausgerechnet Warfen? Nein. Ich tausche bei den

indianischen Stämmen alles nur Mögliche gegen Felle und
Landesprodukte ein, die ich gewinnbringend an die Weißen
verkaufe. Man muß leben, Mr. Miller. Sagen Sie, sind Sie
Deutscher oder so was?«

Miller lachte.
»Meine Eltern kamen 1824 über den großen Teich. In Old

Germany hießen wir Müller. Sind Sie ebenfalls deutscher
Abstammung?«

Hank Doolin lachte ebenfalls und zwinkerte mit einem Auge.
»Keine Spur. Meine Großeltern kamen aus dem alten Irland,

und ich, mein Freund, bin mittlerweile ein waschechter Yankee
geworden. Wohin reiten Sie?«

»Irgendwohin.«
»Sie haben kein festes Ziel?«
»Nicht unbedingt. Die Armee hat mich entlassen, weil sie

keine Scouts in dieser Region mehr benötigt. Macht nichts,
irgendeinen Job finde ich bestimmt.«

Doolin wußte sehr genau, daß die Arizona-Army knapp an

guten Scouts war und kaum einen entlassen würde, wenn nicht
ein zwingender Grund vorlag. Dieser Miller mußte etwas

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ausgefressen haben, was ihm die Armee ankreidete. Mercroft
fiel Doolin ein, der alte Mercroft, den die Apachen getötet und
dann skalpiert hatten. Mercroft war ein guter Scout gewesen,
für seine, Doolins Zwecke. Der neue Mercroft stand vor ihm.
Er mußte es nur geschickt anfangen.

»Sie suchen einen Job, Mister?«
»Sicher, wenn ich nicht verhungern will.«
»Ich könnte Ihnen etwas Geeignetes anbieten, Mr. Miller.

Kennen Sie die Paßstraßen nach Mexiko?«

»Wie meine leeren Hosentaschen, Sir. Als aufrechter Mann

und Bürger dieses Staates kann und darf ich Ihnen nicht
verheimlichen, daß ich von der Armee gesucht werde. Wenn
ich der Feldgendarmerie in die Hände falle, rettet mich keine
Macht der Welt vor dem Erschießungskommando.«

»Ehrlichkeit hilft immer weiter, Mr. Miller. Was haben Sie

ausgefressen?«

»Eigentlich gar nichts. Ein betrunkener Offizier wollte mich

schlagen. Ich kam ihm zuvor und legte ihn bewußtlos auf die
Bretter.«

»Und dann türmten Sie?«
»Genauso war es.«
»Okay, Sie sind eingestellt. Zweihundert im Monat und für

jeden Coup einen fetten Bonus.«

»Coup?« echote Miller gedehnt. »Was bezeichnen Sie als

Coup?«

Doolins Gesicht wurde abweisend kalt. Er sah geradeaus und

ließ keinen Blick von der Range, die wie eine feste Wand aus
dem Morgendunst wuchtete.

»Jedes gelungene gute Geschäft ist für mich ein Coup«,

antwortete er ausweichend. »Nun, einverstanden?«

»Ich müßte noch etwas mehr wissen, bevor ich mich

entscheide, Sir. Sie sprachen von den Paßstraßen nach Mexiko
und in diesem Zusammenhang von Geschäften. Schmuggeln
Sie?«

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Doolin nickte.
»So ungefähr, Miller.« Aus seiner Stimme klang eine

gewisse Erleichterung. »Wir schleusen Dinge nach Sonora, die
es drüben nicht gibt. Dafür bringen wir andere Waren herüber,
die in den Staaten teuer sind. Meine Freunde und ich
organisierten das Geschäft vor rund fünf Jahren. Bis heute sind
uns weder die Rurales drüben noch die Armee hier auf die
Schliche gekommen. Nun?«

»Wenn das so ist, mache ich mit. Wohin reiten wir jetzt?«
»In unser Versteck. Ich mache dich dort mit den anderen

Jungs bekannt. Etwas einzuwenden?«

»Nein, Boß, absolut nichts. Du erwähntest gerade die Armee.

Seit wann ist sie hinter Schmugglern her?«

Doolin machte eine vage Handbewegung.
»Da ist noch eine andere Sache, die ich erwähnen muß. Die

Army interessiert sich selbstverständlich nicht für illegale
Grenzgänger, das ist Sache des US-Marshals von Arizona und
seinen Deputys. In diesem Land existiert eine Bande, die unter
verschiedenen Verkleidungen einmal Weiße und dann wieder
Indianer überfällt. Die Kerle treiben ein seltsames, unerkanntes
Spiel. Die Armee nimmt an, daß sie Weiße gegen Rothäute
hetzen, um im Trüben fischen zu können. Eine sehr gewagte
Sache in einem Land, das vollständig von Cochise beherrscht
wird.«

»Weiß er von den Machenschaften dieser Bande?«
»Glaube ich nicht. Er hält die Bleichgesichter im

Allgemeinen für die Übeltäter, besonders die Army.
Umgekehrt sieht's ebenso aus. Was man wirklich denkt, ist mir
nicht bekannt.«

»Wer sind diese anderen? Kennst du sie, Boß?«
Doolin lachte herb und sarkastisch.
»Dann wäre ich wohl nicht mehr am Leben. Nein, Junge,

niemand kennt sie. Die Armee würde wahrscheinlich ein
Vermögen für einen heißen Tip zahlen, aber die Burschen sind

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zu schlau und zu gut organisiert, um in eine Falle zu gehen.«

Miller sagte nichts mehr. Sein Gehirn lief auf Hochtouren.

Durch einen puren Zufall war er an die richtige Stelle gelangt,
die für ihn richtungsweisend sein konnte.

Doolin hielt sein Pferd an, zog ein Fernglas aus der

Satteltasche und justierte es auf eine gewisse Stelle weit
draußen in der Wüste.

»Wir bekommen Besuch«, sagte er. »Patrouillen im Norden,

Osten und Westen. Sie kämmen das Land durch.«

Miller wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Das gilt mir«, sagte er und stieß einen Seufzer aus. »Was

jetzt? Sie werden mich fassen.«

»Es sind nur noch zwei Meilen bis zur Range. Wenn wir uns

beeilen und du deiner Rosinante kräftig die Flanken kitzelst,
schaffen wir es und lachen sie aus – Adelante!«

*

Ein gewaltiges Dröhnen weckte die beiden Scouts. Setzte das
Wummern kurzweilig aus, füllten dumpfer Gesang und das
Klirren von Rasseln und Tamburins die Pausen.

»Allmächtiger! Was geht dort draußen vor?« Bills Stimme

klang belegt, mit einem bangen Unterton. »Ist's eigentlich
schon Tag?«

John warf die Decken ab und erhob sich. Auf nackten Füßen

schlich er zum Eingang und spähte durch ein handtellergroßes
Loch in der Decke. Im gleichen Augenblick setzte das Dröhnen
der großen Baumtrommeln wieder ein. Der Erdboden zitterte,
die Schallwellen wurden von den Felswänden zurückgeworfen.

Draußen graute der Morgen. Es mochte gegen fünf Uhr früh

sein. Durch den Canyon zogen dünne Nebel wie Geisterarme.

»Siehst du was?«
»Nichts Genaues, Bill. Eine Zeremonie oder etwas

Ähnliches. Was, zum Teufel, treiben die Kerle nur?«

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»Geh doch mal hin und frag' sie.«
Bill kam zur Öffnung, spähte über Johns Schulter und sah

nichts als Nebelschwaden und sich bewegende Silhouetten.
Plötzlich verstummten die Trommeln. Eine Stille trat ein, die
die Weißen fast lähmte.

»Vorsicht, da kommt jemand!« rief Bill und zog sich zurück.
Cochise trat ein. Er mußte sich bücken, um nicht mit dem

Kopf gegen das starke Geäst der Zweighütte zu stoßen. Er ging
gemessenen Schrittes zum Feuer und schob mit der
Mokassinspitze die kalte Asche zur Seite.

»Er war ein Yuma«, erklärte er. »Wir bestatteten ihn nach

indianischer Sitte.«

Die beiden Weißen schwiegen. Sie musterten den

hochgewachsenen Häuptling und warteten darauf, daß er noch
etwas sagte.

»Ein Yuma und ein Feind der Chiricahuas. Dazu stand er im

Dienst der Weißen.«

»Macht das einen Unterschied?« fragte John Haggerty

vorsichtig. »Ein Feind, rot oder weiß, bleibt immer ein Feind.«

»Aber wenn der Feind tot ist, ist er kein Feind mehr,

Bleichgesicht. Bei Sonnenuntergang werdet ihr ihm folgen.«

»Mann, hau bloß ab!« brummte Bill Harwig angewidert und

spuckte aus. »Ich hielt die Chiricahuas immer für tapfere
Krieger, die einen gefangenen Gegner ehren und achten, aber
ich habe feststellen müssen, daß sie feige, hinterhältige und
blutgierige Mörder sind, die sich an Wehrlosen vergreifen.
Wenn ihr Mut habt, Cochise, dann laßt uns um unser Leben
kämpfen.«

»Gib dir keine Mühe, Bill«, flüsterte John. »Sie können nicht

anders handeln, weil ihr Leben von der Region diktiert und
bestimmt wird, in der sie leben.«

»Zastee!« sagte Cochise kalt. »Töte!«
»Ja, töte und fahr anschließend zur Hölle«, sagte der Scout

und wandte sich ab.

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Cochise und John Haggerty musterten sich lauernd.

Stechende schwarze Augen starrten in Haggertys braune. Ihre
Blicke schienen aneinander zu klirren wie sich kreuzende
Degenklingen. Dann glitt der Blick des Chiricahuas zur Seite,
zum erkalteten Feuer hin, und der Häuptling setzte einen Fuß
auf einen Stein.

Eine Sekunde lang überlegte sich John, ob er Cochise kurz

entschlossen in seine Gewalt bringen sollte. Aber schließlich
sagte er sich, daß Krieger draußen standen und nur darauf
lauerten, ihnen bei einer solchen Gelegenheit das Fell zu
gerben.

Als hätte Cochise Haggertys Gedanken erraten, ging er zur

Öffnung und hob die Decke. John erstarrte. Sie waren nackt,
ungeachtet der kühlen Morgenluft, und trugen nur einen
Lendenschurz aus Wildleder und hohe Wüstenmokassins, fest
um ihre sehnigen Waden geschnürt. Ihre breiten, flachen
Gesichter wirkten leer und ausdruckslos, und ihre Kohlenaugen
bewegten sich kaum.

»Sie warten auf dich, Bleichgesicht«, warnte Cochise.

»Riskiere nichts, was du nicht verantworten kannst.«

Ein weiterer Krieger betrat den Jacale. Er war kleiner als der

Häuptling, aber breitschultriger und stämmiger. John erkannte
ihn. Er war der Indianer, den er zu Boden geworfen hatte.

Cochise deutete auf ihn.
»Das ist Wakashi, ein Unterhäuptling der Mimbrenjos. Du

hast ihn vor seinen Kriegern lächerlich gemacht, weißer Mann,
und das ist nur mit Blut abzuwaschen. Du wirst mit ihm
kämpfen!«

John rührte sich nicht. Er suchte nach einer körperlichen

Schwäche bei der Rothaut, fand aber keine. Einhundertachtzig
Pfund Muskeln und Sehnen, kein Gramm Fett unter der
braunen Haut, dafür Hinterlist, Tücke und Haß in den
glimmenden Teufelsaugen.

»Ich werde dich töten, Bleichgesicht«, stieß Wakashi

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grimmig hervor.

John schien so in seine Gedanken versunken zu sein, daß

man hätte denken können, er wäre allein in der Zweighütte und
es gäbe keine Solovorstellung für einen erbarmungslosen
Häuptling und ein halbes Dutzend der blutgierigsten Krieger
im ganzen Südwesten.

»Du gibst keine Antwort«, zischelte der Mimbrenjo

haßerfüllt. »Ist dir das Herz in die Hosen gerutscht,
Bleichgesicht?«

Bill Harwig schob sich ein Stück näher heran. Er wußte

nicht, was in diesen Sekunden in John Haggerty vorging, aber
er war gewappnet, zu allem bereit. Waffen hatten sie nicht,
dafür verfügten die beiden Rothäute über ein ganzes Arsenal.

John reagierte nicht auf das gehässige Gezischel des

Indianers. Er sah Cochise an, als wartete er auf eine
Entgegnung des Häuptlings. Achselzuckend wandte er sich an
den Mimbrenjo:

»Ich bin einverstanden. Wann? Mit welchen Waffen und zu

welchen Bedingungen?«

Cochise antwortete statt des Unterhäuptlings. Er sagte:
»Gekämpft wird um die Mittagszeit, wenn die Sonne am

höchsten steht. Niemand soll einen Vorteil haben. So ist es bei
uns Sitte und Brauch«, fügte er hinzu, beeindruckt von der
Gelassenheit des Weißen.

»Zastee!« krächzte Wakashi, diesmal schon ungeduldiger.
Cochise beachtete ihn nicht. »Gekämpft wird mit Messer,

Beil, Lanze und Schleuder. Jeder nimmt die Waffe, die er am
besten beherrscht… Eine Waffe.«

Draußen schallte Geschrei durch das Tal. Frauen kreischten,

riefen Cochises Namen. Er neigte den Kopf, als lauschte er
einer inneren Stimme. Spontan drehte er sich um und verließ
die Buschhütte. Wakashi folgte.

»Warum schreien die Weiber so laut?« wollte Bill wissen.
»Bleib vom Eingang weg«, gab John Haggerty zurück.

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»Möglicherweise ist tatsächlich etwas passiert.«

Klagerufe, jammernde Schreie vieler Squaws, zitterten durch

die indianische Siedlung. Männer versorgten sich lauthals mit
Informationen.

Unerwartet schnell öffnete sich der Eingang wieder. Cochise

stand in der Öffnung. Die strenge indianische Fassung war von
ihm abgefallen. Er fixierte John Haggerty.

»Bist du ein Medizinmann bei den Weißen?«
»Nein. Ist jemand erkrankt?«
»Tla-ina wurde von der Peitschenspinne gestochen.«
»Wer ist Tla-ina?«
»Meine Schwester. Rette sie!«
John stutzte. Ein Skorpion hier oben in der kalten

Bergwildnis? Etwas stimmte nicht.

»Komm!« sagte er nur und verließ das Wickiup. Cochise

übernahm die Führung und steuerte den großen Häuptling-
Jacale an. Niemand hinderte Bill, ihnen zu folgen. Die
Behausung wurde von Fackeln und einem hell brennenden
Feuer erleuchtet. Auf einem Lager kauerte ein junges Mädchen
und hielt mit der Linken das rechte Handgelenk umklammert.
Rauch stieg zwischen den Flammen auf und drang durch eine
Deckenöffnung ins Freie.

John schnüffelte wie ein Jagdhund. Ein strenger Essiggestank

wehte durch den Jacale. Er wußte, was der Geruch zu bedeuten
hatte. Sie hatten den Skorpion zertreten und einfach
liegengelassen, weil sie dem Mädchen helfen wollten.

Mehr als zehn anwesende Frauen wichen vor dem Scout

zurück. Sie bedeckten ihre Gesichter mit den Händen, stießen
leise, wimmernde Töne aus und wiegten ihre Oberkörper. John
wunderte es, daß kein Medizinmann zugegen war. Die
Schamanen waren sonst erpicht darauf, sich bei solchen
Gelegenheiten zu produzieren.

John nahm die schmale braune Hand zwischen seine starken

Finger und betrachtete sie. Vom Gelenk an war sie rot und

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geschwollen. Die Einstichstelle sah seltsam weiß und gelb aus,
wie tätowiert. Haggerty sah hoch. Ängstliche Blicke streiften
ihn.

Dunkle Augen, sanft und vertrauensselig in ihrer Jugend. Sie

konnte höchstens zwanzig sein, war schlank, nicht größer als
einssechzig, und sie trug das schwarze Haar lang bis auf die
runden Schultern.

Ihr graziler Körper steckte in gebleichtem Wildleder. An den

Füßen trug sie perlenverzierte Mokassins.

John ließ die Hand sinken und wandte sich hastig an

Cochise. »Ich brauche dein Messer. Glüh es im Feuer aus!«

Der Häuptling verstand und handelte ohne Umschweife.
Er hielt die scharfe Klinge über die Flammen und wischte sie

schließlich an seinem Jagdrock ab, den er wegen der
Morgenkühle über das Hemd gezogen hatte. John nahm das
Messer aus seiner Hand und setzte die Spitze an.

Bevor er schnitt, warf er einen beruhigenden Blick auf das

schöne Gesicht des Apachenmädchens. Rehbraune Augen
musterten ihn stumm, vielleicht fragend, aber ohne Angst.

»Bill, halt ihre Hand fest – ganz fest, am Gelenk. Ja, so ist's

gut. Jetzt!«

Johns Stimme klang heiser und erregt. Er machte einen

Kreuzschnitt, drang tiefer mit der Messerspitze ein. Das Blut
kam in dicken Tropfen und floß in der Hand zusammen. Er hob
die Hand an seinen Mund und saugte das Gift aus der tiefen
Wunde.

»Pressen, Bill, pressen!« keuchte er und saugte wieder, als

hinge sein eigenes Leben davon ab. Hin und wieder spuckte er
Blut und Gift zur Seite, während Bill das Handgelenk zu den
Fingern hin massierte.

Cochise und die Weiber standen still dabei. Selbst Wakashi

machte ein Gesicht, als wäre es ihm beim Anblick des
leidenden Mädchens übel geworden. John spuckte Blut aus und
saugte wieder und immer wieder, bis das Fleisch schon fast

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weiß wirkte.

Dann stand er abrupt auf und sah Bill Harwig an.
»Gib mir deinen Tabak.« Er schob sich eine dicke Prise in

den Mund und kaute den bitteren Tabak. Dann packte er
wieder die willenlose Hand, zog die Wundränder auseinander,
spuckte die Tabakbrühe hinein und preßte die Wunde wieder
zusammen, bis Blut und Tabaksaft durch die braunen Finger
tropften.

Schließlich erhob er sich von den Knien und drehte sich zu

dem Chiricahua um.

»Meine Satteltaschen! Cochise, schnell, schnell!«
Der Häuptling gab Befehle. Jemand verließ den Jacale und

kam nach kurzer Zeit schon wieder zurück. John warf die
Taschen auf die Erde, wühlte in ihren Fächern. Er zog ein
Leinentuch heraus und zerriß es in Streifen.

Mit flinken Bewegungen verband er die Hand. Tla-ina sah

ihn dabei forschend an. Ihre großen, sanften Augen blickten
wie abwesend auf den Weißen vor ihr, in sein schweißnasses
Gesicht, auf das verklebte braune Haar, das sich in weichen
Wellen an seinen Kopf schmiegte.

Und in diesen sonst so unergründlichen indianischen Augen

erkannte er ein so starkes Mitleid und eine so bedingungslose
Liebe, wie er es nie in seinem Leben bei einer anderen Frau
erlebt hatte. Ein Mitleid, das sie für sich selbst und nicht für
den fremden weißen Mann hätte empfinden müssen.

John Haggerty wußte, woran sie dachte und was sie

empfand. Es war nicht nur Dankbarkeit.

*

In Santa Magdalena ging es wieder einmal hoch her. Im
›Gouadeloupe‹ blieb es in dieser Nacht zwar ruhig, aber gleich
nebenan war der Teufel los.

Das ›Galiuro‹ war brechend voll und kein freier Stuhl mehr

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zu haben. Das ohrenbetäubende Tosen und Brüllen füllte die
Town bis in ihren letzten Winkel.

Der Saloon war voll von Männern aller Altersstufen und

Rassen. Mischlinge wie Mestizen und Mulatten, Weiße,
Mexikaner und zivilisierte Indianer saßen an den Tischen oder
standen vor dem Tresen. Sie diskutierten, lachten, schwatzten,
tranken Bier, Whisky oder Baconora.

Nur an einem Ecktisch war es nicht so lautstark. Sechs

kaltgesichtige Hombres ließen die Flasche kreisen, trugen ihre
Hüte verwegen nach hinten geschoben und jene Lässigkeit zur
Schau, die Männern eigen war, die sich in der Wildnis
bewegten und auf ihre Waffen verließen.

Über den Bergen ging der Mond auf, färbte den Himmel

quecksilberfarben, und die Sterne, die nach und nach
hervortraten, wirkten wie glitzernde Punkte hinter einer
Mattglasscheibe. Wind trieb Tumbleweed durch die Gassen
und fegte Staub und Unrat über die Gehsteige.

Die Stimmung im ›Galiuro‹ steigerte sich von Stunde zu

Stunde, wurde ausgelassener und lauter. Nach der zweiten
Flasche drehten sich die Gespräche an dem Ecktisch um ganz
bestimmte Dinge. Ein hochgewachsener Blondhaariger ergriff
das Wort und murmelte, ohne kaum die Lippen zu bewegen:

»Wieder die gleiche Art, wie schon so oft. Überfall auf ein

indianisches Lager, Tote, keine Zeugen… Zum Teufel, Gilbert,
wenn jetzt nicht die Hölle losbricht, dann sind die Chiricahuas
alle Engel.«

Gilbert Davis nickte. Der Mann mit dem gelben Gesicht und

den verschwommenen Augen wirkte desinteressiert. Aber wer
ihn kannte, wußte, daß sein Desinteresse nur wie eine Maske
war, hinter der er geschickt seine Gedanken verbarg.

»Richtig, immer die gleiche Art. Eine höllische Methode,

verdammt schwer durchschaubar. Was meinst du, Mort? Wer
steckt hinter der ganzen Sache?«

Mortimer Gale wies mit dem Daumen über die Schulter.

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»Du findest sie alle im ›Gouadeloupe‹, Gil. Ausgekochte

Typen und skrupellos wie Banditen. Die nehmen einem
blinden Hund noch den Knochen weg.«

Während sich die beiden im Flüsterton unterhielten,

schwiegen die anderen, beobachteten lauernd die Gäste.

Gilbert Davis nahm das Gespräch wieder auf und stieß Mort

leicht mit dem Ellbogen in die Seite.

»Bist du da sicher? Ich glaube, du meinst den Kerl mit der

geblümten Weste und der dicken Uhrkette. Kennst du ihn?«

»Er fiel mir nur auf. Überlegen, dieser Mann, dazu

selbstherrlich und… Nun ja, der Hombre weiß, was er will. Da
steckt mehr hinter, ich fühle es. Ein durchtriebener Kerl treibt
ein teuflisches Spiel an der Grenze, um sich die Taschen zu
füllen.«

»Aber doch nicht mit dem armseligen Krimskrams, den die

Rothäute besitzen. Was haben die denn schon an
Wertgegenständen?«

»Darum geht's nicht. Der wahre Grund für die Überfälle ist

mir leider nicht bekannt, Gilbert. Okay, wenn wir davon
ausgehen, daß sie außer Schmuck, primitiven Waffen und ein
paar Pferden nichts besitzen, muß man doch vermuten, daß es
um ganz andere Dinge geht.«

»Wir müssen es herausbekommen, Mort. Wenn wir die

Zügel schleifen lassen, graben wir uns selbst das Wasser ab.
Und wenn die Regierung noch mehr Militär und Sternträger in
dieses Land schickt, können wir uns mitsamt unseren
Geschäften begraben lassen.«

Gilbert Davis warf einen erwartungsvollen Blick auf

Mortimer Gale und griff nach der Flasche, die ihm sein
Nachbar zuschob. Er füllte sein Glas, gab die Flasche weiter.

»Diese verfluchte Bande! Abschaum der Grenze!« fauchte

Gale. »Wir leben ebenfalls von den anderen, aber wir halten
uns an die Weißen und lassen die Indianer in Ruhe. Wenn wir
Wagenzüge, Postkutschen und ein paar Banken überfallen, so

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sind es immer nur Weiße, die darunter leiden müssen. Wir
leben auf diese Art nicht schlecht, Gil. Wenn wir jedoch diesen
Höllenhunden nicht bald das Fell über die Ohren ziehen, sind
wir erledigt.«

»Man müßte feststellen, wo sie ihr Hauptquartier haben.

Dann können wir mit denen kurzen Prozeß machen. Überfall –
aus!«

»So einfach ist das nicht, Gilbert. Unser Verdacht stützt sich

nur auf Vermutungen. Wenn der Kerl mit der bunten Weste
tatsächlich etwas damit zu tun hat, wird es nicht leicht sein, an
die Bande heranzukommen oder ihre wahren Absichten zu
erfahren. Ein ganz ausgekochter Hund.«

Gil ließ der eigene Einfall keine Ruhe. Er bohrte weiter.
»Man müßte in Erfahrung bringen, wo das Zeug bleibt, das

sie den Rothäuten klauen. Pferde – hm, die kann man
verscheuern. Aber für Steinbeile und Feuersteinmesser zahlt
doch niemand auch nur einen Penny. Interessant ist, daß die
Überfälle in einem Gebiet stattfinden, das nur von den
Chiricahuas besiedelt ist.«

»Ja«, sagte Gale und krauste seine Stirn. »Es fängt in den

Mogollons an und endet im zerklüfteten Gebiet der Chiricahua
Mountains im Osten. Im Norden ist der Gila die Grenze, im
Süden der Camino del Diablo. Aufgefallen ist mir noch, daß
die Überfälle manchmal an zwei Stellen gleichzeitig
stattfinden. Die Bande muß mit Leuten der gleichen Art ganz
gut bestückt sein, mindestens dreißig. Meinst du nicht auch?«

Gil zuckte mit den Achseln und schwieg. Dafür schaltete sich

Howard Lee ein. Howard war der Spezialist der Bande – mit
dem Revolver und mit Dynamit. Dynamit brauchte er, wenn er
den Safe einer Bank knackte, den Revolver, um Town-
Marshals, Sheriffs und Bankangestellte umzulegen.

»Das sind dreißig Meilen nach Süden«, sagte Lee näselnd.

»Was ist das schon? Unser Operationsgebiet erstreckt sich bis
nach Tombstone hinauf.«

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»Well, und weitere dreißig bis zu den Emery-Plains und

Animas in Neu-Mexiko«, warf Gilbert Davis ein. »Mann, ist
das vielleicht nichts?«

Er erhielt keine Antwort. Die Schwingtür schlug auf. Ein

kühngesichtiger Mann, nicht sehr groß, dafür aber
breitschultrig, trat ein. Seine Kleidung war von Staub bedeckt
und wirkte abgerissen. Er blieb an der Tür stehen und ließ seine
Blicke kreisen. Dunkle, stechende Augen unter dichten Brauen,
gebräunte Haut, kantiges Kinn, schmale Lippen und eine
gerade Nase.

Diese Augen waren etwas länger auf die sechs Männer am

Ecktisch gerichtet. Etwas wie Vorsicht glitt über seine Züge,
und sein Körper spannte sich wachsam.

»Wer ist der Mann?« fragte Gil seinen Kumpel Mort.
Mort erwiderte:
»Ich sah ihn einmal zusammen mit dem Kerl, der die bunte

Weste trägt.«

Howard Lee murmelte:
»Ein Hombre, der wie alle Sterblichen kein heißes Blei

verträgt.«

Zwei Desperados lachten, die anderen blieben ernst und

zurückhaltend. Sie alle fühlten, daß sich etwas anbahnte, was
sie nicht mehr im Griff hatten. Ihre Blicke folgten instinktiv
dem Fremden, der sich mit klirrenden Sporen in Bewegung
setzte. Er trug seinen Revolver links, den Kolben nach vorn
gedreht, und das Halfter hing tief am Schenkel.

»Dieser Typ gefällt mir nicht«, brummte Gale. »Zu gelassen

und selbstsicher, zu – zu…«

»Wie ein Revolvermann«, unterbrach Howard Lee ihn.
»Ja, wie ein Revolvermann. Könnte ein Sternträger sein«,

folgerte Mortimer Gale grübelnd.

»Wir müssen es genau wissen«, sagte Gil und stand auf.

»Der Boß spießt uns auf, wenn wir einen Blechschlepper in der
Stadt dulden.«

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Mort hielt ihn fest.
»Laß mich's machen«, sagte er. »Besser noch, wenn Howard

hingeht.«

Lee erhob sich sofort, ging mit wiegendem Schritt zum

Tresen. Urplötzlich schien sich eine düstere Wolke in der
Kneipe auszubreiten und sich beklemmend auf die Gemüter
aller Anwesenden zu legen. Mit dem feinen Instinkt
aufmerksamer Beobachter ahnten sie, daß es hier Stunk geben
mußte. Karten fielen klatschend auf die Tische. Gläser standen
leer und unbeachtet in Lachen verschütteten Alkohols.

Der Stranger stand an der Theke und beobachtete Howard im

Spiegel über dem Gläserschrank. Lee tippte ihm auf die
Schulter, aber der Fremde drehte sich nicht um. Howard Lee
tippte noch einmal.

»Ist was? Spuck's aus und verschwinde, Mann!«
»Auf ein Wort, Fremder.«
Langsam drehte sich der Mann um.
»Ja?«
»In dieses Kaff verirren sich selten Fremde. Wir wollen

wissen, wer du bist.«

»Wer – wir?«
»Die Gentlemen am letzten Tisch in der Ecke.«
Der Fremde warf einen gleichgültigen Blick nach hinten.
»Interessieren mich nicht. Verschwinde!«
Howard Lee machte den ersten Fehler.
Er legte gönnerhaft die rechte Hand auf die Schulter des

kleineren Mannes und drückte leicht zu. Der andere wirbelte
zur Seite. Seine Faust schoß hoch und landete auf dem Punkt,
der alle geschwungenen Fäuste magisch anzuziehen schien.

Lee wurde nach hinten geschleudert und landete zwischen

den Tischen. Im Saloon wurde es so still wie in einer Kirche
vor dem Vaterunser. Gil und Mortimer Gale sprangen
gleichzeitig auf und rissen ihre Revolver aus den Halftern.

Aber sie waren bei weitem nicht schnell genug. Der Fremde

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zog und schoß. Drei Schüsse krachten. Drei Lampen
zersplitterten an der Decke und gossen brennendes Kerosin
über die Gäste. Es wurde dunkel, und als schließlich die
Hintertür klappte, wußte jeder, daß der Fremde entkommen
war.

Der Keeper brachte neue Zylinder und zündete die Lampen

wieder an. Als das gelbliche Licht den Raum mehr schlecht als
recht ausleuchtete, kam Lee langsam in die Senkrechte. Er
bedachte Gil, Mortimer und die anderen mit einem wütenden
Grunzen.

Mortimer schrie:
»Los, hinter ihm her! Alle Mann! Worauf wartet ihr

Holzböcke? Der Kerl ist ein Spitzel, und wenn wir ihn
entwischen lassen, bricht uns der Boß alle Knochen im Leib.«

Sechs Männer verließen in aller Eile den Saloon durch die

Vorder- und Hintertür. Alle redeten aufgeregt durcheinander.

Die Gemüter erhitzten sich, aber niemand war da, der sich

hätte einen Reim auf das Geschehene machen können.

*

Eine Stunde vor Mittag.

Sie starrten sich an, als hätten sie sich nie im Leben gesehen.

Cochises Gesichtsausdruck wirkte unsicher, verursacht durch
die Schuld, die er neuerdings John Haggerty gegenüber
empfand.

Im Hintergrund kauerten Sho-shu-li, seine Squaw und seine

Schwester. Das Mädchen lag mit verbundener Hand auf dem
Lager und ließ keinen Blick von den beiden Weißen. John
Haggerty machte einen erschöpften und ausgebrannten
Eindruck. Die Operation hatte ihn mehr mitgenommen, als er
sich zugestehen wollte.

Stille herrschte im Jacale. Die anderen Squaws waren nach

draußen gegangen und tuschelten hier und da. Nicht ein

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einziger Krieger ließ sich sehen.

»Am Abend muß ich den Verband erneuern«, sagte Haggerty

mit schwerer Zunge. »Einverstanden?«

Cochise blickte ihn ernst und sehr nachdenklich an.
»Wird Tla-ina nicht wieder ohne deine Hilfe gesund?«
John zuckte mit den Achseln.
»Ich weiß es nicht. Der Verband muß regelmäßig erneuert

werden, sonst tritt eine Blutvergiftung ein. Kein Mensch
könnte deine Schwester dann noch retten.«

»Wakashi ist ein großer und starker Krieger, Bleichgesicht.

Er wird dich besiegen und töten.«

Ein leiser Schreckensruf ertönte hinter dem Häuptling. Bevor

John Haggerty antworten konnte, schlug die Decke beim
Eingang zurück. Ein junger Krieger betrat den Raum. Seine
Ähnlichkeit mit Cochise war verblüffend. Die gleiche
Adlernase, den gewölbten Brustkorb, die hochgewachsene
Gestalt…

Cochise drehte sich zu ihm um, deutete auf John Haggerty

und sagte in spanischer Sprache:

»Das ist der weiße Mann, der die zweite Tochter meines

Vaters vor dem Stich der Peitschenspinne rettete. Mein Sohn
Naiche.«

Der junge Krieger, höchstens 18 Jahre alt, trat mit ernstem

Gesicht vor und reichte John nach europäischer Sitte die Hand.

»Ich bin Naiche«, sagte er, drückte die dargebotene Rechte

und wies auf die ältere Squaw. »Meine Mutter Sho-shu-li. In
deiner Sprache heißt das ›Regenbogen‹. Wir alle stehen in
deiner Schuld, Weißauge.«

Haggerty sagte:
»Niemand schuldet mir etwas, Naiche. Was in meinen

bescheidenen Kräften steht, werde ich tun, um ›Sanfter Wind‹
zu retten.«

Cochises Miene drückte Zweifel aus.
»Vielleicht bist du in einer Stunde tot, Bleichgesicht.«

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In seinen Worten lag etwas, das Antwort von Haggerty

forderte.

John erwiderte:
»Ich fürchte den Mimbrenjo nicht, und er wird mich auch

nicht besiegen. Was meinst du, Bill? Schafft er es?«

»Du bist im Gebrauch ihrer Waffen ungeübt, mein Junge.

Nimm dich in acht. Zu große Selbstsicherheit ist hier nicht
angebracht.«

Naiche ließ den Scout keine Sekunde aus den Augen. Wenn

er nach einem Anzeichen von Furcht in Johns Zügen suchte,
sah er sich getäuscht. Dieser weiße Mann war so furchtlos wie
ein Apache. Er legte Haggerty eine Hand auf die Schulter und
sagte leise:

»Ich schulde dir das Leben Tla-inas, Weißauge. Ich werde

für dich kämpfen.«

Wieder ein erstickter Schreckensruf aus dem Hintergrund.

›Sanfter Wind‹ richtete sich auf dem Ellbogen auf und suchte
den Blick Cochises. Der Häuptling stand mit gesenktem Kopf
und wiegte leicht seinen Oberkörper. Mit belegter Stimme
sagte er:

»Ein Chiricahua kämpft nicht mit einem Mimbrenjo, kein

Apache kämpft gegen einen anderen Apachen. Das wäre der
Untergang unseres Volkes.«

Nach diesen Worten verließ er den Jacale. Die beiden Frauen

und Naiche starrten ihm nach. Nach einer Weile wandte sich
der Häuptlingssohn wieder an John.

»Mein Vater hat entschieden. Ich werde dem Großen Geist

ein Opfer bringen und für dich beten, Weißauge.« Er schien
nachzudenken und fügte hinzu: »Sei auf der Hut, Wakashi ist
heimtückisch und gemein wie eine Klapperschlange.«

»Ich werde auf mich aufpassen, Naiche. Wann bringt man

mir die Waffen zur Auswahl?«

»Du wirst es rechtzeitig erfahren.« Naiche wandte sich ab,

kehrte aber noch einmal um. »Wenn du zu ›Sanfter Wind‹

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mußt, dann gehe hin. Niemand wird dich belästigen.«

»Danke«, sagte John Haggerty und gab Bill einen

verstohlenen Wink.

*

Sie verließen das Wickiup hinter dem Häuptlingssohn und
gingen zu ihrem eigenen Jacale. Bill fiel Johns tiefer Ernst auf
und blieb stehen. Sofort spürte er die Lanzenspitze seines
Bewachers in seinem Rücken. Aufgebracht drehte er sich um.

»Hau ab, du Laus!« schrie er unbeherrscht. Die Rothaut wich

tatsächlich ein paar Schritte zurück. Bill ging weiter.
Unentwegt schaute er den Freund an. »Was ist mit dir, John?
Angst vor dem Kampf?«

»Quatsch! Ich denke nach.«
»Ist das jetzt der richtige Zeitpunkt dafür? Mann,

konzentriere dich auf den Kampf! He, worüber denkst du
nach?«

Ȇber die Tatsache, wie ein Skorpion in die Berge kommt.

Ich meine, es lohnt sich, darüber nachzudenken.«

»Finde ich nicht. Warum soll es hier keine Skorpione

geben?«

John Haggerty kicherte.
»Der Mangel an Schlaf hat deinen Geist lahmgelegt, wie?

Skorpione sind Wüstenspinnen, die Wärme und ihre gewohnte
Umgebung brauchen. Fällt bei dir jetzt der Nickel?«

»Gar nichts fällt. Tu mir den Gefallen, John. Hör auf mit dem

Unsinn. Skorpione leben überall, auch hier im Gebirge.«

»Idiot«, sagte der Scout aufgebracht. »Ich sage dir, es gibt

keine Skorpione hier oben. Viel zu kalt.«

Sie betraten ihr Wickiup und unterhielten sich am

brennenden Feuer weiter. Irgend jemand, wahrscheinlich die
alte Squaw, hatte inzwischen das Frühstück hingestellt. Auf
einem Stein lagen flache Brotkuchen, sogenannte Tortillas,

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gebratene Fleischscheiben und ein Topf mit einem Brei, der
ausgezeichnet duftete und noch besser schmeckte.

Während sie sich über das Essen hermachten, dabei klares

Quellwasser tranken, dachten sie beide über ihr Gespräch nach.
Bill Harwig kapierte allmählich. Er runzelte die Brauen und
schob sich grübelnd zwei Stücke Fleisch gleichzeitig in den
Mund.

»Well, was meinst du zu der Sache?«
John verstand sofort.
»Ein Attentat«, sagte er.
»Wieso? So was gibt es doch nur unter den Weißen.«
»Nahm ich bisher auch an. Aber ein hochgiftiger Skorpion in

dieser Bergwildnis läßt mich jetzt anders denken.«

Bill Harwig mußte das erst verarbeiten und brummte ein paar

Töne vor sich hin, die ebensogut der Ausdruck einer
Begeisterung über das Essen sein konnten. Nach einer Weile
fragte er:

»Wer?«
John zuckte mit den Achseln.
»Wenn ich das nur wüßte. Unter den Chiricahuas wird es

auch schlechte Charaktereigenschaften wie Haß, Neid, Ärger
wegen verschmähter Liebe und Ähnliches geben.«

»Wer, zum Teufel, tut so was? Dieses unschuldige Mädchen

– so hübsch, so…«

»Vorsicht, Bill! Keine Schwärmereien. Wir können nicht mal

ahnen, wie sie so etwas auffassen. Möglicherweise…«

Wieder wurden sie gestört. Cochise trat ein und blieb hinter

John stehen. Er trug die traditionelle Wüstenkleidung der
Apachen, ohne die Wildlederjacke. Draußen war es inzwischen
wärmer geworden.

Als John Haggerty sich weder umdrehte noch sonst zu

erkennen gab, daß er die Anwesenheit des Häuptlings bemerkt
hatte, setzte sich Cochise schweigend beim Feuer nieder und
starrte in die Flammen.

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»Du hast alles überlegt, weißer Mann. Zu welchem Resultat

bist du gekommen?«

John wußte, was er meinte.
»Der Anschlag auf das Leben deiner Schwester wird sich

wiederholen. Aber dann wird es kein Skorpion sein.«

Cochise nickte. Bill Harwig stieß die Arme in die Höhe und

fragte laut:

»Bei allen Dämonen dieser Erde, wovon redet ihr?«
»Wir unterhalten uns über das Attentat. ›Sanfter Wind‹, hoffe

ich, wird mit dem Leben davonkommen. Das schließt natürlich
einen weiteren Mordversuch nicht aus. Cochise weiß das so gut
wie ich.«

Der Häuptling nickte mit ernstem Gesicht. Tiefe Falten

hatten sich um seine Nasenflügel eingegraben, und unter seinen
Augen lagen braune Schatten.

»Du sprichst klug, Bleichgesicht. Rede weiter! Wen hast du

im Verdacht?«

John Haggerty wehrte ab.
»Ich bin ein Weißer, Cochise, deshalb kenne ich eure Sitten

und Gebräuche nicht. Für mich steht fest, daß man die
Peitschenspinne aus der Ebene heraufgebracht und in den
Jacale der Frauen geschmuggelt hat. Der Grund ist mir
allerdings nicht klar, und wen sie stechen sollte, kann ich dir
auch nicht sagen.«

Cochise hob den Kopf. Seine dunklen Augen funkelten. Die

Hand, die er gegen den Scout ausstreckte, zitterte.

»Töte ihn, Bleichgesicht! Töte ihn! Zastee!«
Mit einem Sprung stand er auf den Beinen und verließ die

Laubhütte. Wie benommen blickten ihm die beiden Weißen
nach.

*

Der Reiter paßte sich der Dunkelheit der Nacht an und trieb

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sein Pferd unbarmherzig durch die Canyons der Pahute Range.
Lange nach Mitternacht tauchte er in eine langgezogene,
gewundene Schlucht ein und parierte dort sein Tier. Er gönnte
dem Pferd eine Verschnaufpause von einer halben Stunde,
stieg dann wieder auf und ritt im gemäßigten Tempo weiter.

Als die ersten Bodennebel durch die Täler zogen, lenkte er

sein Pferd in einen engen Canyon und gelangte schließlich in
ein grasbewachsenes breites Tal, das von einem Wasserlauf
durchquert wurde. Drei Blockhäuser standen so trutzig unter
Hickorybäumen, als wollten sie der ganzen Welt Widerstand
bieten.

Der Reiter glitt aus dem Sattel, brachte sein Pferd in einen

Stallanbau, rieb es gründlich ab und warf ihm Hafer und Heu
vor. Zu trinken bekam es nichts.

Der Mann verließ den Stall, steuerte die linke der drei

Blockhütten an und drückte die Tür auf. Stille empfing ihn,
Dunkelheit und der scharfe Geruch von Whisky.

»Du bist schon zurück, Elvis?«
Die Stimme klang weder trunken noch müde. Wash blieb

stehen und gewöhnte seine Augen an die Dunkelheit.

»Warum machst du kein Licht, Boß?«
»So kann ich besser denken. Warum bist du schon wieder

zurückgekommen? Du solltest herausfinden, was man in der
Stadt über den Überfall auf die Indianer erzählt. Warum…«

»Moment, Boß, sachte! Hör mich erst mal an.« Elvis Wash

konnte Hank Doolins Kopf und die Schultern in der Finsternis
ausmachen. »Sie wollten mich umbringen. Wahrscheinlich
erkannten sie mich.«

»Wer?«
»Die andere Bande.«
»Verdammt! Schon wieder? Du bist getürmt. Wie ich dich

kenne, hast du wie ein Dieb in der Nacht Reißaus genommen,
als sie dich anpöbelten.«

»Das mußte ich, wenn ich am Leben bleiben wollte«,

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verteidigte sich Wash. »Wenn ich nicht die Lampen
ausgeschossen und durch die Hintertür geflüchtet wäre, stünde
ich jetzt nicht hier.«

»Okay, setz dich!«
Wash nahm Platz. Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit

gewöhnt und erkannten nun Einzelheiten.

Doolin schob sich ein bißchen zur Seite.
»Weiter!«
»Was weiter? Ich habe dir alles gesagt.«
»Du hattest einen Auftrag. Was hast du in Erfahrung bringen

können?«

»Nichts. Es blieb keine Zeit dazu. Du mußt einen anderen

schicken, Boß, den man in Santa Magdalena nicht kennt. Das
verdammte Nest ist das reinste Tollhaus. Wenn die mich noch
einmal sehen, lynchen sie mich.«

»Ich schicke den Neuen oder reite selbst hin«, sagte Doolin,

kaum beeindruckt von Elvis' Selbstverteidigung. »Morgen früh
breche ich auf. Hau dich jetzt in die Falle, Elvis.«

Wash stand auf und verschwand so lautlos wie ein Gespenst.

Doolin schenkte sich ein Glas voll und trank genüßlich. Er war
allein in der Hütte, und nur wenn er allein war und sich
unbeobachtet fühlte, trank er.

Seine Leute schliefen alle – dachte er.
Er sah nicht, wie draußen eine Gestalt um die Blockhütte

strich und schließlich das Ohr an den Fensterladen legte. Der
Mann hatte schon vorher gelauscht, als Wash seinen Bericht
abgegeben hatte. Er war lediglich in die schützende Dunkelheit
zurückgewichen, als der Outlaw die Blockhütte verließ und zu
seiner Unterkunft schlenderte.

Als der heimliche Lauscher nichts vernahm, verließ er seinen

Horchposten und öffnete die Tür des nächsten Blockhauses.
Elvis Wash stand vor seiner Koje und kleidete sich aus.

»Hey!« sagte Curt Miller, zog sich einen Stuhl heran und

setzte sich an den Tisch. »Wo bist du gewesen, El?«

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»In Santa Magdalena. Spezialauftrag vom Boß. Nichts draus

geworden. Mist! Man erkannte mich, und ich mußte flüchten.«

»Ganz schön sauer, wie?«
»Der Boß? Klar, der ist sauer. Gesagt hat er allerdings

nichts.«

»Besinn dich!«
»Wozu?« fragte Wash mißmutig. »Warum sich anstrengen?

Ist doch alles egal, oder nicht? Er reitet bei Tagesanbruch
selbst in die Stadt. Soll er doch. Ihm geht es mehr um die
andere Bande. Er will feststellen, was man über unseren letzten
Coup redet. Ich weiß wirklich nicht, was er sich bei der ganzen
Sache denkt.«

»Wann habt ihr denn das Ding gedreht?«
»In der Nacht vor vier Tagen. Du warst noch nicht hier. Hat

nicht 'ne Bohne eingebracht. Nur Plunder, sage ich dir. Da sind
die anderen besser dran. Die nehmen jeden Monat eine
Postkutsche aus oder eine Bank. Und glaub's mir, dieses
Geschäft lohnt sich.«

Miller begriff. Er drehte sich eine Zigarette und zündete sie

über der Kerosinlampe an. In der hinteren Doppelkoje
schnarchte ein Mann mit offenem Mund. Sonst war es still in
der Blockhütte, wie in einer Gruft.

Miller wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen und Wash mit

gezielten Fragen hellhörig machen, aber er konnte sich die
nächste Frage nicht verkneifen.

»Ihr überfielt ein Indianerlager, machtet die Leute nieder

und… ja, was denn noch? Zum Teufel, das bringt doch nichts
ein. Doolin sagte mir, er brauche einen Scout, der die Pässe
nach Sonora kennt.«

»Das ist es doch. Wir könnten leben wie Gott in Frankreich,

wenn Doolin nur etwas vernünftiger wäre. Was er mit dem
Krimskrams anfängt, den wir erbeuten, weiß der liebe
Himmel.«

Wash war ehrlich entrüstet. Er starrte Miller an und machte

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eine höhnische Grimasse.

»Ich nahm an, daß er die Beute nach Mexiko bringt und dort

verscheuert. Wozu braucht er sonst einen Scout?«

Wash lächelte höhnisch.
»Was sollen wohl die armen Schweine von Peone mit dem

indianischen Plunder anfangen? Sie sind so arm, daß sie sich
nicht mal 'ne Hand voll Mais kaufen können. Alles Unsinn.«

»Dann kapiere ich das Ganze nicht«, sagte Miller und drehte

sich eine neue Zigarette.

»Wir schon lange nicht, Hombre. Einer hatte mal 'ne Idee.

Als er sie lautwerden ließ, holte Doolin ihn aus den Stiefeln.«

»Was für eine Idee?«
»Ach, nur so. Ich rede nicht gern darüber. Man weiß nie, auf

welchem Weg es wieder zu Doolin gelangt.«

Miller tat gleichgültig.
»Du kannst mir vertrauen, El. Die Armee sucht mich, und

wenn sie mich kriegt, stellt sie mich an die Wand. Bis nicht
Gras über die Sache gewachsen ist, habe ich draußen keine
Chance.«

Wash kam zum Tisch und setzte sich im Unterzeug auf einen

Stuhl.

»Er machte mich zu seinem Segundo, weil ich eine ziemlich

schnelle Hand habe. Aber ich bin ihm weniger wert als ein
Hund, dem man einen Fußtritt gibt. Buster Liven erzählte
damals jedem, der ihm zuhörte, Doolin gäbe die Beute der
anderen Bande. Keine Ahnung, ob da was dran ist. Kannst dir
selbst einen Reim darauf machen.«

Miller dachte darüber nach. Nach einer Weile sagte er:
»Das hätte nur Sinn, wenn die anderen den Plunder

gebrauchen können. Zum Beispiel bei einem
Postkutschenüberfall oder auf einen Wagenzug. Die
Beutestücke als Hinweis auf den Täter bei einem gesprengten
Tresor zurückzulassen, wäre des Guten zuviel getan. Niemand
würde das glauben.«

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»Das war auch Busters Meinung«, entgegnete Wash, stand

auf, setzte sich auf die Bettkante und zog die Wollsocken aus.

»Deswegen mußte er sterben«, sinnierte Miller. »Okay,

gehen wir schlafen. Morgen ist auch noch ein Tag.«

*

Die Sonne stand genau im Zenit. Schatten gab es nicht. Sogar
der Wind war eingeschlafen.

Wakashi stand John Haggerty gegenüber. Beide waren bis

zum Gürtel nackt.

Die Auswahl der Waffen war ihnen nicht schwergefallen.

Der Indianer hatte die Lanze gewählt, John den Tomahawk.
Mit dem Kriegsbeil konnte er zur Not umgehen, die anderen
Waffen waren ihm weniger vertraut.

In einem weiten Kreis standen Krieger, Frauen und Kinder.

Schweigend sahen sie zu, wie sich die Gegner umkreisten.
John hielt Ausschau nach ›Sanfter Wind‹, aber er sah sie
nirgendwo. Auch Cochise und Naiche konnte er nicht
entdecken.

Der Apache griff an. Er sprang vor und wieder zurück,

fintete mit der Lanze, wich einem Beilhieb aus und sprang mit
einem Riesensatz aus dem Gefahrenbereich. Krieger
murmelten beifällig.

Wieder stieß Wakashi mit der Lanze vor. John drehte sich

um seine Achse und drückte den Speer zur Seite. Unmittelbar
vor ihm bewegte sich Wakashis schwarzhaariger Kopf.

Ehe John die Streitaxt heben und zuschlagen konnte, war

Wakashi schon wieder blitzschnell ausgewichen. Lange Zeit
ging der Kampf so weiter. Dann und wann kamen Zurufe der
umstehenden Krieger, sonst war kein Laut zu hören.

John wußte, daß es ein Kampf auf Leben und Tod war, und

daß er nicht die geringste Rücksicht zu erwarten hatte. Er war
auf der Hut, beging nicht den kleinsten Fehler und ließ den

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Indianer kommen.

Wakashi kam. Tödliche Entschlossenheit strahlte aus seinen

Augen, trieb ihn an. Die Lanze zuckte vor, wurde am
Armriemen zurückgerissen. John war mit einem tänzelnden
Schritt zur Seite geglitten und versuchte, einen Beilhieb
anzubringen.

Das mißlang.
Als er sich halb umdrehte, sah er Naiche neben dem

Häuptlingsjacale stehen. Der junge Chiricahua schien sehr
besorgt zu sein. John wußte, warum. Mit seiner hellen Haut
machte er nicht gerade eine gute Figur neben dem Indianer.

Wieder griff Wakashi wütend an. Die Lanze zuckte vor, zur

Seite und zurück. Die Apachen konnten es fast so gut wie die
Comanchen in den Plains, obwohl die Lanze nicht ihre
Hauptwaffe war.

Wakashi tänzelte auf seinen kniehohen Wüstenmokassins

heran und fintete wieder. Diesmal fiel John nicht auf ihn
herein. Er blieb seelenruhig stehen und ließ die scharfe
Feuersteinspitze an seiner Brust vorüberzischen.

Dann schlug er zu. Knirschend brach das Eschenholz. Ein

lauter Schrei aus mehr als 40 Männerkehlen toste zu den
Hängen empor.

Wakashi war waffenlos. John hatte mit einem Schlag den

Schaft seiner Lanze gebrochen.

Aber die Rothaut gab keineswegs auf. Den Rest des

Lanzenschaftes wie einen Knüppel schwenkend, stürzte er sich
auf den verhaßten Weißen. Wieder war es John Haggerty, der
die Nerven behielt.

Der Unterhäuptling griff mit seinen plumpen Händen nach

ihm und versuchte, dem Gegner den zersplitterten Schaft ins
Gesicht zu stoßen. John war schneller. Er wirbelte herum,
Wakashi entgegen.

Seine Rechte traf seinen Gegner am Kinn, trieb ihn gegen

den Ring aus Menschenleibern zurück. Ein tiefes Knurren

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entrang sich Johns Kehle, und er schlug wieder zu. Wakashi
sackte auf die Knie, packte einen Stein und schleuderte ihn mit
aller Kraft auf den Weißen.

Der Stein traf John Haggerty am Kopf, betäubte ihn fast, und

dann stürzte sich der Apache auf den großen Scout, trat mit den
Füßen nach ihm, schlug auf ihn ein, keuchte wie verrückt.

»Hau mit der Axt zu!« schrie Bill Harwig wütend. »Mäh ihn

einfach um!«

Die Apachen brüllten:
»Zastee! Töte!«
John hieb nach den Beinen des Gegners, aber Wakashi

sprang wie eine Feder über das gefährliche Kriegsbeil hinweg.
Der Indianer war stark, hatte Muskeln so hart wie Stahl. Er
drängte Haggerty bis zu einem Felsbrocken, der auf der
Grasnarbe lag.

John berührte den Felsen mit seinem Rücken. Wakashi kam

auf ihn zu, trat nach ihm und wollte sich von der Seite her auf
den verhaßten Weißen stürzen.

Da stieß sich der Scout mit dem Rücken ab, gab sich einen

Vorwärtsschwung und legte alle Kraft in den vorschnellenden
Arm.

Seine geballte Hand erwischte den Indianer voll. Blut rann

ihm aus der Nase.

Er schüttelte sich wie ein Bison, an dessen Flanken Wölfe

hingen.

John setzte nach, drosch mit schwingenden Fäusten wild auf

den Chiricahua ein. Das Beil lag vergessen am Boden.

Wakashi schnappte röchelnd nach Luft, flog gegen den Fels.
Mit glasigen Augen stand er vornübergebeugt, und als ihn

Johns Faust voll auf den Punkt traf, rutschte er an dem Stein
herab, blieb liegen, rührte sich nicht mehr.

»Mach ihn fertig!« rief Bill Harwig und gestikulierte wie

wild mit den Armen.

»Zastee!« schrien die Rothäute voller Zorn.

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Dann wieder der Scout:
»Töte ihn, John, bevor er dich später umbringt!«
John hatte genug vom Kampf, trat zurück, gab dem

Tomahawk einen verächtlichen Tritt und ging auf die
festgeschlossene Mauer der Krieger zu.

Naiche trat ihm entgegen.
»Du darfst ihn nicht am Leben lassen, Hellauge. Das ist

gegen das Gesetz der Chiricahua. Töte ihn!«

»Ich schenke ihm sein Leben«, sagte John Haggerty einfach.
»Er wird es dir kaum danken«, flüsterte Naiche ihm zu.

»Töte ihn, noch ist's Zeit!«

John schüttelte den Kopf, ging mit raumgreifenden Schritten

zu seinem Wickiup und verschwand darin. Bill folgte ihm und
hielt ihn am nackten, schweißnassen Arm fest.

»Mensch, bist du von Sinnen? Wie kannst du nur die Rothaut

am Leben lassen? Los, Mann, schnapp ihn dir und schick ihn
zum alten Manitu!«

John blieb beim erkalteten Feuer stehen. Er sah Bill an,

lange, wie geistesabwesend.

»Ist nicht schon an der Grenze getötet worden?« fragte er.
»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun«, herrschte

Harwig ihn an. »Wenn er sich eines Tages deine Haare um die
Finger wickelt und sein Skalpmesser an deiner Kopfhaut
ansetzt, weißt du, was du falsch gemacht hast.«

John Haggerty setzte sich auf sein Lager, drehte sich eine

Zigarette und zündete sie mit dem letzten Streichholz an.

»Ich bin Sieger geblieben. Mal sehen, was jetzt kommt.

Irgendwie befriedigt mich der Kampfabschluß nicht.«

»Kein Wunder, Mann. Du hättest ihn umbringen sollen.

Einer weniger – was macht das schon aus?«

»Viel«, antwortete John ernst, lehnte sich zurück und schloß

die Augen.

*

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Am Abend wurde John Haggerty von Cochise abgeholt. Der
Jacale war hellerleuchtet. Ein großes Feuer brannte in seiner
Mitte, und über den Flammen briet das Viertel einer Antilope.

Tla-ina, ›Sanfter Wind‹, blickte ihm entgegen. Ihr Gesicht

war gerötet, tiefe Schatten lagen unter ihren sanften Augen.

John erschrak. Mit einem langen Schritt stand er bei ihrem

Lager, ergriff ihre Hand. Das letzte Stück war festgeklebt. Mit
einem kurzen Ruck riß er das Leinen von der Wunde.

Die sah nicht gut aus. Tabaksaft war scheinbar doch nicht

das richtige Desinfektionsmittel. Noch war keine
Blutvergiftung eingetreten, aber wenn John die Wunde richtig
beurteilte, konnte sie noch während der Nacht eintreten.

Als er sich aufrichtete, stand Naiche neben ihm. Der junge

Mann machte eine besorgte Miene. Er sagte etwas zu Cochise,
und der Häuptling sagte:

»Unsere Medizinmänner kennen Kräuter, die Entzündungen

hemmen, Weißauge. Dürfen sie sich um die kranke Hand von
›Sanfter Wind‹ kümmern?«

John Haggerty nickte.
»Ich glaube, ich bin mit meinem Latein am Ende. Laß den

Medizinmann herkommen.«

»Was ist das, Latein?«
John machte eine vage Handbewegung.
»Eine Sprache unserer Gelehrten. Naiche, hol den

Heilkundigen deines Volkes.«

Der junge Krieger ging vor das Wickiup, sprach draußen mit

jemand und kam sofort darauf zurück. John setzte sich auf Tla-
inas Lager und hielt die kranke Hand in seinen Händen.

»Wir kriegen das schon wieder hin, keine Angst«, sagte er in

spanischer Sprache.

»Ich habe keine Angst, wenn du in meiner Nähe bist«,

flüsterte das Mädchen.

Cochise saß beim Feuer und drehte die Astgabel mit dem

Fleisch. Er warf einen seltsamen Blick herüber, schwieg sich

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jedoch aus. Was er dachte, darüber war sich John klar.

Die Klappe beim Eingang wurde zur Seite geschlagen. Ein

alter Apache trat ein und murmelte einen Gruß. Naiche erklärte
ihm, worum es ging. Der alte Mann setzte sich ans Feuer, zog
ein Rohledersäckchen aus den Falten seines Jagdrocks, öffnete
es und nahm eine Prise grauen Pulvers heraus. Er schüttete das
Zeug in ein Tongefäß und gab Wasser zu. Langsam verrührte
er das Ganze über dem Feuer zu einem Brei.

Die Mischung stank bestialisch. John hätte sich am liebsten

die Nase zugehalten, wagte es aber nicht. Die schmale Hand in
der seinen zuckte. Aber kein Klagelaut kam über die Lippen
des Mädchens. Endlich war der Schamane fertig, kam mit dem
Gefäß herüber.

Während er die heiße Salbe auf die Wunde strich, beachtete

er den Weißen nicht. Als er fertig war, sagte er etwas in seiner
Sprache zu Naiche, der die Worte übersetzte.

»Büffelhorn sagt, die Wunde muß wieder verbunden werden,

Weißauge. Hast du noch Stoff?«

John nickte, stand auf und ging zu seinen Satteltaschen, die

unbeachtet in einer Ecke des Wickiups lagen. Er nahm das
Leinen heraus, riß einen langen Streifen ab und machte sich
daran, die kranke Hand des Mädchens frisch zu verbinden.
Dann stand er auf und warf den alten Verband ins Feuer.

Der Medizinmann murmelte etwas Unverständliches, packte

sein Pflanzenpulver ein und verließ die Behausung. John setzte
sich zu Cochise und Naiche ans Feuer. ›Regenbogen‹ schnitt
von der Antilope Scheiben ab und servierte sie auf kleinen
Brettern. Jeder zerteilte sein Fleisch mit dem Messer und
benutzte die Spitze als Gabel. Es gab frisch gebackene
Brotfladen dazu, Tortillas.

Nach dem Essen reichte der Häuptling kleine Holzschalen

mit Tizwin herum, einem gegorenen Getränk aus Agave. John
nippte daran und fand das Zeug nicht einmal schlecht.

»Ich habe Washaki besiegt«, sagte John Haggerty auf

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spanisch. »Wann werde ich gemartert?«

Die tönernen Wasserspeiergesichter des Häuptlings und

seines Sohnes starrten ihn ausdruckslos an.

»Morgen. So verlangt es das Gesetz der Chiricahuas«,

antwortete Cochise mit tiefem Ernst.

»Morgen«, wiederholte John Haggerty und nickte zu seinen

Worten. »Morgen also? Okay, Jefe, dann eben morgen. Ein
guter Tag zum Sterben, wie jeder andere.«

Cochise und Naiche warfen sich einen langen Blick zu.

Naiche schüttelte leicht den Kopf, aber Cochise ignorierte das
Zeichen. Tla-ina sprach zu ihrem Bruder, doch John verstand
sie nicht. Er hörte lediglich den drängenden Ton in ihrer
Stimme.

Naiche übersetzte die Worte des Mädchens, und in jedes

Wort, das er sagte, legte er ein besonderes Gewicht.

»›Sanfter Wind‹ bat soeben um dein Leben, Hellauge, aber

der Jefe verschließt sein Ohr gegen ihre Stimme. Wir werden
sehen…«

Naiche ließ den letzten Satz ausklingen und beschäftigte sich

mit einer zweiten Fleischportion, die er sich von dem Wildbret
abschnitt. War es eine Verlegenheitsgeste?

»Was tut Wakashi?« fragte John Haggerty interessiert.

»Sinnt er auf Rache?«

Cochise nickte.
»Sein Haß wird ihn eines Tages töten – oder der Stachel

einer Peitschenspinne.«

»Oder der Biß einer Klapperschlange dich, der einer

Sandviper deinen zweiten Sohn«, entgegnete John gefühllos.
Er mußte deutlicher werden, um den Chiricahua aus der
Reserve zu locken.

»Ich rieche Schlangen«, sagte Cochise düster. »Keinem wird

es gelingen, mich umzubringen.«

»Der Mimbrenjo?«
»Ich habe nicht behauptet, daß Washaki ein Mörder ist.«

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Naiche fügte hinzu: »Ich bin der zweite Sohn. Tonka, der
Erstgeborene, fiel im Kampf gegen die Gelbhäutigen.«

Gemeint waren Mexikaner.
Naiche sprach noch einmal den Weißen an:
»Du meintest mich?« Unglauben lag in seiner Stimme.
John antwortete:
»Dich, Naiche. Der Jefe hat keine weiteren Söhne mehr.«
Der junge Krieger erhob sich, strich sich die Leggins glatt

und wandte sich schweigend ab. Als er das Wickiup verlassen
hatte, herrschte Stille beim Feuer.

»Du hast ihn verletzt«, sagte Cochise.
»Das wollte ich nicht, bei Gott, das wollte ich wirklich nicht.

Es war nur als Warnung gemeint, Jefe.«

»Ich weiß es, und Naiche weiß es morgen auch.«
Als John den Kopf einmal wandte, sah er den flehenden

Blick des jungen Indianermädchens. Er verstand nicht, was
sich abspielte, was die Rothäute dachten und fühlten. Er
wischte sich die fettigen Hände an den Hosenbeinen ab und
ging zum Ausgang. Niemand hielt ihn auf.

*

Durch die Gran Desierto schleppte sich mühsam ein Zug von
vier hochbeladenen Murphis. Flaniert wurde er von drei blau
gekleideten Reitern auf jeder Seite, angeführt von einem
Sergeant, dem ein Scout in Zivil voranritt.

Der ständige Kampf gegen Hitze, Treibhausluft, Reptilien

und wehenden Sandteufeln hatte die Männer zermürbt und bis
auf die Knochen ausgelaugt. Am meisten aber machten ihnen
die Fata Morganen zu schaffen, die während der größten
Tageshitze um die Mittagszeit auftauchten, sie narrten, ihnen
Trugbilder vorgaukelten und schließlich hinter den nächsten
Sanddünen verschwanden.

Sergeant Bill McCleff hielt sein stolperndes Pferd an und

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wartete. Auch der Scout konnte nicht mehr weiter. Er glitt vom
Sattel, ließ sich in den Schatten sinken. Seine haarige Hand
fuhr sich über das heiße, verschwitzte Gesicht.

Langsam näherten sich die schwerbeladenen Fahrzeuge. Von

je sechs stämmigen Gäulen gezogen, mahlten sich ihre Räder
durch den pulverfeinen Sand und ließen lediglich zwei breite
Reifenspuren zurück.

Sergeant McCleff ritt noch die wenigen Yards bis zu dem

Scout und ließ sich ebenfalls wie tot aus dem Sattel fallen.

»Hast du schon mal solch eine Hitze erlebt, Horus?«
»Nein«, erwiderte der Scout. »Die Hölle kann nicht

schlimmer sein. Wieviel Wasser haben wir noch?«

»So gut wie nichts mehr, Horus. Was wir noch haben, ist für

die Pferde.«

»Wir Menschen können verrecken, wie?«
»Uns fragt niemand, ob wir's wollen. Man sagt uns nur:

›Sergeant McCleff, Sie bringen den Wagenzug sicher nach Fort
Apache‹. Die haben ja am grünen Tisch keine Ahnung, wie die
Wüste aussieht. Die Gila ist schon schlimm, aber die Desierto
ist schlimmer als die Hölle. Ich komme mir vor, als würde ich
täglich aufs Neue geröstet.«

»Wirklich kein Wasser, Bill? Nicht einen einzigen Tropfen?«
»Nicht mal die Hälfte eines Tropfens, Horus. Tut mir leid,

ich habe meine Befehle.«

»Befehl hin, Befehl her. Wenn wir hier krepieren, ist dem

Fort auch nicht mehr zu helfen. Wir müssen mehr an uns
denken, Sergeant.«

Bill McCleff zuckte mit den Achseln.
»Du solltest eigentlich wissen, daß unsere Chancen, hier

herauszukommen, so gut wie Null sind. Du kannst dich mit
deinem Zossen in Sicherheit bringen und morgen das Gebirge
erreichen. Ich kann's nicht. Mir sind die Männer und die
Frachten anvertraut.«

»Ohne Wasser hält mein Gaul keine drei Stunden mehr

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durch. Wie soll ich unter diesen Umständen die Berge
erreichen?«

»Beim Camino del Diablo gibt es mehrere Quellen. Die

Indianer kennen sie, und die Scouts kennen sie teilweise auch.
Horus, hau ab. Ich schaff's schon mit den Jungs.«

Der Scout warf einen sehnsüchtigen Blick nach Norden,

zuckte zusammen, bedeckte dann die Augen mit der Hand
gegen die starke Sonnenblendung.

»Indianer!« stieß er hervor. »Mehr als zehn.«
Bill McCleff fuhr hoch. Weggewischt waren Müdigkeit und

Durst. Er sah sie in einem langen Zug hintereinander
herankommen.

»Apachen«, sagte er. »Chiricahuas oder Tontos. Wenn sie

uns zu dicht auf die Pelle rücken, fassen sie uns aus der
Flanke.«

»Die Wagen sollen schneller aufrücken.«
Der Sergeant drehte sich um und winkte mit dem grauen

Feldhut. Die Fahrer und das Begleitpersonal hatten die Indianer
bereits gesehen und trieben ihre Zugtiere mit lauten Zurufen
an. Aber es half nichts. Die Rothäute auf ihren flinken Ponys
waren schneller als die schwerfälligen Murphys.

McCleff erkannte, was ihnen drohte. Sie waren so nahe

gekommen, so daß er ihre Kriegsbemalung erkennen konnte.
Ocker, gelb und erdrot.

»Es sind Chiricahuas«, sagte er. »Und ein Unterhäuptling

führt sie an.«

»Ein Häuptling«, bemerkte Horus trocken. »Vielleicht

Victorio oder Nana?«

»Oder Cochise selbst.«
»Ausgeschlossen. Cochise ist der Stammesführer, der Jefe.

Wenn er Krieger anführt, ziehen sie einen schwarzen Streifen
quer durch die Kriegsbemalung. Was befiehlst du, Bill?«

»Kugelspritzen raus und drauf! Sobald sie angreifen, muß

jeder Schuß sitzen. Wenn nur die Wagen schneller fahren

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würden.«

Die Indianer griffen nicht an. Außer Schußweite ritten sie an

den Fahrzeugen vorbei und sammelten sich hinter dem Treck.

»Allmächtiger!« stieß Bill entsetzt hervor. »Diese feigen

Schweine rollen die Murphys von hinten her auf. Warum
unternimmt Corporal Nubock nichts?«

In diesem Augenblick ging der Zauber eine Viertelmeile

entfernt los. Die Apachen ritten an, feuerten eine Salve auf die
Soldaten ab, die die Hälfte der Männer aus den Sätteln riß, und
dann jagten sie auf ihren flinken Ponys an der rechten Seite der
Kolonne vorbei und schossen auf alles, was Zügel hielt.

»Schießen, Nabock!« brüllte McCleff. »Ich bringe dich vor

ein Kriegsgericht, du Höllenhund, wenn du nicht den Befehl
zum Feuern gibst.«

Corporal Nubock sollte nie mehr ein Kriegsgericht erleben.

Die erste Salve hatte ihn bereits aus dem Sattel geholt. Er lag
auf dem glutheißen Boden und starrte aus blicklosen Augen in
den messingfarbenen Himmel. Wehender Sand deckte ihn zu.

Der Kampf war bald entschieden. Die sporadischen Schüsse

der wenigen Dragoner verstummten. Es wurde so still in der
Wüste, daß Bill McCleff sie hören zu können glaubte.

»Das ist das Ende, Bill«, sagte Horus. »Bereite dich auf den

Tod vor.«

»Den Teufel werde ich. Laß sie nur kommen. In meinem

Colt stecken sechs Kugeln, in der Enfield eine weitere.«

Wie hüpfende Buschgeister stoben sie erneut auf ihren Ponys

heran. Bevor Horus und Bill zum Zielen kamen, schmetterte
die Salve aus ihren weittragenden Gewehren zwischen die
beiden Männer. Bill starb in den Stiefeln. Als er in den Sand
fiel, war er schon tot. Horus gab noch einen Schuß ab, der aber
nicht traf. Dann schickte ein Querschläger auch ihn auf den
letzten Trail.

Horus Darris erstickte an seinem eigenen Blut. Er merkte

nicht mehr, wie die Rothäute abdrehten und sich an den Wagen

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zu schaffen machten, die Pferde ausschirrten und die Planen
von den Aufbauten rissen. Er hörte auch den schrillen Pfiff
nicht mehr, mit dem der Anführer seinen Leuten ein
bestimmtes Zeichen gab oder eine Nachricht vermittelte.

Und wenn er gesehen hätte, wie ein Indianer die Stätte des

ungleichen Kampfes abritt und wahllos Pfeile, zersplitterte
Bogen und beschädigte Streitäxte auf den Boden warf, hätte
sein Verstand vollends ausgesetzt.

*

Nacht.

Bill Harwig schnarchte leise, aber nervenzerfetzend. John

konnte nicht schlafen. Er mußte immerzu an den Skorpion und
an den Kampf mit dem Mimbrenjo denken.

Auch die steinerne Miene Cochises drängte sich in seine

Vorstellung, und John fragte sich, weshalb der Jefe die leisen
Zurufe seiner Schwester mißbilligt hatte.

Auch Naiche erschien in dem ständigen Wechsel von Schlaf

und Wachträumen. Er nickte ihm wiederholt zu. Seine Lippen
bewegten sich, doch John vernahm keinen Laut.

Tief in seinem Unterbewußtsein rangen verschiedene

Gefühle miteinander. Am stärksten war bei ihm der Drang, zu
seiner Einheit zurückzukehren. Zu vieles war geschehen,
worüber sich das Oberkommando Gedanken machen mußte,
und mehr noch, wovon er nichts wußte, weil ihn die lange
Isolation im Chiricahua-Lager davon abhielt, seine Pflicht zu
tun.

Ein Geräusch vor der Laubhütte schreckte ihn auf. Er tappte

zum Eingang und spähte hinaus. Der Platz vor dem Jacale war
leer, aber er hätte schwören mögen, daß er gesehen hatte, wie
sich etwas bei Cochises Wickiup bewegte.

Ein Knistern in seinem Rücken ließ ihn sich umwenden. Bill

Harwig war erwacht und richtete sich auf. Verschlafen rieb er

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sich die Augen.

»Still!« zischte John Haggerty. »Keinen Mucks!«
Bill erhob sich von seinem Lager, ging zu Haggerty. Wie ein

Hauch klang seine Stimme an Johns Ohr:

»Ist da was?«
»Keine Ahnung. Wir müssen fliehen. Wenn sie uns wieder

schnappen, werden sie uns nicht gleich die Ohren abschneiden.
Cochise will nicht mehr unbedingt unser Blut.«

Bills Augen funkelten wild.
»Uns nichts tun? Wenn sie uns fangen, John, ziehen sie uns

den Skalp bei lebendigem Leib ab. Diese roten Teufel sind die
Verderbtheit selbst.«

John grinste.
»Gesprochen wie ein Bronco.« Noch leiser fügte er hinzu:

»Ich werde mich draußen ein wenig umsehen. Wir müssen
wissen, wo sie Posten aufgestellt haben.«

»Ich lasse dich nicht allein gehen«, flüsterte Bill grimmig

entschlossen.

John Haggerty nickte, schob sich durch den Vorhangspalt

hinaus und drückte sich eng an die Hüttenwand. Es war keine
Menschenseele zu sehen. Trotzdem hatte er das Gefühl, von
hundert Augen beobachtet zu werden. John hatte alle
Möglichkeiten einer Flucht und ihre Chancen einkalkuliert.
Aber etwas hatte er vergessen: die Person eines einzigen
Mannes im Camp.

Wie eine große Katze glitt er zu dem großen Wickiup

hinüber. Rauch drang aus der Deckenöffnung. Zu hören war
nichts. Er spähte zurück. Bill stand draußen und beobachtete
ihn. Plötzlich meldete Johns Instinkt eine drohende Gefahr.

Er blieb stehen und kauerte sich zusammen. Eine Gestalt

wuchtete vor ihm hoch. Stahl blitzte im verschwommenen
Sternenlicht. Die Masse eines Menschen fiel auf ihn, und als er
die Hand zur Abwehr hob, griff er mitten hinein in das
herabzuckende Messer.

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Der Scout riß die Beine in die Höhe, traf den Gegner in der

Magengegend. Keuchen, gedämpfter Schmerzenslaut. Und
dann sah er den hellen Fleck einer Holzperlenkette mit dem
Medaillon auf der nackten Brust.

Wakashi!
Zähnefletschend stürzte sich der Mimbrenjo erneut auf den

verhaßten Weißen. John bekam ihn an der Schulter zu fassen,
wälzte sich auf ihn und drückte ihn mit der Last seines Körpers
gegen den Boden.

»Verdammter weißer Hund!«
John hielt dem Indianer den Mund zu, aber Wakashi biß ihn

so fest, daß der Scout seine Hand wieder lösen mußte.

Der Mimbrenjo versuchte einen Messerstoß von unten nach

oben. Wenn er getroffen hätte… John Haggerty hatte keine
Zeit, sich das auszumalen.

Seine Hand packte das Messer mitsamt den Fingern, die das

Heft umschlossen, und drückten es nach außen. Mit einem
Schmerzensschrei ließ Wakashi die Waffe fahren. Schnell griff
John danach.

Er hob die Klinge, und als der Indianer sich unter ihm

aufbäumte, stieß er zu.

Unter ihm erschlaffte der sehnige Körper, streckte sich, lag

dann ruhig. Gebrochene Augen starrten zu den Sternen.

Müde richtete John Haggerty sich auf. Bill stand immer noch

dort drüben und blickte herüber. Eine Hand legte sich auf
Johns Schulter. Er wirbelte herum, das Messer zum Stoß
erhoben.

»Willst du mich ebenfalls töten?« fragte Cochise gelassen.
Der Scout ließ das Messer fallen, gab ihm einen Stoß mit

dem Fuß.

»Nein, Jefe, dafür gäbe es keinen Grund.«
Cochise starrte auf den Leichnam.
»Du hast nachgeholt, was du versäumtest.«
»Er griff mich an, ich mußte ihn töten. Sein Geschrei machte

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das Lager rebellisch.«

Über die harten Züge des Häuptlings glitt es wie Verstehen.
»Du wolltest dich davon überzeugen, wieviel Wachen um

das Lager postiert sind?« Cochise schüttelte den Kopf. »Du
wärest niemals entkommen, weißer Mann.«

»Kann ich mir denken«, brummte John und wurde hellhörig.
Füße knirschten im Sand. Jemand kam um das Wickiup. Das

Gesicht der Wache verzerrte sich auf eine schreckliche Weise,
als sie den Toten erkannte, und dann stieß der Indianer einen
Schrei aus, der Tote hätte aufwecken können.

»Allmächtiger Gott im Himmel!« keuchte Haggerty heiser.

Er wollte sich umdrehen, zu seiner Behausung zurückkehren,
aber er konnte nicht.

Ein Gewehrlauf bohrte sich in seine Brust, ließ ihn mitten in

der Bewegung erstarren. Die flammende Wut in den Augen des
Indianers und die Gnadenlosigkeit verhießen nichts Gutes.

Immer mehr Rothäute tauchten auf. Sie beobachteten den

Weißen kalt und teilnahmslos, als nähmen sie Maß für die
bevorstehende Marter.

Johns Zeit war abgelaufen.

*

Im großen Armeelager östlich von Tucson donnerte der
einarmige General Oliver O. Howard mit der Faust auf den
Tisch. Howard war ein Mann, den nichts aus der Ruhe bringen
konnte, aber die Nachricht, die ein indianischer Scout
überbracht hatte, erschütterte ihn.

Howard runzelte die Stirn, starrte die beiden Colonels finster

und abschätzend an, als wollte er in ihren Gehirnen nachlesen,
was sich dort unten in der Gran Desierto abgespielt hatte.

Es gelang ihm nicht. Colonel White senkte den Blick.

Colonel Gary Walberg starrte auf die gegenüberliegende
Zeltwand, an Howard vorbei. Wenn sein Vorgesetzter in dieser

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Form die Stirn runzelte, braute sich allemal ein Hurrican
zusammen.

»Was haben Sie dazu zu sagen, meine Herren?«
White antwortete:
»General… Sir. Ich kann nur das wiederholen, was ich

immer festgestellt habe: wir sind zu schwach. Um diesen
Cochise in seine Schranken zu verweisen, benötigen wir ein
weiteres Truppenkontingent von 4000 Infanteristen, Dragonern
und Haubitzen. Der Train müßte verstärkt werden, der
Nachschub besser organisiert und auf einen moderneren Stand
gebracht…«

»Ach was!« unterbrach Howard ihn schnarrend. »Sie wissen

doch, daß Washington uns keinen einzigen Mann mehr zur
Verfügung stellt. Sie halten uns vor, wir könnten nicht mal die
San Carlos Reservation im Griff halten, und, das soll in diesem
illustren Kreis ruhig einmal ausgesprochen werden, sie halten
mich für einen Tölpel.«

»Sir!«
»Es ist so. Ihre Empörung hilft uns nicht weiter. Sherman

ließ es unmißverständlich durchblicken. Schwamm drüber,
Gentlemen. Wir sind in einer prekären Lage, die fast an
Ausweglosigkeit grenzt.«

Er klatschte die flache Hand auf den Tisch, daß Tintenfaß

und Federkiel einen Luftsprung machten.

»Jeder Tag bringt uns Meldungen dieser Art, lesen Sie

selbst.« Howard schob den beiden Offizieren ein Stück Papier
über den Tisch. »Das war vorgestern. Was gestern geschah,
wissen wir noch nicht, und was morgen geschieht, noch
weniger.«

Die Offiziere beugten sich über die Meldung. Ihre Lippen

bewegten sich beim Lesen, Walberg sprach den Text sogar
halblaut vor sich hin.

»Camp San Carlos/Arizona, 6. Mai 1870. Aufgenommen von

Lieutenant Stephan O'Neil, Wachoffizier. Zur Sache: Kurz vor

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Mitternacht kehrte eine drei Mann starke Apachen-Patrouille
aus dem südlichen Teil des Territoriums zurück. Die Apachen
sagten einstimmig aus, in der wasserlosen Wüste Gran Desierto
auf einen ausgebrannten und beraubten Wagenzug der Armee
gestoßen zu sein, von dem der Brand nichts weiter
übriggelassen hatte, als die schwer brennbaren dicken
Wagenbohlen und die eisenbeschlagenen Reifen. Fahrer und
der militärische Begleitschutz unter der Führung des
fronterfahrenen Sergeant Bill McCleff und des weißen Scouts
Horus Darris, wurden allesamt tot, von Raubvögeln völlig
verstümmelt, vorgefunden. Den äußeren Umständen nach zu
schließen, war der Treck, der die Forts Buchanan und Apache
mit Nachschub versorgen sollte, von Chiricahuas angegriffen
und vernichtet worden. gez.: Lieutenant O'Neil Offizier der
Wache.«

Walberg und White hoben die Köpfe gleichzeitig und

blickten sich betreten an. Colonel White faßte sich zuerst.

»Dort unten, so weit im Süden, also auch.«
»Nun?« fragte Oliver O. Howard gereizt, »ist das etwa

nichts? Hat's Ihnen die Sprache verschlagen, oder was ist mit
Ihnen los?«

White faßte sich ein Herz, ging zum Kartentisch und zog den

Plan des südlichen Territoriums aus dem Stapel. Seine
Fingerkuppe blieb auf einem bestimmten Punkt liegen. Als er
sich umdrehte, stand eine steile Falte auf seiner Stirn.

»Sir, ich halte es für unwahrscheinlich, daß hier Apachen am

Werk waren. Wie schon so oft wird Cochise eine Sache in die
Schuhe geschoben, die er nicht beging. Sehen wir uns
gemeinsam die Karte an, Gentlemen. Hier und hier…«, er
tippte auf das steife Papier, »ja, und hier kann der Überfall
stattgefunden haben. Drei Stellen, die so unübersichtlich sind,
daß nur sie in der ganzen Wüste in Frage kommen.«

»Na also«, murmelte der General lustlos.
White hob die Hand, wechselte einen schnellen Blick mit

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Colonel Walberg.

»Nein«, sagte er. »General… Sir. Ich verwette meinen Kopf,

daß der Apache mit dieser Sache nichts zu tun hat.«

»Andere Indianer etwa? Die Utes oder Yumas?«
»Wenn ja, nur in Verbindung mit Weißen. Damit komme ich

schon zu dem, was ich sagen will. Weiße und Indianer, Weiße
und Utes oder Yumas. Wir wissen, daß gerade die Yumas gern
mit den Weißen zusammenarbeiten. Alle anderen Stämme sind
untereinander verfeindet und schließen keine Bündnisse
untereinander ab.«

»Danke«, sagte Oliver O. Howard nachdenklich. »Ich

glaube, Sir, ich verstehe Sie immer noch nicht.«

White hob den Kopf und streckte ein wenig die Brust heraus.
»Desperados«, sagte er leise. Dann mit mehr Festigkeit in der

Stimme: »Seit langem habe ich den Verdacht, daß eine Bande
von Outlaws sich der indianischen Tarnung bedient, um ihre
Verbrechen zu kaschieren und den Verdacht auf die Apachen
zu lenken. Es kann nicht anders sein.«

»Nun gut. Was schlagen Sie vor?«
»Eine Garnison am Camino del Diablo, die in der Lage ist,

alle Wege nach Mexiko zu kontrollieren und auch die Gran
Desertio mit Patrouillen beschicken kann.«

»Und woher soll ich die Garnison nehmen, Colonel White?«
Der schwieg resigniert.
Walberg hatte eine spontane Idee.
»Sie können sich direkt mit diesem Vorschlag an General

Philip Sheridan wenden, Sir. Die California Volunteers unter
General James Carleton beteiligen sich brennend gern an der
Jagd auf Cochise.«

Vor dem Zelt knirschten die Stiefel zweier Posten. Staub

rieselte an der Westseite des Leinenzelts. Das waren die
einzigen Geräusche.

»Wir können es versuchen«, sagte Howard nach einer Weile

schleppend. »Ich werde Ihrem Rat folgen, Gentlemen. Gute

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Nacht.«

*

Der nächste Tag verging in quälender Langeweile. John hatte
am Morgen Tla-inas Wunde untersucht und festgestellt, daß die
Entzündung zurückgegangen war. Die erwartete Marterung war
ausgeblieben, und außer einem langatmigen Palaver war nichts
geschehen.

John Haggerty beobachtete die Alte, die unter asthmatischem

Schnauben und Prusten das Feuer entfachte und aufgespießte
Fleischstücke über den Flammen briet. Ihre braunen
Wurzelknotenhände bewegten sich dabei flink und zielstrebig.

Zu dem gerösteten Fleisch gab es gebackene Tomaten und

süße mexikanische Kartoffeln, die in der heißen Asche
gedämpft wurden. Sie lebten gar nicht schlecht in ihren
Apacherias, die Chiricahuas.

Nach dem Abendessen kam Naiche. Er schleppte eine Decke

an den verknüpften Enden zum Feuer und schlug die Zipfel
zurück. John bekam Stielaugen.

Seine und Bills Waffen, die Satteltaschen und alles, was

ihnen gehört hatte, lag säuberlich verpackt auf der Decke.

»Heute nacht ist Vollmond«, sagte Naiche. »Die Krieger der

Chiricahuas haben sich entschlossen, euch die Freiheit zu
geben. Cochise fühlt sich zu Dank verpflichtet und…«

John unterbrach ihn mit einem Zischen und deutete auf die

Alte. Naiche hob beide Finger an die Ohren und schüttelte den
Kopf. Die Squaw war taub.

»Die Chiricahuas lassen euch ziehen, aber nehmt euch vor

den Mimbrenjos in acht. Was hast du nun vor, Hellauge?«

»Ich bin Scout der Army, Naiche, das erklärt alles.«
»Dann werden wir uns eines Tages als Feinde

gegenüberstehen. How!« Er griff in sein Calicohemd, nahm
etwas Weißes heraus, ein Amulett, und reichte es Haggerty.

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»›Sanfter Wind‹ schickt es dir als Zeichen ihrer Dankbarkeit.

Meine Mutter Sho-shu-li schließt dich in ihre Gebete an den
Großen Geist ein und erbittet sichere Wege für dich. Ich gehe
jetzt.«

»Stop!« sagte John mit einem leichten Kratzen im Hals.

»Und du, Naiche? Wie denkst du über mich?«

Naiches Augen blieben ausdruckslos.
»Drei Tage bleiben wir Freunde, Hellauge. Danach wird es

wieder so sein wie zuvor. Wenn wir uns mit der Waffe
gegenüberstehen, wird einer von uns beiden sterben. How!«

Er verließ den Jacale. Bill trat näher, starrte auf sein

Eigentum.

»So viel Menschlichkeit und Entgegenkommen hätte ich von

diesen Armabschneidern wirklich nicht erwartet. Im Geist sah
ich meinen schönen Skalp schon vor einem Jacale trocknen.«

»Laß das, was du gerade sagtest, keinen Apachen hören,

Bill.«

»Was denn?«
»Armabschneider. Nur die Cheyennes schneiden den Toten

nach einem Kampf die Arme als Trophäe ab, dafür skalpieren
sie nicht. Los, nimm deine Sachen zu dir!«

»Verschwinden wir jetzt schon?«
»Wir warten, bis der Mond aufgeht. Ohne Pferde kommen

wir sowieso nicht weit. Ich bin sicher, daß die Mimbrenjos eine
regelrechte Treibjagd auf uns veranstalten. Well, lassen wir uns
überraschen.«

*

Zwei Stunden vor Mitternacht fingen im Lager die
Baumtrommeln an zu wummern. Zahllose Stimmen schrien
durcheinander. Das »Zastee! Zastee!« wurde immer wieder
gebrüllt.

Bill warf einen kurzen Blick auf Haggertys sorgenvolles

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Gesicht und fragte:

»Was hat das zu bedeuten, John?«
»Schlechte Medizin für uns, denke ich. Irgend etwas ist den

Leuten wie eine Laus über die Leber gelaufen.«

»Haben wir einen Fehler gemacht?«
»Warten wir's ab, ich weiß es nicht. Pst, da kommt jemand!«
Cochise trat ein. Sein Gesichtsausdruck wirkte düster. Eine

tiefe Nachdenklichkeit beschattete auch seine Augen. Er setzte
sich auf Haggertys Lager.

»Du kennst die große Wüste im Süden, weißer Mann?«
»Die Gran Desierto? Ja.« John wartete ab. Er mußte nun

vorsichtig, wachsam und zu allem bereit sein. »Was ist mit
ihr?«

»Frachtwagen der Blauhemden wurden vernichtet – von

Chiricahuas. Nur, kein Chiricahua betritt je dieses wasserlose
Land, das den Utes und Yumas gehört.«

»Du willst damit sagen, daß es nicht die Chiricahuas waren?«
Cochise nickte.
»Ich bin für Frieden, Bleichgesicht. Für jeden Weißen, den

wir töten, treten zehn, hundert, tausend andere an seine Stelle.
Wir Indianer sind wie Inseln in einem Meer von Weißen.«

John Haggerty gab keine Antwort. Er wußte von alledem und

rechnete mit dem Untergang der roten Rasse. Durch die
Auflehnung der Indianer wurde er aufgehalten, aber nicht aus
der Welt geschafft. Im Norden kämpften sie gegen die Armee
und die weißen Eindringlinge, im Süden gegen die
expandierenden Mexikaner. Ein hoffnungsloser Kampf.

»Was kann ich für dein Volk tun, Jefe?« fragte John

Haggerty mit einem Würgen in der Kehle.

»Nichts«, antwortete der Häuptling. »Du allein bist zu

schwach.« Er stand auf, streifte Haggerty noch einmal mit
einem kurzen Blick und ging zum Hüttenausgang. Dort blieb er
stehen und sagte über die Schulter: »›Sanfter Wind‹ wird sich
von dir mit zwei Pferden verabschieden. Nehmt euch in acht,

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Bleichgesichter!«

Und weg war er.
Was er zurückließ, war der bittere Geschmack der

Hilflosigkeit auf Johns Zunge. Der Scout stand neben dem
Feuer, den Kopf gesenkt, die Augen halb geschlossen. Ein
Frosthauch lief über seinen Rücken, und die Kälte, die da
heraufkroch, nahm auch Besitz von seinem Denken und
Fühlen.

Das Wummern der großen Trommeln hallte wieder durch die

Nacht. Es brach ab, begann von neuem, um dann vom scharfen
Keckern der Rasseln und Kürbiskerne kurz unterbrochen zu
werden.

Bill Harwig schlich zum Eingang, lüftete die Decke etwas.

Ihm verschlug es die Sprache.

»Allmächtiger!« stöhnte er. »Jesusmariaundjoseph! Hast du

so was schon gesehen, John? Das ist Höllenphantasie, eine
Ausgeburt des Jenseits, eine – eine… Mensch, mir verschlägt's
die Sprache.«

»Was ist los?«
»Komm her und sieh dir das an!«
John ging hin, starrte auf eine Szene, die dem Inferno von

Dante entnommen sein konnte.

Zwischen den Hütten brannte ein riesiges Feuer. Um die

Flammen tanzte eine Kriegerhorde, halbnackt, die Oberkörper
mit Fett eingerieben. Stahl blitzte im züngelnden
Flammenschein. Kalter Stahl, mit Bärenfett eingerieben und an
einem Sandstein geschärft.

Ein Heulen und animalisches Brüllen brauste durch das Tal,

daß die beiden Weißen glaubten, die Erde berste, und die
Hänge glitten donnernd und brausend den aufgestülpten
Erdmassen entgegen.

Die Nacht war keine Nacht mehr, sie wurde zu einem

grellbeleuchteten Winkel von Luzifers Reich, zu einem Inferno
von Flammen und Heulen. Satans Horden waren losgelassen

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und steigerten sich durch den Kriegstanz in eine ekstatische
Raserei, für die es nicht genügend Worte gab, um sie zu
beschreiben.

»Großer Gott«, flüsterte Bill Harwig entsetzt. »Wenn die

über uns herfallen…«

John sprach mit leiser, drohender Stimme.
»Sie sollen uns ja vom Hals bleiben, oder der alte Spinner da

vorn hat eine Kugel in seinem feisten Wanst.«

»Wer ist der alte Geißbock?«
»Einer ihrer Schamanen, was weiß ich. Er schürt zum Krieg

gegen die Weißen, Bruderherz. Das kann uns beiden das Leben
kosten, noch ehe der Zauber zu Ende geht.«

»Um Gottes willen, John«, murmelte Bill wie gelähmt. »Ich

habe ja schon mehr als einmal erlebt, daß sie uns an den
Kragen wollten, aber so doch noch nicht.«

John Haggerty grinste.
»Bis jetzt hatten wir immer Schwein gehabt. Wird schon

weiterhin klappen.«

Draußen schnaubte ein Pferd. Es klang von der Rückseite der

Hütte. Ein Huf stampfte, ein zweiter. Das kurze Schnaufen
klang aus, eine Gebißkette klirrte.

Bevor sich die beiden Weißen umdrehen konnten, ratschte

etwas durch die dünnen Zweige der hinteren Wand und teilte
sie. Eine Hand winkte. Diese Hand trug einen weißen Verband.
John lief hin, sprang über das inzwischen erkaltete Feuer und –
starrte in Tla-inas Gesicht. Große Augen sahen ihn an.

»Komm«, hauchte das Mädchen, »komm schnell!«
John war verwirrt. Die drängende Stimme verriet höchste

Gefahr.

»Schichobe«, fragte sie, »alter Freund, erkennst du mich?«
Er nickte. Bill drängte an ihm vorbei, war schon draußen, als

John immer noch im Jacale stand und dem mörderischen
Gebrülle lauschte.

»Sikisn«, sagte John leise. »Ich bin dein Bruder.«

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Sie nickte, ergriff seine Hand, zerrte ihn heraus. Als er sie

streifte, fühlte er ihre festen Brüste unter der Felljacke. Die
Nacht war kalt und dunstig. Den tanzenden Chiricahua schien
das nichts auszumachen. Als John Haggerty aufblickte, sah er
die gesattelten Pferde vor sich. Ihre eigenen Pferde.

›Sanfter Wind‹ drängte sich an ihn, schob ihre gesunde Hand

unter sein Hemd. Ihre Finger berührten das Amulett. Sie
lächelte und schien befriedigt.

»Komm!« hauchte sie. »Du mußt fort. Sie betrinken sich mit

Tizwin, Cochise wird sie nicht lange zurückhalten können.«

Das war es. John Haggerty hatte es gewußt. Etwas war

eingetreten, was die Rothäute völlig aus dem Häuschen trieb.

Die Dunkelheit nahm sie auf und hängte ihren mitleidigen

Umhang vor die grausige Szene beim Feuer. Halbblind tappte
John in die Finsternis und betete still in sich hinein, daß bald
der Mond aufgehen möge.

›Sanfter Wind‹ sprach ein leidliches Spanisch. Ihre Stimme

klang wie das Geläut von Glocken in einem Kirchenstuhl. Sie
drängte weiter, weg von dem unheimlichen Platz.

Ein schmaler Canyon nahm sie auf, der auf die Mesa führte.

Nach einer halben Stunde waren sie oben und rangen
schweißgebadet nach Luft. Das Mädchen stand so nahe neben
dem Scout, daß er ihren Herzschlag fühlte.

»Du mußt nach Westen, immer nach Westen, Schichobe.

Werden wir uns wiedersehen?«

Er drehte sich zu ihr herum, nahm ihre Oberarme zwischen

seine Hände. Sanft zog er sie an sich.

Eine elementare Gewalt ging unvermittelt von ihr aus. Sie

schlang ihre Arme um seinen Nacken und küßte ihn.

John Haggerty fühlte sich plötzlich in den Mittelpunkt

ungewollter Geschehnisse gerissen, die ein heftiges Verlangen
in ihm auslösten, ein Verlangen nach diesem schönen
Indianermädchen. Sie küßten sich wieder und wieder, während
Bill grinsend aber diskret sich abwandte und die Pferde mit

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blinkenden Augen zusahen.

Als sie beide Atem schöpfen mußten, hielt der Scout das

Mädchen von sich ab.

»Wir sehen uns wieder, das verspreche ich. Ich habe dir und

Naiche mein Leben zu verdanken, dafür erhaltet ihr…«

Sie schüttelte den Kopf.
»Nicht mir und Naiche, sondern Cochise. Danke ihm, nicht

uns.«

»Wie kann ich das?«
»Indem du den Krieg verhinderst.«
»Großer Gott, dafür bin ich nicht der richtige Mann«, sagte

er in bescheidener Selbsteinschätzung.

»Du mußt reiten, Schichobe. Schnell reiten. Der Große Geist

sei mit dir.«

Plötzlich war sie fort, als hätte der Erdboden sie verschluckt.

John wollte ihr folgen, sie noch einmal in seine Arme
schließen, ihren Herzschlag, ihre Lippen spüren. Aber Bills
Zuruf hielt ihn zurück.

»Benimm dich nicht wie ein balzender Auerhahn, Mensch.

Ein Squawman hat in diesem Land noch nie viel gegolten. Los,
reiten wir!«

Sie schwangen sich in die Sättel und stoben in die Nacht

hinein.

*

Santa Magdalena kurz vor Mitternacht. In den beiden
führenden Bars stieg die Stimmung auf den Höhepunkt und
schien mehr und mehr auszuufern, zu entgleisen.

Es regnete immer noch. Kalter, ekelhafter Regen, der den

Schlamm auf der Main Street peitschte, als hätte er eine
persönliche Wut auf all dieses baufällige Mauerwerk, das sich
hinter den falschen Fassaden versteckte.

Aber niemand betrat die Straße. Die ›Gouadeloupe‹, und die

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›Galiuro‹ waren bis auf den letzten Sitzplatz gefüllt. Selbst vor
den primitiven Theken standen die Durstigen in Dreierreihe
und verlangten nach Bier und Schnaps.

Hank Doolins Hauptquartier war das ›Gouadeloupe‹.

Nebenan residierte die andere Bande, die Männer, die die
großen Coups landeten und mit dem Geld nur so um sich
warfen.

Doolin störte das nicht. Neben ihm saßen Elvis Wash, Fred

Honda, Hugh McDonnel und Curt Miller. Sie alle tranken
übermäßig, nur Miller nicht. Wachsam beobachtete er alles,
was um ihn herum vorging.

Er beteiligte sich auch nicht an dem mäßigen Pokerspiel. Er

nahm nur die Kommenden und Gehenden unter die Lupe, die
Kaltäugigen mit den tiefgeschnallten Revolvern. Sie kamen
herein, naß wie gebadete Katzen, schüttelten sich die Nässe aus
den Jacken, schlurften sporenklirrend zum Tresen,
genehmigten sich dort einen und verschwanden wieder, um
nebenan Bericht zu erstatten.

Doolin machte das genauso. Einmal stand Elvis Wash auf,

um der Nachbarkneipe einen Besuch abzustatten, dann Honda
oder McDonnel. Nur Miller blieb sitzen und beobachtete.

Jetzt war McDonnel dran. Er verließ den Saloon, tastete sich

draußen durch den Regen und stieß die Schwingtür zum
›Galiuro‹ auf. Rauch schlug ihm wie eine Brandwolke
entgegen.

Am Hintertisch saßen die Figuren, die seinem Stammlokal

regelmäßig Besuche abstatteten. Mortimer Gale führte das
Kommando. In seinem Rücken stand Wade Grey, der Mann
mit den harten Fäusten und einem schnellen Revolver. Als
McDonnel das Lokal betrat, schlossen sich seine Augen zu
Schlitzen.

Er tippte Mort auf die Schulter und wies zu dem Eintretenden

hinüber.

»Schon gesehen«, brummte Gale. Seine Stimme klang

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angetrunken und gereizt. »Wenn er frech wird, gib's ihm,
Wade.«

»Okay, Boß, wird gemacht. Der verdammte Spitzel will doch

nur schnüffeln.«

»Tun wir doch auch.« Buck Daniels lachte. »Der verdammte

Kleinkrieg gegen die anderen macht doch Spaß, oder nicht?«

Mort fauchte:
»Armleuchter, Mann. Du kriegst was auf dein großes Maul.«
McDonnel kam durch den Mittelgang, stolperte über Greys

vorgestellten Fuß und kam fluchend wieder auf die Beine.
Mortimer Gale blickte an ihm vorbei auf Grey. Der wartete auf
Befehle, die Hände schon geballt. Er wippte auf den Zehen,
entspannt, aber wachsam. Die Beine leicht gespreizt und gut
ausbalanciert. Schlägerstellung. Er war bereit, brutal
loszulegen, wenn Mort das Zeichen gab.

In dieser Nacht sollte ein neuer Coup besprochen werden,

dazu konnte man unangenehme Mithörer nicht gebrauchen.

Die anderen Gäste, Peone, Vaqueros, kleine Tagediebe und

anderes Gesindel, waren harmlos.

»Hau ab!« sagte Grey frostig. »Du hast hier nichts zu suchen.

Verdufte, Junge!«

»Ich will einen Drink«, sagte McDonnel widerspenstig.

»Und ich nehme einen Drink. Basta!«

Mortimer Gale stemmte die Hände auf die Tischplatte und

stand auf. Kalte, unpersönliche Augen musterten den Mann
frecher Antworten.

»Gib's ihm, Wade!« zischelte er. »Heute können wir keinen

von drüben gebrauchen.«

Wade Grey trat breitbeinig, gewichtig wie ein Bison, auf

Hugh McDonnel zu.

»Verdufte!« wiederholte er krächzend. »Du hast die Wahl.

Du kannst rausgehen oder rausfliegen. Na, wie möchtest du's
haben? Du kannst auch rausgetragen werden, mit den Füßen
zuerst. Willst du das?«

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McDonnel ließ sich keinen Augenblick einschüchtern. Er

lächelte und stieß sich von der Tresenstange ab.

»Okay, Gartenzwerg, dann fang mal an!«
Er sah die Faust kommen, aber es gelang ihm nicht, ihr

auszuweichen. Der Schlag ließ ihn gegen die Theke prallen. Es
gab ein dumpfes Geräusch, und er rutschte zu Boden. Zu zweit
stürzten sie sich auf den Hilflosen, traten ihn, bearbeiteten ihn
mit den Fäusten, wenn er versuchte, sich zu erheben.

Als McDonnel nur noch röchelte, blutig am Boden lag, gab

Mortimer Gale den Leuten einen Wink.

»Los, raus mit ihm! Schmeißt ihn einfach auf die Straße.

Wenn der Boß kommt, weiß er, daß wir für Ruhe und Ordnung
in diesem Kaff sorgen. Los, feuert ihn durch die Tür!«

Drei Mann packten McDonnel, wuchteten ihn hoch, und

unter dem Johlen der anderen Gäste warfen sie ihn einfach
durch die aufgehende Schwingtür in den Straßenschlamm.

Mort Gale stellte sich auf den Tisch, warf die Hände empor

und brüllte:

»Eine Runde für alle! He, Keeper, schenk die Gläser voll!

Eine Runde für jeden Mann, der für uns ist!«

*

Cochise hockte mit gekreuzten Beinen am Feuer. Der
Höllenlärm draußen hatte sich gelegt. Nach und nach waren
seine Krieger, voll mit Tizwin, ins feuchte Gras gesunken.

Im Morgengrauen würden sie aufwachen, verkatert und mit

bleischweren Köpfen. Still würden sie sich dann in ihre
Wickiups verdrücken und weiterschlafen bis zum Abend.
Inzwischen aber waren die beiden Weißen in Sicherheit.

Das hatte Cochise gewollt, und Naiche, sein Sohn,

unterstützte ihn dabei. Der Scout würde seinen Bericht
abgeben. Der Chief der Blauhemden mußte irgendwann
erkennen, daß er, der Jefe, den Frieden wollte.

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Friede?
Was bedeutete dieses Wort in einer Zeit, die darauf abgestellt

war, Land zu gewinnen, eine Bonanza zu finden oder Schollen
zu brechen?

Mit gefurchter Stirn überdachte der Führer der Chiricahuas

die Gesamtlage. Sie waren weniger geworden, seine
Chiricahua-Krieger. Die ständigen Kämpfe gegen Mexikaner
und Weiße rieben sie langsam auf. Die Sippen zogen sich
immer tiefer in die schützenden Berge zurück, verkrochen sich
in die entlegensten Canyons, wurden immer schwerer
erreichbar und des ständigen Kampfes langsam müde.

In der Nacht kam ein zurückkehrender Späher in die

Apacheria geritten. Er berichtete Cochise von dem ständigen
weiteren Vordringen der Armee, von neuen Stützpunkten, die
wie Pilze aus dem Boden wuchsen.

Cochise entließ ihn, schickte drei andere Krieger los, die

halbwegs nüchtern geblieben waren, und riet ihnen, sich in
keinen Kampf mit den Weißen einzulassen.

Der Zeitpunkt für die große Auseinandersetzung war noch

nicht da.

Er brauchte die Unterstützung anderer Apachenstämme,

wenn er erfolgreich gegen die Armee der Amerikaner antreten
wollte.

Auch bei den Weißen gab es kluge und weiterdenkende

Köpfe, die irgendwann erkennen mußten, daß der rote Mann
ein Anrecht auf die ererbten Jagdgründe hatte. Weiß und Rot
konnten miteinander leben, wenn sie sich gegenseitig
respektierten.

Naiche trat ein. Der junge Indianer hatte sich am Feuertanz

der Krieger nicht beteiligt. Er setzte sich neben Cochise.

»Sorgen quälen dich, Vater?«
»Ja, Naiche. Ich fühle mich ohne Beine und ohne Wasser in

einer gluterfüllten Wüste. Die Zeit des roten Mannes ist
vorbei.«

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Der junge Indianer nickte. Sein Gesicht wirkte so düster wie

das seines Vaters. Die große Ähnlichkeit zwischen den beiden
war unverkennbar. Von beiden ging eine Ausstrahlung aus, die
kein Indianer der westlichen Region besaß.

»Es sind die Soldaten, die dir Kummer bereiten?«
»Sie und die anderen Weißen, die unser Land

überschwemmen. Mit den Gelbhäutigen im Süden können wir
fertig werden, nicht aber mit den Helläugigen, die unser Land
wie Heuschreckenschwärme überfallen.«

»Wir werden sie vernichten.«
»Die Chiricahuas sind zu schwach, Sohn.«
»Mit den anderen Sippen zusammen schaffen wir es. Die

Tontos sind gute Krieger, die Mimbrenjos, die Mescaleros im
Osten und unsere Vettern, die Yaquis, im Süden.«

Cochise schwieg. Lange saß er im tiefen Nachdenken

versunken. Als er wieder zu sprechen begann, klangen seine
Worte sachlich.

»Wir werden sie angreifen, wo wir sie treffen, Sohn. Wir

sind die Herren der Berge, der Wüsten und der Canyons.
Niemand kann unserer Kampfesleidenschaft widerstehen. Wir
kennen die Wasserstellen und brauchen sie, den Mesquite, den
fruchtbaren Boden für den Mais. Wir müssen von den Tieren
der Berge leben, von den Pflanzen in den Tälern. Wir müssen
kämpfen. Es ist unser Land, von unseren Vätern vererbt. Die
Wüste gehört uns, die Quellen, Tinajas und die Pozitos. Alles
Land von Nord nach Süd, Ost nach West, alle Flüsse gehören
uns – alles, alles, was wir sehen, die Berge, die Täler, alles
gehört den Chiricahuas. Wir lassen uns nicht vertreiben.«

Er schwieg, rieb sich die Augen. Seine Hände sanken und

legten sich flach auf die Oberschenkel.

»Wie und wo willst du sie angreifen, Vater?«
»In der Ebene, in der Wüste, dort, wo wir sie einzeln oder in

kleinen Gruppen antreffen. Da unten, wo wir immer gelebt
haben, sind wir ihnen überlegen. Es sind ihre Postkutschen, die

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mehr und mehr Weiße in unser Land bringen. Wir vernichten
sie. Es sind die Wagenzüge, die Massen von Einwanderer
bringen. Wir vernichten sie. Es sind die Soldaten, die sie
beschützen, die Festungen bauen, die wir nicht angreifen
können. Wir vernichten sie.«

Cochise stand auf und ging hinaus. Naiche blickte ihm nach.

Ihm wurde bewußt, daß in diesem Moment der grausamste
aller Guerillakriege begonnen hatte. Ein Guerillakrieg, der
keinen Pardon kannte und keinen verlangte.

*

Der neue Tag graute bereits, als die beiden Scouts auf der
Flucht vor den rachebrütenden Mimbrenjos über die Mesa
peitschten und nach einem abwärtsführenden Canyon suchten,
der nach Westen oder Norden führte.

Pfeilschnell zogen regenschwarze Wolken von Westen,

zerteilten sich an den weißen Gipfeln der Dragoons und luden
dort den Regen ab, auf den man in der Wüste so dringend
wartete.

John drängte es, seinen Vorgesetzten so schnell wie möglich

Bericht zu erstatten. Der sinnlose Kampf mußte ein Ende
nehmen, damit das Land zur Ruhe kommen und aufgebaut
werden konnte.

Cochises Taktik war nicht zu durchschauen. Auf

Massenunternehmungen ließ er sich nicht ein. Statt dessen
überfielen seine kleinen Kriegsgruppen Reisende, Prospektoren
und Siedler. Truppen, die ihre Verfolgung aufnahmen, mußten,
wenn sie zu ihrem Stützpunkt zurückkehrten, erfahren, daß die
Chiricahuas mittlerweile ein halbes Dutzend Orte in der
entgegengesetzten Richtung heimgesucht hatten.

Offensichtlich wußten sie über die Stationierung und die

Bewegungen beinahe aller Soldaten und Zivilisten auf ihrem
Territorium bestens Bescheid. Ihre Späher waren überall

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unsichtbar zugegen. Und zweifellos war Cochise auch bei
vielen dieser Beutezüge mit von der Partie.

Cochise handelte nicht planlos oder gar spontan. Er ließ sich

Zeit, hörte sich stundenlang geduldig die Berichte der Späher
an, bevor er Entscheidungen traf. Aber nicht alle Massaker, die
die Weißen so in Rage brachten, gingen von ihm aus. John
Haggerty dämmerte es, was Cochise mit ihrer Freilassung
bezweckt hatte.

Zwei Gründe drängten sich zuerst in seine Überlegungen.

Der erste Grund: Dankbarkeit. Der zweite: Übermittlung
selbstgefaßter Meinungen und eigener Anschauungen über den
sinnlosen Krieg in den Bergen. Cochise ging mit einer
Schlauheit vor, die einem General der amerikanischen Armee
alle Ehre gemacht hätte. Dieser Mann wußte, was er wollte. Er
wußte es sogar haargenau. Scheinbar verstand er es, jeden
seiner Gegenspieler genau einzuschätzen, nachdem er ihn lange
genug taxiert hatte. Und John Haggerty war ja eine ganze
Woche in seiner Gewalt gewesen.

Cochise ahnte, daß der Scout schnurstracks zu seinem

Kommando reiten würde, um Bericht zu erstatten. Und genau
das lag in seinem Sinne. Ausgekochter Bursche, dachte John
und ließ keinen Blick von der Hochebene.

Bill Harwig, der vorausritt, zügelte so plötzlich sein Pferd,

daß John beinahe aufgeritten wäre. Zehn Yards vor ihnen fiel
die Mesa so steil in die Tiefe, daß sie bei dem milchigen Grau
dort unten so gut wie nichts erkennen konnten.

John kratzte sich unschlüssig seinen tagealten Bart. Von hier

aus gab es keinen Weg in die Ebene. Mit einem Mal sah er eine
Bewegung. Er gab Bill, der ständig über die Schulter schaute,
einen Wink. Gemeinsam zogen sie sich in den Schutz einiger
Klippen zurück. Ein Bär tappte am Mesarand entlang.

Der Bär war es, der John stutzig machte. Bären waren keine

Nachtjäger. Während dieser Zeit schliefen sie im Gebüsch oder
in abgelegenen Höhlen. Etwas mußte das Raubtier

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aufgescheucht haben.

Der Bär war verschwunden. Etwas anderes trat an seine

Stelle, bewegte sich vorsichtig weiter, hielt an, um gleich
darauf wieder auf den Abgrund zuzugehen.

Zwei Menschen. Apachen.
Chiricahuas?
John und Bill hätten es nicht zu behaupten gewagt. Auch die

anderen Stämme zogen sich mehr und mehr zu Cochise hin,
weil sie sich von ihm Hilfe und Schutz versprachen.

Es konnten Mimbrenjos sein, aber auch Tontos oder Krieger

eines anderen Stammes. Als sich einer der beiden einmal
umdrehte und der Wind ihm ins Gesicht blies, sah Bill die
Kriegsbemalung!

Mimbrenjos!
Sie hatten die Verfolgung aufgenommen und jagten auf ihrer

Fährte.

Cochise hatte es angedeutet und mit seiner Warnung

bekräftigt. Sie kauerten sich tiefer in den Schatten und hielten
ihren Pferden die Nüstern zu, damit ihr Schnauben sie nicht
verriet. Mit ihren Blicken suchten sie die flache Strecke ab, die
sich am Canyon entlang hinzog.

John zuckte mit den Achseln. Nur zwei, damit wäre fertig zu

werden. Aber wie viele waren noch in der Nähe? Er wußte es
nicht und gebrauchte wieder seine breiten Schultern, um seine
Resignation auszudrücken. Bis zum Camp der Dragoner waren
es noch etwa zwölf Meilen, wenn er richtig schätzte. Aber
selbst diese kurze Strecke konnte eine todbringende Strecke
sein, wenn die Mimbrenjos hinter ihnen her waren.

Er sah sie wieder. Sie kamen zurück. Anscheinend hatten sie

ihre Spur verloren und liefen zum Ausgangspunkt zurück.
Lautlos wie große Katzen glitten sie heran. Und ebenso lautlos
waren sie plötzlich verschwunden.

John ließ sich nicht täuschen. Er kannte ihre Art, sich

unsichtbar zu machen, wenn sie etwas Feindliches bemerkt

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oder Verdacht geschöpft hatten. Langsam zog er den Colt,
spannte aber den Hahn nicht, dessen Klicken sie verraten hätte.

Da waren sie wieder.
Tief gebückt schlichen sie auf die Gruppe der Klippen zu.

John gab Bill einen Rippenstoß und zeigte mit dem Kopf die
Richtung.

Bill stieß den Hauch über die Lippen. So leise das Geräusch

war, John zuckte trotzdem zusammen. Apachen hatten scharfe
Ohren. Sie konnten noch Geräusche wahrnehmen, die Weiße
nie gehört hätten, außerdem waren sie mit der Wildnis besser
vertraut.

Bill Harwig brachte seinen Mund dicht an Johns Ohr.
»Wo sind sie?« flüsterte er.
John zog kurz die Schultern hoch. Er sah sie nicht mehr.

Keine Bewegung verriet den Standort der Indianer. Seinen
Körper stemmte er gegen den Pferdeleib, damit sich das Tier
nicht bewegte.

Dunst zog von der Ebene herauf, kroch wie Geisterfinger

über die Mesa, verdeckte teilweise die Sicht. John und Bill
starrten sich die Augen aus dem Kopf, sahen die Mimbrenjos
jedoch nicht.

Plötzlich steilte Bills Pferd und wieherte voller Angst.
Der Scout wurde vorwärtsgestoßen und stolperte genau in

das geschwungene Messer, das sein Leben abrupt beendete.
Mit einem Röcheln sackte er in die Knie.

John Haggerty zog den Hahn mit dem Daumen zurück und

ließ ihn wieder vorschnappen. Die Feder riß den Schlagbolzen
nach unten, der auf die Zündkappe der Patrone schlug. Ein
blaugelber Strahl schoß donnernd aus dem Revolverlauf.

Der erste Angreifer riß die Arme in die Höhe und stürzte auf

Bill. Der zweite sprang über die beiden Toten hinweg und warf
sich auf den verhaßten Weißen.

Klinge prallte gegen Revolverlauf. Es gelang dem Scout, das

Knie hochzureißen und dem Mimbrenjo in den Magen zu

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rammen. Mit einem Schmerzensschrei krümmte die Rothaut
sich zusammen.

John hob die Waffe und schlug mit dem langen Lauf zu. Es

klang dumpf und trocken.

Der Indianer brach unmittelbar vor dem Scout zusammen

und starb.

Haggerty bückte sich, drehte Bill auf den Rücken.

Gebrochene Augen starrten ihn an. Eine kalte Wut kroch in
John empor, eine Wut, die keine Grenzen und keine humanen
Gefühle mehr zu kennen schien.

Zuerst Lefty Roman, das Halbblut, nun Bill Harwig. Wenn

das sinnlose Morden so weiterging, würde es bald keinen
Weißen und keinen Indianer mehr in den Dragoons geben.

John konnte für seinen Freund nichts mehr tun. Er mußte

weg. Möglicherweise schlängelten sich weitere
Apachengruppen an ihn heran, um auch ihn zu töten. Er konnte
Bill nicht mal ein anständiges Grab bereiten.

Das mußte eine Patrouille später tun und Bill beerdigen.
Er schwang sich auf sein Pferd, nahm Bills Tier am Zügel

und ritt an.

*

Leute, die von diesen Dingen nichts verstehen, behaupten
immer, daß das Erwachen aus einem Niederschlag nicht
schmerzhaft sei. Hugh McDonnel hätte dies in diesem
Augenblick nicht beschworen. Es wäre ein glatter Meineid
gewesen.

Als er sich im Straßenschlamm wälzte, um auf die Beine zu

kommen, war so etwas wie wirbelnde Dunkelheit um ihn. Eine
Schwärze, von bunten Lichtern durchwirkt.

Ein seltsames Zerren zwischen seinen Rippen ließ ihn kurz

und krampfhaft atmen. Und als er schließlich auf seinen Füßen
stand und der Schlamm von seinem Körper zu Boden floß,

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wurde ihm erst klar, daß er wieder bei Bewußtsein war.

Wie eine riesige Erdkröte suchte er händerudernd und nach

Gleichgewicht ringend die Tür zum ›Gouadeloupe‹. Als er
eintrat, verstummten alle Gespräche sofort. Hank Doolin
sprang trotz seines Flush, das er im Poker hatte, vom Stuhl auf
und eilte ihm entgegen.

»Verdammt, wer hat dich so zugerichtet?«
»Die anderen, wer denn sonst. Ihnen paßt es nicht, wenn wir

ihnen so auf die Zehen treten.«

»Wer war es? Genau!«
»Gale und dieser Grey, zwei ganz harte Brocken. Ich bringe

sie um. Du kannst dich drauf verlassen, Boß.«

»Schon gut, schon gut«, sagte Doolin beschwichtigend. »He,

Miller, nimm ihn mit durch die Hintertür und reinige seine
Kleider. Draußen ist ein Brunnen.«

Miller erhob sich, warf McDonnels Arm über seine Schulter

und schleppte den schwer Angeschlagenen hinaus.

Es war tatsächlich ein Brunnen da. Mit der Winde zog Miller

den vollen Eimer hoch, spreizte die Beine und brachte sich in
Position. Zu all dem Regen, den der nachtdunkle Himmel auf
die Erde schleuderte, kam nun die kalte Dusche über Hugh, der
sich schnaufend und prustend nach hinten warf, um dem
zweiten Schwall aus dem Eimer zu entgehen.

»Ich bring sie um!« schrie er. »Ich bring sie beide um!« tönte

es in die Regennacht hinaus, während seine Hände von oben
nach unten glitten und den Schlamm von seiner Kleidung
schabten.

»Ich reiße ihnen die Haare einzeln aus, die Zähne schlage ich

ihnen ein. Diese verdammten Hunde!«

»Sei still!« sagte Miller und hing den Eimer wieder an den

Haken. »Reg dich doch nicht auf, Hombre. Was wollten sie
denn von dir?«

»Mich nicht reinlassen, was denn sonst. Du weißt, was der

Boß befahl: um jeden Preis herausbekommen, was sie tun, was

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sie vorhaben, was sie…«

»Geschenkt. Komm, gehen wir rein, der Regen ist

scheußlich.«

Miller öffnete die Hintertür, ließ Hugh vorgehen und

ignorierte dessen ständiges Schimpfen. Wärme, Tabakqualm
und Fuselduft schlugen ihnen entgegen. Mit einem Blick stellte
Miller fest, daß Hank Doolin nicht mehr anwesend war.

Er wandte sich an Wash:
»Wollte Hank mit uns heute nacht nicht über den nächsten

Coup sprechen?«

Wash nickte.
»Kommt noch, Curt, nur Geduld. Er ist mal kurz

rausgegangen.«

»Wohin, bei diesem Sauwetter?«
Wash zuckte mit den Achseln.
»Geheimnisvoll sind die Wege des Herrn.«
»Schöner Herr«, maulte McDonnel. »Sieht seelenruhig mit

zu, wie man mich verprügelt und rührt keinen Finger.«

Wash fixierte ihn kurz. Das hämische Lächeln verriet nicht

seine wahren Gedanken. Miller war es, als hätte Doolins
Segundo etwas vor den anderen zu verbergen. Ein kühner
Gedanke dämmerte ihm. Mit einem Ruck wandte er sich
wieder der Hintertür zu.

»Wo willst du hin?« fragte Wash.
»Wo wir alle mal hin müssen, wenn's drückt.«
Und schon war er draußen. Das freistehende

Toilettenhäuschen beachtete er nicht. Eng an die Hauswand
gepreßt lief er durch den Schlamm, stolperte über Unrat und
leere Flaschen. Die Hinterfront des ›Galiuro‹ war
hellerleuchtet. Grölender Gesang und das melodische Klimpern
und Zupfen einer Gitarre drangen weit hinaus in die
Dunkelheit.

Die Kneipe hatte ein winziges Hinterzimmer, in dem

gewöhnlich Flaschenreserven aufgestapelt waren. Das war

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auch an diesem Tag so. Curt Miller warf einen Blick durch das
schmutzblinde Fenster – und zuckte zurück.

Auf einem Regal stand eine leere Flasche mit einer

brennenden Kerze. Zwei Männer saßen auf Kisten, unterhielten
sich, gestikulierten dabei.

Der eine war Mortimer Gale, der andere…
Miller sah noch einmal hin. Er kannte den Mann und doch

wieder nicht. Ein gelber Regenumhang, wie ihn Cowboys zum
Schutz gegen schlechtes Wetter trugen, bedeckte seinen
Oberkörper bis zu den Füßen.

Ein betrunkener Kerl kam durch die Hintertür, um zum

Toilettenhäuschen zu gehen.

Curt duckte sich hinter einen Stapel leerer Flaschen und

verhielt sich still. Als das Planschen schwerer Stiefel auf
morastigem Grund verstummte, wagte sich Miller wieder ans
Fenster.

Der Fremde mit dem tief herabhängenden Schlapphut, dem

gelben Umhang und den Handschuhen an den Händen, redete
unermüdlich und geduldig auf Mortimer Gale ein. Curt legte
sein Ohr gegen das Fensterholz, aber verstehen konnte er
nichts.

Deshalb sah er den Burschen, der zur Toilette gegangen war,

erst dann, als er weniger als drei Yards entfernt war und auf ihn
zugestürmt kam. Er hatte sein Gesicht in den aufgeschlagenen
Kragen einer dicken Wolljacke vergraben und fummelte mit
einem nassen Streichholz herum, um sich eine angerauchte
Zigarette anzuzünden. Dabei stand er schwankend auf den
Beinen.

Er rammte Miller, öffnete den Mund und sagte:
»Wer, zum Teufel…« Er verlor im selben Augenblick seine

Zigarette, starrte ihr nach, wie sie im Schlamm versank, und
schimpfte: »Verfluchter Mist!« schaute dann hoch, grinste
blöde und brabbelte: »Sorry, Mister, ich – ich habe dich nicht
gesehen.«

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»Schon gut.«
»Scheißwetter, was?«
Während dieser Bemerkung nestelte er in seinen Taschen

herum.

»Ja«, sagte Miller und versuchte ein Grinsen, während ihn

die Ungeduld plagte.

»So was nennt man Indianerwetter.«
Um ihn loszuwerden, hätte ihm Miller gern zugestimmt.

Aber in diesem Moment krachte das zusammenstürzende Haus
auf seinen Kopf und drückte ihn mit dem Gesicht in den
Matsch.

*

Die Sonne sank hinter die Felsen. Die Mulden in der Wüste
und die Täler in den Bergen hatten sich mit dunklen Schatten
gefüllt. Die grauen, kahlen Steinwände schienen jeden Weg aus
dieser trostlosen Einöde zu versperren.

Bis auf den einsamen Mann, der sein großes braunes Pferd

am Zügel führte, war nirgendwo in dieser unermeßlichen
Eintönigkeit eine Spur von Leben zu entdecken. Der heiße,
trockene Wüstenwind fegte diesem Mann Sand und Unrat ins
Gesicht, aber er störte sich nicht daran. Er wußte, daß er sich
verirrt hatte, daß es von dieser Stelle aus keinen Weg in die
Ebene gab.

Die vergangene Nacht, den ganzen Tag war er geritten,

verfolgt von Mimbrenjos, getrieben vom Verlangen, dem
Armeeoberkommando seine Meldung zu überbringen.

Nun war John Haggerty ziemlich am Ende. Durst peinigte

ihn, quälender Durst und bleierne Müdigkeit. Aber er durfte
sich nicht ausruhen. Sie waren ihm ganz dicht auf den Fersen.

Vor einem Erdspalt blieb er noch einmal stehen und drehte

sich suchend um. Die untergehende Sonne bestrahlte eine
Klippenkette und tauchte sie in ein Blutrot. Dort oben bewegte

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sich etwas.

John kniff die Augen zusammen, fixierte die Gestalt, die hell

und leuchtend vor dem purpurnen Himmel stand und die Arme
ausbreitete. Ein Indianer.

Cochise!
Betete der Jefe? Nein, er signalisierte.
Seine Arme hoben sich, der rechte winkelte ab, der linke

schlug einen Kreis. Und schließlich sah der Scout, wem
Cochise Befehle übermittelte. Jenseits der Erdspalte, weit
hinten vor der Basis der Mesa, ritt eine Patrouille der Army.

Staub wallte über der reitenden Truppe, zog mit ihr, leuchtete

in den Strahlen des Sonnenuntergangs. Und dieser Staub war
es, der die Patrouille nicht mehr aus Cochises Klauen ließ.

John Haggerty sondierte das Gelände. Wild, zerklüftet und

zersplittert schob es sich in eine Wüstenvegetation hinein, die
aus Stachelgewächsen und Riesenkakteen bestand. Die gelben
und roten Blüten der Ocatillobüsche klebten wie farbige Tupfer
in der monotonen Landschaft.

Haggerty sah Cochise immer noch hoch oben auf der Klippe

stehen und mit den Armen rudern.

Aber wo waren die Mimbrenjos?
Er zog den Henry-Stutzen aus dem Scabbard, tätschelte dem

erschöpften Wallach den Hals und entsicherte das Gewehr.

Hier konnte er nicht weiter. Der Erdspalt war mindestens drei

Yards breit und 350 Fuß tief. John mußte zurück, um sich
einen anderen Abstieg zu suchen. Und das wiederum ging
nicht, weil ihm die Mimbrenjos den Weg versperrten.

Die Patrouille im Westen war verschwunden. Von Cochise

sah John nichts mehr. Nur der ewig wehende Wind jaulte und
warf Sand und Tumbleweed gegen die Dragoons. Langsam
verlöschte das rote Himmelslicht.

John zerrte sein müdes Pferd weiter, das entsicherte Gewehr

in der Armbeuge. Er behielt die Richtung nach Westen bei und
blickte sich immer wieder um, um nach den Mimbrenjos

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Ausschau zu halten. Nach einer Viertelstunde geriet er in ein
verwirrendes Labyrinth aus mächtigen Felsbrocken, die sich
wie Türme aufeinanderstapelten. Speerdornbüsche und
Manzanitas wuchsen in den Spalten. John musterte die wirre
Ansammlung von Felsen und stacheliger Vegetation.

Sie bot Schutz vor der anbrechenden Nacht und den

Mimbrenjos. Kurz entschlossen bahnte er sich einen Weg in
das Innere der Felsenburg. Seltsam, der Weg führte plötzlich
abwärts. John zögerte einige Sekunden lang, dann ging er
langsam weiter.

Der Wallach hinter ihm schnaubte leise, aber unwillig. John

wußte, was dem Tier fehlte.

»Sei still«, sagte er. »Ich habe genauso Durst wie du.«
Es ging abwärts. Zerklüftete, zerrissene Wände strebten

seitlich empor. Der Boden der finsteren Klamm war geborsten.
Handbreite Spalten klafften, ließen Mann und Pferd stolpern.
Die Echos seiner Schritte und die der klirrenden Eisen des
Pferdes schallten wie Hammerschläge auf einem Amboß.

Der große Mann, der sein Pferd führte, war allein in dieser

abgeschiedenen Ecke der Welt, wo die Einsamkeit schon
manchen Weißen in den Wahnsinn getrieben hatte.

Schüsse!
Unvermittelt blieb der Scout stehen. Eine ganze Salve

donnerte und brachte die Wände des natürlichen Kamins zum
Zittern. Sand rieselte. Nagetiere huschten zu Johns Füßen und
verkrochen sich ängstlich quietschend. Wieder eine Salve, die
in sporadisch gelenktes Gewehrfeuer überging.

Der Scout wußte, was die Knallerei zu bedeuten hatte.

Cochise griff die Patrouille an, die sich heftig wehrte.

Und er wußte noch etwas. Wenn er weiter in die Tiefe kam,

würde er mitten in das Kampfgeschehen hineinplatzen.

Der Wind sprang um, wurde kälter, hüllte Roß und Reiter

erbarmungslos in beißenden Staub. Die Nacht brach an, und bis
der Mond aufging, würde es sehr dunkel werden. John mußte

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weiter, der Patrouille zu Hilfe eilen. Heftig zerrte er am Zügel,
aber das Pferd blieb störrisch und wollte keinen Schritt mehr
machen. Vielleicht hatte es auch Angst vor dem steil nach
unten führenden Weg und vor dem Schießen.

John zwang ihm seinen Willen auf, zog es förmlich. Es war

dämmerig, als er auf die breite Schlucht stieß, die in die Wüste
hinausführte, und der wehende scharfkörnige Sand griff mit
rauhen Fingern nach ihm. Die Hufe des Wallachs schlugen
gegen den Fels und hallten durch den Abend wie die Glocken
einer Kathedrale.

Ununterbrochen krachten Gewehr- und Pistolenschüsse.

Vorn im Canyon sah John Rauch. Etwas brannte. Die
schwarzhaarigen Teufel hatten mit ihren Brandpfeilen irgend
etwas in Flammen gesetzt.

John ließ das bockende Pferd stehen und rannte weiter. Vor

der Kehre verhielt er, um sich zu orientieren. Hinter der
Krümmung breitete sich der Canyon zu einem ovalen Rund
aus. Trockene Büsche und verdorrte Kakteen brannten
lichterloh und schickten einen beißenden Rauch zum Himmel.

Mitten in einer Insel aus Steinen und klobigen Felsen hatte

sich die Patrouille verschanzt. Sie schoß, was die Läufe
hergaben.

Aber auf was schossen die Soldaten?
Kein Apache war zu sehen, nichts rührte sich im Dickicht an

den Canyonwänden. Trotzdem: die Uniformierten waren
eingeschlossen und konnten weder vorwärts noch rückwärts.
Ihre Pferde steilten und wieherten aus Angst.

Wieder krachte es, als wäre der Weltuntergang angebrochen.

Vereinzelte Schreie hallten herüber. Und dann brandete ein
Geheul auf, daß es John eiskalt über den Rücken rieselte.

Von allen Seiten brachen graue Gestalten wie Dämonen aus

einem unbekannten Reich über die Soldaten herein. Messer
blitzten, Pfeile schwirrten, fanden ihre Ziele, löschten Leben
aus.

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In wenigen Minuten war alles vorbei. John Haggerty, den das

Entsetzen gepackt hatte, lag hinter dem Stacheldickicht und
starrte ungläubig auf das tanzende, schreiende Hölleninferno,
das sich vor dem brennenden Hintergrund abspielte.

Und dann floh er, die Angst einer möglichen Entdeckung im

Nacken.

*

Sein Pferd stolperte vor Schwäche. John sprang ab, nahm die
Feldflasche vom Sattelhorn und schüttelte sie. Eine Handvoll
brackigen Wassers, mehr nicht. Er setzte seinen Feldhut ab,
schüttete das Wasser in die Krone und ließ das Pferd saufen.

»So, mein Alter, mehr kann ich nicht für dich tun. Nur noch

fünf Meilen, die mußt du aushalten.«

Der Wallach warf den Kopf in die Höhe, blähte die Nüstern.

Das bißchen Feuchtigkeit hatte ihn sichtlich belebt. Dann
schnaubte er warnend.

John wirbelte herum – und stand wie versteinert.
Keine halbe Meile vor ihm schnellte eine sechsspännig

gezogene Postkutsche der Butterfield Overland aus einem
Canyon und folgte einem unsichtbaren Weg. Schüsse fielen.
Der Fahrer hieb mit der langen Peitsche unermüdlich auf die
Gäule ein, um das Letzte aus ihnen herauszuholen. Auf dem
Bock schoß der Begleitmann – grimmig, in Panik. Schuß auf
Schuß fegte in den dichtgeschlossenen Pulk verfolgender
Apachen.

Allen Rothäuten voran preschte ein hochgewachsener

Indianer in der traditionellen Wüstenkleidung der Chiricahuas.

Cochise.
Hinter ihm ritt Naiche, sein zweiter Sohn, auf einem Pony,

das Gewehr in der freien Hand.

Aus dieser Distanz sah es aus, als folgte dem Jefe ein zweiter

Cochise, so groß war die Ähnlichkeit zwischen den beiden

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Apachen.

Der Braune an Johns Seite wieherte leise. Ahnte er, was sich

dort vorn abzuspielen begann? Das grelle Kriegsgeschrei der
Chiricahuas klang grauenerregend, untermalt von den Schüssen
der Reisenden aus der Kutsche.

John Haggerty wunderte sich nicht wenig und schüttelte

mehrfach den Kopf. Chiricahuas kämpften nicht in der Nacht.
Dort drüben aber wurde gekämpft.

Zwei Rothäute stürzten von ihren Ponys und blieben liegen.

Aber auch in der Kutsche gab es Verluste. Aus dem rechten
Wagenfenster hing der Oberkörper eines Mannes, einen
gefiederten Pfeil im Rücken.

Im gleichen Augenblick sank auch der Begleitmann auf dem

Bock zusammen. Die hochbordige Concord kam näher,
beschrieb eine Schleife, dem unsichtbaren Weg folgend, und
hielt dann direkt auf den Scout zu.

Mierda! Das fehlt mir gerade noch, dachte John und fluchte

lautlos.

Die Stagecoach drehte nach Nordosten ab und änderte die

Richtung. Wie ein Kometenschweif galoppierten die Ponys
hinter dem Fahrzeug her.

Was der Fahrer auch anstellte, den brüllenden Teufeln zu

entkommen, es gelang ihm nicht. Sie holten mehr und mehr
auf, ritten bereits im toten Winkel hinter der Kutsche. Einer
schwang sich auf das Kastengestell, kletterte nach oben und
warf sein Kriegsbeil. Tödlich getroffen, fiel der Fahrer seitlich
vom Sitzbock.

Noch ein paar Schüsse fielen aus dem Innern der Kutsche,

aber sie verstummten gleich darauf.

Verwehende Schreie. Richtige Todesschreie.
Die Pferde wurden von braunen Fäusten angehalten,

ausgeschirrt und von zwei anderen Kriegern übernommen.
Noch einmal peitschte ein Revolverschuß durch die Nacht.

Kein Indianer griff sich an die Brust und stürzte. John wußte,

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was der einzelne Schuß zu bedeuten hatte. Lieber tot, als den
Rothäuten in die Finger fallen. So dachten die meisten Weißen.

Ein Apache schoß einen Brandpfeil auf das Fahrzeug ab, das

daraufhin sofort lichterloh zu brennen begann.
Zähneknirschend verfolgte John Haggerty das blutige
Schauspiel, ohne helfen zu können. Es wäre auch sinnlos
gewesen. Gegen zwanzig Chiricahuas hätte er keine Chancen
gehabt.

Das Drama neigte sich drüben seinem Ende zu. Wie eine

riesige Fackel brannte die Concord lodernd zum Himmel. John
konnte jede Einzelheit erkennen.

Cochise bestieg einen Hügel, blieb mit verschränkten Armen

stehen, während seine Krieger die Toten skalpierten und
ausplünderten.

Schließlich war auch dieses Kapitel eines gnadenlosen

Kampfes abgeschlossen. Die Apachen scharten sich um den
Hügel, schwangen triumphierend die blutigen Skalps. Als
Cochise die Arme hob und zu reden begann, verstummte das
Geschrei. Ehrfürchtiges Schweigen ließ die Stimme des
Häuptlings weithin erschallen. Der Jefe sprach lange und
eindringlich. John Haggerty hätte wer weiß was dafür gegeben,
wenn ihm die Rolle eines unbemerkten Lauschers vergönnt
gewesen wäre.

Als Cochise schwieg, den rechten Arm ausstreckte und nach

Südwesten wies, wurde John klar, daß in dieser Nacht weitere
Brandfackeln zum Himmel lodern und zahllose Weiße ihr
Leben lassen sollten.

»Koh Cheez!« schrien die Chiricahuas. »Koh Cheez!«
Danach kam das »Zastee! Töte!«

*

»Mr. Haggerty, Sie waren eine Woche lang Cochises
Gefangener?« fragte General Oliver O. Howard ziemlich

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maliziös. »Wie Sie sagten, sind Sie ihm nicht entkommen,
sondern er ließ Sie und den Scout Harwig frei? Ist das nicht ein
wenig zu außergewöhnlich, um glaubhaft zu klingen?«

John Haggerty rieb sich die übermüdeten Augen, nahm kurz

Haltung an, während er den Grimm hinunterschluckte.

»Sir, ich bin Scout und kein Fabulierer. Was ich sagte,

stimmt wie der Punkt auf dem i. Cochise ließ uns frei.«

Colonel White räusperte sich und warf Haggerty einen

warnenden Blick zu, den dieser mit einem Schulterzucken
beantwortete.

»Sie können sich keinen besonderen Grund erklären?« bohrte

Howard weiter.

»Doch, Sir. Zwei Gründe. Der erste ist eine gewisse

Dankbarkeit, weil ich seiner Schwester half. Der zweite kann
wohl in der Tatsache gesehen werden, daß der Jefe durch mich
eine Nachricht an das Oberkommando in Arizona übermitteln
will.«

»Wie lautet die Nachricht?«
»Friede, Sir. Friede, bevor der letzte Weiße und der letzte

Indianer sich gegenseitig umgebracht haben.«

»Friede?« Howard lachte verächtlich. »Mann, wissen Sie

überhaupt, was Sie da reden? Die Apachen überfielen in den
letzten drei Tagen vier Patrouillen, zwei Farmer, einen
Wagenzug und zwei Postkutschen. Nichts als Tote und Asche
blieben zurück. Und da sprechen Sie von Frieden?«

»Ja, Sir, ganz bewußt. Berücksichtigen Sie ihre Mentalität,

Sir, dann wissen Sie, warum sie die Weißen angreifen. Cochise
will den Krieg nicht, er wird ihm von den Kriegern
aufgezwungen. Wenn er nichts tut, um sie bei Laune zu halten,
schlagen sie ungezielt los. Apachen fühlen sich nicht unbedingt
an einen bestimmten Häuptling gebunden, sie schulden ihren
Führern keinen blinden Gehorsam und keine
Gefolgschaftstreue.«

Howard erwiderte:

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»Ich kann Sie nur schwer verstehen, Haggerty. Tut mir leid.

Trotzdem, was schlagen Sie vor?«

Johns Hand strich über den wochenalten Stoppelbart.
»Ich schlage eine Unterredung mit dem Jefe vor, Sir. Sie und

er, sonst niemand. Wenn Sie es geschickt anfangen, General,
kann's zum Erfolg führen.«

»Ich soll bei einer Rothaut um Frieden nachsuchen? Sind Sie

des Teufels?«

»Er ist kein gewöhnlicher Indianer, Sir… General. Sprechen

Sie mit ihm, und Sie werden verstehen, was ich meine.«

Howard ging im Zelt auf und ab. Mitunter warf er unruhige

Blicke auf die beiden Colonels, die sich mit keinem Wort
äußerten.

»Sie meinen wirklich…?« setzte Howard noch einmal an.

Und als Haggerty nickte, fuhr er mißmutig fort: »Also,
meinetwegen. Wie wollen Sie die Besprechung
zusammenbringen und wo?«

»Ich reite morgen zu Cochise zurück und werde ihn darum

bitten. Termin und Ort werde ich von ihm erfahren. Nur Sie
und er«, fügte er noch einmal warnend hinzu.

White trat vor.
»Pardon, General, darf ich eine Frage an den Scout richten?«
»Bitte.«
White fixierte Haggerty. Als er zu sprechen begann, klang

Sarkasmus aus seinen Worten.

»Was eigentlich macht Sie so sicher, Mr. Haggerty, daß

Cochise wirklich Wert darauf legt, sich mit der Armee über
einen Frieden zu unterhalten? Steht er so hoch in Ihrer
Wertschätzung, Scout, oder ist es das Mädchen, von dem Sie
sprachen? Sie haben es doch geheilt, nicht wahr?«

Johns Augen verengten sich.
»Colonel, was wollen Sie damit sagen?«
»Sie ist eine Wilde, Mr. Haggerty.«
»So, eine Wilde?« John räusperte sich. Nur der Anstand

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verbot ihm, dem Offizier ins Gesicht zu schlagen. »Colonel
White, ich habe unter den Weißen mehr Wilde kennengelernt
als unter den Apachen. Gehen Sie doch mal nach Tucson,
Tombstone oder Sentinel, besuchen Sie die Kneipen, die
Tingeltangels und die Hurenhäuser, und wenn Sie dann noch
der Meinung sind, daß dort keine Wilden verkehren, wird
Ihnen der Begriff Wilder niemals klarwerden.«

White wurde rot. Er hatte eine scharfe Erwiderung auf der

Zunge, aber Howards eisige Miene ließ ihn verstummen.

»Das war nicht wörtlich zu verstehen«, räumte er widerwillig

ein. »Nicht in diesem Sinne. Ich meine, sie haben keine
Religion, keinen Gott…«

»Ach, schweigen Sie!« unterbrach Haggerty ihn grimmig.

»Sie haben sehr wohl eine Religion, und sie haben einen Gott,
den sie den Großen Geist nennen. Er hat nur einen anderen
Namen, aber er ist der gleiche Gott.«

Er drehte sich um, salutierte vor General Howard.
»Ich darf mich empfehlen, General… Sir. Sobald ich

Cochises Zusage habe, melde ich mich. Guten Abend,
Gentlemen.«

Die Zeltklappe fiel mit einem seltsamen Schmatzen hinter

ihm zu.

*

Der Regen kühlte seine Stirn und durchnäßte gleichzeitig seine
Kleidung. Mühsam raffte er sich auf, stützte sich mit
gespreizten Händen gegen die Hauswand. Es fiel Miller
schwer, seine Gedanken zu ordnen und herauszufinden, was
geschehen war.

Etwas war auf seinen Kopf gekracht. Hatte der Kerl, der

ständig an seiner Hose herumgefummelt hatte, ihn
niedergeschlagen, oder war es durch die offene Hintertür
geschehen?

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Langsam bekam er wieder Gewalt über seinen Körper. Das

Drehen vor seinen Augen hörte auf und wich mehr und mehr
einem Übelkeitsgefühl, das über den Magen heraufzog.

Miller seufzte, erbrach sich und lehnte sich schließlich mit

dem Rücken an das Haus. Es gelang ihm nicht, die Dinge in
den Griff zu kriegen. Schließlich fiel ihm sein Lauscherposten
bei der anderen Kneipe ein. Er schleppte sich hin und warf
einen Blick durchs Fenster. Die beiden Männer saßen immer
noch dort, redeten und tranken. Lange konnte er also nicht
ohne Bewußtsein gewesen sein.

In diesem Moment sah er den Mann im Schlapphut von der

Seite. Er trug die Bandana bis zu den Augen hochgezogen und
die Hutkrempe so tief in der Stirn, daß von seinem Gesicht
nichts zu erkennen war. Auch zu hören war nichts.

Die beiden sprachen so leise, daß ihre Worte kaum bis zum

Fenster drangen. Aber dann erhob sich Mortimer Gale, stieß
versehentlich gegen das Regal. Flaschen klirrten und ergaben
einen seltsamen hellen Unterton zu den murmelnden Stimmen
der beiden Männer.

»Du wirst dich also darum kümmern«, sagte der Maskierte

dumpf. »Die Beute muß morgen nach Mexiko gebracht und
dort bei Alfonzo Spade abgegeben werden. Alles Weitere ist
dann nicht mehr deine Sache.«

Miller wagte einen kurzen Blick durchs Fenster. Als sich

Gale zufällig herumdrehte, zuckte er zurück.

»Hast du vergessen, daß wir die Gran Desierto durchqueren

müssen, Boß, wenn wir Nogales erreichen wollen?«

»Und?«
»Gegen einen Trupp räuberische Apachen habe ich mit den

paar Leuten keine Chance. Kürzlich wurde wieder ein
Wagenzug der Armee aufgerieben.«

»Die Indianer werden dich in Ruhe lassen, dafür garantiere

ich«, entgegnete der Maskierte. »Du kennst doch den Weg
durch den Camino del Diablo?«

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»Mir wäre es lieber, du würdest mir diesen Scout mitgeben,

der sich bei dir vor der Armee verkriecht.«

Der Maskierte winkte ab.
»Das geht nicht, Mort. Ausgeschlossen. Ich traue dem Kerl

immer noch nicht ganz. Er schnüffelt mir einfach zuviel herum.
Überall steckt er seine Nase rein und kümmert sich um jeden
Dreck, der ihn nichts angeht. Also, kennst du den Weg?«

Gale nickte. Miller sah die Kopfbewegung und konzentrierte

sich nun voll auf das Gespräch. Der Maskierte erhob sich
ebenfalls und machte ein paar Schritte zur Tür. Dort blieb er
stehen.

»Sechzehn Maultiere«, sagte er. »Sechzehn hochbeladene

Packmulis. Das wird nicht einfach werden, Mort. Schaffst du
das?«

Gale zuckte mit den Achseln.
»Wir sind zu sechst, es müßte eigentlich zu schaffen sein.

Mir machen nur die Apachen Sorgen.«

»Ich sagte, die kannst du vergessen. Also, in acht Tagen

sehen wir uns wieder. Vaya con dios!«

Er verließ den Raum. Miller zog sich hastig zurück. Es

regnete immer noch Bindfäden, hinzu war ein kalter Wind
gekommen, der vom Gebirge herunterfegte.

Als er die ›Gouadeloupe‹-Bar erreicht hatte, öffnete er

vorsichtig die Hintertür. Seine durchnäßten Stiefel quietschten,
als er eintrat und die Tür hinter sich schloß. Zahlreiche Augen
starrten ihn an. Miller setzte sich auf seinen alten Platz und
krümmte sich ein wenig zusammen. Doolin war noch nicht
zurückgekehrt, dafür waren die anderen alle da.

Fred Honda warf ihm einen nachdenklichen Blick zu und

fragte:

»Lange weggeblieben, wie? War's schön?«
Miller wußte nicht, was der Outlaw meinte. Ausweichend

antwortete er:

»Es ging. Muß was Verkehrtes gegessen haben. Na, wird

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schon wieder.«

Er nahm sein Bierglas in die Hand und trank. Gleichzeitig

schlug die Tür auf und Hank Doolin trat ein. Er schüttelte das
Wasser aus dem Wolfsfellmantel, den er wegen der nächtlichen
Kühle übergezogen hatte, und kam an den Tisch. Sein Blick
fiel zufällig auf den Boden.

Ein schmales Rinnsal schlängelte sich unter dem Tisch

hervor, ausgehend von einem Paar durchweichter Stiefel und
nasser Hosenbeine.

Doolin stutzte.
»Wo bist du gewesen?« fragte er mißtrauisch.
Honda lachte.
»Er hat's in den Därmen«, krächzte er und schniefte. »Und

wenn's bei einem Mann da zwickt, muß er, ob's nun regnet oder
nicht.«

Doolin verzog seinen Mund.
»Halt's Maul, Fred! Ich habe euch allen eingetrichtert, nur zu

reden, wenn ihr gefragt werdet. Von mir gefragt. Verstanden?«

»Okay, Boß, war nicht so gemeint.«
Curt Miller sah sich in der Runde um. Von diesen Männern

hatte ihn keiner niedergeschlagen, das war sicher. Sie alle
hatten ihre Plätze nicht verlassen, während er draußen gewesen
war.

Und Doolin?
Nein, der auch nicht. Es mußte ein kleinerer und

schwächlicherer Typ gewesen sein, der ihn ins Reich der
Träume geschickt hatte. Mit einem harten Gegenstand, der
jedoch nicht so hart gewesen war, um seinen Schädel zu
verletzen.

Miller fiel ein, daß er Doolin eine Antwort schuldig war. Er

sah auf und sagte mit betonter Sicherheit:

»Muß was mit dem Magen sein, Boß. War schon zum

zweitenmal draußen, aber…«

Doolin hatte sich gesetzt und einen langen Schluck aus

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seinem Glas genommen. Unwirsch winkte er ab.

»Hört mal her, Jungs«, sagte er. »Morgen reiten wir nach

Westen und kümmern uns ein bißchen um den Camino del
Diablo. Freunde von mir brauchen ein sicheres Geleit bis zur
Wüste. Wir reiten alle, ohne Ausnahme, auch diejenigen, denen
es in den Därmen rumort. Kapiert?«

Elvis Wash nickte.
»Okay, Boß. Darf man fragen, was das für Freunde sind?«
»Freunde«, erwiderte Doolin und warf einen finsteren Blick

zu Wash hinüber. »Gute Freunde. Noch was?«

Wash schüttelte den Kopf.
»Was machen wir, wenn uns Apachen angreifen? Im

Augenblick ist dort unten der Teufel los. Cochise fällt über
alles her, was eine weiße Haut hat und…«

»Sie greifen uns nicht an«, unterbrach Doolin ihn hart.

»Kümmert euch um eure Angelegenheiten und überlaßt die
Führung der Bande mir. Noch etwas: In der Nähe von Nogales
gibt's 'ne Pferderanch. Alles ausgesuchte Zuchttiere. Ich denke,
wir nehmen das Geschäft mit, wenn wir schon so weit im
Süden sind.«

Elvis Wash und Hugh McDonnel wechselten einen schnellen

Blick. Miller sah die stummen Zeichen der Augen und erkannte
ihren Sinn. Wenn er sie nicht zu deuten gewußt hätte, wären sie
ihm spätestens bei Hugs Worten klargeworden.

»Zuchtpferde sind aber 'ne Menge mehr wert als der

Krimskrams, den wir bei den Rothäuten einheimsen, Boß. Ich
denke, du erhöhst unseren Anteil um ein Beträchtliches.
Immerhin ist auch das Risiko für die Bande größer und die
Abwicklung der Geschäfte gefährlicher. Die geringste
Unaufmerksamkeit, und wir haben einen Sternschlepper auf
unserer Fährte. Wie siehst du die Sache, Boß?«

Doolin schien sie anders zu sehen, nicht als gutes Recht

seiner Männer, von einer größeren Beute auch mehr Anteil zu
erhalten. Sein Gesicht überzog sich wie mit Gewitterwolken.

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»Wir teilen immer ehrlich«, antwortete er. »Zwei Fünftel für

mich, der Rest für euch. So war's vereinbart. Schließlich muß
ich alles planen und mir Gedanken darüber machen, wo sich
der nächste Coup lohnt…«

»Großer Gott!« unterbrach Fred Honda ihn mit gespieltem

ehrfürchtigem Staunen und heuchlerischer Einfalt in der
Stimme. »Diese Masche – nein!« Seine Hand fiel klatschend
auf den Tisch. »Haben wir jemals einen lohnenden Coup
ausgeführt, der was einbrachte?« fragte er mit beißender Ironie.
»Plunder! Flitterkram und Glasperlen, wertloses Zeug, das sich
nicht einmal mitzunehmen lohnte. Wie du das Zeug an den
Mann bringen und dafür noch gute Dollars bekommen
konntest, wird für alle Zeiten dein Geheimnis bleiben.«

»Werde nicht unverschämt, Fred.«
Aber Honda ließ sich nicht einschüchtern.
»Coup? Pah! Mich und die Jungs würde interessieren, von

welchem lohnenden Unternehmen du überhaupt sprichst.«

Doolin stand auf und stemmte die Fäuste auf den Tisch.
»Hört zu«, knurrte er wütend, »ihr könnt jederzeit aussteigen

– alle! Solche Schlappschwänze wie euch kriege ich überall.
Los, haut ab! Verduftet, wenn euch meine Anordnungen nicht
mehr gefallen!«

Betretenes Schweigen. Zurückhaltung. Sie hätten sich

absetzen und verschwinden können, und niemand hätte sie
vermutlich daran gehindert. Aber wohin? Die andere Bande
wollte sie nicht. Sie, die Geldschrankknacker, Posträuber und
Waffenhändler lebten im Überfluß, wären aber nie bereit
gewesen, einen Anteil ihrer Beute abzugeben.

Millers Blicke glitten an den Gesichtern der Männer entlang,

die die Köpfe hängen ließen.

Doolin hatte sich wieder in der Gewalt, pochte hohnvoll und

siegessicher mit den Knöcheln auf den Tisch und ging.

Niemand rief ihm etwas nach. Eine lange Weile schwiegen

die Banditen, grübelten vor sich hin. Curt Miller berichtigte

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seinen anfänglichen Verdacht.

Doolin war nicht gleichzeitig auch der Boß der anderen

Bande, wie er draußen vor dem Fenster vermutet hatte. Er hatte
den Maskierten mit dem Halstuch und im gelben Mantel
gesehen. Doolin aber war mit einem Pelzmantel
hereingekommen.

Er stand auf.
»Ich muß schon wieder«, sagte Miller und verließ den Saloon

durch die Hintertür.

*

Der Mond ging auf, als John Haggerty den westlichen Teil des
Passes erreichte. Eine weite, ebene Fläche lag vor ihm, und an
ihrem Rand erhoben sich die Berge gegen den Nachthimmel.

Seit drei Tagen war er unterwegs, um Cochise zu finden.

Schlucht für Schlucht, Ebene für Ebene hatte er abgesucht.
Aber der Jefe blieb mit seinen Kriegern wie vom Erdboden
verschluckt.

Der Wallach wieherte verhalten. Haggerty hob schnell den

Kopf.

»Witterst du etwas, Junge?«
Da vorn ragte irgend etwas dunkel auf.
»Bäume, bei Gott!« murmelte der Scout. »Tatsächlich

Bäume.«

Wo es die gab, war vermutlich auch Wasser. Aber wo

Wasser war, da hielten sich womöglich auch Apachen auf. Sie
kannten die Gewohnheiten der Weißen. Die liefen durstig wie
Schafe zum Wasser, und sie blieben auch beim Wasser und
lagerten dort. Deshalb waren sie auch so leicht wie Schafe zu
erledigen.

John wollte weiter, aber ein erneutes Schnauben hielt ihn

wieder auf. Seine Augen suchten in der Finsternis.

Bewegung, unklare Laute. Eine Glocke läutete. Stimmen.

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Und dann sah er sie.
Die Maultiere kamen aus der Ebene und zogen zum Wasser.

Flankiert von sechs Reitern, die wie nasse Säcke auf ihren
Pferden saßen, schlichen die müden Maulesel durch den Sand,
der erste mit dem Schwanz an das Zaumzeug des zweiten
gebunden und so fort.

John schwang sich aus dem Sattel. Zu Fuß war ein Mann in

der Wüste schlechter zu erkennen als hoch zu Pferd – Apachen
hatten scharfe Augen und ein feines Gehör.

Dem Scout war es klar, daß die Chiricahuas die

Maultierkarawane beobachteten. In der Nacht griffen sie zwar
nicht an, aber sobald das erste Grau des neuen Tages über den
Horizont zuckte, dann waren sie da. Und sie würden sich
erinnern, in der Nacht einen einzelnen Reiter gesehen zu haben.

Mit dem Pferd am Zügel zog er sich tiefer in die Klippen

zurück, durch die er vor wenigen Minuten geritten war. Im
Schatten einiger zerklüfteter ›Haifischzähne‹ blieb er stehen,
beschwerte die Zügel mit einem Stein und wandte sich dann
wieder der Wasserstelle dort draußen zu.

Die Reiter hatten die Maultiere inzwischen in einen Kreis

laufen lassen und die Lasten von ihren Rücken genommen.
Einzeln führten sie die Tiere zur Tränke. Zwei andere zogen
einen Seil-Corral zwischen flachkronigen Bäumen und trieben
die getränkten Tiere hinein.

Ein Feuer flammte auf. Ein mächtiges Feuer.
Idioten! dachte John und schüttelte den Kopf. Kein Indianer

würde ein solches Feuer abbrennen und sich dann noch gut
sichtbar vor die Flammen setzen.

Nach einer Weile sah John Haggerty wieder hinüber und

wunderte sich über das lautstarke Lagerleben. Das Feuer
knackte und prasselte, Stimmen brüllten förmlich, um sich
verständlich zu machen. Man aß, trank, lachte und schrie in die
Nacht, daß jeder Apache in 30 Meilen Umkreis hellhörig
werden mußte.

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Plötzlich bemerkte John einen huschenden Schatten. Weg

war er. Da, jetzt wieder. In dieser Sekunde wußte der Scout,
daß er Cochise gefunden hatte.

Er ließ sein Pferd zurück, lief los, tief geduckt. Er blickte

sich ununterbrochen um – nach links und rechts, nach vorn und
hinten, und hörte nicht auf damit.

Wer aufhörte, sich umzusehen, starb sehr schnell.
Hinter einem Steinhaufen kauerte er sich nieder. Deutlich

konnte er das Camp vor sich sehen. Die sechs Kerle tranken
Whisky und ließen die Flasche kreisen.

Dann sah er auch den Späher wieder. Der Apache kroch auf

Händen und Füßen näher zum Feuer heran. In einem
Tamariskendickicht blieb er liegen und verhielt sich still. John
sah nichts mehr von ihm.

Langsam brannten die Flammen nieder, und die Flasche

kreiste nicht mehr. Stille zog beim Lager ein. John sah den
Indianer aus dem Gebüsch huschen und das Weite gewinnen.

Er zog sich ebenfalls zu seinem Pferd zurück, setzte sich auf

einen Stein und drehte sich eine Zigarette. Als er sie hinter der
vorgehaltenen Hand anzündete, schloß er die Augen, um nicht
geblendet zu werden. Das Tier hinter ihm verhielt sich still.

John stand auf, nahm die Wasserflasche vom Sattelhorn und

schüttete den Rest in seinen Hut. Er ließ das Pferd saufen,
anschließend band er ihm den Futtersack um.

Die Nacht schleppte sich in monotoner Gleichmäßigkeit

dahin, und während die Sterne zu verblassen begannen, erhob
sich John und kletterte den Hang hinauf.

Als er auf dem Kamm stand, erkannte er die Bewegung ein

Stück weiter rechts. Das erste schwache Grau stahl sich über
die Berge. Wieder eine Bewegung.

John legte sich auf den Boden und robbte dichter heran. Sein

Gewehr zog er immer ruckartig mit.

Keuchend blieb er liegen. Er traute seinen Augen kaum, als

sich die Gestalt vor ihm aufrichtete und die Arme ausbreitete.

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Nackt, wie sie war, nur mit einem gefleckten Lendenschurz aus
Pantherfell bekleidet, wirkte sie wie eine heidnische Gottheit.

John kroch näher. Vor dem Indianer fiel der Gebirgskamm in

langen Terrassen in die Ebene hinab, und dort unten war das
Lager der Maultierkarawane.

In diesem Augenblick strahlte das erste Morgenlicht über den

Gebirgszug. Der Indianer trat vor bis an die erste Terrasse,
starrte herab. Da erkannte ihn John Haggerty.

Cochise!
John blickte hinüber zu den anderen Felsformationen.

Bewegung überall. Seine Kehle war trocken und wund, wie mit
Sand geschmirgelt, und er hätte keinen Ton hervorgebracht,
wenn er dies gewollt hätte.

Cochise hob die rechte Hand, gab ein Zeichen. Dann nahm er

das Kriegsbeil aus der Linken und schwang es hoch über
seinem Kopf.

Er befahl den Angriff.
John mußte die Leute dort unten im Lager retten. Leise stand

er auf, nahm den Henry-Stutzen beim Lauf und schlug mit dem
Kolben zu. Cochise brach wie vom Blitz getroffen zusammen.

Ein gleitendes Kratzen, Schaben neben John. Ein zweiter

Krieger stürzte sich auf ihn. John fiel ihm in den Arm, wehrte
die zum Stoß erhobene Messerhand ab und stieß den
Chiricahuas zurück.

Ganz plötzlich wurde es taghell. John erkannte den jungen

Krieger: Naiche.

Er warf sich wieder auf den Weißen, dabei stieß er einen

wütenden Schrei aus. Sie rangen miteinander, versuchten sich
gegenseitig mit dem Knie in den Magen zu treten. John bekam
allmählich die Oberhand, aber sein Sieg war so weit entfernt
wie der Mond.

Hinter ihm richtete sich der Jefe wieder auf und sprang hoch.

Tödlich wie ein Vipernbiß warf er sich auf John Haggerty und
schlug mit der Streitaxt zu.

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Johns Hände verkrampften sich in das graue Hemd Naiches,

riß es ihm fast vom Körper. Und als er fiel, zerrte er den jungen
Krieger mit zum harten Felsboden.

Cochise schwang die Axt, die den Scout niedergeschlagen

hatte. Mit einem gellenden Schrei gab er das Zeichen zum
Angriff.

*

Sie kamen den langen Hang herunter und bogen in das steinige
Tal ein, das, wasser- und vegetationslos, zwei Gebirgsstöcke
miteinander verband. Elvis Wash führte den Trupp. Hinter ihm
ritten Fred Honda, Hugh McDonnel und Hank Doolin. Curt
Miller machte den Schluß.

Unten angelangt, übernahm Doolin die Führung und ritt

einen gewundenen Canyon an, der in das Tal mündete. Der
Weg führte bergauf, um auf der Höhe des Kammes wieder
sanft nach unten zu fallen.

Miller hielt immer noch den Schluß. Gedanken glitten wie

bunte Lichter durch seinen Kopf. Doolin hatte kein Vertrauen
zu ihm und machte dies bei jeder Gelegenheit deutlich. Curt
Miller seinerseits grübelte ständig über die vergangenen Tage
nach und wurde sich mehr und mehr bewußt, daß sein Leben in
Gefahr war. Doolin würde ihn ermorden lassen, wie es mit
Buster Liven geschehen war, der zuviel gewußt hatte.

Auch er wußte einiges, jedoch konnte er sich noch kein

klares Bild von der Gesamtsituation machen. Doolin überfiel
am liebsten Indianerdörfer, ließ Frauen, Kinder und alte Leute
töten, raubte wertlosen Plunder, wie Gebrauchsgegenstände,
Pfeile und Lanzenspitzen, und erhielt von irgendwoher Geld
dafür.

Eine andere Bande von Outlaws, die sich ebenfalls in Santa

Magdalena eingerichtet hatte, überfiel Wagenzüge,
Posthaltereien und Banken. Sie machten das große Geld.

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Miller gelang es trotz intensiven Nachdenkens nicht, etwas

Verbindendes zwischen den beiden Banden zu finden, und
doch mußte es dasein, weil sich zu viele Dinge glichen.

Den Boß der anderen, den er bei seiner Lauschaktion

gesehen hatte, kannte er nicht. Aber Doolin mußte ihn kennen,
und das brachte ihn selbst immer näher an jene Situation heran,
die binnen Sekunden sein Leben auslöschen konnte.

Für Curt Miller war es sonnenklar geworden, daß nicht der

betrunkene Hosenfummler ihn niedergeschlagen hatte. Der
Hieb war aus der offenen Hintertür abgegeben worden.

Doolin oder der Boß der anderen Bande? Womöglich

arbeiteten die beiden zusammen und teilten sich den
Löwenanteil der Beute, während Wash mit seinen Männern
fast leer ausging.

Ein kaltes Rieseln glitt Miller über den Rücken. Den Tod aus

seinen Überlegungen so nahe vor den Augen, beschloß er, in
der kommenden Nacht seinem Gaul die Sporen zu geben, um
sich abzusetzen.

Als die Kavalkade die Ebene erreichte, war es bereits dunkel.

Unvermittelt hob Hank Doolin die linke Hand und zügelte sein
Pferd. Von Nordosten her schob sich eine langgezogene
Maultierkarawane durch die Dämmerung und näherte sich
einem schmal aus der Ebene tretenden Grüngürtel.

Alle sahen sie hinüber. Wash wandte sich an Hugh

McDonnel:

»Ganz schön beladen, was? Die hochzunehmen würde sich

bestimmt mehr lohnen, als ein Wickiup zu überfallen.«

McDonnel reagierte nicht. Nur Doolin blickte zurück und

brummte:

»Halt dein großes Maul, El! Wir haben anderes zu tun, als

uns mit reisenden Händlern abzugeben.«

Wash schwieg, blickte Miller an und dann wieder weg.
Doolin sah sich um. Weiter hinten in der Ebene gab es ein

wildes Felsengebiet mit etwas Vegetation. Er ritt an und hielt

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darauf zu.

Die Klippen boten ausgezeichneten Schutz für die Nacht,

Futter für die Pferde und Gelegenheit, die müden Knochen
auszuruhen.

Doolin ließ absitzen und ein Feuer anzünden. Wenn er

gewußt hätte, daß ihn zwei Augen haßerfüllt beobachteten,
hätte er es sicherlich unterlassen und wäre schnell
weitergeritten.

Miller bekam die letzte Wache zugeteilt. Die Ebene mit dem

Flußlauf lag noch im tiefsten Dunkel, als er sich auf einen Stein
setzte und zu grübeln begann. Er brauchte nicht lange, die
Situation, seine Chancen und Nöte auf einen gemeinsamen
Nenner zu bringen. Der Gedanke, fliehen zu müssen, drängte
sich von Minute zu Minute mehr in seine Überlegungen.

Kurz entschlossen erhob er sich, ging zu den Pferden hinüber

und sattelte sein Tier. Am Zügel zog er es aus dem Lagerkreis
und stieg erst auf, als er weit genug entfernt war, damit ihn die
Schlafenden nicht hören konnten.

Fern im Osten graute der neue Tag und sandte sein erstes

Licht über das Gebirge. Miller wollte seinem Pferd die Zügel
freigeben, als in seinem Rücken ein furchtbares Geheul laut
wurde. Schüsse hallten durch den frühen Morgen.

Curt parierte sein Pferd und zog es herum. Im Süden sah er

eine Staubwolke, die der Wind weitertrieb. Staub überall, dazu
die gellenden Kriegsschreie der angreifenden Apachen, die
Schüsse der Überfallenen…

Miller wußte, was sich abspielte.
Er riß sein Pferd in die alte Richtung und gab ihm die Sporen

zu fühlen.

Als wäre der Satan hinter ihm her, stob er im wilden Galopp

nach Norden.

*

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John Haggerty kam zu sich. Er war an Händen und Füßen
gefesselt, lag aber allein auf einer mittelgroßen Felsplatte in der
grellen Sonne. Noch war es früh und nicht heiß. Er drehte den
Kopf. Niemand war zu sehen.

Die Schatten der schrecklichen Nacht waren einem

strahlenden Tag gewichen, der heiß zu werden versprach. John
hatte Durst. Seine Zunge klebte förmlich am Gaumen, aber
keiner gab ihm Wasser.

Er hob die gefesselten Füße an und ließ sie mit den Sporen

auf den Stein fallen. Es gab ein knirschendes Geräusch. Hinter
einem Felsen lugte ein Kopf hervor, blickte herüber. John sah
das helle Stirnband und die dunklen Augen.

Hinter ihm knirschten leichte Schritte auf Sand und Geröll.

Ein Schatten fiel über ihn. John blickte hoch und erkannte
Cochise. Zwei weitere Apachen kamen heran: Naiche und ein
Krieger. Naiches Augen blitzten wütend.

Er trat John Haggerty in die Rippen, aber Cochise schüttelte

den Kopf.

»Warum bist du zurückgekehrt?«
»Ich überbringe eine Botschaft des großen weißen

Häuptlings, Jefe.«

Naiche spuckte aus, der Krieger in seiner Nähe grollte, nur

Cochise blieb ruhig.

»Welche Botschaft?«
»Friede, Cochise. Kein Kampf mehr zwischen weißen und

roten Männern. General Howard bittet dich um eine
Unterredung unter vier Augen.«

»Nur er und ich?«
»So ist es. Was darf ich ihm melden?«
Cochise sagte:
»Du lügst, Scout. Du willst dich mit einer Lüge freikaufen.«
Haggerty richtete sich halb auf.
»Ich sage die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Der Krieg

bringt keiner Seite etwas. Weiße und Rote können

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nebeneinander leben, wenn sie sich gegenseitig respektieren.
Wenn du mich jetzt töten läßt, wird es nie Frieden an der
Grenze geben, und ihr, die Apachen, seid in einem Jahr
ausgelöscht.«

»Schöne Worte«, sagte der Jefe, aber seine Stimme klang

nachdenklich. Nach einer Weile wandte er sich an seinen Sohn.
Er sagte ein paar Worte, die John nicht verstand. Mißmutig
beugte sich Naiche zu Haggerty und zerschnitt dessen Fesseln.

John stand auf, rieb sich die schmerzenden Gelenke.
»Reite«, sagte Cochise mit seiner tiefen Stimme. »Reite,

weißer Mann! Ich erwarte General Howard in der Nacht zum
Vollmond im San Pedro-Tal. Allein und ohne Waffen.«

Vollmond war in zwei Wochen. John Haggerty hatte sein

Ziel erreicht.

Ein Glücksgefühl durchströmte ihn. Bevor er sich abwandte,

um zu seinem Pferd zu gehen, das ein Indianer heranbrachte,
fragte er:

»Was geschah mit der Maultierkarawane, Jefe?«
Cochises Finger glitt über seine Kehle.
»Tot«, antwortete er darauf. »Vernichtet.«
Haggerty nickte. Das hatte er sich gedacht. Trotzdem fragte

er:

»War die Beute groß?«
Ein triumphierendes Lächeln glitt über Cochises Züge.
»Gewehre, Pulver und Blei. Sie war groß. Jetzt reite, bevor

ich meinen Großmut bereue.«

John Haggerty drehte sich um und ging zu seinem Pferd.

ENDE


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