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Alexander Calhoun 

Ein Pfeil als Lohn 

Apache Cochise 

Band Nr. 5 

Version 1.0 

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Prolog 

Als die weißen Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunderts den 
Südwesten der USA zu besiedeln begannen, stießen sie auf ein 
indianisches Volk, das bereits die Spanier und Mexikaner hatte 
teuer dafür bezahlen lassen, daß sie unbefugt in ihre 
Jagdgründe eingedrungen waren.
 

Die etwa ein Dutzend umfassenden Apachen-Gruppen und 

Großsippen, am gefürchtetsten die Chiricahua-Apachen, 
widersetzten sich der Niederwerfung durch die Weißen mit 
allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.
 

Sie überfielen zunächst Postkutschen, Frachtwagenzüge, 

Armeepatrouillen, Farmen, abseits gelegene Ranches und 
kehrten anschließend wieder zu ihren Stützpunkten in den 
Bergen zurück, den sogenannten »Apacherias«, die bei den 
Weißen der damaligen Zeit als uneinnehmbar galten.
 

Der Widerstand flammte zum blutigsten und grausamsten 

Grenzkrieg der Indianergeschichte auf, als Cochise von 
Mangas Colorados die Führung der Stämme übernahm.
 

Cochises Weitblick ließ ihn letztlich erkennen, daß der 

Untergang der roten Rasse eine von den Weißen beschlossene 
Sache war, die Anspruch erhoben auf alles Land zwischen den 
Dragoon Mountains im Südosten, dem Mogollon-Rim im 
Westen und der Gran Desierto im Süden.
 

Cochises Chiricahuas, die Kerntruppe seiner Streitmacht, 

blieb im Angesicht der unaufhaltsamen Flut weißer Siedler, 
Goldgräber und Desperados nur noch eine Devise: Raube, 
ohne erwischt zu werden, töte, ohne getötet zu werden. Ein 
Kampf ohne Erbarmen entflammte in den Canyons, Tälern und 
Wüsten. Ein Kampf, dessen Schilderung in dieser Serie nicht 
die ganze Brutalität wiedergeben kann, wie sie uns die 
Geschichte überliefert hat.
 

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1871 gelang es Cochise, die meisten Stämme der Apachen zu 

einer einzigen Widerstandsfront gegen die Eindringlinge aus 
Nord und Süd, Weiße und Mexikaner, zu vereinen. Die 
blutigsten Massaker auf beiden Seiten waren die Folge.
 

Auf ihren flinken Ponys überfielen die Krieger in kleinen 

Gruppen Wagenzüge und Posthaltereien im Norden, um am 
nächsten Tag schon Farmer und Goldgräber im Süden oder 
eine Patrouille der Army im Westen anzugreifen.
 

Militär und Siedler waren macht- und hilflos und ohne eine 

Möglichkeit gezielten Widerstandes den ständigen 
Apachenangriffen ausgesetzt.
 

Wenn 1870 General Sherman nach Washington schrieb: 

»Wir führten einen Krieg gegen Mexiko, um Arizona zu 
bekommen, wir sollten jetzt einen Krieg führen, um dieses Land 
wieder loszuwerden«, so kennzeichnen diese Worte die 
verzweifelte Hilflosigkeit des Militärs.
 

Diese nach authentischen Überlieferungen verfaßte Serie soll 

dem größten aller indianischen Führer ein Denkmal setzen: 
Cochise.
 

Dem Wirken dieses Mannes und seinem Weitblick für 

politische Veränderungen ist es zu verdanken, daß diese Story 
mit ihrer ganzen Dramatik wahrheitsnah niedergeschrieben 
werden kann.
 

Unsere Autoren fühlen sich verpflichtet, neben der 

Herausstellung der abenteuerlichen Charaktere, die in jener 
Zeit Geschichte machten, auch der historischen Wahrheit die 
Ehre zu geben.
 

Nichts soll verschwiegen, nichts hinzugefügt oder entstellt 

werden. 

Ihr Martin Kelter Verlag 

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*** 

Die Stagecoach war angespannt und reisefertig. Anstelle der 
sechs schwarzen Pferde standen sechs braune in den Sielen. 
Maritoba-Jones entfernte die Keile unter den Rädern, während 
Ben Lindford seinen Platz auf dem Bock einnahm. 

Das Gewehr hielt er in der Armbeuge. Dabei warf er kurze 

Blicke auf die Höhenzüge und stellte mit Befriedigung fest, 
daß die beiden Indianergruppen verschwunden waren. 

Jeffords und Jim Walsh kamen aus dem Haus. Ihnen folgten 

die Fahrgäste, schließlich Charles Culver. Der erste Blick der 
Stationsbewohner glitt hinauf zum Plateau und auf die andere 
Schluchtseite. Sie seufzten erleichtert, als sie nur Steine und 
keine Rothäute sahen. 

Die Passagiere indessen wußten nichts von der Gefahr, die zu 

beiden Seiten des Passes lauerte. Gestärkt und erfrischt 
bestiegen sie die enge Kutsche, um es sich bis El Paso so 
bequem wie möglich zu machen. 

Die erste Station, die sie planmäßig anzufahren hatte, war 

Gilbert-Crossing, die zweite Hachita und die dritte Columbus 
in Neu Mexiko. Die Gesamtstrecke betrug 320 Meilen durch 
endlose Wüsten und karstige Gebirge mit tief eingeschnittenen 
Canyons. 

Die Fahrgäste waren eingestiegen. Maritoba schloß den 

Schlag und zog die Treppe ein. Mit einem Grinsen schwang er 
sich auf den Kutschbock, löste die Bremse und nahm die 
Peitsche in die Hand. Die Stagecoach rollte durch das Tor auf 
die Paßstraße. 

Jeffords, Walsh und Charles Culver blickten ihr nach. 

Jeffords hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Er legte 
dem kleineren Culver eine Hand auf die Schulter und sagte 
leise: 

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»Mir ist gar nicht wohl in meiner Haut, Charles. Diese 

Ahnung …« 

»Was soll das?« 
»Ich kann's nicht erklären. Wie – wie von kommendem 

Unheil.« 

»Die Kutsche?« 
Thomas Jeffords zuckte mit den Achseln. 
»Keine Angst, Chef, die kommt schon heil an. Maritoba ist 

der beste Fahrer weit und breit, und Lindford ist mit seinem 
Gewehr auch nicht grade von Pappe.« 

»Hoffentlich«, murmelte Jeffords und ging ins Haus. 
Maritoba-Jones lenkte das schwere Gefährt indessen die 

gewundene Paßstraße hinab. Er hatte keine Eile. Die Strecke 
war abschüssig und kurvenreich. Er mußte sein ganzes 
Geschick aufbieten, das Sechsergespann heil durch die Kehren 
zu bringen. 

Die »Teufelskante« kam in Sicht. Die Paßstraße machte hier 

eine Wendung um fast 180 Grad, beschrieb dann einen 
entgegengesetzten Bogen und führte danach wieder in die alte 
Richtung. 

Hin und wieder zog er die Bremse an, damit die Kutsche 

nicht zuviel Fahrt bekam und ins Schleudern geriet. Lindford 
sah sich alle paar Minuten um und schien dem Frieden nicht so 
ganz zu trauen. 

»Wo sie wohl abgeblieben sind?« quetschte Jones undeutlich 

durch die Zähne. 

»Wer?« 
»Die Redmen, wer denn sonst.« 
»Sie sind noch in der Nähe«, antwortete Lindford und packte 

sein Gewehr fester. »Ich fühl’s in allen meinen alten 
Knochen.« 

»Ja, paß auf. Hinter der ›Teufelskante‹ lege ich einen Zahn 

zu.« 

»Das wird ein tolles Geschrei unter den Fahrgästen geben.« 

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»Ist mir egal, sollen sie getrost schreien. Noch zweihundert 

Yards, Ben. Ich zieh die Kutsche ziemlich nahe an die 
Felswand. Das gibt mir mehr Spielraum, wenn die Hinterräder 
wegrutschen.« 

»Deine Kutsche«, sagte Lindford und warf einen Blick über 

die Schulter. 

»Siehst du was?« fragte Jones. 
»Ja. Eine ganze Menge sogar.« 
»Was, du Trottel?« 
»Rothäute. Mehr als zwanzig.« 
»Meinetwegen hundert«, sagte der Fahrer ungerührt. »Sie 

können auf dem engen Paßweg nicht an uns vorbei, es sei 
denn, die klettern wie Gemsen.« 

Die »Teufelskante« war noch etwa 50 Yards entfernt. Das 

Gespann schoß auf die Kehre zu. 

»Wie weit noch?« wollte Maritoba wissen. 
»Achtzig Pferdelängen. Sie holen auf, Jones.« 
»Knall ein paar aus dem Sattel, das macht sie vorsichtiger.« 
»Geht nicht.« 
»Weshalb nicht? Du bist einer der besten Gewehrschützen, 

die ich kenne.« 

»Geht trotzdem nicht, weil sie auf keinem Sattel sitzen.« 
»Blödmann! Schießt du endlich?« 
Ben Lindford drehte sich auf dem Bock, das Gewehr an der 

Schulter. Bedächtig nahm er Druckpunkt und Ziel. Als er den 
vordersten Krieger genau im Visier hatte, krümmte er den 
Zeigefinger. 

Die Rothaut warf die Arme in die Höhe und fiel vom 

Mustang. Sofort rückte der nächste Krieger an seine Stelle. Ben 
lud nach. Während er die Patrone in die Kammer hebelte, sagte 
er: 

»Du scheinst recht zu haben, Jones.« 
»Womit?« 
»Du nanntest mich einen der besten Schützen, die du kennst. 

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Ich habe einen erwischt.« 

»Gratuliere. Halte dich mal fest, jetzt geht's in die Kehre.« 
Jones zog die Bremse an. Funken stoben unter den Rädern. 

Mit einem Zügelruck lenkte er die Leitpferde in die Kurve. In 
dem Augenblick, wo das Fahrzeug einschwenkte, löste er die 
Bremse und stieß einen gellenden Schrei aus. Hart und laut 
knallte die Peitsche. 

Die sechs Pferde rasten los. In ihrem Rücken ertönte lautes 

Wutgebrüll, aus der Kutsche Schmerzensschreie und Flüche. 
Lindford hob sein Gewehr. Als der Pulk der Rothäute um die 
Kehre preschte, zog er durch und traf einen weiteren Indianer. 

»Gut so«, sagte Jones anerkennend. Er ließ die Peitsche 

knallen und stieß anfeuernde Schreie aus. 

»Sie holen auf«, sagte Lindford. »Kannst du deine 

verdammten Schinder nicht mal ein bißchen unterm Schwanz 
kitzeln?« 

»Puste noch ein paar weg«, antwortete Maritoba-Jones 

bissig. »Wenn sie Verluste hinnehmen müssen, lassen sie 
vielleicht von uns ab.« 

»Vielleicht?« murmelte Ben und riß sein Gewehr an die 

Schulter. Der Schuß krachte, holte einen weiteren Apachen von 
seinem Bronco. 

»Nummer drei«, sagte der Schütze und grinste. 
Er lud nach, hob die Waffe und schoß – vorbei. Lindford 

fluchte wie ein arabischer Wasserträger. 

»Kannst du die verdammte Karre nicht ruhiger fahren?« 
»Schieß besser, dann triffst du auch.« 
Das Gefährt rollte im Höllentempo die Paßstraße hinab. Die 

Angst- und Entsetzensschreie der Passagiere wurden lauter und 
anhaltender. 

»Blöken wie Lämmer, das können sie«, knurrte Maritoba und 

ließ die Peitsche knallen. »Aber keiner denkt daran, sein 
Schießeisen zu benutzen.« 

Der Fahrtwind riß ihm die Worte von den Lippen. Lindford 

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wandte sich ihm zu. Während er sein Gewehr lud, brüllte er: 

»Was hast du gesagt?« 
»Du sollst besser schießen, du Armleuchter!« 
Lindford legte an, nahm lange Ziel, dann drückte er ab. Die 

vierte Rothaut warf die Arme hoch, verschwand im Staub. 

Es half nichts, die heulenden Apachen kamen näher und 

näher. Die Spitze war kaum noch zehn Pferdelängen hinter der 
Kutsche und machte Anstalten, sich auf das Gefährt zu 
schwingen. Für Lindford wurde das Zielen immer schwieriger, 
denn die Talfahrt nahm zu, und die Concord schwankte 
bedenklich. 

Maritoba-Jones kannte die Strecke wie seine Westentasche. 

Das gefährlichste Stück kam erst noch. Eine Viertelmeile, und 
die Paßstraße wurde so eng wie ein Hohlweg. Nur daß man von 
einem Hohlweg kaum reden konnte. Die linke Seite wurde von 
der himmelstürmenden Steilwand begrenzt, die rechte stürzte 
in einen Abgrund von mindestens 150 Fuß. 

Lindford schoß wieder vorbei. Fluchend und murrend lud er 

nach, feuerte erneut. Treffer. Fünf der Angreifer hatte er außer 
Gefecht gesetzt, aber es waren immer noch mehr als genug, die 
Weißen zu überwältigen. Jones hieb auf die Pferde ein. 
Schaumflocken wehten von ihren Mäulern. Die Tiere streckten 
sich wie Katzen, näherten sich der gefährlichen Stelle. Hinter 
der Kutsche waren zwei Apachen ganz dicht herangekommen. 
Der erste Krieger, der überspringen wollte, wurde von Lindford 
erwischt. 

Dem zweiten Mimbrenjo jedoch gelang es, vom Pferd aus 

aufzuspringen und sich am Federbügel festzuhalten. Lindford 
hatte es bemerkt und war sich der Gefahr bewußt, in der sie 
alle schwebten. Mit dem Gewehr jedoch konnte er den toten 
Punkt nicht erreichen. 

Die Straßenenge flog förmlich der dahinrasenden Concord 

entgegen. Neben Lindford tauchte eine berittene Rothaut auf. 
Sie trug Kriegsfarben im Gesicht, die durch den Schweiß 

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verlaufen waren. Er sah schauerlich aus. 

Maritoba entdeckte ihn, als er sein Pony wieder antrieb, um 

vor der Enge aufspringen zu können. Der Apache ritt mit 
keuchendem Pferd näher, ohne hinter sich zu blicken, 
zielstrebig und mordlustig. 

Jones mußte sich auf die Lenkung der schweren Kutsche 

konzentrieren. Wenn er nur jetzt nicht aufspringt, dachte er. 
Nur jetzt nicht. Aber dem Indianer blieb keine andere Wahl. Er 
mußte springen oder mit seinem Pferd in die Tiefe stürzen. 

Die Rothaut sprang mit einem gellenden Schrei. Jones hob 

das Bein in einer einzigen Reflexbewegung und traf die Brust 
des Mannes. Rückwärts verschwand der Mimbrenjo und stürzte 
mit gellendem Schrei in die Tiefe. 

Aber das Unglück war geschehen. Jones verlor die Gewalt 

über das Fahrzeug. Die beiden Führungspferde scherten aus, 
wurden durch harten Zügelruck wieder zurückgerissen. Die 
Kutsche kam vom Weg ab, hing mit dem rechten Hinterrad 
über dem Abgrund, konnte aber noch einmal Boden gewinnen 
und wurde von den galoppierenden Pferden auf die Straße 
gezerrt. Ein Zeitaufschub von wenigen Sekunden, mehr nicht. 

Jones zog die linke Bremse an, um die nach innen weisende 

Fahrtrichtung der Concord zu unterstützen. Es gelang ihm 
nicht. Das linke Hinterrad brach ein, Steine polterten in die 
Tiefe. Die Kutsche sackte ab. Die Hinterachse brach, das rechte 
Hinterrad zersplitterte, die Deichsel stellte sich hoch und nahm 
den Pferden jeglichen Bewegungsraum. Jones rief: 

»Abspringen, Ben!« 
Der konnte nicht. Neben ihm gähnte der Abgrund. Maritoba-

Jones hatte noch Gelegenheit, vom Bock zu springen. Als er 
sich aufrichtete, traf ihn ein Pfeil in den Rücken und warf ihn 
vorwärts in das Gestänge. 

Der gemischte Klang von brechendem Holz, Angstgeschrei 

und wilden Kriegsrufen der Apachen drang durch den Paß. Die 
Kutsche kippte nach rechts. Gewachsener Stein am 

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Schluchtrand brach und sauste nach unten. 

Ihm folgte die Kutsche, riß Menschen und Pferde mit in die 

Schlucht. Sie schlug mehrmals auf, zersplitterte. Die Schreie in 
der Schlucht verstummten. 

Der volle Mond hing wie ein gelber Ballon über dem Gebirge 
und beschien eine malerische Szene, die vermutlich noch kein 
Auge eines Weißen erblickt hatte. 

Im Canyon brannten mehr als zehn große Holzstöße und 

beleuchteten die Wände bis hoch hinauf zu den 
Schluchträndern. Krieger und Frauen liefen hin und her. An 
kleineren Feuern wurden Festbraten hergerichtet. Junge 
Krieger, die noch keinen Namen hatten, drehten die Spieße. 

Zwischen den Jacales innerhalb des Schutzwalles saßen 

Cochise, sein Sohn Naiche, Yuh, der Häuptling der Nedni-
Apachen, und Nahlekadeya. Ältere Krieger mit Rang und 
Namen gesellten sich dazu. 

Es wurde gegessen, getrunken und gescherzt. Man rief 

Cochise im Vorbeigehen freundliche Worte zu, die sich auf 
seine bevorstehende Vermählung mit der jungen und schönen 
Frau bezogen. Nahlekadeya hatte sich festlich geschmückt, ein 
rehledernes gebleichtes Kleid angezogen, ihr schwarzes Haar 
hochgebunden und Blumen eingeflochten. 

Nahlekadeya saß mit ihrem Vater Cochise gegenüber. Über 

das Feuer hinweg warfen sie sich Blicke zu, die Yuh mit einem 
zufriedenen Grunzen quittierte. 

Yadalanh und Giannatah, Cochises Neffen, traten heran und 

setzten sich auf die freigehaltenen Plätze beim Feuer. Nach 
einer Weile, als der Festschmaus gerade anfing, kam Naretana 
mit seiner Squaw und nahm neben seinem Bruder Platz. 

Man trank Tizwin an allen Feuern, und man wurde von 

Stunde zu Stunde immer ausgelassener. Mächtige Krüge 

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machten die Runde, tönerne Schalen wurden gefüllt, 
Holzbretter mit gebratenem Fleisch gereicht. Dazu aß man 
Wildgemüse und gekochten Mais. 

Am Feuer des Jefe ging es ruhiger zu. Cochise trank nie, sein 

Sohn ebenfalls nicht. Die übrigen männlichen Verwandten 
beschieden sich mit geringen Mengen des starken Getränks. 
Frauen bekamen so gut wie nie Alkohol. Das Trinken starker 
geistiger Getränke war Männersache. 

Cochise sah sich um. Nirgendwo entdeckte er Tla-ina. Nach 

ein paar Worten mit Naiche stand er auf und ging zum Feuer 
der Frauen. Unter den Squaws befand sich das Mädchen auch 
nicht. Cochise suchte Feuer für Feuer ab, ging bis zum letzten 
hinüber bei der Quelle. 

Tla-ina war nicht zu seinem Hochzeitsfest gekommen. Mit 

gesenktem Kopf ging Cochise zurück. Als er an seinem Jacale 
vorbeikam, hörte er gedämpftes Schluchzen. Er trat ein. 

Tla-ina saß auf ihrem Lager und hielt das Gesicht in die 

Hände vergraben. Tränen rannen. Das Mädchen weinte 
bitterlich. Cochise setzte sich neben sie und legte einen Arm 
um ihre Schultern. Beruhigend sprach er auf sie ein. 

»Was ist es, das Tla-ina so traurig stimmt? Meine Hochzeit 

mit Nahlekadeya?« 

Sie schüttelte den Kopf, gab keine Antwort. 
»Ist es der weiße Mann, der sich Haggerty nennt?« 
Das Kopfschütteln blieb aus, dafür rannen die Tränen 

reichlicher. 

»Liebst du ihn?« 
»Sehr, mein Bruder.« 
»Du würdest seine Squaw werden?« 
Ein kurzes Nicken. »Wenn du es erlaubst, Jefe?« 
Cochise holte tief Luft. Er kannte die Probleme, die ein 

Weißer bekam, wenn er sich eine rote Frau nahm. Squaw-Man 
nannten sie solche Bleichgesichter. Cochise wußte, daß ein 
Weißer gesellschaftlich und manchmal auch finanziell ruiniert 

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war, sobald er sich mit einer Indianerin einließ. 

Viele Trapper lebten mit einer oder mehreren roten Frauen. 

Das wußte der Jefe. Aber diese Männer hausten schon immer 
in den Bergen und sehnten sich nicht wieder nach den 
Ansiedlungen. Sie störten sich nicht an Klatsch und Mißgunst. 
Einmal im Jahr verkauften sie ihre Felle an die Aufkäufer, 
deckten sich dabei mit Proviant, Pulver und Blei ein und 
verschwanden wieder. 

Aber ein Scout der Armee konnte das nicht, das wußte 

Cochise. Außerdem dachte er an die rassischen Probleme. 
Kinder aus solchen Mischehen nannten die Weißen Bastarde. 
Sie wurden verachtet, beschimpft und manchmal sogar aus den 
Städten verjagt. Mit Mestizen oder Mulatten wollten die 
hochnäsigen weißen Männer nichts zu tun haben, ihre Frauen 
auch nicht. 

»Weißt du überhaupt, ob der ›Falke‹ dich haben will?« 
›Sanfter Wind‹ schüttelte den Kopf. »Darüber redeten wir 

nicht.« 

»Worüber denn?« 
»Er versprach, wiederzukommen.« 
»Der Scout war einmal in unserem Lager. Hast du nicht mit 

ihm gesprochen?« 

»Nein. Er war damals so seltsam, Jefe, ich weiß nicht …« 
»Willst du, daß ich ihn herbitte?« 
Tla-ina hob ihr tränennasses Gesicht, lächelte verkrampft. 
»Wenn du das tun willst …«, flüsterte sie. 
»Komm mit zum Feuer«, sagte er leise. »Freue dich an 

meiner Freude und begrüße Nahlekadeya. Iß und trinke mit 
uns, sei fröhlich und warte. Ich hole den ›Falken‹ in unser 
Lager.« 

Tla-ina erhob sich. Ihre Augen strahlten. 
»Ich danke dir, Cochise.« 
Am Feuer wurden sie bereits vermißt. Aller Augen richteten 

sich auf sie. Inzwischen hatte der Mond seinen höchsten Stand 

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erreicht. Der Zeitpunkt für die Vermählungszeremonie war 
gekommen. 

Als sie nebeneinander Platz genommen hatten, erhob sich 

Yuh. Seine ausgebreiteten Arme geboten Ruhe. Weithin hallte 
seine Stimme: 

»Der Bruder der Sonne ist mein Zeuge, die Sterne werden in 

Ewigkeit bezeugen, und die Mutter allen Lebens, die Sonne, 
wird das Zeugnis ihres Bruders, des Mondes, bestätigen: 
Nahlekadeya, meine Tochter, wird dem Jefe der Chiricahuas in 
seine Hütte folgen und seine Squaw sein. Sie wird sein Mahl 
herrichten, sein Bett wärmen und seine Kinder großziehen. 
Von nun an sind die Stämme der Chiricahuas und Nednis durch 
Blutsbande so eng verknüpft, daß sie wie ein einziges großes 
Volk wirken. Sonne, Mond und Sterne sind meine Zeugen. Der 
Große Geist möge diesen Bund zwischen Krieger und Squaw 
besiegeln und segnen. How!« 

Cochise stand auf und streckte seinen imposanten Körper 

dem Mond entgegen. 

»Der Bund zwischen Nednis und Chiricahuas ist besiegelt. 

Deine Feinde, Yuh, sind meine Feinde, meine Freunde sind 
auch deine Freunde. Der Große Geist möge uns schützen und 
unsere Frauen fruchtbar bleiben lassen.« 

Er setzte sich wieder. Cochise hatte nicht nur eine Frau 

bekommen, sondern einen Bund mit einem anderen Stamm 
besiegelt, den er fest in seine Pläne einbeziehen konnte. 

In einer Schlucht der Galiuro Mountains trafen sich zehn 
Krieger. Fünf kamen von Süden, die anderen von Norden. 
Vorweg ritten die beiden Anführer. 

Victorio hob die Hand zum Gruß und stieg vom Pony. 

Santana tat dasselbe und befahl seinen Tontos, sich ein paar 
Schritte zurückzuziehen. Auch die Mimbrenjo-Gruppe saß ab. 

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Die Krieger hielten die Pferde beim Zügel und harrten der 
Dinge, die sie mit Spannung erwarteten. 

Die zwei Häuptlinge setzten sich mit untergeschlagenen 

Beinen auf den Boden und starrten sich an. Sie kannten sich, 
trotzdem blieben sie zurückhaltend. 

Beide waren mit dem gleichen Interesse und mit den 

gleichen Hoffnungen und Erwartungen aufgebrochen. Santana 
war älter als Victorio. Ein schlauer Häuptling, der sich bei allen 
seinen kriegerischen Handlungen gegen die Weißen nicht nur 
vom Kampfgeist leiten ließ. Victorio dagegen war anders. Wild 
und ungebändigt überfiel er alles, was eine weiße Haut hatte. 
Er scheute sich nicht, auch größere Gruppen anzugreifen, wenn 
er sich gute Beute und Skalps versprach. 

»Du hast meinen Boten freundlich empfangen und mich 

wissen lassen, daß du bereit bist, mit mir zu verhandeln.« 
Victorio machte eine Pause, fuhr dann fort: »Immer mehr 
Bleichgesichter dringen in unser Land ein. Mit jedem Weißen, 
der den Boden aufgräbt oder gefleckte Büffel züchtet, wird 
unser Lebensraum kleiner. Wir finden kaum noch Wild in den 
Bergen, um uns zu ernähren. Ein Krieger kann nicht allein vom 
Mais leben, er braucht Fleisch, um seine Kräfte zu erhalten. 
Findet Santana noch genügend Fleisch in seinem Gebiet?« 

»Wir finden nicht genügend Wild, um unsere Kinder und 

Squaws zu ernähren. Du hast recht, Victorio, Mais ist nichts für 
Krieger. Wie willst du die Weißen vertreiben?« 

»Ich werde Krieg führen, bis das letzte Bleichgesicht 

entweder getötet ist oder das Land meiner Jagdgründe 
verlassen hat. Krieg!« 

»Die Apachen führten immer Krieg, Victorio, trotzdem 

wurden sie aus ihren angestammten Jagdgründen verdrängt und 
in die Berge getrieben. Wie willst du Krieg führen?« 

»Die Mimbrenjos werden die Bleichgesichter töten, wo sie 

sie antreffen. Wir werden ihre Häuser überfallen und alles 
zerstören und verbrennen. Schwarze Wolken werden über das 

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Land ziehen und den Bleichgesichtern verkünden, daß die 
Apachen einen weiteren Sieg errungen haben. Zuerst müssen 
ihre festen Häuser vernichtet werden und die Krieger in den 
blauen Uniformen. Kein Langmesser darf lebend unsere 
Jagdgründe verlassen. Wenn wir das erreicht haben, werden sie 
es aus Angst nicht mehr wagen, in unser Land einzudringen.« 

»Und was sollen die Tontos dazu tun?« 
»Santana ist ein tapferer Krieger und weiß, wie groß die 

Beute sein wird, die wir machen. Waffen, Lebensmittel, 
Pferde, Maulesel… Was kann ein Krieger noch mehr 
verlangen?« 

»Nichts.« Santanas Augen funkelten. Victorio wußte, daß er 

ihn überredet hatte. Er fuhr fort: 

»Mimbrenjos und Tontos zusammen werden eine große 

Schar sein, die keine weiße Truppe zu fürchten braucht. Auch 
die Pferdesoldaten werden uns nichts anhaben können, wenn 
wir sie geschlossen angreifen und ihre Gruppen einzeln 
vernichten. Das Blut der Weißen wird den Boden tränken und 
die Flüsse und Bäche rot färben. Nichts wird die Apachen 
aufhalten können.« 

»Werden die Aravaipa-Apachen und die White-Mountain-

Apachen unserem Siegeszug folgen?« 

Victorios Gesicht verdüsterte sich. 
»Eskaminzin und Alchesay halten zu Cochise. Sie warten ab, 

was die Chiricahuas unternehmen. Chato, Nana und Loco sind 
auf meiner Seite.« 

Santana schüttelte voller Bedenken den Kopf. 
»Nana ist alt. Hast du das bedacht, Victorio?« 
»Aber ein großer und weitsichtiger Krieger. Aus den Reihen 

der Mimbrenjos rückt ein Mann immer weiter nach vorn. Ein 
junger Krieger, der viele Apachen aus allen Stämmen um sich 
geschart hat. Du kennst Goghlayeh?« 

»Ich kenne ihn. Ein starker Krieger, der die Bleichgesichter 

ebenso haßt wie die Gelbhäutigen. Was ist mit ihm?« 

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»Er schließt sich mit unseren Kriegern nicht zusammen, 

kämpft aber verstärkt gegen die weißen Eindringlinge. Seine 
Überfälle werden sie von uns ablenken. Während wir an einer 
anderen Stelle zuschlagen, kämpft Goghlayeh weit von uns 
entfernt und zieht die Pferdesoldaten auf sich.« 

»Das klingt gut«, murmelte Santana. »Cochise war bei 

Yemaspi, dem Mescalero. Was hat er dort gewollt?« 

Victorio hob beide Hände und streckte sie dem Tonto 

entgegen. Das hieß soviel wie: ich weiß es nicht. Santana 
nestelte sein Kalumet vom Hals und stopfte Tabak in den 
Pfeifenkopf. Umständlich zündete er den Tabak an. Als die 
Pfeife brannte, stieß er den Rauch in alle vier 
Himmelsrichtungen, zum Boden und zum Himmel. 

»Victorio hat mich überzeugt. Die Krieger der Tontos 

begeben sich auf den Kriegspfad und kämpfen mit den 
Mimbrenjos zusammen gegen die Bleichgesichter. Wir werden 
viele Skalps erbeuten. How!« 

Victorio nahm die Pfeife entgegen und wiederholte das 

Zeremoniell. 

»Tontos und Mimbrenjos werden zusammen unbezwingbar 

sein und die Weißen aus ihren Jagdgründen vertreiben. How!« 

Das Bündnis war damit besiegelt. Die Häuptlinge reichten 

sich die Hände, schwangen sich auf ihre Mustangs und ritten in 
entgegengesetzten Richtungen davon. 

Nach der Vermählungsfeier zog sich Cochise mit seiner jungen 
Frau in den eigens für ihn erbauten Jacale zurück. Spät in der 
Nacht wurden die Lagergeräusche leiser und verstummten 
schließlich. 

Fast alle Krieger beider Stämme hatten so viel Tizwin 

getrunken, daß sie nur noch torkelnd ihre Behausungen 
erreichen konnten. Nur Yuh schlief nicht. Ihn quälten düstere 

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Gedanken. Sein Volk lebte in der sonorischen Wüste und 
konnte sich nur ernähren, wenn es sich ganz dem Land 
anpaßte, das so karg und wasserlos war wie keine andere 
Wüste. 

Durch Cochises Heirat war er als Brautvater mit dem Jefe der 

Chiricahuas eng verbunden. Das bedeutete, daß er seinem 
Schwiegersohn Krieger stellen mußte, wenn Cochise es 
verlangte. Männer aber waren knapp bei den Nednis. Ständige 
Kämpfe mit den Mexikanern und den Yaquis hatte seine 
Streitmacht sehr geschwächt und den Stamm fast 
lebensuntüchtig gemacht. 

Er mußte bei Cochise zu erreichen versuchen, daß die Yaquis 

und andere Gebirgsstämme der Sierra Madre von ihren 
Kriegszügen auf den Wüstenstamm abließen. Gleich am 
nächsten Tag wollte er einen erneuten Vorstoß wagen, 
nachdem Cochise vor zwei Monaten an der Tinaja in der Gran 
Desierto seine leise Anspielung überhört hatte. 

Yuh wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen. Ein Pferd kam 

über die Rampe in den Canyon. Es wurde heftig getrieben, und 
sein Keuchen war weithin zu hören. Ein Krieger trat aus der 
Dunkelheit und ging dem Reiter entgegen. 

Chan-ank war ein sehr alter Mann. Er brauchte nicht mehr 

viel Schlaf. Er ging dem Späher entgegen, blieb vor dessen 
Pferd stehen und breitete die Arme aus. 

»Du bist schnell geritten, Bruder«, sagte er. »Das muß einen 

Grund haben.« 

Der Krieger sprang von seinem Pony, das mit gesenktem 

Kopf und gespreizten Vorderbeinen in der Nacht stand und 
prustete. 

»Ich erstatte Cochise Bericht«, sagte der Mann. »Geh aus 

dem Weg, Alter!« 

»Cochise schläft. Weißt du nicht, daß wir heute das Fest 

seiner Vermählung feierten?« 

»Ich weiß es«, antwortete der Krieger. »Ich muß ihn 

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trotzdem sprechen, es ist wichtig.« 

»Sage es mir und ziehe dich dann in den Jacale der Krieger 

zurück. Dort findest du Fleisch und Tizwin.« 

Die Augen des Kriegers leuchteten. 
»Ich werde dir alles sagen, Chan-ank. Du darfst aber nicht 

vergessen, es dem Häuptling zu berichten.« 

»Ein alter Mann wie ich vergißt nie etwas. Rede!« 
»Mimbrenjos griffen beim Apache-Paß eine Kutsche der 

Weißen an und stürzte sie in den Canyon. Alle Bleichgesichter 
und die Pferde sind tot. Cochise will, daß er alles erfährt, was 
auf dem Land der Chiricahuas passiert. Vergiß es nicht, alter 
Mann!« 

Er zog seinen Mustang hinter sich her und verschwand in der 

Dunkelheit. Yuh hatte jedes Wort verstanden und machte sich 
Gedanken über den Vorfall. Cochise würde nicht dulden, daß 
ein anderer Stamm in seinen Jagdgründen Weiße tötete, denn 
die konnten Indianer nicht voneinander unterscheiden und 
würden den Überfall Cochise in die Schuhe schieben. 

Er stand auf, ging zu Chan-ank und fragte ihn: 
»Ich habe alles gehört, Bruder, jedes Wort. Was, sage mir, 

wird Cochise jetzt tun?« 

»Es wird Krieg geben«, erwiderte der alte Mann. »Die 

Pferdesoldaten dulden nicht, daß Weißen auch nur ein Haar 
gekrümmt wird. Die Pferdesoldaten und die anderen 
Bleichgesichter halten mehr zusammen als die Apachen. Sie 
werden über unsere Sippen herfallen und Männer, Frauen und 
Kinder töten. Es wird ein schrecklicher Krieg werden, Yuh.« 

»Wirst du gleich morgen früh mit dem Jefe sprechen?« 
»Es wird ihn nicht sehr freuen, aber mir bleibt keine andere 

Wahl.« 

»Tu's, Chan-ank, und der Jefe wird dir wohlgesonnen sein. 

Deine Fleischtöpfe werden sich füllen aus der Beute, die die 
Chiricahuas machen, und wenn der Mais geerntet wird, erhältst 
du deinen Anteil wie jeder Krieger.« 

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Chan-ank nickte, löste sich von dem Nedni und verschwand 

in der Nacht. Yuh betrat den Jacale, den man den Gästen aus 
der Wüste zur Verfügung gestellt hatte, und legte sich schlafen. 

Die Hitze war unerträglich. Im Zeitlupentempo schob sich die 
Sonne über den wolkenfreien Himmel. Sie schien die Erde 
unter sich zu Staub und Asche verbrennen zu wollen. 

Curt Miller fluchte und wischte sich ständig den Schweiß aus 

der Stirn. Haggerty fluchte nicht minder laut, schob den 
Feldhut in den Nacken und ließ sein Gesicht von dem 
schwachen Wind, der vom Gebirge herabwehte, fächeln. 

»Noch drei Meilen, Curt«, sagte er. »Drei winzige Meilen.« 
»Drei tödliche Meilen«, brummte Miller, hakte die Flasche 

vom Sattelhorn, trank einen Schluck und befestigte sie wieder. 

Mit jedem Schritt näherten die Pferde sich dem Gebirge. Die 

Wüste lag hinter den Scouts. Eine Wüste, die sie nie in ihrem 
Leben betreten hatten. 

Der Gebirgsstock vor ihnen ließ nicht erkennen, ob sie in 

seinen Schluchten Wasser finden würden. Das Land zwischen 
dem Rio Grande und dem Pecos River war ihnen so unbekannt 
wie der Mond. 

»Erkennst du überhaupt die Spur noch?« 
»Klar«, sagte John Haggerty. »Sie liegt so deutlich vor mir, 

daß ein blinder Indianer ihr mit einem Stecken folgen könnte. 
Es kann nicht mehr weit sein.« 

»Ich habe immer geglaubt, die Mescaleros würden am Ufer 

des Rio Penasco leben. Da scheine ich mich gründlich geirrt zu 
haben.« 

»Durchaus nicht. Die Berge vor uns sind die Sacramento 

Mountains; Der Rio Penasco entspringt in diesen Bergen. 
Sobald wir in die Canyons eindringen, müssen wir höllisch 
aufpassen. Cochise kennt uns beide sehr genau. Wenn wir auf 

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ihn stoßen, kann das Schwierigkeiten geben.« 

»Will er denn überhaupt zu den Mescaleros?« 
»Ganz bestimmt. Wo soll er sonst hin wollen? Bestimmt 

nicht zu den Comanchen oder zu den Kiowas.« 

»Trotzdem bleibt es eine verrückte Idee, so weit nach Osten 

zu reiten.« 

»General Howard weiß, was er will. Wenn er erfahren 

möchte, was Cochise so weit im Osten zu suchen hat, so sind 
seine Bedenken begründet. Ich sage dir, Curt, der Jefe reitet zu 
den Mescaleros.« 

Wind kam auf und brachte den Reitern und den Pferden 

etwas Kühlung. John blickte sich um. Die Sonne brannte noch 
unerbittlich. Kein Wölkchen war zu sehen. Weit draußen in der 
Wüste wirbelten Windhosen und schleuderten Sand empor. 

»Zwei Meilen nur noch«, murmelte er und wandte seine 

Aufmerksamkeit wieder der Fährte zu. »Drei oder vier Tage 
alt. Wenn er zwei Tage für Verhandlungen braucht, ist er jetzt 
schon wieder auf dem Rückweg. Ich kann mir nicht denken, 
daß Cochise auf seiner eigenen Spur zurückreitet. Für so dumm 
halte ich ihn nicht. Nach Norden kann er aber nicht 
ausweichen, nach Süden auch nicht. Irgendwo hier in der Nähe 
muß er mit seinen Kriegern vorbeikommen. Suchen wir uns 
einen Aussichtspunkt.« 

»Weshalb kann er nicht nach Süden ausweichen?« fragte 

Curt Miller. »Das ganze Land steht ihm doch offen.« 

»Nicht einem Chiricahua«, entgegnete Haggerty. »Dort oben 

im Gebirge leben neben den Mescaleros die Poncas, Caddos 
und Arapahoes. Sie sind den Chiricahuas nicht ganz grün. Im 
Süden erwarten ihn die Kiowas und Comanchen. Diesen Weg 
kann er ebenfalls nicht riskieren.« 

»Zum Teufel, bewegen wir uns denn in einem 

menschenleeren Raum?« 

»Unsinn! Ich möchte nicht wissen, wie viele Augen uns 

beobachten. In diesem Land kann keine Maus ungesehen über 

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den Boden huschen. Sieh dort hinauf, Curt, weiter rechts, ja, 
da.« 

Miller warf einen langen Blick auf die Klippe, die sich als 

einzelner Fels aus dem Wüstenboden erhob. Er sah nichts. 

»Ich wäre dir dankbar, wenn du mir die Stelle genau zeigtest, 

wo du was siehst.« 

»Die Klippe … Hast du? Okay, jetzt mit den Augen nach 

rechts bis zu dem Busch, der, weiß Gott wie, dort 
hinaufgekommen ist. Hast du?« 

»Den Busch? Ja. Aber sonst sehe ich nichts.« 
»Warte eine Weile. Der Kerl macht sich nur unsichtbar.« 
Kurz darauf blitzte es dort oben kurz. Das Funkeln 

verschwand wieder, tauchte noch einmal auf und blieb dann 
ganz fort. 

»Rothaut?« fragte Miller knapp. 
»Wer sonst? Wenn es sich um keinen Mescalero handelt, 

dann bestimmt um einen Caddo.« 

»Woher weißt du das alles, John? Warst du schon einmal in 

dieser Gegend?« 

»Nie. Du mußt öfter mal in die militärischen Handbücher 

schauen und nachlesen, was und wer in einem bestimmten 
Landesteil lebt. Glotz nicht so rauf. Der Kerl sieht dich und 
weiß, daß wir ihn bemerkt haben.« 

»Soll er's nicht wissen?« 
»Nicht unbedingt. Es kann ein Späher von Cochise sein.« 
»Du denkst an alles. Auch aus dem Handbuch?« 
»Nein, von hier.« Haggerty tippte sich an den Kopf. 
»Ach, von da?« 
»Genau. Wenn du in diesem Land deinen Grips nicht ein 

wenig anstrengst, scheint dir bald die Sonne ins… Verdammt, 
unsere Pferde straucheln.« 

Die enge Schlucht nahm sie auf. Je tiefer sie hineinritten, 

desto kühler wurde es. Halbdämmerung herrschte hier. 

Curts Falbe spitzte die Ohren und sog hörbar die Luft durch 

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die Nüstern. Beide Pferde wechselten ohne Aufforderung die 
Richtung und bewegten ihre Hufe. Ein breites Gebüsch lag vor 
ihnen. Kakteen und Blattpflanzen wuchsen neben Korkeichen. 

»Scheint dort Wasser zu geben«, murmelte Haggerty. 

»Vorsichtig; Amigo. Wo es Wasser gibt, sind auch gewöhnlich 
Apachen.« 

Die beiden durstigen Tiere durchbrachen das verfilzte 

Dickicht – und standen mit den Vorderbeinen im Wasser. Aus 
einer Quelle floß Wasser in eine Tinaja und machte aus dem 
Wüstenboden ein Sumpfgelände. Die beiden Scouts schwangen 
sich von den Pferden und nahmen ihnen die Sättel ab. 

Miller kniete bereits am Beckenrand und wusch sich Gesicht 

und Hände. Schließlich spülte er sich den Mund aus und trank 
ein paar Schlucke. Das Wasser schmeckte gut und war 
erfrischend. John folgte seinem Beispiel, füllte dann die 
Wasserflaschen und die Schläuche für die Pferde. 

»Wie wär's mit 'ner Siesta und einem kleinen Feuerchen, 

John?« 

»Kein Feuer, Junge. Du kennst doch Apachennasen. Die 

riechen Rauch auf eine ganze Meile.« 

Die Pferde kamen aus dem Tümpel und grasten. Haggerty 

schleppte die Satteltaschen und den Proviantsack herbei. Er 
setzte sich an den Rand der Tinaja. Miller hockte sich neben 
ihn. Ein schwaches Geräusch störte John. Er legte den Finger 
auf die Lippen und blinzelte zu Curt hinüber. 

»Ist was?« 
»Aufpassen!« 
»Worauf?« 
Haggerty machte eine Kopfbewegung zu den Büschen. Curt 

nickte, grinste, ließ sich auf den Boden sinken und kroch wie 
eine Schlange auf allen vieren in das Gestrüpp. Vorsichtig bog 
er die Zweige zur Seite und spähte durch die Lücke. 
Unerwartet legte er sich auf die Seite und lachte laut. 

»Ich zahle gut, wenn ich zuschauen darf«, sagte Haggerty 

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laut. Er konnte sich denken, daß vor dem Grüngürtel keine 
Apachen lauerten. 

»Du kannst das Vergnügen umsonst haben«, rief Miller 

zurück. »Nur ein Gaul, der deine empfindsame Seele gestört 
hat.« 

Haggerty erhob sich und ging hin. Tatsächlich ein Pferd. Das 

Indianerpony rupfte Blätter ab und ließ sich durch die 
Anwesenheit der Weißen und der anderen Pferde nicht stören. 

»Verdammt und zugenäht, welcher Rothaut ist der Schinder 

durchgegangen?« sagte Curt und grinste. 

»Das läßt sich doch denken, oder?« 
»Nun aber mal halblang. Wenn du die Weisheit schon mit 

der Kelle gefressen hast, so kannst du mir doch ein bißchen 
davon abgeben, oder nicht? Tu nie mehr so klug, wenn dir 
deine Gesundheit etwas wert ist.« 

John Haggerty lachte schallend. Er wußte genau, daß sein 

Freund es im Scherz gemeint hatte. 

»An deiner Stelle würde ich den Gaul mal fragen, zu wem er 

gehört.« 

»Keine schlechte Idee, John. Schreiten wir zur Tat.« 
Er drängte sich durch das Gebüsch und wollte nach dem 

Pony greifen. Es drehte sich gelassen herum und lief weg. 

»Bleib stehen«, brummte der Scout und lief dem Tier nach. 

Aber bald verlor er es aus den Augen. 

Er machte kehrt und ging zurück. 
»Ist das nicht sonderbar?« fragte er Haggerty. 
»Was?« 
»Ein Pferd in dieser Wüstenei und kein Bedürfnis nach 

Wasser.« 

»Wahrscheinlich hat es dort, wo es herkommt, genügend 

davon. Der Indianer wird es regelmäßig getränkt haben.« 

»Nun gut, wie immer machst du es wieder einmal spannend. 

Welcher Indianer?« 

»Der Späher natürlich. Wenn mich nicht alles täuscht, steckt 

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er irgendwo in der Nähe und beobachtet uns.« 

»Okay, gehen wir auf die Jagd.« 
»Nein, laß ihn in Ruhe. Ich vermute, daß er zu Cochise 

gehört. Du bleibst beim Wasser und gibst auf die Pferde acht, 
während ich mich nach dem Aussichtsfelsen umsehe.« 

»Und wenn ich angegriffen werde?« 
»Wehrst du dich, klar. Ich glaube aber, du machst dir unnötig 

Gedanken. Jetzt verschwinde ich. Gib auf die Gäule acht, 
Amigo.« 

Cochise erfuhr am frühen Morgen von dem Überfall auf die 
Stagecoach und machte sich große Sorgen. Tote am Paß. Das 
ließen sich die Weißen bestimmt nicht gefallen. Unruhig ging 
er im Lager auf und ab und dachte nach. Wenn es ihm nicht 
gelang, den weißen Häuptling von seiner Friedfertigkeit zu 
überzeugen, sah es für den Frieden an der Grenze schlecht aus. 
Rechtzeitig genug fiel ihm ein, daß es Thomas Jeffords' 
Problem war und nicht das des Generals, aber Jeffords war 
schwer zu überzeugen, das wußte er. 

Er sah seinen Aufbruch zu den Navahos gestört, wollte sich 

dies aber nicht eingestehen. Der Stamm im Norden Arizonas 
war das letzte Glied in seiner Weltanschauung, den Frieden 
durch Demonstration der Macht erhalten zu können. 

Blitzartig entschloß er sich, am Abend zu reiten. Eile war 

unbedingt geboten. Auf dem Rückweg von den Mescaleros 
hatten ihm seine Späher berichtet, daß zwei weiße Scouts 
seinen Zug verfolgt hatten. 

Wer die Männer waren, wußte er, und in wessen Auftrag sie 

handelten, wußte er ebenfalls. General Howard traute ihm nicht 
so ganz, aber das war sein gutes Recht. Cochise lächelte vor 
sich hin. Das Lächeln verging ihm jedoch, wenn er an Thomas 
Jeffords dachte, den Postmeister. 

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Sie waren so etwas wie Freunde und mochten sich 

gegenseitig gut leiden. Dieses Verhältnis wurde durch den 
Überfall der Mimbrenjos gestört. Cochise entschloß sich, auf 
dem Rückweg vom Canyon de Chelly über den Paß zu reiten 
und mit Jeffords zu sprechen. 

Gelang es ihm, die Navahos auf seine Seite zu ziehen, tat er 

mehr für den Frieden als jeder andere Mann jener Zeit. 
Ungestüm wandte er sich um und gab einem in der Nähe 
stehenden Krieger den Befehl zum Abritt. 

Bereits vor Tagen hatte er sich entschlossen, nur mit seinen 

engsten Vertrauten nach Norden zu reiten, um den Navahos 
keinen Grund zu kriegerischen Handlungen zu geben. 

Aus dem hinteren Canyonteil kamen Nachise, Giannatah und 

Nahaye mit ihren Ponys. Im weiten Abstand folgte Naiche. 
Cochise lächelte, als er seinen jüngsten Sohn mit dem großen 
Pferd am Zügel sah. Der Knirps reichte ihm die Zügel und 
machte ein mürrisches Gesicht. 

»Was fehlt dir?« fragte Cochise. »Bist du krank?« 
Nachise nickte, legte seine rechte Hand aufs Herz und 

antwortete: 

»Sehr krank, Vater: Ich bin ein Krieger und muß in der 

Obhut von Weibern bleiben, während du auf dem Kriegspfad 
bist.« 

»Wer hält deine Hand über dich, mein Sohn?« 
»Tla-ina.« 
Cochise lächelte. »Das ist gut so, Nachise. Für den 

Kriegspfad bist du noch ein wenig zu jung. Meinst du nicht 
auch?« 

Naiche kam heran, nahm den kleinen Bruder einfach an der 

Hand und führte ihn in den Jacale der ledigen Frauen, übergab 
ihn Tla-ina. Als er zu dem Trupp zurückkehrte, saßen sie alle 
bereits auf den Pferden und warteten auf ihn. 

Langsam ritten sie aus dem Tal zur Rampe. Über der Mesa 

glühte die Sonne. Cochise schlug die Richtung nach Norden 

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ein und entfernte sich vom Apache-Paß. Am Abend sah er weit 
im Westen Fort Buchanan und wich noch weiter nach Osten 
aus, um nicht zufällig einer Patrouille in den Weg zu laufen. 

Der Canyon führte zur Ebene und ging in Wüste über. Ohne 

Rast ritten die Chiricahuas die ganze Nacht hindurch und 
rasteten erst am Morgen, um ihren ermüdeten Pferden Ruhe zu 
gönnen. 

Ein seltsamer Zufall wollte es, daß Cochise in dieser Nacht 

an John Haggerty und Curt Miller vorbeiritt, ohne daß sich 
beide Gruppen bemerkten. Auch den Tag darauf sahen die 
Chiricahuas niemanden. Sichteten sie eine Staubfahne am 
Horizont, machten sie notfalls weite Umwege, um nicht 
entdeckt zu werden. 

Am vierten Tag waren sie schon weit nördlich des Gila, den 

sie an einer seichten Stelle durchwatet hatten. Auf ihrem Weg 
zum Canyon de Chelly sahen sie Ranch an Ranch, 
Farmgebäude und große Herden, die unbewacht auf der Ebene 
grasten. 

Naiche wollte eine Kuh abschießen, aber Cochise verbot es. 

Der Verdacht wäre sofort auf Indianer gefallen, denn kein 
Weißer tötete ein Rind, um sich einen Braten aus dem Fleisch 
zu schneiden und den Rest liegenzulassen. Nach zwei Wochen 
sahen sie im Norden und Westen das zerklüftete braune 
Felsgebirge, durch das sich der Colorado vor Urzeiten seinen 
Weg zum Golf von Kalifornien gebahnt hatte. 

Cochise hatte es geschafft und würde in zwei Tagen im 

Canyon de Chelly sein und versuchen, Wakonda, den Navaho-
Häuptling, für seine Pläne zu gewinnen. 

Es war bereits dunkel, als Haggerty zum Wasser zurückkam 
und auf Millers Frage hin den Kopf schüttelte. 

»Nichts zu sehen, Curt. Wir müssen ihn verpaßt haben, oder 

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er ist doch einen anderen Weg geritten. So kann man sich 
irren.« 

»Irren ist menschlich, sprach der Hahn und … Was nun? 

Reiten wir zurück?« 

»Bleibt uns nichts anderes übrig. General Howard erwartet 

einen ausführlichen Bericht über Cochises seltsamen Zug nach 
Osten. Wir wollen ihn nicht enttäuschen und uns morgen früh 
auf die Socken machen.« 

»Hast du was von dem Späher bemerkt?« 
»Nichts. Einen Apachen-Späher sieht man nur, wenn er 

wirklich gesehen werden will. Auch das Pony ist nicht mehr in 
der Landschaft. Das könnte bedeuten, daß der rote Kerl sich 
heimlich aus dem Staub gemacht hat.« 

»Hört sich gut an«, sagte Curt. »Da würde einem kleinen 

Kochfeuerchen nichts mehr im Wege stehen, oder?« 

»Nein. Ein warmes Essen kann auf keinen Fall schaden. 

Kochst du?« 

»Wenn du keine Angst hast, dich zu vergiften, will ich's 

riskieren und ein Menü zusammenstellen, von dem unsere 
Ahnen noch sprechen werden.« 

»Gib nicht so an. Was kannst du schon groß 

zusammenstellen? Speck, Bohnen, Tortillas. Oder Bohnen, 
Tortillas und Speck?« 

Miller trat nach Haggerty, aber der wich schnell zur Seite, so 

daß der freundschaftlich gemeinte Tritt ins Leere ging. Curt 
suchte dürres Holz und nahm die kleine Pfanne und Blechteller 
aus der Satteltasche. 

Nach dem Essen breiteten sie ihre Deckenrollen aus und 

legten sich schlafen. Am frühen Morgen wurden sie von den 
Pferden geweckt, die bis zu den Fesseln im Wasser standen 
und schlürften. 

Sie erhoben sich gleichzeitig aus ihren Decken und rollten 

sie zusammen. Miller entfachte ein kleines Feuer und bereitete 
das Frühstück mit viel Kaffee und heißen Tortillas. 

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Kurz nach Sonnenaufgang schwangen sie sich auf die Pferde 

und durchbrachen den Buschstreifen. Die Kühle des Canyons 
nahm sie auf und begleitete sie auf dem langen Weg nach 
Westen. 

Eintönig vergingen die Tage. Nach mehr als zwei Wochen 

kamen die Gipfel der Chiricahua-Mountains in Sicht. Von nun 
an hieß es für die Scouts, noch besser aufzupassen. 

Gegen Abend gelangten sie an einen Seitenarm des Bavispe 

und suchten vergeblich nach Wasser. Der Flußlauf war durch 
die andauernde Hitze ausgetrocknet. John parierte sein Pferd, 
starrte auf das kiesige Flußbett, machte aber keine Anstalten, 
aus dem Sattel zu steigen. 

Nach einem kurzen Rundblick fragte Curt: 
»Warum reitest du nicht weiter, John? Schiß in den Hosen?« 
»Kann man wohl sagen. Weißt du, wo wir sind?« 
»Natürlich. Im Apachenland. Ist was?« 
»Sieh dir mal das Flußbett an.« 
Miller bemerkte nichts Auffälliges. 
»Was ist damit? Ich kann nichts sehen.« 
»Mach mal die Augen ganz auf.« 
Das Flußbett, etwa zehn Yards breit, war trocken und leer. In 

seiner Mitte war das Geröll aufgeworfen. Wie ein flacher 
Hügel sah es aus. Miller schüttelte den Kopf. 

»Gibt dir der Hügel nicht zu denken, Curt?« 
»Sollte er?« 
»Bleib bei den Pferden und paß auf, daß mir niemand in den 

Rücken kommt.« 

John sprang vom Pferd und gab Curt die Zügel zu halten. Er 

ging über das knirschende Geröll und blieb beim Hügel stehen. 
Miller sah, wie er niederkniete und mit den Händen den Kies 
entfernte. John räumte die rundgeschliffenen Steine zur Seite, 
kam tiefer, fand aber nichts. Er wollte sich schon wieder 
erheben und umkehren, als ihm etwas auffiel. Er beugte sich 
noch einmal vor und drückte die Fingerspitzen in den Sand. 

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Er fühlte etwas Weiches. Zweifelnd sah er auf. Curt saß auf 

seinem Pferd und blickte zu ihm herüber. Er hielt sein Gewehr 
in der Armbeuge, den Lauf auf das andere Ufer gerichtet. 
Hastig warf John einen Blick in die Runde, sah aber nichts 
außer der Ödlandschaft. 

Danach richtete er sein Augenmerk wieder auf die Mulde 

und räumte Kies und Sand zur Seite. Etwas Weißes tauchte auf. 
Es nahm Formen an. Ein menschliches Gesicht. Bart, 
geschlossene Augen, eingefallene Wangen, braune Zähne. 

John Haggerty fuhr in die Höhe, als wäre er von einer 

Tarantel gebissen worden, winkte seinem Freund und rief: 

»Curt, bring die Pferde rüber!« 
Miller stieg ab und setzte sich in Bewegung. Das Ufer war 

flach und wie gestampfter Lehmboden. 

»Hast du 'ne Bonanza entdeckt? Ein Faß Bier wäre mir 

lieber.« 

»Sieh dir mal den Toten an. Kennst du ihn?« 
»Was, 'ne Leiche? Soll ich alle Toten dieser schlechten Welt 

kennen?« 

»Quatsch! Was sagst du dazu? Ein Weißer, im Flußbett 

verscharrt …« 

»Was soll ich sagen? Nie gesehen. Kennst du ihn?« 
»Sieh noch mal genau hin.« 
Miller tat es. »Klar, ein Weißer. Kein Indsman trägt einen 

Bart.« 

»Das meine ich nicht. Die Brust.« 
Miller nickte. »Er wurde vermutlich ermordet und 

verscharrt.« 

»Von hinten erschossen. Durch die Ausschußöffnung kannst 

du deine Faust stecken. Scheußlich!« 

Miller trat näher an die Grube. »Verwahrlost und 

heruntergekommen, aber ein Weißer. Was vermutest du?« 

Haggerty überging die Frage. Nachdenklich schweifte sein 

Blick über die Landschaft. Er sah die Bergkette bei Pirtleville 

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im Süden, im Westen die ersten Berge der Dragoons und im 
Nordosten die Chiricahua Mountains. 

»Bei Anson City hat man Gold gefunden. Sogar beträchtliche 

Mengen. Wir reiten parallel zur Grenze und müßten die Stadt 
eigentlich sehen.« 

»Hier ist keine Stadt.« 
»Das beweist, daß wir zu weit nach Norden abgekommen 

sind. Cochise hat uns auf den Leim geführt und in diese 
Richtung gelockt.« 

»Schön und gut. Was hat das alles mit dem Toten zu tun? Ist 

er etwa ein Digger aus jener Stadt?« 

Haggerty nickte. »Schon möglich.« 
»So weit hier oben? Glaube ich nicht, John. Da steckt was 

anderes hinter. Jemand hat ihn umgelegt und im Flußbett 
verscharrt.« 

»Ermordet und verscharrt«, bestätigte Haggerty. »Und 

warum? Ohne Grund tötet man keinen Menschen. Wir sehen 
uns dort drüben zwischen den Felsen um. Wenn wir einen 
Claim finden, wissen wir, warum er umgebracht wurde. Gehen 
wir.« 

Miller rührte sich nicht vom Fleck. 
»Moment mal, John! In dieser Wildnis kann ein weißer 

Mann allein nicht leben. Darauf willst du doch hinaus? Kein 
Wasser jagdbares Wild schon gar nicht. Herumstreifende 
Apachen. Ich sage dir, ein Hundeleben …« 

»Schlimmer als das. Doch die Gier nach Gold ist wie ein 

Rausch. Goldsucher fragen nicht nach Mühsal und Gefahren.« 

»Dann waren es Apachen.« 
»Die hätten ihm den Skalp abgenommen.« 
John Haggerty kniete wieder am Boden und grub den Toten 

aus. Der Leichnam kam frei, als Miller half. Ein 
ausgewachsener Mann, derbe Kleidung, wie sie ausschließlich 
von Diggern getragen wurde. Keine Waffe, nicht mal einen 
Revolvergurt. 

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»Kein schöner Anblick.« 
»Im Tod sehen sie alle gleich aus, Curt.« 
»Er muß schon einige Tage hier liegen.« 
»Woran siehst du das?« 
»Seine Hände.« 
Haggerty sah genauer hin. »Was ist damit?« 
»Sie sind nicht gefaltet, wie man das bei einem 

Christenmenschen macht, den man zur letzten Ruhe bettet.« 

Schweißtriefend standen die beiden Scouts bei dem Grab, 

Die Sonne brannte vom Himmel, als wollte sie die Felsen in 
flüssige Lava verwandeln. Beide starrten den Toten an und 
suchten nach irgendwelchen Erkennungszeichen. Nur die 
Ausschußöffnung eines großen Kalibers sagte ihnen etwas. 

»Curt, durchsuche seine Taschen. Vielleicht finden wir einen 

Brief oder etwas anderes, was auf seine Person hinweist. 
Höchstens vierzig, stämmig, breite Schultern, verarbeitete 
Hände. Kann ein Goldgräber sein.« 

Miller ging in die Hocke und durchwühlte die Hosentaschen 

und die Weste. Nichts. Nicht einmal ein Tabaksbeutel oder ein 
Streichholz. Der Mann war nicht nur ermordet, sondern auch 
ausgeplündert worden. 

»Decken wir ihn wieder zu?« 
John starrte noch immer auf die Klippen und schien sich 

ständig zu fragen, was er dort finden mochte. Curt wollte 
aufstehen und mit der Zuschüttung des Grabes beginnen, da 
warf sich John auf ihn und riß ihn zu Boden. 

Ein Schuß hallte durch das Flußtal und verklang in vielen 

Echos. 

»Bleib liegen!« zischelte Haggerty. »Der Killer ist in der 

Nähe und schießt auf uns. Rühr dich nicht!« 

Vorsichtig hob er den Kopf und spähte zu den Felsen. Ein 

graues Rauchwölkchen über einer gezahnten Wand, sonst 
nichts. 

»Gib mir Deckung«, sagte John und rollte sich auf die Seite. 

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»Wohin willst du?« 
»Mir das Schwein holen. So ein verdammter, hinterhältiger 

Bastard!« 

»Okay. Wirf mein Gewehr rüber. Du bekommst so viel 

Feuerschutz, wie du nur brauchst.« 

Mit ein paar Sätzen war John bei den Pferden, zerrte Millers 

Gewehr aus dem Scabbard und warf es quer in die 
zupackenden Hände. Ein zweiter Schuß warf Kies und Sand in 
Johns Nähe auf. Miserabler Schütze, dachte er. 

Mit langen Sprüngen rannte er dem Ufer zu, arbeitete sich 

die flache Böschung hinauf und warf sich zu Boden. Sperrige 
Felsen, Geröll. Im Hintergrund wuchtige Klippen, davor 
Buschwerk aus stacheligem Zeug. 

John zwängte sich durch das Dickicht. Eine Art Arena lag 

vor ihm. Sie stieg terrassenförmig an und war mit Unkraut 
übersät. Der Scout blieb stehen und starrte wie hypnotisiert auf 
die Gewehrmündung. Sie richtete sich auf seinen Bauch. Ein 
Hahn klickte. 

»Was wollen Sie schon wieder, Sie billige Dutzendware?« 
schrie der wachhabende Corporal. »Mensch, hauen Sie ab! 
Hier sind Sie so unerwünscht wie stinkendes Aas.« 

»Ich will zum Colonel.« 
»Wohin?« 
»Zum Commandeur dieses Forts.« 
»Klingt schon besser. Ihr Zivilisten lernt's noch.« 
Ward kletterte umständlich vom Pferd und näherte sich dem 

verschlossenen Tor. Mit dem Klöppel schlug er gegen die 
dicken Bohlen. 

»Ich muß zu Colonel Brigham, Wache! Es ist dringend!« 
»Mann, klemmen Sie sich Ihren Schinder zwischen die Beine 

und schnurren Sie ab! Colonel Brigham ist nicht für Sie zu 

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sprechen. Wo kämen wir hin, wenn jeder Zivilist glaubt, die 
Army sei nur für ihn da?« 

»Ich sagte, es ist dringend. Chiricahuas trieben mein Vieh 

weg. Soll ich den Verlust ohne Widerspruch hinnehmen?« 

»Vieh? Wieviel?« 
»Eine Herde von dreißig Stück.« 
»Alle Wetter! Warten Sie, Rancher. Ich will sehen, was ich 

tun kann.« 

Es dauerte eine Viertelstunde, bis sich der Corporal wieder 

meldete. 

»Sie dürfen hereinkommen, Ward, aber halten Sie sich nicht 

zu lange in der Kommandantur auf. Wie ich schon sagte: wir 
haben mehr zu tun.« 

Der Torbalken knarrte, der rechte Flügel schwang nach innen 

und ließ Ward mit seinem Pferd durch. Auf dem Paradeplatz 
hatte sich nichts geändert. Überall wehte Staub und bedeckte 
die Fronten der Unterkünfte. Die Flagge der Vereinigten 
Staaten von Amerika hing schlaff am Mast und bewegte sich 
nur, wenn ein leichter Windhauch aus der Wüste wehte. 

Ward ging quer über den Exerzierplatz zur Kommandantur, 

schlang die Zügel um den Halfterbalken. Als er ins Haus trat, 
empfing ihn Kühle und Stille. Eine Ordonnanz kam aus dem 
Nebenzimmer und fragte nach seinen Wünschen. 

»Sie müssen warten«, sagte der Lieutenant. »Ich werde Sie 

anmelden. Wenn es wirklich so dringend ist, wie Sie 
behaupten, wird der Colonel Sie vorlassen.« 

Er verschwand, kam aber schon nach kurzer Zeit zurück. 
»Colonel Brigham erwartet Sie, Mister.« 
Er hielt die Tür auf und ließ den Rancher eintreten. Brigham 

erhob sich hinter seinem Schreibtisch und reichte Ward die 
Hand. 

»Wie geht es Ihnen?« 
»Nicht gut, Sir. Chiricahuas trieben mir eine Herde von 

dreißig Stieren fort. Wenn das so weitergeht, bin ich ruiniert. 

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Ich denke schon daran, meinen Fleischvertrag mit der Armee 
zu lösen …« 

»Nun mal sachte, Mr. Ward. Man soll doch nicht gleich aus 

allen Rohren schießen, wenn man etwas erreichen will. Dreißig 
Stiere, sagten Sie? Wurde jemand getötet?« 

»Nein. Die Herde war ohne Aufsicht. Trotzdem … Ich kann 

den Verlust einfach nicht hinnehmen und bitte Sie, etwas zu 
tun. Felix, Jesusas Junge, muß aus den Händen der Chiricahuas 
befreit werden, und ich will meine Herde wiederhaben.« 

»Was beweist, daß es wirklich Cochises Krieger waren? Mr. 

Ward, Sie müssen verstehen, daß ich nicht einen Kleinkrieg 
vom Zaune brechen kann, wenn ich keine eindeutigen Beweise 
habe.« 

»Ich sage, es waren Chiricahuas«, kam prompt das Echo. 

»Ich erkannte sie an ihrer Kriegsbemalung.« 

»Und Sie sind absolut sicher, daß derselbe Stamm Ihre Kühe 

abtrieb?« 

»Ganz sicher, Sir.« 
Brigham überlegte eine Weile. So, ganz traute er dem 

Rancher nicht. Aber es konnte nicht schaden, wenn sich eine 
größere Patrouille oben beim Paß sehen ließ. 

»Es ist gut«, sagte er, »Sie überzeugen mich. Vom 

Oberkommando wurde mir ein junger Lieutenant unterstellt, 
den ich mit der Aufgabe betrauen werde, nach dem Jungen zu 
forschen und die Stiere wieder herzubringen. Sind Sie jetzt 
zufrieden?« 

»Ich werde mit ihm reiten, Sir. Wie heißt der Offizier?« 
»George N. Bascom.« 
»Danke, Sir. Wann soll das Unternehmen starten?« 
Brigham winkte ab. »Ich spreche von keinem militärischen 

Unternehmen, Mr. Ward. Ich hoffe, das ist klar gesagt? 
Bascom wird sich mit der Sache befassen, mehr kann ich nicht 
für Sie tun.« 

»Das genügt vorerst. Danke. Und wann, sagten Sie, reitet die 

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Patrouille zum Paß?« 

»Sagen wir, übermorgen. Wenn Sie dem Lieutenant als 

Führer dienen wollen, habe ich nichts dagegen. Keine 
Kriegshandlungen gegen die Apachen! Ich warne Sie, Mr. 
Ward!« 

Ward nickte, stand auf und verabschiedete sich. 

Cochise hielt hoch oben auf einer Felsplatte über dem Canyon 
de Chelly. Er war allein. Seine Leute warteten weiter unten. 
Lange spähte er in das breite und gewundene Tal, versuchte 
Einzelheiten zu erkennen und mögliche Gefahrenquellen 
auszumachen. 

Nach Westen zu wurde der Canyon breit und 

unübersichtlich. Dunst verdeckte die Sicht. Und über der 
Dunstschicht flimmerte die Hitze. 

Cochise kniff die Augen zusammen und schützte sie mit der 

flachen Hand gegen die grellen Sonnenstrahlen. Er sah die 
Hogans. Flache Bauten aus Stangen, Reisig und mit Lehm 
beworfen. Rauch kräuselte dort unten. Schafe weideten an den 
Hängen, Pferde und ein paar Ziegen. Was er sehen konnte, 
befriedigte Cochise nicht. Navahos lebten auch in Höhlen, 
unter weiten Felsvorsprüngen und in engen, überdeckten 
Seitencanyons. Er konnte es sich nicht leisten, in eine Falle zu 
geraten. Der Pinto unter ihm wurde unruhig, scharrte mit dem 
Vorderhuf und schnaubte warnend. 

Cochise sprang ab und hielt das Pferd beim Zügel. Es spitzte 

die Ohren, schnaubte wieder und richtete seinen Blick auf ein 
Gesteinsmassiv zur Rechten. Verwittertes Geröll aus rotem 
Sandstein und Porphyr wuchs wallartig empor. 

Wieder schnaubte das Pferd. Nervös zerrte es am Zügel. Der 

Häuptling wußte, daß der Pinto vor Menschen keine Angst 
hatte. Es mußte demnach ein Raubtier sein, das sich zwischen 

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den mächtigen Brocken aufhielt. Ein Puma oder ein Bär. 

Cochise brachte das Tier außer Gefahr und beschwerte 50 

Yards weiter einwärts die Zügel mit einem schweren Stein. 

Er zog sein Messer und pirschte sich mit äußerster Vorsicht 

an die Felsformation heran. Als er über den Wall kletterte, roch 
er die Ausdünstung eines großen Raubtieres. Hinter dem Wall 
blieb er zunächst stehen, um sich mit der Lage dieses 
Labyrinths von Steinen vertraut zu machen. Der Häuptling 
vernahm leise Geräusche, konnte sie jedoch nicht deuten. 
Lautlos glitt er weiter, umrundete einen riesigen 
Sandsteinbrocken. Der penetrante Geruch wurde stärker. Er 
machte noch zwei Schritte und verharrte abrupt. 

Im Schatten einer Felswand lag ein Braunbär und schlief. 

Sein Schnarchen hatte der Häuptling gehört. Der Bär hätte 
Cochise nicht gestört, aber er mußte auf Sicherheit gehen. 
Wenn sie zu dritt an dem Versteck vorbeiritten, konnte der Bär 
erwachen und sich auf sie stürzen. 

Cochise nahm einen Stein und warf ihn dem Raubtier an den 

Kopf. Der Bär erwachte, richtete sich brummend auf und 
erkannte seinen Erzfeind. Mit einem heiseren Wutschrei stellte 
er sich auf die Hinterpranken. Unbeholfen trottete er auf den 
Indianer zu. 

Cochise ließ ihn dicht herankommen. Der faulige Gestank 

aus dem Rachen des Bären nahm ihm fast den Atem. Als die 
beiden Pranken nach ihm schlugen, um ihn zu erfassen und zu 
erdrücken, tauchte er unter ihnen hinweg und gelangte in den 
Rücken des Bären. 

Bevor der sich in seiner Tölpelhaftigkeit umwenden konnte, 

stieß ihm der Häuptling das Messer zwischen die Rippen. Der 
Bär fauchte gräßlich, schwankte, ruderte hilflos mit den 
Vorderpranken und brach zusammen. Als der Koloß aufprallte, 
zitterte der Boden in Cochises Umgebung. Noch ein röchelndes 
Grunzen, ein kurzes Zucken der Glieder. Der Bär war tot. 

Cochise ging zu dem mächtigen Körper und wischte sein 

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Messer an dem Pelz ab. Als er sich wieder aufrichtete, hörte er 
eine Stimme hinter sich. 

»Cochise, der Häuptling der Chiricahuas, ist ein mächtiger 

Krieger. How!« Der Apache drehte sich um. Drei 
hochgewachsene Indianer warfen bewundernde Blicke auf ihn. 
Einen von ihnen kannte er: Wakonda. Er schob die Klinge in 
die Lederscheide, streckte beide Hände flach in die Richtung 
der Navahos und sagte: 

»Ich komme in Frieden, Wakonda. Ist Cochise an deinem 

Feuer willkommen?« 

»Er ist es«, antwortete der Navaho. »Tapfere Krieger sind in 

unseren Hogans jederzeit gern gesehen.« 

Cochise wies auf den Bären. »Er gehört dir, Wakonda.« 
»Du hast ihn erlegt. Die Beute gehört immer dem, der sie 

selbst erkämpfte. So ist es Brauch unter den roten Völkern.« 

»Ich tötete ihn auf deinem Land, Jefe, er gehört dir. 

Betrachte ihn als Geschenk der Chiricahuas. How!« 

Wakonda nickte dankbar und gab seinen Kriegern ein 

Zeichen. Sie häuteten den Bären ab, schnitten die besten 
Stücke aus seinem Körper und rollten den Kadaver zur Seite. 

»Du bist in Begleitung«, sagte Wakonda. »Meine Späher 

berichteten mir von deinem Kommen.« 

»Mein Sohn Na-Cheez und ein alter Krieger, Wakonda.« 
»Sie sind mir willkommen. Folge mir!« 
Der Navaho drehte sich um und ging auf den Wall zu. 

Cochise und die beiden Krieger mit dem Bärenfell folgten. Bei 
Cochises Pferd blieb Wakonda stehen. 

»Siehst du den Weg ins Tal, Cochise?« Er deutete auf einen 

Ziegenpfad, der in Schlangenwindungen in die Tiefe führte. 

»Ich sehe ihn.« 
»Diesem Weg folgst du zu unserem Lager. Ich wiederhole: 

die Krieger der Chiricahuas sind in meinem Hogan 
willkommen.« 

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Haggerty glaubte seinen Augen nicht trauen zu können, als er 
das Gewehr und die beiden Weißen sah. Sie grinsten ihn 
höhnisch an. 

Wie Goldgräber sahen sie nicht aus, eher wie Desperados. 

Bärtig, schmutzstarrend und abgerissen, wirkten sie wie 
Männer, die lange in der Wildnis gelebt hatten. 

»He, Bucko, da staunst du, was?« 
»Worüber? Über zwei ausgestopfte Affen?« 
»Werde nur nicht frech, Mensch. Los, die Hände hoch! Noch 

höher! Ja, so ist's recht.« 

»Was wollt ihr von mir?« fragte Haggerty. 
»Ruf mal deinen Kumpel her, Bucko.« 
»Den Teufel werde ich!« sagte er laut. 
»Reiß dein Maul nicht so weit auf, Hombre, sonst knallt's. 

Du sollst ihn herrufen, nicht in die Flucht brüllen.« 

»In die Flucht brüllen … Glaubt ihr, der reißt vor euch aus?« 
»Wir glauben alles, nur nichts Gutes. Stell keine Fragen und 

tu, was ich dir sage, dann passiert nichts.« 

»Habt ihr den Bärtigen umgelegt und im Flußbett 

verscharrt?« 

»Geht dich einen Dreck an. Hör zu, Bucko, halte dich hier 

raus, verstanden?« 

»Geht's um Gold, Jungs? Mir könnt ihr's sagen. Ich nehm's 

mit dem Gesetz auch nicht so genau.« 

»Du sollst still sein, Bastard! Ihr beide seid Scouts der 

Siebenten, da fresse ich einen Besen. Wir beobachteten euch 
eine ganze Weile und …« 

»Wir sollen Scouts sein?« unterbrach John ihn. »Daß ich 

nicht lache. Wir kommen aus Albuquerque und gehen in die 
Minen nach Styling oder Tombstone.« 

»Du Bastard lügst. Mach uns nur nichts vor. Ihr beide seid 

Scouts oder Männer des Gesetzes. Lügen helfen nicht, ihr habt 

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den Toten gesehen … Laß ja die Hände oben.« 

John winkelte die Arme wieder ein Stück an. Wo nur Curt 

bleibt? dachte er. Er muß längst gemerkt haben, daß etwas faul 
ist. Wenn Curt den Kerl mit dem Gewehr ausschaltete, ist der 
Rest ein Kinderspiel. Ziehen und schießen, bevor der andere 
zieht und schießt. Wir haben es hier mit dem übelsten 
Grenzgelichter zu tun, das keinen Pardon verdient. 

»Ich bin kein Gesetzesmann«, sagte der Scout. 
»Ob du es bist oder nicht, ist mir im Moment egal. Wenn du 

jetzt nicht den anderen rufst, lege ich dich um.« 

John hatte keine andere Wahl mehr. Er brüllte: 
»Dan Tanna, komm schnell mal rüber, hier ist was!« 
Curt mußte schon auf den Kopf gefallen sein, wenn er den 

Wink nicht verstanden habe. Miller gab keine Antwort. John 
rief noch einmal und lauter. Beim Flußbett blieb es still. Ohne 
eine Miene zu verziehen, grinste der Scout in sich hinein. 
Womöglich war Curt schon in der Nähe. Er mußte Zeit 
gewinnen, sie hinhalten, Miller die Möglichkeit geben, einen 
sicheren Schuß anzubringen. 

»Ihr habt ihn wohl schon umgelegt und spielt hier 

Komödie?« 

»Quatsch nicht so dämlich. Wir kamen aus dem Felsgebiet 

nicht raus. Wenn dein Kumpel nicht augenblicklich was von 
sich hören läßt, bist du dran. Kapiert?« 

»Bin nicht taub. Soll ich noch mal rufen?« 
»Du bleibst stumm wie ein Fisch. Josh, mit dem anderen 

stimmt was nicht.« 

»Allerdings!« rief Miller im Rücken der Outlaws. »John, 

mach dich flach!« 

Ein Schuß krachte. John kannte den Klang von Curts 

Spencer. Er warf sich auf den harten Boden und äugte nach 
vorn. Der Desperado mit dem Gewehr taumelte, kippte 
vornüber. Die Waffe entfiel seiner Hand. 

»Übernimm ihn, John!« rief Curt. 

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John trat in Aktion. Er wußte, daß sein Freund nachladen 

mußte. Das kostete zwei Minuten. In der Zeit konnte viel 
passieren. Er sprang auf, wollte den anderen lebend. Seine 
Linke umklammerte die Revolverhand des Outlaws und 
drückte sie herunter. Ein Schuß löste sich. Die Kugel fuhr dem 
Kerl ins Bein. Der Mann krümmte sich, erwischte einen 
Aufwärtshaken. Sein Kopf flog zurück. Eine gestochene 
Gerade folgte und schleuderte ihn auf den Rücken. John trat 
heran und zog seinen Colt. 

»Steh auf! So schlimm ist es nicht. Los, hoch mit dir!« 
Mühsam kam der Outlaw auf die Beine. Sein tückischer 

Blick traf den Scout. 

»Abschnallen, Freundchen!« 
Blut drang durch die Hose des Verwundeten. Er tanzte auf 

einem Bein und stöhnte. Er öffnete die Gürtelschnalle und ließ 
den schweren Gurt zu Boden fallen. Miller kam aus seinem 
Versteck, ging zu dem Toten und drehte ihn auf den Rücken, 
schüttelte den Kopf. 

»Unbekannt«, sagte er. »Kennst du sie, John?« 
Miller deutete auf den Lebenden. »Was fangen wir mit ihm 

an?« 

»Er wird dem nächsten Sheriff übergeben.« 
»Und der?« Miller wies auf den Toten. 
»Wir verscharren ihn. Er soll neben seinem Opfer im 

Flußbett ruhen.« 

»Wollen wir den Lumpenhund nicht fragen, was sie hier 

trieben, und weshalb sie den dritten Mann töteten?« 

»Nichts dagegen, Curt. Inzwischen sehe ich mich ein bißchen 

um. Bring die Pferde hierher. Hier sind wir einigermaßen 
geschützt.« 

Miller holte die Pferde, führte sie in den Schatten eines 

Felsens und tränkte sie. Danach hing er ihnen die Futtersäcke 
um. John verschwand. Er nahm seinen Henry-Stutzen und 
hebelte eine Patrone in die Kammer. 

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John folgte dem mittleren von drei Pferden. Als er ein Stück 

in das Gewirr aus gewachsenen Felsen und verwitterten 
Steinen hineingegangen war, sah er, daß die Trampelpfade 
hinter der Klippe wieder zusammenstießen. Der Weg ging in 
die Höhe, führte schräg nach oben. Kein Gebüsch, kein Baum. 
Nur Kakteen, wie überall in der Wüstenregion. 

Der Scout stieg gebückt bis zum höchsten Punkt und sah sich 

um. Vor ihm eine schmale Schlucht. Ein mit einer Axt 
behauener Baumstamm überbrückte den Spalt. 

Haggerty wagte einen Rundumblick. Felsen, Schluchten, 

Sandstrecken. Kein Grün wuchs, so weit das Auge reichte. 
John warf einen Blick in die Schlucht. Dämmerig grau war es 
dort unten, aber ein gutes Auge konnte Umrisse und Körper 
zahlreicher Gerätschaften erkennen. Werkzeug aller Art lag 
wahllos herum, und im rechten Teil des Spalts entdeckte John 
ein Loch in der Wand. 

Der Weg führte auf der anderen Seite des Balkens weiter auf 

eine Ansammlung von Felsmassen zu, die nach Abraum aus 
einer Grube aussahen. 

Kurz entschlossen betrat John Haggerty den Balken und 

balancierte mit ausgebreiteten Armen hinüber. Es gelang. Er 
stieß auf ein senkrecht führendes Loch im Fels, und als er sich 
vorbeugte und hineinblickte, sah er, daß es nach zwei Yards 
abwinkelte und schräg wie ein Stollen in den Berg führte. 

John schätzte die ungefähre Richtung ab und kam zu dem 

Schluß, daß das Loch im Spalt der Austritt des Stollens sein 
mußte. Wer hatte eine solche Titanenarbeit vollbracht, einen 
Stollen diagonal in die Tiefe zu treiben, und zu welchem 
Zweck? 

Er erinnerte sich an die Werkzeuge und Geräte. Als er sich 

nachdenklich umdrehen und den Weg zurückgehen wollte, fiel 
in der Nähe ein Schuß. 

Er blieb stehen und nahm das Gewehr in beide Hände. 

Langsam ging er bis zum Balken. Hier wartete er, weil er 

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hastige Schritte hörte. Millers Stimme schallte durch die 
Bergeinsamkeit, dann krachte noch ein Schuß. 

»John, halte ihn auf! Der Kerl ist getürmt!« 

Das große Feuer warf Licht und zuckende Schatten in die 
Höhle. Sie war 20 Yards tief und 30 breit. 25 Fuß über ihrer 
Grundfläche neigte sich der gewachsene Fels diagonal nach 
hinten und vereinigte sich mit einem grauen Kalkstein. 

Cochise warf verwunderte Blicke in die Runde. Auf den 

Wänden prangten Höhlenzeichnungen in verschiedenen 
Farben. Die Zeichnungen stellten Jagdszenen dar, Menschen 
mit Waffen in den Händen, ein Lagerfeuer, Büffel und 
Antilopen. 

Wakonda, der neben Cochise am Boden kauerte, folgte 

dessem Blick und zeigte auf die primitiven Malereien. 

»Unsere Vorfahren haben das gemacht«, erklärte er. 

»Gefallen sie dir?« 

»Sie sehen sehr gut aus«, antwortete der Chiricahua höflich. 

»Unsere Vorfahren? Wann war das?« 

»Es ist lange her. Viele Sommer und Winter sind vergangen, 

als das Volk der Hohokam hier lebte. Damals gab es noch 
keine Navahos und Apachen in diesem Land.« 

Cochise betrachtete die vielen Menschen in der Höhle. Sie 

bot mindestens 30 Personen Platz. Wakondas Sippe mußte 
groß und mächtig unter den Navahos sein. An mehreren Stellen 
brannten kleine Kochfeuer, wurde Essen zubereitet und 
verteilt. 

Am großen Feuer saßen Cochise, Naiche, Giannatah und 

Nahaye. Ihnen gegenüber Wakonda, drei junge Navaho-
Krieger, die vermutlich seine Söhne waren, und ein sehr alter 
Medizinmann. Sein Haar war weiß und strähnig und hing ihm 
bis über die Schultern. In den Händen hielt er einen Wedel aus 

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Bast. 

Mißtrauisch fixierte er Cochise und dessen Krieger. Der Jefe 

ahnte, daß er von dem Alten Schwierigkeiten zu erwarten hatte, 
war aber nicht gewillt, nachzugeben oder seine Pläne 
durchkreuzen zu lassen. 

Das Essen wurde gereicht, auf flachen Tontellern gebratenes 

Fleisch, runde Maiskuchen und Brei aus gekochten Kürbissen. 

Cochise bedankte sich mit einem Kopfnicken. Es schmeckte 

vorzüglich, besonders der Fruchtbrei. Apachen kannten so 
etwas nicht und langten deshalb kräftig zu. Nach dem Essen 
wurde das benutzte Geschirr von jungen Frauen oder Mädchen 
abgeräumt. Ein Krug ging rund. Jeder trank. Das scharfe 
alkoholische Zeugs schmeckte sogar Cochise, der sonst 
Alkohol meistens mied. 

»Unsere Brüder, die Chiricahuas, sind zu uns gekommen und 

wurden als tapfere Krieger empfangen, obwohl Wakonda nicht 
den Grund für diesen Besuch kennt«, sagte der Navaho. 

Cochise erzählte, daß er aus dem Süden des Landes kam und 

einen weiten Ritt durch feindliche Gebiete gewagt hatte, um 
die tapferen Krieger der Navahos kennenzulernen und sie mit 
dem Besuch der Chiricahuas zu ehren. Das war diplomatisch 
und unverbindlich. 

Wakonda nickte geschmeichelt. Wenn Chiricahuas so weit 

aus dem Süden kamen, bedeutete dies für seinen Stamm eine 
große Ehre. Natürlich war ihm klar, daß ein anderer Grund als 
der genannte vorliegen mußte. Kein Indianer ritt 200 Meilen, 
um einer anderen Rothaut die Hand zu schütteln. Er versuchte 
deshalb auf Umwegen, hinter Cochises Geheimnis zu kommen. 

»Erbeuteten die Krieger der Chiricahuas viele Skalps in 

diesem Sommer?« 

»Viele«, antwortete der Jefe. »Skalps von den Gelbhäutigen 

im Süden.« 

»Und von den Bleichgesichtern?« 
»Keine. Die Chiricahuas und die Hellhäutigen schlossen 

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Frieden.« 

Wakonda musterte ihn kritisch. Er wußte noch immer nicht 

genau, weshalb Cochise ihn aufgesucht hatte. Nach dieser 
Antwort konnte er sich den weiteren Verlauf der gegenseitigen 
vorsichtigen Ausfragung denken. 

»Wird Cochise nie wieder das Kriegsbeil gegen die weißen 

Eindringlinge erheben?« 

»Wenn die Pferdesoldaten oder andere Bleichgesichter den 

Krieg eröffnen, werden die Chiricahuas mit allen Brüdern, 
Stämmen und Sippen unseres großen Volkes kämpfen. 
Gehören die Navahos zu den Brüdern der Apachen?« 

»Zählen die Mescaleros und die Yaquis dazu?« lautete die 

Gegenfrage. 

»Sicher, und die Nednis im Süden. Alle Stämme der 

Apachen.« 

Wakonda überlegte eine Weile. Er spürte, daß Cochise die 

Wahrheit sagte und nicht übertrieb. Trotzdem, ein Krieg gegen 
die Weißen war eine riskante Sache, seit Kit Carson den 
Großteil der Stämme unterworfen und zur Räson gebracht 
hatte. Aber das war lange her. Wakonda war damals ein junger 
Krieger gewesen, konnte sich aber recht gut an die Kämpfe mit 
den Truppen erinnern. 

»Das wird eine große Macht sein, die an Kraft und Stärke 

den Pferdesoldaten gewachsen ist«, sagte er. 

»Das ist sie. Diese Macht soll aber nur eingesetzt werden, 

wenn die Weißen mit dem Krieg beginnen.« 

»Du wirst die Krieger aller Stämme führen?« 
»So ist es vorgesehen«, antwortete Cochise schlicht. Naiche 

und Cochises engere Verwandtschaft schwiegen, um 
abzuwarten, worauf der Jefe hinaus wollte. 

Aber der schlaue Wakonda ließ sich nicht so schnell zu 

einem Zugeständnis herbei. Cochise entwickelte schließlich 
vor dem Navaho eine Kampfstrategie, die dieser begeistert 
billigte. Er stand auf, nahm die Friedenspfeife entgegen, die 

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sein Solin ihm reichte, stopfte sie umständlich und zündete sie 
an. 

»Wo die Bleichgesichter stark sind, werden wir nicht sein, 

wo sie schwach sind, locken wir sie in einen Hinterhalt. Die 
Berge, die Wüste, das Wasser, die Winde und das Feuer sind 
unsere Verbündeten. Wir werden ihnen zeigen, wie es ist, das 
ganze Land zum Feind zu haben. Wir werden sie töten. Die 
Pferdesoldaten sind schwerfällig wie vollgefressene Bären, 
also müssen wir schnell wie Koyoten sein. Sie haben mehr 
Pulver und Blei als wir. Deshalb werden wir, was wir 
brauchen, von ihnen holen und sie mit ihren eigenen Waffen zu 
schlagen. Und wenn sie hierhin und dorthin reiten, um uns zu 
suchen, töten wir sie hinter Steinen hervor. Sie werden 
fürchten, daß jeder Busch, jeder Baum, jeder Canyon eine 
Todesfalle ist.« 

Cochise machte eine Pause, um seine Worte wirken zu 

lassen. Es war eine lange Pause, während der er sich um seine 
Achse drehte und das Kalumet schwang. Die anwesenden 
Indianer, gleich welchen Alters und Geschlechts, sahen ihn 
gebannt an. Mit gehobener Stimme fuhr er fort: 

»Wir werden sie wie gefährliche Raubtiere behandeln. Sie 

dürfen schlafen, nie ganz wach sein. Die Furcht muß sie 
langsam auffressen, bis sie nur noch einen einzigen Gedanken 
haben: weg aus diesem Land!« 

Er sog an der Pfeife und stieß den Rauch in alle vier 

Himmelsrichtungen, zur heiligen Erde und zu den Göttern im 
Himmel. Dann reichte er die Pfeife Wakonda. Der nahm sie 
entgegen, verbeugte sich vor dem Kalumet und führte das 
Mundstück an die Lippen. Nach den sechs vorgeschriebenen 
Rauchstößen erwiderte er mit hallender Stimme: 

»Wakonda hat gehört und verstanden. Wenn Cochise zum 

Kampf gegen die weißen Eindringlinge aufruft, werden die 
Navahos ihm folgen. Die Beute wird groß sein und das Land 
gehört wieder uns. How!« 

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Cochise warf einen befriedigten Blick auf sein Gefolge. Er 

hatte erreicht, was er erreichen wollte. Mit Diplomatie und 
Schläue war es ihm gelungen, auch den Norden des 
Apachenlandes auf seine Seite zu ziehen und die Front gegen 
die Weißen zu stärken. 

Haggerty hatte die beiden Schüsse und Millers Rufe gehört. Er 
balancierte über den Balken, gelangte zur Mitte und sah den 
verwundeten Outlaw heranhinken. Nicht weit hinter ihm rannte 
Curt Miller. 

In seiner Angst vor dem Gewehr betrat der Bandit die 

schmale Brücke und streckte beide Hände vor, um Haggerty 
vom Balken zu stoßen. Miller blieb stehen, legte an, aber er 
drückte nicht ab. 

Das Risiko, den Freund zu treffen, war zu groß. Entsetzt sah 

er mit an, wie sich die beiden auf dem nur fußbreiten Balken 
näherten. Millers Haare sträubten sich, und über seinen Rücken 
lief ein Kälteschauer. 

Haggerty rief: »Zurück, du Idiot! Willst du in den Spalt 

stürzen?« 

Der Mann hielt mühsam mit seinem verwundeten Bein das 

Gleichgewicht. Sie waren nur noch zwei Yards voneinander 
entfernt. 

Noch einmal rief der Scout: »Zurück, du Narr!« 
Aber die Angst vor der Waffe in seinem Rücken beflügelte 

den Mut des Desperados. Er machte noch einen kleinen Schritt 
und wollte nach Haggerty greifen. John überlegte, ob er ziehen 
und schießen sollte. Das wäre aber nach den ungeschriebenen 
Gesetzen des Westens glatter Mord gewesen. 

Curt rief: »Leg dich flach auf den Balken, John! Ich schieße 

auf ihn!« 

Es war eine verzweifelte Situation, in der sich der Scout 

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befand. Ein Absturz mußte unausweichlich tödliche Folgen 
haben. 

Er blieb einfach stehen und starrte dem Gegner in das 

angstverzerrte Gesicht. Der Mann war irre vor Angst und 
zitterte am ganzen Körper. Blut aus seiner Beinwunde näßte 
den Balken und machte ihn schlüpfrig. 

Für John Haggerty war die Situation grauenhaft und 

lebensgefährlich. Ein verzweifelter Mensch würde alles 
daransetzen, die rettende andere Seite zu gewinnen, zumal er 
verwundet war. Wenn er, Haggerty, sein Leben retten wollte, 
durfte er keine Kompromisse eingehen. Trotzdem, umbringen 
konnte er den Outlaw einfach nicht. 

Er warf die Arme in die Höhe und stieß einen gellenden 

Schrei aus. Der Bandit zuckte zusammen, machte reflexartig 
einen Schritt zurück, glitt aus und konnte nicht mehr das 
Gleichgewicht halten. Es gelang ihm noch, mit den Händen die 
Balkenkante zu umklammern. Frei schwebte er über dem 
Abgrund. 

Haggerty stand wie erstarrt. Er versuchte sein pochendes 

Herz zu beruhigen und atmete tief durch. Langsam ließ er sich 
auf die Knie sinken. 

»Halte dich fest, du Hundesohn, ich helfe dir.« 
»Ja, ja, Mann, ich werde dich reich belohnen.« 
John setzte sich auf den Balken und ließ die Beine auf beiden 

Seiten herabbaumeln. Mit der Linken packte er den Kragen der 
schmuddeligen Lederweste und zog. 

»Wirf ein Bein über den Balken und stoß dich hoch!« 
Der Outlaw versuchte es, aber es gelang ihm nicht. 

Wahrscheinlich hatte ihn der Blutverlust zu sehr geschwächt. 
Das erhobene Bein glitt in die alte Lage zurück. John hielt fest, 
aber der Kragen der morschen Jacke riß, der schwere Körper 
sackte. 

Die Finger konnten das Gewicht nicht mehr halten und 

rutschten ab. Mit einem gellenden Schrei fiel der Mann in die 

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Tiefe. 

»Allmächtiger!« rief Miller entsetzt. »Alles in Ordnung, 

John?« 

Haggerty, noch auf dem Balken stehend, sah zu Miller 

hinüber. 

»Ja, Curt. Laß mir einen Augenblick Zeit.« 
»Alle Zeit der Welt, wenn du willst. Leg ruhig eine 

Verschnaufpause ein. Mensch, Mensch, war das eine 
aufregende Sache.« 

Ruckartig bewegte sich der Scout auf dem Balken vorwärts. 

Er riskierte es nicht mehr, sich aufzurichten und zu 
balancieren. Nach Minuten war er drüben angelangt und ließ 
sich von Miller auf festen Boden ziehen. 

Langsam erhob er sich, ging bis an den Rand des Abgrunds 

und blickte in die Tiefe. Es flimmerte vor seinen Augen. Er 
hatte den Mann zu retten versucht, das war richtig, und doch 
konnte er sich nicht von dem Vorwurf befreien, nicht alles 
getan zu haben. 

Müde drehte er sich zu Miller um und fragte: 
»Was war geschehen? Weshalb konnte er dir entkommen, 

zumal er verwundet und gehbehindert war?« 

»Meine Schuld«, erwiderte der Scout zerknirscht. »Ich ließ 

mich durch die Pferde ablenken. Ja, ja, es war allein meine 
Schuld.« 

»Reg dich nicht darüber auf, Curt. Es hat eben nicht sein 

sollen.« 

»Glaubst du an ein vorherbestimmtes Schicksal?« 
John nickte. Sein Gesicht wirkte von der Anstrengung der 

letzten Minuten noch grau und eingefallen. 

»Mann, ich hatte vielleicht Angst um dich.« 
Haggerry war mit seinen Gedanken schon wieder ein Stück 

voraus. 

»Was war mit den Pferden? Sie sind doch noch da, oder?« 
»Als ich hinter dem Kerl herlief, standen sie noch auf ihren 

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Platz. Nein, das ist's nicht. Sie wurden plötzlich unruhig, aber 
ich konnte den Grund nicht feststellen. Komm, sehen wir 
nach.« 

Sie gingen hintereinander über den Pfad bis zum Wall. Von 

den beiden Pferden war nichts mehr zu sehen. John fluchte 
lästerlich, Miller stimmte mit ein, riß seinen Hut vom Kopf und 
schmiß ihn auf die Erde. Mit den Füßen stampfte er aus Wut 
vor seiner Unaufmerksamkeit darauf herum. 

»Was bin ich für ein dämlicher Hund«, brummte er. 
John grinste. »Da kannst du recht haben, Curt. 

Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.« 

»Witzbold. Was machen wir jetzt? Ohne Pferde sind wir 

verloren.« 

Haggerty lächelte immer noch. Miller starrte ihn verwundert 

an. 

»Das schreckt dich kein bißchen, was?« 
»Nicht die Bohne«, antwortete der Chief-Scout. »Laufen wir 

eben.« 

»Das läßt dich so kalt? Fast hundert Meilen bis Fort 

Buchanan …« 

»Sechzig«, unterbrach Haggerty ihn trocken. 
»Gut, sechzig. Weit genug, um mir einen Angstschauer über 

den Rücken zu jagen.« 

»Wird schon nicht so schlimm sein.« Haggerty grinste. »Es 

ist Sommer, also warm. Wasser gibt es nicht. Unser Proviant 
ist beim Teufel, mein Gewehr ebenfalls. Wir werden von 
Skorpionen und Taranteln leben. Mahlzeit!« 

Curt Miller starrte den Freund entgeistert an. 
»John, sag' mal, hat dein – dein … Ich meine, hat dein 

Verstand gelitten? Du redest so komisches Zeug.« 

»Nicht, daß ich wüßte. Warum?« 
»Ich sagte es gerade. Du redest Blödsinn.« 
Haggerty lachte schallend. Sein Freund tippte sich an die 

Schläfe und machte ein besorgtes Gesicht. Mit einem Irren 60 

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Meilen durch die Hölle zu marschieren, nichts zu essen, nichts 
zu trinken, immer in Gefahr vor Indianern, das war mehr, als 
sein Verstand begriff. 

John machte der Komödie ein Ende. Er ergriff Curts Arm 

und ging mit ihm zusammen ein Stück näher an das Flußufer. 
Was John bereits vor Minuten gesehen hatte, sah Curt nun 
auch. Ungefähr 200 Yards weiter unten standen ihre Pferde 
mitten im Kiesbett und tauchten die Nüstern in ein Loch, das 
scheinbar Wasser enthielt. 

»Verdammt, verdammt! Warum sagtest du das nicht gleich? 

Dein Gehirn muß doch was abbekommen haben, alter 
Halunke.« 

Beide grinsten, dann lachten sie lauthals. 
»Gehen wir zusammen die Gäule holen«, sagte John. »Mal 

sehen, ob es tatsächlich dort Wasser gibt.« 

Sie stolperten über Geröll und blankgewaschenen Kies, und 

als sie dicht vor der Aushöhlung standen, sahen sie es: Wasser. 
Nicht viel, aber doch ausreichend, um die Feldflaschen zu 
füllen. 

»Eine Quelle«, sagte Miller verwundert, »mitten im Flußbett. 

Nicht zu fassen.« 

Haggerty schaute nach Westen. Die Sonne ging langsam 

unter. Es wurde kühler. Sie füllten die vier Feldflaschen, 
schnallten sie an die Sattelhörner und verließen mit den 
Pferden am Zügel das Flußbett. 

Es war heller Tag und glühend heiß. Cochise schlug einen 
Bogen um Fort Buchanan und ritt über einen langen Grashang, 
der zu Wards Ranch gehörte, auf die Paßstraße. Die Pferdehufe 
wirbelten Staub auf, der hinter dem Trupp wallte. Diese 
Staubfahne war noch in weiter Ferne zu sehen. 

Aber die Apachen sah niemand. Cochise verließ die Straße 

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und bog in einen gewundenen Seitencanyon ein. Die 
Tageshitze war hier zu ertragen. Nach zwei Stunden erreichten 
sie den Paß. Manzanitas und Speerdorn wuchsen dort und 
verbargen den geheimen Seitenweg. 

Cochise ritt schneller. Bald mußte die Station in Sicht 

kommen. Obwohl seine Mine ausdruckslos blieb, freute er sich 
auf ein Wiedersehen mit Thomas Jeffords. 

Bevor der Häuptling die Bauwerke sehen konnte, roch er den 

Rauch aus dem Schornstein. Sein Mustang witterte das Wasser 
und drängte vorwärts. Die letzte Kehre. Der Giebel des 
Haupthauses war zu erkennen, die Umzäunung, die Schmiede, 
schließlich der langgestreckte Stall und die Koppel. 

Weiße Männer standen auf dem Hof vor dem Haupteingang. 

Als sich einer umdrehte und die Indianer sah, verschwanden sie 
blitzartig in das Haus. Cochise lächelte. Sie hatten Angst vor 
Apachen, und das erfüllte ihn mit Stolz. 

Noch zwanzig Pferdelängen war er entfernt, als die 

hochgewachsene Gestalt Jeffords aus der Tür trat und zum Tor 
ging. Cochise hob die rechte Hand zum Gruß, aber seine 
freundliche Geste wurde von Jeffords nicht erwidert. 

Der Jefe zügelte sein Pony, das zur Quelle drängte, und stieg 

ab. Mit dem Pferd am Zügel trat er auf Jeffords zu. 

»Meine Augen freuen sich, einen guten Weißen 

wiederzusehen, mein Herz freut sich und meine Seele. How!« 

Jeffords blickte ihm kalt entgegen und rührte keine Hand, 

den Häuptling zu begrüßen. 

»Die Freude sollte ungetrübt sein, Jefe, aber sie ist es nicht«, 

sagte er. »Eine zerstörte Postkutsche und acht tote Weiße 
lassen keine Freude in mir aufkommen.« 

»Was ist geschehen?« 
»Das weißt du nicht?« 
»Nein, Hellauge. Ich war viele Monde weit weg von meinen 

Jagdgründen.« 

Jeffords nahm sich ein Herz. Es mußte gesagt werden, selbst 

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wenn er sich nicht an die Regeln der Gastfreundschaft hielt, die 
den Rothäuten heilig war. 

»Deine Krieger stürzten eine meiner Kutschen in den 

Abgrund. Sechs tote Pferde und acht zerschmetterte Menschen. 
Hält man

 

so Wort bei den Chiricahuas?« 

Cochise zuckte zurück. Sein Gesicht drückte Erstaunen und 

Zweifel aus. Er kniff die Augen zusammen, als er den 
Postmeister anstarrte. 

»Ein Chiricahua hält sein Wort, Hellauge«, entgegnete er 

grimmig. »Wenn es geschehen ist, wie du sagst, waren es nicht 
meine Krieger.« 

»Apache ist Apache.« 
Da war er wieder, der Unverstand des weißen Mannes, der 

alles, was eine rote Haut hatte, Apache nannte. 

»Ich sage dir, es waren keine Chiricahuas, und nur das zählt. 

Apache ist nicht Apache. Wir sind ein großes Volk mit vielen 
Führern, und unsere Sippen sind so zahlreich wie die 
Sandkörner in der Wüste.« 

Thomas Jeffords würgte seine Bitterkeit hinunter. Er wollte 

es nicht mit Cochise verderben und seiner Gesellschaft keinen 
Strich durch die Rechnung machen. Die Butterfield Overland 
war auf die Station hier oben und die Benutzung der Paßstraße 
angewiesen und konnte sich keinen Privatkrieg mit den 
Chiricahuas leisten. 

»Komm ins Haus, Cochise, du bist willkommen!« 
Der Häuptling drehte sich um, stieg auf sein Pferd und ritt 

an. Ohne Jeffords noch eines Blickes zu würdigen, trieb er sein 
Pony durch den Paßsattel und verschwand hinter der 
jenseitigen Kehre. Naiche und die beiden Krieger folgten ihm. 

Buck Tinatra, Larry Osborne und Charles Culver traten aus 

dem Haus und warfen besorgte Blicke hinter den Indianern her. 

Tinatra rief: »Was ist geschehen, Thomas?« 
Jeffords schloß sekundenlang die Augen. Er fühlte sich 

ausgelaugt. 

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»Ich glaube, ich habe einen bösen Fehler begangen, Buck. 

Ich – ich …« 

»Ja? Ist was nicht in Ordnung?« 
Jeffords zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Er wird 

es mir nie verzeihen, daß ich ihm Wortbruch unterstellte. In 
dieser Beziehung sind die Redmen empfindlich.« 

»Du hast ihm die Sache mit der Postkutsche vorgehalten?« 
»Nicht nur das, sondern auch angelastet.« 
»Bist du des Teufels, Mensch?« 
Culver trat an seine Seite. »Thomas, haben wir noch eine 

Chance?« flüsterte er. 

»Warum denn nicht?« antwortete Jeffords. »Cochise wird 

nicht gleich einen Krieg anfangen, so empfindlich ist er nun 
wieder nicht.« 

Larry Osbome schüttelte den Kopf und machte ein düsteres 

Gesicht. 

»Klingt alles nicht gut, Thomas. Jetzt braucht er nur noch 

einen weiteren Anlaß, um den roten General auf den 
Kriegspfad zu treiben. Ich halte ihn für sehr empfindlich.« 

Jeffords ging auf und ab. Er spürte eine bleierne Müdigkeit 

in seinen Beinen und ein erdrückendes Schuldgefühl. Sehr 
diplomatisch hatte er sich nicht verhalten, und seine Leute 
wußten das und kreideten ihm sein Fehlverhalten an. 

»Er reitet in seine Apacheria und wird tagelang darüber 

brüten, wie er die Scharte auswetzen kann«, sagte Jeffords 
ohne Überzeugung. 

Am liebsten wäre er Cochise nachgeritten und hätte ihn um 

Verzeihung gebeten, aber sein eigener Stolz verbot ihm das. Im 
Augenblick wußte er nicht, wie es weitergehen sollte. Er 
brauchte Cochises Schutz, um seine Kutschen sicher über den 
Paß zu leiten. 

Thomas Jeffords seufzte und ging ins Haus. Osborne und 

Tinatra sahen sich an. In ihren Blicken versteckte sich 
Ablehnung. Galt sie Jeffords? Larry zog die Schultern hoch, 

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ging zum Stall. Buck sprach mit Charles Culver, aber sie 
redeten nur über Nebensächliches. Die Sonne ging unter und 
färbte den Himmel rosa und golden. Graue und violette 
Schatten hüllten die Berge ein. Der Wind frischte auf. 

Culver fragte: »Was hältst du von dieser Geschichte? Übel, 

was?« 

»Sie kann es werden«, erwiderte Buck Tinatra. Besorgnis 

klang aus seiner Stimme. 

»Wie werden?« wollte Culver wissen. 
»Ich bin kein Hellseher. Meine Erfahrung mit Apachen ist 

nicht groß. Was geht in ihrer Seele vor? Wie denken Sie? Wie 
handeln sie? Ich weiß das alles nicht und kann deine Frage 
nicht beantworten. Fest steht nur, daß es sehr schlimm werden 
wird, wenn Cochise den Befehl zur Vernichtung der Station 
gibt.« 

»Können wir gar nichts tun?« 
»Nichts«, erwiderte Buck. »Alles hängt nun von Cochise und 

seinen Chiricahuas ab. Das haben wir Thomas zu verdanken,« 

»Siehst du nicht etwas zu schwarz?« 
»Möglich. Ich will nichts Bestimmtes andeuten, aber ich 

schätze, daß wir mächtig auf der Hut sein müssen. Wachen Tag 
und Nacht. Patrouillen in die nähere und weitere Umgebung. 
Larry und ich haben unsere früheren Ritte eingestellt, nachdem 
es ruhig hier oben geworden war. Ich glaube nicht, daß 
Chiricahuas die Kutsche angriffen. Ein Heuchler ist dieser 
Cochise nicht. Das sehe ich ihm an. Er kam völlig unbefangen 
hier herauf und wollte Thomas begrüßen. Scheiße!« 

Er spuckte aus, ließ Culver stehen und folgte Larry Osborne 

in den Stall. 

Thomas Jeffords saß im dunklen Raum, Kopf und Rücken 
gegen die warme Mauer gepreßt, und hing seinen Gedanken 

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nach. Er war als Habenichts aus dem Osten gekommen, hatte 
sich bei der Butterfield emporgearbeitet und für seine Existenz 
gekämpft. Nun saß er mit offenen Augen in der Dunkelheit und 
stellte sich vor, wie es sein würde, wenn er noch einmal 
versagte und die Gesellschaft ihn wegen Unfähigkeit feuerte. 

Er kam sich hilflos vor. Alles hatte er verpatzt, Cochise vor 

den Kopf gestoßen und eine neue Gefahr für die 
Postkutschenlinie heraufbeschworen. 

Plötzliche Kälte rann trotz der Tageshitze über seinen 

Rücken. Er wußte auf einmal, was er zu tun hatte. Er mußte zu 
Cochise reiten, versuchen, dem Jefe zu erklären, daß die Pferde 
mit ihm durchgegangen waren. Es blieb ihm nichts anderes 
übrig: er mußte sich entschuldigen und sich mit Cochise 
versöhnen. 

Thomas stand auf, trat in die offene Tür. Die Stille wirkte 

bedrückend, lähmend. Was ging draußen in der Nacht vor? 
Lauerten sie schon in der Nähe? Oder waren sie weitergezogen, 
wie es den Anschein hatte? 

Jeffords starrte in die Dunkelheit. Da war nichts, was ihm 

Furcht einflößte. Und doch hatte er ein Gefühl, das an 
Todesahnung grenzte. Sosehr er sich auch einredete, daß alles 
Unsinn war, das Gefühl wich nicht. 

Aus dem hinteren Teil des Hauses drangen lautes Lachen 

und klatschende Geräusche. Seine Freunde spielten Poker. Den 
Vorfall hatten sie schon wieder vergessen oder gewaltsam 
unterdrückt. 

Spontan entschloß sich Thomas Jeffords, den ersten Bußgang 

seines Lebens zu machen und vor Cochise niederzusinken mit 
flachen Händen, die um Vergebung baten. In dieser und in der 
nächsten Woche ging es nicht. Er mußte nach Tombstone, um 
dem froschäugigen Ron Ballard, den sie nur »Fatty« nannten, 
von der Vernichtung der Concord zu berichten. 

Er tat es ungern, aber es mußte sein. Die Gesellschaft war 

gezwungen, eine neue Kutsche auf der Strecke einzusetzen und 

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sich außerdem Gedanken zu machen, wie der Weg über den 
Paß abgesichert werden konnte. 

Die Hitze des Tages hatte sich verflüchtigt, und ein kühler 

Wind wehte durch den Canyon. Thomas Jeffords trat vor das 
Tor hinaus. 

Keine noch so ausgereifte Überlegung half ihm. Er mußte 

zuerst nach Tombstone und danach zu Cochise. Entschlossen 
ging er ins Haus zurück. Er mußte mit seinen Leuten eine 
Lagebesprechung ansetzen, damit er seine ständig sich 
steigernde Spannung abbauen konnte und wieder Format 
gewann. 

Thomas ging zur hinteren Flurtür, klopfte, trat ein und blieb 

im grellen Licht der Kerosinlampe stehen. Seine beiden 
Freunde schienen das Vertrauen zu ihm verloren zu haben. 
Culver wirkte ungeduldig. Er verstand es, einen fühlen zu 
lassen, was er empfand. 

Jim Walsh wanderte auf und ab. Walker und Kelly lehnten 

an der Wand und wichen seinem Blick aus. James Wallace saß 
breitbeinig auf einem Stuhl und ließ seine großen Fäuste 
zwischen seinen Knien baumeln. 

Thomas zupfte an seiner Unterlippe. »Freunde«, sagte er, 

»wir müssen eine Entscheidung treffen. Unser Proviant geht zu 
Ende. Wir haben kaum noch Futter für die Tiere. Die 
Trockenheit hier oben in den Bergen läßt das Gras langsamer 
wachsen. Was tun?« 

Sie zuckten die Achseln. Keiner von ihnen hatte einen 

Vorschlag zu machen, der Jeffords' Sorgen hätte mildem 
können. 

»Die Apachen greifen nachts nicht an«, sagte Larry Osbome. 

»Wir könnten in einer Nacht nach Tombstone durchbrechen. 
Das ist es doch, was du meinst?« 

»Nein. Ich meine etwas ganz anderes. Was wird sein, wenn 

Larry und Buck mit mir zusammen nach Tombstone reiten? 
Greifen die Rothäute an, sind nicht genug Leute hier, um die 

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Station zu verteidigen.« 

»Du rechnest mit einem Angriff Cochises?« fragte Walsh. 
»Nein. Aber es könnten Mimbrenjos oder Tontos versuchen, 

ein paar Skalps zu erbeuten. Nach meiner Rückkehr breche ich 
sofort zu Cochise auf und bitte den Häuptling um gutes Wetter. 
Hat jemand Vorschläge?« 

Sie schwiegen sich aus. 
Jeffords begriff nicht, warum es nicht anders sein konnte. 

Offenbar hatten sie Angst. Es ist schwierig, ängstliche 
Menschen zur Ausführung bestimmter Pläne zu bewegen. Wie 
sehr er irrte, erfuhr er erst viel später. 

Thomas richtete sich auf. Schließlich war er der 

Stationsleiter. 

»Morgen abend, kurz nach Anbruch der Dunkelheit, reiten 

Buck, Larry und ich nach Tombstone. Wir sind in vier bis fünf 
Tagen mit etlichen Maultieren zurück. Inzwischen müssen wir 
auf Gott vertrauen, daß hier oben nichts passiert.« 

54 Dragoner standen abmarschbereit auf dem Paradefeld. Mit 
ihren Pferden. 

Alle starrten auf Lieutenant George N. Bascom vor der 

Front. Hinter ihm am linken Flügel Sergeant Hurt Hartfield. 
Colonel Brigham verabschiedete den jungen, ehrgeizigen 
Offizier. Er wies zu John Ward hinüber, der vor der 
Kommandantur wartete. Ward stieg in den Sattel und gesellte 
sich zu Bascom. 

Der zerrte sein Pferd herum und befahl mit gellender 

Stimme: 

»Kompanie – aufsitzen!« 
Rasseln und Klappern von Metallteilen. Die Dragoner 

schwangen sich in die Sättel. Der nächste Befehl hallte über 
den Platz: 

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»Kompanie, rechts – schwenkt! Anreiten!« 
Der Hornist blies »Gott schütze unseren langen und 

schweren Weg …« Das schwere Tor wurde geöffnet. Die 
Posten legten grüßend die Hände an ihre Käppis. Bascom, der 
junge Lieutenant aus West Point, setzte sich an die Spitze und 
legte die Rechte grüßend an den Feldhut. 

Standartenträger und John Ward rückten auf und ritten neben 

Bascom. Hinter der Truppe verklang das Trompetensignal über 
Fort Buchanan. 

Es ging zur Paßstraße hinauf. Hart klapperten die 

beschlagenen Hufe der Pferde. 

Die Soldaten schwiegen. Der Wind wehte Staub in ihre 

Gesichter, und sie mußten die Lippen geschlossen halten. Vor 
ihnen lagen die Dragoon Mountains. 

Bascoms Augen musterten kalt und geringschätzig die 

feindliche Landschaft. Mit einer Kompanie Dragoner würde er 
die Welt aus den Angeln heben und jeden Angriff abschlagen. 
Kein Apache war auch nur einem einzigen seiner Soldaten 
gewachsen. Dachte er. Er war an die Grenze gekommen, um in 
seiner Laufbahn als Offizier schneller zu klettern. 

»War Colonel Brigham mit der Entsendung der Truppe zum 

Apache-Paß einverstanden?« fragte Ward und blickte zu dem 
tiefen Einschnitt im Gebirge hinauf, der wie ein drohend 
gekrümmter Finger aussah. 

Bascom sah ihn erstaunt an. »Er hatte immer schon eine 

andere Einstellung zu Indianern als ich.« 

»Und wie ist seine Einstellung?« 
»Sehr human. Ich dagegen kann sie nicht leiden. Sie sind 

falsch und hinterhältig, brutal und unberechenbar.« 

»Ganz meine Meinung. Sehen Sie mal geradeaus, Mr. Ward. 

Was ist das dort vorn am Hang?« 

Ach, du liebe Güte! dachte Ward. Das Kerlchen hat in 

seinem Leben noch keine Kuh gesehen. Laut sagte er: 

»Rindviecher, Sir, viele Rindviecher. Sie gehören mir.« 

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»Was? Sie lassen die Herde hier oben beim Paß weiden?« 
»Wo denn sonst? In der Wüste gibt es kein Gras, und davon 

leben sie nun mal.« 

»Das weiß ich auch«, erwiderte der Offizier scharf. »Warum 

sind Sie auf einmal so zynisch?« 

»Bin ich das?« 
»Das finde ich, ja.« 
Ward sah ihn von der Seite her an. 
»Sie sind der Befehlshaber dieser Truppe, Lieutenant, und 

Sie können Ihren großen Wirbel bei Ihren Untergebenen 
veranstalten, nicht aber bei mir. Ich jedenfalls höre mir Ihr 
dämliches Gequatsche nicht länger an. Ihnen brauche ich 
bestimmt nicht zu erklären, welchen gefährlichen Job ich für 
die Armee übernehme. Ein Ritt ins Apachenland! Ich muß 
Ihnen auch nicht lang und breit auseinandersetzen, wie sehr Sie 
mich mit Ihrem Getue und Ihrem gespielten Heldenmut 
ankotzen.« 

Bascoms Gesicht drückte Verblüffung, Scham und einen 

geradezu infernalischen Haß auf den Rancher aus. Doch er 
beherrschte sich. Doch was er antwortete, klang bissig. 

»Was tun denn Sie fairer, großer Mann. Sie verlangen, daß 

ich Ihren Indianerbastard aus dem Nichts zaubern soll. Alles 
Lug und Trug. Dem Colonel konnten Sie was vormachen, mir 
nicht.« 

»Was soll das heißen?« 
»Daß Sie den Colonel schamlos belogen. Pinal-Apachen 

raubten den Jungen, aber doch keine Chiricahuas.« 

»Wenn Sie das wußten, warum drängten Sie sich nach dem 

Kommando?« 

»Weil es in meine Pläne paßt. Was Sie sich allerdings dabei 

gedacht haben, wird mir ein Rätsel bleiben. Ich glaube Ihnen 
von heute an kein Wort.« 

»Dann lassen Sie es, Sie Apachenschreck. Machen Sie 

rechtzeitig einen Plan, was Sie am Paß eigentlich wollen. Felix 

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ist nicht bei den Chiricahuas.« 

»Ich habe Order, nach dem Bastard zu suchen, und das werde 

ich tun. Notfalls auf meine Art. Cochise werde ich zwingen, 
den Jungen herbeizuschaffen.« 

»So habe ich mir das gedacht. Im Grunde ist mir der Bankert 

egal. Ich will nur Ruhe haben vor Jesusas Klagegeschrei. Ruhe, 
verstanden?« 

Beide schwiegen. Sie hatten ihre Absichten bloßgelegt und 

kannten sich nun. Stunden danach erreichte die Truppe den 
Paßsattel. Die Station tauchte auf. Ward setzte sich nach hinten 
ab und kam erst wieder an die Spitze, als er Männer aus dem 
Haus treten sah. Bascom hob sich im Sattel. 

»Kompanie – halt! Absitzen!« Bascom wandte sich an den 

vierschrötigen Mann, der nach Pferdeschweiß roch. 

»Sind Sie der Boß?« fragte er und hielt ihm die Rechte hin. 

Jim Walsh übersah sie geflissentlich. Er mochte keine 
Uniformierten und ließ Bascom es deutlich merken. 

»Nein.« 
»Wer leitet die Station?« 
»Mr. Jeffords ist nach Tombstone geritten. Ein Glück, daß 

Sie mit den Soldaten gekommen sind. Seit gestern spukt's hier 
in der Umgebung.« 

»Was soll das heißen?« 
Walsh zeigte auf eine zerfaserte Wurzel. »Das Ding hing 

heute morgen am Tor. Können Sie sich einen Reim darauf 
machen?« 

Ward hob die Wurzel auf. Die dünnen Fäden waren bunt 

angemalt, der Hauptstock in der Mitte gespalten. Eine 
schwarze Feder klemmte in dem Spalt. Das Ding war nicht 
länger als ein Unterarm. Bascom starrte die Wurzel an. Ekelte 
sich, die bemalte Stelle zu berühren. 

»Was bedeutet das?« 
Ward machte ein besorgtes Gesicht. 
»Warnung«, sagte er. »Krieg, Überfall, Kampf, Skalps. Sie 

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haben für jeden Begriff eine andere Farbe. Der Station droht 
Gefahr.« 

»Allmächtiger!« Walsh schnappte nach Luft. 
»Seien Sie still«, sagte Bascom. »Meine Soldaten bleiben 

hier, bis Mr. Jeffords wieder zurück ist.« Er wandte sich an 
Ward: »Sie sind sicher, daß es sich bei diesem widerlichen 
Fetisch um eine Botschaft handelt?« 

»Absolut.« 
»Apachen?« 
Ward nickte, starrte auf das Wurzelwerk. 
»Wozu machen sie es?« 
»Sie wollen die Weißen einschüchtern.« 
»Was geschieht, wenn sie feststellen, daß Soldaten im Paß 

biwakieren?« 

»Keine Ahnung. Entscheidend ist, wer sie führt. Bei Victorio 

kommt es zweifellos zum Kampf. Ist's nur ein Unterhäuptling 
… Ich weiß es nicht, verdammt!« 

Hurt Hartfield salutierte. 
»Darf ich Lager aufschlagen lassen, Sir?« 
»Natürlich, Sergeant.« 
»Und wo, Sir?« 
Bascom wies auf die Grasfläche jenseits des Zaunes. 
»Nur kleine Kochfeuer, doppelte Wachen und 

vorgeschobene Posten, die sich alle halbe Stunde ablösen.« 

»Jawohl, Sir.« 
Der Sergeant machte eine zackige Kehrtwendung und 

verschwand. 

Cochise saß grübelnd am Feuer. Im Lager herrschte absolute 
Stille. Auf der anderen Seite der wärmenden Flammen saß 
Nahlekadeya. Sie nähte an einem neuen Paar Mokassins für 
den Jefe. 

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Cochise hatte Sorgen, das sah sie ihm an. Irgend etwas hatte 

ihn aus dem Gleis gebracht, nur was es war, hätte sie wohl nie 
erfahren. 

Krieger waren nicht sehr gesprächig zu ihren Squaws, und 

wenn sie redeten, betraf es allgemeine Dinge. Cochise sprach 
nie darüber. 

Nahlekadeya war deshalb erstaunt, als Cochise den Kopf hob 

und sie fragte: 

»Was würdest du tun, wenn ein guter Freund dich beleidigen 

und aus seinem Lager stoßen würde?« 

Mit wohlklingender Stimme antwortete sie ruhig: 
»Es kann kein so guter Freund sein, wenn er das tat. 

Verachte ihn, Koh-Cheez.« 

»Das kann ich nicht. Einen roten Krieger kann ich deswegen 

verurteilen und ihm meine Verachtung zeigen, aber keinem 
Weißen.« 

»Und weshalb nicht? Sind sie nicht ebenso Menschen wie 

wir?« 

»Doch, doch«, sagte Cochise. »Er ist bei seinem Volk ein 

großer Jefe, der die Kutschen beherrscht, die immer mehr 
Bleichgesichter in unser Land bringen. Ich kenne die Sitten und 
Gebräuche der Weißen nicht so gut, um über sein Verhalten zu 
Recht oder zu Unrecht zu befinden. Ich bin hilflos und 
verunsichert.« 

»Darf ich den Jefe fragen, was ihm widerfahren ist?« 
Cochise erzählte, was ihm beim Apache-Paß passiert war. 

Am Schluß sagte er: »Ich frage mich, ob ich ihn töten oder 
lieben soll, ob ich ihm dankbar sein muß für seinen Hinweis, 
oder ob ich sein Haus abbrennen soll wegen der frevlerischen 
Verleumdung?« 

»Wer hat seine Kutsche zerstört, Chiricahuas?« 
»Mimbrenjos. Sie sind die hinterhältigste Sippe der Apachen. 

Dasoda-hae war der größte Jefe aller Stämme und ein 
Mimbrenjo, aber Victorio ist nichts weiter als ein Aufwiegler 

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und hinterhältiger Mörder, der seine eigenen Taten den 
Chiricahuas anlastet und nach Mord und Brandschatzung 
wieder in der Reservation verschwindet.« 

»Ist das wirklich so?« 
Cochise nickte. »Wenn ich wie ein Hund von den Weißen 

Brot nehme, darf ich die segensreiche Hand nicht beißen. Tue 
ich's doch, wird sich diese gute Hand gegen mich wenden und 
den Hund erschlagen.« 

»Du bist der Jefe aller Apachen, genau wie es Dasoda-hae 

damals war. Warum befiehlst du ihm nicht, mit den Untaten 
aufzuhören?« 

»Er ist mir keine Treue und keinen Gehorsam schuldig.« 
»Du bist der Jefe«, sagte sie noch einmal eindringlich. 
»Ja, deswegen werde ich auch handeln. Ich habe eingesehen, 

daß ich Jeffords Unrecht tat: Ich werde morgen zum Paß reiten 
und mich entschuldigen. Ich bin nicht der Hund, der die gute 
Hand beißt. Du und Nachise werden mich begleiten. Außer 
euch beiden Naretana, mein Bruder, seine Söhne Yadalanh und 
Giannatah. Naiche wird im Lager bleiben und die jungen 
Männer von Torheiten abhalten. How!« 

Nahlekadeya wußte, daß es nichts mehr zu sagen gab. 

Cochise hatte sich entschieden. 

Haggerty und Miller hockten mit untergeschlagenen Beinen 
beim Feuer und starrten schweigend und nachdenklich in die 
Flammen. Schwacher Rauch verbrennenden Holzes zog über 
den Pfad nach oben. 

»Du meinst also Gold?« 
»Was denn sonst? Bei Tageslicht sehen wir uns die Sachen 

an. Anschließend begraben wir die beiden Bastarde und 
machen uns aus dem Staub.« 

»Weshalb diese Eile?« 

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»Man wird die Wüstenregion leid und sehnt sich nach der 

Zivilisation, wenn man lange genug in ihr herumstolpert. 
Geht's dir nicht auch so?« 

Curt nickte. »Hast du 'ne Vermutung, was zwischen diesen 

drei Kerlen vorgefallen sein kann? Grundlos bringt man doch 
keinen Menschen um.« 

»Streit, was weiß ich. Streit um Gold oder um das, was sie 

dort unten im Spalt fanden oder zu finden hofften. Morgen 
werden wir's wissen.« 

Curt stand auf, räumte das benutzte Geschirr und die Pfanne 

zur Seite, rieb sie mit Sand aus und stellte sie so auf einen 
Stein, daß er sie am nächsten Morgen sofort wieder benutzen 
konnte. Danach ging er zu den Pferden, gab ihnen Wasser und 
hängte den Tieren die Futterbeutel um. 

»Ich würde gern wissen, wo wir genau sind«, sagte er über 

die Schulter. 

»Zehn bis zwölf Meilen nördlich von Anson City. Das Kaff 

liegt auf der Grenze zwischen Neu Mexiko und Chihuahua. 
Vor einhundertfünfzig Jahren sollen Jesuiten in diesem Gebiet 
nach Gold gesucht und auch gefunden haben.« 

»Dann handelt es sich bei dem Loch dort unten um eine 

Jesuitenmine?« 

»Möglich, Curt. Was soll's. Sind wir Goldgräber oder 

Scouts?« 

»Schlechtbezahlte Scouts. Es könnte nicht schaden, wenn wir 

einen Hut voll von diesem edlen Metall fänden. Lily jedenfalls 
würde sich mächtig freuen.« 

»Aha, Lily. Hat dir die grünäugige Hexe den Kopf verdreht, 

alter Schwede?« 

»Kommt darauf an, wie man es auslegt, John. Wir hatten vor 

langer Zeit beschlossen, zu heiraten. Je länger wir warten, 
desto ungeduldiger wird sie. Am Ende findet sie einen anderen 
Freier, der sie vom Fleck weg nimmt, und ich habe das 
Nachsehen.« 

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Haggerty lachte. Miller stimmt in das Lachen ein. 
John Haggerty stand auf, nahm seine Deckenrolle und 

breitete sie abseits der immer kleiner werdenden Flammen aus. 

»Gehen wir schlafen«, sagte er. Grinsend fügte er hinzu: 

»Ohne Lily.« 

Miller wachte zuerst auf. Es war schon fast Tag. Der östliche 

Himmel stand in vollem Licht und wurde von Minute zu 
Minute heller. Curt schälte sich aus den Decken, sammelte 
Holz und entfachte das Feuer wieder. Aus der Feldflasche 
füllte er den flachen Wasserkessel und stellte ihn auf die 
Kochmulde. Haggerty blinzelte in den neuen Tag hinein und 
warf die Decken ab. 

»Du hast wohl keine Ruhe im Hintern, wie? Was gibt's zum 

Frühstück?« 

»Freie Auswahl, John. Ganz wie's beliebt. Bohnen mit Speck 

und Tortillas oder Tortillas mit Bohnen und Speck. Dazu 
Kaffee, schwarz und heiß wie die Hölle.« 

»Klingt gut. Ein Stück Fleisch kannst du nicht anbieten?« 
Miller drehte sich um die ganze Himmelsrose. 
»Tut mir leid, mein Herr. Um diese Zeit schlafen 

Klapperschlangen, Skorpione und Taranteln noch. Vielleicht 
zum Mittagessen, he?« 

Sie lachten und fühlten sich den Strapazen des neuen Tages 

wieder gewachsen. Nachdem sie gefrühstückt und ihre Decken 
eingerollt hatten, löschte Miller die Glut mit Sand und Kies. 

Sie ließen die Pferde in ihrem Versteck und machten sich auf 

den Weg, um den Stollen, oder was immer es war, genau in 
Augenschein zu nehmen. 

Hintereinander balancierten sie über den Felsspalt. John 

vermied es, einen

 

Blick in die Tiefe zuwerfen. Der Tote auf 

dem Grund des vor Urzeiten entstandenen Risses störte ihn. 

Bei dem Loch blieben sie zunächst stehen, um sich die 

Gegend anzuschauen. Inzwischen war es heller geworden. Im 
Süden stieg eine dünne Rauchfahne auf. Haggerty fuhr sich mit 

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der Hand über die Bartstoppeln. Weiter im Westen sah er ein 
zweites Rauchsignal, ein drittes und ein viertes weit entfernt. 
Er wußte, daß es nach Süden und Westen hin keinen Ausweg 
mehr gab. 

Die beiden Scouts wechselten einen knappen Blick, nickten 

sich zu und verstanden sich ohne Worte. 

»Ich steige ein«, sagte John und warf einen spähenden Blick 

in den senkrechten Stollen. »Während ich unten bin, gibst du 
ein wenig acht auf die Umgebung. Alles klar, Curt?« 

»Okay.« 
Gleich darauf stand John Haggerty in dem übermannshohen 

Loch. Der Rand reichte gerade bis an seine Hutkrone. Der 
Stollen führte schräg in die Tiefe und verlor sich in Finsternis. 

»Ich brauche was zum Leuchten, Curt. Gib mir deine 

Zündhölzer.« 

Er bekam sie, bückte sich und folgte dem Stollen nach unten. 

Alle paar Schritte blieb er stehen, riß ein Streichholz an und 
musterte die Wände in dem kurzen, flackernden Licht. 

»Natürlicher Stollen, von Menschenhand bearbeitet.« Sein 

Murmeln verhallte wie das drohende Flüstern 
menschenfeindlicher Berggeister. Über Johns Rücken glitt ein 
Schauer nach dem anderen. 

Vorsichtig tastete er sich auf dem glatten, abschüssigen 

Steinboden weiter. Der Gang machte eine Wende. An seinem 
Ende wurde es heller. Wie ein grauer Ballon hing die 
Stollenmündung vor ihm in der Dunkelheit. 

Als er in das diffuse Licht hinaustrat, blieb er stehen und 

blickte nach oben. Miller starrte herunter und hob sich scharf 
gegen den Himmel ab. 

»Hast du was gefunden?« 
»Bis jetzt nicht«, antwortete John. »Warte.« 
Er ging zu den Geräten und versuchte herauszufinden, aus 

welcher Zeitepoche sie stammten. Sie wirkten alt und waren 
zum Teil verfallen. Spitzhacke, Schaufel und ein schwerer 

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Hammer lagen wahllos verstreut neben verrosteten Meißeln 
und anderen Werkzeugen. 

John musterte die Wände der Spalte. Quarzstreifen. 

Rosenquarz mit gelben Einsprengungen. Er kramte seine 
Kenntnisse über die Goldgewinnung zusammen und kam zu 
dem Schluß, daß er einen »Blowup«, eine geologische Schicht 
mit einem Erzaustritt, vor sich hatte. Vor Jahrhunderten war 
hier nach Gold gegraben worden. Vermutlich waren es Jesuiten 
gewesen. 

Achselzuckend wandte er sich dem Toten zu. Er durchsuchte 

dessen Taschen, fand aber keinen Hinweis auf die Person des 
tödlich verunglückten Mannes. Fest stand, daß die drei Outlaws 
durch einen Zufall auf das Erzlager gestoßen sein mußten. 
Gearbeitet hatten sie dort unten nicht. Es war möglich, daß sie 
am selben Tag wie die Scouts oder einen Tag früher hier 
angekommen waren. 

Was sich unter ihnen abgespielt hatte, sollte für alle Zeiten 

verborgen bleiben. Tote reden nicht. Im Hintergrund des 
Erdrisses sah John einen niedrigen Stollen. Er ging hin. 
Abraum lag vor dem runden Loch. Aber er war ebenso alt wie 
alles andere. 

Haggerty hob den Toten hoch und trug ihn zu dem 

Kurzstollen, schob ihn hinein und verschloß die Öffnung mit 
Felsbrocken. Als das, Grab geschlossen war, nahm er den Hut 
ab und blieb ein paar Sekunden stehen. Ein Gebet zu sprechen, 
vermochte er nicht. 

John setzte seinen Hut auf und ging zum anderen Spaltende. 

Überall Quarzstreifen, glitzernde Einsprengungen: Gold. 

»Verdammt und zugenäht, John, was gibt's da unten zu 

sehen? Ich bin gespannt wie ein Paukenfell, und du sagst kein 
Wort.« 

»Ich komme nach oben«, antwortete Haggerty. »Hier unten 

ist absolut nichts, worüber es sich zu reden lohnte. Warte einen 
Moment.« 

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Nach einer mühsamen Kraxelei in dem niedrigen Stollen 

gelangte er wieder ans Tageslicht. Curt half ihm aus der Grube. 

»Gold gefunden?« fragte er erwartungsvoll. 
»Nichts. Ein paar Quarzgänge, aber es dürfte sich kaum 

lohnen, sie abzubauen. Alter Krempel, wie man ihn vor 
hundertfünfzig Jahren bei Minenarbeiten verwandt hatte. 
Morsch, verrostet. Reiten wir.« 

»Nach Westen?« Der Freund hatte sich wieder beruhigt und 

schien nicht enttäuscht zu sein. 

»In die Hände der Apachen? Nein. Wir folgen dem 

Trockenbett und weichen in nördliche Richtung aus. Nach fünf 
bis sechs Meilen schlagen wir einen Bogen nach Westen und 
müßten in der Nähe von Fort Buchanan herauskommen.« 

»Okay«, sagte Miller. »Verduften wir.« 

Die Sonne ging auf. Ihre Strahlen glitten zaghaft über das 
Plateau hoch über dem Apache-Paß. Die Stille des frühen 
Tages und der Holzrauch, der aus dem Paß wehte, machten den 
hochgewachsenen Indianer vorsichtig. Er glitt von seinem 
Pinto, ließ ihn bei seinem Sohn zurück, näherte sich dem 
Abgrund und warf einen besorgten Blick in die Tiefe. 

Zelt an Zelt reihte sich auf dem Fuhrhof der Station. 

Insgesamt zählte er sieben spitze Zelte und ein flaches. Zwei 
kleine Kochfeuer brannten. Verstört wandte sich Cochise an 
Naiche: 

»Pferdesoldaten. Das bedeutet nichts Gutes, Sohn.« 
Naiche schwang sich vom Rücken seines Braunen und ging 

mit dem Jefe zurück bis an den Steilabfall der kleinen Mesa. In 
diesem Augenblick trat der Trompeter vor ein Zelt und blies 
zum Wecken. Weit schallten die Töne durch das Bergland. 

Gleichzeitig warf die Sonne eine Flut farbigen Lichtes in die 

Canyons. Cochise stand allein. Naiche zog sich ein Stück 

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zurück, um den Jefe nicht zu stören. 

Cochise breitete die Arme aus, der Sonne entgegengestreckt. 

So stand er mehrere Minuten. Betete er? Rief er die Spenderin 
allen Lebens an, ihm beizustehen auf seinem Gang zu Thomas 
Jeffords? 

Das Bild dieses Indianers, würdevoll und stolz in der 

Haltung, den Kopf im Nacken, das bronzenfarbene Gesicht mit 
der Adlernase und dem kantigen Kinn dem Glutball 
zugewandt, glich dem eines Gottes irgendeiner heidnischen 
Religion. 

Sein Blick glitt über die fernen Berge, die 9000 Fuß hoch 

aufragten, über die Wüste mit ihren Trockenzonen, den 
zahlreichen tief eingeschnittenen Canyons und Hochtälern. 
Sein Land und der Lebensraum seines Volkes. 

Die Sonne war bis zur Hälfte ihrer Scheibe über das 

zerklüftete Bergland gestiegen und kletterte weiter. Cochise 
ließ die Arme sinken, blieb aber stehen. Wenn die Soldaten 
unter ihm nicht gewesen wären, hätte er sich ruhiger gefühlt 
und wäre hinabgeritten. 

Aber so vorsichtig er selbst auch war, es gab keine Erklärung 

für die Anwesenheit der Reitersoldaten. Die blauen Uniformen 
störten ihn. Verzweifelt wehrte er sich gegen den Gedanken, 
Weißauge Jeffords habe wegen der Überfälle in der letzten Zeit 
den Schutz der Langmesser angerufen. 

Cochise glaubte es nicht, wollte und durfte es nicht einmal in 

Erwägung ziehen. Wortbruch war den Chiricahuas unbekannt. 
Ein gegebenes Wort bedeutete ihnen mehr als ein Vertrag mit 
sieben Siegeln. 

Der berühmte Häuptling wirkte wie ein Monument. Seine 

königlich zu nennende Haltung in dem weißen Lederjagdhemd, 
den verzierten Leggins aus dem gleichen Material und den 
kniehohen Mokassins, an den Seiten mit Borsten und Zähnen 
des schwarzen Wildschweines und hellen Perlen verziert, war 
wie ein Symbol der Auflehnung gegen die Vergewaltigung 

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seines Volkes durch die Weißen. 

Zwischen den Zelten tummelten sich Soldaten, gingen 

abwechselnd zur Quelle und wuschen sich. Scherzrufe tönten 
herauf. 

Cochise wandte sich ab. Seine Bewegungen, geschmeidig 

wie die einer Raubkatze, wurden an diesem Morgen von den 
unerwarteten Eindrücken gedämpft, die sich lähmend auf seine 
Sinne legten. 

Sein buntbesticktes Stirnband leuchtete im Sonnenlicht und 

verlieh seinen strengen Zügen mit der hochfliegenden Stirn 
etwas Majestätisches. Man kannte ihn weit über die 
Landesgrenzen hinaus. Längst war sein Ruf bis in den fernen 
Osten gedrungen. Man fürchtete ihn bei den Weißen wegen 
seiner Härte, aber man verehrte ihn auch wegen seiner Klugheit 
und schätzte ihn als einen Häuptling, dessen Weisheit und 
politische Fairneß dazu beitrugen, daß der zwangsläufig 
geschlossene Frieden Bestand hatte. 

Er, Cochise, war der Häuptling aller Apachen, der Jefe. Ein 

König in seinem Reich, der mit der linken Hand mild regierte 
und mit der Rechten die Zügel hielt. 

Kurz sagte er: »Wir reiten.« 
»Zu den Pferdesoldaten, Cochise?« Naiches Stimme klang 

belegt. 

»Zu Hellauge Jeffords.« 
Mit einem gewaltigen Satz sprang er über die Pferdegruppe 

auf die Satteldecke und ergriff die Zügel. Über einen 
gewundenen Weg gelangten sie in den Paß. Kühl und feucht 
war es dort unten. Die Luft duftete nach Kiefern und 
Wacholder. 

Cochise gebot seinem Gefolge, ein paar Pferdelängen 

zurückzubleiben. Er rechnete mit einem Schock der Weißen, 
wenn sie sich unverhofft Chiricahuas gegenübersahen. 

Zwei Soldaten hielten auf einer Anhöhe Wache. Ihre 

Aufmerksamkeit galt eher ihren Kameraden bei den Feuern als 

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der Paßstraße. Trotz der aufgestellten Wachen wäre es 
Apachen eine Leichtigkeit gewesen, das Lager zu umstellen 
und im passenden Augenblick zuzuschlagen. 

Der Wachtposten fuhr herum und hob das Gewehr. Die 

Soldaten an den Feuern richteten sich auf und starrten 
schreckensbleich auf die Indianer. Wieder hatte Cochise das 
Gefühl uneingeschränkten Triumphes, als er ihre Angst 
erkannte. Zwei Zivilisten drängten nach hinten, ein schlanker 
Offizier griff nach seinem Revolver. 

Angst und Hektik bestimmten die Bewegungen der 

Langmesser. Innerlich lächelte Cochise. Apachen wären längst 
auf und davon und hätten aus dem Hinterhalt gekämpft. Die 
Weißen aber blieben wie hypnotisiert stehen. 

Er parierte sein Pony. Lieutenant George Bascom kam 

gespreizt wie ein Pfau heran und warf sich in die Brust. 

»Wer bist du, Rothaut? Du wagst es, in das Lager von 

Soldaten zu kommen? Siehst du denn nicht, daß mehr als 
fünfzig Gewehre auf dich gerichtet sind?« 

»Ich sehe keine Gewehre«, erwiderte Cochise höflich. 

»Zeige sie mir.« 

Bascom wurde rot. John Ward gewann seine rüde Sicherheit 

wieder und drängte sich durch die Soldaten. Er blieb bei 
Bascom stehen. Vergeblich suchte er die Kriegsbemalung in 
Cochises Gesicht. Bascom überspielte seine Unsicherheit mit 
einem schnarrenden Befehlston. 

»Ich habe gefragt, wer du bist.« 
»Cochise.« 
Bascom zuckte förmlich zusammen. Er betrachtete die 

Rothaut genauer und sah die kältesten braunen Augen, die ihm 
je begegnet waren. Je mehr er versuchte, seine Sicherheit 
wiederzugewinnen, desto weniger gelang ihm das. 

»So, du bist Cochise? Dich habe ich mir anders vorgestellt. 

Du bist also der Indianer, der das ganze Grenzgebiet in Aufruhr 
bringt?« 

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Cochise starrte den Weißen ausdruckslos an. Er hörte die 

Aggressivität aus Bascoms Stimme und hielt sich zurück. 

»Ich habe mit dir gesprochen«, knurrte Bascom. »Du weißt 

doch hoffentlich, wie ein Offizier aussieht?« 

Ward wandte sich an Bascom. »Machen Sie keine 

Schwierigkeiten, Lieutenant«, sagte er hastig. 

Cochise ließ seinen Blick über das Lager schweifen. Alle 

Männer beobachteten ihn. Nur einer von ihnen war Offizier. 
Alle anderen waren Soldaten und Unteroffiziere, bis auf den 
Mann in Cowboykleidung. Den Offizier, der sich wie ein 
grüner Junge benahm, kannte er. Er hatte damals die 
Pferdesoldaten angeführt, die mit den beiden Scouts in die 
Berge gekommen waren. 

Bascom biß sich auf die Lippen und lief rot an. 

Verhaltungsmaßregeln von einem Zivilisten haßte er. Lange 
starrte er in das braune Gesicht mit dem bunten Navaho-
Stirnband. Es wirkte auf ihn wie aus Ton modelliert. 

»Wenn Sie mit heiler Haut aus diesen verfluchten Bergen 

herauskommen wollen, dann tun Sie lieber, was ich anordne, 
Bascom. Legen Sie sich nicht mit dem Häuptling an. Sie sollen 
einen Jungen suchen, mehr nicht.« 

Der Lieutenant wirbelte herum. »Was geht Sie das an?« 

fauchte er. »Wer führt hier das Kommando, Sie oder ich?« 

»Sie«, sagte Ward und fletschte die Zähne. 
Cochise vernahm jedes Wort und warf dem Rancher, der sich 

abwandte, einen langen Blick nach. Bascom setzte sich wieder 
in Positur und schnarrte: 

»Auf meine Frage, was du hier suchst, habe ich noch keine 

Antwort. Also?« 

»Ich wollte Hellauge Jeffords einen Besuch machen.« 
»Jeffords ist nicht hier. Seine Leute sagen, er sei nach 

Tombstone geritten.« 

Cochise nickte. Er wußte, was er hatte wissen wollen. 

Kerzengerade saß er auf dem Ponyrücken. 

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»Ich habe dir erklärt, was ich hier will. Aber du hast mir 

noch nicht gesagt, was du auf dem Land der Chiricahuas zu 
suchen hast.« 

Bascom betrachtete Cochise mit einer Geringschätzigkeit, als 

hätte der Jefe soeben eine Gotteslästerung begangen. 

»Was ich auf was zu suchen habe? Mensch, Rothaut, haben 

dich alle guten Geister verlassen?« 

Cochise starrte den aufgeblasenen Weißen nur an und ließ 

sich nicht provozieren. 

»Du bist auf meinem Land, Bleichgesicht.« 
Der junge Offizier lächelte überheblich. »Auf deinem Land? 

Dieses Gebiet gehört zum Territorium der Vereinigten Staaten 
von Amerika. Falls du das noch nicht weißt, roter Mann, dann 
schreib's dir hinter deine ungewaschenen Ohren.« 

Das kurze Blitzen in Cochises Augen hätte den Offizier 

warnen müssen. Aber der war so tief in seine eingebildete 
Feldherrenrolle verstrickt, daß er auf keine Zeichen achtete. Er 
hatte hier oben im Paß die Macht, setzte sie aber falsch ein. 
Sein Kommando wirkte wie ein Rausch auf ihn und ließ ihn die 
Situation völlig falsch einschätzen. 

»Und ich, Lieutenant George N. Bascom, vertrete die 

Vereinigten Staaten in diesem Gebirgsteil. Kapiert?« 

John Ward sagte zu einem Sergeanten, der sich neben ihn 

gestellt hatte: 

»Wenn dieser Idiot nur das Maul halten würde. Verdammt, 

der gräbt sich sein eigenes Grab.« 

»Ist die Rothaut wirklich so schlimm, wie an der Grenze 

erzählt wird?« fragte Sergeant Hartfield. 

»Noch viel schlimmer. Sieh ihn dir doch genau an. Souverän 

wie ein König, seine Haltung und sein Gebahren sind 
majestätisch. Und wie sieht der Lieutenant aus? Wie ein 
Giftzwerg gegenüber einem Riesen!« 

Wards Stimme klang bedrückt. Ihm war es beim Anblick 

Cochises wie Schuppen von den Augen gefallen. In dieser 

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Sekunde bereute er seine Falschaussage gegenüber Colonel 
Brigham und ahnte, daß er die verkehrte Methode gewählt 
hatte, seiner Geliebten Jesusa Martinez zu imponieren. 

Aber der Kelch mit dem bitteren Trank ging noch einmal an 

ihm vorüber, Cochise hob die Rechte, hielt sie flach empor und 
murmelte: 

»Friede sei in diesem Land, das den Chiricahuas gehört. Wer 

diesen Frieden stört, soll auf ewig verdammt sein.« 

Er zerrte sein Pony herum und ritt mit seinen Kriegern 

davon. 

John Haggerty und Curt Miller hatten ihren Bericht abgegeben 
und ihre Unterkunft aufgesucht. Am späten Abend wurden sie 
von einer Ordonnanz gestört, die sie beide zu Brevet-General 
Joseph West befahl. Der empfing sie leutselig und nicht so 
überheblich, wie es sonst seine Art war. 

»Nehmen Sie doch Platz, meine Herren. Bitte.« Er bot ihnen 

in seinem Zelt Feldstühle an, stellte eine halbvolle Flasche und 
Gläser auf den Tisch. 

»Ich las Ihren Bericht mit Interesse, Gentlemen. Wenn 

General Howard auch mit meiner Auffassung über die 
Behandlung der Indianer nicht konform geht, so schließt sich 
doch die oberste Heeresleitung meiner Meinung an. Ich sprach 
kürzlich mit General Sherman über die Apachen. Der General 
gab deutlich zu verstehen, daß Howard zu human vorgeht und 
seine Machtmittel nicht ausschöpft, um die Rothäute zur Räson 
zu bringen. Ich wäre jetzt daran interessiert, Ihre Meinung zu 
hören.« 

Curt wechselte mit seinem Freund einen Blick. Haggerty 

sagte: 

»Wir haben keine Meinung über eine mögliche Vorstellung, 

wie Indianer zu behandeln sind, Sir. Das ist nicht die Aufgabe, 

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die von uns verlangt wird.« 

»Weiß ich«, sagte West abschwächend. Er merkte, daß er das 

Gespräch falsch begonnen hatte. 

»Sie werden zugeben, daß wir das Land befrieden müssen. 

Mehr und mehr Weiße strömen aus allen Teilen der USA 
hierher, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Sie waren 
lange genug in Cochises Lager und können ihn besser 
beurteilen als jeder andere. Wie wird er sich bei dem ständigen 
Zustrom der fremden Rasse in seine Jagdgründe verhalten?« 

»Das kann niemand voraussagen, Sir«, antwortete John 

Haggerty. »Ich bin der Meinung, daß er sich an den mit 
General Howard mündlich geschlossenen Vertrag hält. Bis 
heute sind keine Übergriffe gegen Weiße bekanntgeworden.« 

»Eine Postkutsche der Butterfield Overland wurde 

angegriffen und vernichtet.« 

»Nicht von Chiricahuas, Sir.« 
»Von Indianern jedenfalls. Macht das einen Unterschied?« 
Miller runzelte über so viel Unwissenheit die Stirn, Haggerty 

verzog nur spöttisch die Mundwinkel. 

»Einen gewaltigen, Sir. Cochise kann nur im Krieg für alle 

Stämme sprechen. Wir sind aber nicht im Kriegszustand mit 
den Apachen. Sie kennen den Unterschied sehr genau und 
wissen, daß sie sich nicht an die Vereinbarung zu halten 
brauchen, die Cochise und Howard trafen. Cochise sprach nur 
für seinen Stamm, den Chiricahuas.« 

»Das ist doch sehr unbefriedigend, oder?« 
Haggertys Gesicht wurde rot von mühsam unterdrücktem 

Zorn. 

»Mit der Einhaltung des Friedens durch Cochise ist schon 

sehr viel erreicht worden, Sir. Es sollte möglich sein, auch mit 
den anderen Stämmen zu verhandeln. Der wahre Störenfried ist 
Victorio. Mit ihm sollte gesprochen werden. Jeder an der 
Grenze weiß, daß er seine Raubzüge vom San Carlos-Reservat 
aus unternimmt. Er streift bis weit nach Sonora hinein, mordet 

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und plündert, und wenn er richtig in Fahrt ist, greift er auch 
mal eine Einrichtung der Weißen an. Wollen Sie Cochise dafür 
verantwortlich machen, Sir?« 

Brevet-General West preßte die Lippen zusammen. 
»Meine Meinung ist dabei völlig unwichtig, Mr. Haggerty. 

Ich vertrete im Südwesten ausschließlich die Meinung und 
Wünsche der Armeeführung. General Sherman will, daß alle 
Apachenstämme befriedet werden, und das schnell.« 

John nickte, sah kurz seinen Freund an. 
»Verständlich, Sir. Aber wir verstehen nicht, was wir zwei 

tun können, das Ansinnen der Generäle zu unterstützen. Ich 
darf erinnern: wir sind Scouts, nichts weiter.« 

»Gerade auf Sie beide kommt es nach Meinung Shermans an. 

Sie kennen Cochise persönlich, waren in seiner Apacheria und 
sind mit den Sitten und Gebräuchen dieser Leute so vertraut, 
daß ich Ihnen unbedingt ein besseres Beurteilungsvermögen 
über die Lage in diesem Territorium zubilligen muß. Verstehen 
Sie, was General Sherman meint? General Miles und General 
Crook unterstützen Shermann in jeder Beziehung.« 

West legte eine Kunstpause ein. Er mußte sich selbst einen 

inneren Ruck geben, um seine Worte richtig zu formulieren. Er 
sprach gedehnt wie ein Südstaatler, war es aber nicht. West 
kam aus Vermont und hatte im Bürgerkrieg für die Nordarmee 
gekämpft. 

»General Sherman ist also der Meinung, daß nur mit einer 

Art Gewalttat der Frieden gesichert werden kann. Eine solche 
Tat wäre die Möglichkeit einer Erpressung. Ja, Erpressung. 
Anders kann man es nicht nennen …« 

Haggerty unterbrach ihn kalt, ohne Rücksicht auf seinen 

hohen Rang: 

»General, diesen Zahn können Sie sich ziehen lassen. 

Cochise läßt sich nicht erpressen und durch keine Drohung 
dazu bewegen, etwas zu tun, was die Weißen gegen ihn 
aufstachelt. Darauf läuft doch Ihr Vorschlag hinaus?« 

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»Äh, nicht ganz, Chief-Scout. Er hat einen kleinen Sohn aus 

seiner ersten Ehe, oder nicht?« 

»Doch, einen achtjährigen Jungen«, erwiderte Haggerty 

ahnungslos. 

»Sehen Sie. Darauf läuft General Shermans Idee hinaus. 

Wenn wir den Jungen in unseren Besitz bringen könnten, 
wären alle Probleme, die wir mit den Indianern haben, gelöst.« 

Die Scouts glaubten ihren Ohren nicht zu trauen. John saß 

wie versteinert, die Hand um das Glas gekrallt, das braunen 
Whisky enthielt. Er trank nicht, vergaß alles um sich herum. 
Seine Gedanken glitten zurück, weit hinauf in die Berge. 

Wie ein Blitz zuckte es durch seinen Körper. Den Jungen als 

Geisel nehmen? 

Sherman mußte total verrückt geworden sein. John sprang 

auf, funkelte West an und schrie: 

»Sir! Ich weiß nicht, was Sie sich dabei gedacht haben, mir 

ein solches Angebot zu machen. Ich werde es in hundert Jahren 
noch nicht wissen. Halten Sie mich für einen Kidnapper? 
Trauen Sie mir wirklich zu, ein unschuldiges Kind in den 
Schmutz Ihrer Politik hineinzuziehen? Allein der Gedanke ist 
verwerflich und so abstoßend, daß ich dazu keinen Kommentar 
geben möchte. Auf mich können Sie nicht zählen. Gute 
Nacht!« 

Bevor sich Brevet-General West von seiner Überraschung 

erholt hatte, war Haggerty schon draußen. Seine Schritte 
verklangen im Sand. Miller saß wie versteinert. Er war kein so 
schneller Denker wie John. Wenn er über etwas grübelte, 
brauchte er Zeit. Er wollte sich erheben und Haggerty folgen, 
aber Wests Hand legte sich auf seine Schulter und drückte ihn 
auf den Sitz. 

»Warten Sie, Mr. Miller, ich habe noch mit Ihnen allein zu 

reden.« 

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Im Canyon der Seufzer brannte ein kleines Feuer mit einem 
schwachen Lichtkreis. Groteske Schatten huschten über die 
Felswände im Hintergrund. Wind strich raunend und klagend 
durch Unterholz und Klippen, unterstrich das Gespenstische 
der ganzen Situation. 

Cochise und Naiche hockten mit untergeschlagenen Beinen 

vor den Flammen, auf der anderen Seite Cochises Neffen. 
Brütendes Schweigen. 

Cochise fühlte sich gedemütigt, provoziert von einem jungen 

Weißen in Uniform. Nur sein Howard gegebenes Versprechen 
hatte ihn daran gehindert, dem Offizier seine Mokassinsohle 
ins Gesicht zu treten. Neben Bascom hatte jener Mann 
gestanden, der die Ranch bei Fort Buchanan besaß. Beide 
störten den Frieden, das fühlte er. 

Er bedauerte, nicht auf Weißauge Jeffords gestoßen zu sein. 

Der hätte weitere Entgleisungen verhindert und auch vor dem 
arroganten Offizier keinen Respekt gehabt. Es half nichts, er, 
Cochise, mußte mit Jeffords sprechen, sich entschuldigen und 
die Lage mit ihm erörtern. 

Was wollten die Pferdesoldaten am Paß? Der Gedanke an die 

geballte Macht bei den einzigen Quellen weit und breit machte 
ihn unruhig. Bereiteten sie einen Angriff vor? Er stand auf, 
ging hin und her. 

Naiches Blicke folgten dem Jefe. Giannatah und Yadalanh 

ließen sich von der Unruhe Cochises anstecken. Sie waren 
besorgt. 

Nach einer Weile blieb Cochise stehen. Seine Augen 

richteten sich auf Giannatah. 

»Du wirst zurückreiten und die Pferdesoldaten beobachten. 

Ich möchte wissen, was sie machen, wohin sie reiten und wann 
Hellauge Jeffords kommt.« 

Der junge Krieger nickte. 
»Cochise wird mit mir zufrieden sein.« 
»Du bist ein guter Krieger, ich weiß es. Bei Sonnenaufgang 

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reitest du. Sei vorsichtig. Wenn die Bleichgesichter dich 
erwischen, behandeln sie dich als Spion. Spione erschießen 
sie.« 

»Kein Langmesser wird mich sehen, keine Kugel wird mich 

treffen.« 

Cochise neigte sein Haupt. In dieser einzigen Bewegung lag 

die unnachahmliche Würde eines großen Führers. Nicht 
umsonst hatten ihn Weiße mit Napoleon und Alexander dem 
Großen verglichen. 

»Lassen Sie uns sachlich über die Angelegenheit sprechen, Mr. 
Miller. Der Generalstab erwartet von uns Aktionen, keine 
humanen Gefühlsausbrüche. Sie wissen, was es für Sie 
bedeuten kann, ein solches Unternehmen durchzuziehen? 
Erfolgreich durchziehen, meine ich.« 

Miller schüttelte den Kopf. 
»Ich denke wie Haggerty, Sir.« 
»Jemand muß es tun.« 
»Ich nicht, Sir. Cochise ist weit über die Grenze hinaus 

Legende. Lebende Legende. Die Weißen fürchten ihn, 
deswegen das schmutzige Spiel mit seinem Sohn. Ich mache da 
nicht mit.« 

»Legende hin, Legende her. Er macht uns höllisch zu 

schaffen.« 

»Weil wir den Anlaß dazu bieten. Cochise ist in der Lage, 

mehr als zweitausend Apachen aufzubieten. Wissen Sie, was 
das heißt, Sir? Haben Sie eine Ahnung, wo unsere Armee 
bleibt, wenn er losschlägt? Können Sie sich ausmalen, was mit 
den Weißen geschieht, die in seine Hände fallen?« 

»Deswegen muß ihm das Handwerk gelegt werden. Mr. 

Miller, Sie sind Weißer, dazu Scout bei der Army. Läßt es Sie 
kalt, wenn Menschen Ihrer Rasse abgeschlachtet werden?« 

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Miller lächelte bitter. 
»Cochise ist kein Schlächter. Ich lernte ihn kennen, stand 

ihm Auge in Auge gegenüber. Ich lernte ihn als Mann und 
Krieger schätzen. Und, das sage ich mit aller Bestimmtheit, ich 
bin glücklich, ihn als meinen Freund zu bezeichnen.« 

»Sie übertreiben.« 
»Keinesfalls, Sir. Sie behandeln ihn wie einen einfachen, 

primitiven Indianer. Cochise ist mehr – ein König, ein Fürst 
unter seinem Volk, dessen Wort an allen Ratsfeuern bis hinauf 
zu den Sioux etwas gilt.« 

»Sie wollen mir einfach nicht zuhören.« 
»Ich beteilige mich an keiner Schweinerei, Sir. Cochise ist es 

wert, mit Fairneß und Anstand behandelt zu werden. Mein 
letztes Wort, General.« 

West ging zum Tisch, füllte zwei Gläser mit Brandy. Er 

reichte eins dem Scout. Der lehnte ab. Achselzuckend stellte 
West das Glas wieder auf den Tisch. 

»Sie wollen heiraten, Miller? Ist da was dran an dem 

Gerücht?« 

»Woher wissen Sie es?« 
»Man spricht im Lager darüber. Ja oder nein?« 
»Vielleicht. Noch ist's nicht soweit. Meine Zukünftige meint, 

daß ich meinen Job bei der Armee aufgeben und seßhaft 
werden soll. Well, klingt gut, aber womit?« Miller rieb 
Daumen und Zeigefinger aneinander. 

Das Stichwort war für West gefallen. Hinterlistig fragte er: 
»Wüßten Sie, was Sie bei einem Ausscheiden aus der Armee 

anzufangen hätten, um Frau und Kinder zu ernähren?« 

»Natürlich, Sir.« 
»Und?« 
»Ich würde Schollenbrecher oder Rancher werden. Am Santa 

Cruz steht eine Pferderanch zum Verkauf. Sie gehört Jorge 
Dura, einem Greaser. Er will nach Mexiko zurück und für die 
Ranch mit allem Inventar fünftausend Dollar.« 

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»Zuchtpferde?« 
»Dreißig Stuten und zwei Hengste. Arabisches Blut. 

Ausgezeichnet. Ich habe mir vor Wochen alles angesehen. 
Nur… Nun ja, was gibt's noch zu sagen?« 

»Das Geld fehlt Ihnen, ja?« 
»Ich müßte noch viertausend zusammenkratzen, aber woher, 

wenn nicht stehlen.« 

West schaltete blitzschnell. Er nahm Millers Glas, drückte es 

ihm in die Hand. 

»Die Armee ist bereit, Ihnen Fünftausend bar auf die Hand 

zu zahlen, wenn Sie uns den Indianerbalg bringen. Mit dem 
Mehrbetrag könnten Sie sich für ein Jahr verproviantieren und 
notwendige Anschaffungen machen. Trinken wir auf Ihre 
Zukunft, Mr. Miller.« 

Der Scout zögerte. Wenige Worte eines Uniformierten hatten 

erreicht, ihn wankelmütig werden zu lassen. 

»Was sagt John Haggerty dazu? Er ist Chief-Scout, Sir.« 
»So, sagt er was?« 
Miller nickte. »Nichts Gutes, dessen bin ich sicher.« 
»Für Cochise ist Haggerty genauso ein Feind wie jeder 

andere Weiße.« 

»Falsch! John operierte Cochises Schwester nach einem 

Skorpionstich und rettete sie vor dem sicheren Tod. 
Anschließend kämpfte er mit Wakashi, einem Widersacher aus 
dem Stamm der Mimbrenjos. Glauben Sie, der Jefe hat das 
schon vergessen?« 

»Bei Rothäuten will das gar nichts heißen. Die sind 

undankbar und denken nur an sich selbst.« 

Miller erhob sich, setzte das Glas hart ab und wandte sich 

voll dem General zu. Ihre Blicke kreuzten sich wie Schwerter. 

»Sir, das sind sie nicht.« 
»Ich habe fast den Eindruck, daß Sie für die Indianer mehr 

empfinden, als für Ihre Landsleute.« 

Er trat vor Miller hin und drückte ihn wieder auf den Sitz. 

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»Ich habe nie gehört, daß ein Scout nicht dann und wann 

einen Schluck trinkt. Auf Ihr Glück!« sagte West und leerte das 
Glas. 

Miller nippte nur. Ihm war es egal, was West machte. 
Der General spielte seinen letzten Trumpf aus. 
»Sie können sich schon nächste Woche von unserem Militär-

Pfarrer trauen lassen. Und die Woche darauf sind Sie mit Ihrer 
neugebackenen Frau bereits auf Ihrer Ranch. Wie hört sich das 
an?« 

»Vorher aber wollen Sie Nachise?« 
»Keine Ware ohne Geld. Diesmal ist es umgekehrt, Mister.« 
»Teufel, reißt es in der Armee auch schon ein, Gewalt mit 

Gewalt zu vergelten?« 

»Miller, wir bieten Ihnen ein Vermögen für eine Gefälligkeit, 

und Sie haben Skrupel, Ihrer Rasse zum Recht zu verhelfen. 
Ich versichere, dem Jungen passiert nicht das geringste. 
Schließlich führen wir keinen Krieg gegen Kinder.« 

»Ich glaube Ihnen nicht.« 
»Nicht ein Haar wird ihm gekrümmt.« 
»Wie Mangas Coloradas?« entfuhr es Miller. 
Der General lächelte säuerlich. 
»Das wollte niemand, Miller. Eine Panne, wie sie in jedem 

Armeelager passieren kann. Wann brechen Sie auf?« 

»Weiß General Howard von dem Coup?« 
»Ich bitte Sie. Howard ist Oberkommandierender in 

Südwest. Kommen wir zur Sache. Sechs Apachenscouts 
begleiten Sie und decken Ihren Rückzug. Den Jungen zu 
schnappen und aus dem Gebirge herauszubringen, dürfte einem 
Mann wie Ihnen nicht schwerfallen. Oder?« 

»Die haben überall Späher, Sir.« 
West machte eine abschließende Geste. Er wirkte ungeduldig 

und zerfahren. 

»Vergessen Sie nie, daß Sie ein Weißer sind und wie ein 

Weißer zu handeln haben. Morgen erhalten Sie von mir die 

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Schuldurkunde über sechstausend US-Dollar. Noch etwas, Mr. 
Miller, wenn Sie Hemmungen haben, mit Mr. Haggerty oder 
einem anderen darüber zu sprechen, so sagen Sie, Sie hätten 
mein Angebot abgelehnt. Einen Dreh finden wir schon, Sie mit 
den Apachen aus dem Lager zu lotsen.« 

Miller nickte. 
Brevet-General West hatte auf der ganzen Linie gewonnen. 

Am dritten Tag nach seiner Rückkehr in die Apacheria wurde 
Cochise durch seinen Neffen über die Truppenbewegungen 
beim Paß informiert. Giannatah kam am Nachmittag. Cochise 
empfing ihn sofort. 

»Die Pferdesoldaten ritten am Morgen gegen 

Sonnenaufgang«, berichtete der Späher. 

»Du hast sie verfolgt?« 
»Ja.« 
»Wie lange?« 
»Bis Mittag, Jefe.« 
»Keine Anzeichen, daß sie zurückkehren werden?« 
»Keine.« 
»Nach Osten, sagst du?« 
»Zu den Jagdgründen der Mescaleros.« 
»Du hast die Spuren richtig gelesen?« 
»Bestimmt.« 
»Ist Hellauge Jeffords zurückgekehrt?« 
»Nein, Jefe.« 
»Ich danke dir, Giannatah. Geh in deinen Jacale und ruhe 

dich aus.« 

Grübelnd wanderte Cochise auf und ab. Er war allein. Das 

Kochfeuer knisterte. Cochise überdachte die mögliche 
Marschroute der Soldaten. Plötzlich begriff er, daß alles nur ein 
Trick war. Kein Truppenführer jagte seine Abteilung 200 

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Meilen durch Gebirge und Wüsten, um lediglich seine Macht 
zu demonstrieren. 

Cochise setzte sich, nahm einen trockenen Ast und ritzte die 

Landschaft in den festgetretenen Lehm, so wie er sie im 
Gedächtnis hatte. Zehn Meilen hinter dem Canyon de los 
Embudos schnitt eine kleine Schlucht das breite Wüstental und 
mündete in den Canyon der Seufzer. 

Angetrieben von dem Gedanken sprang Cochise spontan 

wieder hoch und nahm seine ruhelose Wanderung auf. Das 
Schluchtenlabyrinth stand plastisch vor seinen Augen. Was 
bezweckte der junge Offizier mit dieser Täuschung? War das 
alles nur ein Zufall? 

Kurz entschlossen verließ er sein Wickiup und schritt 

würdevoll zum Jacale der Krieger. Nur sein Bruder Naretana 
und dessen Söhne waren anwesend. Sie erhoben sich bei 
seinem Eintreten. 

»Morgen reiten wir noch einmal zum Paß«, sagte Cochise. 

»Ich muß wissen, ob der weiße Häuptling mit seinen Kriegern 
wieder zurückritt. Ihr sollt mich begleiten, Nahlekadeya und 
Nachise. Sie werden es nicht wagen, uns in Gegenwart einer 
Squaw und eines Jungen anzugreifen.« 

»Die Bleichgesichter kennen unsere Sitten nicht.« 
»Ich weiß, Naretana. Es wird sie jedoch von unserer 

Harmlosigkeit überzeugen.« 

»Kein Chiricahua ist für sie harmlos«, wandte Giannatah ein. 
»Das macht ihre Angst vor uns.« 
»Aus Angst könnten sie einen Fehler begehen und uns 

angreifen.« 

Cochise gab keine Erwiderung. Er blieb bei seinem 

Entschluß. Seine Squaw betrat die Hütte und setzte sich vor das 
Feuer. Sie beobachtete Cochise besorgt. 

»Du hat etwas vor, Jefe, was dir Kummer bereitet?« 
»Wir reiten morgen zum Paß.« 
»Wir?« 

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»Du, Nachise, Naretana und seine Söhne.« 
Ahnte Nahlekadeya die düsteren Wolken, die sich über dem 

Gebirgstal zusammenbrauten? Die Nacht verging. Cochise 
verzehrte sich in Ruhelosigkeit. Am Morgen trat Naiche ein. Er 
hielt seinen kleinen Bruder Nachise an der Hand. Naretana und 
seine Söhne folgten Naiche dichtauf. 

»Die Pferde stehen bereit.« 
Der Häuptling nickte, streifte seine Leggins über die Beine 

und vergewisserte sich, daß das lange Messer in der Scheide 
steckte. Hinter ihm verließ auch seine Sippe die Hütte. Als er 
sein Pony bestieg, warf er einen langen Blick in die Runde. 
Das Lager erwachte. Rauch stieg aus den Wickiups und 
verteilte sich. 

Naiche ritt mit den Kriegern am Schluß. Als sie die Pferde 

auf die Rampe lenkten, ging die Sonne auf. Ein strahlendes 
Lichtfeld schob sich über die Mesa. 

Um die Mittagszeit gelangten sie an den Canyon, den Miller 

und Bascom mit der Patrouille benutzt hatten. Von nun an ging 
es abwärts. Der Boden wurde eben, das harte Gestein von Sand 
bedeckt, der unter den Hufen knirschte. Eine Stunde später 
gelangten sie in den Canyon der Seufzer. Ein leichter Wind 
wehte von den Bergen und fächelte Mensch und Tier Kühlung 
zu. 

Naiche starrte auf Cochises breiten Rücken. Er war stolz auf 

seinen Vater. Noch stolzer war er, Chiricahua zu sein. Mehr 
und mehr wurde er sich der Größe und der würdevollen 
Erscheinung Cochises bewußt. 

Er nahm sich vor, so wie sein Vater zu werden. Als hätte der 

Jefe seine Gedanken erraten, wandte er den Kopf und sagte 
über die Schulter: 

»Naiche, du bist mit uns geritten, obwohl ich dich für die 

Bewachung des Lagers vorsah. Mißachtest du neuerdings 
meine Befehle?« 

»Nein, Jefe.« 

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»Weshalb bist du dann nicht in der Apacheria?« 
»Ich bin ein Krieger und habe Anspruch, meinem Vater zur 

Seite zu stehen, wenn er in den Kampf zieht.« 

»Wir gehen nicht in den Krieg.« 
»Den Weißen ist nicht zu trauen.« 
»Wer befiehlt im Lager?« 
»Chan-ank und Nahaye.« 
»Chan-ank sah siebzig Sommer, Naiche. Er ist alt. Nahaye, 

›Gelbe Feder‹, trauert um seine Familie. Sie werden keine 
aufmerksamen Führer und Wächter sein.« 

»Sie sind alt, aber weise und erfahren.« 
»Das stimmt.« 
Cochises Stimme ließ Zweifel erkennen. 
»Vielleicht soll es so sein. Komm mit.« 
»Danke, Jefe. Mein Platz ist an deiner Seite. Wenn du es 

wünscht oder befiehlst, Jefe, reite ich zurück.« 

Der Häuptling schüttelte den Kopf und lächelte. Wie alle 

jungen Krieger, war auch Naiche kampfbegierig. Aber er, der 
Jefe, war nicht ausgezogen, um zu kämpfen. 

Der eintönige, schweigsame Ritt durch den 

knochentrockenen Canyon war zumindest für die Squaw und 
den Jungen anstrengend. Dennoch, keine Klage drang über ihre 
Lippen. 

Am Spätnachmittag sahen sie den Paß vor sich liegen. 

Cochise befahl abzusteigen und eine Rast einzulegen. Ein 
kleines Feuer war schnell entfacht. Sie brieten mitgenommenes 
Fleisch an einem Stock, den sie über die Flammen hielten. 
Dazu gab es trockene Maisfladen und Wasser. 

»Reiten wir heute abend noch zum Paß?« 
Cochise winkte ab. »Morgen nach Tagesanbruch, Sohn. Bei 

der hier oben herrschenden Finsternis wäre es zu gefährlich, 
sich der Station zu nähern.« 

Nach dem Abendessen wurde es schnell dunkel. Wie in 

diesen Breiten üblich, strich ein kalter Wind von den Bergen, 

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wirbelte Staub auf und trieb Tumbleweeds durch die Canyons. 

Die Krieger nahmen ihre dünnen Decken von den Pferden 

und breiteten sie aus. Ein aufmerksamer Beobachter hätte 
feststellen können, mit welch einer Disziplin die Indianer den 
Wachdienst übernahmen. Die Squaw, der Junge und der 
Häuptling wurden stillschweigend ausgeschlossen. 

Naiche, Yadalanh und Giannatah wechselten sich im 

Rhythmus von zwei Stunden im Wachdienst ab, ohne daß auch 
nur ein einziges Wort darüber gefallen wäre. Die Nacht verlief 
ruhig. 

Der frühe Morgen verlief genauso ungestört. Als die Sonne 

aufging, saßen sie schon um das Feuer und nahmen ihre erste 
Mahlzeit ein. Eine halbe Stunde danach brachen sie auf. 
Cochise fühlte sich sicher und schickte keinen Späher voraus, 
wie es sonst seine Art war. 

Während sie über die langgezogene Böschung auf die 

Paßstraße gelangten und zu den Quellen ritten, deutete nichts 
auf eine Gefahr hin. Sie erreichten die erste der drei Quellen. 
Cochise ließ kurz anhalten und die Wasserschläuche füllen. 
Gleich darauf ging der Ritt weiter. 

Die zweite Quelle kam in Sicht. Noch weitere 200 Yards, 

dann würde der Jefe die Bauwerke sehen. Er sah etwas anderes 
– zunächst. Gelbe Zelte standen in Reih und Glied auf dem 
Frachthof, und zwischen den luftigen Militärunterkünften 
brannten Kochfeuer und ließen grauen Rauch zum Himmel 
kräuseln. 

Cochise zügelte sein Pony und starrte auf das Lager. Er 

stellte fest, daß man ihn entdeckt hatte. Ein Posten lief zu 
einem abseits stehenden Zelt und verschwand. Kurz darauf 
tauchte er mit Lieutenant George N. Bascom auf. 

Langsam ritt Cochise weiter. Bascom kam ihm entgegen. Er 

bemerkte den bestürzten Ausdruck in Cochises Gesicht und 
grinste in sich hinein. Sein Trick war ihm gelungen. Der 
Häuptling wollte zu Jeffords, aber er, Bascom, wollte Cochise. 

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Ein kurzes Manöver, ein kleiner Ritt nach Osten, durch einen 
Seitencanyon den Weg zurück, und alles war in bester 
Ordnung. 

Bascom sah den Jungen, die Squaw, die vornehmen Krieger 

in Cochises Begleitung und dachte sich seinen Teil. Mit 
gespielt freundlichem Lächeln trat er auf den Häuptling zu, 
legte seine Hand auf den Pferdehals und sagte: 

»Steig ab, Jefe, du und deine Sippe sind mir willkommen.« 
»Ich will zu Hellauge Jeffords.« 
»Mr. Jeffords ist noch nicht aus Tombstone zurück.« 
»Wann erwartet ihr ihn?« 
»Morgen.« 
»Dann komme ich morgen wieder.« 
Cochise wollte sein Pferd herumziehen, sah Wallace, der aus 

dem Haus trat, und stieg ab. Er kannte James Wallace als 
Jeffords' rechte Hand und hatte Vertrauen zu ihm. 

Mit ausgestreckter Hand ging er auf James zu. Sie begrüßten 

sich wie zwei alte Freunde und redeten miteinander. Aus dem 
Hintergrund trat John Ward. Lieutenant Bascom warf ihm 
einen fragenden Blick zu, Ward zwinkerte. Bascom ging zu der 
Gruppe hinüber und fragte: 

»Darf ich den Häuptling in mein Zelt einladen? Ein kühler 

Trunk wird an diesem warmen Morgen bestimmt guttun.« 

Cochise drehte sich lächelnd um und gab mit einem 

Kopfnicken zu verstehen, dem Ruf des weißen Häuptlings zu 
folgen. Er winkte seine Squaw, den Jungen und die beiden 
Neffen sowie Naretana, seinen Bruder, herbei. Nur Naiche 
beachtete er nicht. Dadurch aufmerksam geworden, wich 
Naiche zurück und gelangte hinter die Krümmung. Er sprang 
vom Pferd und wartete. 

Im Zelt reichte Lieutenant Bascom Becher mit verdünntem 

Agavensaft herum. Während sie tranken, huschte Ward hinaus 
und befahl Bascoms Soldaten, das Zelt zu umstellen. 

Als die leeren Becher auf den Feldtisch gestellt wurden, kam 

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Bascom zur Sache. Er sagte: 

»Du hast die Santa Rita-Mine überfallen und Beute gemacht. 

Gib sie heraus! Außerdem hast du den Jungen des Ranchers 
Ward in deine Gewalt gebracht. Übergib ihn uns, und du bist 
frei.« 

»Frei?« 
»Ja, wenn du tust, was ich verlange.« 
»Ich weiß von keinem Jungen.« 
»Du hast ihn verschleppt.« 
»Ich habe auch keine Beute. In Santa Rita gab es keine 

Dinge, die Apachen gebrauchen können.« 

In Cochise wühlte bitterer Grimm. Er konnte nichts anderes 

denken, als daß Wallace ihn verraten und den Langmessern 
ausgeliefert hatte. Im stillen schwor er Wallace furchtbare 
Rache. 

»Gib den Jungen heraus und die Beute, dann kannst du 

gehen, wohin du willst!« 

»Du willst mich und meine Familie gefangen nehmen?« 
»Chiricahua-Häuptling, du bist gefangen.« 
Cochise legte seine Stirn in Falten. 
»Ich will mich bei den anderen Stämmen nach dem Jungen 

erkundigen, weißer Häuptling. Von der Beute kann ich dir 
nichts geben, weil ich keine habe.« 

Bascom, dem das Palaver zu lange dauerte, wurde ausfällig. 
»Du miese Rothaut, glaubst du, ich ließe mich von dir auf 

den Arm nehmen? Ihr bleibt gefangen, bis ich Wards Jungen 
und das Gold aus der Mine vor mir sehe.« 

Cochise wollte sich wuterfüllt auf den Weißen stürzen, hielt 

sich jedoch im letzten Moment zurück. Mit einem einzigen 
Satz stand er bei der Zeltwand, riß das Messer aus den Leggins 
und schlitzte mit einem wuchtigen Hieb die Plane auf. Dann 
hechtete er hinaus und verschwand geduckt und ungesehen von 
den Wachen zwischen Felsen. 

Seine Familie aber war gefangen. 

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Wallace betrat den hinteren Teil der Schmiede. Er ahnte nicht, 
was sich im Zelt zugetragen hatte. Er traf Charles Culver und 
Jim Walsh, die sich über die Anwesenheit der Truppe 
unterhielten. In diesem Augenblick sahen sie Cochise durch die 
Zeltwand brechen. 

Culver wunderte sich über das Verhalten des Jefe. War es 

zum Streit zwischen ihm und dem Offizier gekommen? Die 
Männer unterhielten sich noch eine Weile über den Vorfall und 
ergingen sich in allerlei Mußmaßungen. 

Cochise gelang es, unbemerkt durch die Postenkette zu 

schleichen. Naiche wartete auf ihn hinter der Felsnase. 

»Verrat!« stieß Cochise zornbebend hervor. 
»Was ist geschehen? Wo sind …« 
»Gefangen. Reite wie der Wind, Naiche, und bringe mir 

zwanzig Krieger!« 

»Willst du die Soldaten angreifen, Jefe?« 
»Reite!« Cochises Stimme klang scharf und duldete keinen 

Widerspruch. Er beobachtete, wie Bascom vor das Zelt trat, die 
Wache wegschickte und sich sofort wieder zurückzog. 

Cochise kochte vor Wut. Seine Familie war gefangen. 

Naiche erwartete er mit den Kriegern gegen Abend, um dann 
seine Leute zu befreien. Die Verantwortlichen für diesen 
Schurkenstreich mußten bestraft werden. Von nun an gab es 
kein Vertrauen mehr zwischen ihm und den Weißen. 

Seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt. Verfolgten sie ihn? 

Mehr als 40 Uniformierte bestiegen ihre Pferde und ritten unter 
Hartfields Führung aus dem Lager, auf ein kleines Seitental zu. 

Die Zeit verrann. Die Sonne fiel nach Westen. Mit Rollen 

und quietschenden Federn kam die Nachmittagskutsche. Sie 
hielt hinter dem Tor. Die Reisenden stiegen aus. Walsh kam, 
schirrte die Pferde aus und brachte sie auf die Koppel hinter 
dem Stallgebäude. 

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Mit sechs Maultieren kam er zurück und stellte sie in die 

Sielen. Nach kaum zehn Minuten war die Concord schon 
wieder reisefertig. Jede Bewegung und alle Änderungen 
registrierte Cochise mit Argusaugen. 

Eine Stunde später fuhr die Kutsche in Richtung Tombstone 

ab. Die Geräusche verebbten auf der Paßstraße. Bascom ließ 
sich nicht sehen. Kurz nach Abfahrt der Stagecoach kamen 
fünf Soldaten und brachten die Gefangenen in das Haus. 

John Ward hielt sich im Zelt des Offiziers auf. Sein 

Gewissen plagte ihn. Er wußte nun, daß er einen großen Fehler 
gemacht hatte, die Chiricahuas als Kindesräuber hinzustellen. 
Reue half nichts. Das Unheil war nicht mehr aufzuhalten. 
Weder er noch Bascom ahnten, daß um diese Stunde ein großer 
Trupp Chiricahuas sich in einem Seitencanyon versteckte. 

Cochise besprach sich mit Naiche und einem Unterhäuptling. 

Bei Anbruch der Dämmerung ging er allein auf Umwegen zu 
den Gebäuden zurück und bat Wallace ins Freie. 

James Wallace kam ans Fenster, sah den Jefe und winkte. 

Ahnungslos kamen er, Charles Culver und Jim Walsh aus dem 
Haus, um den Chiricahua zu begrüßen. Wallace wußte, daß 
Jeffords und Cochise Freunde waren. Er befürchtete nichts, 
konnte aber nicht ahnen, daß ihn Cochise für den Rädelsführer 
hielt. 

In diesem Augenblick drangen Indianer von allen Seiten auf 

die Weißen ein und packten sie. Culver und Walsh gelang es, 
sich loszureißen und zum Haus zurückzueilen. Culver wurde 
von einem Chiricahua niedergeschossen, als er die Tür öffnen 
wollte. 

Zwei Posten rannten herbei, hoben ihre Gewehre und 

feuerten. Walsh brach zusammen. Der Soldat hatte ihn mit 
einem Indianer verwechselt. Wallaces Schreie hörte man noch 
lange. 

Bascom stürmte aus dem Zelt und organisierte mit den 

wenigen Soldaten die Abwehr. Doch es gab nichts abzuwehren. 

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Kein Apache griff an. Sein Blick wurde pures Gift, als er die 
Toten sah. Er hielt einen vorbeirennenden Soldaten an und 
fragte: 

»Was, zum Kuckuck, ist passiert?« 
»Sir, die Indianer raubten einen Postgehilfen. Wir konnten es 

nicht verhindern. Zwei weitere Männer aus dem Haus sind 
tot.« 

Bascom schickte den Mann fort und ließ sich von einem 

Corporal den genauen Hergang berichten. Der Mann zitterte 
vor überstandenem Schreck. Fluchend betrat Bascom sein Zelt. 

Wenn die Situation sich auch ungünstig gestaltet hatte, 

rechnete er nicht mit einem Angriff Cochises. Daß das 
Schicksal bereits anders entschieden hatte, konnte er nicht 
ahnen. Noch hätte verhindert werden können, daß sich die 
fatale Situation zu einem regelrechten Krieg entwickelte. 

Der Häuptling war fest entschlossen, die Freiheit seiner 

Familienangehörigen zurückzugewinnen und offenbar bereit, 
sich auf einen Handel einzulassen. 

Es kam anders. 
Ein Späher raste auf schäumendem Pony die Paßstraße 

herauf und warf sich vor Cochise aus dem Sattel. Er meldete 
die Ankunft eines Frachtwagenzuges aus Mexiko. Sein Weg 
führte durch den Camino del Diablo. 

»Wie viele Wagen hast du gezählt?« fragte Cochise den 

Späher. 

Der hob vier Finger. 
»Beladen?« 
»Schwer wie eine trächtige Büffelkuh.« 
»Bleichgesichter?« 
»Zwei.« 
»Und Gelbhäutige?« 
Acht zählte der Mann an den Fingern ab. 
Cochise entschloß sich schnell. Er befahl fünf Krieger zu 

dem Gefangenen und schickte sie in den versteckten Canyon. 

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Mit dem Rest der Chiricahuas brach er auf. 

Es begann der zweite große Grenzkrieg gegen Weiße und 

Mexikaner. Noch vor Anbruch der Dunkelheit sah Cochise die 
gelbe Staubwolke über dem Treck und griff an. 

Fahrer und Begleiter waren über den jähen Angriff so 

überrascht, daß sie kaum an Gegenwehr dachten. Sie wurden 
lebend überwältigt und niedergeschlagen. Die zwei Männer 
ließ Cochise fesseln und auf Pferde setzen. 

»Was geschieht mit den Gelbhäutigen?« fragte Naiche. 
»Bindet sie an die Wagenräder! Nehmt euch, was ihr haben 

wollt. Danach steckt die Fahrzeuge in Brand.« 

Die Plünderung dauerte eine halbe Stunde, während der die 

Glieder der Mexikaner vor Angst schlotterten. Die beiden 
Gefangenen verfolgten das Schauspiel voller Entsetzen. 

Als die Murphys leer waren, gab Cochise den Befehl, die 

Wagen zu verbrennen. Unter den entsetzten Schreien der 
gefesselten Mexikaner zündeten die Apachen die Planen an 
und legten brennendes Holz in die Fahrzeuge. Nach wenigen 
Minuten schossen Rauchwolken und Flammen in den 
Abendhimmel und verdunkelten den Canyon. 

Die Krieger störten sich nicht an den Angstschreien der 

Mexikaner, schwangen sich auf ihre Mustangs und führten die 
hochbepackten Zugpferde mit. In einer langen Kette, die 
Karawane in der Mitte, näherten sich die Chiricahuas wieder 
dem Paß. Cochise ließ Beute und Pferde in die geheime 
Schlucht bringen. Persönlich holte er Wallace heraus. Für das 
Flehen und Betteln des Mannes hatte er kein Gehör. 

An einer langen Leine schleppte er den Gefesselten hinter 

sich her. Bis auf Rufweite näherte er sich dem Soldatenlager 
vor der Poststation. Bascom trat vor die Front; formte die 
Hände zu Muscheln und rief: 

»Was willst du, Rothaut?« 
»Meine Familie im Austausch gegen diesen Weißen!« Er 

zeigte mit dem Finger auf Wallace. »Kommt nicht in Frage.« 

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»Ich werde ihn martern lassen!« schrie er laut. Wallace flehte 

und bettelte, aber ohne darauf zu hören, lehnte Bascom den 
Tauschhandel ab. Da gelangte Cochise zu der Überzeugung, 
daß jedes weitere Verhandeln fruchtlos gewesen wäre, und 
zerrte Wallace außer Sichtweite, um auf seine Art 
Gerechtigkeit walten zu lassen. 

Noch hätte verhindert werden können, daß sich die Situation 

zu einem regelrechten Krieg entwickelte. Cochise war fest 
entschlossen, die Freiheit seiner Familie zu erzwingen, notfalls 
mit Gewalt. 

Er schleppte Wallace, der in Todesängsten schwebte und um 

seine Freilassung bettelte, in den Seitencanyon und überließ 
ihn den Kriegern. Alle gefangenen drei Amerikaner wurden 
von ihren Fesseln befreit. Dann begann ein so grausames Spiel, 
daß einem weißen Zuschauer die Haare zu Berge gestanden 
hätten. 

Fünf Apachen bestiegen ihre Ponys und ritten mit geneigten 

Lanzen auf die Deliquenten los. Sie brachten die 
Davonrennenden nicht etwa um, sondern verletzten sie mit den 
Lanzenspitzen an Stellen, die nicht tödlich waren. Angst- und 
Schmerzensschreie hallten durch die Schlucht. Unter den 
Anfeuerungsrufen und dem Johlen der Krieger ritten die 
Krieger immer wieder die Schmerzgepeinigten an. Die suchten 
ihr Heil in kopfloser Flucht. Es half ihnen nichts, die Pferde 
waren schneller. 

Eine Stunde lang dauerte die Hetzjagd. Die Weißen fielen 

auf die Knie und bettelten mit erhobenen Händen um Gnade. 

Cochise setzte schließlich den Schlußpunkt. Er hob den 

rechten Arm und rief den Kriegern ein paar Worte zu. Sie 
setzten zum letzten Ritt an und töteten die Gemarterten. Dieser 
Vorfall war der Auftakt zu einem neuen Indianerkrieg, dem 
grausamsten und blutigsten, den die Grenze je erlebt hatte. 

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Zwei Tage später schickte Lieutenant Bascom eine Patrouille 
in das Vorland, die feststellen sollte, wo sich die Chiricahuas 
aufhielten. Die Gefangenen waren noch im Haupthaus und in 
einem Zimmer eingeschlossen. Dreimal am Tag durften sie 
heraus und sich unter strenger Bewachung ergehen. 

Am nächsten Tag kam Thomas Jeffords mit seinen beiden 

Revolvermännern zurück. Voller Entsetzen vernahm er, was 
sich in der Zwischenzeit abgespielt hatte. 

Als schließlich am späten Abend die Patrouille ins Lager 

einritt und danach bekannt wurde, was in jenem Seitencanyon 
und im Camino del Diablo passiert war, ging das Grauen in der 
Station am Apache-Paß um. 

Bascom bat Jeffords zu sich. Anwesend waren noch John 

Ward und Sergeant Hurt Hartfield. Bascom empfing den 
Stationsleiter mit den Worten: 

»Haben Sie schon gehört, Mr. Jeffords? Cochise folterte drei 

Weiße zu Tode und verbrannte acht Mexikaner bei lebendigem 
Leib.« 

»Daran tragen Sie die Schuld, Lieutenant. Hätten Sie mit 

Ihren dämlichen Maßnahmen gewartet, bis ich zurück war, 
wäre das alles nicht geschehen. Beten Sie, daß Sie mit einem 
blauen Augen davonkommen.« 

Ward schaltete sich ein: »Ich kann keine …« 
»Sie schweigen!« fuhr Jeffords ihn an. »Sie dürfen sich 

getrost die andere Hälfte der Schuld anlasten. Ihre 
Falschaussage hat erst dazu geführt, daß Colonel Brigham die 
Truppe unter einem unerfahrenen Offizier losschickte.« 

Bascom wurde bei dieser Anschuldigung wild. Er verwies 

ihn des Zeltes. Thomas Jeffords ging. Unmittelbar darauf 
rannte Bascom nach draußen und schrie nach dem Corporal der 
Wache. 

»Holen Sie sofort zehn Mann mit aufgepflanztem Bajonett, 

Corporal!« 

Corporal Fellmer blieb stehen. In seine Augen glitzerte es. 

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»Jawohl, Sir.« 
»Na los, worauf warten Sie?« 
»Die Leute … Ich meine, meine Kameraden sind verbittert 

darüber, daß die Indianer gefangengenommen wurden. Wir alle 
befürchten neue Kämpfe mit den Apachen, und das ist…« 

»Schnauze!« brüllte Bascom mit rotem Kopf. »Wegtreten! 

Hartfield soll ein paar derbe Stricke mitbringen. Haben Sie 
verstanden?« 

Corporal Fellmer nickte, schluckte den schweren Kloß 

herunter, der ihm im Hals drückte. Mit einer Kehrtwendung 
hastete er davon. Sergeant Hartfield kam nach fünf Minuten 
und brachte zehn Soldaten mit, die ihre Seitengewehre auf die 
Läufe gepflanzt hatten. Hurt Hartfield trug Stricke über dem 
Arm. 

»Holen Sie die Gefangenen aus dem Haus!« schnarrte 

George N. Bascom. 

»Was haben Sie vor, Sir?« 
»Sie werden gehängt.« 
»Allmächtiger!« 
»Hartfield, halten Sie Ihren Mund! Hier gebe ich das 

Kommando. Und ich gab eins. Holen Sie die roten Bastarde!« 

»Sir, Sie können die Leute nicht aufhängen.« 
»Und warum nicht?« 
»Weil sie Indianer sind, zu Cochises Sippe gehören und von 

ihm furchtbar gerächt werden.« 

»Reden Sie keinen Unsinn, Mann. Wenn der Häuptling 

erfährt, daß seine Verwandten gehängt wurden, wird er klein 
beigeben und zu Kreuze kriechen. Los jetzt, raus mit den roten 
Bastarden!« 

Hartfield winkte seiner Gruppe und ging zum Haus hinüber. 

Alle im Camp starrten ihm atemlos nach. Keiner der Soldaten 
hatte ein gutes Gefühl bei dieser Aktion. 

Hurt klopfte. Thomas Jeffords öffnete und zog die 

Augenbrauen hoch, als er die bewaffneten Soldaten sah. 

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»Sergeant, welche Dummheit begeht dieser Trottel von 

Offizier jetzt?« 

»Ich soll die Indianer ins Freie führen, Mr. Jeffords. Er will 

sie aufhängen lassen.« 

»Sind Sie des Teufels?« 
»Ich nicht, dieser Trottel von Lieutenant.« 
Der Postmeister stellte sich breit in den Türrahmen und 

versperrte Hartfield den Zugang. 

»Richten Sie ihm aus, daß ich mich weigere, die Gefangenen 

herauszugeben. Gehen Sie! Sagen Sie es ihm!« 

»Sagen Sie es ihm selbst«, murrte der Sergeant. 
»Ich verlasse das Haus erst wieder, wenn er zusichert, sich 

nicht an Cochises Verwandtschaft zu vergreifen. Gehen Sie, 
Mann, und reden Sie mit ihm!« 

Hartfield ging wieder zum Zelt. Kurz darauf hörte man den 

Lieutenant brüllen. Er stürmte ins Freie und legte die 100 
Yards bis zum Haus im Laufschritt zurück. 

»Sind Sie wahnsinnig geworden, mir die Gefangenen zu 

verweigern? Was bilden Sie sich eigentlich ein, Sie komischer 
Zivilist?« 

Jeffords warf ihm einen verächtlichen Blick zu. 
»Mäßigen Sie sich, Lieutenant.« 
»Ich mache das, wie ich will. Heraus mit den Rothäuten!« 
Thomas Jeffords kam mit angewinkelten Armen und 

geballten Händen die Steinstufen herunter und baute sich vor 
Bascom auf. 

»Vergessen Sie, daß Sie sich auf fremden Grund und Boden 

aufhalten, Lieutenant? Ich kann Sie jederzeit und in Vollmacht 
der Butterfield Overland von diesem Land weisen.« 

»So, können Sie?« höhnte der Offizier. »Mit wem denn? Es 

würde mich interessieren, mit welchen Männern Sie das 
anfangen wollen.« 

»Mit uns«, bemerkte Larry Osborne schleppend. »Mit mir 

und mit dem da.« Er deutete auf den schwarzhaarigen Buck. 

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Hinter den beiden tauchten zwei weitere Männer auf und 

machten grimmige Gesichter. Burt Kennedy und Norbert 
Walker drängten sich durch die Tür und blieben hinter Jeffords 
stehen. 

»Soll ich dem Grünschnabel von Offizier heimleuchten, 

Thomas?« 

Jeffords wandte sich um. 
»Nein. Noch nicht. Jungs, bewaffnet euch. Wenn dieser 

Geistertänzer seine Leute auf das Haus hetzt, erhält er einen 
Privatkrieg, daß ihm Hören und Sehen vergeht.« 

»Mit Freuden, Thomas«, sagte Kennedy. 
»Eine Kostprobe gefällig, Greenhorn?« fragte Walker. 
Larry rief vom Treppenabsatz: »Geh doch mal 'n bißchen zur 

Seite, Thommy. Ich will diesem Angeber von Blaubauch 'ne 
blaue Bohne zu schmecken geben.« 

Jeffords hob die Rechte. »Schluß jetzt mit dem Unfug! Sie 

erhalten keinen Eintritt, Lieutenant. Wenn Sie ihn erzwingen 
wollen, erschießen wir die Hälfte Ihrer Leute, bevor Sie auch 
nur Hand an die Indianer legen können.« 

»Das melde ich General Howard.« 
Bascom zitterte vor Wut und Scham. 
»Melden Sie, was Sie wollen, aber verschwinden Sie.« 
Bascom warf einen hilflosen Blick auf Hartfield. 
»Ich komme wieder«, sagte Bascom halsstarrig. 
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, entgegnete Jeffords, 

drehte sich um und ging mit Kennedy und Walker auf das Haus 
zu. 

Bascom rannte ihnen nach. Wild mit den Händen fuchtelnd, 

schrie er: 

»Wissen Sie überhaupt, was Cochise mit Mr. Wallace, Ihrem 

Postgehilfen, gemacht hat?« 

Jeffords blieb stehen. 
»Was soll ich denn wissen?« 
»Cochise hat Ihre Leute zu Tode martern lassen.« 

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»Meine Leute?« echote Jeffords gedehnt. 
»Nun ja, Wallace und zwei weitere Weiße. Ich kenne sie 

nicht und nehme an, daß sie zu Ihrem Team gehören.« 

Jeffords schüttelte den Kopf. 
»Zwei meiner Männer sind in dem unseligen Kampf, den Sie 

heraufbeschworen und zu verantworten haben, gefallen. 
Wallace ist in seine Hände geraten. Ich glaube nicht, daß der 
Jefe diesen harmlosen Mann ein Leid zufügen wird.« 

»Er ist tot«, sagte Bascom triumphierend. »Er und zwei 

weitere Weiße wurden so lange gemartert, bis der Tod eintrat. 
Sie können Sie besichtigen, Jeffords.« 

»Für Sie bin ich immer hoch Mr. Jeffords. Verstanden?« 
»Meinetwegen. Reiten Sie zum Winkelcanyon, es ist ja nicht 

weit. Cochise ist fort, aber er hinterließ Ihnen ein 
freundschaftliches Andenken, an das Sie noch lange denken 
werden.« 

Jeffords gab seinen Freunden Verhaltensmaßregeln, ließ sich 

von Kennedy ein Pferd bringen und preschte los. Nach zwei 
Stunden kehrte er zurück. Er kam mit gesenktem Kopf durch 
das Tor geritten und ließ sich vor dem Haus aus dem Sattel 
gleiten. Burt kam vom Stall herüber, nahm das Pferd beim 
Zügel. 

»Hat er gelogen, Thomas? Nicht wahr, das Miststück log?« 
»Er sagte die Wahrheit«, murmelte Jeffords. »Weißt du, was 

das bedeutet, Burt? Von nun an sind wir keine Stunde mehr 
hier oben sicher.« 

Cochise traf mit seinen Apachen in der Gebirgsfeste ein und 
ließ die Beute aus dem verbrannten Frachtzug unter den Sippen 
verteilen. Auf dem Ritt in die Apacheria hatte er außerdem eine 
Ranch zerstört, eine Mine hochgenommen und eine 
Postkutsche der Butterfield verbrannt. An Thomas Jeffords 

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hatte er dabei nicht gedacht. 

Sofort nach seiner Ankunft schickte er einen Reiter zu dem 

Mimbrenjo-Häuptling Victorio im San Carlos-Reservat und 
zwei Späher zum Paß hinauf. Sie sollten auskundschaften und 
ihm berichten. 

Daß die Bergfestung inzwischen von sieben Paar Augen 

beobachtet wurde, ahnte der Jefe nicht. Miller und seine Scouts 
lagerten auf der gegenüberliegenden Seite des Canyons in 
einem Labyrinth von Klippen und warteten auf ihre Chance. 

Im Canyon herrschte eine erdrückende Stille. Es hatte den 

Anschein, als wäre etwas passiert. Späher kamen und gingen. 
Kundschafter aus weit entfernten Regionen ritten in das Lager, 
um am selben Tag wieder zu verschwinden. 

Die Scouts versuchten vergeblich, ein paar Worte zu 

erlauschen. Nach unten konnten sie nicht. Sie wären sofort 
getötet worden. Also waren sie auf ihre Augen und Ohren 
angewiesen. 

Am dritten Tag entstand urplötzlich eine bemerkenswerte 

Unruhe unter den Kriegern. Ein Späher kam ins Tal und eilte in 
die Häuptlingshütte. Gleich danach kam Cochise heraus und 
lief zur Rampe. Er beschattete mit einer Hand die Augen und 
starrte zum Canyonrand hinauf. 

Die Scouts murmelten bewundernd, als die hochgewachsene 

Gestalt in der traditionsreichen Wüstenkleidung sahen. 

Cochise! Ein Fürst unter seinem Volk, ein König der 

Wüsten- und Gebirgsbewohner. 

Von irgendwoher drang ein schriller Schrei. Miller wandte 

sich an einen der Scouts und fragte: 

»Was ist los?« 
»Jemand kommt.« 
»Wer?« 
»Weiß nicht.« 
Millers Aufmerksamkeit wurde abgelenkt. Drei Reiter 

näherten sich der Rampe. Sie ritten über die Mesa und hielten 

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genau an der Stelle, wo sich die Rampe nach unten neigte. Curt 
Miller zuckte zusammen. Er erkannte Nachise, den Jungen, 
eine Squaw und einen Späher, den er am Vormittag beobachtet 
hatte. Sein Blick schweifte wieder in die Tiefe. 

Naiche kam aus einem Wickiup, gesellte sich zu seinem 

Vater und blickte ebenfalls nach oben. Mehr als ein Dutzend 
Krieger stellte sich dazu und brüllte im Chor. 

Curt begriff, was sich abspielte. Sein Blick hing verzückt an 

der majestätischen Gestalt Cochises. Die drei Reiter ritten über 
die Rampe nach unten. 

Cochise und Naiche gingen ihnen entgegen. Die Krieger 

blieben ehrfürchtig zurück. Dies war eine 
Familienangelegenheit. Das Pony mit der jungen Squaw blieb 
vor Cochises ausgebreiteten Armen stehen. Er nahm die 
schlanke Frau in seine Arme und hob sie vom Pferd. 

In diesem Moment bekam Miller die ersten Gewissensbisse. 

Das Idyll im Tal erregte ihn. Es zu zerstören kam ihm wie eine 
Gotteslästerung vor. 

Nicht genug, daß Bascoms Verhalten eine neue, gefährliche 

Krise mit den Apachen heraufbeschworen hatte, beging er den 
zweiten Fehler seiner Offizierslaufbahn, der auch sein letzter 
war. 

Bascom gab einem Corporal Befehl, fünf Pferde 

bereitzustellen. Einem zweiten Unteroffizier befahl er, sich mit 
zehn Soldaten draußen am Paß zu verbergen und fliehende 
Apachen festzunehmen. Nichts ahnend machten sich die beiden 
Unteroffiziere an die Arbeit. 

Der Lieutenant trat schließlich vor das Haus und rief Thomas 

Jeffords. Der schloß die Tür auf und trat auf das Podest. 

»Sie wünschen?« 
»Ich habe mich entschlossen, Ihrem Rat zu folgen und die 

Rothäute freizulassen.« 

»Ihr Entschluß kommt mir etwas zu plötzlich, Bascom.« 
»Er ist das Produkt eines nachdenklichen Tages und der 

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Vernunft. Die Roten mögen ziehen, wohin sie wollen.« 

Jeffords überlegte nicht lange. Dem Wort eines Offiziers 

mußte er Glauben schenken. Er ging ins Haus zurück und 
besprach sich mit Larry und Buck. Tinatra Buck sagte: 

»Laß sie ziehen, Thomas, es ist die bessere Lösung. Wir sind 

die Verantwortung los und brauchen nicht die Rache des 
Häuptlings zu befürchten.« 

»Und wenn er ihnen ein Leid antut?« 
Larry knirschte mit den Zähnen. 
»Dann hole ich ihn vor meinen Revolver. Basta! Ja, laß sie 

gehen.« 

Nach kurzem Überlegen entschloß sich Jeffords, die 

Gefangenen an die Armee zu übergeben. Er befahl den beiden 
Hands, die Indianer aus ihrem Zimmer zu holen. 

Im Korridor erwartete Jeffords sie. Er ignorierte die 

haßerfüllten Blicke der Krieger und wandte sich an die Squaw: 

»Draußen stehen Pferde bereit. Ihr könnt in Cochises Lager 

reiten. Nichts wird euch passieren. Ich bin ein Freund des 
Häuptlings, sage es ihm.« 

Naretana spuckte aus. Seine Söhne trugen eine 

undurchdringliche Miene zur Schau und äußerten sich mit 
keinem Wort. Nahlekadeya prüfte die hellen Augen Jeffords 
auf den Wahrheitsgehalt seiner Worte. Sie konnte keine 
Hinterlist und keinen Falsch feststellen. 

Sie nickte und sagte im schlechten Englisch: »Cochise wird 

es dir danken, weißer Mann.« 

Nachise beachtete Jeffords nicht. Er drängte nach draußen 

und schien froh zu sein, der Enge des Zimmers zu entrinnen. 
Als Jeffords die Tür öffnete, sahen sie die bereitgestellten 
Pferde. Die fünf Tiere wurden von einem einzigen Soldaten 
gehalten. Weit und breit war keine Gefahr zu erkennen. 

Bascom trat aus seinem Zelt. Ihm mißfiel es, daß Jeffords die 

zwei Revolvermänner mitgebracht hatte. Vor nichts hatte er 
Furcht. Aber wenn er die Coltschwinger sah, bekam er 

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jedesmal eine Gänsehaut. 

»Ich übergebe Ihnen die Gefangenen, Lieutenant Bascom«, 

sagte Jeffords. »Wehe Ihnen, wenn ihnen ein Leid geschieht.« 

Larry drängte sich an Thomas vorbei und blieb vor dem 

Offizier stehen. 

»Ich traue Ihnen nicht über den Weg, Lieutenant, und ich 

warne Sie. Falls einem von ihnen auch nur ein Haar gekrümmt 
wird, werden Sie es mit mir ausschießen müssen. Beherzigen 
Sie meinen Rat, und lassen Sie die Apachen ziehen.« 

Bascom wandte sich verächtlich ab und gab Befehl, die 

Pferde zu bringen. Die Gefangenen stiegen auf und ritten 
grußlos davon. Hinter der Kehre lag die Paßstraße nach 
Südwesten vor ihnen. Nichts war zu sehen. Sie wollten schon 
erleichtert aufatmen, als berittene Soldaten mit blitzenden 
Säbeln auf sie eindrangen und die Gruppe umringten. 

Trotz der Proteste der Indianer wurden sie in den 

Seitencanyon abgedrängt. 

Es war derselbe Canyon, der die Todesschreie der drei 

Weißen gehört hatte. Unter einer Korkeiche ließ der Corporal 
anhalten. Hallaran war die Exekution an den wehrlosen 
Indianern zuwider, aber er mußte dem Befehl seines 
Truppenführers folgen. 

Soldaten warfen den männlichen Apachen Schlingen um die 

Hälse. Die losen Enden der Stricke schleuderten sie über einen 
starken Ast und verknüpften sie am Stamm. Alles ging schnell 
und wie einstudiert. Nach einem kräftigen Hieb auf die 
Kruppen stoben die Pferde angstwiehemd davon. 

Drei Körper schwebten frei in der Luft, pendelten 

sekundenlang und streckten sich. Naretana, Cochises Bruder, 
und seine Söhne Yadalanh und Giannatah waren tot. 

Nahlekadeya und Nachise wandten keinen Blick von den 

Gehängten. Ein dunkler Schatten legte sich wie die Hand des 
Todes über das Tal. Die Frau und der Junge standen mit 
ausdruckslosen Mienen vor dem Galgenbaum, umringt von 

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schweigenden Soldaten. 

Corporal Hallaran schüttelte sich vor plötzlichem Ekel. Es 

war schlimm, als Weißer in diesem grausamen Land leben zu 
müssen. Noch viel schlimmer aber war es, Soldat zu sein und 
Befehlen gehorchen zu müssen, deren Ausführung einen 
aufrechten Mann mit Widerwillen erfüllte. 

Er trat vor die Frau hin. »Du kannst mit dem Jungen reiten«, 

sagte er. »Nichts wird mehr geschehen.«(*5) Er wandte sich 
um und gab den Befehl zum Aufsitzen. 

Cochise stand starr. Den Blick nach Nordwesten gerichtet, 
schien ihn die Bluttat an seinen männlichen Verwandten zu 
lähmen. Keiner der Krieger sagte ein Wort. Das Schweigen 
wirkte bedrückend. 

In dieser Situation wurde in ihm der Gedanke an Rache 

geboren. An eine furchtbare und blutige Vergeltung, die sich 
über alle Weißen in seinem Land wie eine Sturmflut ergießen 
sollte. Der Stationsleiter kam ihm in den Sinn. 

Er fragte Nahlekadeya nach Hellauge Jeffords. Sie erzählte 

ihm, wie es gewesen war. 

»Er handelte im guten Glauben und kann nichts dafür. Dieser 

Mann nannte dich seinen Freund. Er ist edel und gut, Cochise.« 

Cochise und die Squaw zogen sich in ihre Hütte zurück. Am 

Feuer ließ der Jefe sich den Lynchmord bis ins letzte Detail 
erklären. Danach gab er sich brütenden Gedanken hin, die 
nichts Gutes verrieten. 

In einem Versteck auf der Mesa lauerte inzwischen die 

nächste Gefahr. Ahnungslos gab sich Cochise der Stille seines 
Wickiups hin. Ein Krieg gegen die Weißen hätte den 
Untergang der Apachen bedeutet. Ein ständiges Nachgeben mit 
der Aussicht auf einen Platz in der Reservation wäre ebenfalls 
ein Todesurteil gewesen. Chiricahuas brauchten die Wüste und 

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die Berge, Luft zum Atmen und den bitteren Rauch der 
Mesquitefeuer. Sie mußten den Adler und den Bussard 
beobachten, den Hirsch jagen und das Raunen der Quellen 
vernehmen. Chiricahuas war der Wind heilig, die ziehenden 
Wolken, der Schnee auf den Gipfeln der Berge. Cochise 
verhüllte sein Haupt mit einer Santillodecke und schloß die 
Augen. 

Sein jüngster Sohn stieß bei der Quelle auf seine 

gleichaltrigen Spielgefährten, während der Jefe mit seinem 
Gewissen rang. Sie setzten sich gemeinsam an den Beckenrand 
und lauschten Nachises Erzählung. Der Sohn des Häuptlings 
hatte ein echtes Abenteuer erlebt, war gefangen gewesen und 
wieder freigelassen worden. Und das machte ihn bei den 
Jungen zum Helden. 

Es dunkelte bereits. Die Schatten wurden länger. Ein 

seltsames Zwielicht lag über dem Canyon und ließ Konturen 
verschwimmen. Unbemerkt von den Spähern krochen die 
Scouts bis zu jener Stelle, die oberhalb der Quellen lag. 

Miller suchte nach einer Möglichkeit, wie er sich des Jungen 

bemächtigen konnte. Zeit und Dämmerung waren günstig. Ihm 
konnte es nicht gelingen, ungesehen in den Canyon zu 
gelangen. Aber den Scouts. Ein amerikanischer General hatte 
irgendwann behauptet, Apachen wären nur durch Apachen zu 
besiegen. 

Er besprach sich mit den Scouts. Ihre bedenklichen Mienen 

sagte ihm genug. Bei der Quelle waren keine Krieger zu sehen. 
Sie hielten sich in der Nähe ihrer Wickiups auf. Die Scouts 
mußten nur schnell nach unten huschen, den Jungen packen, 
ihn und die anderen Bengels am Schreien hindern, über die 
Rampe zurückkehren und … 

Miller grübelte. Er suchte nach einen gangbaren und 

ungefährlicheren Weg. Es konnte klappen, wenn die anderen 
Indianerjungens nicht in der Nähe gewesen wären. Der Zufall 
half ihm. Zwei von ihnen entfernten sich in Richtung des 

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Lagers. Nur einer blieb bei Nachise. Die beiden redeten 
miteinander. 

Das war Millers Chance. 
Eine Sekunde später war er allein. Er starrte sich die Augen 

aus dem Kopf, sah aber nichts mehr von den Apachen-Scouts. 
Minuten vergingen. Er befürchtete schon, daß Nachise 
ebenfalls zum Lager gehen wollte. 

Ein verhaltener Schrei in der Tiefe ließ ihn 

zusammenzucken. Er spähte über den Rand. Seine Scouts 
huschten schon wieder über die Rampe nach oben. Zwei von 
ihnen trugen den erschlafften Jungen. 

Es war geglückt. Curt Miller atmete auf. Trotzdem fühlte er 

sich nicht wohl in seiner Haut. Ein zweiter Schrei bei der 
Quelle riß ihn hoch. Der Schrei wiederholte sich, gellend und 
weithin hallend. 

Krieger setzten sich in Bewegung. Auf der anderen Seite des 

Tales erschien ein berittener Wachtposten. Der Späher starrte 
in die Tiefe, konnte aber aus seiner Position die Scouts nicht 
sehen. 

Noch blieb Curt Miller fest an den Boden gepreßt liegen. Er 

beobachtete und beschränkte sich darauf, unentdeckt zu 
bleiben. Cochise und Naiche kamen aus ihren Behausungen. 
Sie ließen sich die Ursache des Gebrülls erklären. 

Mit anderen Kriegern rannten sie zur Quelle. Miller 

beobachtete mit klopfendem Herzen jede Phase im Canyon. 
Noch waren die Scouts nicht außer Gefahr. 

Als Cochise die flüchtenden Apachen-Scouts hoch oben auf 

der Rampe sah, stieß er einen schrillen Warnruf aus. Der 
pflanzte sich über die Mesa fort und wurde beantwortet. 

Miller war es mulmig zumute. Er sah Krieger herbeieilen, 

beritten und zu Fuß. Krieger, die hier oben im Verborgenen 
Wache hielten. Bevor die Scouts mit dem sich wehrenden 
Jungen die Höhe erreichten, standen mehr als fünf Chiricahuas 
mit angeschlagenen Waffen bereit. 

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Aus dem Tal drängten die ersten Krieger auf die Rampe, 

unter ihnen Cochise und Naiche. Die Scouts blieben mit dem 
zappelnden Jungen in den Armen stehen. Sie konnten weder 
nach oben noch nach unten. Sie waren gefangen. 

Miller ahnte, daß sein Unternehmen fehlgeschlagen war. Mit 

der Ahnung kam das Grauen und die Angst. Er kroch zurück, 
richtete sich auf, als er sich weit genug vom Schluchtrand 
entfernt hatte. 

In einer Anhäufung von Felsen verhielt er, um sich zu 

orientieren. Den Scouts konnte er nicht mehr helfen, nur noch 
seine eigene Haut retten. Dämmerung und Schatten machten 
das Land unübersehbar. Curt glaubte sich bereits in Sicherheit, 
als zwei graue Gestalten mit blitzenden Kriegsbeilen vor ihm 
auftauchten. Er schrak zurück wollte seinen Colt aus der 
Tasche reißen und fliehen, kam aber nicht mehr dazu. Etwas 
Stumpfes, Schweres traf ihn am Kopf und ließ ihn 
zusammenbrechen. 

Die beiden Chiricahuas hoben ihn mit Triumpfgeschrei hoch 

und trugen ihn über die Felsbrücke. Nachise war frei, die sechs 
Scouts befanden sich in den Händen der Chiricahua-Apachen. 
Man schleppte die Gefangenen zum Lager und warf sie fest 
verschnürt beim Beratungsfeuer zu Boden. 

Cochise und Naiche traten vor Miller hin. Sie musterten 

ihren Gefangenen, der gerade erwachte. 

Naiche fragte: »Was machen wir mit ihnen?« 
»Sie werden büßen, alle. Rammt die Pfähle ein!« 
Cochises Sohn gab den Befehl weiter. Sieben rindenfreie 

Pfähle wurden in das Erdreich gerammt. Das Ratsfeuer wurde 
neu genährt. Flammenschein beleuchtete die Wände und die 
schauerliche Szenerie. Die Gefangenen schwiegen. Es gab 
angesichts ihrer hoffnungslosen Lage nichts mehr zu sagen. 

Miller verfluchte seinen Leichtsinn, Brevet-General Wests 

Vorschlag gefolgt zu sein. Er dachte an Thomas Jeffords und 
John Haggerty, an die vielen Freunde, die ihm nicht mehr 

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helfen konnten. Und er dachte an die rothaarige Lily in Santa 
Magdalena. Aus! 

Trommelschläge. Krieger begannen den Martertanz. Mit 

zuckenden und stampfenden Bewegungen umkreisten sie die 
Pfähle, an die die Gefangenen festgebunden worden waren. 
Baumtrommeln fielen ein, schließlich noch zwei oder drei 
Hirtenflöten. 

Der Lärm wurde markerschütternd, zu einem dämonischen 

Hexensabbat, angeleuchtet von den blutroten Flammen. Mehr 
und mehr Chiricahuas gesellten sich der tanzenden Gruppe zu. 
Ihr Stoßen, Stampfen und Rütteln war zwar grotesk für einen 
Betrachter. 

Auf einen Zuruf Cochises trat abrupt Stille ein. Die braunen 

Wasserspeiergesichter der Krieger wandten sich ihm zu. Der 
Häuptling stand beim Feuer, die Arme zum dunklen Himmel 
erhoben, die Augen auf die ersten Gestirne gerichtet, das 
Gesicht dem Wind zugewandt. Mit hallender Stimme sprach er 
zu den Kriegern: 

»Wir hatten den Weißen Freundschaft angeboten. Wir waren 

bereit, sie in unserem Land zu dulden, von ihnen zu lernen, wie 
sie auch von uns lernen konnten. Die Weißen brachen das 
Abkommen. Sie töteten Krieger meiner Sippe, hängten sie auf 
wie gemeine Verbrecher.« 

Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. 
»Nicht genug damit, sie wollten meinen Sohn Nachise 

rauben, um die Chiricahuas zu erpressen. Die Weißen sind in 
ihrem Tun verwerflich, gemein und hinterhältig. Ihre 
Anwesenheit in unserem Land schadet den Chiricahuas. 
Deswegen tötet sie, rottet sie aus, wie sie uns ausrotten wollen. 
Zastee!« 

»Zastee!« schrie der Chor der Apachen. 
Cochise ging zu Miller. Man hatte den Scout mit den Füßen 

an den Stamm gefesselt und seine Hände nach hinten 
gebunden. Gelassen blickte er Cochise entgegen. Der Jefe blieb 

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vor ihm stehen, betrachtete ihn wie etwas Widerwärtiges. 

»Du und die Verräter an deiner Seite werden sterben«, 

verkündete er. »Von nun an herrscht wieder Krieg zwischen 
den weißen Männern und den Apachen. Ihr alle werdet durch 
die Hand der Chiricahuas den Tod finden.« 

Miller konterte: »Wir sind alle sterblich, die Weißen wie die 

Roten.« 

Cochise spuckte ihm ins Gesicht. Wütend zischte er: 

»Weißer Hund!« 

Curt wußte, daß es für ihn keinen Ausweg mehr gab. Dieser 

Hochgebirgscanyon war für ihn die Endstation seines Lebens. 
Er brauchte auf keinen mehr Rücksicht zu nehmen, nicht mal 
auf sein Leben. Er spuckte zurück. 

»Deine Worte sind Labsal für meine Seele, roter Bastard. 

Wenn du glaubst, daß ich um mein Leben winseln werde, hast 
du dich getäuscht. Fangt endlich mit der Marter an.« 

Gelassen wischte sich Cochise den Speichel aus dem 

Gesicht, hob die Hand und schrie: 

»Zastee! Tötet sie! Den weißen Hund zuletzt!« 
Sechs indianische Scouts stimmten den Totengesang an. Sie 

wiegten die Köpfe im Takt ihrer dumpfen Stimmen. Rauch 
stieg von den Feuern auf, verdeckte das Licht der Sterne. 
Messer flogen auf die Gefangenen zu. 

Die Szene wirkte wie eine Orgie der Hölle. Rotes Licht, 

Rauch, wirbelnde Gestalten, Wickiups wie Elefantenrücken im 
Hintergrund – das Inferno hätte nicht schlimmer sein können. 

Die Scouts litten unter unsagbaren Schmerzen, hielten 

trotzdem die Köpfe erhoben und sangen. Schließlich machte 
sich doch der Blutverlust bemerkbar. Der Gesang wurde leiser, 
verstummte. Cochise gab ein weiteres Zeichen. 

Junge Krieger mit Pfeil und Bogen traten an. Sie spannten 

die kurzen Kriegsbogen aus dem Holz des Maulbeerbaumes. 
Sechs Pfeile zischten, löschten gleichzeitig sechs Leben aus. 

Cochise trat noch einmal vor Miller hin. Lange starrten sie 

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sich in die Augen. Cochise fragte: 

»Warum?« 
»Befehl, Jefe. Die Weißen handeln auf Befehl.« 
»Der einarmige General?« 
»General Howard ist dein Freund, Jefe. Nein, nein, ein 

anderer weißer Häuptling.« 

»Sag mir seinen Namen.« 
»Du kennst ihn doch nicht. Brevet-General West, Joseph 

West.« 

»Mangas Coloradas Mörder. Ihn kenne ich nur zu gut.« 
Cochises Hand machte eine kreisende Bewegung. 
»Die roten Verräter sind tot. Auch dein Leben wird am 

Marterpfahl enden. Die Ehre, um dein Leben zu kämpfen, 
gewähre ich dir nicht. Du bist nicht der ›Falke‹. Stirb mit Haß, 
Bleichgesicht. Du sollst winseln und um Gnade betteln, aber 
keine Gnade finden. Haß sollst du am Ende verspüren, um so 
besser wirst du meinem Volk in den Ewigen Jagdgründen 
dienen.« 

Der Häuptling trat zurück. 
Als das erste Messer Millers Oberarm traf, dachte er an Lily. 

Beim zweiten Treffer sah er sie vor sich. Ihre grünen Augen 
blickten ihn traurig an. Bei jedem weiteren Treffer zog eine 
andere Gestalt aus einem Lebenskreis kaleidoskopartig an ihm 
vorbei. 

Er schrie, stöhnte und jammerte nicht. Nur seine Gedanken 

rasten. Er hatte falsch gehandelt. Statt Geld erhielt er einen 
Pfeil als Lohn. 

Ohne Ehren und Auszeichnungen ging er als Kidnapper in 

die Geschichte ein. 

Curt Miller, Scout der Siebenten, büßte still und ergeben. 

Langsam sank sein Kopf auf die Brust. 

Curt Miller war tot. 

ENDE