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Historizismus, auch: Historismus
Begriffsbestimmung
Historismus in der Geschichte und Geisteswissenschaft ist die geschichtsbezogene
Denk- und Betrachtungweise.
Historismus als Stil in der Kunst und Architektur beinhaltet den Versuch, historische
Stile wieder zum Leben zu erwecken. Der Begriff Historismus wird wie
"Eklektizismus" oft in abwertendem Sinn auf die Neostile des 19. Jh. angewandt.
Erläuterungen
Der Historismus hatte seine Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Er entwickelte sich parallel zu der Stilrichtung des Klassizismus Ende des 18. bis
Mitte des 19. Jahrhunderts. Während der Klassizismus unter dem Einfluß der
französischen Revolution und dem aufstrebenden Bürgertum die Ideale und
Formenstrenge der griechischen Antike als neue Stilrichtung des freien Bürgers
aufgegriffen und weiterentwickelt hat, sucht der Historismus seine Vorbilder sowohl
im Mittelalter (Neuromanik, Neugotik) als auch in jüngeren Stilepochen
(Neurenaissance, Neobarock; Neoklassizismus). Daher wird diese Stilepoche auch
als die Zeit der Neostile bezeichnet.
Die Neugotik kam bereits 1750 in der Baukunst in England auf und griff später auf
Kontinentaleuropa über. Dabei bestand das Bestreben, gotische Bauformen, wie
Spitzbögen u.a. nachzubilden. Die ideelle Basis dafür bildete die romantisierende
Verherrlichung des Mittelalters, wie wir sie in Deutschland aus der Literatur (Ludwig
Tieck, Novalis) und der Malerei (Schwind, Caspar David Friedrich, Carus, Richter
u.a.) der Romantik dieser Zeit kennen.
Frühe Beispiele für die Einbeziehung von örtlich vorhandene Ruinen und
Architekturteile in die nach damaliger Mode entstehenden Landschaftsparks finden
wir zum Beispiel in Pilnitz. Ein im neugotischem Stil neu errichtetes Gartenschloß
befindet sich im Wörlitzer Park. Vielfach wurden auch alte Kirchen und Dome des
Mittelalters, wie z.B. der Kölner Dom, oder auch Schlösser und Burgen, die im
Wechsel der Geschichte keiner Vollendung zugeführt werden konnten, bzw. dem
Zerfall preisgegeben waren, wieder interessant für die den Idealen vergangener
Epochen zugewandten Menschen und man begann, sie im Stil der Neugotik oder
anderen Neostilen fertigzubauen oder wiederherzustellen. Zahlreiche Burgen, wie
z.B. die Rheinburgen, oder die Rudelsburg, die Burg Saaleck und der Giebichenstein
in Halle erhielten in dieser Zeit ihre heutige Form.
Sehr anschaulich schildert Paulus Hintz die Entwicklung dieser Zeit am Beispiel des
Halberstädter Domes ( Gegenwärtige Vergangenheit ):
 Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts ist eine erwachende Freude an
mittelalterlichen Formen festzustellen. Die führte im Laufe des Jahrhunderts,
besonders im sechsten und siebten Jahrzehnt, zu umfassenden
Erneuerungsarbeiten im gesamten Inneren des Domes. Dabei beschränkte man die
Übernahme alter Formenelemente nicht bloß auf notwendig gewordene
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Ausbesserungen und Ergänzungen. Auch da, wo etwas ganz neu geschaffen und
hinzugefügt wurde, geschah es imitierend im alten Stil, als seien auch diese Zutaten
bereits im Mittelalter entstanden. ...Immerhin ist das, was in dieser Hinsicht damals
im Halberstädter Dom und schließlich auch an seinen Türmen geschah, noch
erträglich im Vergleich zu der unleidlichen Papiermachégotik unzähliger Postämter
und Rathäuser.
Es entstanden also auch Neubauten in den Stilrichtungen des Historismus.
Während für Kirchen Schlösser, Rathäuser und Wohnhäuser gotische Elemente
verwendet wurden, wurden Kulturbauten wie Theater, Opernhäuser und Museen
häufig im Stil der Renaissance erbaut. Bürgerhäuser wurden gern mit barocken
Stilelementen geschmückt.
Die Vielzahl der neogotischen Kirchen war kein Zufall, sondern bereits das Ergebnis
einer Verfügung aus kirchlichen Kreisen, des  Eisenacher Regulativ von 1861, in
dem die Neogotik als ein  wahrhaft kirchlicher Stil bezeichnet wurde.
Beispiele
Bekannte, dem Historismus verpflichtete Bauten in Deutschland sind:
- die Feldherrenhalle und die Staatsbibliothek von Friedrich Gärtner in München
im Stil der Neorenaissance;
- die Semperoper in Dresden
Semper schuf auch das Galeriegebäude im Ensemble des Dresdner Zwingers,
das offensichtlich als Neorenaissance im Gegensatz zum barocken Umfeld steht.
Semper fühlte sich der Stilreinheit der Renaissance verpflichtet und betrachtete
das Barock lediglich als eine  verwilderte Renaissance, der er in seinem Galerie-
gebäude die  reine Form entgegensetzte.
- Schloßbauten in Schwerin (Neorenaissance), Wernigerode und Flechtingen
(Neogotisch).
In unserer Stadt haben wir als Beispiele für den Stil des Historismus:
- neugotische Kirchen in Sudenburg, im Stadtfeld und in der neuen Neustadt;
- das Gebäude der Hauptpost (1895) am Breiten Weg, dessen Vorderseite von
neugotischen und neuromanischen Stilelementen geprägt ist, während das
rückwärtige Gebäude Elemente der Neorenaissance verbunden mit Resten eines
alten Renaissancehauses aufweist;
- Kulturhistorisches Museum - Neorenaissance;
- das Gebäude des Magdeburger Hauptbahnhofes von 1882 (Otto Peters)
im Stil der italienischen Hochrenaissance.
Neue Techniken und Materialien, wie sie z.B. durch die Metallurgie in Form der mit
Nieten verbundenen Träger, der Glasindustrie mit der Möglichkeit zu großflächigen
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Verglasungen oder der Erfindung des bewehrten Betons hervorgebracht wurden,
eröffneten bald neue Möglichkeiten in der Architektur, machten sie leichter und
führten zu ganz neuen Formen, die Ihren Ausdruck in der Modernen und dem
internationalen Stil unserer Zeit fanden.
Trotz der ihm häufig vorgeworfenen Uneigenständigkeit hat der Historismus aus
heutiger Sicht als der Stil des neunzehnten Jahrhunderts mit seinen zahlreichen
Kirchen- und Profanbauten das Bild unserer Städte geprägt und gilt als Ausdruck
einer vergangenen Epoche, Ihren Ideen und Idealen, als erhaltenswert.
Der Historismus wurde Ende des 19. Jahrhunderts durch das Art Nouveau in
Frankreich und den Jugendstil in Deutschland und Österreich abgelöst. Dennoch
finden wir noch heute Nachahmungen von Möbeln und Keramik, besonders des 18.
Jahrhunderts.


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