ARBEITSZEIT: 210 Minuten
Textproduktion (TP)
b) textgebundene Aufgabe / Sachtext (Inhaltsangabe und Kommentar)
Quizshows - Abendschule der Nation?
Am Nachmittag vor der Sendung „Wer wird Millionr?“ erzhlen sich die Kandidaten whrend einer Pause, wie sie sich vorbereitet haben. Jeder versucht sein Gegenber zu bertreffen und zhlt noch mehr Lexika, Zeitungen und Internetadressen auf. Stumm klammert sich ein blasser Mann an eine Tischkante. Er heißt Gerhard Krammer, ist 24 Jahre alt und studiert in Regensburg Musikwissenschaft und Philosophie. Er wird fnf Stunden spter deutsche Quizgeschichte schreiben und die erste Million gewinnen. Vorerst lsst er sich nur entlocken, dass er sich nicht vorbereitet und keine Lexika benutzt habe. „Wenn ich wsste, dass mein Allgemeinwissen nicht fr diese Kreuzwortrtselfragen ausreicht, htte ich mich nicht erst beworben“, sagt er. Und dass er keine Angst habe sich zu blamieren: „Das mache ich nicht aus Spaß, sondern wegen des Geldes.“ Auf lngst nicht alle Fragen weiß er dann die Antwort, kombiniert aber klug. Bei der 250 000-Euro-Frage verlsst er sich auf ungenaues Halbwissen und hat Glck: Auf die Frage, welche Stadt 1949 vor Bonn als Hauptstadt der Bundesrepublik zur Abstimmung stand, entscheidet er sich fr Frankfurt - die richtige Antwort. Die richtige Antwort auf die Millionenfrage nach dem berhmten Schriftsteller, der als Architekt in Zrich ein Schwimmbad gebaut hat, findet Krammer durch Ausschluss aller brigen Antwortmglichkeiten.
Man muss nichts sicher wissen, um aus vier vorhandenen Mglichkeiten erfolgreich die richtige auszuwhlen. Auch der Moderator Gnther Jauch rumt ein, dass dazu ein „zusammenhangloses Faktenwissen“ ausreiche. Hilfreich sind aber, Krammer hat das gezeigt, Kombinationsfhigkeit und Sprsinn.
Frage- und Ratesendungen gehren seit Beginn des Fernsehens zu den festen Programm-punkten. Aber nicht immer war die kameragerechte Prsentation das erste Anliegen der Fernsehmacher. Fernsehen sollte in den 50er Jahren schlau machen, die moderne Welt erschließen und die Gemeinschaft frdern. „Sich einfach vergngen wollen, war damals keine gesellschaftlich akzeptierte Haltung“, schreibt der Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger ber diese Zeit. Dagegen spielte in den 60er und 70er Jahren Wissen bei den Shows keine Rolle mehr. Der Moderator gab dem Publikum das, was es verlangte: Spiel, Spaß und Unterhaltung - mit Farbe, Witz und jeder Menge Show. Die Teilnehmer aus dem Publikum mussten keine Fragen mehr beantworten, sondern sich in Geschicklichkeitsspielen beweisen. Der Moderator ließ erstmals im deutschen Fernsehen Luftballons rasieren oder Zigaretten mit Boxhandschuhen anznden. Eine andere Quizsendung war eine große Abendshow mit Orchester, Stars, Tanztruppe und Zuschauerspielen. Inzwischen ist man wieder zu der ursprnglichen Form zurckgekehrt.
Stefan Hrner, Redakteur der Sendung „Wer wird Millionr?“, erklrt selbstbewusst: „Wir machen zwar kein klassisches Bildungsfernsehen, aber wir haben es geschafft, dass Unterhaltungsfernsehen wieder mit Wissen und Bildung in Verbindung gebracht wird.“
„Wer wird Millionr?“ mit dem Moderator Gnther Jauch ist die erfolgreichste deutsche Quizshow. Sie ist nach einem ganz einfachen Muster aufgebaut: Eine Person fragt, eine Person antwortet, alle raten mit. Und die richtige Antwort wird belohnt.
Diese einfache Show wurde Ende der 90er Jahre in Großbritannien erfunden und hatte dann zuerst in den USA einen berwltigenden Erfolg. Doch dort scheint der Millionenrausch vorbei zu sein. Die Sendung wurde im Sommer 2002 eingestellt, nachdem sie zuletzt viermal in der Woche ausgestrahlt worden war. In zwei Dutzend anderen Lndern wird aber weiterproduziert - immer nach demselben Schema. Und in all diesen Lndern entwickelte es sich zum neuen Erfolgsrezept der Fernsehunterhaltung, weil es einer allgemein anerkannten Devise folgte: Wissen ist die Voraussetzung fr allen Erfolg. Gnther Jauch hat eine weitere Attraktion in den Ratespielen entdeckt, die er moderiert: „Es gibt bei jedem Einzelnen eine große Sehnsucht danach zu wissen, wie gut er eigentlich ist. Bin ich intelligent, obwohl ich kein Abitur und keinen Uni-Abschluss habe? Bin ich schlauer als mein Vater oder Bruder?“ Mit Hilfe der Sendung kann man sich spielerisch mit anderen messen.“
Demnach geht es vielleicht weniger um Bildung als um Sport. Das dachte auch der Journalist Jens Jessen, als er in der Wochenzeitung „Die Zeit“ die Quizshows einer grundstzlichen Kritik unterzog. An die Stelle des Begriffs „Bildung“ sei im Fernsehen „Intelligenz“ getreten, die man „als eine Art von Fitness in einer Art von Sport“ begreifen knne. Und Intelligenz bezeichne nicht etwa die Fhigkeit zum selbststndigen Denken, sondern die Geschicklich-keit, Quizfragen richtig zu beantworten. Solche Urteile zeigen vor allem eines: die Unzufriedenheit der Bildungsbrger darber, dass Wissen heute anders bewertet wird als frher und dass man fr dieses Wissen Geld bekommt. Zum Beispiel ist die richtige Antwort auf die Frage nach der Hauptfigur in einem berhmten Roman genauso viel wert wie die richtige Antwort auf die Frage, wer seit 1998 ununterbrochen die deutsche Meisterschaft im Mnnervolleyball gewonnen hat. Die Kritik ist allerdings nicht neu. Anfang der 70er Jahre beklagte sich ein Autor einer angesehenen Tageszeitung darber, dass Quizsendungen die geistigen Energien in die falsche Richtung lenken.
Der Intellektuelle Gnther Jauch vertritt dagegen die Meinung: „ Im Grunde genommen ist es ein schnes Gefhl, den Leuten das Interesse an Wissen und Intelligenz wiedergegeben zu haben. Außerdem macht es viel Spaß.“
(Quelle: Michael Berger, .....Das war Spitze! GeoWissen 2003 - zu Prfungszwecken bearbeitet)
Aufgaben: siehe AUFGABENBLATT!
Deutsches Sprachdiplom der KMK, Stufe II, Frhjahr 2005, Seite 2 von 2