VorÞm Examen


Vor dem Examen

 

Wie ein Professor die Studenten in der mündlichen Prüfung erlebt.

 

Die Hände sind feucht, die Finger zerbrechlich wie Spinnenbeinen. Man läuft gegen einen Stuhl, der gar nicht im Weg steht. Mündliche Prüfungen beginnen oft mit solchen Fehlleistungen. Dabei ist der psychische Druck, unter dem Examinanden stehen, meist selbst verursacht. Viele beginnen erst nach Abgabe der schriftlichen Arbeit, sich Gedanken über die mündliche Prüfung zu machen. Hektisch suchen sie verabredete Literatur zusammen. Weil das jedoch viele tun, sind die Bücher entliehen, vorbestellt oder von Kommilitonen in der Bibliothek versteckt. Klar, dass dann vier Wochen zur Vorbereitung knapp sind.

Die verlorene Zeit versuchen die Prüflinge durch magische Handlungen aufzuholen, die eher der eigenen Psyche als der Sache dienen. Sie lesen acht oder zehn Stunden am Tag und wundern sich nach drei Tagen, dass sie kaum etwas behalten haben. Nach fünf Tagen merken sie, dass sie das Tempo nicht durchhalten können, und sie tragen sich in die Sprechstundenliste des Prüfers ein. Dort warten sie - neben 40 oder 50 anderen Verängstigten - darauf, eine Kürzung der verabredeten Literatur erflehen zu können. Erfolgt der Ablass, arbeiten sie aus Buße bis tief in die Nacht.

Das einzige, was man so erreicht, sind tiefe Eingriffe in den Biorhythmus. Massive Einschlafstörungen stellen sich ein. Man steht morgens auf, als hätte man die Bücher nicht gelesen., sondern turmhoch gestapelt. Vor Müdigkeit fällt nun das Lernen schwer, und bei mehreren Tassen Kaffee - die nicht wach, sondern nur nervös machen - sucht man Trost bei Mitbewohnern, die tolle Storys über den Prüfer gehört haben, aber auch nicht gerade beruhigen.

Wäre es nicht zweckmäßiger, seinen Prüfer schon zu Beginn des Hauptstudiums anzuvisieren,
vorrangig seine Veranstaltungen zu besuchen, um dann seine Eigenheiten selbst beurteilen zu können, statt sich auf das Campus-Geflüster zu verlassen? Könnte man Prüfungsthemen nicht langfristig festlegen und vor Beginn der Abschlussarbeit die einschlägigen Texte kopieren oder kaufen? Unbedingt aber sollte man den Lebensrhythmus, mit dem man studiert hat, nur langsam und langfristig ändern. Wenn achtsemestrige Nachteulen ausgerechnet am Abend vor der Prüfung mit den Hühnern in die Federn gehen, führt das nur zu einer qualvoll durchwachten Nacht.

Oft sieht man Kandidaten, die noch Minuten vor der Prüfung ihre Unterlagen studieren. Das wirkt nicht nur unprofessionell, es ist auch sinnlos. Spätestens am Mittag vor dem Prüfungstag sollte man Bücher und Kopien wegräumen und sich einen bewegungsaktiven Nachmittag und einen alkoholfreien Kinoabend gönnen. Man geht entspannter in die Prüfung, weil man Distanz zum Gelernten bekommen hat.

Schon vorher sollte man vermeiden, sich wie Raupe Nimmersatt durch Themen und Texte zu wühlen. Das gefährdet die geistige Verdauung. Sie wird dagegen gefördert, wenn man auf einem langen Spaziergang durch die herbstlichen Wälder einem geduldigen Vertrauten erklärt, was man gelernt hat. Stößt man auf Unverständnis, hat man schlecht gelernt und muss nachbessern.

 



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