Obraz9 (4)

Obraz9 (4)



verurteilen. Nicht?“    i

„Es ist so. Ich tat meine Pflichi. Es war mein Amt. Ebenso wie es das Amt des Henkers ist, die von mir Verurteilten zu tóten. Sie selbst haben ja das gleiche Amt iibernommen, Sie tóten ja auch."

„Richtig. Nur tóten wir nicht aus Pflicht, sondern zum Ver-gniigen, oder vielmchr: aus MiRvergniigcn, aus Verzweif-lung an der Welt. Darum macht das Tóten uns einen gewis sen SpaG. Hat Ihnen das Tóten nie SpaG gemacht?"

„Sie langweilen mich. Haben Sie die Giite, Ihre Arbeit zu Ende zu fiihren. Wenn der Begriff der Pflicht Ihnen unbe kannt ist..."

Er schwieg und verzog die Lippen, ais wolle er ausspucken. Es kam aber nur ein wenig Blut, das an seinem Kinn kle benblieb.

„Warten Sie!" sagte Gustav hóflich. „Den Begriff der Pflicht allerdings kenne ich nicht, nicht mehr. Friiher hatte ich amtlich viel mit ihm zu tun, ich war Professor der Theolo gie. AuGerdem war ich Soldat und habe den Krieg mitge-macht. Das, was mir Pflicht schien und was mir von Autori-taten und Vorgesetzten jeweils befohlen worden ist> war alles gar nicht gut, ich hatte stets lieber das Gegenteil getan. Aber wenn ich auch den Begriff der Pflicht nicht mehr kenne, so kenne ich doch den der Schuld - vielleicht sind sie beide dasselbe. Indem eine Mutter mich geboren hat, bin ich schuldig, bin ich verurteilt zu leben, bin verpflich tet, einem Staat anzugehóren, Soldat zu sein, zu tóten, Steu ern fur Rustungen zu bezahlen. Und jetzt, in diesem Au genblick. hat die Lebensschuld mich wieder, wie einst im Kriege, dazu gefiihrt, tóten zu miissen. Und diesmal tótc ich nicht mit Widerwillen, ich habe mich in die Schuld er geben, ich habe nichts dagegen, daG diese dumme, ver stopfte Welt in Scherben geht, ich helfe genie mit und gehe selber gerne mit zugrunde."

Der Staatsanwalt strengte sich sehr an, urn mit seinen blut verklebten Lippen ein wenig zu lacheln. Es gelang ihm nicht glanzend, doch war die gute Absicht erkennbar.

„Es ist gut“, sagte er. „Wir sind also Kollegen. Tun Sie nun bitte Ihre Pflicht, Hcrr Kollege."

Das hiibsche Madchen hatte sich inzwischen am StraGcn rand niedergelassen und war ohnmachtig.

Ta diesem Augenblick tutete wieder ein Wagen und kam in voller Fahn dahergerannt. Wir zogcn das Madchen ein we nig beiseite, driickten uns an die Felsen und liefien den an kommenden Wagen in die Triimmer des andern hineinfali ren. Er bremste heftig und baumte sich in die Hóhe, blłeb aber unbeschadigt stehen. SchnelJ nahmen wir unsre Biicli sen zur Hand und legten auf die Neuen an.

„Aussteigen!" kommandierte Gustav. „Hande hoch!"

Es waren drei Manner, die aus dem Wagen stiegen und ge horsam die Hande hochhielten.

„Ist einer von Ihnen Arzt?“ fragte Gustav.

Sie verneinten.

„Dann haben Sie die Giite, den Herrn hier vorsichtig aus seinem Sitz zu befreien, er ist schwer verletzt. Und dann nehmen Sie ihn in Ihrem Wagen bis zur nachsten Stadt mit. Vorwarts, angefaGt!"

Bald war der aite Herr im andern Wagen gebettet, Gustav kommandierte, und alle fuhren los.

Inzwischen war unsre Stenographin wieder zu sich gettom-men und hatte den Vorgangen zugesehen. Es gefiel mir. dafi wir diese hiibsche Beute gemacht hatten.

„Fraulein", sagte Gustav, „Sie haben Ihren Arbeitgeber ver-loren. Hoffentlich stand der alte Herr Ihnen sonst nicht nahe. Sie sind von mir engagiert, seien Sie uns ein guter Ka-merad! So, und nun pressiert es ein wenig. In Balde wird es hier ungemiitlich werden. Kónnen Sie klettern, Fraulein? Ja? Also los, wir nehmen Sie zwischen uns und helfen Ihnen."

Nun kletterten wir alle drei, so rasch es gehen wollte, in unsre Baumhiitte hinauf. Dem Fraulein wurde oben schlecht, aber sie bekam einen Kognak, und bald war sie so weit er-holt, daS sie die prachtvolle Aussicht auf See und Gebirge anerkennen und uns mitteilen konnte, dafi sie Dora heifie. Gleich darauf war unten schon wieder ein Wagen angekom-men, der in vorsichtiger Fahrt an dem gestiirzten Auto vor-beisteuerte, ohne zu halten, und dann sein Tempo sofort beschleunigte..

„Driickeberger!" lachte Gustav und schoti den Lenker ab. Der Wagen tanzte ein wenig, machte einen Satz gegen die Mauer, driickte sie ein und blieb schrag iiberm Abgrund liangen.

153


Wyszukiwarka

Podobne podstrony:
Obraz9 (7) r Mit einem Dienstmann brachten wir unsern Einkauf in meine Wohnung. Hermine betrachtete
Obraz2 (6) „Ja", gab ich zu, „es ist mir seit Jahren nicht so gut gegan-gen. Das kommi alles v
71846 Obraz8 (89) ul; “ o ul/ / 30fx)s rr só>? nję>&a OJOop -/obu htoooj -pary-Fiy-rtfod
Obraz2 (35) und von Pflichten erfiilltes. Und so kónnen wir seiner In Ruhe und Freundschaft denken,
Obraz1 (37) Audi einen andern Abend habe ich nicht vergessen. Da war ich allein zu Hause, die Tante

więcej podobnych podstron