Obraz0 (5)

Obraz0 (5)



nackte Menschen liegen, die schone Hermine und den schónen Pablo, Seite an Seite, tief schlafend, tief erschdpft vom Liebesspiel, das so unersattlich scheint und doch schnell satt macht. Schone, schone Menschen, herrliche Bil-der, wundervolle Kórper. Unter Herminens linker Brust war ein frisches rundes Mai, dunkel unterlaufen, ein LiebesbiG von Pablos schónen schimmernden Zahnen. Dort, wo das Mai war, sticG ich mein Messer hinein, so lang die Klingę war. Blut lief iiber Herminens weiGe zarte Haut. Dies Blut hatte ich weggekiiGt, wenn alles etwas anders gewesen, et-was anders gegangen ware. Nun tat ich es nicht; ich sah nur zu, wie das Blut lief, und sah ihre Augen sich eine kleine Weile óffnen, schmerzvoll, tief verwundert. Warum ist sie verwundert? dachte ich. Dann dachte ich daran, daG ich ihr die Augen zudrucken miisse. Aber sie schlossen sich von selbst wieder. Es war getan. Sie drehte sich nur ein wenig auf die Seite, von der Achselhóhle zur Brust sah ich einen feinen zarten Schatten spielen, der wollte mich an irgend etwas erinnern. Vergessen! Dann lag sie stili.

Lange sah ich sie an. Endlich schauerte ich wie erwachend auf und wollte gehen. Da sah ich Pablo sich dehncn, sah ihn die Augen óffnen und die Glieder recken, sah ihn sich iiber die Tote beugen und lacheln. Nie wird dieser Kerl ernsthaft werden, dachte ich, alles bringt ihn zum Lacheln. Behutsam schlug Pablo eine Ecke des Teppichs um und deckte Her-rnine zu bis zur Brust, daG die Wunde nicht mehr zu sehen war, und ging dann unhórbar aus der Loge. Wo ging er hin? LieGen alie mich allein? Ich blieb, allein mit der halb ver-hiillten Toten, die ich liebte und beneidete. Uber ihre blei-che Stirn hing die Knabenlocke herab, der Mund strahlte rot aus dem ganz erblaGten Gesicht und war ein wenig ge-óffnet, ihr Haar duftete żart und lieG das kleine, reichge-formte Ohr halb durchschimmern.

Nun war ihr Wunsch erfiillt. Noch eh sie ganz mein gewor-den war, hatte ich meine Geliebte getótet. Ich hatte das Un-ausdenkliche getan, und nun kniete ich und starrte und wuGte nicht, was diese Tat bedeutete, wuGte nicht einmal, ob sie gut und richtig gewesen sei oder das Gegenteil. Was wiirde der kluge Schachspieler, was wiirde Pablo zu ihr sa-gen? Ich wuGte nichts, ich konnte nicht denken. Immer ró-ter gliihte der gemalte Mund aus dem erlóschenden Ge-sicht. So war mein ganzcs Leben gewesen, so war mein bifi-chen Gluck und Liebe gewesen wie dieser starre Mund: eine wenig Rot, auf ein Totengesicht gemalt.

Und von dem toten Gesicht, den toten weifien Schultern, den toten weifien Armen hauchtc, langsam schleichend, ein Schauder aus, eine winterliche Ode und Einsamkeit, eine langsam, langsam wachsende Kalte, in der mir die Hande und Lippen zu erstarren begannen. Hatte ich die Sonne ausgelóscht? Hatte ich das Herz alles Lebens getótet? Brach die Todeskalte des Weltraums herein?

Schaudernd starrte ich auf die steingewordene Stirn, auf die starre Locke, auf den bleichkiihlen Schimmer der Ohrmu-schel. Die Kalte, die von ihnen ausstrómte, war tódlich und war dennoch schón: sie klang, sie schwang wunderbar, sie war Musik!

Hatte ich nicht einst, in einer friiheren Zeit, schon einmal diesen Schauder gefiihlt, der zugleich etwas wie Gluck war? Hatte ich nicht schon einmal diese Musik vcrnommen? Ja, bei Mozart, bei den Unsterblichen.

Verse kamen mir in den Sinn, die ich einst, in einer friihe-ren Zeit, irgendwo gefunden hatte: •

Wir dagegen haben uns gefunden In den Athers sterndurchglanztem Eis,

Kennen keine Tage, keine Stunden,

Sind nicht Mann noch Weib, nicht jung noch Greis...

Kuhl und wandellos ist unser ewiges Sein,

Kiihl und sternhell unser ewiges Lachen ...

Da ging die Logentiir auf, und herein kam, erst beim zwei-ten Blick von mir erkannt, Mozart, ohne Zopf, ohne Knie-hosen und Schnallenschuhe, modern gekleidet. Dicht ne-ben mir setzte er sich hin, beinah hatte ich ihn beriihrt und zuriickgehalten, dafi er sich nicht an dem Blut beschmutze, das aus Herminens Brust an den Boden geronnen war. Er setzte sich und beschaftigte sich eingehend mit einigen kleinen Apparaten und Instrumenten, welche da herum-standcn, er hatte es damit sehr wichtig, riickte und schraubte an dem Zeug herum, und ich blickte mit Bewun-derung auf seine geschickten, flinken Finger, die ich so

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