Obraz 0 (5)

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„Dora“, sagte ich, „kónnen Sie mit Flinten umgehen?"

Sie konnte es nicht, aber sie lemte von uns, wie man ein Gewehr ladt. Zuerst war sie ungeschickt und riG sich einen Finger blutig, heulte und verlangte englisches Pflaster. Aber Gustav erklarte ihr, es sei Krieg und sie móge zeigen, dafi sie ein braves, tapferes Madei sei. Da ging es.

„Aber was soli aus uns werden?" fragte sie dann.

„Ich weiG nicht", sagte Gustav. „Mein Freund Harry hat hiibsche Frauen gern, er wird Ihr Freund sein.“

„Aber sie werden mit Polizei und Soldaten kommen und uns totmachen."

„Polizei und dergleichen gibt es nicht mehr. Wir haben die Wahl, Dora. Entweder bleiben wir ruhig hier oben und schieGen alle Wagen zusammen, die vorbei wollen. Oder wir nehmen selber einen Wagen, fahren davon und lassen andre auf uns schieGen. Es ist einerlei, welche Partei wir er-greifen. Ich bin fiirs Hierbleiben."

Unten war wieder ein Wagen, heli tónte seine Hupe herauf. Er war bald erledigt und blieb, die Rader zuoberst, lie-gen.

„Komisch", sagte ich, „daG das SchieGen so viel SpaG ma-chen kann! Dabei war ich friiher ein Kriegsgegner!"

Gustav lachelte. „Ja, es sind eben gar zu viele Menschen auf der Welt. Friiher merkte man es nicht so. Aber jetzt, wo jc-der nicht bloG Luft atmen, sondern auch ein Auto haben will, jetzt merkt man es eben. Natiirlich ist das, was wir da tun, nicht verniinftig, es ist eine Kinderei, wie auch der Krieg eine riesige Kinderei war. Spater einmal wird die Menschheit lernen miissen, ihre Vermehrung durch ver-niinftige Mittel im Zaum zu halten. Vorderhand reagieren wir auf die unertraglichen Zustande ziemlich unverniinftig, tun aber im Grunde doch das Richtige: wir reduzieren." „Ja", sagte ich, „was wir tun, ist wahrschcinlich verriickt, und wahrscheinlich ist es dennoch gut und notwendig. Es ist nicht gut, wenn die Menschheit den Verstand iiberan-strengt und Dinge mit Hilfe der Vernunft zu ordnen sucht, die der Vemunft noch gar nicht zuganglich sind. Dann ent-stehen solche Ideale wie das des Amerikaners oder das der Bolschewiken, die beide auGerordentlich verniinftig sind und die doch das Leben, weil sie es gar so naiv vereinfa-chen, furchtbar vergewaltigen und berauben. Das Bild des

Menschen, einst ein hohes Ideał, ist im Begriff, zu einem Klischee zu werden. Wir Verriickten werden es vielleicht wieder adeln.“

Lachend gab Gustav Antwort: „Jungę, du redest wunderbar klug, es ist eine Freude und bringt Gewinn, diesem Weis-heitsborn zu lauschen. Und vielleicht hast du sogar ein biGchen recht. Aber sei so gut und ladę jetzt deine Flintę wieder, du bist mir ein wenig zu traumerisch. Jeden Augcn-blick kónnen wieder ein paar Rehbóckchen gelaufen kom-men, die kónnen wir nicht mit Philosophie totschieGen, es miissen immerhin Kugeln im Rohr sein.“

Ein Auto kam und fiel sogleich, die StraGe war gesperrt. Ein Uberlebender, ein feister, rotkópfiger Mann gestikulierte wild neben den Trummem, glotzte hinab und hinauf, ęnt-deckte unser Versteck, kam briillend gelaufen und schoG aus seinem Revolver viele Małe gegen uns herauf.

„Gehen Sie jetzt oder ich schieGe", schrie Gustav hinunter. Der Mann zielte auf ihn und schoG nochmals. Da schossen wir ihn ab, mit zwei Schiissen.

Noch zwei Wagen kamen, die wir zur Strecke brachten. Dann blieb die StraGe still und leer, die Nachricht von ihrer Gefahrlichkeit schien sich verbreitet zu haben. Wir hatten Zeit, die schóne Aussicht zu betrachten. Jenseits des Sees lag eine kleine Stadt in der Tiefe, dort stieg Rauch auf, und bald sahen wir, wie das Feuer von Dach zu Dach lief. Man hórte auch schieGen. Dora weinte ein wenig, ich streichelte ihr die nassen Wangen.

„Miissen wir denn alle sterben?" fragte sie. Niemand gab Antwort. Inzwischen kam unten ein FuGganger daher, sah die kaputten Automobile liegen, schniiffelte an ihnen herum, beugte sich in eines hinein, zog einen bunten Son-nenschirm, eine lederne Damentasche, eine Weinflasche hcraus, setzte sich friedvoll auf die Mauer, trank aus der Flasche, aG etwas in Stanniol Gewickeltes aus der Tasche, irank die Flasche vollends leer, ging vergnugt weiter, den Sonnenschirm unter den Arm geklemmt. Friedlich zog er dahin, und ich sagte zu Gustav: „Ware es dir nun móglich, auf dicsen netten Kerl zu schieGen und ihm ein Loch in den Kopf zu machen? WeiG Gott, ich kónnte es nicht.“ „Wird auch nicht verlangt“, brummte mein Freund. Aber es war ihm auch unbehaglich ums Herz geworden. Kaum hat-

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