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schaft berechtigt ais eine historiographische Yolksgemeinschaft bezeichnet werden kann; die Geschichtsschreibung wurde der spiritus rector siebenbiirgisch-sachsischen Geisteslebens und -schaffens ; sie war lange Zeit hindurch Wertmesser der sachsischen Schriftkultur, ibre Breitenwirkung und ihr Stellenwert fiihrten dazu, daB die Bedeutung und der Wertder einzelnen siebenbiirgisch-sachsischen Persónlichkeiten in erster Linie von dereń Beziehung zur Geschichtsschreibung geradezu diktiert wurden.
Die siebenburgisch-sachsische Geschichtsschreibung setzt erst im 15. Jahrhundert ein. Bis dahin begniigten sich die deutschen Kolonisten aus Siebenburgen, Nachrichten aus diesem Raum miindlich dem Ausland zu vermitteln; daraus erklart sich sowohl der quantitative ais auch der qualitative Sprung, den die auslandische, insbesondere deutsche Chro-nistik in ihren Nachrichten iiber Siebenburgen und den Raum jenseits der Karpaten beginnend mit dem 13. Jahrhundert verzeichnet, Sprung der aber auch von den bedeutenden Wandlungen innerhalb dieses Raumes aus dieser Zeit mitbedingt wird und denenzufolge dieser Raum sich dem europaischen ZeitbewuBtsein geradezu anbietet, Notiz von ihm zu ergrei-fen ; zudem wird dieser Raum von entscheidenden Ereignissen und Ent-wicklungen aus dieser Zeit erfaBt und miteinbegriffen.
Beginnend mit dem 15. Jahrhundert entdecken die siebenbiirgisch-sachsischen Gelehrten ihre Berufung und Freude an der eigenen Aufzeich-nung des historischen Geschehens. Den unmittelbaren AnlaB dazu boten die verheerenden Tiirkeneinfalle nach Siebenburgen. Zu diesem auBeren Eingriff in das Leben der siebenbiirgisch-sachsischen Gemeinschaft gesel-len sich alsbald andere Eaktoren, die zur Geschichtsschreibung treiben, wodurch sich der historiographische Horizont ununterbrochen erweitert und die tagebuchartigen Eintragungen sich steigern und den persón-lichen Bereich umgehend liberschreiten; sie werden dadurch zu Zeitge-schichten eines historischen und geographischen Raumes, der viel weiter gespannt ist, ais der personliche Tatigkeitsbereich des noch meist anony-men Tagebuchfiihrers 5.
Bereits in den ersten historiographischen Aufzeichnungen, die mit Sicherheit aus siebenbiirgisch-sachsischen Federn herriihren, treten uns die Rumanen entgegen ais ein Bestandteil des GelehrtenbewuBtseins der sachsischen Chronisten. Damit wird der Auftakt zu einer sachsischen Tradition gegeben, die bis in unsere Tage von jeder Generation gepflegt wurde. Sie besteht in einer eingehenden und dauernden Beschaftigung mit den Rumanen, unabhangig ob diese in der unmittelbaren sieben-biirgischen Nachbarschaft oder jenseits der Karpaten lebten. Die Beziige zu dem Rumanentum werden dadurch zur einzigen, ii’gendwie auBeren Permanenz der siebenbiirgisch-sachsischen Geschichtsschreibung in ihrem Interesse, das jenseits der eigenen historischen Anliegen reicht.
Die siebenbiirgisch-sachsische Geschichtsschreibung Yollzieht umgehend den tibergang von knappen Gelegenheitsaufzeichnungen zu umfas-senderen und abgerundeten Darstellungen der historischen Yergangen-heit und Gegenwart der Rumanen. Bereits aus der ersten Halfte des 16.
6 Vgl. Adolf Armbruster, Vorarbciten zu einer Geschichte der siebenburgi sch-sachsischen Historiographie, in „Sudostdeutsches Archly”, XIX/XX, 1976/1977, S. 20 — 52.
4 - c. 1763