Arthur Schopenhauer (1788-1860)
Die Stachelschweine
Eine Gesellschaft von Stachelschweinen drängte sich an einem kalten Wintertage nahe zusammen, um einander vor dem Erfrieren zu schützen. Aber bald fühlten sie die gegenseitigen Stacheln; deshalb rückten sie wieder auseinander.
Das wiederholte sich: immer wenn sie zusammendrängten, um sich zu wärmen, taten ihnen die Stacheln der anderen weh. So wurden sie zwischen zwei Leiden - zwischen Kälte und Schmerz - hin- und hergeworfen. Das geschah oft, bis sie endlich eine mittlere Entfernung voneinander herausfanden, in der sie es am besten aushielten.
So treibt das Bedürfnis nach Gesellschaft die Menschen zueinander, weil sie innerlich leer sind und mit sich selbst nichts anfangen können; aber ihre vielen unangenehmen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab.
Die mittlere Entfernung voneinander, in der sie es miteinander am besten aushalten können, ist die Höflichkeit und gutes Benehmen. Bei dieser Distanz voneinander wird das Bedürfnis nach Erwärmung zwar nicht ganz befriedigt, aber der Stich der Stacheln wird auch nicht empfunden.
Wer aber viel eigene, innere Wärme hat, bleibt lieber aus der Gesellschaft weg, denn dann ärgert er sich weder über andere, noch ärgern die sich über ihn.