Arthur Schopenhauer Metaphysik der Geschlechtsliebe (Auszug)


Arthur Schopenhauer (1788-1860)

Deutscher Philosoph und Privatgelehrter, led.; am bekanntesten durch sein Haupt­werk »Die Welt als Wille und Vorstellung«. Der Wille zum Leben sei der innerste Daseinstrieb von allem was existiert, sei es Pflanze, Stein, Tier oder Mensch. Das Sinnlose an diesem Willen sei die Tatsache, daß er immer wieder leben will, trotz Qual, Tod, Not und Sinnlosigkeit. Der Mensch würde hineingeworfen sein in die Welt und der Wille zum Leben erfaßte ihn, ohne von seiner Vernunft eine Erlaubnis zu verlangen, eben als Lebenstrieb. Dieser Gedanke wird als »Pessimismus« des Schopenhauer gekennzeichnet. Ähnlich wie Voltaire bekämpft Schopenhauer die »optimistischen« Auffassungen eines Leibniz oder Hegel, die davon ausgehen, daß die Welt immer gut und vernünftig sei, grad so wie sie ist. Für Schopenhauer ist aber das Leben des Menschen tragisch und komisch zugleich, eine Tragikomödie.

Metaphysik der Geschlechtsliebe

[…] Daß nun aller Geschlechtsliebe ein durchaus auf das zu Erzeugende gerichteter Instinkt zum Grunde liegt, wird seine volle Gewißheit durch genauere Zergliederung desselben erhalten, der wir uns deshalb nicht entziehn können. - Zuvörderst gehört hierher, daß der Mann von Natur zur Unbeständigkeit in der Liebe, das Weib zur Beständigkeit geneigt ist. Die Liebe des Mannes sinkt merklich, von dem Augenblick an, wo sie Befriedigung erhalten hat: fast jedes andere Weib reizt ihn mehr als das, welches er schon besitzt: er sehnt sich nach Abwechslung. Die Liebe des Weibes hingegen steigt von eben jenem Augenblick an. Dies ist eine Folge des Zwecks der Natur, welche auf Erhaltung und daher auf möglichst starke Vermehrung der Gattung gerichtet ist. Der Mann nämlich kann, bequem, über hundert Kinder im Jahre zeugen, wenn ihm eben so viele Weiber zu Gebote stehn; das Weib hingegen könnte, mit noch so vielen Männern, doch nur ein Kind im Jahr […] zur Welt bringen. Daher sieht er sich stets nach andern Weibern um; sie hingegen hängt fest dem Einen an: denn die Natur treibt sie, instinktmäßig und ohne Reflektion, sich den Ernährer und Beschützer der künftigen Brut zu erhalten. Demzufolge ist die eheliche Treue dem Manne künst­lich, dem Weibe natürlich, und also Ehebruch des Weibes, wie objektiv, wegen der Folgen, so auch subjektiv, wegen der Naturwidrigkeit, viel unverzeihlicher als der des Mannes.



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