Piper, Henry Beam Der Uller Aufstand

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Uller und Niflheim sind zwei von Terra kolonisierte
Planeten, auf denen die Uller Company mit modern-
sten – und gefährlichen – Techniken Bodenschätze
abbaut. Unbemerkt von den Ingenieuren, die mit ge-
waltigen Atomexplosionen die Mineralien des unbe-
wohnten Planeten Niflheim an die Oberfläche spren-
gen, haben sich ulleranische Eingeborene das Wissen
angeeignet, um eine eigene Atombombe bauen und
im geeigneten Augenblick gegen die terranischen
Truppen rebellieren zu können. Auch dem terrani-
schen Geheimdienst sind diese Aktivitäten nicht be-
kannt. Erst als der Aufstand losbricht, erkennt man
die Gefährlichkeit der Situation. Wenn es den Terra-
nern nicht gelingt, den putschenden Ulleranern mit
einer eigenen Bombe zuvorzukommen, ist das
Schicksal des Planeten besiegelt ...

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Ullstein Buch Nr. 3306
im Verlag Ullstein GmbH,
Frankfurt/M – Berlin – Wien
Titel der Originalausgabe:
ULLER UPRISING
Aus dem Amerikanischen
von Dolf Strasser

Umschlagillustration: Paul Lehr
Umschlaggraphik: Ingrid Roehling
Alle Rechte vorbehalten
Copyright © 1952 by
Twayne Publishers, Inc.
Übersetzung © 1977 by
Verlag Ullstein GmbH,
Frankfurt/M – Berlin – Wien
Printed in Germany 1977
Gesamtherstellung:
Augsburger Druck- und
Verlagshaus GmbH

ISBN 3 548 03306 7

















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H. Beam Piper



Der

Uller-Aufstand



SCIENCE-FICTION-Roman



Herausgegeben

von Walter Spiegl

ein Ullstein Buch

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Prolog

Auf Satans Schemel


Sanft und leise vibrierte der große, gepanzerte Tender
unter der Einwirkung des alternierenden Kontragra-
vitationsfeldes, das ab und zu seine normale Fre-
quenz von fünfhundert Schwingungen pro Sekunde
änderte, wenn der automatische Radar-Höhenmesser
auf Grund thermischer Veränderungen eine Auf-
oder Abtrift registrierte. Manchmal geriet es ein we-
nig ins Schwanken wie ein Boot auf dem Wasser.
Dann schien es, als neige sich auf dem großen Bild-
schirm, der an der Frontseite der Steuerkabine die
Stelle eines Fensters einnahm, die Landschaft ein we-
nig. Hätte das ungeschützte menschliche Auge die
Strahlung von Nu Pupis, Niflheims Zentralgestirn,
ertragen können, wäre ihm die ganze Szene in einem
lebhaften Irisch-Grün erschienen – der Effekt des
stark blautonigen Lichtes auf die gelbe Atmosphäre.
Die Visor-Anlage war jedoch mit Filtern versehen, die
Gamma-, Röntgen- und den größten Teil der ultravio-
letten Strahlung blockierten, wobei das fehlende län-
gerwellige Rot und Orange hinzugefügt wurden, so
daß sich die Farben der Dinge nicht allzu sehr von
denjenigen unterschieden, die unter den Lichtern des

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Sterns vom GO-Typ wie Sol entstehen. Die Luft war
schwach gelblich, der Himmel grünlich-gelb, die
Wolken grün-grau.

Dreihundert Meter unter ihnen lag das, was hier

einem Wald entsprach. Die Bäume, die riesige ge-
zackte Blätter trugen, sahen wie turmhohe Sellerie-
stauden aus. Auch tierisches Leben würde es dort un-
ten geben – kleine, runde, faustgroße Tiere, die aus-
sahen wie achtbeinige Krabben und sich von der Ve-
getation ernährten, und größere von etwa einem hal-
ben Meter Länge mit gelenkigem Panzer und sech-
zehn Beinen, welche die kleinen Pflanzenfresser ver-
schlangen. Die nähere Umgebung bestand aus offe-
nem Grasland, wenn man eine von grauen oder pa-
stellfarbenen Gewächsen bestandene Fläche so nen-
nen wollte; ein unregelmäßig gewundener Wasser-
lauf zog sich hindurch. Niedrige, nicht mehr als drei-
hundert Meter hohe Dünen und Hügel bildeten in
etwa hundert Kilometern Entfernung den Horizont.

Kein menschliches Wesen hatte jemals den Fuß auf

Niflheim gesetzt, keines seine Luft geatmet. Dies hät-
te sofortigen Tod bedeutet: Die Atmosphäre bestand
aus einem Gemisch von freiem Fluor und Fluorgasen,
der Boden aus metallischem Fluor war feucht vom
Säureregen, und in dem »Wasserlauf« floß reine Hy-
drofluorsäure. Selbst ein normaler Raumanzug hätte
hier keinen Schutz bedeutet. Glas, Gummi und Pla-

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stik hätten sich innerhalb von Minuten aufgelöst.
Wenn Menschen auf Niflheim kamen, um in den
Bergwerken, Uran-Raffinerien und chemische Fabri-
ken zu arbeiten, dann in mit eigenem Motorantrieb
versehenen gepanzerten Kontragravitationsanzügen;
und sie lebten dreitausend Kilometer von dem Plane-
ten entfernt auf künstlichen Satelliten. Dieser Tender
zum Beispiel war mit keinem anderen Raumfahrzeug
vergleichbar. Er wies eine Spezialisolierung auf und
konnte nur nach Passieren von drei Schleusen betre-
ten werden – einer äußeren Schleuse, die nach ihrer
Schließung nach außen evakuiert wurde, einer mittle-
ren Schleuse, die ständig evakuiert war, und einer in-
neren Schleuse, die in den Schiffsraum hinein evaku-
iert wurde, bevor die mittlere Schleuse geöffnet wer-
den konnte. Niflheim war schlimmer als ein Planet
ohne jede Atmosphäre – viel schlimmer.

Der Chef-Ingenieur saß an seinem Steuerpult und

nahm die kleineren Korrekturen der Schiffsposition
vor, die zusätzlich zur Automatiksteuerung nötig wa-
ren. Der eine Funker nahm gerade eine Mitteilung
der auf einer Umlaufbahn befindlichen Basis auf. Der
andere sagte mit Engelsgeduld immer wieder: »Dr.
Murillo. Dr. Murillo. Dr. Murillo, bitte melden.« Vor
seiner eigenen Instrumentenkonsole sitzend, kaute
ein kleiner glatzköpfiger Mann mit gekräuseltem
schwarzen Haarkranz und Kräuselbart auf seinem er-

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loschenen Zigarrenstummel herum und lauschte an-
gestrengt dem, was in seinem Kopfhörer vernehmbar
war – oder auch nicht. Ein paar Hilfskräfte überprüf-
ten Skalenanzeigen, blätterten in Handbüchern oder
starrten angespannt auf den großen Visor-Schirm. Ein
großer, rundgesichtiger junger Mann in dreckigem
Khakihemd und Shorts – er hatte ungewöhnlich stark
behaarte Beine – kritzelte auf einem Notizblock her-
um und aß Bonbons aus einer Tüte. Und ein
schwarzhaariges Mädchen in einem viel zu großen
Overall, das auch sonst nicht nach allzuviel aussah,
hatte ein Bein über die Armlehne ihres Stuhles hän-
gen und betrachtete den auf dem Visor-Schirm sicht-
baren fernen Horizont.

»Dr. Murillo. Dr. Mur –« Der Funker unterbrach

sich mitten im Wort und lauschte einen Moment. »Ich
höre Sie, Doktor; bitte kommen.« Dann einen Augen-
blick später: »Was ist Ihre jetzige Position, Doktor?«

»Ich kann sie sehen«, sagte das Mädchen und deu-

tete auf die Stelle. »Zwei Uhr, etwa Handbreite über
dem Horizont.«

Der Mann mit dem Kräuselbart legte das Auge an

das gepolsterte Okular des Teleskop-Visors und dreh-
te an einem Rad. »Sie haben guten Augen, Miss Quin-
ton«, erklärte er dann. »Nur vier Panzeranzüge; Ah-
med, fragen Sie ihn, wo der fünfte ist.«

»Wir sehen nur vier von Ihren Panzeranzügen«,

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sagte der Funker. »Wer fehlt, und warum?« Er warte-
te einen Augenblick und wandte sich dann zu ihnen
um. »Der fünfte ist in der Behandlungsmaschine. Ei-
ner der Ulleraner, Gorkrink.«

Der größere der am Horizont erschienenen Fleck

war nur nun als Behandlungsmaschine erkennbar –
etwas wie ein übergroßer Kontragravitationspanzer
mit einer Bulldozer-Schaufel, einem kurzen Kranaus-
leger statt einer Kanone und gelenkigen, in Klauen
endenden Armen an den Seiten. Die kleineren Punkte
wurden zu Panzeranzügen – eiförmigen Dingen mit
Armen und Haken rundum. Der Mann mit dem
Kräuselbart begann hastig in sein Mikrophon zu
sprechen und legte es dann weg. Es gab mehrere Stö-
ße, und der Panzertender, durch Kontragravitation
gewichtslos, schwankte ein wenig, als die Behand-
lungsmaschine an Bord kam.

»Haben Sie jemals eine nukleare Sprengung gese-

hen, Miss Quinton?« fragte der junge Mann mit den
haarigen Beinen und reichte ihr seine Bonbontüte.

»Nur Übertragungen in unserem Sonnensystem«,

antwortete sie und bediente sich. »Testexplosionen
auf dem Mars. Bevor ich hierher kam, hatte ich noch
nicht einmal davon gehört, daß man beim Bergbau
nukleare Sprengkörper verwendet.«

»Also wenn das dieses Mal so gut klappt wie vor

drei Monaten, dann lohnt es sich, zuzusehen«, ver-

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kündete er. »Diese Vulkane sind, na – vielleicht schon
länger als tausend Jahre erloschen; also müßte es da
unten eine ganz hübsche Gasblase geben. Das Magma
muß eine dicke, zähe Masse sein, wie Basalt auf Ter-
ra. Natürlich hat es in seiner Zusammensetzung kei-
nerlei Ähnlichkeit mit Basalt – es sind hochkompri-
mierte Metallfluoride mit sehr großem Metallanteil.
Die Vulkane, die wir vor drei Monaten sprengten,
entließen eine ganz hervorragende Lava mit Metallen
aller Arten – Nickel, Beryllium, Vanadium, Chrom,
Iridium sowie Kupfer und Eisen.«

»Was für eine Art Gas meinen Sie da?« fragte sie.
»Wasserstoff. Dadurch entsteht das Feuerwerk: Mit

Fluor gibt es eine explosive Mischung. Die Wasser-
stoff-Fluor-Verbindung führt zu dem, was hier der
Verbrennung entspricht; das Ergebnis ist Fluorwas-
serstoffsäure, das hiesige Gegenstück zu Wasser. Se-
hen Sie, der Metallkern dieses Planeten ist – weit we-
niger dick als derjenige der Erde freilich – von einem
Mantel aus Fluorgestein umgeben – Fluorspat und so
weiter. Etwas wie Granit zum Beispiel gibt es hier
nicht. Deswegen sind die großen Dünen dort draußen
das Höchste, was es auf Niflheim an Bergen gibt.
Wasserstoff entsteht im Boden, wenn die Säure sich
mit den im Gestein enthaltenen reinen Metallen ver-
bindet.«

»Dr. Murillo ist jetzt da«, sagte der Funker. »Hat

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eben die innere Schleuse verlassen. Wenn er seinen
Druckanzug abgelegt hat, kommt er herauf.«

»Sobald er hier ist, löse ich aus«, sagte der Bärtige.

»Alles bereit, de Jong?«

»Alles bereit, Dr. Gomes«, versicherte ihm einer

seiner Assistenten.

Die

hintere

Tür

der

Steuerkabine

öffnete

sich,

und

Juan

Murillo,

der

Seismologe,

trat

ein,

gefolgt

von

ei-

nem

Helfer.

Murillo

war

ein

hochgewachsener,

vier-

schrötiger

Mann

mit

bronzefarbenem

Teint;

er

sah

aus

wie

ein

Abkömmling

von

Marsbewohnern

mit

ein

paar

Generationen

von

Anden-Indianern

unter

seinen

Vor-

fahren.

Hinter

Gomes'

Stuhl

blieb

er

stehen

und

warf

einen

Blick

auf

die

Instrumente.

Sein

Helfer

verharrte

bei

der

Tür.

Er

gehört

nicht

der

menschlichen

Rasse

an.

Er

war

zweibeinig

und

wirkte

irgendwie

humanoid,

hatte

aber

vier

Arme

und

einen

eidechsenähnlichen

Kopf. Bis auf einen Gürtel mit einigen Ausrüstungs-
gegenständen war er völlig unbekleidet.

In quiekenden Tönen redete er hastig auf Murillo

ein. Murillo wandte sich um.

»Ja, wenn du willst, Gorkrink«, sagte er in dem

Gemisch aus Englisch, Spanisch, Afrikaans und Por-
tugiesisch, das im sechsten Jahrhundert des Atom-
zeitalters Lingua Terrae war. Dann wandte er sich
wieder Gomes zu und der Ulleraner ließ sich auf ei-
nem Stuhl bei der Tür nieder.

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»Also, jetzt sind Sie dran, Lourenço. Geben Sie

Zunder.«

Gomes

drückte

auf

den

Knopf

der

Fernzündung.

Aus

dem

Lautsprecher

über

ihm

kam

eine

Stimme:

»Die

Ladung

explodiert

in

sechzig

Sekunden

...

dreißig

Sekunden

...

fünfzehn

Sekunden

...

zehn

Sekunden ...

fünf Sekunden, vier Sekunden, drei Sekunden, zwei
Sekunden, eine Sekunde –«

Wie eine Lanze schoß in gut fünfzig Kilometer Ent-

fernung ein Strahl bläulich-weißen Lichtes in die be-
ginnende Dämmerung – tatsächlich waren es fünf
Strahlen, die aus fünf tiefen, in der Form eines unre-
gelmäßigen Pentagons von einem Kilometer Durch-
messer angeordneten Schächten kamen und aus der
Entfernung wie ein einziger wirkten. Einen Augen-
blick später gab es einen grellen, flächigen Blitz; ein
riesiger, vielfarbiger Feuerball stieg auf und zog eine
Kette von langsamer steigenden Rauchringen hinter
sich her. Der Feuerball flachte sich ab und saß dann
wie der Kopf eines Pilzes auf der brennenden Gas-
säule, welche, Flammen und Blitze speiend und sich
dann wieder verdunkelnd, die Rauchringe in sich
verschlang. Der Panzertender begann zu schlingern,
und der Ingenieur und einer seiner Gehilfen hatten
alle Hände voll zu tun, um ihn zu stabilisieren.

»In etwa einer halben Stunde«, sagte der hochge-

wachsene junge Mann zu dem Mädchen, »müßte das

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richtige Feuerwerk losgehen. Was jetzt dort hoch-
kommt, sind nur kleinere Trümmer. Sobald die
Druckwellen in die richtige Tiefe vorgedrungen sind,
wird das Gas freigesetzt, und dann kommen Dampf
und Asche, und dann das Magma. Diese Explosion
müßte zweimal so stark sein wie die vor drei Mona-
ten, und bestimmt nicht schwächer als die des Kraka-
tau auf Terra im Jahr 59 des Voratomaren Zeitalters.«

»Nun, auch das, was ich bisher gesehen habe, war

wirklich schon sehr eindrucksvoll«, sagte das Mäd-
chen, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden.

»Fahren Sie auf der City of Canberra nach Uller wei-

ter?« fragte Lourenço Gomes. »Ich wünschte, ich
könnte das; aber ich muß noch bleiben und etwa in
einem Monat eine weitere Explosion auslösen. Dabei
habe ich von Niflheim jetzt wirklich genug. Je eher
ich wieder auf einem Planeten bin, wo die Luft nicht
rationiert ist, desto lieber.«

»Na, was sagen Sie dazu!« rief der junge Mann mit

den haarigen Beinen in gespieltem Erstaunen. »Es ge-
fällt ihm nicht auf unserem hübschen Planeten!«

»Hübscher Planet!« Gomes murmelte irgend etwas.

»Terra nennt man Gottes Fußschemel; und dreimal
dürfen Sie raten, wer seinen Huf auf dieses Ding hier
setzt.«

»Wann fahren Sie nach Terra?« fragte ihn das Mäd-

chen.

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»Terra? Ich weiß nicht; in ein, zwei Jahren viel-

leicht. Aber wenn wir die nächste Explosion rechtzei-
tig über die Bühne kriegen, geht es mit dem nächsten
Schiff – der City of Pretoria – nach Uller. Ich soll einige
Verbesserungen an Reaktoren vornehmen. Wahr-
scheinlich werden wir uns also dort sehen.«

»Jetzt!« rief der Chefingenieur. »Achtet auf das un-

tere Ende!«

Der Fuß der Säule aus immer noch brodelndem

Rauch, Feuer und Staub geriet in heftige Bewegung.
Eine Reihe von Blitzen flammte auf; die glühenden
radioaktiven Gase wurden von neuem hoch- und
durcheinandergewirbelt. Und dann stieg eine riesige
Flamme gen Himmel. Reines Wasserstoffgas mußte
mit Urgewalt in das durch die Explosion geschaffene
Vakuum geschossen sein. Die nächste Feuerentla-
dung erfolgte horizontal in etwa dreitausend Meter
Höhe. Riesige Flammenfetzen, deren Farbe von rot in
violett und dann wieder zurück durch das Spektrum
in rot überging, flogen davon und lösten sich in der
oberen Atmosphäre auf. Dann schossen Geysire aus
flüssigem Gestein und heißer Asche in die Höhe; ei-
nige der weißglühenden Trümmer flogen beinahe in
den Säurefluß auf halbem Wege zwischen ihnen und
dem Ort der Detonation.

»Ein erstklassiges Erdbeben gibt's als Dreingabe«,

sagte Murillo, der hispano-indianische Marianer,

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nach einem Blick auf die Instrumente. »An die sechs
große Risse in der Felsstruktur. Wenn das alles sich
erst einmal beruhigt hat und abgekühlt ist, haben wir
mehr Erz an der Oberfläche als wir in Zehn Jahren
brauchen können, und viel mehr, als wir in fünfzig
Jahren mit gewöhnlichen Mitteln hätten heraufbeför-
dern können.«

Etwa fünf Kilometer vom Ort der ersten Sprengung

entfernt kündigte eine gewaltige Gasexplosion eine
weitere Eruption an.

»So, das hätten wir«, sagte der junge Mann und

holte eine Flasche aus einer in der Kabinenecke ste-
henden Segeltuchtasche. »Holt doch mal 'n paar Pla-
stikbecher, wir haben uns alle 'nen Schluck verdient.«

»Richtig«, sagte Gomes. »Tut man etwas nur ein-

mal, dann klappt es vielleicht zufällig; schafft man es
nochmal, dann ist man ein Könner.« Er begann, Pa-
piere auf seinem Schreibtisch beiseitezuschieben, und
das Mädchen im zu großen Overall brachte Trinkbe-
cher.

Der Ulleraner im Hintergrund sprang auf und

quäkte entschuldigend. Murillo nickte. »Ja, natürlich,
Gorkrink. Wir brauchen dich jetzt nicht mehr.« Der
Ulleraner ging hinaus und machte die Tür hinter sich
zu.

»Dieses Tabu, daß sich Ulleraner und Terraner

nicht gegenseitig beim Essen und Trinken zusehen

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dürfen«, sagte Murillo. »Was ist das – Bestandteil ih-
rer Religion?«

»Nein, das ist ihre Art von Bescheidenheit«, erwi-

derte das Mädchen. »Wie einige unserer Sexual-
Tabus, die sie ihrerseits nicht im mindestens verste-
hen ... aber Sie sprachen zu ihm in Lingua Terrae; ich
wußte gar nicht, daß es Ulleraner gibt, die das verste-
hen.«

»Gorkrink schon«, sagte Murillo, während er die

Flasche entkorkte und die Plastikbecher füllte. »Na-
türlich kann es wegen der Struktur ihrer Stimmorga-
ne keiner von ihnen sprechen, genausowenig, wie wir
ihre Sprache ohne künstliche Hilfsmittel sprechen
können. Aber ich kann in Lingua Terrae mit ihm re-
den, ohne daß ich mir einen von diesen verdammten
Knebeln in den Mund stecken muß, und er gibt dann
meine Anweisungen an die anderen weiter. Er ist mir
eine große Hilfe gewesen; ich werde ihn nur sehr un-
gern verlieren.«

»Ihn verlieren?«
»Ja, sein Jahr ist um. Er fährt auf der Canberra nach

Uller zurück. Wissen Sie, es ist einfach unmöglich, die
Luft in den Steuerkabinen der Maschinen, mit denen
sie arbeiten, hundertprozentig fluorfrei zu halten,
und das Fluor spielt ihren Lungen ziemlich übel mit.
Er wollte noch drei Monate bleiben, um bei der näch-
sten Sprengung zu helfen, aber die Medizinmänner

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wollen nichts davon wissen ... Er ist aus Keegark, wo
immer auf Uller das sein mag; behauptet, ein Fürst zu
sein, oder so was. Tatsache ist, daß die anderen alle
Kotau vor ihm machen. Jedenfalls ist er ein ver-
dammt guter Mitarbeiter. Sehr helle; nichts braucht
man ihm zweimal zu erklären. Ich kann ihn für jede
Art von Arbeit mit Kontragravitation oder mit me-
chanischen Geräten ohne jede Einschränkung emp-
fehlen.«

»Also, auf uns«, sagte Murillo. »Und auf den ersten

Erzabbau mit Atomkraft in der Geschichte.«

Sie hoben ihre Becher.

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Der Oberbefehlshaber Front und Zentrum


General Carlos von Schlichten warf seine Zigarette
weg, ballte seine behandschuhten Hände abwech-
selnd zur Faust und streckte die Finger wieder, korri-
gierte den Sitz seines Monokels und trat ein paar
Schritte nach vorn, während die anderen Offiziere
hinter ihm aus dem Unterstand herauskamen – Cap-
tain Cazabielle, der Kommandierende Offizier; der
schokoladenbraune, hünenhafte Brigadier-General
Themistokles M'zangwe; der kleine Colonel Hidey-
oshi O'Leary. In der Ferne, zu ihrer Linken, verlor
sich der Horizont in den Wolkenbänken über dem
Takkad-Meer; vor ihnen rechts ragte ein zerklüftetes
Bergmassiv grau und schwarz zum Himmel empor
und verlor sich dann in der Weite. Zweihundert Me-
ter tiefer, unter der Mauerbrüstung und den beiden
Katapult-Plattformen mit den 90-mm-Geschützen,
begann der Bergpfad, der dann auf der anderen Seite
wieder hinabführte. Vor dem Unterstand war ein
kleiner quadratischer Platz von etwa dreißig Metern
Seitenlänge. Hier hatte er seinen Aircar geparkt. Die
Soldaten waren versammelt.

Etwa ein Dutzend von ihnen waren Terraner – ein

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paar

Leutnants,

Sergeanten,

Schützen,

Techniker,

dazu

der

Fahrer

und

der

Schütze

seines

eigenen

Fahrzeugs.

Die

anderen,

etwa

fünfzig,

waren

Eingeborene

von

Ul-

ler.

Auf

ihren

Stummelbeinen

mit

den

breiten

sechsze-

higen

Füßen

standen

sie

aufrecht

da.

Jeder

hatte

vier

Arme,

von

denen

zwei

an

den

Schultern

saßen,

die

an-

deren

etwa

in

Körpermitte.

Ihre

gummiartige

Haut

war

schiefergrau

und

mit

stecknadelkopfgroßen,

durch

Perspiration

erzeugten

Quarzkügelchen

über-

sät,

denn

statt

aus

Kohlenwasserstoff

bestand

ihr

Kör-

pergewebe

aus

Silikon.

Ihre

schmalen

Häupter

erin-

nerten

unangenehm

an

Saurierköpfe;

sie

hatten

kleine

rote

Augen

mit

doppelten

Lidern,

schlitzförmige

Na-

senlöcher

und

einen

breiten

Mund

mit

buntschillern-

den

Zähnen.

Bis

auf

Gürtel

und

Ausrüstung

waren

sie

völlig

nackt;

ihre

Uniform

bestand

aus

dem

mit

Hilfe

einer

Schablone

auf

Brust

und

Rücken

aufgetragenen

Emblem

der

Uller-Charter-Company.

Weder aus Wär-

mebedürfnis noch aus Scham brauchten sie Kleidung.
Was ersteres anbetraf, so waren sie Kaltblütler, die
Temperaturen zwischen einhundertzwanzig und mi-
nus einhundert Grad ertragen konnten. Von Schlich-
ten hatte sie im Freien schlafen gesehen, den Körper
von Reif oder gefrierendem Regen bedeckt. Auch hat-
te er schon beobachtet, daß sie durch kochend heißes
Wasser wateten. Was man auf Terra Schamgefühl
nannte, war ihnen fremd. Sie waren alle vom selben

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Geschlecht

echte

Hermaphroditen.

Jeder

einzelne

von

ihnen

konnte

Junge

bekommen

oder

das

Ovum

ei-

nes

anderen

Individuums

befruchten.

Als

er

vor

fünf-

zehn

Jahren

als

ehemaliger

Hauptmann

der

Terrani-

schen

Föderation,

der

eben

seinen

neuen

Posten

als

Co-

lonel

in

der

Armee

der

Uller-Company

angetreten

hat-

te,

zum

ersten

Male

hierher

gekommen

war,

hatte

es

einige

Zeit

gedauert,

bis

er

sich

daran

gewöhnt

hatte,

daß

aus

jeder

Abteilung

Soldaten

als

Babysitter

abzu-

stellen

waren.

Immerhin

gab

es

hier

nicht die gleichen

Schwierigkeiten mit Squaws und Soldaten wie auf
Thor, wo er zuletzt stationiert gewesen war.

Ein Airjeep kam direkt aus der Sonne, kreiste ein

paarmal über dem Gipfelfort und ließ sich dann ne-
ben von Schlichtens Kommandofahrzeug auf der Ter-
rasse nieder. Er war mit mehreren 15-mm-
Maschinengewehren bestückt, und zwei von den acht
50-mm-Raketenrohren an den Seiten waren leer und
trugen frische Sengspuren. Die Duraglaskuppel glitt
zurück, und die Besatzung – ein Leutnant als Pilot
und ein Sergeant als Schütze – sprang heraus. Von
Schlichten kannte sie beide.

»Leutnant Kendall, Sergeant Garcia«, begrüßte er

sie. »Guten Tag, meine Herren.«

Beide salutierten auf die lässige Weise von Terrani-

schen Soldaten im außerirdischen Dienst und erwi-
derten den Gruß.

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»Was ist mit den Jeels?« fragte er mit einer Geste zu

den leeren Raketenrohren. »Ich sehe, Sie hatten einen
Feuerwechsel.«

»Ja, Sir«, sagte der Leutnant. »Wir hatten Berüh-

rung mit zwei Gruppen. Die erste davon sichteten
wir auf der Ostseite der Berge, etwa drei Kilometer
diesseits von den Blue Springs. Etwa die Hälfte da-
von erledigten wir mit MG-Feuer; der Rest verzog
sich in eine große Felsspalte. Wir mußten ihnen zwei
Raketen nachfeuern und dann hinunter und ein paar
von ihnen mit der Pistole ausschalten. Auf die zweite
Gruppe trafen wir dann gut einen Kilometer diesseits
von Zortolks altem Fort. Es waren nur sechs; sie wa-
ren gerade beim Fressen. Haben einen von ihrer eige-
nen Bande verschmaust, würde ich sagen. Seit wir sie
in die Berge hinaufgedrängt haben, kommt das bei
ihnen recht häufig vor. Zwei Raketen – keine Überle-
benden. Überhaupt blieb nicht sehr viel von ihnen
übrig. Wir landeten in Zortolks Fort auf ein Bier, und
dann hörten wir von Captain Martinelle, daß einer
seiner Jeeps eine Bande erwischt hatte. Er nimmt an,
daß es die gleiche ist, die vorletzte Nacht aus den
Bergen herunterkam und diese Bauern von Fürst
Neeldinks Landgut auffraß.«

»Bei Gott, freut mich sehr, das zu hören!« Bevor die

Terraner nach Uller gekommen waren, hatte man von
einem guten Jahr sprechen können, wenn nicht mehr

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als fünfhundert Bauern und Landarbeiter von den
Jeels getötet und vertilgt worden waren. Der Vorfall
vor zwei Tagen war der erste seiner Art in fast sechs
Monaten, aber der Adelige, dessen Arbeiter aufge-
fressen worden waren, machte die Company prak-
tisch für das Verbrechen verantwortlich.

»Ich

werde

veranlassen,

daß

Neeldink

unterrichtet

wird.

Je

mehr

man

für

diese

verdammten

Burschen

tut,

desto

mehr

verlangen

sie

von

einem

...

Sobald

Sie

wie-

der

Munition

gefaßt

haben,

Leutnant,

sollten

Sie

viel-

leicht

noch

einmal

dort

vorbeischauen,

wo

Sie

diese

er-

ste

Bande

erledigt

haben.

Wenn

noch

welche

in

der

Nähe

sind,

werden

sie

sich

jetzt

dort

zu

einer

Gratis-

mahlzeit

versammelt

haben.«

Daß

das

Tabu,

welches

den

Jeels

verbot,

Stammesgenossen

zu

fressen,

besei-

tigt

worden

war,

war

das

Beste,

was

er

im

Zusammen-

hang

mit

dem

Kannibalen-Vernichtungsprogramm

seit langem gehört hatte.

Er

wandte

sich

Themistokles

M'zangwe

zu.

»Stellen

Sie

in

den

nächsten

vierzehn

Tagen

einen

Stoßtrupp

zusammen.

Sagen

wir

zehn

Gefechtsfahrzeuge,

etwa

zwanzig

Airjeeps

und

ein

Bataillon

Kragan-Schützen

in

Truppentransportern.

Ach

ja,

diese

nichtsnutzige

Konkrook-Miliz von Fürst Jaizerd – die kann wenig-
stens Fluchtwege abschneiden.« Er wandte sich wie-
der Leutnant Kendall und Sergeant Garcia zu. »Gute
Arbeit, Leute. Und, falls die Synchro-Fotos erweisen

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sollten, daß von der ersten Bande welche entkommen
sind, macht euch keine Gedanken deswegen. Diese
Jeels bringen es fertig, sich auf einem Billardtisch zu
verstecken.«

Er kletterte in das Kommandeursfahrzeug, gefolgt

von Themistokles M'zangwe und Hideyoshi O'Leary.
Sergeant Harry Quong und Corporal Hassan Bogda-
noff nahmen auf den Vordersitzen Platz. Das Fahr-
zeug hob ab, stellte die Nase in den Wind und stieg
dann in spiraligen Schleifen auf. Das Fort unter ih-
nen, ein Rechteck aus Mauerwerk, das mit seinen Ge-
schützen den Paß beherrschte, wurde kleiner und
kleiner.

»Wohin, Sir?« fragte Harry Quong.
Er sah auf die Uhr. Siebzehn-hundert; die Zeit er-

laubt nicht mehr. Zortolks altes Fort, das etwa fünf-
zehn Kilometer entfernt auf der nächsten Paßhöhe
lag, noch zu besuchen.

»Zurück nach Konkrook; zur Insel.«
Der Pilot zog das Fahrzeug in Richtung Südosten.

Die Rotoren der Kaltdüsen begannen zu summen;
dann wurden die Heißdüsen eingeschaltet. Der Air-
car schoß über die Vorgebirge hinweg auf die Kü-
stenebene zu. Unter ihnen erstreckten sich Wälder,
gelb-grün vom frischen Blätterwuchs der zweiten
Wachstumsperiode des Äquatorjahres. Der schmut-
ziggraue Holzrauch im Osten kam von den Holzkoh-

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lenmeilern dort. Vierzig Jahre brauchte man, um die
Wälder hinauf bis zu den Bergen abzubrennen; wenn
die Köhler dann so weit waren, stand an der Küste
bereits wieder schlagbares Holz. Drüben im Süden
konnte er die dunkelgrünen Flächen sehen, wo die
Company Schierlingsfichten und Norwegische Tan-
nen gepflanzt hatte. Mit ein wenig chemischer Dün-
gung wuchsen sie gut und ergaben bessere Holzkohle
als das silikatdurchsetzte einheimische Holz. Dies
war der einzige natürliche Brennstoff auf Uller; Kohle
gab es selbstverständlich nicht, da gefallene Bäume in
wenigen Jahren versteinerten. Auf Uller gab es zu
viel Silikon und zu wenig von allem anderen; was auf
Terra Kohlenflöze gewesen wären, waren hier Schich-
ten silikonisierten Holzes. Und natürlich gab es kein
Öl. Zur Zeit wurde weniger Holz und Kohle ver-
braucht als früher; die Uller-Company hatte große
Mengen synthetischen Thermokonzentrat-Brennstoffs
eingeführt und, wo immer sie auf dem Planeten Fuß
faßte, Atomkraftwerke errichtet.

Hinter den Wäldern kommt das Agrarland. Die äl-

teren Güter waren zur Abwehr von Sauriern mit dik-
ken Wällen aus Stein oder versteinertem Holz und
mit breiten Gräben umgeben. Aber die Gräben waren
jetzt trocken, und die Wälle verfielen. Einige der
neueren Farmen hatten weder Wälle noch Gräben.
Auch das war auf die Tätigkeit der Company zurück-

background image

zuführen; seit man Bazookas und rückstoßfreie Ka-
nonen verwendete, waren die riesigen, gepanzerten
Tiere im Konk-Isthmus völlig ausgestorben.

Als Planet war Uller wirklich alles andere als an-

heimelnd, dachte er bitter. Manchmal wünschte er,
niemals der Verlockung schnellen Aufstiegs und
phantastisch hoher Besoldung nachgegeben zu ha-
ben, um sich der Armee der Uller-Company anzu-
schließen. Dann wäre er jetzt wahrscheinlich nur Co-
lonel mit einem Jahressold von fünftausend Sol. Aber
ein Colonel in mittleren Jahren würde sich vielleicht
auf einem anständigen Planeten wohler fühlen – auf
Odin zum Beispiel mit seinen zwei Monden, Hugin
und Munin mit ihren weiten Prärien und immergrü-
nen Wäldern, die aussahen wie die Fichtenwälder auf
Terra und sogar so rochen, oder auf Baldur mit sei-
nen schneebedeckten Bergen und klaren, kalten Flüs-
sen, oder auf Freya, wo die Frauen so atemberaubend
schön waren – als ein General der Company mit
fünfundzwanzigtausend im Jahr auf dieser Kreuzung
aus Hochofen, Kühlschrank, Windkanal und Stein-
haufen, wo das Wasser wie Spülicht schmeckte und
glitschige Rückstände hinterließ, wo es getrocknet
war; wo die Temperatur zwischen den Polen um fast
zweihundert Grad variierte; wo nichts, was wuchs,
Flossen oder Beine hatte, zu menschlichem Verzehr
geeignet war, und wo die Bewohner ...

background image

Natürlich gab es schlimmere Planeten als Uller. Da

gab

es

den

kalten,

nebligen

Nidhog,

dessen

Äquator-

zone

ein

dunstiger

Sumpf

war,

während

den

Rest

ewi-

gen

Eis

bedeckte.

Da

war

Bifrost,

der

seiner

Sonne

im-

mer

dieselbe

Seite

zuwandte;

eine

Seite

war

glühend

heiß,

die

andere,

durch

eine

schmale,

kaum

bewohnba-

re

Zwielichtzone

von

ihr

getrennt,

wies

eine

Tempera-

tur

nahe

dem

absoluten

Nullpunkt

auf.

Da

war

Mimir,

bewohnt

von

einer

Rasse

halbintelligenter,

mordlusti-

ger,

verräterischer,

niederträchtiger

Quasi-Kriechtiere.

Oder

Niflheim.

Die

Uller-Company

hatte

auch

das

An-

recht

auf

Niflheim.

Sie

hatte

sich

bereit

erklären

müs-

sen,

die

Ausbeutung

der

Rohstoffvorkommen

dieses

Planeten

zu

übernehmen,

um

das

Anrecht

auf

Uller

zu

bekommen

ein

Paketverfahren,

welches

die

relativen

Vorzüge

der

beiden

Planeten

hinreichend

beleuchtete.

Vor

ihnen

lag

die

Stadt

Konkrook

am

Delta

des

Konk.

Der

Fluß

war

jetzt

ausgetrocknet.

Außer

im

Frühling,

wo

er

sich

rotbraun

dahinwälzte,

war

er

nie

mehr

als

ein

Rinnsal.

Der

Aircar

verlor

an

Höhe.

Die

Heißdüsen

wurden

ausgeschaltet.

Sie

überflogen

Vor-

orte

und

gelblich-grüne

Parks,

niedrige

Wohn-

und

Geschäftsgebäude, hohe Tempel und Paläste, phanta-
stisch in sich verdrehte Türme, und folgten dann ei-
ner Straße, die immer häßlicher und schmutziger
wirkte, je mehr sie sich dem Industriebezirk an der
Küste näherten.

background image

Von Schlichten sah abwesend hinunter, langsam an

seiner Zigarette ziehend. Dann aber ging ein Ruck
durch seinen Körper; die Muskeln um sein rechtes
Auge packten das Monokel fester. Er beugte sich vor
und stupste Harry Quong an der Schulter.

»Wenden Sie, Sergeant; sehen wir uns diese Straße

noch einmal an«, sagte er. »Dort unten scheint ir-
gendwas los zu sein.«

»Ja, Sir; ich habe es auch gesehen«, antwortete der

australochinesische Pilot. »Sieht aus, als wären Terra-
ner von Geeks* überfallen worden. Ein geparkter Air-
car steht mitten drin.«

Das Fahrzeug zog eine Schleife und kehrte langsam

noch einmal zu der Stelle zurück. Oberst Hideyoshi
O'Leary sah durch sein Fernglas.

»Stimmt«, sagte er. »Da sind Terraner in Bedräng-

nis. Es sind zwei; sie stehen mit dem Rücken gegen
eine Wand. Einer von ihnen hat eben einen Pistolen-
schuß abgegeben.«

Von Schlichten hatte bereits das Mikrophon in der

Hand, wählte die Nummer der Garnison auf Gon-
gonk Island und ließ dann den Signalknopf nicht
mehr los, bis er Antwort bekam.

»Von Schlichten. Befinde mich in Aircar über Kon-

krook. Blutiger Zusammenstoß in der Fourth Avenue,

* Verächtliche Bezeichnung für die Eingeborenen.

background image

Ecke Seventy-third Street.« Kein Terraner konnte sich
die Namen der Straßen von Konkrook merken; selbst
Einheimische, die von anderswoher kamen, fanden,
daß die Nummern leichter zu lernen und zu behalten
waren. »Geeks haben zwei Terraner überfallen. Wir
gehen jetzt hinunter und versuchen zu helfen. Schik-
ken Sie sofort Soldaten. Und bleiben Sie am Apparat,
mein Pilot wird Sie weiter auf dem laufenden hal-
ten.«

Er

warf

das

Mikrofon

nach

vorn

über

Harry

Quongs

Schulter.

Quong

fing

es

auf

und

begann,

schnell

und

hastig

hineinzusprechen,

während

er

mit

der

anderen

Hand

steuerte.

Von

Schlichten

nahm

eine der fünf

Pfund schweren, gezackten Keulen aus einem Gestell.
Themistokles M'zangwe hatte bereits seine Pistole
gezogen, nahm sie jetzt in die linke Hand und packte
mit der Rechten ebenfalls eine Keule. Der irisch-
japanische Colonel hatte eine Automatik in der einen
Hand und einen langen Dolch in der anderen und sah
aus wie ein mordlüsterner Kobold.

Harry Quong und Hassan Bogdanoff waren schon

Veteranen auf Uller; in Situationen wie diese gerieten
sie nicht zum erstenmal. Bogdanoff stieg in den Ge-
fechtsturm, schwenkte das 15-mm-Zwillingsgeschütz
herum und begann zu feuern. Quong hielt das Fahr-
zeug etwa eineinhalb Meter über dem Boden. Zu bei-
den Seiten sanken Eingeborene tot oder verwundet

background image

nieder. Dann setzte Quong das Fahrzeug so nahe wie
möglich bei der Gruppe um die beiden Terraner auf.
Von Schlichten öffnete die Luke und sprang aus dem
Aircar. O'Leary und M'zangwe folgten.

An der Straßenecke stand der andere Aircar, ein

dunkelbraunes Zivilfahrzeug. Der eingeborene Fah-
rer war über das Steuer gesunken. Der Schaft eines
Pfeiles ragte aus seinem Nacken. Mit dem Rücken an
einer Haustür stehend, schlug ein weißhaariger, bär-
tiger Terraner mit einer leergeschossenen Pistole um
sich. Er war verwundet; Blut lief ihm über das Ge-
sicht. Seine Gefährtin, eine junge Frau in langem
Pelzmantel, wehrte die Angreifer mit einem der lan-
gen Bolo-Messer der Eingeborenen ab.

Von Schlichtens Keule hatte einen kugeligen, zak-

kenbesetzten Kopf und eine lange Spitze darauf. Er
ließ die Kugel auf den Hinterkopf eines Ullaners nie-
dersausen und stieß einem anderen den Dorn in den
Leib.

»Zak! Zak!« schrie er auf Pidgin-Ulleranisch. »Jik-

jik, ihr gottverdammten Eidechsenköpfe!«

Der Ulleraner fuhr herum und holte mit einem ge-

waltigen Messer aus. Sein Mund war weit aufgeris-
sen. Schaum stand ihm auf den Lippen.

»Znidd suddabit!« kreischte er.
Von Schlichten parierte den Stoß mit dem stähler-

nen Schaft seiner Keule. »Selber suddabit, du Geek-

background image

Bastard!« schrie er und rammte ihm die Spitze seiner
Keule in den offenen Mund. Der Ulleraner sackte zu-
sammen. Von Schlichten nahm sich sofort den näch-
sten vor.

Drüben hatte einer der Geeks den verwundeten

Terraner mit beiden unteren Armen zu fassen be-
kommen und hob mit der oberen Rechten einen
Dolch. Das Mädchen im Pelzmantel holte weit aus
und hieb ihm den Arm mit dem Messer ab, stieß ihm
dann ihre Waffe in den Hals. Ein Eingeborener, der
mehrere Gürtel mit Goldornamenten trug, zog eine
terranische Automatik. Von Schlichten riß seine Pisto-
le hoch, aber ehe er feuern konnte, hatte Hassan Bog-
danoff bereits die Gefahr erkannt; seine Salve traf den
Eingeborenen in die Brust und riß ihn in Stücke.

Hideyoshi

O'Leary,

der

von

Schlichten

gefolgt

war,

stach

einen

der

Angreifer

nieder,

das

Mädchen

gleich-

zeitig

mit

seinem

freien

Arm

um

die

Taille

packend.

Themistokles

M'zangwe

ließ

seine

Keule

fallen

und

nahm

den

gebrechlich

aussehenden

Mann

auf

die

Schulter.

Zusammen

kämpften

sie

sich

zum

Aircar zu-

rück; von Schlichten gab ihnen mit seiner Pistole Feu-
erschutz.

Plötzlich ratterte Maschinengewehrfeuer. Mit ei-

nem schnellen Blick über die Schulter sah von
Schlichten vier Gefechts-Aircars, die schräg herab-
stießen, die Meute unter Beschuß nahmen, in einem

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Looping nach oben zogen, um dann wieder zurück-
zukehren, dieses Mal gefolgt von drei langen, blau-
grauen Truppentransportern.

Kaum

gelandet,

spien

sie

kraganische

Söldner

aus.

Der

erste

Zug

stürmte

ein

paar

Schritte

nach

vom,

ging

auf

ein

Knie

nieder

und

begann,

auf

das

zu

schießen,

was

von

dem

Mob

noch

übrig

war.

Vierhändige

Solda-

ten

haben

eine

verblüffende

Feuerkraft,

vor

allem,

wenn

sie

mit

automatischen

Gewehren

bewaffnet

sind,

deren

zwanzigschüssige

Magazine

sie

mit

den

unteren

Händen

auswechseln

können,

ohne

die

Waffe zu sen-

ken.

Jetzt

war

Hufgetrappel

zu

hören.

Eine

kleine

Kaval-

leriekompanie

des

Königs

von

Konkrook

sprengte

auf

ihren

sechsbeinigen,

eidechsenköpfigen,

schwarzge-

sprenkelten

Tieren

herbei.

Die

einen

stürmten

in

Sei-

tenstraßen,

wo

sie

mit

Lanzen

und

Säbeln

Fliehende

niedermachten,

während

andere

abstiegen

und

mit

Pfeil

und

Bogen

zu

Werke

gingen.

Von

Schlichten,

der

im

Grunde

genommen

keine

allzu

hohe

Meinung

von

den

Streitkräften

des

Königs

von

Konkrook

hatte,

mußte, wenn auch widerwillig, zugestehen, daß sie
gute Arbeit leisteten.

Ein Hauptmann der Eingeborenen-Infanterie, ein

Terraner, ging auf ihn zu und salutierte.

»Ihnen und Ihren Leuten ist nichts zugestoßen,

Herr General?« fragte er.

background image

Von Schlichten warf einen Blick auf den Vordersitz

seines Aircars, wo Harry Quong, eine Pistole in der
rechten Hand, immer noch ins Mikrofon sprach, wäh-
rend Hassan Bogdanoff neue Patronengürtel in seine
Maschinengewehre einführte. Dann sah er, daß der
verwundete Mann ins Fahrzeug geschafft worden
war. Das Mädchen lehnte an der Seite des Aircars,
hilflos zitternd vor Erregung.

»Es sieht so aus, Captain Pedolsky. Sie kamen ge-

rade noch rechtzeitig; Ihre Fahrzeuge sind wohl mit
Hyper-Raumantrieb ausgerüstet? ... Wie geht es ihm,
Colonel?«

»Er sollte sofort ins Hospital«, antwortete O'Leary.

»Ich glaube, er hat eine Gehirnerschütterung.«

»Harry, rufen Sie das Hospital an. Sagen Sie, wir

bringen die Toten zur oberen Landeplattform ... Also,
alles in Ordnung, Captain. Sie sollten mit Ihren Kra-
ganern noch etwas bleiben, damit sichergestellt ist,
daß König Jaikarks Geeks keine neuen Unruhen auf-
kommen lassen. Auch sollen sie nicht den Eindruck
bekommen, als könnten sie die Ordnung hier auch
ohne unsere Hilfe aufrecht erhalten; das entspricht
nicht den Wünschen der Company!«

»Ja, Sir; ich verstehe.« Captain Pedolsky öffnete ei-

ne Tasche an seinem Gürtel und nahm das künstliche
Mundstück heraus, ohne das kein Terraner auch nur
halbwegs verständliches Pidgin-Ulleranisch artikulie-

background image

ren konnte. Er steckte das Ding in den Mund, wandte
sich um und begann, Order zu erteilen.

Von Schlichten half dem Mädchen in das Fahrzeug

und führte sie zu dem Sitz rechts neben dem seinen.
Der Pilot schaltete das Kontra-Gravitationsfeld ein,
und der Aircar stieg in die Höhe.

»Them, in der Türtasche neben Ihnen müßten einen

Flasche und ein Trinkbecher sein«, sagte er. »Ein
kleiner Schluck könnte Miss Quinton jetzt sicher nicht
schaden.«

Das

Mädchen

wandte

sich

ihm

zu.

Selbst

in

ihrem

jetzigen

ziemlich

mitgenommenen

Zustand

war

sie

schön

nicht

sehr

groß,

schwarzhaarig

und

mit

schwar-

zen,

ein

wenig

schrägen

Augen.

Auf

ihren

schwarz

lak-

kierten

Fingernägeln

hatte

sie

winzige

goldene

Sterne

offenbar

der

letzte

Modeschrei

von

Terra.

»Da haben Sie recht, General ... Woher wissen Sie

meinen Namen?«

»Sie sind seit drei Monaten auf Uller. Und hier gibt

es so wenige von uns, daß ziemlich jeder alles über
jeden weiß. Sie sind Dr. Paula Quinton, extraterresti-
sche Soziografin und Feld-Agent der Gesellschaft für
den Schutz der Rechte von Nicht-Terranern, wie Mo-
hammed Ferriera hier.« Er nahm Themistokles
M'zangwe Flasche und Becher ab und schenkte ihr
ein. »Nicht zu hastig; es ist Honigrum von Baldur,
fünfundsiebzigprozentig.«

background image

Er sah zu, wie sie vorsichtig daran nippte, sofort zu

husten begann und dann vollends den Becher leerte.

»Mehr?«

Als

sie

den

Kopf

schüttelte,

verschloß

er

die

Flasche

wieder.

»Was

wollten

Sie

denn

überhaupt

hier?«

fragte

er

dann.

»Ich

dachte,

Ferriera

wäre

schlau

genug,

nicht

hierher

zu

kommen,

geschweige

denn, Sie

mitzunehmen.«

»Wir wollten einen seiner Freunde besuchen, einen

Eingeborenen namens Keeluk. Er scheint gleichzeitig
so etwas wie Priester und Arbeiterführer zu sein«,
antwortete sie. »Ich werde in Bälde die Arbeitsbedin-
gungen in den Bergwerken am Nordpol untersuchen,
und Mr. Keeluk sollte mir Empfehlungsschreiben für
Freunde von ihm in Skilk mitgeben.«

Dank

seines

Monokels

gelang

es

von

Schlichten,

sich

seine

Überraschung

nicht

anmerken

zu

lassen.

Weder

M'zangwe

noch

O'Leary

hatten

ein

solches

Hilfsmittel:

Der

Afrikaner

rollte

die

Augen,

der

Irisch-Japaner

schnitt eine Grimasse.

»Wir

unterhielten

uns

eine

Weile

mit

Mr.

Keeluk«,

sagte

das

Mädchen,

»und

als

wir

das

Haus

wieder

ver-

ließen,

stellten

wir

fest,

daß

sich

eine

Meute

zusam-

mengerottet

hatte

und

unser

Fahrer

getötet

worden

war.

Natürlich

trugen

wir

Pistolen;

sie

gehören,

wie

die

Notrationen

und

der

Wasser-Desilikator,

zur

Überle-

bensausrüstung,

die

Sie

hier

jeden

mit

sich

führen

las-

sen.

Meine

Waffe

war

geladen,

die

Mr.

Ferrieras

nicht.

background image

Als

sie

auf

uns

losgingen,

schoß

ich

ein

paar

von

ihnen

nieder

und

dann

bekam

ich

dieses

große

Messer

zu

fas-

sen ...«

»Deswegen sind Sie auch noch am Leben«, bemerk-

te von Schlichten.

»Nur, weil Sie rechtzeitig kamen«, erwiderte sie.

»Wie Sie sich keulenschwingend ins Getümmel stürz-
ten – in meinem Leben habe ich noch nie so etwas
Schönes gesehen!«

»Und

ich

nichts

Schöneres

als

die

Aircars,

wie

sie

mit

ihren

Schnellfeuerkanonen

diese

Meute

niedermach-

ten«,

antwortete

von

Schlichten.

Der

Aircar

überquerte

den

Konkrook-Kanal

und

näherte

sich

den blau-

grauen Gebäuden der Company auf Gongonk Island.

»Wie war das eigentlich, während Sie und Mr. Fer-

riera in Keeluks Haus waren, Miss Quinton?« fragte
Hideyoshi O'Leary. »War Keeluk dauernd bei Ihnen,
oder hat er Sie für einen gewissen Zeitraum verlas-
sen, sagen wir fünfzehn oder zwanzig Minuten, be-
vor sie gingen?«

»Ja, doch, tatsächlich«, erwiderte Paula Quinton

überrascht. »Wie kommen Sie darauf? Es war so: Ein
Hund begann zu bellen, hinter dem Haus, und Kee-
luk entschuldigte sich und ...«

»Ein

Hund?«

entfuhr

es

von

Schlichten.

»Ein

Hund?«

echoten

die

anderen

Offiziere,

und

Harry

Quong auf

dem Pilotensitz ächzte »Ist doch nicht möglich!«

background image

»Doch ... Aber auf Uller gibt es gar keine Hunde bis

auf ein paar, die Terranern gehören. Und war da
nicht etwas mit ...?«

Von Schlichten hatte sich schon das Mikrofon ge-

griffen und rief das Kommandofahrzeug am Schau-
platz der Auseinandersetzung.

Der Pilot meldete sich.
»Von Schlichten. Grüßen Sie Captain Pedolsky; er

soll sofort eine gründliche Durchsuchung des Hau-
ses, vor dem der Zwischenfall stattfand, und der
Nachbarhäuser durchführen. Zu seiner Information:
Es handelt sich um Keeluks Haus. Bitten Sie ihn, be-
sonders nach Generalgouverneur Harringtons Collie
und den anderen verschwundenen terrestrischen Tie-
ren Ausschau zu halten – diese Ziege zum Beispiel
oder die Kaninchen. Und bringt mir Keeluk, lebendig
und verhörfähig. Ich schicke Verstärkung.«

»Aber was ...?« begann das Mädchen.
»Deswegen wurden Sie angegriffen«, erklärte von

Schlichten. »Keeluk wollte verhindern, daß die An-
wesenheit des Hundes durch Sie publik würde. Des-
halb ging er hinaus und ließ sein Rollkommando
kommen, das Sie umbringen sollte.«

»Aber er war doch nur fünf Minuten weg.«
»In

fünf

Minuten

kann

ich

das

ganze

Militär

von

Konkrook

in

Bewegung

setzten.

Keeluk

hat

weder

Ra-

dio

noch

TV

hoffen

wir

wenigstens

–,

aber

seine

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Truppe

ist

konzentriert,

und

er

hat

einen

ziemlich

gu-

ten Stab.«

»Aber Mr. Keeluk ist unser Freund. Er weiß, was

unsere Gesellschaft für sein Volk zu tun versucht ...«

»Und zum Dank dafür hetzt er Ihnen seine Meute

auf den Hals. Sehen Sie, er hat doch enormen Einfluß
in dieser Gegend. Warum ist er dann nicht einge-
schritten, als Sie überfallen wurden?«

»Sie wollten doch zurück ins Haus, um sich in Si-

cherheit zu bringen«, fügte M'zangwe hinzu. »Und
fanden die Tür verschlossen.«

»Ja, aber ... aber was soll denn die ganze Aufre-

gung wegen des Hundes? Ist er ein heiliges Totem-
Tier der Uller-Company?«

»Er heißt Stalin und ist ein Collie wie tausend an-

dere auf Terra auch. Er wurde gestohlen, und nun hat
ihn Keeluk, und wir wollen wissen, warum. Solche
mysteriösen Dinge gefallen uns nicht, schon gar
nicht, wenn sie zu Mordanschlägen auf Terraner füh-
ren.« Der Aircar landete vor dem Hospital. Bereitste-
hendes Personal schaffte den immer noch bewußtlo-
sen Mohammed Ferriera auf einer Bahre aus dem
Fahrzeug.

»Sie sollten gleich mitgehen, Miss Quinton«, riet

von Schlichten. »Sie haben da ein paar gar nicht sehr
schöne Schrammen abgekriegt; diese Geeks haben ei-
ne Haut wie Sandpapier. Übrigens – diese Briefe, die

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Keeluk Ihnen geben wollte, für seine Freunde in
Skilk. Haben Sie die?«

Sie griff in ihre Jackentasche. »Ja. Die habe ich

noch.«

»Sie sollten Sie Colonel O'Leary vorlegen. Vielleicht

steht mehr darin, als Sie ahnen ... Hid, gehen Sie mit
Miss Quinton?«

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2

Rakkeed, Stalin und Reverend Keeluk


Von Schlichten saß in einer frischen Uniform am
Kopfende des Tisches in Sidney Harringtons Büro.
Harrington und Eric Blount, der Lieutenant-
Governor, saßen sich an den Seiten gegenüber, ein
metergroßes ullerisches Schachbrett zwischen sich.
Harrington hatte die weiße oder Innenposition.
Blount, dunkelblond und wesentlich jünger, hatte
schwarz, und seine Figuren rückten unaufhaltsam
nach innen vor.

»Und dann?« fragte Harrington.
Von Schlichten schnippte die Asche von seiner Zi-

garette.

»Nichts Besonderes mehr«, antwortete er. »Keeluk

verzog sich, sobald er unseren Aircar sah. Ein paar
von seinen Schlägern haben wir mitgenommen. Sie
werden jetzt verhört, aber ich bezweifle, ob wir ir-
gend etwas Neues von ihnen erfahren. Der Hund hat-
te sich in einem Schuppen hinter dem Haus befun-
den, war aber dann, wahrscheinlich schon, als Keeluk
sein Rollkommando rief, weggebracht worden. Auch
eins der Kaninchen muß sich dort befunden haben.
Von der Ziege keine Spur.«

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Blount machte eine neuen Zug, und von Schlichten

nickte beifällig. »Der Aufruhr ist niedergeschlagen
worden«, fuhr er fort, »aber wir lassen zwei Kompa-
nien Kraganer in der Stadt und ein Dutzend Airjeeps,
außerdem ein Regiment von König Jaikarks Infanterie
– Speerträger und Bogenschützen hauptsächlich –
und zwei seiner Kavalleriekompanien. Die nehmen
ganz wahllos Massenverhaftungen vor. Da kriegt Jai-
karks Favoritin am Hofe dann noch mehr Sklaven.«

»Oder aber Gurgurk rekrutiert sie«, warf Blount

ein. »Er hat in letzter Zeit eine richtige politische Or-
ganisation aufgebaut. Will versuchen, Jaikark vom
Thron zu stürzen, würde ich sagen.«

»Daß Gurgurk so etwas wagen würde, halte ich für

ausgeschlossen«, sagte der Generalgouverneur. »Er
weiß, daß wir ihm das nicht durchgehen lassen wür-
den. Dazu haben wir zuviel in König Jaikark inve-
stiert.«

»Aber wieso unterstützt Gurgurk dann diesen ver-

dammten Rakkeed?« wollte Blount wissen. »Gurkurk
hat nur zwei Möglichkeiten. Er kann versuchen, Jai-
kark zu stürzen und die Macht an sich zu reißen.
Oder aber er stellt sich auf Jaikarks Seite und arbeitet
mit ihm zusammen. Wir unterstützen Jaikark. Rak-
keed hat diesen Kreuzzug gegen die Terraner gepre-
digt und gegen Jaikark, den wir kontrollieren. Nun
hat Gurgurk Rakkeed unterstützt ...«

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»Dafür hast du keinen Beweis«, protestierte Har-

rington.

»Aber mein Geheimdienst hat welche«, schaltete

sich von Schlichten ein. »Wir kennen die Summen,
die Daten und die Namen der Leute, die Rakkeed das
Geld überbrachten. Eric hat absolut recht mit seiner
Feststellung.«

»Meiner

Ansicht

nach

sieht

Gurgurks

Plan

etwa

so

aus:

Rakkeed

wird

hier

in

Konkrook

antiterranische

Emotionen

wecken

und

sie

dann

gegen

unsere

Mario-

nette

Jaikark

und

gegen

uns

selbst

lenken«,

sagte

Blount.

»Wenn

der

Konflikt

zum

offenen

Ausbruch

kommt,

wird

Jaikark

umgebracht,

und

dann

kommt

Gurgurk,

besetzt

den

Palast

und

schlägt

mit

Hilfe

der

Königlichen

Armee

die

Revolte

nieder,

die

er

selber

in

Szene

gesetzt

hat.

Auf

diese

Weise

macht

er

sich

zum

Freund

der

Company,

und

die

meisten

der

so

von

ihm

Getäuschten

werden

festgenommen

und

als

Sklaven

verkauft.

Und

König

Gurgurk

steckt

den

Erlös

ein.

Die

Frage

ist

nur:

Wird

Rakkeed

sich

auf

diese

Weise

be-

nützen

lassen?

Rakkeed

ist

meiner

Ansicht

nach

grö-

ßer,

als

Gurgurk

jemals

sein

wird.

Von

ihm

geht auch

die größere Gefahr für die Company aus. Überall, wo
irgend etwas nicht in Ordnung ist, steckt Rakkeed
dahinter. Nimm diese Geschichte hier zum Beispiel:
Keeluk ist einer von Rakkeeds Gefolgsleuten.«

»Dieser Rakkeed schlägt sich dir noch auf den

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Verstand, Eric!« rief Harrington. »Er ist ein simpler
Packtiertreiber, nichts weiter.«

Eric Blount nahm Harrington einen Bauern ab.
»Dein König ist in Gefahr«, warnte er. »Nebenbei

bemerkt: Hitler war ein einfacher Anstreicher.«

»Rakkeed hat keine Gefolgschaft, außer beim Pö-

bel.« Harrington zog heftig an seiner Pfeife und such-
te nach einer Möglichkeit, seinen König zu schützen.

»Das glaubst du«, entgegnete Blount. »Hier in Kon-

krook ist er häufig bei den adeligen Schiffsbesitzern
zu Gast. Die rümpfen sicher die Nase über seine
Tischsitten, aber seine Politik finden sie einfach fa-
belhaft. In Keegark und in den Freien Städten an der
Ostküste ist es nicht anders.«

»Das letzte Mal, als Rakkeed in Konkrook war, war

er Gast des keegarkanischen Botschafters«, sagte von
Schlichten. »Wir wissen das von einem Spitzel, den
wir beim Botschaftspersonal eingeschleust haben.«

»Bist du denn sicher, daß dir dein Spitzel kein Mär-

chen erzählt hat«, fragte Harrington. »Über Rakkeed
hört man doch die verrücktesten Geschichten. Drei
Tage nachdem er hier in Konkrook war, soll er acht-
tausend Kilometer weit weg in Skilk gewesen sein
und bei König Firkked eine Audienz gehabt haben.«

»Durchaus denkbar«, sagte von Schlichten. »Er

reist verkleidet auf unseren Schiffen – Kuliklasse, auf
dem Geek-Deck.«

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»Wenn wir ihn da mal erwischen könnten, wäre

das natürlich sehr gut«, sagte Blount und machte ei-
nen neuen Zug. »Eine der Unterdeck-Ladeluken
müßte versehentlich unverriegelt bleiben, und dann
könnte er in zweitausend Meter Höhe von Bord pur-
zeln.« Er beobachtete, wie Harrington ein scheinbar
sinnloses Manöver einleitete. »Sid, die Sache mit dem
Hund liegt mir doch etwas im Magen.«

»Mir auch. Ich hab an dem Biest nun mal 'nen Nar-

ren gefressen. Weiß Gott, womit er inzwischen gefüt-
tert worden ist; und daß die Geeks ihn geklaut haben,
gefällt mir schon überhaupt nicht.«

»Also, auf die Gefahr hin, für herzlos gehalten zu

werden: Mir geht es gar nicht so sehr um Stalin als
um die Frage, warum Keeluk ihn versteckt hat, und
warum er sich nicht gescheut hätte, die einzigen bei-
den Terraner in Konkrook, die ihm vertrauen, ermor-
den zu lassen – nur um zu verhindern, daß dies be-
kannt würde.«

»Ein Mr. Keeluk, ein Priester«, sagte von Schlichten

und zündete sich eine neue Zigarette am Stummel
der alten an. »Vielleicht brauchte Reverend Keeluk
Stalin für sakramentale Zwecke.«

Blount sah von seinen Figuren auf. »Rituelle Tö-

tung?« fragte er. »Oder Schwarze Magie?«

Von Schlichten zuckte die Achseln. »Was immer du

willst. Vielleicht wollte Rakkeed den Hund, um ihn

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vor einer Versammlung für uns zu töten. Oder, um
uns in effigie umzubringen. Vielleicht glauben sie, daß
wir Stalin verehren und daß sie Macht über uns aus-
üben können, wenn sie ihn in ihre Gewalt bekom-
men. Es wäre schon gut, wenn wir etwas mehr über
die Psychologie der Ulleraner wüßten.«

Es war nicht zum erstenmal, daß er diesen Gedan-

ken äußerte. Selbst wenn Sex nicht der beherrschende
psychologische Faktor war, wie die alten Freudianer
glaubten, so war er doch von überaus großer Wich-
tigkeit; auf Uller freilich waren die meisten Grundbe-
griffe terranischer Psychologie sinn- und bedeutungs-
los. Andererseits hatte der durchschnittliche Ullera-
ner wahrscheinlich Komplexe und Neurosen, die
selbst Freud aus dem Häuschen gebracht haben wür-
den, und ganz ohne Zweifel trieben sie Dinge, bei de-
nen sogar Krafft-Ebing die Haare zu Berge gestanden
wären.

»Eines steht fest«, sagte Blount. »Man braucht kei-

nen Psychologen, um zu wissen, daß achtzig Prozent
der Ulleraner uns hassen wie die Pest.«

»Ach Unsinn!« Harrington stieß die Worte mit ei-

ner Wolke Pfeifenrauch hervor. »Ein paar Fanatiker
hassen uns und ein paar Händler, die Geld verloren
haben, als wir ihre primitive Tauschwirtschaft um-
krempelten. Neun Zehntel von ihnen haben nur Vor-
teile von uns gehabt und ...«

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»Und hassen uns deswegen nur noch mehr«, un-

terbrach ihn Blount. »Sie verübeln uns alles, was wir
für sie getan haben.«

»Was der Raumhafen, den uns König Orgzild von

Keegark angeboten hat, eindeutig beweist«, entgeg-
nete Harrington. »Er haßt uns so sehr, daß er uns in
seiner Stadt einen Raumhafen zum Geschenk machen
will.«

»Was kostet ihn das schon?« gab Blount zurück.

»Er stellt das Land – beschlagnahmt aus dem Besitz
irgendeines Adeligen, den er wegen Hochverrats hin-
richten ließ – und die Arbeitskräfte: Zwangsarbeiter.
Wir stellen den Stahl, die Maschinen, leisten die In-
genieurarbeit. Wir kriegen einen Raumhafen, den wir
eigentlich gar nicht brauchen, und er das ganze Ge-
schäft, das der Hafen nach Keegark bringt. Ange-
sichts der Tatsache, daß Rakkeed in seiner Botschaft
hier ein gern gesehener Gast ist, genau wie im könig-
lichen Palast in Keegark, frage ich mich allmählich,
ob er uns nicht nur deswegen hier Schwierigkeiten
macht, um uns zu veranlassen, daß wir unsere
Hauptbasis in seine Stadt verlegen.«

Er machte einen Zug. Sogleich schlug Harrington

von der Mitte aus mit einer seiner stärksten Figuren
zurück.

»Und wessen König ist jetzt bedroht?« krähte er.
»Warten wir ab.« Blount bewegte eine Figur im

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Halbkreis um das Brett und nahm die gefährliche Fi-
gur des Gegners. »Jetzt ist ja hoffentlich klar, wessen
König bedroht ist.«

Harrington fluchte, setzte zu einem Zug an und

fuhr dann mit der Hand zurück, als sei die Figur glü-
hend heiß. Eine Weile saß er da, zog an seiner Pfeife
und starrte auf das Brett.

»Orgzild ist sich so sicher, daß wir sein Angebot

annehmen, daß er zwei neue Reaktoren bauen läßt,
um für den mit dem zusätzlichen Geschäft zu erwar-
tenden größeren Energiebedarf vorzusorgen«, fuhr
Blount fort.

»Und woher bekommt er das Plutonium?« fragte

von Schlichten.

»Woher?« erwiderte Harrington. »Er hat uns eben

vier Tonnen davon abgekauft, geliefert mit der City of
Pretoria

»Das ist eine ganze Menge«, sagte Blount. »Ich fra-

ge mich, ob er nicht etwa weiß, wofür man Plutonium
außer zur Energieversorgung noch verwenden
kann.«

»Um Himmels willen!« rief Harrington. »Wenn du

so weitermachst, suche ich nächstens noch Einbrecher
unter dem Bett ...«

»Vielleicht sind da Einbrecher«, sagte Blount und

deutete mit seiner Zigarette auf Harringtons bedroh-
ten König. »Was gedenkst du dagegen zu tun, Sid?«

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Er wandte sich von Schlichten zu. »Bevor ich's ver-
gesse: Was ist mit den Briefen, die Keeluk der Quin-
ton gegeben hat?«

»Alle an Skilkaner adressiert, die wir als Rakkeed-

Schüler und radikale Antiterraner kennen«, erwiderte
von Schlichten. »Wir haben die Liste nach Skilk ge-
funkt; Colonel Cheng-Li, unser Geheimdienstmann
dort, hat uns Material über sie zugeschickt, das aus-
sieht wie Personalakten aus Sing-Sing. Die Briefe
selbst haben wir Doc Petrie, dem Spezialisten für ul-
lerische Philologie, unterbreitet, der sich auch auf das
Knacken von Codes versteht; aber der konnte nichts
finden. Jedenfalls werde ich Miss Quinton informie-
ren und ihr raten, sich nicht mit den Leuten einzulas-
sen, für die Keeluk ihr Briefe gab.«

Harrington hatte, allerdings unter Opferung einer

Figur, die Bedrohung seines Königs vorerst abwen-
den können.

»Und du glaubst, die wird auf dich hören?« fragte

er. »Diese Leute von der Gesellschaft für die Rechte
außerirdischer Lebewesen sind doch selbst die reinen
Fanatiker. Für die sind wir nichts als blutbefleckte,
imperialistische Halunken mit einem Herz aus Stein,
und alles, was wir sagen, eine Lüge von Hitlerschen
Dimensionen.«

»Also, so schlimm sind sie denn wohl auch wieder

nicht. Das Mädchen habe ich ja heute erst kennenge-

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lernt, aber der alte Mohammed Ferriera ist ein an-
ständiger Kerl. Und ihre Gesellschaft hat wirklich viel
Gutes getan. Auf Yggdrasill zum Beispiel haben sie
der Leibeigenschaft ein Ende gemacht, und ich weiß,
was für Zustände dort herrschten, bevor sie das ta-
ten.«

»Sagtest du nicht, daß sie in nächster Zeit nach

Skilk fahren würde?« fragte Harrington. »Nun fährst
du doch selbst mit dem Kraganer-Bataillon auf der
Aldebaran dorthin. Warum lädst du sie nicht ein, mit
dir zu fahren? Du kannst ja recht anziehend auf junge
Damen wirken, wenn du dir Mühe gibst. Vielleicht
kannst du ihr den einen oder anderen Gedanken ein
wenig nahebringen. Sie ist erst seit drei Monaten hier
– seit die Canberra von Niflheim kam. Du und ich und
wir alle wissen, daß es in den Bergwerken dort unten
am Pol eine Menge Dinge gibt, die jedem, der die ört-
lichen Bedingungen nicht kennt, sehr befremdend
vorkommen müssen ...«

»Eine allzuschwer zu ertragende Bürde wäre Miss

Quintons Begleitung für mich sicher nicht«, antworte-
te von Schlichten. »Natürlich kann ich für nichts ga-
rantieren ...«

Aus dem Intercom-Lautsprecher auf dem Tisch

kamen mehrere Signaltöne. Harrington fluchte, legte
seine Pfeife weg, drückte auf einen Knopf und sprach
in die Box.

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»Gouverneur«, sagte eine Stimme, »eben ist ein

Schiff voll Geeks angekommen. Sie haben sich zu ei-
nem Zug formiert und marschieren auf die Zentrale
der Company zu. Eine Kompanie von Jaikarks Garde
mit Gewehren; eine königliche Sänfte, etwa dreißig
Adelige zu Fuß, eine Geschenktruhe; dann noch ein
Zug Soldaten.«

»Das wird Gurgurk sein, der uns mitteilen will, wie

sehr Seine Besoffene Geekschaft den Vorfall in der
Seventy-second Street bedauert«, sagte Harrington.
»Die Geschenktruhe wird die übliche Entschädigung
enthalten. Lassen Sie Gurgurk und seine Leute hinein
mit Ausnahme der Soldaten. Stellen Sie ihm eine Eh-
renwache. Führen Sie sie in die Empfangshalle und
halten Sie sie dort fest, bis ich Ihnen aus der Au-
dienzhalle das Zeichen gebe, und dann herein mit ih-
nen.«

Er setzte sich wieder an seinen Platz. Sofort nahm

Blount eine seiner Figuren. »In vier Zügen bist du
matt«, prophezeite er. »Sollen wir noch zu Ende spie-
len, bevor wir hinübergehen?«

»Natürlich; was bedeutet für einen Geek schon

Zeit? Gurgurk würde ja glauben, wir hätten Proble-
me, wenn wir ihn nicht warten ließen ... Guter Gott!
Sieht so aus, als wäre ich jetzt wirklich in der Klem-
me, Eric!«

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3

Vierundzwanzig Geek-Köpfe


Generalgouverneur Harrington saß auf der bequem
gepolsterten Bank unter dem Dachhimmel der Au-
dienzhalle, flankiert von Eric Blount und von Schlich-
ten. Selbst auf diesem erhöhten Sitz sah er nicht son-
derlich eindrucksvoll aus – mit seinem gegerbten Ge-
sicht, seinem grauen Schnauzbart, seiner alten
Tweedjacke voller Pfeifenasche hätte er genausogut
einer von den Landedelmännern aus von Schlichtens
Nachbarschaft in Argentinien sein können, wo er sei-
ne Jugend verbracht hatte. Einem Terraner wäre jeder
König von Uller wie eine Mißgeburt aus einem Eid-
echsenhaus im Zoo vorgekommen. Was für einen
Eindruck Harrington auf Ulleraner machte, konnte
man nur vermuten.

Er nahm das in den Zeughauslisten als »Enuncia-

tor-ulleranisch« bezeichnete Mundstück aus seiner
Jackentasche. Von Schlichten und Blount setzten die
ihren ein, und Harrington drückte mit dem Fuß auf
den Knopf im Boden. Nach kurzer Zeit öffneten sich
die hohen Türen am anderen Ende der Halle, und die
Konkrooker Notabeln traten ein, begleitet von einem
Dutzend eingeborener Offiziere und einer Eskorte

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Kraganer Soldaten. Die Ehrengarde marschierte in
zwei Reihen; dazwischen schritt ein unbekleideter,
schwer bewaffneter Eingeborener, der einen reichlich
geschmückten Speer mit meterlanger Klinge mit allen
vier Armen aufrecht vor sich hertrug. Es war der
konkrookanische Staatsspeer; er stellte die symboli-
sche Anwesenheit König Jaikarks dar. Dahinter kam
Gurgurk, das konkrookanische Gegenstück eines
Premierministers oder Großwesirs. Er trug einen gol-
denen Helm und eine Art Hemd aus Goldfäden, dazu
ein langes Beidhänderschwert, zwei terranische, für
eine Hand mit sechs viergliedrigen Fingern konstru-
ierte Automatikpistolen und ein Paar zueinanderpas-
sende Dolche. Über das beste Alter eines Ulleraners
war er hinaus – siebzig bis achtzig Jahre alt, nach dem
abgenutzten Aussehen seiner schillernden Zähne, der
Farbe seiner Haut und der hauptsächlich rötlichen
Färbung seiner Quarzflecken zu schließen. Jüngere
Ulleraner waren hellgrau, unter den Armen weiß,
und ihre Quarzflecken waren weißlich bis hellgelb.
Gurgurks Gefolge setzte sich aus allen Altersklassen
zusammen und trug nicht weniger Eisen an sich als
der Premierminister. Die Pistolen stammten alle von
Terra, die Schwerter und Dolche entweder von Terra
oder den terranischen Stahlwerken auf Volund.

Vier Sklaven brachten eine kunstvoll eingelegte,

mit Füßen versehene Geschenktruhe herein. Als der

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Speerträger die Mitte der Halle erreicht hatte, blieb er
stehen und pochte mit seiner Waffe auf den Boden.
Gurgurk stellte sich ein paar Schritte links hinter ihm
auf, die anderen Adeligen in einem Halbkreis. Von
Schlichten betrachtete die Versammlung mißmutig
durch sein Monokel.

Jetzt erhob sich der Generalgouverneur und stieg

von seiner Empore herunter, begleitet von Blount
und von Schlichten. Aus dem Augenwinkel sah von
Schlichten, wie sich ein paar Kraganer-Söldner unauf-
fällig in Positionen begaben, wo sie, wenn nötig, die
Besucher mit ihren Maschinengewehren niedermä-
hen konnten, ohne die Terraner zu gefährden.

»Willkommen, Gurgurk«, zwitscherte Harrington

durch sein Mundstück. »Die Company weiß um die
Ehre dieses Besuches.«

»Ich komme im Namen meines königlichen Herrn,

Seiner erhabenen Majestät Jaikark des Siebzehnten,
König von Konkrook und aller Länder im Isthmus
von Konk«, quäkte Gurgurk. »Ich habe die Ehre, bei
mir Lord Ghroghrank zu haben, den Gesandten Kö-
nig Orgzilds von Keegark am Hofe meines Königli-
chen Herrn.«

»Und ich«, sagte Ghroghrank, nachdem er gebüh-

rend willkommen geheißen worden war, »freue mich
über die Ehre der Begleitung Fürst Gorkrinks. Er ist
der Sonderbotschafter meines Herrschers, Seiner Kö-

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niglichen und Imperialen Majestät König Orgzild, der
sich in Ihrer Stadt befindet, um die Ladung Kraftme-
tall in Empfang zu nehmen, das von der Company
käuflich zu erwerben mein Königlicher Gebieter die
Ehre hatte.«

Nach erneuten Willkommensbezeugungen für

Gorkrink meldete sich wieder Gurgurk mit bellenden
Lauten zu Wort.

»Mein Königlicher Gebieter, Seine erhabene Maje-

stät, ist tief bekümmert«, erklärte er feierlich. »Wäre
er nicht so überwältigt von Kummer, wäre er in eige-
ner, Geheiligter Person erschienen, um seinem
Schmerz und seiner Beschämung darüber Ausdruck
zu verleihen, daß Angehörige der Company in den
Straßen der Königlichen Stadt Belästigungen und
gewalttätigen Angriffen ausgesetzt sind.«

Wenn er nicht völlig high wäre, dachte von Schlich-

ten bei sich. Die Einheimischen benützten hier eine
Droge, welche die kombinierte Wirkung von Ha-
schisch, Heroin und Yohimbine hatte; Jaikark und
seine ganze engere Hofgesellschaft waren süchtig.
Wahrscheinlich hatte er von dem Zwischenfall nicht
einmal gehört.

»Die Soldaten Seiner Erhabenen Majestät kamen

den Truppen der Company auf der Stelle zu Hilfe,
nicht wahr, General von Schlichten?« sagte Harring-
ton.

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»Innerhalb von Minuten, Euer Exzellenz«, erwider-

te von Schlichten feierlich. »Promptheit und Wirk-
samkeit ihres Eingreifens waren exemplarisch.«

Gurgurk zeigte sich im Namen seines Königlichen

Herrschers überaus erfreut über dieses hohe Lob aus
so berufenem Munde. Nachdem Blount in gesetzten
Worten Bedeutung und Tiefe der Freundschaft zwi-
schen der Uller Company und Seiner Erhabenen Ma-
jestät zum Ausdruck gebracht hatte, unterstrich der
keegarkanische Botschafter das Bedauern König Org-
zilds über den unangenehmen Vorfall, wobei er
durchblicken ließ, daß derartige Vorkommnisse in
Keegark schlechthin unmöglich waren.

Fürst Gorkrink wünschte Mohammed Ferriera,

dem großen und guten Freund aller Ulleraner, baldi-
ge Genesung. Von Schlichten bemerkte, daß ein paar
seiner neueren Quarzflecken eine leicht grünliche
Färbung hatten – ein sicherer Hinweis darauf, daß er,
vor nicht allzu langer Zeit, der fluorhaltigen Luft von
Niflheim ausgesetzt gewesen war. Und wenn sich ein
Geek-Fürst für ein Jahr als Arbeiter auf Niflheim ver-
dingte, dann tat er das nur zu einem Zweck: Um ter-
ranische Technologien kennenzulernen.

Gurgurk gab nun bekannt, daß ein so schändliches

Verbrechen gegen die Freunde Seiner Erhabenen Ma-
jestät seine gerechte Bestrafung erfahren habe und
gab mit einer seiner unteren Hände das Zeichen, die

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Truhe herbeizubringen. Die Sklaven öffneten sie und
nahmen zuerst eine Art Teppich heraus, den sie auf
dem Boden ausbreiteten. Darauf legten sie, sorgfältig
in vier Reihen arrangiert, vierundzwanzig frisch ab-
getrennte Ulleranerköpfe.

Die drei Terraner betrachteten sie. Zwei Dutzend

Köpfe waren die Standardzahlung für einen Angriff,
bei dem kein Terraner getötet wurde. Offensichtlich
waren dies hier die Köpfe der Anführer; gewöhnlich
schlug man sie einfach den erstbesten Gefangenen
oder zu alten Sklaven ab ohne Rücksicht darauf, ob
die Opfer von dem Verbrechen, für das sie da büßen
mußten, auch nur gehört hatten. Wenn es der Gesell-
schaft für den Schutz der Rechte von Nichtterranern
mit den Rechten dieser Geeks ernst war, mußte sie
sich dafür einsetzen, daß alle diese eingeborenen
Prinzen und der ganze Planet der Company über-
antwortet wurde. Das war von Anfang an die Vor-
stellung der Terranischen Föderation gewesen; war-
um hätten sie sonst dem obersten Repräsentanten der
Company den Titel »Generalgouverneur« verliehen.

Es folgte eine weitere längere Ansprache Gurgurks,

begleitet vom zustimmenden Gemurmel der Adeli-
gen hinter ihm, und eine Antwortrede Sid Harring-
tons. In steifer Haltung wartete von Schlichten das
Ende des Brimboriums ab.

Als sich die Delegation schließlich verabschiedet

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hatte, rief Harrington einen kraganischen Sergeanten,
dem die Rangabzeichen auf alle vier Arme gepinselt
waren.

»Hinaus mit diesem Aas und in die Verbrennungs-

anlage damit«, befahl er. »Wenn jemand von euch
glaubt, den Teppich und diese Truhe wieder sauber-
kriegen zu können, kann er sie haben.«

»Augenblick noch«, sagte von Schlichten zu dem

Sergeanten. Dann nahm er seinen Geek-Enunciator
heraus. »Seht ihr diesen Kopf da?« fragte er und be-
wegte ihn ein wenig mit dem Fuß. »Den habe ich
selbst erschossen, während Them und Hid Ferriera
ins Fahrzeug schafften. Den da hat Miss Quinton mit
ihrem Bolo-Messer erstochen. Und den Hid O'Leary.«
Mit der Fußspitze drehte er weitere Köpfe um. »Da
haben sie sich selbst Rabatt eingeräumt und einfach
zwei Dutzend Köpfe vom Ort des Überfalls mitge-
nommen. Dieses Abschlachten von abgearbeiteten
Sklaven und kleinen Dieben gefällt mir zwar keines-
wegs, aber das hier auch nicht. Noch vor einem hal-
ben Jahr hätte sich Gurgurk so etwas nicht erlaubt.
Und jetzt lacht er sich hinter unserem Rücken frech in
seine vier Fäustchen.«

»Das predige ich doch schon dauernd«, stimmt ihm

Eric Blount zu. »Diesen Geeks muß man wieder den
nötigen Respekt einbleuen.«

»Ach Unsinn, Eric«, erregte sich Harrington. »Als

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nächstes verlangst du noch, daß wir Jaikark absetzen
und selbst das Regiment übernehmen.«

»Und was wäre daran so schlecht?« fragte von

Schlichten. »Könnten wir das vielleicht nicht? Jai-
karks Armee könnte unsere Kraganer ebenso wenig
aufhalten wie Klopapier einen Elektronenstrahl.«

»Mein Gott!« entfuhr es Harrington. »Hört doch

endlich mit diesem Gerede auf! Wir sind keine Conqi-
stadores;
wir sind Angestellte eines kommerziellen
Unternehmens und sollen hier auf ehrliche Weise
Geld machen, indem wir mit diesen Leuten Güter
und Dienstleistungen austauschen ...«

Er drehte sich um und verließ die Audienzhalle.

Von Schlichten und Blount blieben zurück und sahen
zu, wie die Geek-Köpfe hinausgeschafft wurden.

»Vielleicht bin ich ein wenig zu weit gegangen«,

räumte von Schlichten ein. »Vielleicht war das ganze
zu abrupt. Er muß sich erst an den Gedanken gewöh-
nen.«

»Zu langsam können wir auch nicht vorgehen«,

erwiderte Blount. »Wenn wir warten, bis er sich an-
ders besinnt, können wir genausogut warten, bis er
pensioniert wird. Und das dauert zu lange.«

Von Schlichten nickte. »Hast du die grünen Flecken

auf der Haut von Fürst Gorkrink gesehen?« fragte er.
»Er war auf Niflheim. Vermutlich kam er vor drei
Monaten mit der Canberra zurück.«

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»Und jetzt ist er hier, um das Plutonium zu holen

und mit der Oom Paul Krüger nach Keegark zu brin-
gen«, sagte Blount. »Ich möchte nur wissen, was für
Kenntnisse er sich auf Niflheim angeeignet hat.«

»Und ich möchte wissen, was eigentlich in Keegark

los ist«, sagte von Schlichten. »Orgzild hat da einen
regelrechten Eisernen Vorhang heruntergelassen.
Immerhin sind in den letzten drei Monaten vier unse-
rer besten einheimischen Geheimdienstler in Keegark
ermordet worden, und sechs weitere werden dort
noch vermißt.«

»In einigen Tagen muß ich ja selbst hin, um mit

Orgzild über diesen Raumhafen zu sprechen«, sagte
Blount. »Ich werde mit Hendrik Lemoyne und Mak-
Kinnon reden. Und zusehen, was ich selbst heraus-
finden kann.«

»Wie wär's mit 'nem Drink?« schlug von Schlichten

vor und warf einen Blick auf die Uhr. »Gerade die
richtige Zeit für einen Cocktail.«

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4

In Stanley-Browne gelesen


Von Schlichten und Blount betraten gemeinsam die
Bar – die Imitation eines New Yorker Nachtklubs aus
dem Ersten Jahrhundert. Der Service war vollautoma-
tisch. An der Bar-Maschine wählte von Schlichten
den Cocktail, für den sie sich entschieden hatten, und
füllte einen Vier-Portionen-Krug damit.

Als sie sich wieder umwandten, stießen sie fast mit

Hideyoshi O'Leary und Paula Quinton zusammen.
Das Mädchen trug eine langärmelige Robe, um die
Bandage an ihrem rechten Arm zu verbergen, und ihr
Gesicht war an einigen Stellen ziemlich dick überpu-
dert. Ansonsten war ihr nicht anzusehen, was sie vor
kurzem noch durchgemacht hatte.

»Na, Sie sind ja wirklich prima repariert, Miss

Quinton«, begrüßte von Schlichten sie. »Fühlen Sie
sich wieder besser? Miss Quinton, ich möchte Ihnen
Leutnant-Governor Blount vorstellen. Eric, Miss Pau-
la Quinton.«

»Sehr erfreut, Miss Quinton«, sagte Blount. »Wie

ich höre, müssen Sie wie eine Löwin gekämpft haben.
Wie geht es übrigens Mohammed? Nichts Ernstliches,
hoffe ich; wir mögen ihn alle.«

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Ferriera war immer noch bewußtlos, berichtete das

Mädchen; er hatte eine Gehirnerschütterung, aber die
Ärzte waren zuversichtlich und erwarteten, daß er in
ein paar Wochen wieder voll hergestellt sein würde.
Von Schlichten lud sie und ihren Begleiter ein, bei
ihm und Blount Platz zu nehmen. »Sieht fast aus, als
hielten Sie das für einen netten Streich, daß die Leute,
denen wir helfen wollten, uns beinahe umbringen«,
begann Paula ein wenig zurückhaltend.

»Für keinen sehr lustigen«, erwiderte von Schlich-

ten. »Diesen Streich hat man uns so oft gespielt, daß
wir ihn schon nicht mehr komisch finden.«

»Ja, die Undankbarkeit der Geeks kennen wir alle«,

stimmte Blount zu. »Wenn Sie erst mal etwas länger
auf diesem Planeten sind, werden Sie verstehen, was
ich meine.«

»Nennen Sie sie denn auch so?« fragte Paula etwas

enttäuscht. »Vielleicht würde sich, wenn Sie sie nicht
mehr Geeks nennten, das Verhältnis bessern. Sie wis-
sen, daß das ein häßlicher Name ist; im Ersten Vor-
atomaren Zeitalter bezeichnete man damit Leute, die
in der Öffentlichkeit scheußliche Dinge taten ...«

»Zum

Beispiel

Hühnern

die

Köpfe

abbissen«,

erklär-

te

Hideyoshi

O'Leary.

»Wenn

Sie

nach

Norden

kom-

men,

dann

sehen

Sie

mal

zu,

wie

die

Bauern

diese klei-

nen, sechsbeinigen Iguanas töten, die sie für Nah-
rungszwecke züchten.«

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»Aber das ist eigentlich nicht der Grund, daß wir

sie so nennen«, sagte von Schlichten. »Es ist ein laut-
malendes Wort. Sie haben einige von diesen Sprachen
gelernt; Sie wissen, wie sie klingen: Geek-Geek-Geek

Ȇbrigens, wissen Sie, wie die Geeks einen Terra-

ner nennen?« fragte Blount. »Suddabit.«

Einen Augenblick lang sah sie ziemlich verwundert

drein, ehe sie ihr Mundstück einsetzte. Selbst in Ab-
wesenheit von Eingeborenen benützte sie dabei ihr
Taschentuch, um den Vorgang nicht sichtbar werden
zu lassen.

»Suddabit«, sagte sie deutlich. »Sud-da-bit.« Sie

nahm das Mundstück wieder heraus und steckte es
weg. »Ja, genauso sprechen sie es aus!«

»Jetzt sagen Sie bloß nicht, daß Sie das noch nie ge-

hört haben«, sagte O'Leary. »Heute nachmittag in der
Seventy-second Street, da haben die Geeks es Ihnen
zugeschrien: Znidd suddabit – tötet die Terraner. Das
ist das ganze Evangelium des Propheten Rakkeed.«

»Sie sehen«, dozierte Eric Blount, »auch das ist

wieder einmal so ein Fall, wo niemand dem anderen
etwas vorzuwerfen hat ... Zigarette?«

»Danke.« Sie beugte sich O'Leary entgegen, der ihr

Feuer gab. »Daran soll ich wohl denken, wenn ich,
sagen wir, in den Minen am Pol sehe, daß ein paar
Aufseher mit Stahlkabeln auf einen Arbeiter ein-
schlagen.«

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»Nun, in einem solchen Fall sollten Sie auch nicht

vergessen, daß die Haut eines Eingeborenen gut ei-
nen Zentimeter dick und wesentlich zäher als die
menschliche Haut ist«, erklärte von Schlichten. »Und
es könnte auch nicht schaden, wenn Sie einmal fest-
stellten, wie diese Arbeiter zu Hause behandelt wer-
den. Zum größten Teil sind sie von den Großgrund-
besitzern ausgeliehene Sklaven; Tatsache ist, daß die
Erlaubnis, in den Pol-Minen zu arbeiten, als Privileg
betrachtet wird, das als Belohnung gewährt oder zur
Strafe verweigert wird. Tatsache ist außerdem, daß
die meisten der Geek-Landbesitzer scharfe Kritik
üben an der Art und Weise, wie wir ihre Arbeiter in
den Minen behandeln; sie behaupten, daß bei den
Arbeitern dadurch Unzufriedenheit über ihre Be-
handlung zu Hause entsteht.«

»Es ist nicht zu leugnen, daß die einheimischen

Vorarbeiter und Aufseher zu unnötiger Brutalität
neigen, und wir versuchen auch, diese Leute nach
und nach abzulösen. Allerdings dürfen Sie nicht ver-
gessen, daß wir es mit einer von Natur aus brutalen
Rasse zu tun haben.«

»Natürlich, wenn eingeborene Arbeiter mißhandelt

werden, dann immer von anderen Eingeborenen, nie
von den lieben und guten Terranern«, antwortete sie.
»So war das auf jedem Planeten, den unsere Gesell-
schaft untersucht hat.«

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»Hören

Sie

mal,

Sie

kamen

doch

erst

vor

kurzem

von

Niflheim«,

wandte

von

Schlichten

ein.

»Die

Company

beschäftigt

dort

eine

nicht

geringe

Anzahl

von

Geeks.

Haben Sie dort auch brutales Verhalten bemerkt?«

»Ich

muß

in

der

Tat

zugeben,

daß

die

Ulleraner,

die

dort

arbeiten,

sehr

gut

behandelt

werden.

Freilich

dürf-

te

man

an

einem

Ort,

wo

die

Luft

fluorhaltig

ist,

keine

Leute mit Silikon-Körpergewebe arbeiten lassen.«

»Niemand

dürfte

man

auf

diesem

Planeten

arbeiten

lassen!«

rief

Hideyoshi

O'Leary.

»Ich

war

nach

meinem

Eintritt

in

die

Dienste

der

Company

zwei

Jahre

lang

dort.«

»Ich

auch«,

fügte

Blount

hinzu.

»Und

das

ist

ein

Jahr

länger,

als

ein

Ulleraner

überhaupt

auf

Niflheim

arbei-

ten

darf.

Sie

wissen

doch,

wie

es

zur

jetzigen

Situation

kam?

Die

Terranische

Föderation

entdeckte

sowohl

Ul-

ler

als

auch

Niflheim.

Die

Company

wurde

ursprüng-

lich

nur

mit

dem

Zweck

der

Ausbeutung

Uller

ge-

gründet,

aber

die

Föderation

bestand

darauf,

daß

beide

Planeten

von

der

gleichen

Gesellschaft

erschlossen

werden

müßten.

Auf

Niflheim

sollten

vor

allem

die

dortigen

Uranvorkommen

ausgebeutet

werden. Wie

sich dann herausstellte, verdient die Company an
Niflheim ebenso viel wie an Uller.«

»Und

eines

vergessen

Sie

vielleicht«,

sagte

von

Schlichten.

»Auf

Niflheim

gibt

es

etwa

tausend

Terra-

ner

und

nicht

mehr

als

fünfhundert

Geeks,

die

alle

auf

background image

dem

Planeten

selbst

bei

Bauarbeiten

und

in

den

Minen

beschäftigt

sind

und

direkt

unter

terranischer

Aufsicht

arbeiten.

Wir

verwenden

sie,

weil

sie

vier

Hände

ha-

ben.

In

den

komplizierten

Kontra-Gravitationsmaschi-

nen,

die

dort

nötig

sind,

können

sie

mehr

Hebel

auf

einmal

bedienen

als

wir.

In

den

Polarminen

auf

Uller

arbeiten

etwa

zehntausend

Geeks

unter

fünfhundert

Terranern,

und

die

meisten

von

diesen

sind

Ingenieure

oder

Techniker,

die

keine

Aufsichtsfunktion

haben.

Also

müssen

wir

einheimische

Vorarbeiter

verwen-

den,

und

die

sind

es,

die

die

Arbeiter

dann

mißhan-

deln.«

»Und denken Sie auch daran«, fügte O'Leary hin-

zu, »in den Polarminen kann nur etwa zwei Monate
im Jahr gearbeitet werden – Mitte September bis Mit-
te November in der Arktis, und Mitte März bis Mitte
Mai in der Antarktis. Da ist man natürlich in Eile und
unter Druck.«

»Warum sind die Minen ausgerechnet an den Po-

len? Gibt es nicht auch Abbaumöglichkeiten an Stel-
len, wo man das ganze Jahr arbeiten kann?«

»Keine,

die

ebenso

ergiebig

oder

gleichermaßen

leicht

zugänglich

wären«,

sagte

Blount.

»Sie

kennen

die

meteorologischen

Verhältnisse

an

den

Polen

dieses

Planeten.

Die

Temperatur

schwankt

zwischen

etwa

einhundertzwanzig

Grad

im

Sommer

und

minus

sieb-

zig

Grad

im

Winter.

Das

bedeutet

die

intensivste

background image

Thermalerosion,

die

Sie

sich

vorstellen

können

im

Frühling

schmilzt

die

Eiskappe,

und

bis

Sommermitte

ist

das

Wasser

völlig

verdunstet.

Dann

gibt

es

heftige,

heiße

Wirbelstürme,

die

den

leichten

Sand

wegblasen

und

die

schwereren

Bestandteile

wie

Metalle

und

Me-

tallerze

zurücklassen.

Wenn

die

Stürme

dann

aufhö-

ren,

kommen

wir.

Eigentlich

ist

es

gar

kein

richtiger

Bergbau.

Wir

kratzen

nur

das

Erz

von

der

Oberfläche

und

bringen

es

nach

Skilk,

Krink

und

Grank,

wo

es

im

Winter

verarbeitet

wird.

Die

Hochöfen

werden

von

Einheimischen

betrieben;

mit

der

entstehenden

Hitze

tauen

sie

die

Gefriernahrung

für

sich

und

ihre

Tiere

auf.«

»Ja? Wenn Sie glauben, daß sich die Einheimischen

in den Minen schlecht behandelt fühlen, dann fordern
Sie einmal die Schließung dieser Minen. Die Reaktion
der Einheimischen werden Sie ja sehen«, sagte von
Schlichten. »Freie einheimische Arbeiter sind nach
hiesigen Maßstäben in ein paar Jahren reich; viele von
den Sklaven verdienen genügend Prämien, um sich
bereits nach einem Jahr freikaufen zu können.«

»Wenn die Company tatsächlich so viel Gutes auf

diesem Planeten tut, woher kommt es dann, daß die-
ser Rakkeed, den sie den ›Verrückten Propheten‹
nennen, so viele Anhänger findet?« fragte Paula. »Da
kann doch wirklich nicht alles in Ordnung sein.«

»Eine

berechtigte

Frage«,

antwortete

Blount

und

background image

leerte

den

Rest

des

Cocktails

in

sein

Glas.

»Bei

unserer

Ankunft

auf

Uller

trafen

wir

eine

Kultur

an,

die

in

etwa

der

europäischen

Kultur

des

Siebten

Präatomaren

Zeitalters

entsprach.

Wir

leiteten

hier

eine

technische

und

ökonomische

Revolution

ein,

und

solche

Revolu-

tionen

fordern

eben

auch

ihre

Opfer.

Wie

zum

Beispiel

bei

uns

nach

der

Erfindung

des

Automobils

die

Pfer-

dezüchter,

mußten

auch

hier

bestimmte

Klassen

und

Gruppen

darunter

leiden.

Natürlich

laufen

alle,

die

sich

den

veränderten

Bedingungen

nicht

anpassen

konnten,

jetzt

hinter

Rakkeed

her

und

schreien

›znidd

suddabit!‹

Dennoch,

die

Tatsache,

daß

wir

den allge-

meinen Lebensstandard auf diesem Planeten um et-
wa zweihundert Prozent angehoben haben, kann
nicht einmal Rakkeed bestreiten.«

»Rakkeed ist ein Zirk«, sagte von Schlichten. »Die

Zirks waren entweder selbst Packtiertreiber oder sie
verlegten sich darauf, Karawanen zu überfallen und
zu berauben. Seit unsere Luftfrachter das Transport-
geschäft übernommen haben, zahlt sich beides nicht
mehr aus. Deswegen hassen uns die Zirks. Das einzi-
ge, was sie können oder zu lernen gewillt sind, ist,
mit diesen sechsbeinigen Packtieren, die wir Hippo-
saurier nennen, umzugehen. Einige von ihnen be-
schäftigen wir in der Kavallerie, ein paar andere als
eine Art Gauchos. Der Rest sitzt bloß noch herum
und hört Rakkeeds Tiraden zu.«

background image

Beide Cocktailkrüge waren jetzt leer. Colonel O'-

Leary als der Rangniedrigere stand auf, um Nach-
schub zu holen.

»Die Kaufleute im Norden mögen uns auch nicht.

Außer dem Karawanenhandel haben wir ihnen auch
ihr lokales Geschäft verdorben, weil die Grundbesit-
zer früher mit ihnen Geschäfte machten, jetzt aber di-
rekt mit uns. In Skilk fürchtet König Firkked, daß ihm
der Adel seine Macht beschneiden will. Deshalb ver-
sucht er, sich bei den städtischen Händlern anzubie-
dern, wodurch er ebenso pro-Rakkeed und anti-
terranisch ist wie sie. In Krink hat König Jonkvank
zwar die Unterstützung seiner Barone, fürchtet sich
aber vor seiner Stadt-Bourgeoisie; wir hingegen lei-
sten ihm finanzielle Hilfe. Also ist er pro-terranisch
und anti-Rakkeed. In Skilk läuft Rakkeed unbehelligt
herum; in Krink ist auf seinen Kopf ein Preis ausge-
setzt.«

»Jonkvank ist nicht gerade ein Ausstellungsstück«,

sagte Hideyoshi O'Leary, der am Tisch stehen geblie-
ben war. »Ein blutrünstiger alter Mörder, dem ich
nicht allein im Dunkeln begegnen möchte.«

»Wir können ihm den Rücken zuwenden, ohne

Angst haben zu müssen, ein Messer zwischen die
Rippen zu kriegen«, sagte von Schlichten. »Und im-
merhin kann man bis zu, na, achtzig Prozent von
dem, was er sagt, glauben. Und das heißt: Sechzig

background image

Prozent mehr als jedem anderen Eingeborenen-
Fürsten – bis auf König Kankad natürlich. Die Kraga-
ner sind die einzigen wirklichen Freunde, die wir auf
diesem Planeten haben.« Er überlegte einen Augen-
blick. »Miss Quinton, neben der Arbeit für Ihre Ge-
sellschaft betreiben Sie doch auch soziographische
Forschungen, nicht wahr?« sagte er. »Ich gebe Ihnen
einen Rat: Beschäftigen Sie sich einmal mit den Kra-
ganern. Ausführlich behandelt sind sie bisher eigent-
lich nur in einer Anhäufung von Fehlinformationen,
Willard Stanley-Brownes Kurze soziographische Ge-
schichte von Beta Hydrae II.
Neunzig Prozent von dem,
was Stanley-Browne da schreibt, ist absolut falsch.«

»Aber sie sind doch nur eine Parasitenrasse der

Terraner«, wandte Dr. Paula Quinton ein. »Solche
Rassen findet man überall in der erforschten Galaxie
– mitleiderregende kulturelle Bastarde.«

Die beiden Männer lachten. Colonel O'Leary, der

mit den Getränken zurückkam, wollte wissen, was er
versäumt hatte. Blount erzählte es ihm.

»Ha! Sie hat diese Schwarte von Stanley-Browne

gelesen«, sagte er.

»Was ist denn mit Stanley-Browne?« fragte Paula.
»Stanley-Browne ist ein Autor, auf den man sich

verlassen kann«, versicherte ihr O'Leary. »Was Sie in
Stanley-Browne lesen, ist garantiert falsch. Allzu viele
Kraganer kennen Sie ja wohl noch nicht. Wir sollten

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Sie mit hinübernehmen und König Kankad vorstel-
len.«

»Bei Allah, das sollten wir!« rief von Schlichten,

recht angetan von dieser Idee. »Also, Sie fahren doch
nächste Woche nach Skilk. Glauben Sie, daß Sie Ihre
Arbeiten hier so abschließen könnten, daß Sie am
Dienstag 0800 Uhr startbereit sind? Das ist in vier Ta-
gen.«

»Sicher. Warum?«
»Nun, ich selbst fahre mit dem gepanzerten Trans-

porter Aldebaran dort hin. In König Kankads Stadt
machen wir einen Zwischenaufenthalt, um ein Batail-
lon Kraganer mitzunehmen, die in den Polarminen
arbeiten sollen, wo auch Sie hinwollen. Wir könnten
von hier aus in meinem Kommandofahrzeug abflie-
gen und in Kankads Stadt warten, bis die Aldebaran
kommt. Wir hätten dann etwa zwei bis drei Stunden
zu unserer Verfügung. Wenn Sie glauben, daß die
Kraganer ›mitleiderregende kulturelle Bastarde‹ sind,
könnte Ihnen das die Augen öffnen. Lassen Sie mich
noch sagen, daß Stanley-Browne den Ort nur einmal
gesehen hat, und zwar aus fünf Kilometer Höhe.«

»Nun, sie leben doch einzig und allein davon, daß

sie sich als Söldner bei der Uller-Company verdingen,
nicht wahr?«

»Mehr oder weniger. Sehen Sie, als wir nach Uller

kamen, waren sie barbarische Banditen. Sie hatten an

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den Karawanenstraßen und Bergpässen Forts errich-
tet und verlangten Zölle. Auch Raubzüge in das Ter-
ritorium von Konkrook und Keegard unternahmen
sie. Dem mußten wir ein Ende machen. Es kam zu ei-
nem kleinen Krieg. In ein paar Gefechten wurden sie
ziemlich schwer geschlagen, und dann machten wir
einen Pakt mit ihnen. Das war vor meiner Zeit, als
Jerry Kirke noch Generalgouverneur war. Er schloß
einen Vertrag mit ihrem König, kaufte ihre Forts, ent-
schädigte sie für entgangene Beute und nicht erhobe-
ne Zölle und erklärte sich bereit, die Stammesangehö-
rigen als Soldaten zu beschäftigen. Wir haben ihnen
viel beigebracht. Aber das werden Sie bei Ihrem Be-
such sehen. Sie sind keine Kulturbastarde. Sie werden
Ihnen gefallen.«

»Also gut, General. Ich bin einverstanden«, sagte

sie. »Aber ich warne Sie. Falls das ein Versuch sein
sollte, mich auf die Doktrin der Uller-Company ein-
zuschwören und die ungerechte Ausbeutung der
Eingeborenen hier zu verschleiern: da werden Sie bei
mir kein Glück haben.«

»Wichtig ist nur, daß Sie nicht aus einer übertrie-

benen Abwehrhaltung heraus die Augen vor dem
Guten verschließen, was wir hier tun. Nehmen Sie ei-
nen streng neutralen, wissenschaftlichen Standpunkt
ein, dann bin ich zufrieden.«

Zwei Stunden und fünf Cocktails später saßen sie

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immer noch beisammen und hatten Paula Quinton an
die zwanzig Verse von Die Geeks, die losen, sie tragen
keine Hosen
beigebracht, darunter auch die vier druck-
fähigen.

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5

Es stimmt nicht, darauf ist Verlaß


Unter ihnen wurde Gongok Island kleiner und klei-
ner. Von Schlichten gab Paula Quinton Feuer und
steckte sich dann selbst eine Zigarette an.

»Ich war ja neulich ziemlich entsetzt über die Art,

wie Sie, Colonel O'Leary und Mr. Blount über Stan-
ley-Browne herzogen«, sagte sie. »Sein Buch ist prak-
tisch die Soziographenbibel für diesen Planeten. In-
zwischen habe ich mich umgehört: Niemand, der eine
gewisse Zeit hier war, scheint etwas davon zu halten.
Wenn ich nach Terra zurückkehre, werde ich entwe-
der berühmt, oder die Extraterrestische Soziographi-
sche Gesellschaft verbrennt mich auf dem Scheiter-
haufen. In den letzten drei Monaten habe ich mich
vielleicht ein wenig zu ausschließlich mit den Rech-
ten von Nicht-Terranern beschäftigt, um noch viel
Forschung betreiben zu können. Aber langsam habe
ich tatsächlich den Eindruck, daß vieles in Stanley-
Brownes Buch der Richtigstellung bedarf.«

»Wie kamen Sie überhaupt dazu, Miss Quinton?«

fragte er.

»Sie meinen zur Soziographie oder zu den Rechten

von Nicht-Terranern? Nun, mein Vater und mein

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Großvater waren beide extraterrestische Sozio-
graphen-Anthropologen, deren Objekte nicht anthro-
pomorph sind – und ich habe ein Soziographie-
Diplom der Universität von Montevideo. Außerdem
habe ich für extraterrestrische Rassen immer Interesse
und Sympathie empfunden; eine meiner Urgroßmüt-
ter war Freyanerin.«

»Tatsächlich? Darauf wäre ich nie gekommen – so

klein und dunkel, wie Sie sind.«

»Eine andere Urgroßmutter war Japanerin«, ant-

wortete sie. »Mein Familienname ist französisch. Ich
habe auch spanisches, russisches und italienisches
und englisches Blut in mir ... Die gewöhnliche mo-
derne argentinische Mixtur.«

»Ich bin auch ein Argentino. Aus La Rioja am Fuße

der Sierra de Velasco. Meine Familie lebt seit fünf
Jahrhunderten dort. Sie kam im Jahr Drei der Atom-
ära nach Argentinien.«

»Wegen der Sache mit Hitler?«
»Ja. Der erste, auch ein General von Schlichten,

war, glaube ich, das, was man damals einen Kriegs-
verbrecher nannte.«

»Dann sind wir ja direkt Komplizen«, lachte sie.

»Die Quintons mußten Frankreich etwa um dieselbe
Zeit verlassen; sie waren das, was man Kollaborateu-
re nannte.«

»Vielleicht ist das der Grund, warum sich die Süd-

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liche Hemisphäre aus dem dritten und vierten Welt-
krieg heraushalten konnte«, meinte er. »Es gab dort
zuviele Abkömmlinge von Leuten, die sich im Zwei-
ten Weltkrieg die Finger verbrannt hatten.«

»Sprechen Sie kraganisch, General?« fragte sie.

»Soviel ich weiß, unterscheidet es sich sehr von den
anderen äquatorialen Uller-Sprachen.«

»Ja. Und dadurch bekommen die Kraganer eine

völlig andere semantische Orientierung. Zum Beispiel
gibt es in ihren Sätzen keine Subjekt-Objekt-Struktur.
Deswegen sind sie völlig areligiös, auch wenn Stan-
ley-Browne das Gegenteil behauptet. Kausalzusam-
menhänge sind ihrem Denken fremd, und sie unter-
scheiden nicht zwischen verschiedenen Wortarten;
jedes Wort kann in jeder Funktion verwendet wer-
den, je nach Zusammenhang. Zeiten werden in sub-
stantivisch verwendeten Wörtern ausgedrückt, nicht
in Wörtern mit Verbalfunktion. Sie haben vier Zeiten.
Raum-Zeit-Gegenwart, das Hier und Jetzt. Raum-
Gegenwart und Zeit-Entfernung, womit etwas be-
zeichnet wird, was es früher hier gab. Raum-
Entfernung und Zeit-Gegenwart für Dinge, die jetzt
irgendwo anders existieren. Und Raum-Zeit-
Entfernung für etwas, was es zu einem anderen Zeit-
punkt anderswo gab.«

»Man muß sich ja wirklich wundem, daß sie keine

Relativitätstheorie entwickelt haben!«

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»Das haben sie. Sie verhält sich zur unseren etwa

wie das Flugzeug der Gebrüder Wright zu diesem
Aircar. Aber ich habe König Kankad einmal die Kee-
ne-Gonzales-Dillingham-Theorie und die ältere Ein-
stein-Theorie erklärt, und es war faszinierend, zu
beobachten, wie schnell er das auffaßte. Häufig war
er mir sogar im Gedankengang voraus.«

Der Aircar war jetzt über dem Kraggork-Sumpf

und verlor an Geschwindigkeit und Höhe. Die
Baumkronen bildeten eine gelbgrüne Fläche, aus der
da und dort Wasser oder ein Pfahldorf hervorlugten.

»Da leben die Sumpfwilden«, erklärte er ihr. »Das

meiste, was Stanley-Browne darüber schreibt, stimmt
einigermaßen. Er hatte auch längere Zeit bei ihnen
verbracht. Allerdings scheint ihm nicht aufgegangen
zu sein, daß sie sich immer noch in dem Zustand des
ersten intelligenten Lebens auf diesem Planeten be-
finden.«

»Sie meinen, sie sind die wirklichen Ureinwohner

von Uller?«

»Sie und die Jeel-Kannibalen, die wir mit allen Mit-

teln auszurotten versuchen«, antwortete er. »Sehen
Sie diesen graubraunen Punkt auf der landeinwärts
gelegenen Seite des Sumpfes?« Er zog ein Fernrohr
auf einem Schwenkarm herüber, so daß sie durch-
schauen konnte. »Das ist König Kankards Stadt. Sie
steht schon viertausend Jahre und ist immer Kan-

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kards Stadt gewesen. Es war sogar immer derselbe
Kankard, könnte man sagen. Die Kraganer-Könige
produzieren ihre eigenen Erben durch Selbstbefruch-
tung. Es ist ein komplizierter Prozeß; das Produkt ist
ein genaues Duplikat des Erzeugers. ›Der jetzige
Kankard nennt seinen Erben‹ – ein ziemlich treffen-
der Ausdruck, wie ich finde.«

Er wußte, was sie jetzt durch das Glas sah – ein in

den Sumpf vorspringendes Felsmassiv mit einer Stadt
darauf.

Sie drehte das Fernrohr ein wenig. »Was ist denn

das, auf der kleinen Insel dort drüben?« fragte sie.
»Eine Gruppe von Flachbauten mit der rot-gelben Ge-
fahrenflagge.«

»Das ist Dynamite Island; die Kraganer haben dort

eine Sprengstoff-Fabrik. Sie stellen Nitroglycerin her,
außerdem TNT und feste Treibstoffe. Das haben sie
natürlich von uns gelernt. Auch ihre eigenen Feuer-
waffen produzieren sie, und einige davon sind ziem-
lich extrem – bis zu 25 Millimeter Kaliber bei Geweh-
ren. Schießen Sie nie mit einem; das bricht Ihnen je-
den Knochen im Leib.«

»Sind sie viel stärker als wir?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur klobiger, schwerer.

Im Gewichtheben sind sie etwa so gut wie wir, im
Laufen und Springen jedoch unterlegen. Wir veran-
stalten öfters Spiele mit den Kraganern, hier, wo die

background image

Geeks uns nicht beobachten können. Übrigens –, daß
das ein Schimpfname ist, damit haben Sie recht; einen
Kraganer habe ich, glaube ich, noch nie einen Geek
genannt. In der Tat haben sie das Wort von uns über-
nommen und verwenden es für alle Nicht-Kraganer.
Nun, wie ich schon sagte, unser Baseball-Team muß
ihnen etwas vorgeben, aber ihr Football-Team schießt
uns durch Sonne und Mond. Beim Tauziehen brau-
chen wir zwei Männer für jeden von ihnen. Tennis
wiederum versuchen sie gar nicht erst mit uns zu
spielen.«

»Und die anderen Eingeborenen fertigen keine

Feuerwaffen an?«

»Nein, und wir werden es ihnen auch nicht bei-

bringen. Die Seevölker hier in der Äquatorzone sind
auf ihre Weise ganz gute empirische Chemiker. Oder
besser: Alchimisten. Sie haben entdeckt, wie man Ni-
troglycerin macht, und benützen es für Sprengungen,
Bomben und Minen, oder sie schrauben kleine Kap-
seln auf die Spitzen ihrer Pfeile. Der größte Teil ihrer
Chemie ist ein Nebenprodukt ihrer Versuche, organi-
sches Material wie Holz vor der Versteinerung zu
bewahren. Droben im Norden, wo es sehr kalt wird,
haben sie sich aus der Notwendigkeit heraus, den
ganzen Winter hindurch Feuer zum Auftauen ihrer
Nahrung erhalten müssen, eine Menge Kenntnisse
über Metallurgie, Keramik und Pneumatik angeeig-

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net. Sie bauen auch Luftgewehre, mit denen sie me-
tallene Pfeile verschießen.«

Der Aircar kreiste langsam über der Stadt auf dem

hohen Felsen und ließ sich dann auf dem Dach eines
burgähnlichen, mit einem Wachtturm versehenen
Gebäudes nieder. Etwa ein Dutzend Gestalten erwar-
teten sie, darunter die fünf Terraner – drei Männer
und zwei Frauen, welche die auf dem Turm befindli-
che Sendestation bedienten. Einer der Kraganer – er
war nur mit einem schweren Dolche bewaffnet – kam
herüber und schlug von Schlichten grinsend auf die
Schulter.

»Willkommen!« quäkte er auf Kraganisch, um

dann, als er Paula sah, in die im Takkad-Seeland übli-
che Sprache überzuwechseln. »Ich bin beglückt, Sie
zu sehen. Wie lange werden Sie bleiben?«

»Bis die Aldebaran von Konkrook kommt, um die

Soldaten an Bord zu nehmen«, antwortete von
Schlichten in Lingua Terrae. Er sah auf die Uhr.
»Zweieinhalb Stunden. Kankad, das ist Paula Quin-
ton; Paula, König Kankad.«

Er holte seinen Geek-Enunciator heraus und steckte

ihn sich in den Mund. Es geschah ohne die symboli-
sche Zuhilfenahme eines Taschentuches, was für jede
andere Rasse auf Uller schockierend gewesen wäre.
Kankad nahm es ungerührt hin. Von Schlichten er-
klärte ausführlich Paulas soziographische Arbeit, ihre

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Zugehörigkeit zur Gesellschaft für den Schutz der
Rechte von Nicht-Terranern und ihre Absicht, die
arktischen Minen zu besuchen. Kankad nickte.

»Sie hatten recht«, sagte er. »In Ihrer Sprache hätte

ich das nicht alles verstanden. Beim Lesen vielleicht,
aber nicht beim Hören.« Er legte Paula seine obere
rechte Hand auf die Schulter und quäkte etwas, was
ungefähr wie ihr Name klang. »Sie sollen eine von
den Unseren werden«, sagte er. »Sie müssen wieder-
kommen, wenn die Arbeit in den Minen endet. Wenn
Sie das Verlangen haben, etwas über mein Volk zu er-
fahren, dann zeige ich Ihnen, was Sie sehen wollen,
und sage Ihnen, was Sie wissen möchten. Aber war-
um bleiben Sie dann nicht gleich hier? Was kümmern
Sie diese Geeks in den Minen? Die Company behan-
delt sie viel besser, als sie es verdienen. Bleiben Sie
hier bei uns; Sie werden es nicht bereuen.«

»Ich danke Kankad«, antwortete Paula langsam,

»aber ich muß weiter. Diejenigen, die mich von Terra
hierher gesandt haben, erwarten, daß ich mir selbst
ein Bild mache, wie die Arbeiter in den Minen be-
handelt werden. Aber ich komme zurück; in einhun-
dert, vielleicht einhundertfünfzig Tagen.«

Kankad bleckte grinsend seine buntschillernden

Zähne. »Gut! Wir erwarten Sie.« Er winkte einen an-
deren Kraganer herbei. »Kormork, du wirst Paula
Quinton beschützen.« Beim zweiten Mal klang der

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Name bereits verständlicher. »Bring sie sicher zurück.
Andernfalls tätest du wohl daran, dir ein gutes Ver-
steck zu suchen.«

Zu von Schlichten gewandt fuhr er fort: »Bis das

Schiff kommt, haben wir noch reichlich Zeit, Paula
die Stadt zu zeigen. Was sie dort sehen möchte, wis-
sen Sie aber wahrscheinlich besser als ich.«

Sie kletterten in ein offenes Schützenfahrzeug und

schnallten sich an, und zwei Stunden lang zeigte ihr
König Kankad die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Sie
besuchten die Schule, wo junge Kraganer in Lingua
Terrae unterrichtet wurden und in Johannesburg,
Sidney und Buenos Aires gedruckte Bücher lasen.
Kankad zeigte ihr die Reparaturwerkstätten, wo
mehrere Dutzend Abkömmlinge von kraganischen
Häuptlingen unter der Aufsicht von zwei Terranern
an Kontragravitations-Ausrüstung arbeiteten; die
Waffenfabrik, das Maschinenwerk, physikalische und
chemische Laboratorien, das Hospital, die Munitions-
fabrik, die 155-mm-Batterie, die den Zugang zur
Stadt schützte; die Druckerei und die Buchbinderei;
das Observatorium und das Kernkraftwerk.

Eine halbe Stunde vor Ankunft des Schiffes von

Konkrook waren sie wieder auf dem Flughafen, wo
ein Trupp von Kraganern seine letzten Vorbereitun-
gen für die Landung der Aldebaran traf. Irgendwoher
zauberte Kankad zwei Flaschen kühlen Kapstädter

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Bieres für Paula und von Schlichten. Sich selbst ließ er
einen Krug mit kochend heißer, schwarzer Flüssigkeit
bringen. Von Schlichten und Paula steckten sich Ziga-
retten an. Von Zeit zu Zeit an seinem Höllengebräu
nippend, kaute Kankad am Stiel irgendeiner Sumpf-
pflanze. Paula schien über Kankads Mißachtung des
Eßtabus nicht weniger überrascht zu sein als über
von Schlichtens Nichtbeachtung der Verheimli-
chungsgebärde, als er seinen Geek-Enunciator einge-
setzt hatte.

»Hier ist der einzige Ort auf Uller, wo es so etwas

gibt«, erklärte ihr von Schlichten. »Hier oder im Fel-
de, wenn terranische und kraganische Soldaten zu-
sammen sind. Zwischen uns und den Kraganern gibt
es keine Tabus.«

»Nein«, sagte Kankad. »Keiner von uns kann die

Nahrung des anderen essen, und weil unsere Körper
verschieden sind, ist gemeinsame Elternschaft unter
uns nicht möglich. Aber wir sind Kampfgefährten
gewesen und haben mitsammen gearbeitet. Und wir
haben voneinander gelernt – mein Volk mehr von Ih-
rem als Ihr Volk von meinem. Bevor Sie kamen, wa-
ren meine Leute wie Kinder. Sie schossen mit Pfeilen
auf die kleinen Tiere am Strand, kletterten auf Teu-
felkommraus in den Felsen herum und spielten mit
Spielzeugwaffen Krieg. Aber wir werden erwachse-
ner. Lange wird es nicht mehr dauern, dann stehen

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wir neben Ihnen, wie der erwachsene Sohn neben
seinem Erzeuger steht. Und wenn dieser Tag kommt,
werden Sie sich unserer nicht schämen.« Daß Kankad
vier Arme, eine gummiartige, quarzfleckige Haut
und einen Eidechsenkopf hatte, bemerkten sie jetzt
kaum mehr.

»Mein Wunsch war schon immer, daß Leute von

hier zum Studium auf Terra kommen«, sagte von
Schlichten. »Erst vor kurzem habe ich mit Sid Har-
rington darüber gesprochen. Er glaubt, es wäre so-
wohl für Sie als auch für uns von Nutzen.«

»Ja. Ich möchte, daß ›Kleines Ich‹, wenn er alt ge-

nug ist, Ihre Welt besucht«, sagte Kankad. »Und auch
noch ein paar andere. Und wenn ›Kleines Ich‹ alt ge-
nug ist, meine Nachfolge anzutreten, würde ich mich
gerne selbst auf Terra begeben.«

»Irgendwann werde ich nach Terra zurückkehren;

es würde mich freuen, wenn Sie dann mit mir kom-
men könnten«, sagte von Schlichten.

»Das wäre zu schön!« rief Kankad. »So gerne

möchte ich Ihre Welt sehen, ehe ich sterbe. Sie muß
wunderbar sein. Eine Welt ist das, was man daraus
macht, und Ihr Volk muß imstande sein, alles aus Ih-
rer Welt zu machen, was es nur will.«

»Viel hätte nicht gefehlt, und wir hätten aus unse-

rer Welt einmal eine Wüste wie die an den Polen von
Uller gemacht«, erwiderte von Schlichten. »Vor vier-

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hundert und mehr Jahren gab es bei uns große Kriege
mit Waffen, an die, wie ich hoffe, auf Uller nie je-
mand auch nur denken wird. Unsere gesamte nördli-
che Hemisphäre, auf der sich unsere bedeutendsten
Nationen befanden, wurde verwüstet. In weite Gebie-
te ist das Leben bis heute noch nicht zurückgekehrt.
Aber wir haben diesem Irrsinn noch rechtzeitig ein
Ende gemacht. Wir vereinten alle unsere Völker zu
einer Nation und schworen, niemals mehr solche
Verbrechen zu begehen. Und dann bauten wir Schif-
fe, mit denen wir zu den Sternen flogen. Sie sollten
wirklich unsere Welt sehen und ein paar von den an-
deren, die wir aufgesucht haben. Sie würden Ihnen
gefallen.«

»Davon bin ich überzeugt. Und mit Ihnen als Füh-

rer ...« Einen Augenblick lang verstummte Kankad.
Dann wechselte er plötzlich das Thema.

»Ich hoffe, Paula nimmt mir das nicht übel. Aber ist

Paula nicht von derjenigen Terranerart, die Junge ge-
biert?«

»So ist es, Kankad. Ich habe zwar nie Junge gebo-

ren, aber ich gehöre in der Tat dieser Terraner-Art
an.«

»Paula gefällt mir«, sagte Kankad. »Sie ist bis von

Terra zu uns gekommen, um uns zu helfen und sich
über uns zu informieren. Natürlich brauchen die
Kraganer diese Art Hilfe nicht, und die Geeks, die Sie

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bei der geringsten Unaufmerksamkeit hinterrücks
niederstechen würden, verdienen sie nicht. Aber sie
will Näheres über uns erfahren, so wie ich Näheres
über Terra erfahren will. Von Schlichten, warum ha-
ben Sie und Paula nicht Junge mitsammen?« fragte er.
»Das wäre doch gut. Dann könnten unsere Jungen
Freunde sein, wenn wir alle drei schon lange tot
sind.«

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6

Nach dem Kaffee kam die schlimme Nachricht


Silberzeug

und

Teller

klapperten.

Die

einheimischen

Kellner

räumten

ab.

Dann

hörte

man

nur

noch

leises

Klirren

von

Tassen

und

Untertassen

und

gelegentliches

Klicken

von

Feu-

erzeugen.

Am

Kopftisch

schien

es am lautesten herzu-

gehen.

»...

gefällt

mir

überhaupt

nicht«,

sagte

Brigadier-

General

Barney

Modkovitz,

der

Kommandierende

Of-

fizier

in

Skilk,

zu

seiner

Tischnachbarin.

»Sie

sind

ein-

fach

zu

brav.

Heutzutage

ruft

einem

niemand

mehr

›znidd

suddabit!‹

nach.

Keiner

schneidet

Grimassen

oder

steckt

sich

alle

vier

Daumen

in

den

Mund

und

pfeift

hinter

einem

her.

Sie

schauen

einem

nur

an

wie

der Farmer eine Woche vor Weihnachten den Trut-
hahn, und das gefällt mir nun einfach nicht!«

»Ach

was!«

rief

Jules

Keaveney,

der

Chef

der

Terra-

nischen

Niederlassung

in

Skilk,

am

Kopfende

der

Ta-

fel.

»Ihr

Soldaten

seid

alle

gleich

entschuldigen

Sie,

General

von

Schlichten«,

fügte

er

mit

einem

Kopfnik-

ken

in

Richtung

des

Ehrengastes

hinzu.

»Wenn

sie

kei-

nen

Kratzfuß

vor

euch

machen

und

sich

an

die

Wand

drücken,

um

euch

vorbeizulassen,

dann

sagt ihr, sie

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seien unverschämt. Wenn sie es tun, dann behauptet
ihr, sie planten eine Verschwörung.«

»Was

ich

sagen

möchte«,

wiederholte

Modkovitz,

»ist

dies:

Ich

erwarte

ein

bestimmtes

Maß

an

Unord-

nung

und

ein

gewisses

Minimum

an

offener

Feindse-

ligkeit

von

seiten

dieser

Geeks,

die

unpopulär

wie

wir

bei

ihnen

sind

logischerweise

vorhanden

sein

muß.

Finde ich beides nicht, dann werde ich stutzig und
will wissen, warum.«

»Beinahe

möchte

ich

Ihnen

zustimmen«,

kam

von

Schlichten

seinem

Untergebenen

zu

Hilfe.

»Dieses

plötzliche

Ausbleiben

jeglicher

Feindseligkeit

ist

in

der

Tat

ein

wenig

beunruhigend.

Colonel

Cheng-Li«,

sprach

er

den

örtlichen

Geheimdienst-

und

Polizeichef

an.

»Vor

etwa

einem

Monat

war

dieser

Rakkeed

hier.

Gab

es

da

irgendwelche

nennenswerte

Unruhen? An-

titerranische Demonstrationen etwa, oder Übergriffe
auf Angehörige oder Eigentum der Company?«

»Nicht mehr als sonst, General. Eigentlich fing das,

wovon General Modkovitz eben sprach, gerade zu
diesem Zeitpunkt an. Nur ein paar von Rakkeeds
Schülern versuchten, zersetzend auf die Moral von
Angehörigen des Fünften Zirk-Kavallerie-Regiments
einzuwirken.«

»Leutnant-Governor Blount meldet aus Keegark

das gleiche unnatürliche Fehlen jeder Feindseligkeit.«

»Aber natürlich, General«, sagte Keaveney ein we-

background image

nig gönnerhaft. »In Keegark hat König Orgzild alles
bestens unter Kontrolle. Er läßt einfach nicht zu, daß
ein paar Fanatiker seinem Raumhafenprojekt Scha-
den zufügen.«

»Ich

frage

mich

wirklich,

was

da

dahintersteckt.

Vielleicht

möchte

er

uns

alle

in

Keegark

zusammenho-

len,

um

uns

dann

mit

einem

einzigen

Überraschungs-

schlag

vernichten

zu

können«,

meinte

jemand am un-

teren Ende des Tisches.

»Orgzild wäre nicht so verrückt, etwas Derartiges

zu versuchen«, erklärte Commander Dirk Prinsloo
von der Aldebaran. »Für ihn ginge das nur zwölf Mo-
nate lang gut. So lange würde es dauern, bis man auf
Terra die Nachricht hat und die Föderation ein
Kommando hierher entsendet. Und dann würden die
Geeks in kleinen, radioaktiven Fetzen in diesem Sy-
stem herumfliegen bis hinaus zu Beta Hydrae VII.«

»Völlig richtig«, stimmte von Schlichten zu. »Die

Frage ist nur: Weiß Orgzild das auch? Ich bezweifle,
ob er überhaupt an die Existenz von Terra glaubt.«

»Und woher sollen wir dann gekommen sein?«

fragte Keaveney.

»Möglicherweise nimmt er an, daß Niflheim unsere

Heimatwelt ist«, antwortete von Schlichten. »Oder
besser gesagt, die künstlichen Satelliten um Niflheim
herum. Wo er Niflheim vermutet, wäre allerdings
wieder eine ganz andere Frage.«

background image

»Nun, ein Schiff braucht hin und zurück etwa sechs

Monate«, meinte Prinsloo. »Wegen des Hyperdrive-
Effekts beträgt die erlebte Fahrzeit im Schiff etwa drei
Wochen. Wenn er davon ausgeht, würde er die Ent-
fernung mit etwa vierhunderttausend Kilometern an-
setzen – unter Zugrundelegung der Geschwindigkeit
unserer Kontragravitationsschiffe hier auf Uller.
Wahrscheinlich weiß er nicht mal, daß es Hyperdrive
gibt.«

»Ja. Und nachdem er uns vernichtet hat, könnte er

sogar mit der Idee spielen, mit erbeuteten Kontragra-
vitationsschiffen eine Invasion Niflheims zu unter-
nehmen«, mokierte sich Hideyoshi O'Leary. »Das wä-
re der größte Witz – falls jemand von uns noch da
wäre, der darüber lachen könnte.«

»Sie

glauben

nicht

an

so

etwas,

General,

nicht

wahr?«

fragte

Keaveney.

Sein

Ton

war

immer

noch

leicht

spöttisch,

verriet

aber

eine

gewisse

Unsicherheit.

Immerhin war von Schlichten nunmehr seit fünfzehn
Jahren auf Uller; er hingegen nur zwei.

»Die Psychologie der Geeks ist einfach ein Buch

mit sieben Siegeln; je länger ich hier bin, desto weni-
ger verstehe ich sie.« Von Schlichten leerte sein Glas.
»Aber ich kann mir vorstellen, was ihm seine Spione,
die als Arbeiter ein Jahr auf Niflheim verbracht ha-
ben, für Berichte von dort zurückbringen.«

»Sie wissen sicher, was Rakkeed verbreitet«, schal-

background image

tete sich Colonel Cheng-Li ein. »Es läuft darauf hin-
aus, daß wir von Niflheim kommen und daß unsere
Farmen und Pflanzungen hier der Beginn eines Ver-
suchs sind, alles eingeborene Leben von diesem Pla-
neten zu vertreiben und ihn selbst in Besitz zu neh-
men.«

»Aber so etwas hat sich dieser Wilde sicher nicht

selbst ausgedacht; er muß es von jemand wie Orgzild
haben«, meinte der bärtige Brigadier-General. »Unse-
re Haupt-Satellitenbasis bei Niflheim versorgt sich
mit ihren hydroponischen Gärten und ihren Tierge-
webskulturen praktisch selbst. Und sie ist groß ge-
nug, für eine kleine Welt gehalten zu werden. Ja; je-
mand wie Orgzild oder König Firkked könnte durch-
aus auf den Gedanken kommen, daß das unser Hei-
matplanet ist.«

»Aber König Kankad sprach doch von ...« begann

Paula Quinton.

»Es geht um Geeks, nicht um Kraganer.« Von

Schlichten gab ihr Feuer. »Sie haben doch das große
Beta-Hydrae-Planetarium in Kankads Observatorium
gesehen. Es hat damit seine eigene Bewandtnis. Wie
Sie wissen, ist den Eingeborenen hier bekannt, daß
Uller eine Kugel ist. Selbstverständlich betrachten sie
Uller als den Mittelpunkt des Universums. Die Sonne
umkreist den Planeten in einer ziemlich komplizier-
ten, doppelspiraligen Bahn. Als Theorie erklärt das

background image

den größten Teil dessen, was sie beobachten können.
Was nicht hineinpaßt, wird einfach ignoriert. In der
Universität von Konkrook gibt es ein uhrwerkbetrie-
benes Modell, das die scheinbare Bewegung von Be-
ta-Hydrae am Himmel darstellt, und zwar ziemlich
genau.

Nun, ein paar von unseren Astronomen konstruier-

ten dieses Planetarium und zeigten es den führenden
einheimischen Gelehrten, die gleichzeitig die Hohen-
priester der hiesigen Religion sind. So etwas wie eine
Kombination aus Akademie der Künste und Wissen-
schaften und Kardinalskollegium. Sie wurden beina-
he massakriert. Sobald die versammelten Gelehrten
das Ding sahen und seine Bedeutung verstanden hat-
ten, begannen sie zu jaulen und zu heulen und zu
schreien und zu kreischen und mit Messern zu fuch-
teln: Das Planetarium war ein Sakrileg und eine Blas-
phemie; es unterminierte den Glauben und stellte die
Logik auf den Kopf.

Ich war damals Brigadier-General in Konkrook –

das, was heute Them M'zangwe ist. Als mir der Auf-
ruhr in der Universität gemeldet wurde, marschierte
ich mit einer Kompanie Kraganer hin, und wir räum-
ten die Halle mit aufgepflanztem Bajonett und trieben
die ehrwürdigen Professoren ins Freie. Die Kraganer
selbst interessierten sich sehr für das Planetarium
und die dahintersteckende Theorie. Ein paar von ih-

background image

nen

müssen

davon

nach

Hause

berichtet

haben,

denn

Kankad

kam

mit

dem

nächsten

Schiff

und

wollte

es

se-

hen.

Er

war

so

begeistert

davon,

daß

Sid

Harrington

es

ihm

zum

Geschenk

machte.

Seither

ist

es

eines

seiner

liebsten

Besitztümer.

Jedenfalls

kann

die

Denkweise

der Kraganer keinesfalls ein Kriterium dafür sein,
was im Kopf von jemand wie Orgzild vorgeht.«

»Wie hat Ihnen Ihr Besuch in Kankads Stadt gefal-

len, Miss Quinton?« fragte Hideyoshi O'Leary. »Hal-
ten Sie die Kraganer immer noch für kulturelle Ba-
starde?«

»Ich

war

ganz

begeistert!

Sie

haben

alles

gelernt,

was

sie

von

uns

lernen

konnten,

und

mit

Hilfe

unserer

Technologie

eine

eigene

Zivilisation

entwickelt.

Ihre

schwere

Artillerie

zum

Beispiel.

Sie

ist

nicht

von

terra-

nischen

Kanonen

kopiert.

Und

dieses

Teleskop

im Ob-

servatorium; haben sie das nicht auch selbst gebaut?«

»Ja; von uns hatten sie nur ein paar Bücher über

Optik und die Technik des Linsenschleifens. Wissen
Sie, die Kraganer hatten erkannt, daß wir keine besse-
ren Kämpfer als wie sie sind, sondern nur bessere
Waffen besitzen. Um die gleichen Waffen zu haben,
mußten sie lernen, wie man sie herstellt. Von techni-
schen Studien kamen sie zur allgemeinen Naturwis-
senschaft. Die Waffenherstellung war nur ein Anfang;
bald war ihnen klar, daß mit denselben Techniken
auch noch vieles andere möglich war. Geben Sie ih-

background image

nen noch ein Jahrhundert, und sie sind eine der gro-
ßen Rassen der Galaxie.«

»Ja, und es ist gut, daß sie unsere Freunde sind«,

fügte Modkovitz hinzu; »schade, daß es nur so weni-
ge von ihnen gibt und so viele Geeks.«

»Ja; die Company sollte hier für alle Fälle nukleare

Waffen bereithalten«, sagte ein anderer Offizier.

»Dagegen hätte ich doch einiges einzuwenden«,

antwortete von Schlichten. »Es ist das gleiche Prinzip,
aufgrund dessen man Gefängniswärtern, die mit den
Gefangenen in direkten Kontakt kommen, keine Waf-
fen gibt. Wenn jemand wie Orgzild in den Besitz ei-
ner Atombombe käme, könnte er sie als Modell be-
nützen und mit dem Plutonium, das wir für Nuklear-
Kraftwerke zur Verfügung gestellt haben, hundert ei-
gene Sprengkörper bauen. Und dann hätten wir we-
nig Überlebenschancen. Was man tun sollte, ist viel-
mehr dies: Einmal ein halbes Hundert Kampfschiffe
hierher schicken, damit die Geeks sehen, was wir in
der Hinterhand haben. Dann gäbe es sicherlich nicht
mehr so viel znidd suddabit hier.«

»Ich bin leider ganz und gar nicht mit Ihnen ein-

verstanden«, sagte Keaveney. »Von meinen Offizie-
ren höre ich hier schon zu viel Säbelgerassel, als daß
Sie solche Tendenzen auch noch unterstützen sollten.
Wir sind gekommen, um für die Aktionäre der Uller-
Company Dividenden zu verdienen. Und das können

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wir nur tun, indem wir Freundschaft, Vertrauen und
Respekt der Eingeborenen gewinnen ...«

»Mr. Keaveney«, meldete sich Paula Quinton zu

Wort. »Die Gesellschaft für den Schutz der Rechte Ex-
traterrestischer Wesen wollen Sie wohl nicht ernsthaft
beschuldigen, eine Politik des Säbelrasselns zu
betreiben. Wir haben alles in unserer Macht Befindli-
che getan, um diesen Leuten zu helfen, und wenn sie
für irgend jemand freundschaftliche Gefühle haben
sollten, dann uns gegenüber. Nun, vor nur fünf Ta-
gen wurden Mr. Mohammed Ferriera und ich in
Konkrook von einer Zusammenrottung Eingeborener
attackiert. Unser Aircar-Fahrer wurde ermordet, und
wenn nicht General von Schlichten und seine Solda-
ten gewesen wären, wären auch wir ums Leben ge-
kommen. Mr. Ferriera liegt jetzt noch im Hospital.
Vielleicht ist es General von Schlichten und seinen
Kraganern nicht so sehr um Freundschaft und Ver-
trauen zu tun. Aber sie bestehen auf Respekt, und
zwar auf die einzig mögliche Weise: Indem sie härter
und schneller zuschlagen, als die Geeks das können.«

»Hört, hört!« kam es vom unteren Ende der Tafel.

Von Schlichten blinzelte Paula zu, soweit ihm sein
Monokel das erlaubte. Gutes Mädchen, dachte er; sie
ist auf unserer Seite!

»Gewiß, man muß ...« begann Keaveney. Dann un-

terbrach er sich. Ein terranischer Sergeant war hinzu-

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getreten, hatte sich über Barney Modkovitz' Schulter
gebeugt und ihm etwas ins Ohr geflüstert. Der bärti-
ge Brigadier stand sofort auf, nahm seinen Gürtel von
der Stuhllehne und schnallte ihn um. Dann ging er
um den Tisch herum zu von Schlichten.

»Eben kommt eine Meldung aus Konkrook, Gene-

ral«, sagte er leise. »Sid Harrington ist tot.«

Von Schlichten brauchte eine volle Sekunde, um

den Sinn seiner Worte zu erfassen. »Guter Gott!
Wann? Wie?«

»Das ist alles, was wir wissen, Sir«, sagte der Ser-

geant und gab ihm eine Fernschreibermeldung. »Er-
reichte uns vor zehn Minuten.«

Die Meldung hatte die höchste Dringlichkeitsstufe.

Generalgouverneur Harrington war um 2210 in sei-
nem Zimmer gestorben – keine weiteren Einzelheiten.
Von Schlichten sah auf die Uhr. Es war 2243. Kon-
krook und Skilk befanden sich in derselben Zeitzone;
hier war schnelle Arbeit geleistet worden. Er gab den
Papierstreifen Modkovitz, der ihn an Keaveney wei-
terreichte.

»Geben Sie das sofort bekannt«, beauftragte ihn

von Schlichten und schnallte sein Koppel um. Als er
aus dem Bankettsaal eilte, hörte er noch, wie Keave-
ney an sein Weinglas klopfte.

»Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten! Eben hat

uns eine bestürzende Nachricht erreicht ...«

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7

Bismillah! Sind wir nicht dümmer?


Im Verwaltungsgebäude der Company brannten be-
reits die Lichter. Der Himmel über den Bergen im
Westen ging von Orange in tiefes Purpurrot über. Ein
paar hellere Sterne waren bereits zu sehen, als von
Schlichten und der Sergeant zum Sendergebäude eil-
ten.

Ein weiblicher Captain empfing ihn. »Wir haben

eine Frequenz nach Konkrook, General«, sagte sie.
»Kabine drei.« Er nickte.

»Danke, Captain ... Wir haben einen guten Freund

verloren, nicht wahr?«

Ein weiteres Mädchen, eine Technische Sergeantin,

befand sich in der Kabine. Auf dem Bildschirm war
das Bild seiner Gesprächspartnerin in Konkrook – sie
war Leutnant – zu sehen. Die Sergeantin stand auf
und wollte die Kabine verlassen.

»Bleiben Sie da«, befahl ihr von Schlichten. »Sie

übernehmen dann, wenn ich fertig bin.« Er setzte sich
vor die Kombination aus Bildschirm und Kamera.
»Nun, Leutnant, was ist geschehen?« fragte er. »Wie
starb er?«

»Durch Gift, nehmen wir an, General. General

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M'zangwe hat Autopsie und chemische Analyse an-
geordnet. Wenn Sie noch zehn Minuten Zeit haben,
wird er selbst mit Ihnen sprechen können.«

»Rufen Sie ihn. Und sagen Sie mir in der Zwi-

schenzeit alles, was Sie wissen.«

»Der Gouverneur legte sich früh schlafen; morgen

früh wollte er auf die Jagd gehen. Sie kennen vermut-
lich seine Gewohnheiten.«

Von Schlichten nickte. Normalerweise nahm Har-

rington eine Dusche, setzte sich dann im Bademantel
an seinen Schreibtisch, zündete sich seine Pfeife an,
nahm einen Schluck terranischen Bourbon und be-
gann dann seine Tagebuchaufzeichnungen.

»Etwa um 2210 hörte der kraganische Wachserge-

ant zehn rasch aufeinander folgende Pistolenschüsse
im Zimmer des Gouverneurs. Die Tür war versperrt;
er durchschoß das Schloß mit seiner eigenen Pistole
und ging hinein. Gouverneur Harrington lag, nur in
einen Bademantel gekleidet, auf dem Fußboden – die
leergeschossene Pistole in der Hand. Er hatte Schaum
vor dem Mund und wand sich in schrecklichen
Schmerzen. Offenbar hatte er die Pistole, die er im-
mer in seinem Schreibtisch hatte, abgefeuert, um Hil-
fe zu holen. Die Geschosse waren alle in die Decke
gegangen. Der Sergeant drückte auf den Notrufknopf
neben dem Bett und versuchte dann, dem Gouver-
neur zu helfen. Aber es war bereits zu spät. Als nach

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fünf Minuten der Arzt kam, war er schon tot. In sei-
nem Tagebuch ist er bis heute mittag gekommen; die
Eintragung hörte mitten in einem Satz auf. Auf sei-
nem Schreibtisch war eine Flasche und ein umge-
stürztes Glas. Eine weiße Ratte, der man fünfzehn
Tropfen aus der Whiskyflasche gab, starb nach etwa
neunzig Sekunden mit denselben Symptomen.«

»Wer hatte Zugang zu dieser Whiskyflasche?«
»Ein Geek-Sergeant, der das Zimmer in Ordnung

hält. Etwa eine Stunde vorher war er festgenommen
worden bei dem Versuch, die Insel ohne Erlaubnis zu
verlassen. Er wird jetzt von den Kraganern vernom-
men.« Das Gesicht des Mädchens nahm einen Aus-
druck der Härte an. »Ich hoffe, die werden es ihm
tüchtig besorgen!«

»Und ich hoffe, daß sie ihn nicht umbringen, bevor

er redet.«

»Augenblick, General; wir haben jetzt General

M'zangwe«, sagte die Frau. »Ich schalte um.«

Einen Augenblick lang flimmerte ein Gewirr von

verschiedenfarbigen Flecken über den Bildschirm.
Dann erschien das schokoladenbraune Gesicht von
Themistokles M'zangwe darauf.

»Ich weiß bereits, wie er gefunden wurde, und bin

auch von der Festnahme dieses Geeks unterrichtet«,
sagte von Schlichten. »Haben Sie irgend etwas aus
ihm herausbekommen?«

background image

»Er gibt zu, Gift in die Flasche getan zu haben, be-

hauptet aber, es sei seine eigene Idee gewesen. Aber
er ist eines von Father Keeluks Pfarrkindern, und
deswegen ...«

»Keeluk! Mein Gott, das war es also!« entfuhr es

von Schlichten. »Jetzt weiß ich, was er mit Stalin woll-
te, mit der Ziege und diesen Kaninchen!«

Achttausend Kilometer von ihm entfernt stieß

Themistokles M'zangwe einen Pfiff aus.

»Bismillah! Sind wir denn nicht dümmer?« rief er.

»Natürlich brauchten sie terrestrische Tiere, um fest-
stellen zu können, welches Gift auf Terraner wirkt!
Augenblick; ich möchte das nur eben festhalten für
den Fall, daß die Kraganer diesen Geek noch fertig-
gemacht haben.« M'zangwe flüsterte einige Worte in
ein Stenofon. »Ist sonst noch etwas, Carlos?«

»Ist Eric benachrichtigt worden?«
»Wir haben Keegark gerufen, aber er ist in einer

Audienz bei König Orgzild, und wir können ihn im
Augenblick nicht erreichen.«

»Wer hat jetzt in Konkrook das Kommando?«
»Noch niemand so richtig. Laviola, der Finanzse-

kretär, Hans Meyerstein, der Syndikus des Banken-
kartells,

Howlett,

der

Personalchef,

und

Buhrmann,

der

Wirtschaftsdirektor,

bilden

eine

Art

von

Qua-

drumvirat.

Was

passiert,

wenn

irgend

etwas

Unvor-

hergesehenes

eintritt,

weiß

ich

allerdings

nicht

...«

Eine

background image

Hand

mit

dem

Rangabzeichen

eines

Majors

auf

dem

blau-grauen

Uniformärmel

erschien

auf

dem

Bild-

schirm

und

hielt

M'zangwe

einen

Zettel

hin.

Er

nahm

ihn, warf einen Blick darauf und fluchte. Von Schlich-
ten wartete, bis er ihn ganz durchgelesen hatte.

»Und

soweit

ist

es

wohl

tatsächlich

schon«,

sagte

der

Afrikaner.

»Eben

kommt

aus

Jaikarks

Palast

die

Nach-

richt

vom

Ausbruch

einer

Revolte,

vermutlich

unter

Anführung

von

Gurgurk.

Die

Garde

ist,

soweit

sie

nicht

selbst

gemeutert

hat,

von

den

Aufrührern

nie-

dergemacht

worden

mit

Ausnahme

der

zwanzig

Kraganer,

die

wir

Jaikark

zur

Verfügung

gestellt

ha-

ben.

Sie

und

etwa

ein

Dutzend

von

Jaikarks

Höflingen

mit

ihren

Helfern

verteidigen

die

Zugänge

zu

den

kö-

niglichen

Gemächern.

Der

Führer

der

Kraganer

hat

sich

eben

gemeldet;

er

sagt,

die

Lage

sei

sehr

bedroh-

lich.«

»Wenn ein Kraganer das sagt, dann heißt das so

viel wie hoffnungslos. Wird dieses Gespräch aufge-
nommen?« Als M'zangwe nickte, fuhr er fort: »Gut.
Verwenden Sie diese Aufnahme zur Beglaubigung
Ihres Auftrags und übernehmen Sie das Kommando.
Jetzt ist es 2258. Ich erkläre mit sofortiger Wirkung
den Ausnahmezustand für Konkrook. Informieren
Sie Eric Blount, sobald Sie mit ihm Verbindung auf-
nehmen können. Ich mache mich sofort auf den Weg
und müßte gegen 0800 in Konkrook sein.

background image

Und nun zu den Vorgängen im Palast. Schicken Sie

eine Kompanie Kraganer mit zehn Airjeeps und vier
Gefechtsfahrzeugen hin und lassen Sie Jaikark, sein
Gefolge und unsere Kraganer auf Gongonk Island
verbringen. Und alarmieren Sie Ihre gesamten Streit-
kräfte. Bei diesen Palastrevolutionen der Geeks
kommt es stets auch zu Tumulten und zu Zusam-
menstößen. Holen Sie unsere Kraganer heraus, wenn
Sie sonst niemand aus dem Palast retten können.
Aber es hat keinen Sinn, dreißig bis vierzig Männer
zu opfern, um zwanzig zu retten. Und halten Sie
mich auch unterwegs auf dem Laufenden.« Er wand-
te sich der Sergeantin zu. »Bleiben Sie dran; es kommt
noch mehr.«

Er stand auf und verließ die Kabine. Wenn wir Jai-

kark aus der Klemme helfen können, kann ihm die
Company später ihre Bedingungen diktieren. Wird
Jaikark getötet, lassen wir Gurgurk dafür über die
Klinge springen und übernehmen die Macht in Kon-
krook. In jedem Fall kommen wir unserem Ziel, alle
diese Geek-Despoten zu beseitigen, einen großen
Schritt näher. Und mit Eric Blount als Generalgou-
verneur ...

Der weibliche Captain erwartete ihn, als er heraus-

kam.

»Gift«, sagte er. »Vermutlich steckt Gurgurk dahin-

ter, möglicherweise auch Rakkeed. Gurgurk putscht

background image

gegen König Jaikark. Ich muß sofort nach Konkrook.
Rufen Sie den Militärflughafen und lassen Sie mein
Kommandofahrzeug zur Zentrale der Company ...«

In diesem Augenblick wurde die Tür des schall-

dichten Senderaums aufgerissen. Draußen knallten
Schüsse. Drei Männer stürzten herein und schlugen
die Tür hinter sich zu. Einer von ihnen hatte eine Pi-
stole in der Hand und stützte mit dem anderen Arm
einen weiteren Mann, der an der Schulter eine stark
blutende Wunde hatte. Der dritte Mann hatte ein
Burp-Gewehr in der Hand. Alle drei trugen Zivilklei-
dung. Als der Mann mit dem Gewehr von Schlichten
sah, lief er auf ihn zu.

»General! Die Geeks haben sich gegen uns erho-

ben!« rief er. »Das Zehnte Regiment meutert. Sie ha-
ben Unterkünfte, Versorgungsanlagen, Transport-
fahrzeug-Hangars und Werkstätten besetzt und rük-
ken jetzt hierher vor. Einzelne Angehörige der Zirk-
Kavallerie haben sich ihnen angeschlossen.«

»Und die Kraganer?«
»Das Achtzehnte Schützenregiment? Die sind auf

unserer Seite. Ich sah, wie die Gruppe von ihnen auf
den Mob feuerte.«

»Haben Sie noch Munition? Dann wollen wir mal

nachsehen, wie es in der Company-Zentrale aus-
sieht«, sagte von Schlichten. »Captain Malavez, Sie
veranlassen das Nötige zur Verteidigung dieser Stati-

background image

on. Und das Mädchen in der Kabine soll nach Kon-
krook melden, was hier passiert ist, und ausrichten,
daß ich nicht sofort kommen kann, wie ich es vorhat-
te.«

Er öffnete die Tür, von draußen drang wieder Ge-

fechtslärm herein. Der Zivilist mit dem Gewehr
stürmte als erster hinaus. Von Schlichten zog seine
Pistole und folgte ihm.

Als

er

hierher

gekommen

war,

hatte

es

eben

zu

dämmern

begonnen.

Jetzt

war

das

ganze

Company-

Gelände

in

grelles

Licht

getaucht.

Irgend

jemand

muß-

te

die

Alarmbeleuchtung

eingeschaltet

haben.

Vor

der

Company-Zentrale

drängten

sich

graue

Gestalten.

Vom

Dach

eines

Gebäudes

auf

der

anderen

Straßensei-

te

feuerten

zwei

Maschinengewehre

in

die

Menge.

Aus

einer

Seitenstraße

kam

eine

Gruppe

Terraner

gelaufen,

die

mit

ihren

Pistolen

immer

wieder

hinter

sich

schossen.

Als

sie

sahen,

was

bei

der

Zentrale

der

Com-

pany

los

war,

stürzten

sie

in

das

Gebäude,

von

dessen

Dach

aus

gefeuert

wurde.

Vom

anderen

Ende

der

Stra-

ße

her

eilte

eine

Hundertschaft

saurierköpfiger

ein-

heimischer

Soldaten

herbei,

unter

ihnen

einige

Terra-

ner.

Von

Schlichten

wandte

sich

an

den terranischen

Captain, der ihnen vorauslief. »Wie steht's, Captain?«

»Das Zehnte Regiment und das Fünfte Kavallerie-

regiment meutern. Die da drüben gehören dazu.« Er
atmete schwer. »Es ging alles sehr schnell und wir

background image

hatten keine Zeit mehr, uns mit irgend jemand in
Verbindung zu setzen ...«

Unweit

von

ihnen

lief

eine

Terranerfrau

in

schwar-

zen

Hosen

und

oranger

Jacke

über

die

Straße,

verfolgt

von

Soldaten

des

Zehnten

Eingeborenen-Regiments,

die

»znidd

suddabit!«

kreischten.

Der

Frau

gelang

es,

sich

in

einem

Hauseingang

in

Sicherheit

zu

bringen.

Ihrer

Verfolger

nahmen

sich,

bevor

sie

die

Gefahr

überhaupt

bemerkten,

die

Kraganer

an.

Es

fielen

keine

Schüsse.

Die

schmalen,

scharfen

Klingen

der Bajonette

taten ihr gräßliches Werk. Hinter sich konnte von
Schlichten Kraganerstimmen mit einem neuen Schrei
hören: »Znidd Geek! Znidd Geek!«

Von der Zentrale der Company hallten jetzt Schüs-

se herüber. Einige Terraner, die an dem Bankett teil-
genommen hatten, mußten also noch am Leben sein.
Er fragte sich, wie lange sie noch aushalten konnten.
Vor allem dachte er an Paula Quinton. Mit ausgebrei-
teten Armen gebot er den Kraganern Halt. »Eine Sal-
ve, nachladen, dann Angriff mit dem Bajonett!« be-
fahl er. Jemand gab die Order auf kraganisch weiter.

Gleichzeitig knatterten die Gewehre los und spien

die nächsten fünf Sekunden ihren todbringenden Ge-
schoßhagel in die zusammengerotteten Meuterer.
Einzelne Schüsse antworteten; er sah, wie der Captain
von einem Explosivgeschoß getroffen wurde und ei-
nige weitere Kraganer niederstürzten.

background image

»Laden! Gewehre sichern!« brüllte von Schlichten.

»Attacke!«

Unter terranischen Offizieren hätte die Eingebore-

nentruppe standgehalten. Unter den Offizieren und
Sergeanten aus ihren eigenen Reihen aber leisteten sie
nur kurz Widerstand. Von Schlichten sah, daß das
Eingangstor der Zentrale offen war. Drinnen befan-
den sich Terraner und etwa ein Dutzend Kraganer.
Hideyoshi O'Leary und Barney Modkovitz hatten die
Lage dort in der Hand.

»Die Warnung erreichte uns etwa dreißig Sekun-

den, bevor es losging«, berichtete Modkovitz, »und
die Kraganer in der Halle brachten uns eine weitere
Minute. Natürlich hatten wir alle unsere Pistolen ...«

»He! Die Türen sind ja festgekeilt«, entdeckte je-

mand. »Diese verdammten Geek-Diener!«

»Ja; wenn ihr welche erwischt, dann legt sie um!«

meinte jemand anderer. »Wenn wir diese Türen zu-
gekriegt hätten ...«

Draußen

hatte

sich

die

Menge

der

Aufrührer

neu

formiert.

Die

Maschinengewehre,

die

während

des

Nahkampfes

verstummt

waren,

begannen

wieder

zu

hämmern.

Die

Menge

drängte

gegen

das

Gebäude,

um

ihrem

Feuer

zu

entgehen,

und

wurde

von

einer

Ge-

wehrsalve

und

Bajonetten

empfangen.

Die

Meute

wog-

te

wieder

zurück,

um

von

neuem

von

den

Maschinen-

gewehren

niedergemäht

zu

werden.

Von

drei

Seiten

background image

unter

Beschuß,

floh

die

Horde

bald

in

wilder

Auflö-

sung in die Richtung, aus der sie gekommen war.

Von Schlichten wandte sich um. Nach und nach

kamen die belagerten Terraner und ihre kraganischen
Gardesoldaten aus dem Gebäude. Er sah Jules Kea-
veney und seine Frau, Commander Prinsloo von der
Aldebaran, Harry Quong und Bogdanoff. Und ... ah!
Da war sie. Erleichtert aufatmend winkte er Paula
Quinton zu.

Angeführt von Major Kormork, marschierten jetzt

weitere hundert Kraganer auf den Platz. »Wir waren
im Quartier, an Bord der Aldebaran und im Gästehaus
auf dem Flughafen«, berichtete Kormork. »Vor fünf-
zehn Minuten erfolgte der Angriff. Zehn Minuten
brauchten wir, um ihn abzuschlagen, weitere fünf
Minuten, um hierher zu kommen. Ich habe Eingebo-
renen-Captain Zeerjeek und dem Rest der Streitkräfte
befohlen, die verlorengegangenen Gebäude zurück-
zuerobern und den Militärflughafen zu entsetzen.«

»Ausgezeichnet. Wie ist die Lage auf dem Handels-

flughafen?«

»Die Aldebaran und der Frachter Northern Star sind

unbeschädigt. Beide gingen auf Kontragravitation
und verblieben in etwa fünfzig Meter Höhe.«

»Gut. Ich richte mir meinen Kommandostand in

der Sendestation ein. Wo ist Colonel Cheng-Li?«

»Hier, General.« Der Geheimdienst- und Polizeiof-

background image

fizier drängte sich durch die Menge. »Ich habe im Mi-
litärflughafen, im Handels-Airport, im Raumhafen,
im Kraftwerk und in den Schiffsdocks angerufen. Al-
le antworteten. Aus dem Stadt-Kraftwerk kommt
noch das Fernsehbild; dort scheint es von Geeks zu
wimmeln. Captain Leavitt hat im Raumhafen alle
einheimischen Arbeiter in einem Reparaturdock zu-
sammengetrieben und hält sie mit der vorderen 90-
mm-Kanone der Northern Star unter Kontrolle. Die
Hangars und die

Reparatur-

und

Wartungswerkstät-

ten

antworten

nicht.«

»Das wollte ich Sie gerade fragen. Danke. Quong,

Bogdanoff!«

Die Besatzung seines Kommandofahrzeugs nahm

Haltung an.

»Ihr nehmt Colonel O'Leary an Bord, sobald mein

Aircar da ist ... Hid, Sie steigen auf und sehen Sie
nach, was los ist. Werfen Sie Fackeln ab, wo es kein
Licht gibt. Achten Sie besonders auf das Arbeiterlager
und den Maschinenpark südlich des Reservats ...
Kormork, Sie nehmen die Hälfte der Leute von der
Achtzehnten hier und räumen in den Baracken der
Eingeborenentruppe auf. Gefangene werden keine
gemacht; wir haben keine Bewacher.«

Kormork grinste. Gefangene zu machen, das war

einer dieser irrationalen terranischen Gebräuche ge-
wesen, die kein Ulleraner jemals verstanden hatte.

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8

Autorisiert von Generalgouverneur von Schlichten


Wieder in den Sender zurückgekehrt, erfuhr er die
neuesten Nachrichten aus Konkrook. Auch dort war
unter den einheimischen Arbeitern und Soldaten eine
Meuterei ausgebrochen.

Er rief Keegark. Eine junge Frau, offenbar eine der

Zivilangestellten der Station, antwortete.

»Wir brauchen Hilfe, General von Schlichten«,

drängte sie. »Die einheimischen Truppen sind in Auf-
ruhr – mit Ausnahme von zweihundert Kraganern.
Sie haben die Docks gestürmt, den Flughafen – alles
bis auf die Zentrale der Company. Wir bemühen uns
auszuhalten. Aber ihre Zahl geht in die Tausende:
Unsere Eingeborenen-Infanterie, Soldaten von König
Orgzilds Armee und Stadtbewohner. Alle scheinen
Feuerwaffen zu haben ...«

»Was ist mit Eric Blount und mit dem Chef der

Niederlassung, Mr. Lemoyne?«

»Wir wissen es nicht. Sie hatten im Palast eine Un-

terredung mit König Orgzild. Wir haben versucht,
den Palast zu erreichen, aber wir kommen nicht
durch. General, wir brauchen dringend Hilfe ...«

Wenige

Minuten

später

kam

eine

Meldung

aus

background image

Krink,

das

siebenhundert

Kilometer

nördlich

der

Berge

lag.

Der

dortige

Niederlassungschef,

ein

gewisser

Francis

Xavier

Shapiro,

berichtete

von

Revolten

in

der

Stadt

und

einer

versuchten

Palastrevolution

gegen

König

Jonkvank.

Zur

Abwechslung

war

es

hier

die

kö-

nigliche

Armee

selbst,

die

meuterte.

Das

ullerische

In-

fanterieregiment

und

die

beiden

Zirk-Kavalleriekom-

panien in Krink sowie die Kraganer verhielten sich
noch loyal.

Das alles sah sehr nach Planung aus. Von Schlich-

ten starrte auf die große Landkarte an der Wand. Ge-
rade glaubte er, die dem Ganzen zugrundeliegende
Logik ein wenig zu verstehen, als Keaveney, der Di-
rektor der Niederlassung in Skilk, hereintaumelte.

»Mein Gott, ganz Uller ist in Aufruhr!« stieß er

hervor. »Nicht nur hier in Skilk – überall, wo sich ei-
ne Niederlassung von uns befindet. Das ist das En-
de!«

»Noch ist es nicht ganz so weit, Mr. Keaveney.«

Von Schlichten sah auf die Uhr. Vor nicht ganz einer
Stunde hatte die Meuterei der einheimischen Trup-
pen hier in Skilk begonnen. Gewöhnlich glückten
oder scheiterten Aufstände wie dieser in den ersten
sechzig Minuten. Vielleicht war die Hoffnung ein
wenig verfrüht; aber er glaubte doch zu ahnen, daß
dieser hier scheitern würde. »Wenn jeder das Seine
tut, wird alles gut gehen«, beschied er Keaveney zu-

background image

versichtlicher, als ihm wirklich zumute war. Dann
wandte er sich Brigadier-General Modkovitz zu, um
zu erfahren, wie es in den Unterkünften der Eingebo-
renen Truppe stand.

»Nicht schlecht, General. Und Hangars, Wartungs-

hallen und Reparaturwerkstätten dürften alsbald in
Kormorks Hand sein.«

»... morgen um diese Zeit ist von uns nichts mehr

übrig«, wimmerte Keaveney Paula Quinton einer an-
deren Frau vor. »Und mit der Company ist es aus!«

»Wir sollten ihm was zu trinken besorgen, Gene-

ral«, schlug Modkovitz vor. »Mit ein paar K.O.-
Tropfen drin.«

Colonel Cheng-Li, der Geheimdienstoffizier, ver-

suchte Keaveney zu beruhigen. Von Schlichten sah
sich der Frau in Schwarz und Orange gegenüber, de-
ren Verfolger am Beginn des Kampfes von den Kra-
ganern niedergemacht worden waren.

»General, König Kankad möchte Sie sprechen«,

sagte sie. »Der Apparat in Kabine vier.«

»Danke.« Um jedes denkbare Mißverständnis aus-

zuschließen, steckte er sich seinen Geek-Enunciator in
den Mund, bevor er die Kabine betrat. Aus dem Bild-
schirm sah ihn Kankads Gesicht an. Phil Yamazaki,
der Chef des Senders in Kankads Stadt, stand hinter
ihm.

»Von Schlichten!« Der Kraganer wirkte wie von

background image

körperlichem Schmerz gepeinigt. »Wie kann ich hel-
fen? Ich habe hier zwanzigtausend bewaffnete Leute,
aber nur für fünfhundert Transportmöglichkeiten.
Wohin soll ich sie schicken?«

Von Schlichten überlegte blitzschnell. Keegark war

erledigt. Die Zentrale stand in der Mitte der Stadt, be-
lagert von zweihunderttausend Soldaten und Unter-
tanen König Orgzilds. Da die Ulleraner bisexuell wa-
ren, bildete die gesamte Bevölkerung bis auf die Al-
ten, die Krüppel und die sehr Jungen das militärische
Potential. Wenn er Kankads fünfhundert Krieger
dorthin schickte, war das, als schaufelte er sie in ei-
nen Hochofen. Die Leute in Keegark mußten abge-
schrieben werden, genauso wie die zwanzig Kraga-
ner in Jaikarks Palast.

»Schicken Sie sie nach Konkrook«, entschied er.

»M'zangwe hat dort den Oberbefehl; er braucht Hilfe,
um die Farmen der Company halten zu können. Viel-
leicht kann er zusätzlich Transportmittel bereitstellen.
Ich werde ihn anrufen.«

»Ich schicke sofort alle Leute los, die ich befördern

kann«, versprach Kankad. »Wie steht es bei Ihnen in
Skilk?«

»Bis jetzt halten wir uns«, antwortete er. »Paula ist

hier bei mir; sie läßt bestens grüßen.«

Captain Inez Malavez, die Chefin des Senders,

steckte ihren Kopf in die Kabine.

background image

»General, dringende Meldung von Colonel O'Lea-

ry«, sagte sie. »Eingeborene Arbeiter aus den Berg-
werk-Wohnlagern versuchen, den Maschinenpark zu
stürmen. O'Leary hat bereits seine gesamte Munition
verschossen, um sie abzuwehren.«

»Ich melde mich wieder«, sagte von Schlichten zu

Kankad. »Ich werde sehen, was M'zangwe für den
Transport Ihrer Leute tun kann. Bitte schicken Sie so-
fort so viele nach Konkrook, wie Sie können.«

Er verließ die Kabine und nahm sein Geek-

Mundstück heraus. »Barney!« rief er. »General Mod-
kovitz! Welcher Offizier hat das Achtzehnte Schüt-
zenregiment unter sich? Major Falkenberg?«

»Ja.«
»Er soll alle Kraganer, die er entbehren kann, zum

Maschinenpark schicken.« Er wandte sich Inez Mala-
vez zu. »Sie rufen Colonel Jarman an. Melden Sie
ihm, was wir von O'Leary gehört haben. Die Geeks
dürfen sich unter keinen Umständen der Maschinen
bemächtigen. Sobald sie mit Kontragravitations-
Transportern welche herausholen wollen, soll er sie
auf der Stelle abschießen.«

In einer Ecke des Raumes hatte jemand eine große

Landkarte auf dem Boden ausgebreitet. Paul Quinton
und Mrs. Keaveney knieten daneben und verteilten
rote und weiße Pillen darauf, die jemand in zwei Fla-
schen aus der Apotheke auf der anderen Straßenseite

background image

herübergebracht hatte. Die Frau in Orange las ihnen
aus einer Hand voll Notizzetteln vor, wohin die Pil-
len gehörten. Auch andere Dinge waren über die Kar-
te verstreut – Pistolenpatronen, Zigaretten und Nah-
rungsmittelkonzentrat-Tabletten. Als Paula ihn sah,
richtete sie sich auf.

»Die roten sind die unseren, General«, sagte sie.

»Die weißen sind die Geeks.« Von Schlichten unter-
drückte ein Lächeln. Das war schon das zweite Mal
an diesem Abend, daß sie diesen Namen benützte.
»Die Zigaretten sind Airjeeps, die Patronen Gefechts-
fahrzeuge, und die Konzentrattabletten Güter- oder
Truppentransporter.«

»Nicht ganz dem Reglement entsprechend, diese

Markierungen. Aber da habe ich schon ganz andere
Dinge gesehen ... Captain Malavez!«

»Ja, Sir?«
»Wir brauchen einen großen TV-Schirm, und eine

Kamera in irgendeinem Kontragravitations-Fahrzeug
in etwa tausend Meter Höhe direkt über uns, damit
wir ein Bild von der Lage bekommen. Ist das mög-
lich?«

»Ich kann es versuchen, Sir. Wir haben einen 2,50-

Meter-Rundschirm, der für diese Höhe noch aus-
reicht. Ich veranlasse das sofort.«

Von Schlichten ging in eine leere Sendekabine und

rief Konkrook. Ein auf einer erloschenen Zigarre her-

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umkauender Zivilist verband ihn mit Themistokles
M'zangwe.

»Wie ist die Lage jetzt?« fragte er.
»Hat sich ein wenig gebessert«, antwortete der

Graeco-Afrikaner. »Es ist uns gelungen, die Geeks
überall zurückzudrängen. Die Drahtzäune um die
Farmen auf der Insel stehen unter Strom, und unsere
Kampfschiffe verteidigen die Festlandfarmen.« Er
zögerte einen Augenblick. »Haben Sie von Eric und
Lemoyne gehört?«

Von Schlichten schüttelte den Kopf.
»Wir

haben

eben

einen

Anruf

von

Colonel

MacKin-

non

erhalten,

dem

Kommandanten

von

Keegark.

Er

hat

ein

paar

Gefangene

gemacht

und

sie

zum

Sprechen

gebracht.

Alle,

die

in

Orgzilds

Palast

waren,

sind

mas-

sakriert

worden.

Ein

paar

von

ihnen

hatten

das

Glück,

im

Kampf

getötet

zu

werden.

Eric

und

Hendrik

haben

die

Geeks

lebend

erwischt.

Sie

wälzten

sie

in

einer

La-

che

von

Thermokonzentrat-Brennstoff

herum

und

zündeten

sie

dann

an.

Sobald

wir ein paar Kontragra-

vitations-Schiffe erübrigen können ...«

»Ja, gerade darüber wollte ich mit Ihnen sprechen.«

Er berichtete M'zangwe von König Kankads Angebot.
»Was können Sie an Schiffen zusammenkratzen, um
Kraganer einzufliegen?«

»Wir haben drei Kanonenboote, die Elmoran, die

Gaucho und die Bushranger. Die sind aber als Trans-

background image

porter nicht sehr geeignet, und wir brauchen sie
selbst ganz dringend. Dann sind da noch einige
Frachter ...«

»Was ist mit der Piet Joubert?« fragte von Schlich-

ten. »Die sollte doch heute um 1300 in Konkrook lan-
den, oder?«

M'zangwe fluchte. »Ist auch gelandet. Aber die

Geeks haben sie auf der Stelle gestürmt, zwanzig Mi-
nuten nachdem die Sache hier losging. Sie versuch-
ten, sich damit davonzumachen, und die Batterie am
Kanal hat sie runtergeholt.«

»Gut; den Geeks durften sie sie keinesfalls überlas-

sen. Und die anderen Schiffe?«

»Die Procyon ist in Grank; von dort haben wir

überhaupt noch nichts gehört, was mir ziemlich ver-
dächtig erscheint. Auch die Northern Lights ist in
Grank. Die Oom Paul Krüger müßte in Bwork gewesen
sein, als der Aufstand losging. Die Jan Smuts und die
Christiaan De Wett befanden sich beide in Keegark;
wir können annehmen, daß Orgzild sie in seine Ge-
walt gebracht hat.«

»Gut. Ich schicke die Aldebaran nach Kankads Stadt;

sie soll Ihnen weitere Verstärkung bringen.«

»Die können wir brauchen! Und mit der Aldebaran

müßten wir in der Lage sein, morgen um diese Zeit
eine Offensive gegen die Stadt zu starten. Sonst noch
was?«

background image

»Das wär's für den Augenblick. Ich kümmere mich

jetzt um die Aldebaran

Als er die Kabine verließ, hörte er über den allge-

meinen Lärm hinweg, wie Jules Keaveney mit sich
überschlagender Stimme auf die anderen einlamen-
tierte. Offensichtlich waren Colonel Cheng-Lis Be-
mühungen, ihn zu beruhigen, ein voller Erfolg gewe-
sen.

»Aber das ist verrückt! Nicht nur hier; überall auf

Uller! Wie haben sie das fertiggebracht? Sie haben
doch keine Funkgeräte!«

»Das weiß ich auch nicht, Jules«, beschwichtigte

ihn Modkovitz. »Ich weiß von vielen reichen Geeks,
die Empfänger haben, aber niemand hat Sender.«

Für einen Augenblick stellte von Schlichten die Sa-

che mit der Aldebaran zurück. »Sie brauchten keine
Sender, Barney«, sagte er. »Sie benützten unsere.«

»Wie meinen Sie das?« schrie Keaveney.
Ȇberlegen Sie doch. Harrington wurde in Kon-

krook vergiftet. Natürlich ging die Nachricht sofort
an jede Niederlassung und Handelsstation auf Uller.
Und das war das Signal, das sie vereinbart hatten –
wahrscheinlich schon vor Monaten. Dieser Geek-
Diener brauchte nur Gift in Harringtons Whisky zu
tun. Den Rest überließen sie uns.«

»Und unser Geheimdienst! Hat der geschlafen?«

fragte Keaveney wütend.

background image

»Nein; er schrieb Berichte, damit ihr von der Zivil-

verwaltung etwas in den Papierkorb schmeißen
konntet.« Er drehte Keaveney den Rücken zu. »Bar-
ney, wo ist Dirk Prinsloo?«

»Auf seinem Schiff.«
»Rufen Sie ihn. Er soll sofort die Aldebaran nach

Kankads Stadt fliegen. Sobald er dort ist – das müßte
um etwa 1100 sein – soll er so viele Kraganer an Bord
nehmen, wie es nur eben geht, und sie nach Kon-
krook bringen. Von da ab steht er unter M'zangwes
Befehl.«

»Nach Konkrook?« heulte Keaveney. »Sind Sie

wahnsinnig geworden? Brauchen wir hier vielleicht
keine Verstärkung?«

»Doch. Und ich werde versuchen, sie zu bekom-

men«, erwiderte von Schlichten. »Und wenn Sie uns
jetzt nicht länger im Wege umgingen, wäre ich Ihnen
wirklich sehr verpflichtet.«

Er ging auf die andere Seite des Raumes hinüber,

wo zwei Kraganer und das allgegenwärtige Mädchen
in der orangen Jacke versuchten, einen großen run-
den TV-Schirm zu installieren. Dann warf er einen
Blick auf die Landkarte, auf der Paula Quinton und
Mrs. Keaveney nach dem, was ihnen eine Sergeantin
von handgeschriebenen Notizzetteln vorlas, den je-
weils neuesten Stand der Dinge markierten.

Ein junger Kraganer, der den unteren linken Arm

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in einer Schlinge trug, reichte ihm eine Meldung.
Guido Karamessinis, der Chef der Niederlassung in
Grank, hatte endlich von sich hören lassen. In der
Stadt selbst sei es ruhig, hieß es da, doch hätten Kö-
nig Yoorkerks Truppen den Lufthafen und die Docks
mit den Schiffen Procyon und Northern Lights in ihren
Besitz gebracht und schickten sich an, das Verwal-
tungsgebäude der Company einzukreisen. Er wollte
wissen, was zu tun sei.

Von Schlichten gelang es nach einiger Zeit, ihn auf

den Bildschirm zu bekommen.

»Es sieht so aus, als versuchte Yoorkerk, beide Kar-

ten gleichzeitig zu spielen«, sagte er. »Wenn die Re-
bellion niedergeschlagen wird, wird er sich hinterher
als Ihr Freund und Beschützer aufspielen. Ziehen wir
den Kürzeren, dann wird er ›znidd suddabit‹ rufen
und Ihnen den Kragen umdrehen. Unternehmen Sie
im Augenblick nichts gegen ihn. Wir können uns in
der Richtung keine weiteren Fronten leisten. Sobald
es geht, bekommen Sie Hilfe von uns.«

Dann ließ er wieder eine Verbindung mit Krink

herstellen. Ein rothaariges Mädchen mit Sommer-
sprossen um die Nase meldete sich.

»Wie steht es bei Ihnen?« fragte er.
»Bis jetzt nicht schlecht, General. Alle eingeborenen

Soldaten halten zu uns, nicht nur die Kraganer. Jonk-
vank hat die Meuterer aus seinem Palast geworfen.

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Die Straßen zwischen unserer Zentrale und seinem
Palast sind noch in unserer Hand.«

»Wer sind eigentlich die Aufrührer?«
Sie nannte drei von Jonkvanks Regimentern. »Au-

ßerdem das, was es an Gesindel hier in der Stadt gibt,
Priester einer Sekte, die zu Rakkeeds Jüngern gehört,
und eine fünfte Kolonne aus Skilk. Mr. Shapiro kann
Ihnen die Einzelheiten geben. Soll ich ihn rufen?«

»Nicht nötig. Er hat sicher zu tun, und Sie machen

Ihre Sache ja sehr ordentlich ... Wie lange, glauben
Sie, würde es dauern, bis Sie alle Jonkvank-treuen
Truppen in die Stadt bringen können?«

»Mindestens einen Tag.«
»Gut. Stehen Sie im Augenblick mit Jonkvank in

Verbindung?«

»Volle audiovisuelle Verbindung, Sir«, antwortete

das Mädchen. »Einen Augenblick.«

Er holte seinen Geek-Enunciator hervor. Farbige

Flecken zuckten über den Bildschirm und ver-
schwanden wieder. Dann sah ihn das Sauriergesicht
eines Ulleraners an.

»Euer Majestät«, begrüßte ihn von Schlichten.
Jonkvank sagte etwas, was so ähnlich wie von

Schlichtens Name klang. »Der Anlaß unseres Ge-
sprächs ist betrüblich, General.«

»Betrüblich für beide von uns, König Jonkvank; wir

müssen einander beistehen. Ich höre, daß sich Ihre

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Soldaten in Krink gegen Sie erhoben haben und daß
sich Ihre loyalen Truppen weit außerhalb der Stadt
befinden.«

»Das ist das Werk meines Kriegsministers Hurk-

kurk, der im Solde König Firkkeds von Skilk steht.
Mögen ihn Jeels lebendig verschlingen! Ich habe
Hurrkurks Kopf hier irgendwo, wenn sie ihn sehen
möchten. Aber das bringt meine loyalen Soldaten
auch nicht schneller nach Krink.«

»Die Köpfe toter Verräter interessieren mich nicht,

König Jonkvank«, antwortete von Schlichten in einem
Ton, der kaltblütige Grausamkeit ausdrücken sollte.
»Zu viele Verräterköpfe sitzen noch auf Verräter-
schultern ... Welche Regimenter sind Ihnen ergeben,
und wo stehen sie jetzt?«

Alle befanden sich mindestens einhundertfünfzig

Kilometer von Krink entfernt.

»Das hat Hurrkurk fein eingefädelt; ich fürchte, Sie

sind noch viel zu gnädig mit ihm verfahren«, sagte
von Schlichten. »Ich werde die Northern Star nach
Krink schicken. So, wie Ihre Regimenter verstreut
sind, kann sie nur eines davon auf einmal in die Stadt
transportieren. Welches wollen Sie zuerst haben?«

Jonkvanks

Lippen,

bis

jetzt

grimmig

zusammenge-

preßt,

öffneten

sich

nun

zu

einem

Lächeln.

Er

stieß

ei-

nen

Freudenruf

aus,

der

klang,

als

laufe

ein

Junge

mit

einem Stock ratternd an einem Lattenzaun entlang.

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»Gut, General! Gut!« quäkte er. »Das erste Re-

giment sollen die Mörder in Furnk sein; sie haben alle
Gewehre wie Ihre Soldaten. Lassen Sie sie zum Gro-
ßen Palastplatz bringen. Dann die Totengräber in
Jeelznidd, und die ...«

»Das hat Zeit, bis die Mörder da sind«, meinte von

Schlichten. »Sie sind also in Furnk? Ich schicke die
Northern Star sofort dorthin.«

»Gut, General! Ich werde Ihnen das nicht verges-

sen! Und sobald die Arbeit hier getan ist, sende ich
Ihnen Soldaten nach Skilk. Die Köpfe derjenigen, die
sich an diesem Verrat beteiligten, sollen sich bald zu
Bergen türmen!«

»Ja. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen; ich

werde die nötigen Orders geben ...«

Beim Verlassen der Kabine stieß er fast mit Hidey-

oshi O'Leary zusammen. »Harry und Hassan sind
beim Munitionfassen und haben mich abgesetzt. Wol-
len Sie sich mit uns die Lage ansehen?«

»Nein, ich möchte, daß Sie nach Krink fliegen, so-

bald Harry wieder startbereit ist.« Er erläuterte O'-
Leary seine Absichten. »Ich nehme an, daß Sie diese
Regimenter erst alarmieren müssen, bevor die Star sie
aufnehmen kann. Und sobald sich die Dinge in Krink
stabilisiert haben, veranlassen Sie Jonkvank, Truppen
hierher zu schicken. Sie sind von mir autorisiert,
Jonkvank zuzusagen, daß er die politische Kontrolle

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über Skilk übernehmen kann, sobald wir Firkkeds
Kopf auf den Abfallhaufen geworfen haben.«

Jules Keaveney, der immer da zu sein schien, wo

man ihn am allerwenigsten brauchen konnte, hörte
das und stieß einen Entsetzensschrei aus.

»General von Schlichten! Das ist eine politische

Entscheidung! Sie haben gar nicht das Recht, derarti-
ge Versprechungen zu machen. In so einer Angele-
genheit bedarf es zumindest der Entscheidung des
Generalgouverneurs!«

»Bis uns Terra einen neuen Generalgouverneur

schickt, nehme ich diesen Posten ein«, beschied ihn
von Schlichten, der insgeheim Keaveney dafür dank-
bar war, daß er ihn an die Notwendigkeit eines sol-
chen Schrittes erinnert hatte. »Captain Malavez! Ge-
ben Sie sofort eine Mitteilung an alle Stationen hin-
aus: Nach dem Tod von Generalgouverneur Harring-
ton und Leutnant-Gouverneur Blount übernimmt Mi-
litärkommandeur Carlos von Schlichten mit soforti-
ger Wirkung die Funktion des Generalgouverneurs.«
Er wandte sich Keaveney zu. »Sind Sie jetzt zufrie-
den?«

»Nein. Sie haben keinerlei Recht, irgendeine Zivil-

funktion zu übernehmen, ganz zu schweigen von der
allerhöchsten ...«

Von Schlichten öffnete sein Pistolenhalfter und

richtete die Waffe auf Keaveney. »Hier ist meine Be-

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rechtigung«, sagte er. »Sie wären gut beraten, sie
nicht weiter anzuzweifeln.«

Keaveney zuckte die Achseln. »Wie Sie meinen«,

sagte er. »Aber daß sich die Uller-Company von so
etwas beeindrucken läßt, glaube ich kaum.«

»Die Uller-Company«, erwiderte von Schlichten,

»sitzt sechseinhalb Parsecs von hier entfernt. Nach
Terra und hierher zurück braucht ein Schiff zwölf
Monate. Eine Funkmeldung ist in jeder Richtung ein-
undzwanzig Jahre lang unterwegs.« Er steckte die Pi-
stole wieder weg. »Vor kurzem haben Sie noch ge-
mault, wie nötig wir hier Verstärkung brauchen. Jetzt
müssen wir eben den Satz von Clausewitz umdrehen
und die Politik als eine Fortsetzung des Krieges mit
anderen Mitteln sehen.«

»Können wir denn lange genug aushalten, bis wir

von Terra Hilfe bekommen?« fragte einer von Keave-
neys Untergebenen.

»Bis wir von Terra Hilfe bekommen«, antwortete

von Schlichten, »haben wir entweder diese Revolte
niedergeschlagen, oder es gibt keinen lebenden Ter-
raner mehr auf Uller.« Keaveneys entsetzte Miene zu
sehen, bereitete ihm fast sadistisches Vergnügen.
»Wovon sollen wir denn ein ganzes Jahr leben?« frag-
te er. »An für menschlichen Verzehr geeigneter Nah-
rung gibt es auf diesem Planeten nur Vorräte für drei
Monate. Wir brauchen die Farmen und die Tierge-

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webskulturen in Konkrook und die Farmen in Krink
und die auf der Ebene von Skilk. Und wir brauchen
Frieden und einheimische Arbeiter, um sie zu bestel-
len.«

Eine Zeitlang sagte keiner ein Wort. Dann erinnerte

Keaveney daran, daß in drei Monaten das nächste
Schiff von Niflheim fällig war, und daß es sämtliche
Terraner auf Uller evakuieren könne.

»Wer auch nur versucht, an Bord dieses Schiffes zu

gehen, den schieße ich persönlich über den Haufen«,
versprach von Schlichten. »Schreibe sich das ein jeder
hinter die Ohren. Wir werden diese Rebellion nieder-
schlagen, und wir werden Uller für die Company
und die Terranische Föderation halten.« Er sah sich
im Kreise um. »Und jetzt begeben sich alle wieder auf
ihren Posten. Miss Quinton, mein Adjutant, Colonel
O'Leary, wird, wie Sie eben gehört haben, einen Auf-
trag in Krink übernehmen. Ich möchte, daß Sie jetzt
seine Funktion übernehmen. Für die Dauer dieses
Krieges verleihe ich Ihnen Rang und Autorität eines
Colonel.«

Sie war wie vom Donner gerührt. »Aber ich verste-

he absolut nichts von militärischen Dingen. Hier gibt
es sicher Dutzende von Leuten, die besser für so et-
was qualifiziert sind als ich ...«

»Jawohl, und sie haben alle ihre Aufgabe, und ich

müßte Ersatz für sie finden und Ersatz für ihren Er-

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satz. Bei Ihnen ist das nicht nötig. Und was Sie wissen
müssen, werden Sie sehr schnell lernen.« Er warf ei-
nen Blick auf die Landkarte und die Verteilung der
roten und weißen Pillen. »Als erstes rufen Sie bitte
Jarman im Militärflughafen an. Er soll mir einen Air-
jeep mit Fahrer schicken. Ich möchte mir selbst ein
Bild der jetzigen Lage machen. Barney, Sie vertreten
mich während meiner Abwesenheit und weisen Co-
lonel Quinton ein.«

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9

Zurück in die Flasche


Er sah auf die Uhr und pumpte sich dann die stickige
Luft und den Tabaksrauch der Sendestation aus den
Lungen, während der leichte Airjeep auf die Straße
niederging. Null-eins-fünf-zehn – seit dem Ausbruch
der Meuterei waren zweieinhalb Stunden vergangen.
Über dem Hospital konnte er den Flammenschein der
brennenden Eingeborenen-Baracken sehen. Der
stärkste Gefechtslärm kam aus der Richtung, wo sich
der Maschinenpark und das Bergarbeiterlager befan-
den.

Der Pilot, ein junger Leutnant mit vorwiegend ma-

layischen und polynesischen Rassemerkmalen, schob
das gläserne Kabinendach zurück, um ihn einsteigen
zu lassen.

»Können Sie mit den Waffen hier umgehen, Sir?«

fragte er.

Von Schlichten bejahte mit einem Kopfnicken. Kei-

ne sehr schmeichelhafte Frage; aber der Junge hatte
das Recht, sich zu vergewissern, ehe sie starteten.

»Ja, das habe ich schon ein- oder zweimal ge-

macht«, untertrieb er. »Dann also los. Zuerst möchte
ich sehen, was im Maschinenpark und im Arbeiterla-

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ger los ist.« Der Pilot zog den Aircar in die Höhe,
hielt auf die Flammen, Explosionen und Magnesium-
lichter im Süden zu und ging auf volle Beschleuni-
gung. Das Fahrzeug schoß vorwärts und ging erst auf
Schwebeflug, als das umkämpfte Gelände erreicht
war. Auf der Landkarte im improvisierten Haupt-
quartier hatte sich ein Gemisch aus roten und weißen
Pillen befunden. Es mußte dafür gesorgt werden, daß
sein Stab von Lageveränderungen schneller unter-
richtet wurde, stellte er fest, denn das Gebiet war völ-
lig in der Hand von loyalen Truppen. Die meutern-
den Soldaten und Arbeiter waren in das provisori-
sche Camp zurückgedrängt worden, wo die Arbeiter
auf ihren Abtransport in die Arktis zu warten pfleg-
ten. Wie er befürchtet hatte, war es den Aufrührern,
von denen viele an Kontragravitations-Maschinen ge-
schult worden waren, gelungen, eine Anzahl von
Lastfahrzeugen und Bulldozern in die Luft zu brin-
gen, wo sie sie offenbar als improvisierte Luftpanzer
benutzen wollten. Allerdings schienen Jarmans
Kampfschiffe rechtzeitig eingegriffen zu haben, denn
sämtliche entwendeten Fahrzeuge lagen zerschellt am
Boden.

Der Gegenangriff, der sich im wiedereroberten Ma-

schinenpark formiert hatte, war beim Arbeitercamp
auf erstaunlich heftige Gegenwehr gestoßen. Das war
ein weiterer Beweis dafür, wie sehr Geheimdienst

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und Polizei – und damit auch er selbst – bei der Erfül-
lung ihrer Aufgabe, das sich zusammenbrauende
Gewitter rechtzeitig zu erkennen, versagt hatten. Na-
türlich war es praktisch unmöglich zu verhindern,
daß Ulleraner einheimische Waffen wie Messer,
Schwerter, ja sogar Bogen und Luftgewehre besaßen,
und mit einer gewissen Anzahl von auf Volund her-
gestellten automatischen Pistolen mußte man rech-
nen. Aber der Großteil des Abwehrfeuers kam offen-
sichtlich von Militärgewehren, und manchmal konnte
er auch das gleichmäßige Flackern eines Maschinen-
gewehres oder die Flammenstöße von rückstoßfreien
Gewehren oder Bazookas erkennen. Selbst wenn ei-
nige dieser Waffen von Meuterern des Fünften Kaval-
lerie-Regiments dorthin gebracht worden waren, wa-
ren es doch noch viel zu viele. In mäßiger Höhe über
dem Kampfgeschehen schwebend, sah er sechs lange
Truppentransporter landen und kraganische Schüt-
zen ausspeien, die nach der Brechung des Widerstan-
des in den Unterkünften der Eingeborenentruppe
freigeworden waren. Ein wenig später stellten sich
nacheinander vier Airtanks ein und feuerten aus ih-
ren 90-mm-Geschützen. Ihnen folgten zwei Kampf-
schiffe mit ihren Raketen und Automatik-Kanonen.
Die leichten Titaniumhütten, die mit den Arbeitern
nach Norden gebracht werden sollten, waren inner-
halb weniger Augenblicke fast völlig zerstört. Weg

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mit den weißen Pillen, dachte er. Zurück in die Fla-
sche damit. In diesem Jahr würde es keinen Bergbau
am Nordpol geben. Und nächstes Jahr würden die
Aktionäre um ihre Dividende jammern. Und eine
ganze Menge neuer Maschinisten mußte für das
nächste Jahr ausgebildet werden. Falls es im nächsten
Jahr überhaupt Bergbau gab. Er griff zum Mikrofon
und rief den Maschinenpark an.

»Von Schlichten. Ich bin direkt über Ihnen. Sind Sie

das, Major Falkenberg? Sieht gar nicht so schlecht
aus, Major. Haben Sie Verluste?«

»Nicht allzu schlimm. Zwanzig bis dreißig Kraga-

ner und loyale Skilkaner sowie acht Terraner getötet;
ebenso viele verwundet.«

»Gar nicht schlecht unter den Umständen. Wieviele

Hipposaurier-Reiter haben Sie?«

»Zirka hundert; viele Saurier wurden erschossen,

als wir sie aus den Ställen holten.«

»Ich sehe ganze Kolonnen von Geeks, die vom Ar-

beitercamp auf den Fluß zumarschieren. Greifen Sie
an mit allem, was Sie an Kavallerie und Kontragravi-
tationsschiffen haben. Ich werfe ein paar Fackeln ab,
damit Sie die Position erkennen.«

»Gut«, antwortete Falkenberg. »Mache ich sofort,

General.«

»Und holen Sie die Bergbaumaschinen aus dem

Park. Wir können sie sowohl in der Luft als auch zum

background image

Barrikadenbau benützen. Vor allem dürfen sie nicht
den Geeks in die Hände fallen. Ich schicke Ihnen Hil-
fe.«

»Ist nicht nötig, Sir. Ich habe etwa einhundertfünf-

zig loyale Nord-Ulleraner – Aufseher und Techniker
– die kriegen das schon hin.«

»Gut. Lassen Sie das Zeug hinter die Unterkünfte

der Eingeborenentruppe bringen und zwischen das
Kraftwerk und die Verwaltungsgebäude.« Der Leut-
nant drückte auf ein paar Knöpfe.

»Jetzt kommen die Fackeln.«
Sofort waren ein paar Airjeeps da, die sich auf die

fliehenden Feinde stürzten. Eine Anzahl von Kraga-
nern galoppierte auf Hipposauriern auf das Licht der
Fackeln zu.

»Und jetzt sehen wir uns mal bei den Wartungshal-

len um«, sagte er. »Und dann bei der Reservation,
etwa vier, fünf Kilometer von hier. Das Verhalten von
Firkkeds Armee kommt mir merkwürdig vor.«

Der Pilot sah ihn an. »Das hat mich auch schon be-

schäftigt, Sir«, sagte er. »Mir ist unbegreiflich, warum
er uns noch nicht angegriffen hat. Natürlich braucht
es Zeit, bis sich eine dieser Geek-Armeen in Bewe-
gung setzt, aber ...«

»Er hofft eben, daß die Eingeborenentruppe und

die Bergarbeiter allein mit uns fertig werden«, sagte
von Schlichten. »Für die Dummheit und Furchtsam-

background image

keit unserer Feinde können wir wirklich Gott danken.
Wäre Firkked mit ein paar Regimentern bereitgestan-
den, als das Zehnte Regiment und die Zirks meuter-
ten, dann hätte er uns in zwanzig Minuten überrollt,
und wir wären jetzt alle einen Kopf kürzer.«

Der Airjeep ging tiefer; der Pilot machte das Schie-

befenster neben sich auf. Drunten, ein wenig nördlich
des Reservats, war alles ruhig. Dann, ein paar Kilo-
meter östlich des Reservats, hörte von Schlichten
plötzlich etwas – das dumpfe Geräusch einer größe-
ren Masse, die sich da fortbewegte.

»Hören Sie das, Leutnant?« fragte er. »Halten Sie

darauf zu – etwa tausend Fuß Höhe. Wenn wir direkt
darüber sind, werfen Sie ein paar Fackeln ab.«

»Ja, Sir.« Der Pilot hatte seine Stimme zu einem

Flüstern gedämpft. »Das sind Geeks. Sie wollen zum
Reservat.«

»Vielleicht ist es Firkkeds Armee«, dachte von

Schlichten laut. »Oder vielleicht der Mob aus der
Stadt.«

Die Geräusche wurden jetzt klarer, lauter. Er nahm

das Mikrofon und stellte die Frequenz des Militär-
flughafens ein.

»Von Schlichten; grüßen Sie Colonel Jarman. Fünf

Kilometer östlich des Reservats befindet sich eine
größere Kolonne Geeks auf der Straße nach Skilk.
Möglicherweise sind es auch Soldaten Firkkeds.

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Schicken Sie sofort Kampfschiffe hinüber. Wir werfen
Fackeln ab. Und Jarman soll den Hoork-Fluß durch
Patrouillen abfliegen lassen. Vielleicht sind das nicht
die einzigen Besucher, die da zu uns unterwegs
sind.«

Die Geräusche kamen jetzt direkt von unten. Der

Leutnant sagte: »Die Fackeln, Sir.«

Von Schlichten schloß die Augen und öffnete sie

dann langsam wieder. Der Pilot hatte den Aircar nach
dem Abwurf der Fackeln in einem Looping nach
oben gezogen und ging jetzt im Sturzflug nach unten.
Den Fuß auf dem Maschinengewehrpedal, die Finger
an den Raketenauslösern, starrte von Schlichten
durch das Visier. Unten wimmelte es von Geeks, die
jetzt wie erstarrt stehengeblieben waren und hypnoti-
siert zu den Lichtern hinaufstarrten. Eine Sekunde
später hatten sie sich gefaßt und feuerten – nicht auf
den Airjeep, sondern auf die vier brennenden Ma-
gnesiumkugeln. Von Schlichten trat auf das Pedal
und drückte auf Auslöseknöpfe. Als sie die Geeks
hinter sich gelassen hatten, waren noch vier Raketen
in seinen Rohren.

»Noch einmal das schöne Spiel. Selbe Richtung.«
Der Pilot flog eine schnelle Rolle und stieß von der

anderen Seite auf die Geeks hinunter, die sich inzwi-
schen umgedreht hatten und in die Richtung starrten,
wo sie den Airjeep zuletzt gesehen hatten. Wieder

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nahm sie von Schlichten unter Beschuß. Dieses Mal
feuerten die Geeks zurück. Als der Airjeep einen
Treffer erhielt, drehte der Pilot sofort ab.

»Verdammt, was machen Sie da?« Von Schlichten

hatte den Fuß vom Maschinengewehrpedal genom-
men. »Haben Sie Angst vor den Knallfröschen, mit
denen die schießen?«

»Es ist nicht wegen dem Fahrzeug oder wegen mir,

Sir«, antwortete der Leutnant mit der betonten Förm-
lichkeit eines weit rangniedrigeren Offiziers, der sei-
nen Vorgesetzten berichtigt. »Allerdings scheue ich
mich, meinen Passagier in Gefahr zu bringen. Gene-
räle wachsen nun einmal nicht auf den Bäumen, Sir;
und als Schießbudenfiguren sind sie auch nicht ge-
dacht.«

Natürlich hatte er recht. Von Schlichten räumte das

ein. »Ja, ich bin zu alt für solche Cowboy-Spiele«, sag-
te er. »Also zurück zum Sender.«

Während seiner Abwesenheit hatte jemand eine

TV-Kamera auf einem Kontragravitationslifter instal-
liert, der jetzt, mit einem starken Tensilon-Kabel am
Boden verankert, etwa sechshundert Meter über dem
Boden schwebte. Auf dem runden Bildschirm war
das ganze Reservat der Company zu sehen mitsamt
der perspektivisch verkürzten Umgebung, bis hin zu
den fernen Lichtern von Skilk. Ein großes Reliefmo-
dell des Geländes, das man aus dem Büro des Chef-

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ingenieurs herbeigeschafft hatte, ersetzte jetzt die
Landkarte. Sandwiches kauend und Kaffee trinkend
saßen Paula Quinton, Barney Modkovitz, Colonel
Cheng-Li und – auffallend ruhig – Jules Keaveney
vor dem Bildschirm. Ein halbes Dutzend Terraner
beiderlei Geschlechts brachten in fieberhafter Eile Po-
sitionsmarkierungen auf dem Geländemodell an. Ei-
ner von Captain Inez Malavez' Leuten nahm über
Kopfhörer die Lageberichte auf. Alles lief wie eine
gut geölte Maschinerie.

Auf dem Bildschirm waren, in helles Licht ge-

taucht, das Zentralgebäude des Schiffsdocks, der
Lufthafen, der Raumhafen, die Reparaturwerkstätten
und Wartungshallen zu sehen. Die Markierungen auf
dem Geländemodell wiesen letztere als wieder völlig
in den Händen der Company befindlich aus. Der
größte Teil der für die Minen am Nordpol bestimm-
ten Maschinen war bereits in Sicherheit gebracht
worden. Der Rest des Kreises war dunkel – bis auf die
fernen Lichter von Skilk, wo das Kernkraftwerk of-
fenbar immer noch funktionierte.

Dann, ohne Vorwarnung, flammte südwestlich von

Skilk ein weißer Lichtblitz auf, gefolgt von noch ei-
nem, dann noch einem. Von Schlichten warf einen
Blick auf die Reihe der kleineren Bildschirme. Auf ei-
nem davon sah er ein Detailbild der Stelle, aufge-
nommen von einem patrouillierenden Airjeep.

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Die Armee König Firkkeds von Skilk war zu guter

Letzt auf den Plan getreten. Die Szene auf dem
Schirm ähnelte der, die er vorher selbst im Airjeep er-
lebt hatte. Die skilkanischen Truppen waren in diszi-
pliniertem Marsch vorgerückt. Aber sie hatten den-
selben Fehler gemacht wie der Mob, den die Terraner
nördlich des Reservats niedergemacht hatten. Nicht
an Angriffe aus der Luft gewöhnt, waren sie alle ste-
hengeblieben und starrten offenen Mundes nach
oben. Allerdings hatte eine mit terranischen Waffen
ausgerüstete Kompanie das Feuer eröffnet, noch ehe
der Aircar sich wieder entfernt hatte.

Auf dem großen Schirm war zu sehen, daß Colonel

Jarman die meisten der ihm verfügbaren Kontragra-
vitationsschiffe auf sie geworfen hatte. Neue Licht-
blitze zuckten auf, und die Feuerspuren von Raketen
kurvten nach unten, um auf dem Boden in grellen
Entladungen zu enden.

Auf dem kleinen Bildschirm erkannte man jetzt,

daß die Truppenformationen auf der Straße und links
und rechts davon in den Feldern auseinandergebro-
chen waren. Zuerst sah es aus wie Panik. Doch dann
wurde klar, daß Offiziere den einzelnen Gruppen der
Flüchtigen Order gaben, sich zu zerstreuen. Jetzt wa-
ren etwa zehn bis zwölf Gefechtsschiffe und etwa
zwanzig Airjeeps im Einsatz. Auf dem unruhigen
Bild des Kamerafahrzeugs sah er, wie eine schwere

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Rakete inmitten einer Gruppe einschlug, die sich mit
Handfeuerwaffen zur Wehr zu setzen versuchte.

»Nur feste drauf«, grunzte Barney Modkovitz mit

vollem Mund. »Gebt's ihnen ordentlich; so eine Gele-
genheit kriegt ihr so schnell nicht wieder.«

»Warum nicht?« wollte Colonel Paula Quinton

wissen. Ihr militärisches Wissen war gewachsen,
doch hatte sie noch einige Lücken zu füllen.

»Beim nächsten Luftangriff werden sie nicht mehr

wie die Salzsäulen stehenbleiben«, antwortete Mod-
kovitz. »Wie Sie bemerkt haben werden, war das
eben schon nicht mehr bei allen der Fall.«

Auf dem großen Bildschirm flackerte in der Ge-

gend des Hoork River Mündungsfeuer auf. Auf dem
kleinen Schirm, der das mit der Kamera des Airjeeps
aufgenommene Bild gezeigt hatte, wurde es dunkel.
Auf dem großen Schirm sah man, wie irgend etwas
trudelnd abstürzte. Fast im gleichen Moment
schossen dreißig bis vierzig Raketenspuren auf die
Stelle zu, von der das Geschoß gekommen war.

»Sie hatten eine 75-mm am hinteren Ende der Ko-

lonne«, rief jemand. »Leutnant Kalanangs Jeep wurde
getroffen; Leutnant Vermaas schaltet sich gleich auf
seine Wellenlänge.«

Auf dem kleinen Schirm wurde es wieder hell. Auf

dem großen Schirm leuchteten jetzt Magnesiumlich-
ter über der Stelle, wo sich das Geschütz der Skilka-

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ner befunden hatte. Der kleine Schirm zeigte ein mit
Kratern durchsetztes Stoppelfeld und die Leichen
von zwei Dutzend Eingeborenen. Eine zerborstene
75-mm-Kanone lag auf der Seite.

»Soviel wir wissen, war das Firkkeds einziges 75er-

Geschütz«, sagte Colonel Cheng-Li. »Aber er hat
mindestens sechs, möglicherweise bis zu zehn 40er.
Merkwürdig, daß wir von denen noch nichts gesehen
haben.«

»Nun, wissen kann man es nicht«, sagte Jules Kea-

veney, »aber ich halte für möglich, daß sich alle bei
seinem Palast befinden. Firkked weiß ungefähr, wie-
viel Kontragravitationsschiffe wir haben. Wahr-
scheinlich wundert er sich, daß wir ihn nicht bom-
bardieren.«

»Er weiß nicht, daß wir König Jonkvank den Palast

für eine Armee verkauft haben«, sagte von Schlich-
ten. »Wieviele Kontragravitationsschiffe könnte denn
Firkked für einen Angriff auf uns zusammenkratzen?
Ich erwarte jeden Moment eine Geek-Luftwaffe hier.«

Colonel Cheng-Li starrte einen Moment auf seine

Zigarettenspitze. »Firkked persönlich hat drei zehn-
sitzige Aircars, etwas ähnliches wie einen Truppen-
transporter für seine Höflinge, vier Airjeeps mit je
zwei 15-mm-Maschinengewehren und zwei große
Lastschiffe. Möglicherweise sind zweihundert Fahr-
zeuge aller Art in Skilk und Umgebung; manche da-

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von befinden sich aber in den Händen von Eingebo-
renen, die auf unserer Seite stehen. Ich kann die Zah-
len vom Polizei-Hauptquartier besorgen.«

»Außerdem hat er Thermokonzentrat-Brandsätze

und Sprengbomben«, fügte von Schlichten hinzu.
»Colonel Quinton, setzen Sie sich bitte mit Ed Wal-
lingsby, dem Chefingenieur, in Verbindung. Ich er-
nenne ihn zum Colonel. Er soll dieses Gebäude luft-
angriffsicher machen. Die Geeks, die Leavitt gefangen
genommen hat, können Splittergräben ausheben,
Sandsäcke füllen und so weiter. Mr. Keaveney, Sie
machen hier eine Art Luftschutzorganisation. Sie
werden mit dem auskommen müssen, was niemand
anderer will. Setzen Sie sich mit Colonel Jarman und
Colonel Wallingsby ins Benehmen. Denken Sie an al-
les, was hier bei einem Luftangriff schiefgehen könn-
te, und tun Sie im voraus etwas dagegen.«

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10

Die Geek-Luftwaffe und der kraganische Airlift


Um 0245 begann in der nordwestlichen Ecke des Re-
servats ein Angriff auf die Sprengstoffmagazine. Er
erwies sich als relativ schwach. Zwar kostete es eine
erhebliche Menge Munition, ihn abzuschlagen, aber
nur geringe Verluste unter den Verteidigern. Gegen
Tagesanbruch hörten die Angriffe ganz auf.

In der Zwischenzeit hatte sich Themistokles

M'zangwe aus Konkrook gemeldet. Auf dem Bild-
schirm war zu sehen, daß er den linken Arm in einer
Schlinge trug.

»Was zum Teufel haben Sie denn da angestellt?«

wollte von Schlichten wissen.

»Pfeilschuß, vor etwa einer halben Stunde. Ein we-

nig weiter rechts, und Brigadier-General Colbert
würde jetzt statt meiner mit Ihnen sprechen.«

»Nur gut, daß der Pfeil keine Nitro-Kapsel hatte.

Wie steht's bei Ihnen? Sind schon Leute von Kankad
da?«

»Ja, ungefähr sechshundert. Sie kamen in dem ver-

rücktesten Sammelsurium von Fahrzeugen, das ich
jemals gesehen habe. Kankad hat alles aufgeboten,
was er überhaupt an Kontragravitationsschiffen hat.

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Es ist geradezu ein umgekehrtes Dünkirchen. Kankad
will, sobald er kann, selber kommen. Die Geeks hier
haben sich eine eigene Luftflotte zugelegt – Lastboo-
te, Aircars und so weiter – und bombardieren uns
hier und die Festlandfarm, hauptsächlich mit Nitro-
glycerin. Ungefähr zwanzig von ihnen haben wir ab-
geschossen, aber es kommen immer noch welche.
Aber wir sitzen auch nicht auf unseren Händen und
haben schon eine Anzahlung für Eric Blount und
Hendric Lemoyne abgeliefert. Haben einen Fünfzig-
Tonnen-Tank mit Thermokonzentrat gefüllt, ihn mit
einem Zünder versehen und ihn mit der Elmoran über
der keegarkanischen Botschaft abgeworfen. Der Be-
hälter muß mitten im Haupthof gelandet sein; inner-
halb zehn Sekunden kamen Flammen aus jedem Fen-
ster.« Seine Miene verdüsterte sich. »Aber etwas
Schlimmes ist auch passiert«, sagte er. »Nach den an-
deren haben auch Fürst Jaizerds Leute gemeutert; sie
drangen ins Hospital ein und schlachteten alles ab –
Patienten, Ärzte und Pfleger. Die Kraganer kamen zu
spät, haben aber die Meuterer vernichtet. Jaizerd
selbst war der einzige, den sie lebend bekamen, aber
er blieb es nicht lange.«

»Wie kommen Sie mit der Zivilverwaltung aus?«
M'zangwe verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

»Bis jetzt habe ich noch niemanden festnehmen müs-
sen. Aber Buhrmann mußten wir mit Gewalt vom

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Kommunikator fernhalten. Er wollte Sie anrufen und
Ihnen die Hölle heiß machen, weil Sie nicht alle im
Norden befindlichen Leute nach Konkrook evakuiert
haben.«

»Ist der wahnsinnig?«
»Nein, er hat nur Schiß. Sie lassen uns alle nachein-

ander abmurksen, sagt er, statt Konkrook zu retten,
indem wir uns dort konzentrieren.«

»Sagen Sie ihm, daß ich diesen Planeten halten

würde, und nicht nur eine Stadt. Ich fühle mich der
Company und ihren Aktionären verpflichtet, falls das
bei ihm nicht so sein sollte. Drücken Sie es so aus,
und er wird es vielleicht verstehen.«

»Ja; bei Meyerstein werde ich auch so verfahren; er

ist ganz aus dem Häuschen über das, was das Ban-
kenkartell bei dieser Geschichte verliert ... Also, so-
bald es was Neues gibt, melde ich mich wieder.«

Gegen 0330 wurde es hell. Die Angriffe auf die

Nordwestecke des Geländes hörten gänzlich auf.
Wallingsby hatte gut dreihundert skilkanische Arbei-
ter in Bewegung gesetzt. Jules Keaveney leistete zu
von Schlichtens freudiger Überraschung gute Arbeit
als Luftschutzorganisator. Colonel Jarmans Airjeeps
und Gefechtsschiffe schwärmten in immer weiteren
Kreisen aus und säuberten den Luftraum. Und Paula
Quinton brachte es neben ihrer anderen Arbeit fertig,
eine knappe, aber vollständige Zusammenfassung

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der Lage in den anderen von Terranern besetzten Ge-
bieten des Planeten zu erstellen.

Die Situation in Konkrook schien sich zu bessern.

Nahezu zweitausend Kraganer, darunter Kankad
selbst, befanden sich jetzt auf Gongonk Island und
den Festlandfarmen. Die Aldebaran war in Kankads
Stadt, um weitere tausend Kraganer an Bord zu neh-
men ... Aus Keegark kam nichts mehr. Im Morgen-
grauen hatte Colonel MacKinnon noch gemeldet, daß
die Geeks seine letzten Widerstandsnester bedräng-
ten und daß er im Begriffe sei, die Residenz in die
Luft zu sprengen. Dann trat Funkstille ein ... Um 0730
war die Northern Star mit den Mördern beim Palast
von Krink gelandet und hatte um 0845 ein weiteres
Regiment abgesetzt. Und noch zwei. Guido Karames-
sinis in Grank befand sich in einem unsicheren Frie-
denszustand mit König Yoorkerk, der sich noch nicht
hatte entscheiden können, ob die Rebellen oder die
Company die Oberhand behalten würde, und sich
deshalb vor allzu gewagten Schritten in jeder Rich-
tung hütete ...

Um 1100 befahlen ihm Paula Quinton und Modko-

vitz regelrecht, sich schlafenzulegen. Er zog sich in
sein Quartier in der Zentrale der Company zurück,
kippte einen dreistöckigen Honigrum und schlief bis
1600. Während er sich rasierte und anzog, konnte er
durch das offene Fenster Gewehrfeuer, das wumm-

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wumm-wumm von 40-mm-Automatik-Kanonen und
das Hämmern eines Maschinengewehrs hören.

Als er zu seinem Kommandostand im Sendege-

bäude zurückkehrte, sah er, daß sich ihre Stellungen
im Nordwesten weiter vorgeschoben hatten. »Wo ist
Colonel Quinton?« fragte er. »Die wäre jetzt für ein
Nickerchen an der Reihe.«

»Ist schon dabei«, antwortete Major Falkenberg.

»Colonel Guilliford ist im Hospital, wurde etwa um
1300 verwundet. Man befürchtet, daß ihm ein Bein
amputiert werden muß.«

»Sehr betrüblich.« Er deutete auf die Nordwestecke

des Bildes auf dem TV-Schirm. »Wessen Idee war
das?« fragte er. »Guter Gedanke; ich hätte selbst dar-
auf kommen sollen.«

»Ihre neue Adjutantin«, grinste Falkenberg. »Sie

fragte irgend jemand, was diese großen Kuppeln dort
drüben bedeuten. Als sie hörte, daß sich zehntausend
Tonnen Thermokonzentrat, fünftausend Tonnen
Sprengstoff und fünf Tonnen Plutonium darunter be-
finden, fiel sie beinahe in Ohnmacht. Und dann gab
sie diesen Befehl.«

Aus Krink war zu hören, daß die Northern Star wei-

ter loyale Truppen einflog. König Jonkvank, mit dem
von Schlichten sprach, war bester Stimmung.

»Wir töten die Verräter, wo immer wir sie finden!«

jubelte er. »Die Stadt ist ganz gelb von ihrem Blut!

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Überall türmen sich ihre Köpfe zu Bergen! Und in
Skilk?«

»Auch wir haben viele ausgeschaltet«, prahlte von

Schlichten. »Und heute abend geht es noch vielen an-
deren an den Kragen. Wir bereiten Bomben größter
Zerstörungskraft vor, die wir auf Skilk niederprasseln
lassen werden, bis kein Stein mehr auf dem anderen
bleibt und auch nicht das kleinste Kind mehr am Le-
ben ist!«

Jonkvank reagierte wie erwartet. »O nein, General;

tun Sie das nicht! Ich habe Ihr Wort, daß Sie Skilk mir
überlassen werden. Soll ich einen Trümmerhaufen
voller Leichen bekommen?«

Von Schlichten zuckte die Achseln. »Ist man stark,

kann man seine Feinde mit der Peitsche züchtigen. Ist
man schwach, dann kann man sie nur töten. Hätte ich
hier fünftausend Soldaten mehr, dann ...«

»Oh, ich schicke Soldaten, sobald es nur geht«, be-

eilte sich Jonkvank zu versichern. »Meine besten Re-
gimenter: Die Mörder, die Kannibalen, die Scharfrichter
... Aber ich kann jetzt, nachdem wir diese verwerfli-
che Revolution hier gestoppt haben, die Stadt nicht
von Truppen entblößen und riskieren, daß der Auf-
stand von neuem ausbricht.«

Von Schlichten nickte. Jonkvank hatte durchaus

recht; auch er selbst würde so argumentiert haben.

»Nun, schicken Sie so viele wie möglich hier rüber,

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sobald es geht«, sagte er. »Wir werden versuchen, in
Skilk so wenig Schaden wie möglich anzurichten,
aber ...«

Der lange Nachmittag des nördlichen Herbstes zog

sich hin. Um 2200 ging schließlich die Sonne unter;
eine Stunde später wurde es völlig dunkel. Längere
Zeit herrschte unheildrohende Ruhe. Und dann, um
0030 begann die Attacke der Feinde. Sie trieben ganze
Herden der sechsbeinigen Fleischtiere in die Minen-
felder und gegen die elektrischen Zäune, die jetzt das
gesamte von der Company gehaltene Areal umgaben,
um Breschen zu schlagen.

Hinter ihnen kamen skilkanische Soldaten. Jarman

warf fünfzehn seiner noch verbliebenen zwanzig Air-
jeeps und fünf Kampfschiffe in das Gefecht. Kaum
waren sie gestartet, als die Radarstation des Handels-
flughafens sich von Norden her nähernde Flugkörper
meldete. Sirenen begannen zu heulen. Scheinwerfer
flammten auf.

Die Panzertüren und -jalousien der zum Schutz vor

den extremen Sommer- und Wintertemperaturen
sehr dickwandig erstellten Gebäude wurden elek-
trisch geschlossen. Noch ehe die Angreifer – vier
ganz gewöhnliche, nachträglich mit Maschinenge-
wehren bestückte Aircars und zehn zu Bombern um-
gerüstete Transportfahrzeuge – ihr Zielgebiet erreicht
hatten, fielen sie bis auf einen der Airjeeps dem kon-

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zentrierten Abwehrfeuer zum Opfer. Als auch der
Bodenangriff abgeschlagen war, schickte von Schlich-
ten alle seine verfügbaren Kontragravitationsschiffe
in die Luft und begann Skilk mit 90-mm-Geschützen
zu beschießen. Zahlreiche Brände brachen dort aus,
und gegen 0200 stand der Feuerschein himmelhoch
über der Stadt.

»Das ist Firkkeds Thermokonzentrat-Vorrat«, sagte

er zu Paula, die neben ihm vor dem Bildschirm stand.

Eine halbe Stunde später mußte er feststellen, daß

er zu optimistisch gewesen war. Ein großer Teil des
terranischen Thermokonzentrats war vernichtet wor-
den. Dennoch blieb den Feinden genug, das Reservat
und die Gebäude der Company mit Brandsätzen zu
überschütten, als ein halbes Hundert Lastfahrzeug-
Bomber und fünfzehn Aircars den zweiten Luftan-
griff vortrugen. Den ersten Angriff hatte von Schlich-
ten auf dem Bildschirm im Sendegebäude verfolgt.
Jetzt befand er sich auf einem Inspektionsgang in den
Depots und hatte das zweifelhafte Vergnügen, den
zweiten Luftangriff ungeschützt dort zu erleben. Wie
beim erstenmal fand auch jetzt ein gleichzeitiger Vor-
stoß der feindlichen Truppen im Süden statt. Die
meisten der angreifenden Kontragravitationsfahr-
zeuge wurden abgeschossen; mindestens zwei Dut-
zend davon stürzten auf das Gelände des Reservats.
Es war bereits heller Tag, als die letzten Reste der

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feindlichen Bodentruppen getötet oder zurückge-
schlagen waren.

Nicht lange danach erschien die gewaltige Northern

Star am westlichen Horizont.

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11

Von eroberten Fürstentümern


Als von Schlichten wieder den Sender betrat, meldete
sich eben Colonel Khalid ib'n Talal von Bord des an-
fliegenden Schiffes.

»Ich komme mit einem von Jonkvanks Regimen-

tern, den Scharfrichtern, bewaffnet mit terranischen 9-
mm-Gewehren und einigen Bazookas. Des weiteren
bringe ich eine Kompanie Zirks mit ihren Reittieren
und ein Bataillon der Sechsten Eingeborenenarmee.
Außerdem habe ich vier mit Terranern bemannte 90-
mm-Geschütze. Wie ist bei Ihnen die Lage, General,
und wo soll ich landen?«

Von Schlichten erläuterte kurz den Stand der Din-

ge. »Versuchen Sie, westlich der Trümmer des Arbei-
ter-Camps niederzugehen«, beschied er ib'n Talal.
»Der größte Teil von Firkkeds Armee befindet sich in
diesem Abschnitt, und ich möchte, daß sie sobald wie
möglich von dort verjagt werden. Sie bekommen von
uns jede nur mögliche Unterstützung.«

Bis nach Krink waren es achthundert Kilometer.

Drei Stunden, nachdem sie wieder gestartet war,
brachte die Northern Star zwei weitere von König
Jonkvanks Infanterieregimentern. Kurz nach 1300, als

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der vierte Transport von Krink anlangte, waren die
feindlichen Truppen bis über den Hoork River zu-
rückgeschlagen. Dieses letzte Verstärkungskontin-
gent war in den östlichen Vororten von Skilk abge-
setzt worden und begann, sich von dort in die Stadt
zu kämpfen.

Daß die Befriedung von Skilk nicht ebenso rasch

erfolgen konnte, wie von Schlichten es wünschte –
daran konnte kein Zweifel bestehen. Straßenkämpfe
gegen einen derart erbitterten Feind sind immer
schwierig. Von Schlichten entschloß sich, den Palast
selbst durch die Northern Star angreifen zu lassen und
– gegen den Widerstand von Paula Quinton, Jules
Keaveney und Barney Modkovitz – die Operation
persönlich zu leiten.

Über der Stadt angekommen, stellte er fest, daß die

Zirk-Kavallerie von Krink bis auf etwa tausend Meter
an den Palast herangekommen war und, unterstützt
durch Infanterie, Kontragravitationsschiffe und eini-
ge Airtanks, eine Massierung von Skilkanern unter
Beschuß nahm, deren mangelnde Uniformierung es
unmöglich machte, zwischen Soldaten und zivilen
Stadtbewohnern zu unterscheiden. Nur sehr wenige
von ihnen hatten, wie er durch das Fernglas feststell-
te, Gewehre. Eine größere Anzahl von Bogenschützen
befand sich darunter. Beide Waffen konnten aus
fünfzig Meter Entfernung einen Terraner ganz, einen

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Ulleraner zur Hälfte durchbohren. Aber aus über
hundert Meter Entfernung waren sie schon fast harm-
los. Einige durch das Bombardement der vorherge-
henden Nacht verursachte Brände flackerten noch.
Firkkeds Thermokonzentrat-Vorräte waren allerdings
längst erloschen. Nur noch schwarze, leblose Trüm-
mer waren in dieser Gegend übrig.

Das Schiff ließ sich auf dem Dach des Palastes nie-

der, während die sechs begleitenden Kampfboote
ihm Feuerschutz gaben. Noch bevor es ganz aufge-
setzt hatte, sprangen Kraganer heraus, rannten zu
den Treppenhäusern und warfen Handgranaten hin-
ein.

Die Eroberung des Palastes kostete hohe Verluste.

Firkkeds Soldaten und Höflinge, die sehr wohl wuß-
ten, wie wenig Gnade sie hätten walten lassen, wären
sie selbst die Angreifer gewesen, verteidigten sich
verzweifelt. Stockwerk für Stockwerk, Korridor auf
Korridor, Raum für Raum mußten sie niedergemacht
werden. Am Portal des Thronraums kam es zu einem
besonders erbitterten Kampf. Schließlich mußten von
Schlichten und seine Kraganer über Haufen von To-
ten klettern, um hineinzugelangen.

An

Gnade

und

Erbarmen

war

jetzt

nicht

mehr

zu

denken.

Nordullersche

Adelige

ergaben

sich

nicht

un-

ter

den

Augen

ihres

Königs,

und

nordullersche

Könige

gaben

ihren

Thron

nicht

lebend

preis.

Von

Schlichten

background image

dachte

an

die

Tradition,

die

verlangte,

daß

ein

König

nur

im

persönlichen

Kampf

mit

dem

feindlichen

An-

führer

fallen

durfte,

durch

den

Stahl.

Mit

einem

Breit-

schwert,

das

er

im

Treppenhaus

an

sich

gerissen

hatte,

kämpfte

sich

von

Schlichten

zum

Thron

vor,

wo

ihn

Firkked

erwartete,

ein

Schwert

in

einer

der

oberen

Hände,

den

Staatsspeer

in

der

anderen,

einen

Dolch

in

beiden

unteren

Händen.

Mit

der

Linken

riß

von

Schlichten

das

Bajonett

vom

Gewehr

eines

Kraganers

und

schritt

auf

den

Thron

zu.

Wie

absurd

es

war,

daß

er,

ein

Mensch

des

Sechsten

Jahrhunderts

der

Atom-

ära,

Repräsentant

einer

zivilisierten

Gesellschaft,

sich

auf

Leben

und

Tod

mit

einem

barbarischen

König

du-

ellieren

sollte

um

einen

Thron,

den

er

einem

anderen

Barbaren

versprochen

hatte,

und

was

aus

Uller

werden

würde,

wenn

er

zuließ,

daß dieses vierarmige Monster

ihn tötete – daran wagte er gar nicht zu denken.

Ganz so aussichtslos war seine Lage allerdings gar

nicht. Mit dem verzierten Staatsspeer ließ es sich,
trotz seiner langen, gefährlich aussehenden Klinge,
nicht besonders gut kämpfen, zumindest nicht mit
einer Hand, und Firkked schien gerade auf Grund
der Vielfältigkeit seiner Bewaffnung verwirrt und un-
schlüssig zu sein. Mit ein paar Hieben gelang es von
Schlichten, seinem Gegner das unhandliche Ding
wegzuschlagen. Die skilkanischen Adeligen, die
selbst

zu

kämpfen

aufgehört

hatten,

um

dem

Duell

zu-

background image

zusehen,

stimmten

ein

fürchterliches

Geheul

an;

offen-

sichtlich

handelte

es

sich

hier

um

ein

schlimmes

Omen.

Firkked

hingegen

schien

eher

erleichtert

zu

sein,

das

Ding

loszuhaben,

packte

sein

Schwert

mit

beiden

obe-

ren

Händen

und

führte

einen

sausenden

Schlag

nach

von

Schlichtens

Hals.

Von

Schlichten

tauchte

darunter

hinweg,

hackte

mit

blitzschnellem

Hieb

eine

von

Firk-

keds

unteren

Händen

ab

und

holte

dann

zum

Stoß

ge-

gen

den

königlichen

Körper

aus.

Firkked

parierte

mit

seinem

verbliebenen

Dolch,

sprang

einen

Schritt

zu-

rück,

führte

einen

erneuten

Schwertstreich,

den

von

Schlichten

mit

dem

Bajonett

in

seiner

Linken

parierte.

Blitzschnell

konterte

er

mit

dem

Jahrtausende

alten

coup

de

Jarnac

gegen

die

Innenseite

von

Firkkeds

Bein.

Unfähig,

das

Gewicht

seines

schweren

Körpers

auf

ei-

nem

Bein

zu

halten,

taumelte Firkked. Und von

Schlichten stieß ihm sein Schwert in die Brust und
sein Bajonett durch den Hals.

Einen Augenblick lang herrschte im Thronsaal To-

tenstille. Dann warfen die Skilkaner mit einem ent-
setzlichen Schrei ihre Waffen nieder. Einer der Kra-
ganer von Schlichtens packte den Staatsspeer mit al-
len vier Händen und stellte sich feierlich hinter den
Sieger. Ein paar andere zerrten Firkkeds Leichnam an
den Fuß der Empore, und einer von ihnen zog sein
kurzes Schwert und enthauptete ihn.

background image

Am

Nachmittag

postierte

sich

von

Schlichten

auf

dem

Dach

des

Palastes,

in

der

Hand

den

Staatsspeer

mit

dem

darauf

aufgespießten

Kopf

Firkkeds.

Ein

terrani-

scher

Techniker

nahm

ihn

mit

einem

TV-Recorder

auf.

»Dies«, sagte er mit dem Geek-Enunciator im

Mund, »ist König Firkkeds Staatsspeer, und hier auf
seiner Spitze ist König Firkkeds Kopf. Noch vor zwei
Tagen lebte Firkked in Frieden mit der Company,
und Firkked war König in Skilk. Hätte er sich nicht
unterfangen, seine schwache Hand gegen die Uller-
Company zu erheben, dann wäre er jetzt noch am
Leben. So wird es allen ergehen, die sich gegen die
Company auflehnen ... Schnitt.«

Die Kamera stoppte. Ein Kraganer trat hinzu, nahm

den Speer mit seiner gräßlichen Last, trug ihn zur
nächsten Wand und lehnte ihn dort hin wie ein Stück
Bühnendekoration, das erst in der nächsten Szene
wieder gebraucht wird. Von Schlichten nahm seinen
Geek-Enunciator heraus, wischte ihn ab, steckte ihn
ein und zündete sich eine Zigarette an.

»Das ist doch wirklich die Höhe!« entrüstete sich

Paula Quinton, die während der Aufnahme herauf-
gekommen war. »Ich dachte, Sie hätten ihn töten
müssen, um Ihre Soldaten zu motivieren. Daß Sie es
taten, um einen Film für Ihre Freunde zu machen,
hätte ich nicht geglaubt. Mir reicht's; Sie können sich
einen neuen Adjutanten suchen!«

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Von Schlichten starrte sie durch sein Monokel an.
»Sie können nicht von Ihrem Posten zurücktreten«,

erklärte er ihr. »Rücktritte von Offizieren werden erst
nach Beendigung der Feindseligkeiten angenommen.
Außerdem möchte ich sowieso nicht, daß Sie gehen;
Sie sind der beste Adjutant, den ich je hatte, Hideyos-
hi O'Leary nicht ausgenommen. Setzen Sie sich, Co-
lonel.« Er nahm einen tiefen Zug und blies dann
langsam den Rauch aus. »Ihre militärisch-politische
Bildung bedarf einiger Ergänzungen.

In Grank haben wir zwei Schiffe. Das eine ist die

Northern Lights, das Schwesterschiff der Northern Star.
Das andere ist der Kreuzer Procyon, mit einer Haupt-
batterie von vier 200-mm-Geschützen das einzige
wirkliche Kriegsschiff auf Uller. Wie König Yoorkerk
diese Schiffe in seine Gewalt bekommen hat, weiß ich
nicht; das wird Gegenstand der Untersuchung von
Spezialausschüssen und vielleicht sogar Kriegsgerich-
ten sein, sobald wir die Dinge so weit stabilisiert ha-
ben, daß wir uns derartigen Luxus leisten können. Im
Augenblick jedenfalls haben wir diese Schiffe drin-
gend nötig, und deswegen werde ich Hideyoshi O'-
Leary, sobald er wieder da ist, mit der Northern Star
und einer Kraganertruppe nach Grank schicken, um
sie zu holen. Das TV-Band, dessen letzte Szene das
eben war, ist einer der Hebel, die er ansetzen wird.«

»Oh! Ich verstehe!« Erfreut, endlich begriffen zu

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haben, nahm sie die Zigarette, die von Schlichten ihr
anbot. »Guter alter Nervenkrieg!«

»Ja. Eine hübsche kleine Idee meiner Nazivorfah-

ren. Hideyoshi wird einen Filmabend für König
Yoorkerk veranstalten. Wetten, daß er die Procyon
und die Northern Lights freigibt und die Blockade der
Niederlassung in Grank abbricht, sobald er gesehen
hat, wie ihn Firkkeds Kopf auf dieser Speerspitze an-
grinst? Und das ist nur die letzte Szene, wie ich schon
sagte. Ich habe während des ganzen Kampfes Auf-
nahmen machen lassen; manche davon sind wirklich
furchtbar.«

»Aber warum mußten Sie selbst mit Firkked kämp-

fen?« fragte sie. »Das war doch schrecklich riskant –
mit Ihren zwei Armen gegen seine vier.«

»Ich selbst mußte ihn töten, und zwar mit einem

Schwert. Gemäß der hiesigen Tradition bin ich da-
durch König von Skilk.«

»Oh, Euer Majestät!« Sie stand auf und machte ei-

nen komisch-ehrerbietigen Knicks. »Aber – ich dach-
te, Sie wollten Jonkvank zum König von Skilk ma-
chen.«

Er schüttelte den Kopf. »Nur zum Vizekönig«, kor-

rigierte er sie. »Er wird als mein Vasall regieren, und
folglich als Vasall der Company. Alsbald wird er
dann in Krink auch nicht viel mehr sein als das. Eine
gewisse Zeit wird das dauern – zuerst wird es Mili-

background image

tärmissionen, Wirtschaftsmissionen, Handelsverträge
und so weiter geben – aber so wird er langsam zur
Marionette.«

Eine halbe Stunde später wurde gemeldet, daß sich

König Jonkvanks großes, zieratüberladenes Schiff von
Osten nähere. Eine Eskorte von Kampfbooten wurde
ihm entgegengeschickt, und ein Kraganerbataillon
sowie die überlebenden von Firkkeds Höflingen
nahmen auf dem Palastdach Aufstellung.

»Seine Majestät, Jonkvank, König von Krink!« rief

der frühere Herold König Firkkeds, jetzt Herold Kö-
nig Carlos von Schlichtens, und schlug mit der fla-
chen Seite seines Schwertes auf einen Blechschild, als
Jonkvank, begleitet von einer Gruppe seiner Adeli-
gen, von denen einer den Staatsspeer trug, seinem
Landeboot entstieg. Als die Gäste über das Dach
schritten, schlug der Herold von neuem auf seinen
Schild.

»Seine Majestät König Carlos von Schlichten«, – es

klang ungefähr wie Karlok vonk Zlikdenk – »durch
Recht des Siegers König von Skilk!«

Gefolgt von einem Höfling mit seinem eigenen

Staatsspeer, auf dem noch Firkkeds grinsendes Haupt
steckte, schritt von Schlichten seinem königlichen
Kollegen entgegen.

Jonkvank blieb mit wutverzerrtem Gesicht stehen.
»Was ist das?« fragte er. »Sie sagten, ich würde

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König von Skilk werden. Ist das die Art, wie Terraner
ihr Wort halten?«

»Ein Terraner hält immer Wort, Jonkvank«, ant-

wortete von Schlichten unter Auslassung des Titels –
so, wie ein Souverän den anderen anredet. »Ich habe
gesagt, daß Sie in Skilk regieren sollen, und dabei
bleibt es. Aber so etwas muß dezent geschehen. Und
unter der Beachtung von Sitte und Gesetz. Ich habe
Firkked im Kampf Mann gegen Mann getötet. An-
dernfalls wäre der Speer von Skilk auf einen der
Nachkommen von Firkked übergegangen. Ist das Ge-
setz nicht so?«

Jonkvank nickte unwillig. »Das ist das Gesetz«,

räumte er ein.

»Gut. Nun, da ich Firkked auf die im Gesetz vorge-

sehene Weise getötet habe, gehört sein Speer mir, und
was mir gehört, kann ich nach Belieben anderen ge-
ben. Ich gebe Ihnen hiermit, wie versprochen, den
Speer von Skilk. Tragen Sie ihn in meinem Namen.«

Der Kraganer, der die Zeremonienwaffe trug,

schüttelte Firkkeds Haupt von der Spitze herunter.
Ein anderer Kraganer stieß es zur Seite und wischte
die Speerklinge mit einem Lappen sauber. Von
Schlichten nahm den Speer und gab ihn Jonkvank.

»Das ist nicht gut!« protestierte einer der skilkani-

schen Adeligen. Wenn irgend jemand ein Recht zum
Protest hatte, dann er: Ein paar Stunden zuvor war er

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an der Spitze seines Gefolges erschienen, um der
Company Loyalität zu schwören. »Wenn Sie über uns
herrschen, gut. Sie haben Firkked im Einzelkampf ge-
tötet und sind damit sein rechtmäßiger Nachfolger.
Aber daß dieser Fremde den Speer von Skilk be-
kommen soll, das ist nicht gut!«

Durch sein Beispiel ermutigt, quäkten einige von

den anderen Zustimmung.

»Jetzt hört gut zu!« rief von Schlichten. »Keine Fra-

ge, daß Krink nicht über Skilk herrschen wird. Aber
spielt es eine Rolle, wer den Speer von Skilk hat,
wenn es in meinem Namen geschieht? Und König
Jonkvank wird kein Fremder sein. Er wird hierher
kommen und unter euch leben, und später wird er
zwischen Krink und Skilk hin und herreisen und den
Speer von Krink in Krink, den Speer von Skilk hinge-
gen in Skilk lassen. Und in Skilk wird er ein Skilkaner
sein.«

Das schien alle zufriedenzustellen mit Ausnahme

von Jonkvank, und der hatte Verstand genug, nicht
weiter zu insistieren. Er ließ sogar den Speer von
Krink an Bord seines Fährbootes bringen, damit er
den Skilkanern aus den Augen war. Als er eine Stun-
de später von Schlichten begleitete, um Hideyoshi
O'Leary beim Start nach Grank zu verabschieden, ließ
er den Speer von Skilk hinter sich hertragen.

Als er jedoch – im früheren Schlafraum König

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Firkkeds – wieder mit von Schlichten alleine war, ex-
plodierte er:

»Was versprechen Sie denn da diesen Leuten für

Unsinn, an den ich mich jetzt halten soll? Daß ich den
Speer von Skilk in Skilk und den Speer von Krink in
Krink lassen und daß ich hier leben soll ...«

»Wollen Sie Skilk behalten?« fragte von Schlichten.
»Meine Absicht ist, Skilk zu behalten. Zu allererst

aber müssen hier viele Köpfe rollen – sehr viele. Die
Köpfe all derer, die diesem Narren von Firkked den
Rat gaben, so einen Aufruhr in Szene zu setzen. Die
Köpfe derer, die Rakkeed, diesen falschen Propheten,
beherbergten, als er hier war. Die Köpfe der abtrün-
nigen Priester, die dieser schrecklichen Häresie an-
hingen und ihm erlaubten, im Tempel seine Blas-
phemien auszuspeien. Die Köpfe derer, die Aufwieg-
ler nach Krink sandten, um meine Soldaten und Ade-
ligen zu pervertieren und zu korrumpieren. Die Köp-
fe derer ...«

»All das entspricht durchaus meinen Vorstellun-

gen«, stimmte von Schlichten zu. »Nur muß es sehr
schnell geschehen, bevor die Erinnerung an diese
Verbrechen in den Köpfen der Leute verblaßt. Unbe-
dingt ist darauf zu achten, daß nur jene getötet wer-
den, denen irgendeine Schuld nachgewiesen werden
kann. Dann wird man sagen, daß die Gerechtigkeit
König Jonkvanks allen Übeltätern ein Schrecknis ist,

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all

denen

aber,

die

Frieden

halten

und

den

Gesetzen

gehorchen,

Schutz

bedeutet

und

Schild.

So

werden

Sie

den

Ruf

eines

gerechten

und

weisen

Königs

erlangen.

Und

wenn

Priester

getötet

werden

müssen,

soll

es

un-

ter

der

Aufsicht

jener

anderen

Priester

erfolgen,

die

den

Göttern

nicht

abschworen

und

dafür

von

König

Firkked

aus

ihren

Tempeln

getrieben

wurden;

und

die-

ses

muß

im

Namen

der

Götter

geschehen.

Dann

wird

man

Sie

als,

frommen

und

nicht

als

gottlosen

König

an-

sehen.

Was

die

Frage

betrifft,

warum

Sie

in

Skilk

Skil-

kaner

sein

müssen,

so

haben

Sie

die

Worte

Flurknurks

gehört,

und

wie

sehr

ihm

die

anderen

zustimmten.

Es

darf

nicht

der

Anschein

erweckt

werden,

als

wäre

die

Stadt

unter

fremde

Herrschaft

geraten.

Und

Sie

dürfen

die

Gesetze

nicht

ändern,

außer,

das

Volk

will

es

so,

oder

die

Steuern

erhöhen,

und

auch

die

Habe

der

mit

dem

Tode

bestraften

dürfen

Sie

nicht

konfiszieren,

denn

der

Tod

der

Eltern

wird

stets

schneller

verziehen

als

der

Verlust

des

Erbteils.

Und

vor

allem

dürfen

Sie

keine

der

Nachkommen

Firkkeds am Leben lassen,

damit sie sich nicht später gegen Sie erheben.«

Tief beeindruckt nickte Jonkvank. »Bei den Göt-

tern, Karlok vonk Zlikdenk, das ist wirkliche Weis-
heit! Jetzt kann ich verstehen, warum Leute wie Firk-
ked gegen Sie oder die Company nie etwas ausrich-
ten können, so lange Sie der obere Schwertarm der
Company sind!«

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Einen Augenblick lang war von Schlichten ver-

sucht, die Urheberschaft der eben vorgetragenen
Prinzipien von sich zu weisen, selbst um den Preis
dessen, daß er den Namen Niccolo Machiavelli mit
einem Geek-Enunciator hätte aussprechen müssen.
Dann aber behielten politische Überlegungen die
Oberhand. Wenn Jonkvank jemals von Il Principe hör-
te, würde er auf einer Übersetzung ins Ullerische be-
stehen, und von Schlichten wäre darüber ebenso
glücklich gewesen wie über eine ullerische Überset-
zung sämtlicher Spezifikationen einer Betazyklus-
Bombe.

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12

Der Schatten von Niflheim


Hinter ihnen senkte sich die Sonne tiefer und tiefer
dem Horizont zu, während ihr Aircar dem breiten Tal
des ausgetrockneten Hoork River folgte. Hassan
Bogdanoff steuerte, während Harry Quong noch sei-
nen Lunch beendete, um dann mit ihm Platz zu tau-
schen. Von Schlichten holte zwei Flaschen Bier aus
dem Kühlabteil der Lunch-Kiste und reichte Quinton
eine davon.

»Was sollen wir mit den Geeks anfangen«, – sie ge-

brauchte jetzt das häßliche, herabsetzende Wort un-
bewußt und ganz gewohnheitsmäßig – »wenn all dies
einmal vorbei ist? Wir können doch nicht einfach sa-
gen: ›Ganz gut gemacht; war wirklich ein hübsches
Spiel‹ und dann weitermachen, wo wir Mittwoch
abend aufgehört haben.«

»Nein. In allen von uns besetzten Teilen dieses Pla-

neten muß die politische Gewalt von Terranern über-
nommen werden, und sobald wir die Lage um die
Takkad-See herum und nördlich davon stabilisiert
haben, werden wir weiter expandieren müssen«,
antwortete er. »Keegark, Konkrook und die Freien
Städte werden ja relativ einfach sein. Sie haben sich

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jetzt

gerüstet

zum

Widerstand

gegen

uns,

und

wir

können

dort

mit

Gewalt

die

Herrschaft

an

uns

reißen.

Mit

Jonkvank

mußte

ich

einen

Pakt

schließen;

mit

ihm

wird

es

länger

dauern,

aber

zur

rechten

Zeit

werden

wir

soweit

sein.

Wenn

ich

die

beiden

so

gut

kenne,

wie

ich

glaube,

werden

uns

Jonkvank

und

Yoorkerk

sehr

bald

genügend

Vorwände

liefern.

Dann

können

wir

veranlassen,

daß

sie

auf

Grund

von

Gesetzen

regieren

und

ordentliche

Gerichtshöfe

einsetzen

müssen.

Dann

muß

auch

dem

Kopfgeldwesen

ein

Ende

gemacht

werden,

und

diese

willkürlichen

Massenverhaftungen

und

Arreste

für

Steuervergehen,

die

nichts

anderes

sind

als

Sklaven-Raubzüge

der

Geek-Prinzen

in

ihrem

eigenen

Volk,

müssen

aufhören.

Überhaupt

ist

die

Sklaverei

auch

noch

abzuschaffen.

In

ein

paar

Jahr-

hunderten

kann

dann

dieser Planet die Zulassung zur

Föderation erhalten wie Odin und Freya.«

»Wird nicht sehr viel davon abhängen, wen die

Company als Harringtons Nachfolger hierher-
schickt?«

»Wenn ich mich nicht sehr täusche, wird die Com-

pany mich bestätigen«, erwiderte er. »Regierung und
Verwaltung von Uller wird noch lange ein überwie-
gend militärisches Geschäft sein, und die Regierung
der Föderation, die einen größeren Anteil an der
Company hält als man allgemein annimmt, ist schon
immer für eine solche Lösung gewesen. Um ganz si-

background image

cher zu gehen, werde ich Hid O'Leary mit dem näch-
sten Schiff nach Terra entsenden, damit er dort aus-
führlich über die Lage berichten kann.«

»Und Sie glauben, daß bis dahin alles klar ist? Die

City of Montevideo soll in etwas weniger als drei Mo-
naten von Niflheim kommen.«

»Bis dahin muß alles klar sein. Länger als einen

Monat können wir einen solchen Krieg nicht durch-
halten. Polizeiaktionen ja, einen richtiggehenden
Krieg aber nicht.«

»Wegen der Munition?« fragte sie.
Angenehm

überrascht

sah

er

sie

an.

»Ihr

Wissens-

stand

hat

Fortschritte

gemacht«,

sagte

er.

»Wissen

Sie,

selbst

viele

von

den

Berufsoffizieren

scheinen

zu

glau-

ben,

daß

Munition

auf

wunderbare

Weise

in

Kontra-

gravitationsschiffen

vom

Himmel

kommt,

wenn

sie

nur

in

ein

Funkgerät

hinein

darum

beten.

Leider

ist

es

nicht

so;

sie

muß

ebenso

schnell

hergestellt

werden,

wie

sie

verbraucht

wird,

und

das

konnten wir nicht

tun. Also müssen wir diese Geeks besiegen, bevor sie
uns ausgeht, denn mit Gewehrkolben und Bajonetten
werden wir's nicht mehr können.«

»Und mit Atomwaffen?« fragte Paula. »Ich sage

das nicht gerne – ich weiß, was sie auf Mimir, Fenris
und Midgard angerichtet haben und auch auf Terra
im Ersten Jahrhundert. Aber vielleicht ist das unsere
einzige Chance.«

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Von Schlichten trank den letzten Schluck Bier, warf

die Flasche in einen Abfallschacht und holte seine Zi-
garetten heraus.

»Eine solche Entscheidung würde ich nicht sehr

gern fällen, Paula«, entgegnete er. »Die militärische
Anwendung von Kernenergie ist das Letzte – na, bei-
nahe das Letzte – was ich auf Uller erleben möchte.
Glücklicherweise oder auch leider ist das eine Ent-
scheidung, die ich nicht zu treffen haben werde. Auf
dem ganzen Planeten befindet sich keine einzige
Atombombe. Die Company hat niemals erlaubt, daß
sie hier hergestellt oder gelagert werden.«

»Wenn Sie jetzt welche machen, hat, glaube ich,

niemand etwas dagegen, General. Plutonium gibt es
ja genug. Sie könnten zumindest A-Bomben bauen.«

»Es gibt hier niemanden, der auch nur eine Ah-

nung hat, wie das geht. Die meisten unserer Atom-
physiker könnten zwar eine konstruieren, aber das
dauert mindestens drei Monate, und dann brauchen
wir keine mehr, oder wir sind sowieso nicht mehr am
Leben.«

»Dr. Gomes, der vor zwei Wochen mit der Pretoria

kam, kann welche bauen«, widersprach sie. »Auf
Niflheim hat er mindestens ein Dutzend hergestellt,
die zur Aktivierung von Vulkanen mit erzhaltiger
Lava verwendet wurden.«

Von Schlichtens Hand, die das Feuerzeug zu seiner

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Zigarette führte, hielt einen Augenblick still. Dann
zündete er sie an, schnappte es wieder zu und steckte
es weg.

»Wann war das?«
Sie

überlegte

geraume

Weile.

Selbst

ein

Raumschiff-

Navigator,

der

solche

interstellare

Zeitverhältnisse

durchrechnen mußte, brauchte dazu längere Zeit.

»Vor etwa dreiundfünfzig Tagen Galaktischer

Standardzeit. Die erste Sprengung – sechs Bomben –
hatten sie ausgelöst, bevor ich von Terra kam. Die
zweite sah ich ein oder zwei Tage, bevor ich Niflheim
auf der Canberra verließ. Die dritte Sprengung mußte
Dr. Gomes dann so lange hinausschieben, daß er erst
mit der Pretoria kommen konnte. Warum?«

»Ist Ihnen, als Sie auf Nif waren, ein Geek namens

Gorkrink begegnet?« fragte er. »Und was für eine Art
von Arbeit hat er gemacht?«

»Gorkrink? Ich weiß nicht ... Ach ja! Er half Dr.

Murillo, dem Seismologen. Sein Jahr war nach der
zweiten Sprengung vorbei, und er kam mit der Can-
berra
nach Uller. Dr. Murillo verlor ihn ungern. Lin-
gua Terrae verstand er perfekt; Dr. Murillo konnte
mit ihm reden wie Sie mit Kankad, ohne einen Geek-
Enunciator zu benützen.«

»Gut, aber was für eine Arbeit ...?«
»Er half beim Anbringen und Auslösen der A-

Bomben-Sprengsätze ... Oh! Großer Gott!«

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»Das dürfen Sie ruhig nochmal sagen, und denken

Sie dabei auch an Allah, Shiva und Kali«, stieß von
Schlichten hervor. »Vor allem Kali ... Harry! Sehen Sie
zu, ob Sie noch etwas mehr Tempo aus dieser Kiste
herausquetschen können. Ich möchte nach Konkrook,
solange es überhaupt noch da ist!«

Es war bereits völlig dunkel, als Konkrook hinter den
East Konk Mountains in Sicht kam – ein fahler Flek-
ken an der Unterseite der Wolken. Auf Gongonk Is-
land und in den Farmen der Company südlich davon
fingerten Scheinwerferstrahlen über den Himmel.
Von Schlichten schaltete das Außenmikrofon an und
konnte aus der Ferne Artilleriefeuer hören. Als Harry
Quong dann über der Stadt zu kreisen begann, hielt
er den Aircar oberhalb der Schußweite der Geschüt-
ze, während Hassan Bogdanoff über Funk mit Gon-
gonk Island sprach.

In der Stadt war die Lage prekär. An die hundert

Großbrände wüteten, und kurz nach ihrer Ankunft
wälzte sich ein neues Thermokonzentratfeuer wie ei-
ne glühende Wolke langsam zum Himmel empor.
Drei Artillerieschiffe, die Elmoran, die Gaucho und die
Bushranger sowie etwa fünfzig große, in Bomber um-
funktionierte Frachter pendelten zwischen der Insel
und der Stadt hin und her. Neben dem königlichen
Palast stand auch das Industriegebiet und der ganze

background image

Hafen in Flammen. Kampfschiffe und Airjeeps gin-
gen im Sturzflug auf Straßen und Gebäude nieder
und beharkten sie mit Bordwaffen. Er sah, wie sechs
große Bomber in würdevoller Prozession ein Viertel
im Süden der Stadt anflogen, um dort ihre Bomben-
last auf eine Häuserzeile abzuladen.

Als sie auf dem Dach der Company-Zentrale auf

der Insel landeten, wurden sie von einem Terraner
empfangen, den von Schlichten wenige Tage zuvor
noch als Instrukteur auf dem Raumhafen gesehen
hatte, der aber jetzt die Rangabzeichen eines Majors
trug. Der Art nach, wie er salutierte, mußte er das aus
einem alten Film über die ehemalige Französische
Fremdenlegion gelernt haben. Von Schlichten grüßte
ganz ernsthaft in gleicher Weise zurück.

»Alle sind im Büro des Generalgouverneurs, Sir«,

meldete er. »Das heißt, in Ihrem Büro. Auch König
Kankad ist hier bei uns.«

Er begleitete sie zum Aufzug und ging dann zu ei-

nem Telefon. Als von Schlichten und Paula das Büro
erreichten, drängten sich alle an der Tür, um sie zu
begrüßen: Themistokles M'zangwe mit einem Arm in
der Schlinge; Hans Meyerstein, der Rechtsanwalt aus
Johannesburg, der noch mehr Bantu-Blut in den
Adern zu haben schien als der Brigadier-General;
Morton Buhrmann, der kaufmännische Direktor; La-
viola, der Finanzdirektor; daneben etwa ein Dutzend

background image

andere Offiziere und Zivilisten. Die Begrüßung war
herzlich. Daß sie von seiten der Zivilisten nicht weni-
ger warm ausfiel als von Seiten der Offiziere, emp-
fand er als angenehm.

»Nun, ich freue mich, wieder hier bei Ihnen zu

sein«, wandte er sich an alle. »Lassen Sie mich Colo-
nel Paula Quinton vorstellen, meine neue Adjutantin;
Hid O'Leary hat einen Auftrag im Norden ... Them,
hier ist ausgezeichnete Arbeit geleistet worden; neh-
men Sie das nicht nur als persönliche Gratulation,
sondern auch als ausdrückliches Lob für die ganze
Mannschaft. Alle haben sich untadelig bewährt.« Er
wandte sich König Kankad zu, der in Schulter- und
Gürtelhalfter vier Automatikpistolen trug. »Und was
ich über die anderen gesagt habe, gilt doppelt für Sie,
Kankad«, fügte er schulterklopfend hinzu.

»Er hat uns alle gerettet!« sagte M'zangwe. »Das

Wasser stand uns hier schon bis zum Hals, als seine
Leute kamen. Und dann als Sie die Aldebaran schick-
ten ...«

»Wo ist eigentlich die Aldebaran!« unterbrach ihn

von Schlichten. »Ich konnte sie nirgends entdecken.«

»Operiert jetzt von Kankads Stadt aus. Sie bombar-

diert Keegark und sucht nach diesen anderen Schif-
fen. Prinsloo hat zwar die De Wett dort entdeckt und
zerstört, aber die Jan Smuts konnte entkommen, und
die Oom Paul Krüger haben wir bis jetzt auch noch

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nicht gefunden. Wahrscheinlich sind beide jetzt an
der Ostküste, um Verstärkung für Orgzild zu holen«,
sagte M'zangwe.

»Die Mobilität unserer Truppen ist unsere stärkste

Waffe, und Orgzild hatte inzwischen genügend Zeit,
sich darüber klar zu werden«, sagte von Schlichten.
»Sobald die Procyon da ist, werde ich sie mit Jäger-
und Aufklärerbegleitung hinausschicken, um diese
Schiffe aufzuspüren und zu vernichten ... Wie geht es
übrigens Hid in Grank?«

Erregtes Stimmengewirr war die Antwort: »Haben

Sie es noch nicht gehört, General?« ... »Das ist wirk-
lich das Höchste!« ... »Laß mich mal erzählen!« ...
»Nein, holt Hid an den Kommunikator; es ist seine
Geschichte!«

Jemand machte sich an der Schaltkonsole zu schaf-

fen. Die anderen ließen sich an dem langen Konfe-
renztisch nieder. Laviola, Meyerstein und Buhrmann
bugsierten von Schlichten zu Sid Harringtons ehema-
ligem Stuhl und beeilten sich dann, auch für Paula
Quinton eine bequeme Sitzgelegenheit bereitzustel-
len. Nach einer Weile entwirrten sich die zitternden
Farbflächen auf dem großen Bildschirm und formten
sich zum Bilde Hideyoshi O'Learys. Er grinste wie ei-
ne Katze neben dem leeren Goldfischglas.

»Also, was ist los?« fragte von Schlichten, nachdem

sie einander begrüßt hatten. »Wie hat Yoorkerk der

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Film gefallen? Und haben Sie die Procyon und die
Northern Lights?«

»Yoorkerk war tief beeindruckt«, antwortete O'Lea-

ry. »Wenn man ihn hört, dann ist er niemals etwas
anderes als der ergebenste Freund der Company ge-
wesen. Was er getan hat, geschah, um – ich zitiere –
›gewisse illoyale Elemente‹ – Zitat Ende – an Über-
griffen gegen Angehörige und Eigentum der Compa-
ny zu hindern. Die Procyon ist unterwegs nach Kon-
krook. Die Northern Lights ist noch hier, die Northern
Star
in Skilk. Soll ich sie Ihnen schicken?«

»Lassen Sie die Northern Star für den Augenblick in

Skilk. Sagen Sie unserem treuen und ergebenen
Freund Yoorkerk: Die Company erwartet von ihm,
daß er Soldaten hierher abstellt und auch für den
Kampf gegen Keegark, sobald der losgeht. Nehmen
Sie seine am besten bewaffneten, bestausgebildeten
Regimenter und bringen Sie sie so schnell wie mög-
lich hierher. Schicken Sie aber keine von Ihren Kra-
ganern; behalten Sie sie in Grank, bis wir uns der
Freundschaft König Yoorkerks noch sicherer sind.«

»Da gibt es eigentlich schon jetzt kaum mehr Zwei-

fel. Er hat mir nämlich Rakkeed, den Propheten,
überstellt ...«

»Was?« Von Schlichten spürte, wie ihm sein Mono-

kel entglitt, und kniff das Auge fester zusammen.
»Wen?«

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»Du hast verloren, Them; er hat es nicht fallenlas-

sen«, sagte Hideyoshi O'Leary. »Rakkeed, den Pro-
pheten! Für den Fall, daß wir unterliegen würden,
hatte Yoorkerk unsere Schiffe und Leute. Für den ge-
genteiligen Fall hielt er Rakkeed im Palast gefangen.
Rakkeed glaubte natürlich, dort Ehrengast zu sein,
bis Yoorkerks Leute ihn packten und uns auslieferten
...«

»Dieser Geek«, sagte von Schlichten, »ist smarter,

als es für ihn gut ist. Irgendwann einmal setzt er auf
so viele Karten, daß er sich am Ende nur selbst um
Kopf und Kragen taktiert.« Argwohn stieg in ihm
hoch. »Sind Sie sicher, daß das Rakkeed ist? Sähe
Yoorkerk ja ganz ähnlich, uns da einen Dummy un-
terzujubeln.«

O'Leary schüttelte beinahe feierlich den Kopf.

»Daran dachte ich auch gleich. Aber es ist der echte;
Karamessinis' Polizei- und Geheimdienstoffiziere ha-
ben mir das bestätigt. Was soll ich denn jetzt mit ihm
anfangen – wollen Sie ihn in Konkrook?«

Von Schlichten verneinte. »Die Priester dort sollen

ihn wegen Blasphemie, Häresie, falschen Propheten-
tums, Hexerei ohne Lizenz oder wegen irgendeines
anderen Religionsverbrechens vor Gericht stellen.
Dann, nach einer absolut fairen Verhandlung, sollen
König Yoorkerks Soldaten ihn köpfen, sein Haupt öf-
fentlich ausstellen, darunter groß in allen Eingebore-

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nensprachen schreiben: ›Rakkeed, der falsche Pro-
phet‹. Lassen Sie alles auf Videoband aufnehmen,
Prozeß und Exekution. Sorgen Sie dafür, daß immer
die Priester und Yoorkerks Offiziere im Vordergrund
sind und unsere Leute unsichtbar bleiben.«

»Seife und Handtuch für General Pontius von Pila-

tus!« rief Paula Quinton.

»Gute Idee; ich habe mich schon gefragt, ob wir

nicht Yoorkerk ein kleines Geschenk machen sollen«,
sagte Hideyoshi O'Leary. »Ein schönes, dreißigteili-
ges Silber-Service!«

»Gar nicht schlecht«, stimmte von Schlichten zu.

»Also, Sie haben Ihre Sache ganz ausgezeichnet ge-
macht. Ich möchte, daß Sie so bald wie möglich wie-
der zu uns zurückkehren – übrigens sind Sie jetzt
Brigadier-General – aber erst, wenn die Gesamtlage
in Grank, Krink und Skilk stabilisiert ist. Auf längere
Sicht werden Sie ohnehin Ihr ständiges Hauptquar-
tier im Norden einrichten müssen.«

Nachdem Hideyoshi sich bei ihm bedankt und sich

von allen verabschiedet hatte, wandte sich von
Schlichten wieder den anderen zu.

»Nun, Gentlemen, über den Norden brauchen wir

uns wohl in den nächsten Tagen nicht allzu viele Ge-
danken zu machen. Wie lange glauben Sie, daß es bis
zur völligen Befriedung Konkrooks noch dauern
wird, Them?«

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»Was

heißt

völlige

Befriedigung,

General?«

wollte

Themistokles

M'zangwe

wissen.

»Wenn

Sie

die

Nie-

derschlagung

organisierten

Widerstandes

von

Grup-

pen

meinen,

die

größer

sind

als

ein

paar

Dutzend,

dann

würde

ich

sagen:

Etwa

drei

Tage.

Kleinere

Gruppen

könnten

natürlich

noch

ein

paar

Wochen

durchhalten,

vor allem auf dem flachen Lande ...«

»Die

können

wir

vergessen.

Wir

werden

hier

für

ei-

nige

Zeit

eine

Art

Besatzungsmacht

stationieren

müs-

sen;

die

wird

damit

schon

fertig.

Wir

müssen

uns

so

schnell

wie

möglich

Keegar

vornehmen;

sobald

wir

dort aufgeräumt haben, kommen die Freien Städte an
der Ostküste dran.«

»Entschuldigen

Sie,

General,

aber

›aufräumen‹

ist

ein

sehr

mildes

Wort

für

das,

was

wir

in

Keegark

tun

sollten«,

sagte

Hans

Meyerstein.

»Wir

sollten

in

dieser

Stadt

keinen

Stein

auf

dem

andern

lassen

und

dann mit

König Orgzilds Kopf darauf Fußball spielen.«

»Aus irgendeinem besonderen Grund?« fragte von

Schlichten. »Außer dem Massaker an Blount und Le-
moyne meine ich?«

»Und ob, General!« kam Themistokles M'zangwe

Meyerstein zu Hilfe. »Bob, berichten Sie.«

Colonel Robert Grinell, der Geheimdienstoffizier,

stand auf und nahm die Zigarre aus dem Mund. Er
war kurz, stämmig und kahlköpfig, aber ein erfahre-
ner Soldat der Armee der Terranischen Föderation.

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»Nun, General, wir haben in letzter Zeit einiges

über den Hintergrund dieser Revolte herausgefun-
den«, sagte er. »Von Norden aus hatte es wahrschein-
lich den Anschein, als sei das alles Rakkeeds Werk,
und so sollte es auch wirken. Aber der, der das alles
in Wirklichkeit ausgeheckt hat, war König Orgzild in
Keegark. Es ist uns gelungen, ein paar prominente
Konkrookaner festzunehmen« – er nannte ein halbes
Dutzend Namen – »die wir zum Sprechen bringen
konnten. Mehrere andere haben uns freiwillig Infor-
mationen geliefert. Orgzild ist der Initiator des Gan-
zen; Rakkeed war nur sein Laufbursche. Mir wird je-
desmal ganz anders, wenn ich nur daran denke, daß
er die ganze Schweinerei ein Jahr lang direkt unter
unseren Augen geplant hat – bis hin zum Startsignal
...«

»Indem er Sid Harrington vergiften ließ und dann

die Todesmeldung als Startschuß benutzte?« fragte
von Schlichten.

»Ich sehe, Sie sind selbst darauf gekommen, Sir. Ja,

genauso war es.« Grinell fing an, in Einzelheiten zu
gehen, während sich von Schlichten bemühte, seine
Ungeduld nicht zu zeigen. Auch Paula Quinton, die
neben ihm saß, war unruhig. Genauso wie von
Schlichten überlegte sie, was König Orgzild und Fürst
Gorkrink jetzt tun mochten. »Und ich weiß sicher,
daß der Befehl, Sid Harrington zu vergiften, von der

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keegarkanischen Botschaft kam und von Gurgurk
und Keeluk diesem Geek hier weitergegeben wurde,
der ihm dann das Gift in den Whisky tat.«

»Ja. Daß Keegark vernichtet werden muß, ist auch

meine Meinung, und ich brauche sofort eine Schät-
zung, wie lange es dauert, den dafür nötigen nuklea-
ren Sprengkörper herzustellen. Eine ganz altmodi-
sche Spaltungsbombe wird genügen.«

Einen Augenblick lang trat Stille ein; dann fand Co-

lonel Evan Colbert, der ranghöchste Offizier unter
Themistokles M'zangwe, seine Stimme wieder.

»Wenn das ein Befehl ist, General, wird er ausge-

führt. Vorher möchte ich Sie aber an die Politik unse-
rer Company bezüglich nuklearer Waffen auf diesem
Planeten erinnern.«

»Sie ist mir bekannt. Ich kenne auch den Grund da-

für. Wegen des Mangels an natürlichem Brennstoff
auf Uller waren wir gezwungen, Kernkraftwerke zu
bauen und den Geeks große Mengen Plutonium für
ihren Betrieb zur Verfügung zu stellen. Andererseits
möchte die Company nicht, daß die Eingeborenen
hier etwas von der Verwendbarkeit nuklearer Energie
für Zerstörungzwecke erfahren. Nun, Gentlemen, das
ist Schnee von gestern. Dank unserer Leute auf
Niflheim kennen sie diese Möglichkeit, und wenn ich
mich nicht sehr täusche, hat König Orgzild bereits ei-
ne Plutoniumbombe vom Nagasaki-Typ des Ersten

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Jahrhunderts. Ich neige zu der Annahme, daß er
mindestens eine solche Bombe hatte – wahrscheinlich
sogar mehr – als die Order an seine Botschaft hier er-
ging, Generalgouverneur Harrington zu vergiften.«

Noch während er die letzten Worte sprach, nahm

er eine Zigarette aus seiner Dose, bot sie Paula an und
schnappte sein Feuerzeug auf. Er paffte bereits an
seiner eigenen, als die anderen endlich begriffen, was
er eben gesagt hatte.

»Unmöglich!« rief jemand am anderen Ende des

Tisches, als könne er mit diesem Ruf ein solches Ge-
schehen aus dem Bereich des möglichen bannen. Ei-
ner der Zivilisten wiederholte beinahe wörtlich das,
was Jules Keaveney in Skilk gesagt hatte: »Was zum
Teufel war mit dem Geheimdienst los? Hat er ge-
schlafen?«

»General von Schlichten«, kam Colonel Grinell ei-

nigermaßen grimmig auf die Frage zurück. »Was Sie
da eben sagten, beinhaltet einen schwerwiegenden
Vorwurf gegen meine Abteilung. Wenn Sie sich da
nicht im Irrtum befinden, muß ich vor ein Kriegsge-
richt gestellt werden.«

»Ich könnte keine Beschuldigung gegen Sie vor-

bringen, Colonel. Wenn das vor ein Kriegsgericht ge-
hörte, dann müßte ich mit Ihnen auf die Anklage-
bank«, entgegnete ihm von Schlichten. »Es hat aller-
dings den Anschein, als wäre eine wichtige Informa-

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tion im Besitz von Leuten gewesen, die nicht in der
Lage waren, ihre Bedeutung zu erkennen. Bis heute
nachmittag war mir ihre Existenz nicht bekannt. Co-
lonel Quinton, würden Sie bitte wiederholen, was Sie
mir unterwegs sagten?«

»Glauben Sie nicht, daß Dr. Gomes das tun sollte,

General?« fragte Paula. »Er war es doch, der diese
Bomben auf Niflheim konstruierte, und er wird auch
die unseren bauen müssen.«

»Das stimmt.« Er sah sich um. »Wo ist Dr. Lou-

renço Gomes, der Nuklearingenieur, der vor zwei
Wochen mit der Pretoria kam? Bitte lassen Sie ihn so-
fort holen.«

Verlegenes Schweigen trat ein. Dann räusperte sich

Kent Pickering, der Chef des Kraftwerks auf Gon-
gonk Island.

»Aber wußten Sie denn nicht, General? Dr. Gomes

lebt nicht mehr. Er wurde schon während der ersten
halben Stunde des Aufstands getötet.«

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13

Tricks die wir nicht kennen


Nur mit Mühe wurde von Schlichten seiner Bestür-
zung Herr. »Das ist schlimm, Kent«, sagte er. »Sehr
schlimm. Ich habe fest darauf gezählt, daß Dr. Gomes
uns eine Bombe bauen würde.«

»Einen Augenblick bitte, Herr General.« Das war

Air-Commodore Leslie Hargreaves. »Sie halten für
möglich, daß König Orgzild eine Atombombe ent-
wickelt. Wenn das wahr ist, sind wir alle in höchster
Gefahr. Angesichts des technologischen Niveaus der
Keegarkaner und ihrer sonstigen Möglichkeiten halte
ich es allerdings für nicht sehr wahrscheinlich. Bei
den Kraganern wäre es natürlich etwas anderes, aber
...«

»Paula, fahren Sie doch bitte fort und wiederholen

Sie, was Sie mir sagten. Und erwähnen Sie alles, was
sonst noch irgendwie relevant sein könnte ... Ist der
Rekorder an? Nein? Dann soll ihn jemand einschal-
ten; ich möchte, daß das aufgenommen wird.«

Paula stand auf und begann: »Alle von Ihnen,

nehme ich an, kennen die Bedingungen auf Niflheim
und wissen, wie die ulleranischen Eingeborenen dort
arbeiten. Vielleicht sollte ich aber zunächst erklären,

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zu welchem Zweck diese Atomsprengkörper entwor-
fen und verwendet wurden ...«

Er lächelte; sie hatte begriffen, daß er Zeit zum

Überlegen brauchte, und sprang von einem Thema
zum anderen, um sie ihm zu verschaffen. Er holte
Bleistift und Notizblock hervor und begann – bewußt
nicht auf das hörend, was sie sagte – scheinbar ge-
langweilt vor sich hinzukritzeln. Zwei Dinge mußte
man wohl annehmen, dachte er sich. Erstens, daß
König Orgzild bereits eine Atombombe besaß, die er
jederzeit einsetzen konnte; und zweitens, daß auf
Gongonk Island eine solche Bombe ohne Dr. Gomes
nur nach langwierigen Experimenten hergestellt
werden konnte. Wenn diese beiden Annahmen zutra-
fen, dann hatte er eben das Todesurteil für alle Terra-
ner auf Uller gehört. Die erste Annahme schien ganz
unzweifelhaft. Es gab zu gute Gründe dafür. Er kon-
zentrierte sich auf die zweite.

»... was wir als die Bombe vom Nagasaki-Typ ken-

nen, der erste Typ der Plutoniumbombe«, sagte Paula
gerade. »Heutzutage natürlich ein technisches Fossil,
aber ihren damaligen Zweck erfüllte sie, und Dr.
Gomes hätte sie mit hier vorhandenen Materialien
bauen können ...«

Das war eben die Crux. Vom militärischen Stand-

punkt aus war die Plutoniumbombe ebenso veraltet
wie ein Vorderlader zur Zeit des Zweiten Weltkrie-

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ges. Einen Augenblick lang ließ er die Geschichte der
Waffenentwicklung seit dem Beginn des Atomzeital-
ters vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Im
großen und ganzen hatten seit dem Ende des Zweiten
Weltkrieges Kernwaffen und Raketen die größte Be-
deutung gehabt. Da war die jetzt ebenfalls veraltete
Wasserstoffbombe gewesen, die Betazyklus-Bombe,
die Subneutronen-Bombe, die Omegastrahlen-Bombe,
die Antimaterie-Bombe, und dann war das Ende der
Zivilisation in der Nördlichen Hemisphäre und der
Aufstieg einer neuen Zivilisation in Südamerika,
Südafrika und Australien gekommen. Nunmehr wa-
ren Artillerie und Kleinwaffen seiner Truppe bloße
Modifikationen der Waffen des Ersten Jahrhunderts,
und alle von der Terranischen Föderation benutzten
Kernwaffen wurden auf dem Mars von einer kleinen
Schar von Experten gebaut, deren wissenschaftliche
und technische Kenntnisse dem Rest der Welt fast
ebenso unbekannt waren wie früher die Geheimnisse
einer mittelalterlichen Gilde. Die alte Atombombe
war eine historische Kuriosität, und es gab niemand
auf Uller, der eine mehr als laienhafte Vorstellung
von der komplizierten Technik moderner Kernwaffen
hatte. Es gab eine Reihe von guten Nuklearingenieu-
ren auf Gongonk Island. Aber wie lange würden sie
brauchen, um eine Plutoniumbombe zu konstruieren
und sie zu bauen?

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»... versteht auch Lingua Terrae sehr gut«, sagte

Paula eben. »Er und Dr. Murillo unterhielten sich in
zwei Sprachen, genauso wie General von Schlichten
und König Kankad. Ich weiß allerdings nicht, ob
Gorkrink Lingua Terrae lesen konnte und, wenn ja,
welche Papiere oder Pläne er möglicherweise gesehen
hat.«

»Augenblick mal, Paula«, unterbrach er sie. »Colo-

nel Grinell, was wissen Sie eigentlich über diesen
Gorkrink?«

»Er ist der Sohn von König Orgzild«, sagte Grinell.

»Wir wußten, daß er vor zwei Jahren nach Niflheim
wollte. Angeblich allerdings war er am Hof in Un-
gnade gefallen und ins Exil geschickt worden. Auf
diese Weise sollten wir hinters Licht geführt werden.
Was seine Fähigkeit, Lingua Terrae zu lesen, anbe-
langt: Ich glaube, daß er es kann. Wir wissen, daß er
die gesprochene Sprache versteht. Das Lesen könnte
er in einer jener Schulen gelernt haben, die Moham-
med Ferriera vor zehn oder fünfzehn Jahren gründe-
te.«

»Und Dr. Gomes, Dr. Murillo und Dr. Livesey lie-

ßen überall Papiere herumliegen«, fügte Paula hinzu.
»Wenn er als Spion nach Niflheim ging, dann gibt es
fast nichts, was er nicht kopiert haben könnte.«

»Also, da haben wir's«, sagte von Schlichten. »Als

Gorkrink herausfand, daß man mit Plutonium Bom-

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ben machen kann, besorgte er sich alle Informationen
darüber, an die er herankommen konnte. Und sobald
er wieder zu Hause war, brachte er sie Pappi Org-
zild.«

»Damit ist immer noch nicht gesagt, daß die Kee-

Geeks irgend etwas damit anfangen konnten«, wand-
te Air-Commodore Hargreaves ein.

»Ich glaube schon«, meinte von Schlichten. »Sobald

Orgzild wußte, daß man eine Plutoniumbombe ma-
chen kann, gab er einen entsprechenden Auftrag.
Und glauben Sie nicht, daß es für ihn so schwierig
war wie das Manhattan-Projekt im Ersten Jahrhun-
dert. Spaltbares Material bedeutet ja kein Problem –
wir haben raffiniertes Plutonium über diesen Plane-
ten gestreut wie Konfetti.«

»Aber eine A-Bombe ist ein ziemlich komplizierter

Mechanismus, selbst wenn man die Pläne dafür hat«,
gab Kent Pickering zu bedenken. »Soweit ich mich er-
innere, sind mehrere subkritische Massen aus Pluto-
nium oder U-235 oder irgend so etwas nötig, die
durch Explosivladungen plötzlich zusammengbracht
werden. Alles muß auf die Tausendstel Sekunde ge-
nau stimmen. Dazu braucht es eine ganze Menge
Elektronik, und ich kann mir nicht vorstellen, die die
Geeks die von Hand machen sollen.«

»Ich schon«, sagte Paula. »Haben Sie jemals diese

Eingeborenen-Goldschmiede arbeiten sehen? Und er-

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zählten Sie nicht einmal von so einer astronomischen
Uhr hier in der Universität ...«

»Da hat Paula ganz recht«, sagte von Schlichten.

»Und was sie nicht selbst herstellen konnten, könnten
sie von uns bekommen haben. Wir haben ihnen eine
ganze Menge elektronischer Ausrüstungen verkauft.«

»Also gut, sie könnten eine A-Bombe gebaut ha-

ben«, sagte Buhrmann. »Aber haben sie eine gebaut?«

»Unterstellen wir einmal, daß sie es versucht ha-

ben. Gorkrink kam vor drei Monaten auf der Canberra
von Niflheim zurück«, sagte von Schlichten. »Wenn
Orgzild entschlossen war, eine A-Bombe zu bauen,
dann hätte er das Signal für diesen Aufstand be-
stimmt nicht gegeben, bevor er entweder eine hatte
oder aber wußte, daß es ihm unmöglich war, eine zu
bauen; aber nach Ablauf von ganzen drei Monaten
hätte er bestimmt noch nicht aufgegeben. Deshalb
müssen wir annehmen, daß ihm sein Vorhaben ge-
lang, und zwar etwa zu dem Zeitpunkt, als er Gor-
krink hierherschickte, um diese vier Tonnen Plutoni-
um zu holen, und wahrscheinlich auch um Ghrogh-
rank zu instruieren, daß er Sid Harrington wie vorge-
sehen vergiften lassen sollte.«

»Und warum hätte er seine Bombe dann nicht

gleich bei Beginn des Aufstandes eingesetzt?« wollte
Meyerstein wissen.

»Warum sollte er? Uns loszuwerden ist nur der er-

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ste Schritt in Orgzilds Plan«, sagte Grinell. »So lange
wir die Geschichte der Geeks zurückverfolgen kön-
nen, haben die Könige von Keegark versucht, Kon-
krook und die Freien Städte zu erobern und sich zum
Herrn des ganzen Gebietes um die Takkad-See zu
machen. Wenn er uns hier in Konkrook vernichtet,
kann er mit seinen Truppen kommen und Konkrook
nehmen. Oder, wenn wir die Geeks hier niederwer-
fen, wie es den Anschein hat, kann er uns zusam-
menbomben und dann in Konkrook einmarschieren.
So lange, wie wir hier kämpfen, wird er, glaube ich,
warten. Je mehr wir Konkrook zerstören, desto leich-
ter wird es für ihn sein.«

»Wenn das so ist, dann sollten wir uns wohl besser

von der Front in Konkrook verabschieden«, sagte La-
viola. »Und schnellstens anfangen, unsere eigene
Bombe zu bauen.«

Von Schlichten sah auf den großen Bildschirm, auf

dem, von einem in mittlerer Höhe schwebenden Air-
car aus aufgenommen, der Kampf um Konkrook zu
sehen war.

»Dem zweiten Teil Ihres Vorschlags stimme ich

zu«, sagte von Schlichten. »Wir werden auch eine Art
Abfangsystem gegen Bomber von Keegark organisie-
ren müssen. Und sobald die Procyon da ist, bekommt
sie den Auftrag, die Jan Smuts und die Krüger aufzu-
spüren und zu zerstören. Darüber hinaus müssen wir

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Kankads Stadt schützen, denn sie wird auf der Liste
von Orgzilds Zielpunkten ganz oben stehen. Was
Konkrook anbelangt, so verlasse ich mich auf Ihren
Rat, Them. Können wir den Fall der Stadt noch nen-
nenswert hinauszögern?«

M'zangwe schüttelte den Kopf. »Wenn wir Kontra-

gravitationsschiffe für Patrouillenflüge abziehen,
werden sich die Aktionen am Boden natürlich etwas
verlangsamen. Aber die Geeks sind schon jetzt mehr
oder weniger am Ende.«

»Dann hol's der Teufel. Ob wir Orgzild gegenüber

viel Zeit gewinnen, wenn wir den Sieg in der Stadt
hinauszögern, ist ohnehin zweifelhaft, und wahr-
scheinlich werden wir die Soldaten hier als Arbeiter
brauchen.« Er wandte sich zu Pickering. »Dr. Picke-
ring, wen schlagen Sie für das Team vor, das unsere
Bombe bauen soll?« fragte er.

»Nun, Martirano, Sternberg, Howard Fu-Chung

und Piet van Reenen ... Sechs bis acht von ihnen kann
ich in zwanzig Minuten beisammen haben. In ein
paar Stunden haben wir eine Arbeitsplanung und
können anfangen. Natürlich muß während der gan-
zen Zeit ein qualifizierter Mann im Kraftwerk sein,
aber ...«

»Gut; holen Sie sie zusammen. Die Bombe sollte

schon gestern nachmittag fertig sein. Und Sie und alle
anderen nehmen wieder Ihren Zivilstatus an. Ich

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möchte nicht, daß jemand, der mit der Sache nichts
zu tun hat und sich auch nicht auskennt, auf Grund
seines militärischen Ranges bei ihnen dazwischen-
funken kann. Also, lassen Sie so bald wie möglich
von Ihren Fortschritten hören.«

Er wandte sich Hargreaves zu. »Les, Sie sind für

die fliegenden Sicherheitspatrouillen verantwortlich
und verhindern mit allen Mitteln, daß Orgzild uns
bombardiert, bevor wir ihn bombardieren. Nach Pik-
kering haben Sie allen anderen gegenüber Priorität.«

Hargreaves nickte. »Ja, wir müssen Kankads Stadt

genauso schützen wie diesen Ort hier. Von hier nach
Kankads Stadt sind es etwa achthundert Kilometer,
und etwa zwölfhundert von dort nach Keegard.«

Er begann, Zahlen und Schiffsnamen vor sich hin-

zumurmeln. In etwa fünf Minuten würde er ein Or-
ganisationsprogramm aufgestellt haben. Bis dahin
konnte von Schlichten nur geduldig warten. Sein
Blick fiel auf einen schmalgesichtigen, düster drein-
blickenden Mann in einem grünen Hemd mit den
drei konzentrischen Kreisen eines Colonels auf den
Ärmeln. Es war Emmett Pearson, der Chef der Kom-
munikationstruppe.

»Emmett«, sagte er, »diese TV-Satelliten in dreitau-

send Kilometer Höhe. Was für eine Mannschaft könn-
ten die aufnehmen?«

Pearson lachte. »Was für eine Mannschaft, Gene-

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ral? Weiße Mäuse oder dressierte Kellerasseln? Was
größer ist, geht da kaum rein.«

»Ja, ich weiß, daß sie automatisch arbeiten. Aber

wie werden sie gewartet?«

»Von außen. Sie haben so ungefähr die Form einer

Kugelhantel – etwa sieben Meter lang, das Rohr drei
Meter Durchmesser, und an jedem Ende sitzt eine
Kugel von fünf Metern Durchmesser. Das ganze be-
steht aus auswechselbaren Sektionen. Zur Wartung
fliegen unsere Leute in so etwas wie einem kleinen
Raumschiff hinauf und arbeiten entweder von außen
her oder setzen eine neue Sektion ein und bringen die
ausgewechselte in die Werkstatt herunter.«

»So; und wie sieht so ein kleines Raumschiff denn

aus?«

»Wie zwei Fünfzig-Tonnen-Lastfahrzeuge, mit

Luftschleusen dazwischen und in der Mitte verbun-
den. Natürlich luftdicht und isoliert wie ein Raum-
schiff. Die eine Seite dient als Quartier für sechs
Mann Besatzung – manchmal sind sie bis zu einer
Woche unterwegs – die andere Seite als Werkstatt.«

Das klang interessant. Mit Kontragravitation waren

natürlich Begriffe wie »Fluchtgeschwindigkeit« und
»Leistungsgewicht« von rein historischem Interesse.

»Wie lange«, fragte er Pearson, »würde es dauern,

um so ein Fahrzeug mit einem vollständigen Satz De-
tektor-Instrumenten zu bestücken – Radar, Infrarot-

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und Ultraviolett-Sichtgeräte, Elektronenteleskope,
Wärme- und Strahlungsdetektoren – und auf eine
Höhe von etwa zweihundert Kilometern über Kee-
gark zu bringen?«

»Kann ich leider nicht sagen, General«, antwortete

Emmett Pearson. »So etwas muß in der Werft ge-
macht werden, und mit dem größten Teil des Zeugs
hat meine Abteilung gar nichts zu tun. Fragen Sie
doch Air-Commodore Hargreaves.«

»Les!« rief von Schlichten. »Les, wachen Sie auf!«
»Augenblick noch, General.« Hargreaves kritzelte

hastig Zahlen auf ein Stück Papier. »So«, sagte er
dann und sah auf. »Was gibt es, Sir?«

»Emmett hat so eine Art Kleinschiff, das er für die

Wartung seiner TV-Satelliten verwendet. Er wird Ih-
nen sagen, wie es aussieht. Ich möchte, daß Sie alles
an Detektorgeräten reinquetschen, was nur geht, da-
mit das Ding über Keegark stationiert werden kann.
Natürlich so hoch, daß es auch Konkrook, Kankads
Stadt und die unteren Täler des Hoork und des Konk
beobachtet.«

»Ich verstehe.« Hargreaves schnappte sich ein Mi-

krofon, tastete eine Nummer in den Kommunikator
ein und begann dann rasch mit leiser Stimme zu
sprechen. Nach einer Weile hängte er ein. »In Ord-
nung, Mr. Pearson – Colonel Pearson, meine ich.
Schicken Sie Ihren Raum-Buggy in die Werft. Meine

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Jungs machen das schon.« Er notierte sich etwas auf
einem weiteren Blatt Papier. »Nun, General, hier ist
mein Vorschlag: Die Elmoran wird südlich und östlich
von Konkrook patrouillieren, die Gaucho und die
Bushranger im Norden und Nordosten. Die Aldebaran
bleibt in Kankads Stadt in Reserve. Die leichten Kon-
tragravitations-Patrouillen stelle ich mir so vor.« Er
reichte von Schlichten eine Karte mit roten und blau-
en Markierungen. »Die roten operieren von Kankads
Stadt aus, die blauen von Konkrook.«

»So könnte es gehen«, sagte von Schlichten. »Aber

da ist noch etwas. Wir müssen das Gebiet von Kee-
gark mit Strahlungsdetektoren überwachen. Diese
Geeks wissen um die von spaltbarem Material ausge-
hende Strahlungsgefahr, kennen aber nur die ge-
wöhnlichen Industriereaktoren, die nach oben nur
sehr leicht oder gar nicht abgeschirmt sind. Wir müs-
sen feststellen, wo Orgzilds Bombenfabrik ist.«

»Sobald wir Strahlungsdetektoren nach Kankads

Stadt schicken können, rüsten wir ein paar schnelle
Aircars damit aus.«

»In unserem Laboratorium und im Reaktor haben

wir Detektoren«, sagte Kankad. »Und meine Leute
können noch welche bauen, wenn Sie sie brauchen.«
Er überlegte einen Moment. »Vielleicht sollte ich jetzt
in meine Stadt zurück. Vielleicht werde ich dort nöti-
ger gebraucht als hier.«

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Kent Pickering, der sich an einem anderen Tisch

mit seinen Experten besprochen hatte, kam nun zu-
rück.

»Wir haben jetzt einen Plan, General«, sagte er. »Es

wird um einiges schwieriger, als ich angenommen
hatte. Keiner von uns scheint genau zu wissen, wie
man beim Bau dieser Dinger vorgeht. Uran- oder Plu-
tonium-Spaltungsbomben sind nämlich schon seit
über vierhundert Jahren außer Gebrauch. Aber die
technischen Einzelheiten unterlagen noch lange
strengster Geheimhaltung, da die Bombe auch durch
das Aufkommen neuerer Entwicklungen nicht weni-
ger tödlich wurde. Als die Geheimhaltung dann auf-
gehoben wurde, war sie derart veraltet, daß sich nie-
mand mehr dafür interessierte; Fachbücher erwähn-
ten sie nur noch in ganz allgemeinen Wendungen.
Die Prinzipien gehören natürlich zum ABC der
Atomwissenschaft; das ›Geheimnis der A-Bombe‹ be-
stand nur aus einem Sack voller Ingenieurstricks, die
wir nicht kennen und deswegen neu entdecken müs-
sen. Anordnung der subkritischen Massen, Bau eines
funktionsfähigen Detonationsmechanismus – solche
Dinge.

Sogar die Daten der alten Bomben vom Hiroshima-

und Nagasakityp liegen noch vor. Man kann sie zum
Beispiel in der Universität von Montevideo oder in
der Jan-Smuts-Gedächtnis-Bibliothek in Kapstadt ein-

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sehen. Aber hier haben wir nichts. Ich werde ein paar
Techniker beauftragen, die in der Bibliothek auf Gon-
gonk Island vorhandene Literatur zu wälzen, aber
viel bringt das wohl nicht. Andererseits müssen wir
auch der kleinsten Chance nachgehen, selbst wenn
die Wahrscheinlichkeit fast gleich Null ist.«

Von Schlichten nickte. »Ich hatte auch nichts ande-

res erwartet«, sagte er. »Trotzdem – Ihre Bombe muß
immer noch seit gestern nachmittag fertig sein; da das
aber nicht mehr ganz möglich scheint, dürfen Sie ein
wenig – aber nur ein ganz klein wenig – länger brau-
chen.«

»Wie wollen wir's mit der Publicity halten?« fragte

Howlett, der Personalchef. »Wir möchten natürlich
nicht, daß halbrichtige oder verstümmelte Nachrich-
ten rausgehen – obwohl ich nicht glaube, daß irgend
etwas dadurch noch viel schlechter werden kann –
damit die Soldaten bloß noch zum Himmel hinauf-
stieren und sofort in Panik geraten, wenn sie irgend
etwas sehen, was ihnen nicht gleich bekannt vor-
kommt.«

»Ganz richtig. So eine Panik habe ich schon mehr-

mals erlebt«, sagte von Schlichten. »Das ist so unge-
fähr das Schlimmste, was man sich vorstellen kann.«

»Meiner Ansicht nach sollten wir den Terranern die

Wahrheit sagen«, meinte Hargreaves. »Und ihnen er-
klären, daß unsere einzige Hoffnung darin besteht,

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selbst so eine Bombe zu bauen und sie zuerst abzu-
werfen. Was die Kraganer betrifft ... was glauben Sie,
König Kankad?«

»Sagen Sie ihnen, daß wir eine Bombe bauen, um

Keegark zu zerstören; daß uns allmählich die Muniti-
on ausgeht und daß dies unsere einzige Hoffnung ist,
den Krieg zu beenden, bevor wir keine Munition
mehr haben«, sagte Kankad. »Erklären Sie ihnen in
etwa, um was für eine Art Bombe es sich handelt.
Aber sagen Sie ihnen nicht, daß König Orgzild schon
so eine Bombe hat. Mein Erzeuger, der alte Kankad,
hat mir erzählt, wie unsere Leute in panischer Angst
vor den Waffen der Terraner flohen, als Ihr Volk und
meines noch Feinde waren. Was Sie da bauen wollen,
verhält sich zu den Waffen, denen sie sich damals ge-
genüber sahen, wie jene Waffen zu den Pfeilen und
Speeren der alten Kraganer ... Und wenn die Geeks
von Grank hierher kommen, sagen Sie ihnen, daß der
Sieg unser ist und daß sie sich, wenn sie gut kämpfen,
die Beute von Konkrook und Keegark teilen können.«

Von Schlichten sah auf den großen Bildschirm.

Themistokles M'zangwe hatte bereits angeordnet, das
Artilleriefeuer zu reduzieren. Auch bombardiert
wurde weniger; eine größere Anzahl von Kontragra-
vitationsschiffen war aus dem Kampf genommen
worden.

»Damit wäre wohl alles besprochen«, sagte er,

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»was zu besprechen ist. Haben wir irgend etwas ver-
gessen? ... Die Sitzung ist beendet.«

Er nahm zusammen mit Paula Quinton den Auf-

zug zum Dach. Oben beobachteten sie schweigend
den jenseits des Kanals wütenden Brand und das
Mündungsfeuer der an der stadtwärts gelegenen Sei-
te stationierten Artillerie. »Am Mittwoch abend dach-
te ich schon, wir seien am Ende«, sagte Paula schließ-
lich. »In nur zwei Tagen im Norden aufzuräumen,
schien auch ganz unmöglich zu sein. Vielleicht schaf-
fen Sie es erneut.«

»Wenn das noch einmal gut geht, dann bin ich kein

General – dann bin ich ein Hexenmeister«, antwortete
er. »Dann ist Pickering ein Hexenmeister, meine ich;
er ist es, der uns aus der Bredouille zieht, wenn das
noch möglich ist.« Er blickte düster über das Wasser,
auf dem die Reflexe der Flammen tanzten. »Machen
wir uns nichts vor. Wir schlagen wohl nur auf dem
Weg zum Galgen um uns, das ist alles.«

»Warum sollten wir damit aufhören, bevor die Fall-

tür sich öffnet?« fragte sie. »Was soll aus den Leuten
auf diesem Planeten werden, wenn wir nicht mehr da
sind?«

»Daran möchte ich gar nicht denken. Kankads

Stadt wird die zweite Bombe abkriegen; Orgzild wird
es nicht wagen, die Kraganer übrigzulassen, sobald er
uns vernichtet hat. Yoorkerk und Jonkvank werden

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im Norden Keaveney, Shapiro, Karamessinis und Hid
O'Leary den Hals umdrehen; und wenn das nächste
Schiff kommt und feststellt, was hier passiert ist,
dann schickt die Föderation ein Expeditionscorps und
haut diesen Planeten schlimmer zusammen als da-
mals Fenris.«

Vom Lufthafen stieg plötzlich ein halbes Dutzend

Aircars auf und nahm Kurs auf Nordosten. Als sie
vorbeiflogen, konnte er im Feuerschein der brennen-
den Stadt sehen, daß mindestens drei von ihnen Ra-
ketenwerfer aufmontiert hatten. Sekunden später
folgte ihnen ein Kanonenboot, dann ein zweites.

»Großer Gott; vielleicht ist es jetzt schon so weit«,

sagte Paula.

»Wenn es so ist, dann sind wir hier genausogut

aufgehoben wie irgendwo anders«, antwortete er.
»Jetzt können wir nur noch warten.«

Eine Ewigkeit schien zu vergehen. Dann flimmerte

Licht über den East Konk Mountains auf. Aber es wa-
ren nicht die Flammenblitze von Explosionen; zum
Teil waren es Magnesiumfackeln, zum Teil die Lich-
ter eines Schiffes.

»Das ist die Procyon von Grank«, sagte er. »Da ha-

ben sich alle eine gute Note verdient – Aufklärer, Jä-
ger, Schützen. Wenn das der Angriff gewesen wäre,
hätten wir eine gute Chance gehabt, ihn zu stoppen.«
Zum erstenmal, seit Pickering gesagt hatte, Lourenço

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Gomes sei tot, fühlte er sich wieder etwas besser.
»Wir können nur froh sein, daß Gorkrink noch nichts
von Fernlenkraketen weiß. Solange sie ihre Bomben
abwerfen müssen, haben wir eine Chance.«

Sie erhoben sich von der Balustrade, auf der sie ge-

sessen hatten, und zum erstenmal bemerkte er, daß er
den linken Arm um ihre Schulter gelegt hatte und
daß ihre rechte Hand auf seiner rechten Hüfte ruhte,
gerade über der Pistole. Er hob die Papierkladde auf,
die sie bei sich getragen hatte, und schob Paula vor
sich in den Lift hinein. Erst als sie sich dann trennten,
wurde ihm bewußt, daß er den älteren Regeln der
Ritterlichkeit gefolgt war und nicht denen des militä-
rischen Ranges.

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14

Von der Kritik in die Pfanne gehauen


Er wachte auf und starrte erschreckt auf die Uhr. Es
war 0945. Sich von den Decken befreiend, sprang er
von seiner Pritsche und lief ins Bad. Während er sich
bemühte, die Wassertemperatur der Dusche zu re-
geln, beruhigte er sein Gewissen mit der Überlegung,
daß ein hellwacher General besser ist als ein schläfri-
ger, daß er ja gar nichts tun konnte außer hoffen, daß
Hargreaves' Patrouillen die Bombe von Konkrook
fernhalten würden, bis Pickerings Gehirntrust seine
eigene fertig hatte, und daß ein langer Schlaf des
kommandierenden Generals für die Moral der Trup-
pe immer noch besser war als der Anblick eines Be-
fehlshabers, der in Spiralen herumrennt. Er rasierte
sich sorgfältig; Bartstoppeln auf seinem Kinn konnten
verraten, daß er bekümmert war. Dann zog er sich an,
klemmte sein Monokel ein und rief das Hauptquar-
tier an. Die Funkerin holte Paula Quinton. Sie war
schon seit zwei Stunden auf.

»Die Northern Lights kam vor etwa drei Stunden,

General«, sagte sie. »Sie hatte vier von König Yoor-
kerks Infanterieregimentern an Bord – das Siebente
›Ruhmreich und Schrecklich‹, das Vierte ›Die Unbesieg-

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bare‹, das Zweite, ›Stärke des Throns‹ und das Zwölfte,
›Ewiger Ruhm‹. Es ist der traurigste Haufen, den ich
jemals gesehen habe, aber Hideyoshi sagt, sie seien
das Beste, was Yoorkerk hat, und immerhin haben al-
le Gewehre terranischen Modells. General M'zangwe
hat sie in Bataillone aufgeteilt und jedem Kraganerre-
giment eines davon zugeordnet. Vor den Kraganern
fürchten sie sich, glaube ich, noch mehr als vor den
Rebellen.«

Er nickte. Unter den Umständen war das wohl das

beste, was man mit ihnen anfangen konnte. Aber
M'zangwes schlaue Taktik barg hier die Gefahr eines
gänzlich ungewollten Ergebnisses. Gewiß, mit den
Kraganern zusammengekoppelt würden diese Geeks
bei der Eroberung Konkrooks sehr nützlich sein. Das
Problem lag nur darin, daß sie sich unter dem Befehl
der Kraganer selbst zu halbwegs guten Soldaten ent-
wickeln und so eine unerwünschte Verstärkung von
König Yoorkerks Armee darstellen würden. Anderer-
seits – wenn man sie lange genug in den Diensten der
Company behielt, dann würden sie vielleicht von
Yoorkerk überhaupt nichts mehr wissen wollen und
hierbleiben.

»Wie sieht es denn in der Stadt aus?« fragte er.
»Seit wir die Kontragravitationsschiffe abgezogen

haben«, antwortete sie, »hat sich alles verlangsamt,
aber die Geeks fallen immer mehr auseinander. Die

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Straßen

sind

voll

von

Flüchtlingen.

Und

das

Strato-

sphären-Beobachtungsschiff

sie

nennen

es

›Him-

melsspion‹

befindet

sich

in

einer

Höhe

von

zweihun-

dertfünfzig

Kilometern

über

Keegark.

Radar-

und

TV-

Schirme

sowie

Radiations-Telemeter

und

andere

De-

tektoren

sind

aufgeschaltet.

In

der

Werft

wird

die

Nor-

thern

Lights

gerade

auf

ähnliche

Weise

ausgerüstet.

Üb-

rigens,

Aircommodore

Hargreaves

möchte

wissen, ob

er ein Paar 150-mm-Kanonen von der Kanalbatterie
abziehen und in die Lights einbauen kann.«

»Natürlich; er kann haben, was er nur will, so lange

es nicht für das Bombenprojekt benötigt wird.«

»Himmelsspion

meldet

normalen

Kontragravitati-

onsverkehr

zwischen

Keegark

und

den

umliegenden

Farmen

Aircars

und

Lastschiffe

aber

nichts

Ver-

dächtiges.

Von

den

Schiffen

der

Boer-Klasse

noch

kei-

ne

Spur.

Pickering

und

seine

Leute

arbeiten

wie

wahnsinnig,

aber

sie

wirken

alle

ziemlich

frustriert.

Major

Thornton

experimentiert

in

der

Munitionsfabrik

mit

Ladungen,

die

die

subkritischen

Massen

schnell

genug

zusammenbringen.

Der

größte

Teil

der

Elektro-

nik-Ingenieure arbeitet an einem Zünder. Hargreaves
rüstet eine größere Anzahl kleinerer Fahrzeuge –
Kampfschiffe und zivile Aircars – mit Radargeräten
aus, damit sie Aufklärungspatrouillen fliegen kön-
nen.«

»Klingt nicht schlecht«, sagte von Schlichten. »Ich

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komme gleich und sehe mich um; aber erst einmal
brauche ich Frühstück.«

In der Haupt-Caféteria, vier Stockwerke tiefer, ging

es etwas ruhiger zu als sonst, aber die Leute schienen
guter Dinge zu sein. Er brachte einige Zeit im Haupt-
quartier zu und beobachtete Keegark über TV und
Radar. Bis jetzt hatte dort noch keine direkte Aufklä-
rung mit Strahlungsdetektoren stattgefunden. Aber
Hargreaves berichtete, daß mehrere private Aircars
dafür hergerichtet wurden.

Er machte selbst einen Inspektionsflug über die In-

sel, besuchte die Farmen auf dem Festland südlich
der Stadt und überflog schließlich die Stadt selbst.
Aufklärungsflüge dieser Art waren eine archaische
Prozedur, und nicht wenige Generale hatten dabei
bereits ihr Leben eingebüßt; aber er konnte auch
manches sehen, was ihm über TV entgangen wäre.
Mehrere Male landete er auf bereits erobertem Gebiet
und sprach mit Soldaten und Offizieren. Bemerkens-
werterweise waren König Yoorkerks Regimenter mit
den verwegenen Namen nicht ganz so schlecht, wie
Paula geglaubt hatte. Sie durfte bei der Beurteilung
anderer Eingeborenertruppen nur nicht von bei Kra-
ganern anzulegenden Maßstäben ausgehen. Die Be-
waffnung der Geeks stammte von Volund und war
durchaus gut; und die Geeks zeigten sich tapfer und
willig und waren durch ihre Eingliederung in Kraga-

background image

ner-Regimente gerade genug angestachelt worden,
um ihr Bestes zu geben.

Gegen Mittag flauten die Kämpfe in Konkrook ab.

Auf einem ihrer Widerstandsnester nach dem ande-
ren hißten die Rebellen die weiße Flagge. Um 1430,
kurz nach seiner Rückkehr auf die Insel, kam eine De-
legation unter dem Konkrooker Gegenstück eines
Bürgermeisters über den Kanal. Sie bestand haupt-
sächlich aus Kaufleuten, die den Staatsspeer von
Konkrook überbrachten und sich in weitschweifigen
Entschuldigungen ergingen, weil Gurgurks Kopf
nicht darauf steckte. Gurgurk, berichteten sie, war in
der Nacht zuvor mit einem Aircar nach Keegark ge-
flohen. Die Küstenbatterie hörte zu feuern auf. Bis auf
den Knall einzelner Schüsse aus kleineren Waffen
senkte sich Stille über die Stadt.

Um 1600 besuchte von Schlichten Pickerings

Hauptquartier im Verwaltungsgebäude des Kern-
kraftwerks. Als er im dritten Stock den Aufzug ver-
ließ, stieß er mit einem Mädchen zusammen, das, die
Arme voll Aktendeckel, eben den Gang entlanglief.
Papiere flogen in alle Richtungen. Er bückte sich, um
ihr beim Einsammeln zu helfen.

»Oh, General! Ist das nicht wunderbar«, rief sie.

»Ich kann es einfach nicht glauben!«

»Ist was nicht wunderbar?« fragte er.
»Oh, Sie wissen noch nicht? Sie haben es!«

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»Sie haben es?« Er hob die letzten Papiere auf und

gab sie ihr. »Seit wann?«

»Seit einer halben Stunde. Und stellen Sie sich vor,

diese Bücher waren die ganze Zeit hier, und ... Oh,
ich muß mich beeilen!« Und schon war sie im Aufzug
verschwunden.

In Pickerings Hauptquartier sah er einen der Inge-

nieure mit einem Stenofon in der einen Hand und ei-
nem Buch in der anderen. Von Zeit zu Zeit sagte er
etwas in das Stenofon. Zwei weitere Ingenieure hat-
ten ähnliche Bücher vor sich liegen; sie machten No-
tizen, sahen im Handbuch der Atomphysik nach und
tippten etwas in ihre Rechner ein.

Pickering lief gerade von einer Gruppe zur näch-

sten. Er packte ihn am Ärmel. »Nun, was ist?« fragte
er.

»Ha! Wir haben es!« rief Pickering. »Alles, was wir

brauchen! Sehen Sie nur!«

Auch er hatte eines dieser Bücher unter dem Arm.

Er hielt es von Schlichten hin.

Es war ein Roman – ein dicker historischer Roman

von etwa sieben- oder achthundert Seiten. Der Um-
schlag trug das Brustbild einer vollbusigen, jungen
Dame mit grünen Augen, rotem Haar und Jadeohr-
ringen. Im Hintergrund stieg ein Atompilz auf, vor
dem ein viermotoriger Propellerbomber des Ersten
Jahrhunderts zu fliehen schien. Und das Buch hieß

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Blutiger Morgen, verfaßt von einer gewissen Hilde-
garde Hernandez.

»Ja, da ist eine A-Bomben-Explosion drauf«, räum-

te er ein.

»Und es steht alles drin – wirklich alles! Kritische

Massen, Sprengladungen, Zünder, alles! Und im An-
hang gibt es sogar Diagramme, Kopien der Zeich-
nungen für die Original-Nagasaki-Bombe. Sehen Sie
nur!«

Von Schlichten wußte nicht mehr von Atomphysik

als jeder andere intelligente Laie – genug, um einen
Konversions-Reaktor zu reparieren oder zu laden;
aber die Zeichnungen sahen tatsächlich echt aus. Es
schien sich um Kopien alter Blaupausen zu handeln.
Das Englisch des Ersten Jahrhunderts war mit Über-
setzungen in Lingua Terrae versehen. Auf allen Blät-
tern stand TOP SECRET und U.S. ARMY CORPS und
MANHATTAN ENGINEERING DISTRICT.

»Und sehen Sie sich das an!« Pickering schlug eine

markierte Seite auf und zeigte sie ihm. »Und das! Da
steht praktisch alles drin, was wir wissen wollen!«

»Das

kapier

ich

nicht.«

Von

Schlichten

schüttelte

un-

gläubig

den

Kopf.

»Ich

habe

ein

paar

Kritiken

dieses

Wälzers

gelesen.

Überall

wurde

er

in

die

Pfanne

gehauen:

›Weltkrieg

II

durch

ein

Schlafzimmerschlüs-

selloch‹; ›Duell in Spitzenhöschen‹ – so in der Art.«

»Ja, ja, sicher«, räumte Pickering ein. »Aber diese

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Hildegarde bildet sich ernsthaft ein, große historische
Romane zu schreiben, verstehen Sie. Sie gibt so ein
Buch erst in Druck, wenn sie jahrelang recherchiert
hat – teilweise läßt sie das auch von einer Herde Bi-
bliothekare, Doktoranden und anderen derartigen li-
terarischen Kulis machen. Und sie brüstet sich, daß
man ihr niemals auch nur den kleinsten historischen
Irrtum nachweisen kann.

Nun, in diesem Opus geht es um das alte Manhat-

tan-Projekt. Die Heldin ist eine Art Super-Mata Hari,
die – nacheinander und manchmal sogar gleichzeitig
– im Sold der Nazis, der Sowjets, des Vatikans, Tschi-
ang Kai-Scheks, des japanischen Kaisers und aller
möglichen jüdischen Bankiers steht und mit jeder-
mann schläft bis auf Josef Stalin und Mao Tse-Tung.
Und natürlich kennt die das A-Bomben-Projekt von A
bis Z. Unter Mithilfe eines Generals, den sie auf fünf-
zig mulmigen Seiten verführt, bringt sie es sogar fer-
tig, als blinder Passagier in der Enola Gay mitzuflie-
gen.

Um sich für diese Schwarte zu dokumentieren, hat

die Hernandez genau dieselben Quellen benutzt wie
Lourenço Gomes – die in der Bibliothek der Universi-
tät von Montevideo. Sie hatte sogar Zugang zu Foto-
kopien der alten US-Daten, die General Lanningham
nach dem Debakel der Vereinigten Staaten im Jahr
114 des Atomzeitalters nach Südamerika brachte.

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Dieser Anhang stammt direkt daraus. Soweit wir es
bisher nachrechnen konnten, ist alles völlig authen-
tisch. Was die Sprengladung anbelangt, müssen wir
noch einige Tests durchführen – die genaue Stärke
der damals verwendeten Explosivstoffe kennen wir
nicht mehr – und auch die Zünder werden wir noch
zu testen haben. Aber in einer halben Stunde sollte es
uns möglich sein, Pläne für das Gehäuse zu zeichnen.
Sobald sie fertig sind, gehen sie sofort zur Gießerei in
der Werft.«

Mit einem Seufzer der Erleichterung reichte ihm

von Schlichten das Buch zurück. »Und ich dachte
schon, wir seien alle im Eimer«, sagte er. »Wir wer-
den Señorita Hildegarde Hernandez auf den Ruinen
von Keegark ein fünfzig Meter hohes Denkmal er-
richten ... Wie sind Sie denn überhaupt auf dieses
Ding gekommen?«

Pickering deutete auf einen jungen Mann mit rot-

blondem Haar, der irgend etwas in einen kleinen
Computer eingab.

»Piet van Reenen; er hat eine Freundin, die Ge-

schmack an solchem literarischen Kaugummi findet.
Sie erzählte ihm, daß alles in einem Buch stehe, das
sie eben gelesen hatte, und zeigte es ihm. Wir sind
gleich in sämtliche Buchläden gestürmt und haben
uns alle greifbaren Exemplare geholt. Jetzt sind wir
gerade bei einer Art Gas-Diffusions-Prozeß, um die

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Atomphysik von der Pornographie zu trennen. Ich
muß sagen, daß Hildegarde auch in Biologie recht
firm ist.«

»Vielleicht fände sie sogar Spaß daran, einen Ro-

man über Geeks zu schreiben«, sagte von Schlichten.
»Nun, wann glauben Sie, sind Sie mit der Bombe so
weit?«

»Der Guß der Gehäuse dauert am längsten«, sagte

Pickering. »Dennoch dürfte das alles längstens drei
Tage dauern. In zwei Wochen liefern wir sie vom
Fließband.«

»Ich hoffe, wir brauchen nicht mehr als eine. Den-

noch müssen Sie mindestens ein halbes Dutzend her-
stellen. Lassen Sie auch ein paar Übungsbomben ma-
chen, aus Zement oder irgendwas meinetwegen, so
lange sie nur das richtige Gewicht und die richtige
Form haben und irgendwie Rauch entwickeln. Lassen
Sie die bauen, sobald das Gehäuse gezeichnet ist.
Dann können wir ein paar Trainingsabwürfe durch-
führen.«

Jedenfalls mußte er sich davor hüten, Hoffnungen

zu erwecken, die möglicherweise verfrüht waren. Na-
türlich unterrichtete er Paula Quinton, Themistokles
M'zangwe und – über verschlüsselte Kommunika-
tormeldung – König Kankad und Aircommodore
Hargreaves. Ansonsten konnte man jetzt nur warten
und hoffen, daß Hargreaves Orgzilds Bomber von

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Gongonk Island und Kankads Stadt fernhalten konn-
te. Und vor allem, daß Hildegarde Hernandez ihre
Leserschaft nicht zum Narren hielt. Er besuchte die
Stadt, wo die letzten Widerstandsnester ausgeräu-
chert wurden, und wo alle, die sich nicht allzu offen-
sichtlich an der znidd suddabit-Verschwörung beteiligt
hatten, jetzt beteuerten, stets die ergebensten Freunde
der Terraner und der Company gewesen zu sein. Von
Schlichten kehrte nach Gongonk Island zurück und
überlegte, ob er eine Generalamnestie erklären oder
ein Dutzend Guillotinen in der Stadt errichten sollte,
die dann eine Woche lang rund um die Uhr in Betrieb
sein müßten. Für beides gab es gewichtige Argumen-
te.

Um 2100 war der letzte organisierte Widerstand

gebrochen. Eine Sperrstunde wurde verkündet. In
der Stadt kehrte Ruhe ein. Noch schwebte über ihnen
das Damoklesschwert aus Keegark. Aber der Gedan-
ke daran wirkte jetzt nicht mehr so bedrohlich wie
noch am Abend zuvor. Von Schlichten und Paula
aßen in Broadway Room zu Abend, als das Telefon,
das sie an ihrem Tisch hatten installieren lassen, läu-
tete.

»Hier Colonel Quinton«, meldete sich Paula und

lauschte einen Moment. »Wann? ... Und woher kam
es? ... Ich verstehe. Und die Richtung? ... Sonst noch
etwas?«

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Das war offenbar alles. Sie legte auf und wandte

sich wieder von Schlichten zu.

»Der Himmelsspion hat eben den Start eines Schif-

fes in Keegark registriert. Wahrscheinlich ist es einer
der Frachter der Boer-Klasse – entweder die Jan Smuts
oder die Oom Paul Krüger. Vermutlich haben die
Geeks sie getarnt, nachdem Commander Prinsloo
Keegark zum erstenmal mit der Aldebaran bombar-
dierte. Der Start erfolgte vor zwanzig Minuten; zu-
letzt befand sich das Schiff siebzig Kilometer nördlich
von Keegark über dem Hoork River.«

»Das könnte eine Finte sein«, dachte von Schlichten

laut, »um unsere Schiffe nach Norden zu ziehen und
den Zugang nach Konkrook oder Kankads Stadt zu
öffnen. Das aber würde bedeuten, daß sie von der
Existenz des Himmelsspions wissen, und das bezwei-
fle ich, obwohl ich auch da kein Risiko laufen möchte.
Sie wissen, daß wir Boden- und Schiffsradar haben,
und glauben vielleicht, daß sie unbemerkt das Konk-
Tal heraufschleichen können oder fälschlich für eines
unserer Schiffe aus dem Norden gehalten werden.«

Er nahm den Hörer auf. »Stellen Sie zu Air-

Commodore Hargreaves auf der Procyon durch«, sag-
te er. »Legen Sie das Gespräch in mein Büro, ich bin
gleich oben.« Er stand auf. »Essen Sie ruhig zu Ende,
und lassen Sie bitte den Rest meines Dinners nach
oben bringen«, bat er Paula.

background image

Als er den Saal betrat, in dem das Hauptquartier

untergebracht war, hatte man ihm die Verbindung
mit der Procyon hergestellt, die sich zwischen Kan-
kads Stadt und Keegark an der nordwestlichen Ecke
der Takkad-See befand. Die Aldebaran, das wußte er,
war westlich von Keegark; die Northern Lights, die
jetzt zu ihren 90-mm-Geschützen jetzt noch zusätz-
lich ein Paar 150-mm-Kanonen hatte, war eben in
Kankads Stadt angekommen. Er schickte die Aldeba-
ran
auf Patrouille entlang dem Gebirgskamm zwi-
schen den Flußtälern von Hoork und Konk, die sie
von dort aus mit Radar und Detektoren überwachen
konnten. Die Gaucho wurde so stationiert, daß sie al-
ler Voraussicht nach das Schiff der Boer-KIasse aus
Keegark abfangen konnte. Die Northern Lights, die
wie die Aldebaran in ständiger Verbindung mit dem
Himmelsspion stand, nahm die bisherige Position der
Aldebaran ein. Schließlich rief er noch Skilk und ließ
die Northern Star von dort aus ins Hoork-Tal einfah-
ren.

Jetzt konnte er nur noch warten. Kurz nach dem

Ende seines Gespräches mit Skilk brachte Paula Quin-
ton auf einem Cocktail-Wagen den Rest des Dinners.
Nach und nach stellten sich auch die restlichen An-
gehörigen seines Stabes ein, soweit sie nicht auf der
Werft mit der Besetzung von Konkrook oder dem
Bombenprojekt beschäftigt waren. Gemeinsam starr-

background image

ten sie auf die verschiedenen Bildschirme, die – in
Radarmustern, Direktvision, Teleskop-Vision, über
Wärme- und Strahlungsdetektoren – zeigten, was
nordöstlich von ihnen vorging.

Von Keegark gab es kein optisches Bild; offenbar

hatte König Orgzild völlige Verdunkelung befohlen.
Allerdings half ihm das nichts: Auf dem Radarschirm
war die Stadt ganz deutlich zu sehen, und auf den
Strahlungs- und Wärmebildern nicht weniger. Auch
das Keegarkanische Schiff, das visuell nicht wahr-
nehmbar war, verriet sich durch die Strahlung seiner
Maschinen und das charakteristische Strahlungsmu-
ster seines Kontragravitationsfeldes. Der Fleck auf
dem Radarschirm markierte ebenfalls seine Position.
Auch auf dem TV-Schirm war diese Position durch
einen Lichtpunkt gekennzeichnet – er stammte von
einem mit den Detektoren synchronisierten Gerät des
Himmelsspions. Die Schiffe und Kontragravitations-
fahrzeuge der Company identifizierten sich durch
nur von oben sichtbare rote und blaue Blinklichter.

Langsam verrann die Zeit. Die fünfundsechzig-

Sekunden-Minuten dieses Planeten schienen sich zu
Stunden zu dehnen. Die Punkte, die das feindliche
Schiff und seine Verfolger markierten, schlichen träge
dahin; vom Himmelsspion aus zweihundertfünfzig
Kilometer Höhe gesehen, waren selbst die gut eintau-
send Stundenkilometer der Gaucho kaum wahrnehm-

background image

bar. Sie tranken Kaffee, bis sie ihn über hatten. Sie
rauchten, bis sich die Lungen bogen. Sie starrten auf
die Bildschirme, bis sie gewiß waren, sie fortan in je-
dem ihrer Träume sehen zu müssen. Dann meldete
die Gaucho Radarkontakt mit dem keegarkanischen
Schiff, das in Schlangenlinien das Konk-Tal herauf-
kam.

Danach gingen die Identifikationslichter der Gau-

cho aus, und sie berichtete direkt.

»... sind jetzt über dem Tal; Höhe etwa dreihundert

Meter. Die Lichter sind abgeschaltet. Wir versuchen,
es optisch am Himmel zu orten«, hörten sie eine
Stimme. »Wir setzen unsere vordere TV-Kamera ein.«
Mehrere Male wurde die Wellenlänge wiederholt,
und jemand schaltete einen weiteren Bildschirm an.

Außer den Sternen am Himmel und der Silhouette

der East Konk Mountains war allerdings nichts dar-
auf zu sehen. »Wir müßten es jetzt jeden Augenblick
haben; das Radar zeigt an, daß es sich über den Ber-
gen befindet. Ah, da ist es – direkt vor Beta Hydrae V;
bewegt sich in Richtung Finnegans Goat – die große
Konstellation östlich davon. Jetzt muß es gleich in der
Mitte des Bildschirms sein; wir nehmen Kurs darauf.
Bis die Aldebaran eintrifft, werden wir versuchen, es
aufzuhalten ...«

Schemenhaft war das feindliche Schiff jetzt im

Sternenlicht sichtbar. Tatsächlich handelte es sich um

background image

einen Frachter der Boer-Klasse. Vermutlich war es die
Jan Smuts; die Oom Paul Krüger war zuletzt in Bwork
gemeldet worden, und daß sie seit dem Beginn des
Aufstandes unbemerkt nach Keegark gelangt sein
konnte, war wenig wahrscheinlich. Durchaus mög-
lich war sogar, daß sie bei den Kämpfen in Bwork be-
reits zerstört worden war.

»Wir

haben

es

jetzt

geortet

und

greifen

an«,

ließ

sich

die

Stimme

von

der

Gaucho

vernehmen.

»Es

hat

zwei

90-mm-Kanonen

gegen

unsere

eine;

die

müssen

wir

als

erstes

ausschalten.«

Der

Widerschein

des

Mündungs-

feuers

zuckte

über

den

TV-Schirm;

das

Bild

erzitterte

unter

dem

Rückstoß

und

stabilisierte

sich

dann

wieder.

Das

feindliche

Schiff

in

der

Bildmitte

wurde

größer

und

größer,

je

mehr

sich

die

Gaucho

ihm

näherte.

Noch

einmal

feuerte

das

Geschütz;

wieder

flammte

gelbes

Licht

über

den

Schirm,

wieder

vibrierte

das

Bild.

Das

feindliche

Schiff

erwiderte

das

Feuer,

doch

gingen

sämtliche

Schüsse

fehl.

Offensichtlich

waren

die

Geeks

nicht

in

der

Lage,

die

Radarvisiere

richtig

zu

synchro-

nisieren

und

die

Raketenzünder

auf

die

entsprechende

Entfernung

einzustellen.

Jetzt

gingen

die

Suchschein-

werfer

der

Gaucho

an

und

tauchten

das

feindliche

Schiff

in

grelles

Licht.

Es war die Jan Smuts. Der Name

war deutlich zu erkennen. Ihr Buggeschütz war ver-
stummt. Sie begann jetzt ein Wendemanöver, um aus
der Heckkanone zu feuern.

background image

»Jetzt eine Raketensalve«, sagte die Stimme. »Ach-

tung!«

In

Halb-Sekunden-Intervallen

schossen

vier

mal

vier

Raketen

aus

den

oberen

Rohren.

Die

ersten

vier

trafen

die

Jan

Smuts

an

der

unteren

Seite

und

mittschiffs.

Der

Flammenschein

der

Detonationen

war

noch

nicht

erlo-

schen,

als

die

zweiten

vier

Raketen

trafen.

Den

Ein-

schlag

der

restlichen

Geschosse

vermochte

niemand

mehr

zu

erkennen.

Die

Jan

Smuts

verschwand in einem

riesigen Feuerball, dessen greller Schein alle im Raum
blendete. Als sie nach dreißig Sekunden wieder sehen
konnten, war der Bildschirm dunkel.

Auf dem TV-Schirm des Himmelsspions war jetzt

das ganze Konk-Tal achthundert Kilometer nördlich
von Konkrook erleuchtet. Wärme- und Strahlungsde-
tektoren spielten verrückt. Von der Jan Smuts und der
Gaucho war nichts mehr zu sehen.

»Also hatten die Geeks tatsächlich eine A-Bombe«,

sagte Themistokles M'zangwe schließlich. »Und ich
habe versucht, mir einzureden, die Chancen dafür
stünden nur eins zu einer Million. Ich frage mich, wie
viele sie noch haben.«

»Paula,

stellen

Sie

bitte

fest,

wer

das

Kommando

der

Gaucho

hatte.

Er

dürfte

Leutnant

gewesen

sein.

Lassen

Sie

ihn

mit

sofortiger

Wirkung

zum

Captain

befördern.

Das

ist

vermutlich

das

einzige,

was

wir

noch

für

ihn

tun

können.

Alle

anderen

Mannschaftsmitglieder

wer-

background image

den

in

vergleichbarer

Weise

befördert.«

Er

drückte

auf

einen

Kommunikatorknopf.

»Geben Sie mir Kom-

mandeur Prinsloo auf der Aldebaran ...«

Er beauftragte Prinsloo, Aircars auf die Suche zu

schicken. Sie sollten sorgfältig auf Strahlungsgefähr-
dung achten, andererseits aber sicherstellen, daß kei-
ne der eventuellen Überlebenden der Gaucho ohne
Hilfe blieben. Währenddessen meldete der Himmels-
spion ein weiteres Schiff am östlichen Horizont, das
aus Richtung Bwork kam. Das mußte die Oom Paul
Krüger
sein. Hargreaves hatte bereits vom Auftau-
chen des zweiten Frachters erfahren. Er hielt es aber
für unrichtig, die Procyon von ihrer bisherigen Positi-
on abzuziehen, ehe die Aldebaran aus dem Konk-Tal
zurück war. Von Schlichten stimmte ihm zu.

Ein

Drink

wäre

jetzt

angebracht,

meinte

jemand.

Zwar

hatten

sie

eben

den

ziemlich

sicheren

Tod

von

drei

terranischen

Offizieren,

fünfzehn

terranischen

Mannschaften

und

zehn

Kraganern

erlebt.

Aber

sie

hatten

in

den

letzten

drei

Jahren

oder

waren

es

drei

Jahrhunderte?

in

so

enger

Nachbarschaft

mit

dem

Tode

gelebt,

daß

ihre

Erschütterung

sich

in

Grenzen

hielt.

Außerdem

war

der

Beweis

erbracht,

daß

sie

sich

gegen

König

Orgzilds

Bomben

verteidigen

konnten;

die

vorläufige

Abwehr

dieser

tödlichen

Gefahr

nahm

ihnen eine Zentnerlast vom Herzen.

Sie waren noch dabei, Cocktails zu mixen, als sich

background image

Pickering meldete. »Eine gute Neuigkeit von des Un-
ternehmens ›Hildegarde‹. Mindestens eine Bombe
wird bis morgen 1500 abwurfbereit sein; vier oder
fünf weitere bis zum Ende des folgenden Tages«, sag-
te er. »Gehäuse brauchen wir keine zu gießen. Nach
der Berechnung der erforderlichen Dimensionen stell-
ten wir fest, daß es auf dem Raumhafen genügend
leere Flüssigsauerstoffflaschen oder vielmehr -tanks
gibt, die alles aufnehmen können – spaltbares Materi-
al, Sprengladung, Zünder, alles.«

»Ausgezeichnet. Dann stellen Sie bis Sonntag 2400

so viele her wie nur möglich.« Er überlegte einen
Moment. »Verschwenden Sie keine Zeit mit den
Übungsbomben, von denen ich sprach. Zum Training
nehmen wir eine scharfe Bombe. Und werfen Sie die
Zeichnungen für das Gußgehäuse nicht weg. Die
brauchen wir vielleicht später noch.«

background image

15

Ein Platz in meinem Herzen für Hildegarde


In fünftausend Meter Höhe schwebten die Schiffe der
Company am Himmel von Keegark. Da war die Pro-
cyon,
von deren Brücke aus von Schlichten die Bewe-
gungen der anderen Schiffe und Aircars und auch
den fernen Horizont beobachtete. Die Aldebaran be-
fand sich ein gutes Dutzend Kilometer westlich da-
von; ihre metallene Außenhaut schimmerte im roten
Licht der Abendsonne. Nördlich der Aldebaran ein
kleinerer, entfernterer Schimmer: Die Northern Star
aus Skilk. Die Northern Lights hielt sich im Osten.
Zwischen ihr und der Procyon befand sich ein fünftes
Schiff. Durch das Fernrohr konnte er es gerade noch
erkennen: Es war die Oom Paul Krüger, die am Tage
zuvor nach einer Jagd durch die Berge und östlich
von Keegark von der Procyon zurückerobert worden
war. Weitab von den anderen Schiffen waren im Sü-
den ein kleiner, blaugrauer Fleck und ein noch klei-
nerer Lichtreflex zu sehen – ein zum Bombentrans-
porter umgerüstetes Müllfahrzeug, der – nicht sehr
schmeichelhaft aber zutreffend – auf den Namen Hil-
degarde Hernandez
getauft worden war, und das Artil-
lerieschiff Elmoran. Durch sein Fernglas konnte er se-

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hen, wie ein größeres zylindrisches Objekt von der
Hildegarde Hernandez auf das improvisierte Bomben-
katapult am Heck der Elmoran gebracht wurde. Kurz
darauf löste sich das Artillerieschiff vom Bomben-
transporter und steuerte auf die Flotte zu.

»General, ich muß wirklich Protest einlegen«, sagte

Aircommodore Hargreaves. »So etwas hat keinen
Sinn. Diese Bombe kann auch ohne Ihre persönliche
Gegenwart an Bord abgeworfen werden, Sir, und Sie
bringen sich nur unnötig in Gefahr. Diese Höllenma-
schine ist überhaupt nicht getestet worden. Sie kann
schon auf dem Katapult losgehen, wenn wir sie ab-
werfen. Und wir können es uns jetzt einfach nicht lei-
sten, Sie zu verlieren.«

»Nein; was würde denn aus uns werden, wenn Sie

an Bord gehen und sich mit diesem Apparat in die
Luft sprengen«, unterstützte ihn Buhrmann. »Mein
Gott, ich hatte immer geglaubt, Don Quixote sei Spa-
nier gewesen und nicht Deutscher.«

»Ich bin Argentinier«, berichtigte ihn von Schlich-

ten. »Und machen Sie mich bloß nicht unersetzlicher,
als ich in Wirklichkeit bin. Them M'zangwe kann
meine Stelle einnehmen, Hid O'Leary die seine, Bar-
ney Modkovitz die Hid O'Learys und so weiter, bis
Sie irgendeinen Sergeanten zum Leutnant ernennen.
Das alles haben wir ja schon gestern abend durchge-
sprochen. Zugegeben, wir hatten keine Zeit für lange

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Testreihen und müssen deswegen eine unerprobte
Waffe verwenden. Unter diesen Umständen schicke
ich aber keine Männer hinaus und sehe selbst aus si-
cherem Abstand zu, wie sie sich möglicherweise in
tausend Stücke sprengen. Wenn diese Bombe unsere
einzige Hoffnung ist, dann darf bei ihrem Abwurf
kein Fehler passieren. Deshalb möchte ich diese Auf-
gabe nicht einer Mannschaft anvertrauen, die glauben
könnte, auf ein Himmelfahrtskommando geschickt
worden zu sein. Was der Gaucho passierte, als sie die
Smuts erledigte, ist allen noch allzu frisch im Ge-
dächtnis. Wenn aber ich als derjenige, der den Befehl
zu dieser Mission gegeben hat, selbst daran teilneh-
me, dann sieht die Mannschaft daraus, wie groß mei-
ne Zuversicht ist, lebend zurückzukehren.«

»Nun, dann komme ich auch mit, General«, melde-

te sich Kent Pickering. »Ich habe das verdammte
Ding ja schließlich gebaut, und nach dem Grundsatz,
daß sich ein Restaurantbesitzer von Zeit zu Zeit ein-
mal beim Verzehr seiner eigenen Speisen sehen las-
sen sollte, muß ich dann doch wohl auch dabei sein.«

»Ich sehe noch immer nicht ganz ein, warum wir

nicht wenigstens eine Testexplosion durchgeführt
haben«, wandte Hans Meyerstein, der Mann vom
Bankenkartell, ein.

»Das will ich Ihnen erklären«, sagte Paula Quinton.

»Es ist durchaus möglich, daß den Geeks von der Exi-

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stenz unserer eigenen Bombe gar nichts bekannt ist.
Vielleicht glauben sie, daß wir unsere atomaren
Sprengsätze auf Niflheim für den Bergbau entwickel-
ten und nicht für militärische Zwecke verwenden.
Wahrscheinlich sind sie auch durch den Verlust der
Jan Smuts zunächst einmal demoralisiert. Ich persön-
lich nehme sogar an, daß sowohl König Orgzild wie
Fürst Gorkrink an Bord der Jan Smuts waren. Natür-
lich haben wir im Augenblick dafür keinen Beweis.
Dieses Schiff ist mit seiner ganzen Besatzung einfach
verdampft; die übriggebliebenen Teilchen registrie-
ren wir jetzt mit unseren Geigerzählern. Ich jedenfalls
bin felsenfest davon überzeugt, daß einer von diesen
beiden an Bord war, wenn nicht gar alle beide.«

»Paula weiß, wovon sie redet«, quäkte König Kan-

kad in der Sprache der Takkad-See, die sie alle ver-
standen. »Es ist genau wie bei von Schlichten, der auf
dem Bombenschiff mitfliegen will, um die Mann-
schaft zu ermutigen. Die Geeks bestehen immer dar-
auf, daß ihre Könige und Generäle mit ihnen in den
Krieg ziehen, besonders, wenn es um etwas sehr
Wichtiges geht. Andernfalls, glauben sie, würden die
Götter zornig.«

»Und wir müssen jetzt gleich losschlagen«, sagte

von Schlichten. »Sie haben noch ein paar weitere
Bomben. Zwar haben wir sie mit unseren Detektoren
noch nicht lokalisieren können, aber die Geeks, die

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von Kankads Männern gestern abend gefangenge-
nommen wurden, sagen, daß mindestens drei gebaut
worden sind. Wir dürfen auf keinen Fall riskieren,
daß irgendein Fanatiker eine davon in einen Aircar
lädt und damit einen Kamikazeflug gegen Gongonk
Island macht.«

Jetzt

drehte

die

Elmoran

mit

dem

schwarzen

Zylin-

der

auf

ihrem

Heckkatapult

bei.

Jemand

hatte

in

gro-

ßen

Lettern

auf

die

Bombe

gemalt:

»BLUTIGER

MOR-

GEN

von

Hildegarde

Hernandez.

Mit

den

besten

Wünschen

der

Autorin

an

S.

M.

König

Orgzild

von

Keegark.«

Eine

Gangway

wurde

ausgefahren,

die

das

Schiff

mit

dem

Artillerieboot

verband.

Von

Schlichten

und Kent Pik-

kering stiegen von der Brücke hinunter. Die anderen
folgten ihnen. Als von Schlichten die Gangway betrat,
bemerkte er Paula Quinton hinter sich.

»Wo wollen Sie denn hin?« fragte er.
»Dahin, wo Sie hingehen«, erwiderte sie. »Ich bin

Ihr Adjutant, glaube ich.«

»Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich persönlich

glaube zwar nicht, daß irgendeine Gefahr besteht;
dennoch möchte ich nicht, daß Sie ein unnötiges Risi-
ko laufen ...«

»Ich kenne mich in der Gedankenwelt der Terraner

nicht allzu gut aus«, meldete sich jetzt Kankad. »Und
von den Terranern, die Junge bekommen, verstehe
ich schon gleich gar nichts. Aber ich glaube, daß das

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für Paula etwas sehr Wichtiges ist. Erlauben Sie ihr,
Sie zu begleiten. Denn wenn Sie alleine gehen und
nicht mehr zurückkehren – dann glaube ich, wird sie
nie wieder glücklich sein.«

Von Schlichten sah Kankad nachdenklich an und

fragte sich, wie schon so oft, was eigentlich in diesem
Eidechsenkopf vorgehen mochte. Dann blickte er
Paula an und nickte schließlich.

»Also gut, Colonel. Einspruch zurückgezogen«,

sagte er.

An Bord der Elmoran unterzogen sie die Bombe,

das Katapult sowie das Zielgerät einer letzten Inspek-
tion und begaben sich dann auf die Brücke.

»Startbereit, Sir?« fragte der Kommandant, ein

Leutnant Morrison.

»Sobald Sie bereit sind, Leutnant. Wir sind hier nur

Passagiere.«

»Danke, Sir. Wir hatten vor, zur Zielkontrolle die

Stadt in etwa zweitausend Metern Höhe anzufliegen,
kurz vor den Bergen dann kehrtzumachen, und in
fünftausend Meter Höhe zurückzukommen. Sind Sie
einverstanden, Sir?«

Von Schlichten nickte. »Sie sind der Kommandant,

Leutnant. Stellen Sie jedenfalls sicher, daß Ihr Ingeni-
eur beim Abwurfsignal zuverlässig die Hilfsrakete
auslöst. Dreißig Kilometer müssen wir mindestens
weg sein, wenn das Ding losgeht.«

background image

Der Leutnant murmelte irgend etwas, was wie ein

ganz unmilitärisches »worauf Sie sich verlassen kön-
nen, mein Bester« klang.

»Hoffentlich«, bekräftigte von Schlichten. »Ich habe

die Jan Smuts auf dem TV-Schirm gesehen.«

Die Elmoran richtete ihren Bug gen Keegark. Die

Stadt hob sich als braun-grauer Flecken vom Grund-
nebel über dem Delta des ausgetrockneten Hoork-
Flusses ab, wurde dann ein Farbtupfer zwischen dem
Fluß, der Bucht und den Hügeln auf der landeinwärts
gelegenen Seite, und nahm dann schließlich mit ihren
rechtwinklig angelegten Straßenschluchten und ho-
hen Gebäuden plastische Formen an. Jetzt konnte von
Schlichten, der die Stadt ja schon häufig angeflogen
hatte, die charakteristischen Punkte erkennen: Den
Platz, wo sich König Orgzilds Nitroglyzerin-Fabrik
befunden hatte – jetzt ein in fünfhundert Metern Um-
kreis von Ruinen umgebener, tiefer Krater; die Resi-
denz, die auch nur ein Krater war, seit Rudolfo Mak-
Kinnon sich damit in die Luft gesprengt hatte; die
zerstörte Christian De Wett in den Docks der Compa-
ny; König Orgzilds Palast, rauchgeschwärzt und
schwer beschädigt an einer der Ecken, wo die Bom-
ben der Aldebaran gefallen waren ... Dann ließen sie
die Stadt hinter sich und befanden sich über offenem
Land.

»Wenn wir nur wüßten, wo die anderen Bomben

background image

sind, Sir«, sagte Leutnant Morrison. »Unsere Erkun-
dungsflüge mit den Strahlungsdetektoren sind leider
ohne Erfolg geblieben.«

»Ja;

das

einzige,

was

wir

registrierten,

war

das

Hauptkraftwerk,

und

die

Strahlung

von

dort

war

nor-

mal«,

stimmte

Pickering

zu.

»Von

den

Bomben

selbst

nicht

die

geringste

Spur.

Wahrscheinlich

haben

sie sie,

gut abgeschirmt, irgendwo unterirdisch versteckt.«

»Kankads Gefangene wußten nur, daß sie irgend-

wo in der Stadt sein sollen«, sagte von Schlichten.
»Wie wäre es mit der Mitte zwischen dem Palast und
der terranischen Residenz als Zielpunkt, Leutnant?
Sieht aus wie die Mitte der Stadt.«

Das Schiff wendete jetzt und machte sich, rasch an

Höhe gewinnend, auf den erneuten Anflug. Morrison
wies den Bombenschützen an, sich bereitzuhalten.
Schnell näherten sie sich der Stadt und der dahinter-
liegenden See. Von Schlichten, der auf der Brücke
stand, merkte, daß er den Arm um Paula gelegt und
sie ein wenig enger an sich gezogen hatte, als es beim
Militär sonst üblich war. Dennoch kam es ihm nicht
in den Sinn, sie loszulassen.

»Es besteht wirklich kein Grund zur Sorge«, versi-

cherte er ihr. »Pickering hat dieses Ding nach allen
Regeln der Ingenieurkunst gebaut und alles, was in
diesem Schauerroman stand, aufs genaueste durch-
rechnen lassen ...«

background image

Auf der Brücke flammten jetzt rote Warnlampen

auf, und über die Sprechanlage meldete jemand
»Bombe ab!« Von Schlichten zog Paula auf den Boden
nieder und kauerte sich neben sie.

»Bedecken Sie Ihre Augen«, warnte er sie. »Sie er-

innern sich noch an den Blitz auf dem Bildschirm, als
die Jan Smuts explodierte. Was wir da sahen, war
beileibe nicht alles; die Kamera auf der Gaucho war
nur zu schnell kaputt.«

Er hielt ihr einen Vortrag über Gammastrahlen, ul-

traviolette Strahlen, Röntgenstrahlen und kosmische
Strahlen, um ihre Gedanken irgendwie zu beschäfti-
gen und selbst nicht daran denken zu müssen, was
mit der improvisierten Höllenmaschine, die sie über
Keegark abgeworfen hatten, alles schiefgehen konnte.
Wenn sie nicht detonierte, würden die Geeks sie fin-
den und wissen, daß bald eine zweite folgen würde,
und dann ...

Und dann packte eine unsichtbare Riesenfaust das

Schiff, wirbelte es durch die Luft wie der Sturmwind
ein vom Baum gefallenes Blatt. Der Donner der Ex-
plosion war so stark, daß er körperlich fühlbar war.
Selbst durch die luftdicht konstruierte Außenstruktur
der Elmoran drang jetzt die Hitze herein. Einen Au-
genblick später kam ein weiterer, dann noch ein ähn-
licher Stoß. Hinter ihnen in Keegark waren zwei wei-
tere Sprengkörper losgegangen. Das bedeutete, daß

background image

sie König Orgzilds verbliebene atomare Bewaffnung
vernichtet hatten. Splitterndes Glas und das Knallen
und Ächzen brechender oder sich verbiegender Teile
verrieten, welcher Belastung die Elmoran ausgesetzt
war. Das Schiff hatte stark an Höhe verloren. Flu-
chend mühten sich Morrison und seine Leute an der
Steuerung ab, bis es ihnen gelang, es wieder zu stabi-
lisieren. Von Schlichten rappelte sich auf und half
auch Paula wieder auf die Beine. Erst jetzt begriff er,
daß sie einander leidenschaftlich geküßt hatten. Und
sie hielten einander immer noch in den Armen, als
das Rollen und Stampfen des Schiffes verebbte und
jemand ihn auf die Schulter tippte.

Er ließ Paula los und wandte sich um. Es war Leut-

nant Morrison.

»Was zum Teufel gibt es denn, Leutnant?« fragte

er.

»Tut mir leid, stören zu müssen, Sir. Aber wir

nehmen jetzt wieder Kurs auf die Procyon. Und das
würden Sie möglicherweise vermissen.« Er hielt ihm
eine runde Glasscheibe hin. »Ich hätte nicht geglaubt,
daß es jemals passieren würde – aber immerhin wa-
ren drei A-Bomben nötig, um Sie von Ihrem Monokel
zu trennen.«

»Ach, das?« Von Schlichten nahm sein Wahrzei-

chen und setzte es ein. »Ich habe es nicht verloren«,
log er. »Ich habe mich nur seiner entledigt. Wissen Sie

background image

nicht, Leutnant, daß, wenn er eine Lady küßt, kein
Gentleman ein Monokel trägt?«

Er sah sich um. Sie befanden sich etwa zwei- bis

dreihundert Meter über dem Wasser. Das vordere 90-
mm-Geschütz war von der Wucht der Explosion of-
fenbar losgerissen worden; auch die TV-Kamera und
das Radargerät konnte er nicht mehr entdecken. Ir-
gend etwas, wahrscheinlich das Geschütz, war gegen
den Vorderteil der Brücke geschlagen – ihr metalle-
nes Skelett war eingeknickt, das Panzerglas ausge-
schlagen. Immerhin verrieten die Vibrationen des
Schiffes, daß sein Kontragravitationsfeld nicht beein-
trächtigt war, und auch die Düsen arbeiteten.

»Die Schäden wurden durch die zweite und dritte

Bombe angerichtet, Sir«, sagte Morrison. »Unsere ei-
gene Bombe hätte uns nur ein wenig durchgeschüt-
telt. Aber die zwei Geek-Bomben, das war zu viel ...«

»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Leut-

nant. Sie und Ihre Crew haben sich glänzend ge-
schlagen, Leutnant – Kommandeur – beste Tradition
und so weiter. War mir durchaus ein Vergnügen,
Kommandeur. Hoffe, bald wieder bei Ihnen an Bord
zu sein, Captain.«

Sie fanden Kent Pickering am hinteren Ende der

Brücke und sahen mit ihm nach achtern hinaus.
Selbst von Schlichten, der H-Bomben und Betazyklus-
Bomben gesehen hatte, war beeindruckt. Ganz Kee-

background image

gark war völlig verschwunden unter einer sich nach
außen rollenden Wolke aus Staub und Rauch von
acht bis zehn Kilometern Durchmesser, welche die
Basis einer himmelhoch ragenden Rauchsäule bildete.

Einhundertfünfzigtausend Leute waren in dieser

Stadt gewesen, auch wenn sie nur Eidechsenköpfe
hatten, vier Arme und eine quarzfleckige Haut. Wie-
viele von ihnen jetzt noch am Leben waren, konnte er
nicht ermessen. Er zwang sich, daran zu denken, daß
sie die Leute waren, die Eric Blount und Hendrik
Lemoyne bei lebendigem Leibe verbrannt hatten. Er
erinnerte sich daran, daß zwei der drei Bomben, die
dieses Inferno aus Rauch und Feuer ausgelöst hatten,
in Keegark von Keegarkanern gebaut worden waren,
und daß er, mutatis mutandis, nichts anderes vor Au-
gen hatte, als Konkrook hätte passieren können. Viel-
leicht hatte auch jeder Terraner eine Art abergläubi-
scher Furcht vor für Kriegszwecke verwendeter
Kernenergie. Kein Wunder – nach all dem, was sie ih-
rer eigenen Welt zugefügt hatten.

Zumindest, dachte er grimmig, wird der nächste

Geek, der auf die Idee kommt, einen Terraner in
Thermokonzentrat zu tauchen und ihn dann anzu-
zünden, den Gedanken fallen lassen wie eine heiße
Kartoffel. Und der nächste Geek-Potentat, der ver-
sucht, eine antiterranische Verschwörung anzuzet-
teln, oder der nächste verrückte Packtiertreiber, der

background image

znidd suddabit predigt, wird auf der Stelle gelyncht
werden. Dies aber mußte die letzte A-Bombe auf Ul-
ler sein ...

Kateridee! tadelte er sich selbst. Das nächste Mal

würde es schneller so weit sein, und das übernächste
Mal erst recht. Hat man die erste Bombe geworfen,
dann führt kein Weg zurück, genausowenig wie nach
Hiroshima, mehr als vierhundertfünfzig Jahre zuvor.
Und er hatte sich sogar überlegt, wo in den Bergen
hinter Bwork er, um seine Aufforderung zur Kapitu-
lation zu unterstreichen, eine Demonstrationsbombe
abwerfen konnte.

Kein Zweifel: Entweder führte man sehenden Au-

ges

die

unvermeidliche

Katastrophe

herbei,

oder

man

machte

sich

rechtzeitig

klar,

daß

Atomrüstung

und

Nationalismus

zusammen

nicht

auf

dem

gleichen

Pla-

neten

existieren

können.

Und

es

ist

leichter,

ein

über-

kommenes

Denkmuster

aufzugeben,

als

ein

Stück

wis-

senschaftlicher

Erkenntnis.

Uller

war

noch

nicht

reif

für

die

Mitgliedschaft

in

der

Terranischen

Föderation;

die

Bevölkerung

hier

mußte

sich

erst

zum

Terrani-

schen

Frieden

bekehren.

Die

Kraganer

würden

dabei

eine

Hilfe

sein

als

Prokonsuln

und

Verwalter,

nicht

mehr

als

Söldner.

Und

sie

brauchten

bemannte

Über-

wachungssatelliten,

und

die

Niederlassungen der Ter-

ranischen Föderation mußten aus den Städten heraus,
weg von möglichen Explosionsherden. Sid Harring-

background image

tons Idee schließlich, die Eingeborenen beim Bau ih-
rer eigenen Kontragravitationsschiffe zu unterstüt-
zen, mußte für lange Zeit ad acta gelegt werden. Viel-
leicht in einem Jahrhundert ...

Kankad

allerdings

hatte

eine

gute,

ja

geradezu

groß-

artige

Idee

gehabt.

Von

Schlichten

selbst

war

bereits

völlig

von

ihr

überzeugt.

Und

er

glaubte

auch

nicht,

daß

es

viel

Mühe

kosten

würde,

Paula

diese

Idee

nahe-

zubringen,

denn

schon

jetzt

hatte

sie

besitzergreifend

seinen

Arm

umfaßt.

Vielleicht

würden

ihre Enkel und

der Kankad dieser kommenden Zeit Uller als zivili-
siertes Mitglied der Föderation erleben ...

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als das

Schiff bei der Procyon beidrehte und die Gangway
ausgefahren und festgemacht wurde. Er blickte zu-
rück auf Keegark – oder das, was einmal Keegark
gewesen war.

»Weißt

du«,

sagte

Paula

gerade,

»ohne

diese

Porno-

grafin hätte das genausogut Konkrook sein können.«

Er nickte. »Ja. Ich hoffe, es macht dir nichts aus –

aber in meinem Herzen wird immer ein Platz für
Hildegarde sein.«

Sie wandten sich ab vom Ort des Grauens und

betraten die Gangway. Eigentlich sah es nicht aus, als
ginge da ein General und sein Adjutant.


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