Ferrarella, Marie Im Traum gehoerst du mir

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Im Traum gehörst du mir



Marie Ferrarella



Tiffany Duo 104–01

04/98



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den Verkauf bestimmt

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Das Begehren zwischen der blonden
Whitney und dem smarten Zane brennt lichterloh,
aber beide kämpfen mit aller Macht dagegen an:
Whitney hat sich geschworen, nie eine Affäre mit
einem Arbeitskollegen zu haben. Und Zane, der
nicht ahnt, wie heftig Whitneys Gefühle für ihn
sind, traut sich nicht so richtig. Doch dann
bekommen sie einen gefährlichen Auftrag: Sie
sollen den mächtigen Drogenhändler Dr. Richard
überführen, der im Zanadu-Hotel in Las Vegas
residiert. Zur Tarnung geben sich Zane und
Whitney als Brautpaar in den Fliterwochen aus.
Alles klappt wunderbar, bis Whitney am Pool
ausrutscht und sich den Kopf anschlägt. Als sie
erwacht, kann sie sich an nichts mehr erinner!
Zane läßt sie in dem Glauben, sie seien wirklich
verheiratet. Und Whitney, die spürt, wie heftig sie
ihren Mann liebt,
versteht überhaupt nicht, warum er sich nachts so
distanziert verhält...

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1. KAPITEL


Sie öffnete die Augen und versuchte, einen klaren Kopf zu

bekommen und sich an irgend etwas, gleichgültig woran, zu
erinnern.

Es gelang ihr nicht.
Suchend glitt ihr Blick durch das große, sonnendurchflutete

Schlafzimmer. Sie hoffte verzweifelt, etwas zu entdecken, das ihr
bekannt vorkam, aber sie hatte den Raum noch nie zuvor gesehen.
Die junge Frau wurde immer unruhiger.

Plötzlich fuhr sie erschrocken hoch. Sie war nicht allein: Auf dem

Bett neben ihr lag ein halbbekleideter Mann und schlief. Gerade
noch vermochte sie, einen Aufschrei zu unterdrücken, und eine innere
Stimme riet ihr, ihn nicht zu wecken. Sie beschloß, ihr zu vertrauen - es
war alles, worauf sie, sich im Moment verlassen konnte.

Die Lippen zusammengepreßt, musterte sie den schlafenden

Mann. Auch ihn hatte sie noch nie zuvor gesehen. Wie war das
möglich? Wieso wußte sie nicht, wer dieser Unbekannte hier
neben ihr war? Und plötzlich kam ihr eine fürchterliche Erkenntnis:
Sie wußte ja nicht einmal, wer sie selbst war. Sie hatte keine
Ahnung, wie sie hieß. Darüber war sie so erstaunt, daß sie die Panik,
die langsam in ihr hochstieg, fast vergaß.

Wer war der Unbekannte? Und warum lag er hier und schlief?

Sie beugte sich etwas zu ihm hinüber, um ihn genauer zu
betrachten, bevor er aufwachte und vielleicht selbst Fragen stellte,
Fragen, die sie nicht beantworten konnte.

Der Mann war groß, sehnig und gut gebaut. Der oberste Knopf

seiner wie angegossen sitzenden Jeans stand offen, und sogar im
Schlaf zeichneten sich die Muskeln auf seinen Armen deutlich ab.
Er hatte scharfgeschnittene Gesichtszüge, und sein Haar war dunkel,
fast schwarz, und hatte etwa Schulterlänge. Voller Unbehagen
holte die Frau tief Luft und schob vorsichtig die Beine über die
Bettkante, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Er rührte sich nicht.

Als sie aufstehen wollte, fuhr ihr ein stechender Schmerz durch

die Schläfen. Ihr wurde schwarz vor Augen. Im Fallen konnte sie sich
aber gerade noch am Bettpfosten festhalten. Nachdem sie ihr

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Gleichgewicht wiedergewonnen hatte, blickte sie voller Angst
zum Bett. War der Fremde etwa aufgewacht? Zu ihrer Erleichterung
jedoch stellte sie fest, daß er immer noch schlief. Sie wollte erst mit
ihm sprechen, wenn sie mehr wußte. Wenigstens ihren Namen
wollte sie herausfinden.

Mit unsicheren Schritten näherte sie sich dem verspiegelten

Kleiderschrank. Die Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegensah, war ihr
völlig fremd. Die Unbekannte hatte große, verloren blickende
blaue Augen und glattes blondes Haar, das ihr über die Schultern
auf das verführerisch kurze türkisfarbene Nachthemd fiel. Sie war
sehr hübsch. Verzweifelt fragte sie sich, wer sie war und wie sie
hierher gekommen war.

Ein Windstoß, der durch das halboffene Fenster fuhr, ließ sie frösteln.

Sie brauchte unbedingt etwas Wärmeres zum Anziehen. Ihre
Hände zitterten, als sie vorsichtig die Schranktür öffnete. Sie fand
tatsächlich einen Morgenmantel, das Kleid daneben jedoch
verschlug ihr den Atem. Es war ein Brautkleid, aber kein
gewöhnliches, sondern ein Traum in Weiß, bestickt und. mit Perlen
besetzt. Es mußte ein Vermögen gekostet haben. Fasziniert berührte
sie es. Gehörte es etwa ihr? Sie blickte über die Schulter zum Bett.
Und er dort, war er ihr Mann?

Als ihr die volle Bedeutung dieses Gedankens bewußt wurde, begann

ihr Herz, wie wild zu klopfen. Hastig nahm sie den Morgenmantel vom
Bügel, streifte ihn über und durchsuchte die Taschen in der
Hoffnung auf etwas, das ihr weiterhelfen würde. Ihr Atem stockte.
Sie hatte etwas Glattes berührt. Es war ein Polaroidfoto, das sie und
den Mann auf dem Bett zeigte, nur trug er darauf keine Jeans,
sondern einen Smoking, der perfekt zu ihrem Kleid paßte. Es war
dasselbe Kleid, das vor ihr im Schrank hing.

Ihre Panik verstärkte sich. Wenn sie die Frau auf dem Bild war,

warum wußte sie dann nicht, wer sie war? Warum erinnerte sie sich
nicht, wann oder wo das Foto aufgenommen worden war? Immer
wieder stellte sie sich bang diese Fragen, bis ihr das Bild vor den
Augen verschwamm.

„Guten Morgen! Du bist ja schon auf."
Erschrocken fuhr sie herum. Sie zwang sich, Haltung zu

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bewahren und sich nichts anmerken zu lassen. Eine innere Stimme
riet ihr, ihm nicht zu trauen, denn trotz des Fotos war er ihr
schließlich fremd.

„Sieht so aus", erwiderte sie vorsichtig.
Zane Russell richtete sich auf und lehnte sich ans Kopfende des

Bettes. Er hatte eine schreckliche Nacht hinter sich. Fast bis zum
Morgen hatte er voller Sorge um sie wach bei ihr gesessen. Die
Glieder taten ihm weh, und er streckte sich ein wenig. Daraufhin
rieb er sich den Schlaf aus den Augen. Zane war zwar imstande,
sofort hellwach zu sein, wenn es darauf ankam, aber bei Whitney
konnte er sich mit dem Aufwachen Zeit lassen. In ihrer Nähe fühlte
er sich wohler als bei den meisten anderen Menschen.

Er blickte zu ihr hinüber. Bildete er sich das nur ein, oder sah sie

seltsam aus? War mit ihr wirklich wieder alles in Ordnung?
Prüfend betrachtete Zane sie. Ihr Gesichtsausdruck gefiel ihm nicht,
und sie wirkte merkwürdig angespannt.

„Wie fühlst du dich?" fragte er.
Als er aufstand und auf sie zuging, wich sie einen Schritt zurück,

ohne den Blick von ihm zu wenden. Er sah aus wie ein Mann, den
eine Frau nicht so leicht vergißt, dennoch konnte sie sich
überhaupt nicht an ihn erinnern. Warum? Was war bloß mit ihr
geschehen?

Zögernd antwortete sie: „Wie sollte ich mich denn fühlen?"
Zane runzelte die Stirn. Warum blickte sie ihn so seltsam an?

Was war mit ihr los? „Ich weiß nicht." Er zuckte die Schultern.
„Das mußt du schon selbst wissen." Was sollte dieses Spielchen? Hatte sie
vor, mit ihm zu streiten?

Als er seine Hand nach ihr ausstreckte, schrak sie zurück. An

ihrer Miene erkannte er, daß sie offensichtlich nicht wußte, ob er sie nur
anfassen oder schlagen wollte. Was zum Teufel hatte sie bloß?
Vielleicht war vergangene Nacht alles ein bißchen zuviel für sie
gewesen.

Entschlossen trat er noch einen Schritt auf sie zu. „Du hast ja gestern

eine ziemlich schlimme Beule bekommen."

„Eine Beule?" In Gedanken wiederholte sie das Wort und suchte

nach einem Zusammenhang, konnte aber nichts damit anfangen. Steif

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blieb sie stehen und wagte kaum zu atmen, als Zane vorsichtig ihre
Stirn befühlte. Jetzt berührte er die verletzte Stelle, und sie zuckte
vor Schmerz zusammen.

Zane ließ die Hand sinken. Die Schwellung war zurückgegangen,

so wie der Arzt es gesagt hatte. Eigentlich sollte jetzt alles wieder in
Ordnung sein. „Ja, die Beule." Durchdringend sah er Whitney an.
„Die du dir... sag mal, was ist denn eigentlich los mit dir?" Sie hatte
denselben Ausdruck in den Augen wie eine Ertrinkende, die
verzweifelt versuchte, sich an einen lebensrettenden Balken zu
klammern. Zane wurde es immer unheimlicher. „Sag doch was!"
drängte er.

„Ich dachte nur, das kommt mir irgendwie bekannt vor."
Wovon zum Teufel sprach sie überhaupt? „Natürlich kommt dir

das bekannt vor..."

Zane verstummte und betrachtete sie forschend. Jetzt konnte er seine

Ungeduld nicht mehr verbergen. Eine dunkle Ahnung beschlich ihn.
Als er Whitney an den Schultern faßte, zitterte sie. Zane blickte ihr
in die Augen und sah den panischen Ausdruck darin. Das war nicht
mehr die Frau, die er kannte. „Bitte, sag mir doch, was du hast."

Sollte sie wirklich zugeben, daß sie nicht wußte, wer sie war. Sie kam

sich vor, als ob sie in einem fremden Körper steckte, genauso wie dieser
Wissenschaftler in dem Spielfilm, den sie sich im Fernsehen
angeschaut hatte.

Das konnte doch nicht wahr sein: Sie erinnerte sich an eine

Fernsehsendung und hatte gleichzeitig keine Ahnung, wer sie war
und wo sie sich befand! Sie mußte die aufsteigende Hysterie, die
sich ihrer bemächtigen wollte, mit aller Gewalt unterdrücken. Es war
unfaßbar. Es war einfach alles unfaßbar.

Nachdenklich blickte sie den Mann an, der vor ihr stand. Durfte

sie ihm vertrauen? Ihr war klar, daß sie gar keine Wahl hatte. Sie
mußte ihn in ihre verzweifelte Lage einweihen. Also gut. Sie, zögerte
kurz, fuhr sich mit der Zunge über die, Lippen, ehe sie gestand: „Ich
weiß nicht, wer ich bin."

„Was?" Zane ließ sie los, trat einen Schritt zurück und schüttelte

ungläubig den Kopf. Offenbar hatten ihn ihre Worte verärgert.
„Das ist wohl nicht der richtige Moment, sich auf meine Kosten zu

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amüsieren!"

Sie ergriff den Strohhalm, den er ihr unbeabsichtigt geboten

hatte. „Ja? Tue ich das öfter? Mich auf deine Kosten amüsieren?"

Weshalb, fragte sie ihn das? „Das weißt du doch!" Zane öffnete

den Kleiderschrank und nahm eine marineblaue Hose vom Bügel. Wenn
es nach ihm gegangen wäre, hätte er immer nur Jeans getragen, aber die
momentanen Umstände erlaubten es leider nicht. Zu der Hose wählte
er ein weizenfarbenes Hemd. „Beeil dich jetzt bitte, wir müssen..."

Er verstummte, als er bemerkte, daß sie immer noch reglos mitten im

Zimmer stand. So hatte er sie noch nie gesehen. Zane ließ die Sachen aufs
Bett fallen. „Meine Güte, das meinst du doch nicht wirklich ernst?"

Sie biß sich auf die Lippe und nickte langsam, während. sie

versuchte, die Tränen zu unterdrücken. „Doch."

Totenstille folgte. Draußen, sieben Stockwerke tiefer auf den Straßen

von Las Vegas, ging alles seinen gewohnten Gang. Jetzt sank Zane
fassungslos aufs Bett. Wenn sie lügen würde, hätte er es längst
durchschaut. Und falls es doch ein Scherz sein sollte, würde er sie
umbringen. „Du willst mir doch nicht erzählen, du hättest dein
Gedächtnis verloren?"

Was sollte sie denn noch tun, damit er ihr glaubte? „Ich habe dir doch

gerade gesagt, daß ich nicht weiß, wer ich bin", antwortete sie
ungeduldig.

Das war kein Witz. Sie meinte es tatsächlich ernst. Und was zum

Teufel soll ich jetzt tun? fragte er sich.

Sie konnte sich nicht erklären, warum diese Enthüllung ihn mehr

als sie selbst zu schockieren schien, aber falls sie wirklich gerade
erst geheiratet hatten... In der Tasche des Morgenmantels fühlte sie
immer noch das Foto, das sie hastig wieder hineingeschoben hatte,
als Zane aufgewacht war. „Bist du mein Mann?" erkundigte sie sich.

Jetzt mußte er auf der Hut sein. Überrascht sah er sie an. „Wie

bitte?"

Sie zog das Foto heraus und wiederholte: „Bist du mein Mann?"

Im gleichen Moment bemerkte sie den Ring an ihrer Hand. Einen
großen wunderbaren Ring, auf dem die Diamanten funkelten.
Staunend betrachtete sie ihn. Mindestens einer von uns beiden muß
ziemlich reich sein, dachte sie.

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Zane fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Warum war sie

vergangene Nacht nicht vorsichtiger gewesen? Er hatte ihr gesagt, sie
solle im Hotel bleiben, aber nein, störrisch, wie sie war, mußte sie
mitkommen. Und dann war sie gestürzt. „Ich bin..."

Zane überlegte hin und her und hoffte inständig, daß er jetzt das

Richtige tat. Ein falscher Entschluß konnte unabsehbare Folgen
haben. Erneut faßte er Whitney bei den Schultern. Noch einmal blickte
er ihr tief in die Augen, aber als er sah, daß sie ihn wirklich nicht
auf den Arm nahm, seufzte er.

So weit würde sie es nie treiben, das war ihm klar. Na gut. Er

hätte sie vergangenen Abend ins Zimmer sperren sollen, aber für
solche Überlegungen war es nun zu spät. Jetzt mußte er das Beste
daraus machen, aber es würde schwierig werden, gerade Whitney
etwas vorzuspielen.

Er lächelte. „Ja, ich bin dein Mann."
Zwar hatte sie schon das Foto und den Ring als Beweis,

dennoch konnte seine Bestätigung nicht die leiseste Erinnerung
wachrufen. Sie kämpfte gegen die Enttäuschung an. „Dann
weißt du wohl auch, wie ich heiße", sagte sie.

Sein Blick glitt mit einer solchen Vertrautheit über ihr Gesicht und ihr

Haar, daß es ihr unbegreiflich schien, daß sie sich nicht
wenigstens dunkel an irgend etwas erinnerte.

Zane nahm ihre Hände und nickte. „Ja, das weiß ich."
Vielleicht erinnerte sie sich wieder, wenn sie ihren Namen hörte.

„Wie denn?" fragte sie hoffnungsvoll.

Es wird lange dauern, ihr alles zu erklären, dachte Zane. Und

Zeit dafür hatten sie nicht viel, jedenfalls nicht, wenn diese ganze
Sache nach Plan laufen sollte. Andererseits konnte er Whitneys Zustand
auch nicht einfach ignorieren. Er saß wirklich in der Klemme.

Zane versuchte, ganz ruhig zu bleiben, und überredete Whitney,

sich auf das Bett setzen. „Du heißt Whitney. Whitney Bradshaw.
Er mu sterte sie, um zu erkennen, ob dieser Name irgendeinen
Eindruck hinterließ.

Vielleicht war er tatsächlich ihr Mann. Nur weil sie sich nicht

erinnerte, mußte das nicht heißen, daß er log. Wieso sollte er auch
lügen? Unfähig, mit dem Namen irgend etwas zu verbinden,

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schüttelte sie den Kopf.

Gut, dachte Zane, dann wollen wir mal anfangen. „Eigentlich

heißt du jetzt Whitney Russell. Vorgestern haben wir in einer
kleinen Kirche außerhalb von Las Vegas geheiratet. Jetzt sind wir
in Las Vegas. Im Hotel Zanadu."

Whitney hatte keine Ahnung von ihrem früheren Leben, außer

daß sie sich wenigstens einmal im Fernsehen einen Film angeschaut
hatte, aber was Zane ihr hier erzählte, klang für sie nicht so, als wäre
von ihr die Rede. Sie glaubte nicht, daß eine Hochzeit in Las Vegas zu
ihr paßte. Sie traute sich mehr Geschmack zu, mehr Stil. Und
dann dieses Kleid! Verunsichert zeigte sie ihm das Foto.

„Ist das nicht ein bißchen ausgefallen für Las Vegas?" Wenn sie

vorgehabt hatte, mit ihm durchzubrennen, wozu brauchte sie dann
so ein teures Kleid?

Zane seufzte. Das hätte er sich denken können. Selbst wenn Whitney

keine Ahnung hatte, wer sie war, hatte sie auf alle Fälle ihre
unangenehme Angewohnheit beibehalten, immer alles genau
wissen zu wollen. „Du hast darauf bestanden erwiderte er. „Du
hast gesagt, du willst eine Hochzeit, an die du dich gern erinnerst,
wenn schon der Ort

nicht gerade der ist, den du dir vorgestellt hast."
"Und wieso gerade Las Vegas?"
Zane lächelte gezwungen. „Du hattest es eilig."
Eilig? Eingehend betrachtete sie das Foto und versuchte

verzweifelt, sich zu erinnern, doch ohne Erfolg. Wieder sah sie Zane
an. „War noch jemand dabei? Meine Eltern? Oder Brüder? Eine
Schwester?"

Zane erwiderte fest ihren Blick. „Du hast niemand."
„Nicht einmal... einen Bruder?" Bruder! Zu irgend jemandem hatte

sie das schon einmal gesagt. Aber zu wem?

„Du hattest einen", antwortete Zane leise und nahm ihre Hand.

„Du hast mir erzählt, er sei gestorben."

Gestorben. Ihr Bruder war gestorben. Whitney seufzte. Sie war

allein. Vielleicht spürte sie deswegen diese Leere, aber als
frischverheiratete Frau sollte sie sich eigentlich nicht so leer fühlen.
„Dann habe ich nur dich?" flüsterte sie.

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Zane unterdrückte die aufkommenden Schuldgefühle und

bemühte sich, so mitfühlend wie möglich auszusehen. „Ja, nur
mich."

Sie nickte. So war das also. „Und wer bist du?"
„Zane. Zane Russell." Es war leicht zu erkennen, daß sie auch

mit dieser Information nichts anfangen konnte. Er strich ihr sanft das
Haar aus dem Gesicht und betrachtete noch einmal die Beule von
letzter Nacht. Sie war nicht mehr sehr groß.

Er war so besorgt um Whitney gewesen, daß er sie gezwungen

hatte, zum Arzt zu gehen, obwohl sie sich strikt geweigert hatte.
Die Röntgenaufnahme hatte keinen Anlaß zur Beunruhigung gegeben,
eine Gehirnerschütterung schien nicht vorzuliegen. Der Arzt hatte
ihm versichert, daß am nächsten Tag alles wieder in Ordnung
sein würde. In Ordnung! Vermutlich hatte dieser Arzt seinen
Doktortitel im Lotto gewonnen.

Zane stand auf, ohne ihre Hand loszulassen. Quinton schlief

meistens lange. Das gab ihnen noch ein paar Stunden Aufschub.
„Wie wär's, wenn wir noch einmal ins Krankenhaus gingen?"

„Noch einmal?" fragte Whitney verwundert.
Zane nickte. Es würde langwierig und gefährlich werden, ihr alle

notwendigen Informationen zu vermitteln. Er mußte äußerst vorsichtig
sein. „Ich habe dich vorige Nacht dorthin gebracht, nachdem du dir den
Kopf angeschlagen hattest. Ins Community-General-Krankenhaus."

Der Name sagte ihr überhaupt nichts. „Wie ist das mit der

Beule denn passiert...?"

Die Erklärungen hatte er sich bereits letzte Nacht auf der

Heimfahrt zurechtgelegt, falls jemand Fragen stellen sollte. „Im
Swimmingpool oben auf dem Hotel. Es war schon spät, und wir waren
allein. Ich glaube, wir haben uns ein wenig zu sehr von unseren
Gefühlen leiten lassen", bemerkte er und lächelte, als er ihren
zweifelnden Blick sah. „Schließlich sind wir in den Flitterwochen.
Jedenfalls bist du ausgerutscht und hast dir an der Beckenkante den
Kopf gestoßen."

Das wurde ja immer besser. War sie vielleicht auch noch nackt

mit ihm im Pool gewesen? Wenn sie seinen Worten glaubte,
konnte das gut möglich sein. Sie versuchte, es sich vorzustellen, aber es

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gelang ihr nicht. Vor Verlegenheit errötete sie leicht. Energisch schob sie
den Gedanken beiseite. Im Moment gab es wirklich Wichtigeres.

„War ich bewußtlos?"
„Nein, deswegen hast du dich ja gewehrt."
„Gewehrt?" Das erschien ihr ziemlich unwahrscheinlich, doch

sie glaubte ihm, denn obwohl sie sich nicht an Zane Russell
erinnerte, spürte sie sogar in ihrer Verwirrung und
Orientierungslosigkeit unterschwellig eine starke Bindung zu ihm.
Egal, ob sie sich daran erinnerte oder nicht, sie war seine Frau.

„Nicht gegen mich, sondern dagegen, ins Krankenhaus zu

gehen", erklärte er. „Ich mußte dich mit Gewalt in die Notaufnahme
bringen."

Wieder kam ihr eine undeutliche Erinnerung. Sie sah vor ihrem

geistigen Auge, wie jemand in ein Auto gedrängt wurde. War sie
das gewesen? Die Kopfschmerzen setzten wieder ein. „Du hast
mich gezwungen", sagte sie nachdenklich.

Obwohl die Situation ernst war, schmunzelte er. „Du kannst

ganz schön dickköpfig sein."

Was sollte sie mit diesen bruchstückhaften Informationen

anfangen, mit einem Namen und einem Gesicht, das ihr nicht einmal
entfernt bekannt vorkam? Wie paßte das alles zusammen? „Ich bin
dickköpfig, amüsiere mich gern auf Kosten anderer und habe keine
Familie." Sie holte tief Luft. „Das ist nicht besonders viel, nicht
wahr?"

Zane wünschte, er könnte ihr mehr erzählen, aber dafür war jetzt

nicht der richtige Zeitpunkt. Statt dessen legte er die Arme um sie.
„Komm, zieh dich an, mal sehen, was der Arzt dazu meint."

Bevor sie antworten konnte, klopfte es laut an der Tür.

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2. KAPITEL


Es klopfte noch einmal. „Zimmerservice", rief jemand.
Zane hatte nichts in Auftrag gegeben. Er überlegte, machte aber keine

Anstalten, die Tür zu öffnen. „Ich habe nichts bestellt."

„Nein, Sir, Mr. Richard Quinton läßt Sie grüßen", erwiderte

jemand auf dem Flur fröhlich. „Er hat uns gestern abend beauftragt,
Ihnen das beste Frühstück zu bringen, das unsere Küche zu bieten
hat."

„Oh." Zane entspannte sich ein wenig, aber als Whitney zur Türklinke

reifen wollte, packte er sie am Handgelenk. „Ich mach das sc hon."

Verwirrt sah sie ihn an. Sie war überzeugt, daß er ihr einen warnenden

Blick zugeworfen hatte. Warum war er so vorsichtig? Es war doch
nur der Zimmerservice!

Whitney trat zur Seite. Zuerst öffnete Zane die Tür nur einen

Spalt, bevor er sie ganz aufmachte. Der kleine Rollwagen, den der
Hotelboy hereinschob, lenkte Whitney von ihren Gedanken ab. Auf den
Tabletts lagen so viele Köstlichkeiten, daß kaum mehr Platz für
die Gedecke blieb. Der Hotelboy rollte den Wagen zum Fenster und
warf Whitney einen anerkennenden Blick zu. Es gab heiße Waffeln,
Schinken und Eier, Toast - alles, was man sich wünschen konnte.

Der Boy reichte Zane eine Karte mit der Aufschrift: „Lassen Sie

es sich schmecken. Richard Quinton."

Whitney stellte sich auf die Zehenspitzen, um Zane über die

Schulter zu schauen. „Wer ist Richard Quinton?"

Zane warf die Karte auf den Tisch, zog einen Fünfdollarschein aus

den Jeans und steckte ihn dem Hotelboy zu. Daraufhin schloß
Zane hinter ihm die Tür.

Der Gürtel von Whitneys Morgenmantel hatte sich gelockert. Es war

offensichtlich gewesen, daß der Hotelboy zu gern noch mehr
gesehen hätte. Zane hätte es ihm nicht zum Vorwurf machen
können. Er ging zu dem Rollwagen und nahm sich einen Teller.
„Jemand, dem ich gestern das Leben gerettet habe." Als er
Whitneys fragenden Blick bemerkte, erklärte er: „Wir waren auf
dem Golfplatz. Quinton und eine Frau, Sally hieß sie, glaube ich."

Zane wußte genau, wie sie hieß, er wußte so ziemlich alles über

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das Pärchen. Normalerweise war er stolz auf seine Gründlichkeit,
aber jetzt hätte sie nur zu weiteren Fragen geführt.

„Sie spielten eine Runde vor uns. Ziemlich langsam, muß ich dazu

sagen." Er nahm sich einen Toast und zwei Löffel
Himbeermarmelade. „Jedenfalls raste plötzlich ein Auto den Hügel
herunter. Wahrscheinlich waren die Bremsen kaputt." Zane goß
Kaffee in eine Tasse und schob sie Whitney hin, daraufhin schenkte
er sich selbst ein. „Wenn ich Quinton nicht zur Seite gestoßen hätte,
wäre er tot gewesen, am dreizehnten Loch, mit einem Schläger in
der Hand."

Zane sagte es so, als würde er täglich jemandem das Leben

retten. Vielleicht war es wirklich so? War er möglicherweise ein
Arzt? Das glaubte Whitney nicht. Forschend betrachtete sie ihn, als
sie an ihrem Kaffee nippte. Er schmeckte ihr nicht, und sie goß Sahne
nach. „Sieht so aus, als wäre gestern ein anstrengender Tag
gewesen." Unwillkürlich berührte sie ihre Stirn. „Nur dumm, daß ich
mich nicht daran erinnern kann.

Zane lehnte sich im Sofa zurück und aß den Toast, der dunkel

und knusprig war, so wie er es mochte. „Das wird schon
wieder", versicherte er ihr. Er hoffte es jedenfalls. Über eine andere
Möglichkeit wollte er jetzt nicht nachdenken. Er hatte sowieso keine
Kontrolle darüber, also hatte es auch keinen Sinn, sich damit zu
beschäftigen.

Zane sah zu, wie Whitney ihren Teller belud. Sie nahm von allem

etwas. „Hungrig?" fragte er amüsiert.

Bevor das Frühstück kam, hatte Whitney nicht gemerkt, wie

hungrig sie war. Ihr Magen war so leer wie ihr Kopf, aber in diesem
Fall konnte sie wenigstens etwas dagegen tun. „Ja, sehr."

Zane nahm noch einen Toast. „Na, wenigstens das hat sich

nicht geändert. Du hast schon immer wie ein Scheunendrescher
gegessen." Diese Behauptung war zwar nicht sehr schmeichelhaft,
aber wahr. Er betrachtete sie. Seit er sie kannte, hatte er nicht ein
Gramm Fett zuviel an Whitney gesehen. „Ich schätze, du verwandelst
jegliche Nahrung sofort in reine Energie. Wie eine alte
Dampflokomotive."

Whitney wurde neugierig. „Bin ich so lebhaft?"

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Zane lächelte. Lebhaft war gar kein. Ausdruck. „Unersättlich."
Das gefiel ihr schon besser, jedenfalls besser als der Vergleich mit

einer unförmigen Maschine. Sein Lächeln rührte etwas in ihr, sie
mochte es. Wie meinte er das? So wie er sie ansah, war sie sich nicht
sicher, ob er „unersättlich" ganz allgemein verstand oder ob er an
etwas Bestimmtes dachte. Vielleicht an Sex? Hatten sie schon vor der
Hochzeit miteinander geschlafen, oder würde es erst jetzt in den
Flitterwochen passieren? Bei diesem Gedanken mußte sie
lächeln. Sie würde es schon noch herausfinden.

Zane wischte sich die Krümel von den Händen. Zu gern hätte er

gewußt, was sie gerade dachte. Er stellte seinen Teller zurück.

Es gab so vieles, was sie wieder neu lernen und erfahren mußte.

Sie wollte das Beste daraus machen. „Ich glaube, es wird
spannend, alles über mich herauszufinden."

Wenn das die alte Whitney war, die das sagte, würde er bald

Schwierigkeiten bekommen. „Das wird es bestimmt", versprach
Zane. „So, ich bin satt." Whitney war noch nicht fertig, und
vermutlich würde sie sich noch einen Teller volladen. „Iß ruhig
weiter. Ich werde schon mal duschen, dann gehen wir zum Arzt."

Whitney sah ihm nach. Sie hatte den Eindruck, daß er sie zur

Eile drängen wollte. Waren Flitterwochen nicht zum Entspannen
da? Nun, wahrscheinlich wollte er sie nur deshalb so schnell zum
Arzt bringen, um möglichst bald herauszufinden, was mit ihr los war
und was man dagegen tun konnte.

Das war ja auch ihr wichtig - sie ertrug es kaum, nichts über ihr

früheres Leben zu wissen, in dem Zane offensichtlich eine wichtige
Rolle gespielt hatte.

Gesättigt und zufrieden stand sie auf und öffnete den

Kleiderschrank. Bei der Durchsicht der Sachen stellte sie fest, daß sie
sich offenbar gern feminin kleidete. Das erschien ihr seltsam, aber es
war nichts anderes da, also würde es wohl stimmen. Lieber hätte
sie verwaschene Jeans angezogen. Sie seufzte, wählte einen
schlichten weißen Rock, und einen roten Pullover und warf die
Sachen auf das Bett.

Im Badezimmer lief das Wasser immer noch. Viele Fragen

drängten sich Whitney wieder auf, und eine davon war besonders

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bohrend. Sie mußte es einfach wissen. Whitney zögerte nur kurz,
bevor sie die Tür zum Badezimmer öffnete. Als sie in die heißen
Dampfschwaden blickte, die den Blick auf Zane versperrten, fühlte
sie sich ein wenig beklommen. Sie konnte seine Umrisse hinter der
milchigen Duschwand erkennen, und der Anblick verfehlte seine
Wirkung nicht. Whitney biß sich auf die Lippe und trat zur
Duschkabine.

Kurz bevor die Schiebewand aufgezogen wurde, hatte Zane

gespürt, daß er nicht mehr allein war. Abwehrend hob er eine Hand,
aber als er Whitney sah, vermochte er nicht, sich von der Stelle
zu rühren. Sie schien genauso überrascht zu sein wie er. Sie blickte ihn
an und lächelte. Er glaubte nicht, daß er sie jemals so hatte lächeln
sehen. Jetzt riß Zane die Tür wieder zu. „Was machst du hier
eigentlich?" fragte er wütend.

Whitney hielt diese Reaktion für eindeutig. Sie bereute nicht, ins

Badezimmer gegangen zu sein. „Ich sehe mir nur meinen Mann
an. Ich war, na ja, einfach neugierig."

Ach du liebe Güte. Zane stellte das Wasser heißer. Der Wasserdampf

stieg ihm gar nicht schnell genug auf. Möglichst locker meinte er:
„An mir ist alles dran, was ich brauche, wenn du das wissen
wolltest."

„Zane, du bist doch nicht etwa schüchtern?" Das war unmöglich,

jedenfalls nicht bei so einem Körper. Und nicht, wenn sie verheiratet
waren. Aber es war ihm eindeutig peinlich. Whitney fiel es nicht
ein, zu gehen.

Zane drehte das Wasser ab und wickelte sich das Handtuch, das

er über die Duschwand gehängt hatte, schleunigst um die Hüften.
„Ich hab’s eilig", verteidigte er sich, als er heraus stieg. „Die
Notaufnahme ist dafür bekannt, daß man lange warten muß.
Willst du den ganzen Tag auf einem unbequemen Plastikstuhl
verbringen?"

„Nein." Fasziniert beobachtete Whitney, wie sich einzelne

Wassertropfen einen Weg über seine leicht behaarte Brust
bahnten. Was sie sah, gefiel ihr. Es gab zwar keinen logischen
Grund dafür, aber sie hatte plötzlich das Gefühl, daß alles gut
werden würde.

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Sie trat zurück. „Vielleicht ziehe ich mich besser an", meinte sie und

bemerkte, daß seine Sachen hinter der Tür hingen.

„Gute Idee", stimmte Zane zu und schob sie aus dem

Badezimmer. „Ich komme gleich nach."

„Sicher."
Whitney stand plötzlich vor der verschlossenen Tür. Er hatte

abgesperrt. Wer hätte gedacht, daß Zane so schüchtern sein
würde? Vielleicht hatten sie wirklich noch nicht miteinander
geschlafen. Oder die Hochzeitsnacht war phantastisch gewesen. Das
hätte erklären können, warum sie so auf ihn reagiert hatte.

Whitney suchte in den Schubladen nach Unterwäsche und fragte sich

besorgt, wie es weitergehen würde. Sie fand, was sie suchte, und
zog sich an. Trotz der verwirrenden Lage lächelte sie bei dem
Gedanken an Zane unwillkürlich. Schließlich hätte alles viel schlimmer
kommen können.


Der Warteraum der Notaufnahme des Community-General-

Krankenhauses war voll von wartenden Leuten. Obwohl Zane
nichts sagte, spürte Whitney seine Ungeduld.

Sie faßte ihn am Arm. „Komm, wir versuchen es einfach später

noch einmal", schlug sie vor. Weshalb sollten sie auch länger hier
herumsitzen. Eigentlich hatte sie gehofft, sich an den Aufenthalt
von gestern nacht zu erinnern. Sie hatte ohnehin kaum erwartet,
daß ein Arzt etwas für sie tun könnte.

Offenbar aber hatte Zane nicht vor, wieder zu gehen. „Nein.

Jetzt sind wir schon hier. Später wird es auch nicht leerer. Er wies
auf einen freien Stuhl. „Setz dich. Ich bin gleich zurück."

Zane ging zu einer Schwester an der Rezeption, die gerade mit

einem anderen Patienten beschäftigt war. Er beugte sich über die
Theke und flüsterte ihr etwas zu. Die Antwort war kurz und bündig.
Zane drehte sich um und winkte Whitney zu sich. Sie hoffte, daß
die Schwester ihr keine Fragen stellte, die sie nicht beantworten
konnte. Zane zog Whitney an seine Seite. „Gleich kommt der
Arzt."

Ein Pfleger erschien und brachte sie beide in einen kleinen Raum

neben der Empfangstheke. Whitney blickte Zane an. „Was hast

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du ihr denn erzählt?"

Zane lächelte. „Du kannst dir nicht vorstellen, welche Wirkung die

Worte Anzeige wegen Kurpfuscherei haben."

Sie staunte. „Du hast ihr gedroht?"
Zane kniff die Augen zusammen. Eben noch charmant, wirkte er

jetzt unerbittlich. „Nicht gedroht, eher laut gedacht. Der Arzt hatte
mir gesagt, daß du in Ordnung wärst. In Ordnung heißt für mich
nicht, daß du keine Ahnung hast, wie du heißt."

Seine Augen funkelten vor Wut. Es überraschte sie, wie gefährlich er

werden konnte. Ganz offensichtlich war er kein Mann, der sich
etwas gefallen ließ.

Der diensthabende Arzt, Dr. Kellerman, trat herein. Er war etwa

Mitte Vierzig und wirkte erschöpft und frustriert. Voller Mitleid
blickte er Whitney an. „Was Gedächtnisverlust betrifft, tappen wir
völlig im Dunkeln. Dr. Kellerman vermied es, Whitney anzusehen.
„Sie könnten sich morgen wieder an alles erinnern, aber die
Wahrscheinlichkeit, daß es länger dauert, ist genauso groß."

Whitney war nicht gerade begeistert. „Wenn Sie sagen, länger;

was meinen Sie genau damit?"

Hilflos zuckte Dr. Kellerman die Schultern. „Über die Dauer

können wir auch nichts sagen."

Whitney schluckte. Solange sie mit Zane beschäftigt gewesen

war, hatte sie verdrängt, wie ernst ihre Lage eigentlich war. Sie
machte noch einen Versuch. „Ungefähr ein Jahr?"

Dr. Kellerman wollte sie nicht in dem Glauben lassen, daß eine

Voraussage möglich sei. „Oder..."

Zane kam ihm zuvor: „Oder für immer?" Er wußte die Antwort schon

vorher. Es ist alles meine Schuld, dachte er. Er hätte sie dazu
bringen müssen, im Hotelzimmer zu bleiben. Es wäre nicht nötig
gewesen, daß sie beide gingen. Zum Teufel mit Whitneys Starrsinn.

Die Frage machte Dr. Kellermann verlegen, aber es war seine Pflicht,

ehrlich zu sein. „Ja." Als er sah, wie die Farbe aus Whitneys
Gesicht wich, beeilte er sich hinzuzufügen: „Aber das ist äußerst
selten." Er nahm Whitneys Hände in seine. Wenn er ihr schon nicht
helfen konnte, wollte er sie doch wenigstens trösten. „Ihre Frau scheint
sonst ja völlig gesund zu sein", meinte er zu Zane.

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Ein Klopfen an der Tür unterbrach sie. Andere Patienten

warteten auf ihn. Dr. Kellerman mußte sie verlassen. „Ich bin sicher,
daß es vorübergehen wird." Sein Blick glitt zu Zane. „Helfen Sie ihr
dabei. Sprechen Sie mit ihr von Dingen, die sie kennt. Ich fürchte, wir
müssen einfach abwarten."

Zane haßte es, zu warten. Das hatte er noch nie gekonnt, aber

jetzt schien ihm nichts anderes übrigzubleiben. „Einen Moment
noch", rief er. „Warum hat sie ihr Gedächtnis erst heute morgen
verloren und nicht schon gestern abend, als sie sich den Kopf
anschlug?"

„Wenn ich das wüßte. Wir sind in den letzten Jahren durchaus

weitergekommen, was die Hirnforschung betrifft, aber dieses
Problem konnten wir bisher nicht lösen." Er zog einige Visitenkarten
aus seinem Arztkittel, sah sie durch und reichte Zane eine davon.
„Ich könnte Ihnen einen Neurologen empfehlen, aber ich fürchte,
daß er Ihnen auch nicht weiterhelfen kann. Sie müssen eben
abwarten."

Zane steckte die Karte ein. Er sah Whitney an, daß sie keinen

Wert darauf legte, noch einen Arzt zu Rate zu ziehen, vor allem,
wenn dieser auch nichts anderes sagen würde. Zane verstand sie gut.

Dr. Kellerman wandte sich an der Tür noch einmal um. Er

zögerte. „Diese Anzeige..."

Whitney fand es unnötig, ihm das anzutun. „Es wird keine

Anzeige geben."

Überrascht sah Zane sie an. So, das hatte sich also auch nicht

geändert. Whitney liebte es, die Dinge selbst in die Hand zu
nehmen. Das war ihr Problem, aber jetzt war es auch noch seines.
„Wir hören voneinander", sagte er zu Dr. Kellerman. Als Whitney
widersprechen wollte, legte Zane seinen Arm um sie und schob sie
zur anderen Tür hinaus. „Du weißt nicht, ob wir nicht doch noch
einmal hierher zurückmüssen", flüsterte er. „Dann brauchen wir das
nächste Mal nicht so lange zu warten."

Er würde schon wissen, was er tat. Seufzend ging Whitney vor

ihm durch den Ausgang. Draußen sah sie zum wolkenlosen, blauen
Himmel empor. Sie sollte damit zufrieden sein, daß sie am Leben
war und dazu noch mit einem so umwerfend gutaussehenden

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Mann verheiratet war. Zu Zanes Überraschung hakte sich
Whitney bei ihm unter. „Na gut, und was jetzt?"

Er brachte sie zum Auto. „Wir fahren zurück ins Hotel." Zane

öffnete ihr die Tür und wartete, bis sie eingestiegen war.

Das klang nicht besonders romantisch oder spannend. Nachdem

er den Wagen angelassen hatte, fragte Whitney: „Können wir nicht
woanders hinfahren?"

„Wohin denn?"
„Ich weiß nicht." Sie zuckte die Schultern. „Das Wetter ist so schön,

ich dachte, wir könnten vielleicht irgendwo hinfahren und uns
unterhalten."

„Das ist doch auch im Hotel möglich. Außerdem haben wir um

ein Uhr eine Verabredung mit Richard Quinton." Zane sah auf die
Uhr. Mittag war schon vorbei.

„Der hat uns ja das Frühstück spendiert", erinnerte sich Whitney.
Zane nickte, ohne sie anzusehen. „So ist es."
Sie wandte sich ihm zu. „Ich weiß, dies ist alles neu für mich,

aber sollten frischverheiratete Paare nicht eigentlich das Bedürfnis
haben, allein zu sein?"

Wollte sie ihm jetzt auch noch Ärger machen? „In dieser Stadt

kann man schlecht allein bleiben. Außerdem haben wir danach
noch genug Zeit für uns. Und im übrigen ist es um so besser, je mehr
Leute um dich sind, weil damit die Chancen steigen, daß irgend
jemand etwas sagt, das dir dabei helfen könnte, dich zu erinnern."

„Vermutlich.
Whitney klang nicht überzeugt. Zane mochte jetzt nicht mit ihr

darüber streiten. Nachdem sie sowieso nichts tun konnten, war es
das beste, sie vorläufig im unklaren zu lassen und zu hoffen, daß
sie ihr Gedächtnis nicht zu einem unpassenden Zeitpunkt
wiedergewann. Er wechselte das Thema. „Wie fühlst du dich?"

„Du meinst, abgesehen davon, daß ich mich an mein früheres Leben

nicht erinnere?"

Es mußte entsetzlich für sie sein. „Ja, abgesehen davon."
„Gut. Es tut mir nichts weh. Die Kopfschmerzen sind auch weg."
„Freut mich."
Sie unterhielten sich, als hätten sie sich gerade erst

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kennengelernt. Sie waren doch verheiratet! „Hör zu, ich habe viele
Fragen..."

„Dann schieß mal los", forderte Zane sie auf und holte tief Luft.

Ihre Kopfschmerzen hatten aufgehört, aber er ahnte, daß die
Schwierigkeiten gerade erst anfingen.

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3. KAPITEL


So viele Fragen schwirrten Whitney durch den Kopf, daß sie gar

nicht wußte, wo sie beginnen sollte. Vielleicht am besten mit ihrer ersten
Begegnung. „Wo haben wir uns kennengelernt?“

Das fing ja gut an. Zane erinnerte sich sehr gut, wann er sie zum

erstenmal gesehen hatte, und lächelte unwillkürlich. Sie war ihm
gleich aufgefallen, obwohl die Situation alles andere als romantisch
war.

„Bei gemeinsamen Freunden", antwortete er. Er wählte diese

unbestimmte Antwort, denn über ihre wirklichen gemeinsamen
Freunde, durfte er jetzt nicht mit ihr reden. Er mußte so vorsichtig
wie nur möglich sein, um nicht zu zerstören, wofür er so lange
mühsam gearbeitet hatte.

Sehr informativ ist das ja nicht gerade, dachte Whitney.

Vielleicht war es schon so lange her, daß er sich nur verschwommen
daran erinnerte? „Wie heißen sie?" Namen, sie wollte Namen hören.
Sie wandte ihren Blick nicht von Zane ab.

„Cassidy. Joe und Aimee Cassidy." Zane hoffte inständig, daß sie ihn

nicht später noch einmal danach fragen würde. Sein Namengedächtnis
war nicht besonders gut. „Sie gaben eine Silvesterparty. Ich habe
dich geküßt, als die Glocken das neue Jahr einläuteten."

Whitney fand diese Vorstellung romantisch. War Zane

romantisch? Sie hatte nicht den Eindruck. Aber wollte sie das so
genau wissen? „Wie lange ist das her?"

„Es war dieses Jahr." Er blickte auf den Ring. „Es ging alles

ziemlich schnell."

„Also war es Liebe auf den ersten Blick?" Anders hätte es auch

gar nicht sein können, dachte sie, jedenfalls nicht, was sie betraf. Zane
hatte eine so unglaublich aufregende Ausstrahlung und war so
sexy, daß sie ihn bestimmt auf Anhieb attraktiv gefunden hatte.

Wir sind sofort aneinander geraten, dachte Zane, von Anfang an

ging es nur darum, wer die Kontrolle hatte. Manchmal war es
immer noch so, und ab und zu machte es das Ganze auch ziemlich
spannend. Trotzdem wünschte er, er hätte sich letzte Nacht
durchgesetzt. „Richtig. Es war wie ein Feuerwerk." Darin lag sogar

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ein Körnchen Wahrheit.

Whitney nickte. Das konnte sie sich durchaus vorstellen. „So

etwas habe ich mir fast gedacht."

Zane zog die Brauen hoch „Tatsächlich?" Whitney rutschte auf

ihrem Sitz hin und her. Eine alte Angewohnheit, ging es Zane
durch den Kopf.

„Na ja, jetzt ist es nicht anders." Sie sah keinen Grund dazu,

nicht ehrlich zu sein.

„Wirklich?" Nur mühsam vermochte Zane, ein Grinsen zu

unterdrücken. Er wollte nicht, daß sie dachte, er lache sie aus. Sollte
sie jemals ihr Gedächtnis wiederbekommen, würde sie ihn
vermutlich ewig hassen! Trotzdem reizte es ihn, bei diesem Thema
noch ein wenig zu verharren. „Und was genau empfindest du?"
Zane bemühte sich, so unschuldig wie möglich dreinzublicken.

Whitney strich sich durchs Haar. Eine wachsende Unruhe

bemächtigte sich ihrer. Sie fühlte sich immer stärker zu Zane
hingezogen. „Ich würde sagen, es hat gefunkt." Sie mußte kein Blatt
vor den Mund nehmen, schließlich waren sie ja verheiratet. „Ich bin
froh, daß wir verheiratet sind, und ich finde dich sehr sexy."

Zane schwieg. Als sie eine Hand auf seinen Arm legte, warf er ihr

einen kurzen Blick zu. Das Hotel Zanadu lag vor ihnen.

„Findest du mich nicht attraktiv?" wollte Whitney wissen.
O doch, das tat er, und zwar sehr. Aber er hatte gelernt, damit zu

leben, ohne es ihr je zu gestehen. Es hätte alles nur komplizierter
gemacht. Er schaute sie nicht an, als er antwortete: „Das ist doch
selbstverständlich."

Er klang, als wären sie schon Jahrzehnte verheiratet. Enttäuscht über

seine Antwort, meinte Whitney: „Im Moment ist überhaupt
nichts selbstverständlich.“

Eine Weile schwiegen beide. Wußte er nicht, was sie hören

wollte? „Sag es", flüsterte sie.

Zane konnte lügen, wenn es notwendig war, aber in diesem Fall

handelte es sich um die Wahrheit, und damit hatte er Schwierigkeiten.
„Ich finde dich attraktiv."

Whitney seufzte. Er schien nicht zu verstehen, was sie von ihm hören

wollte. „Nicht das."

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Zwar hatte sie ihr Gedächtnis verloren, aber eine Nervensäge war sie

zweifellos immer noch. Zane wurde es unbehaglich. „Was meinst du?"

„Sag, daß du mich liebst." Sie merkte, daß es fast wie ein

Flehen klang, aber es war ihr gleichgültig. Stolz war jetzt nicht
angebracht. „Es ist so wichtig für mich, daß du es sagst." Es
bedeutete ihr mehr als alles andere. Sie brauchte eine Bestätigung.
Wenn sie wußte, daß er sie liebte, hätte es ihr Kraft gegeben.

Noch nie hatte Zane es ausgesprochen. Zumindest nicht so

direkt. Die Frauen konnten es sich ja denken, aber den
entscheidenden Satz hatte er nie wirklich gesagt. Zane war klar:
Wenn er diese Worte überhaupt jemals über die Lippen bringen
würde, dann nur bei Whitney.

Er wurde immer nervöser und fühlte grundlos Ärger in sich

aufsteigen. Unbehaglich rieb er sich den Nacken, sah Whitney an
und murmelte: „Ich liebe dich."

Enttäuscht lehnte sich Whitney zurück. Seine Worte hatten so

unbeteiligt geklungen, daß sie sie ihm kaum glauben konnte. „Das
hört sich ja nicht besonders begeistert an."

„Doch!" entfuhr es ihm, ein wenig zu laut, und im selben Moment

bereute er es schon. Whitney hatte es nicht einfach, und eigentlich
sollte er ihr helfen, statt es ihr noch schwerer zu machen. „Ich sage so
etwas nicht auf Kommando. Ein Mann überlegt sich selbst, wann er
einer Frau seine Liebe gesteht. Das heißt nicht, daß die Gefühle
nicht da sind!"

So, das sollte reichen. Aber weil es Whitney war und sie ihm

wirklich etwas bedeutete, fügte er hinzu: „Ich fürchte, ich bin ein
wenig gereizt, weil ich mir Sorgen um dich mache. Es ist mir noch
nie passiert, daß ich keine Ahnung hatte, was ich tun sollte."

Das glaubte sie ihm aufs Wort. Er sah aus wie ein Mann, der

wußte; was er wollte. Was das Geständnis „Ich liebe dich" betraf,
vermutete sie, daß Männer Schwierigkeiten hatten, es
auszusprechen, selbst bei der eigenen Frau. Whitney blickte ihn an.
„Tut mir leid. Ich bin einfach überängstlich."

„Das ist auch kein Wunder." Zane atmete erleichtert auf, als sie

so versöhnlich reagierte. „Ich wüßte auch nicht, was ich tun würde,
wenn ich in einem fremden Hotelbett aufwachte und keine

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Ahnung hätte, wer oder wo ich bin." Das war nicht ganz die
Wahrheit. Ein- oder zweimal war ihm das schon passiert, aber das
Wichtigste hatte ihm dabei nie gefehlt - sein Gedächtnis.

Daß Whitney nicht längst einen Nervenzusammenbruch erlitten

hatte, bestätigte ihm nur, was ihm ohnedies klar gewesen war: Sie war
eine unglaublich starke Frau. Zane legte seine Hand auf ihre. „Wir
schaffen das schon, Whitney. Vertrau mir einfach, egal, was
passiert."

Sie waren vor dem Hotel angekommen. Ein hochgewachsener

livrierter Hotelportier öffnete Whitney die Autotür und wartete, bis
Zane ihm die Schlüssel gab. Zane behielt die Ersatzschlüssel,
schließlich konnte man nie wissen, wozu sie noch gut sein würden.

Als sie ins Hotel gingen, stieß Whitney versehentlich gegen Zane. Sie

spürte förmlich, wie es zwischen ihnen knisterte. Ihre Blicke
trafen sich.

„Ich habe mir eine schöne Zeit herausgesucht, um mein

Gedächtnis zu verlieren", bedauerte Whitney, „ausgerechnet in den
Flitterwochen. Aber eigentlich sollte das kein Hindernis sein."

„Nein", sagte Zane vorsichtig. Was hatte sie vor?
„Wir können, es uns trotzdem gutgehen lassen", meinte Whitney.
Zane hatte den Verdacht, daß er sich darunter etwas völlig

anderes als sie vorstellte, antwortete aber: „Ja, du hast recht."

Es war fast ein Uhr. Sie hatten mit Quinton und seiner

Begleiterin ausgemacht, sich am Swimmingpool hinter dem Hotel
zu treffen. Die Zeit drängte. Zuerst aber wollte Zane einiges
klarstellen, um bei dem Treffen nichts zu riskieren.

Er faßte Whitney bei den Schultern und sah sie durchdringend

an. „Hör zu, Whit, wir sind jetzt mit Quinton verabredet. Ich halte es
für das Beste, wenn du keinen großen Rummel darum machst, daß du
dein Gedächtnis verloren hast."

Wieso sagte er das? Er tat fast so, als wäre ihm ihr

Erinnerungsverlust peinlich. Gerade war er noch besorgt gewesen, jetzt
schien er alles unter den Teppich kehren zu wollen. „Keinen großen
Rummel?" wiederholte sie.

Zane bemerkte, daß er die falschen Worte gewählt hatte, aber

leider war es zu spät, noch etwas zu retten. „Sag einfach nichts

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davon zu ihnen, ja?"

Whitney hatte nicht vorgehabt, es gleich allen Leuten zu

erzählen, aber warum sollte sie überhaupt nicht darüber sprechen?
„Weshalb denn nicht?"

Weil sie damit alles ruinieren könnte. Zane wollte nicht, daß

sie falsche Antworten gab, falls die beiden ihr Fragen stellten. Er
wußte, Whitney würde ihn nur weiter ausfragen, wenn er jetzt
anfinge, ihr das zu erklären, also erwiderte er: „Sie wären
wahrscheinlich unangenehm berührt."

Das könnte sein. Trotzdem ... „Aber sie wundern sich bestimmt,

wenn ich nicht imstande bin, ihre Fragen zu beantworten."
Frustriert sah sie ihn an. „Ich weiß ja nicht einmal meine Adresse
oder meinen Geburtsort. Was ist, wenn sie zum Beispiel wissen
wollen, was ich in meiner Freizeit mache? Was soll ich darauf
erwidern? Nichts? Sie werden denken, ich bin nicht ganz richtig im
Kopf."

Zane und Whitney gingen durch die Eingangshalle und gelangten

durch eine Tür im hinteren Teil zum Poolgelände. „Du bist in
Tacoma geboren, in Washington." Ausnahmsweise sagte Zane die
Wahrheit. Das nächste war wieder erfunden. „Wir leben in Los
Angeles." Er nannte ihr eine Adresse, die vermutlich schon
überprüft worden war, wenn das, was er über Quinton wußte, wahr
war: „Und du gehst gern ins Kino. Komödien siehst du dir am
liebsten an, Horrorfilme nie. Und sie werden bestimmt nicht
denken, daß du nicht ganz richtig im Kopf bist, nur etwas ... nun,
schusselig vielleicht."

Zane fürchtete, daß sie das nicht hinnehmen würde, und

tatsächlich blieb Whitney so unvermittelt stehen, daß ein Kellner
mit einem beladenen Tablett fast mit ihr zusammengestoßen wäre.
Schusselig? „Wieso sollten sie der Meinung sein, ich sei schusselig?"

Weil Zane wollte, daß sie dies dachten. Es würde Quinton ein

wenig ablenken. Er war an Frauen gewöhnt, die sich im
Hintergrund hielten und die er nicht ernst zu nehmen brauchte.

Gleichmütig zuckte Zane die Schultern. „Du bist blond und redest

schnell." Das stimmte, sie hatte sich im Spiegel gesehen, und
schnell redete sie auch, aber das war doch keine Begründung.

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„Ich bin aber nicht schusselig."

Zane wollte sich nicht verspäten. Von diesem Treffen hing sehr

viel ab. Es würde der Grundstein für sein ganzes weiteres
Vorgehen sein. Deshalb schob Zane Whitney weiter. Jetzt entdeckte er
Quinton. „Was bist du nicht?"

Whitney mußte sich anstrengen, um mit Zane Schritt zu

halten. „Schusselig. Beschränkt." Aber vielleicht dachte Zane, sie
sei es doch. „Oder glaubst du das?"

Manchmal hatte Whitney Zane durch ihre Intelligenz verblüfft, und

manchmal war sie naiv wie ein Kind, aber nie, nicht einmal wenn
sie ihn zur Weißglut brachte, hätte er sie als beschränkt
bezeichnet. Er schüttelte den Köpf. „Nein."

Darüber war sie erleichtert. „Warum sollten sie dann denken...“
„Manche Leute denken eben so. Das Thema war für ihn

erledigt. „Dort drüben sind sie schon."

Im Pool schwammen mehrere Leute, und in den Liegestühlen und an

den Tischen saßen noch mehr. „Wo denn?"

Zane deutete nach links. „Quinton sieht ein bißchen so aus wie

der Schauspieler, der James Bond gespielt hat."

Jetzt sah Whitney zwei Personen an einem Tisch sitzen, zu dem jetzt

ein Kellner trat. Ein Mann Mitte Fünfzig und eine
beeindruckende brünette üppige Frau in einem scharlachroten
leichten Sommerkleid. Zane hatte recht, Quinton sah aus wie Sean
Connery. Sympathisch und weltmännisch. Er trug eine makellose
weiße Hose und einen marineblauen Designerpullover.

Als sie sich dem Tisch näherten, nahm Whitney den Duft eines

edlen Parfums war. Die Brünette hatte ihr Kleid hochgerafft, und
Whitney erkannte an ihrem Blick, daß sie genau wußte, welche
Wirkung sie damit erzielte.

Whitney schaute zu Zane. Ließ er sich von solchen Frauen

beeindrucken? Mit ihrem eher athletischen Körperbau fühlte sie
sich plötzlich völlig unattraktiv. Zane beugte seinen Kopf zu
Whitney, um ihr eine letzte Information zuzuflüstern. „Sie heißen
Richard und Sally."

Sally. Der Name war für diese Frau viel zu durchschnittlich.

„Wer ist sie?" fragte Whitney.

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„Wahrscheinlich seine Geliebte." Quinton mochte Frauen, die ihm zu

Willen waren. Sally sah ganz danach aus. Die kostbare Halskette
mit den vogeleiergroßen Edelsteinen waren der Beweis dafür, daß sie
ihren Job gut machte.

Verächtlich sog Whitney die Luft ein. „Wenn dir solche Frauen

gefallen..."

Daß sie ihre Eifersucht nicht verbarg, erheiterte Zane. Vor ihrem

Gedächtnisverlust hätte er so etwas von ihr nie gehört. „Auf alle
Fälle gefallen sie ihm", meinte Zane.

„Und dir?" ließ Whitney nicht locker.
Sie war wirklich sehr direkt. Er wollte schon antworten, daß er Sally

nicht aus seinem Bett werfen würde, konnte sich aber gerade
noch zurückhalten. „Ich habe doch dich." Zane küßte Whitney auf
die Stirn. „Wieso sollte ich nach anderen Frauen schauen?"

Whitney zweifelte, ob überhaupt irgendein Mann Sally

übersehen konnte, aber sie hörte trotzdem gern, was Zane sagte,
auch wenn es wahrscheinlich gelogen war. Sie waren fast bei
Quintons Tisch angekommen, da stellte sich Whitney auf die
Zehenspitzen, umfaßte Zanes Gesicht und küßte ihn.

Plötzlich fühlte Zane sich leer. Endlich wußte er, was Whitney

durchmachte er fühlte sich jeglicher Gedanken und Erinnerung
beraubt, er verspürte nur die verheerende Wirkung, die Whitneys
Mund auf ihn hatte.

Zane wurde es heiß. Erregt zog er Whitney an sich und erwiderte

leidenschaftlich ihren Kuß. War das die Whitney, die er kannte? Was
hatte diese Beule aus ihr gemacht? Und was machte Whitney aus ihm?
Es war ihm, als stürzte er in einen endlosen Abgrund.

Whitney schmiegte sich an ihn. Wenn sie je daran gezweifelt

hatte, daß sie füreinander bestimmt waren, räumte dieser Kuß jeden
Zweifel aus dem Weg. Sie legte ihm die Arme um den Nacken. Wie
wunderbar sich Zane anfühlte. Es war, als hätte sie ein Teil von
sich in ihm wiedergefunden. Am liebsten wäre sie sofort mit ihm
zurück in ihr Zimmer gegangen, um ihn zu lieben.

Ein Hüsteln von Quinton ernüchterte Whitney. Widerstrebend

löste sie sich von Zane. Ihr Herz klopfte jedoch immer noch heftig.
Quinton lächelte eher anzüglich als wohlwollend. „Ich dachte

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schon, Sie kommen gar nicht mehr, aber jetzt ist mir klar, woran es
lag."

Er lachte herzlich und strahlte die beiden an. „Sie waren so

feurig, daß ich dachte, ich muß den Champagner zum Löschen
nehmen."

Trotz seiner Freundlichkeit ging eine unangenehme Kälte von

ihm aus. Das fand zumindest Whitney. Zane trat neben sie, ließ
aber einen Arm um ihre Hüfte. Das hätte nicht passieren dürfen.
Sich wie ein frischgebackener Ehemann zu benehmen war schön und
gut, aber er sollte sich nicht zu sehr in diese Rolle hineinsteigern. Es
war ein unverzeihlicher Ausrutscher gewesen. Wenn er vorhatte,
wie bisher seine Gefühle von seiner Arbeit zu trennen, sollte er in
Zukunft besser aufpassen.

Zane versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, und zog

Whitney einen Stuhl an den Tisch. „Tut mir leid, wir haben uns wohl
etwas hinreißen lassen."

Quinton prüfte Whitney mit seinen kleinen, tiefliegenden Augen.

„Ich kann es Ihnen nicht verdenken. Wenn ich sie geheiratet
hätte, würde ich sie mindestens eine Woche lang in meiner Suite
einsperren." Jetzt kniff er die hart blickenden grauen Augen
zusammen. „Das einzige, was mich interessieren würde, wäre, sie so
lange wie möglich nackt und glücklich zu sehen."

Obwohl das als Kompliment gemeint war, kam Whitney fast

das Frühstück wieder hoch. Widerstrebend ließ sie sich neben
Quinton nieder, obwohl sie lieber zwischen Zane und Sally
gesessen hätte.

„Zane macht es schon richtig meinte Whitney, um Zane in Schutz

zu nehmen und gleichzeitig sich selbst zu verteidigen. Obwohl Sally
aussah, als würde sie sich von Quinton nicht alles gefallen lassen,
wirkte dieser Mann nicht so, als wäre er mit nur einer Frau
zufrieden.

Zane zuckte die Schultern und setzte sich neben Whitney. „Ab

und zu muß man ja mal an die frische Luft." Sally ließ ihre Blicke
viel diskreter als Quinton über Zane gleiten. „Zuviel frische Luft ist
vielleicht gar nicht so gesund", schnurrte sie und lächelte
verführerisch.

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Whitney wurde ärgerlich. Diese Frau war unmöglich! Warum

wollte Zane sich überhaupt mit diesen Leuten treffen? Wenn
Quinton doch bloß aufhören würde, sie mit seinen Blicken
auszuziehen. Sie wünschte sich, Zane würde sie so anschauen. Der
Kuß hatte ihr gezeigt, daß er durchaus etwas für sie empfand,
auch wenn er nicht darüber sprechen wollte.

Sie wandte sich ihm zu und lächelte. Wenn ihm dieses Treffen soviel

bedeutete, konnte sie warten, bis sie wieder allein waren, dann
würde sie schon noch herausfinden, warum es für ihn so schwierig
war, seine Gefühle zu zeigen. Um die peinliche Stille zu
unterbrechen, meinte sie zu Quinton: „Das Frühstück war sehr gut.
Vielen Dank."

„Frühstück?" Verständnislos blickte Quinton sie an, ehe er sich

erinnerte. „Ach so, das." Er wehrte ihren Dank mit einer
Handbewegung ab. „Das war das mindeste, was ich tun konnte, denn
ohne Ihren Mann würde ich nicht hier sitzen."

Bei dem Gedanken an den Unfall fing Quinton an, sich zu ärgern. Er

glaubte nicht an Zufälle. Bestimmt war der Fahrer des Autos absichtlich
auf ihn zugerast. Jemand hatte versucht, ihn umzubringen.

„Ich habe immer noch nicht herausgefunden, wem der Wagen

gehört", bemerkte Quinton. Die Nummernschilder waren auf
einen Mann zugelassen, der schon seit drei Jahren tot war. Das
konnte kein Zufall sein, aber ein Mann in Quintons Position hatte viele
Feinde. Das gehörte zum Geschäft.

So bald würde Quinton auch nichts über den Fahrer

herausfinden, dachte Zane.

Whitney verstand nicht, warum Quinton so ungeduldig war. „Die

Polizei braucht eben ein bißchen Zeit für solche Untersuchungen." Sie
war froh, daß Zane ihr erzählt hatte, was geschehen war.
Wenigstens hatte sie ein Thema, zu dem sie etwas beitragen
konnte, ohne sich ausgeschlossen zu fühlen.

„Die Polizei?" Quinton lachte belustigt. Es klang ein wenig von

oben herab. Whitney bemerkte, wie er und Sally einen Blick
tauschten. Offensichtlich war ihre Bemerkung nicht sehr klug
gewesen. „Junge Frau, wozu hätte ich denn die Polizei rufen sollen?"

Wieso fragte er das? „Um festzustellen, wem der Wagen gehört?" riet

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Whitney. An Quintons Miene erkannte sie, daß er sie für
minderbemittelt hielt. Das machte sie wütend.

Zane kannte dieses Funkeln in ihren Augen und legte

besänftigend eine Hand auf ihre.

„Dafür brauche ich keine Polizei", erklärte Quinton. „Ich habe

meine eigenen Methoden, so etwas herauszufinden." Er betrachtete
Whitney, als wollte er noch etwas hinzufügen, schwieg aber.

Whitney hatte das Gefühl, daß Quinton es für sinnlos hielt, ihr seinen

Standpunkt genauer zu erklären. Statt dessen wandte er sich dem
silbernen Champagnerkühler zu. „Nun, Schluß damit, die Sache war
unangenehm genug. Möchte jemand Champagner?"

Ohne auf eine Antwort zu warten, zog er die grüne Flasche aus

dem Behälter. Whitney hatte keine Lust, mit ihm zu trinken, schon gar
nicht um diese Tageszeit. „Es ist erst ein Uhr", warf sie ein.

In Sallys Augen spiegelte sich leise Verachtung, als sie Quinton

ihr Glas reichte, aber er schenkte ihr nicht ein, sondern wartete auf
Whitneys. „Hier schon, aber woanders ist es bereits Mitternacht."

Whitney warf Zane einen raschen Blick zu. Er wollte nicht, daß sie

unangenehm auffiel. Resigniert schob sie ihr Glas zu Quinton.
„Ja“, stimmte sie zu, „Sie haben wohl recht."

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4. KAPITEL


Glatt - das war das richtige Wort für Richard Quinton. Er war

gutaussehend, gebildet und konnte zu jedem Thema etwas beitragen.
Aber irgend etwas stimmte mit ihm nicht. Vielleicht war er zu
perfekt. Quintons Augen entging nichts. Sein kalter Blick erinnerte
sie an den einer Wildkatze vor dem Sprung auf die Beute.

Warum legt Zane so großen Wert auf den Kontakt mit diesem

unangenehmen Mann? fragte sich Whitney. Gut eine Stunde saßen
sie jetzt schon an dem Tisch, den ein Sonnenschirm beschattete.
Meist sprach Quinton, Sally warf nur selten etwas ein oder stimmte
ihm zerstreut zu. Whitney hatte das Gefühl, daß Quinton Sallys
Kommentare mißbilligte, obwohl er nichts sagte.

Aber was Whitney noch mehr störte, war, daß Quinton Zane

von oben herab behandelte. Sehnsüchtig dachte sie an ein
Mittagessen allein mit Zane, aber sie wußte, daß es illusorisch war.
Zane machte einen ziemlich zufriedenen Eindruck und sah nicht so
aus, als ob er bald aufbrechen wollte. Nun, dann vielleicht ein
Abendessen mit ihm, dachte Whitney.

Das Gespräch ging zäh voran. Sie sprachen über das Wetter, das Hotel

und andere Belanglosigkeiten, und Whitney hörte aufmerksam zu.
Gerade als Zane ein Thema anschnitt, das interessant zu werden
versprach, kam ein Kellner an ihren Tisch. Whitney dachte zuerst, er
wolle die Speisekarte bringen, statt dessen wandte er sich
pflichteifrig an Zane.

„Entschuldigen Sie, sind Sie Mr. Russell?" Zane nickte. „Ein Anruf

für Sie.

Überrascht blickte Whitney den Kellner an. Wie hatte er Zane

ausfindig machen können.

Quinton stieß mit Zane an und sagte: „Ich bin beeindruckt.

Man scheint Sie hier zu kennen." Diese Tatsache bewies Quinton,
daß Zane, ebenso wie er selbst, nicht irgend jemand war. Lässig
zuckte Zane die Schultern und drückte damit aus, daß so etwas für
ihn nichts Neues war. Er sah den Kellner an. „Können Sie mir das
Telefon bitte bringen?"

Der Kellner bedauerte. „Es tut mir leid, aber im Moment sind alle

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tragbaren besetzt. Ich fürchte, Sie müssen selbst an die Rezeption
kommen. Natürlich könnte ich auch etwas für Sie ausrichten."

„Nein, vielen Dank. Wenn es nicht so wichtig wäre, würden sie

hier nicht während meiner Flitterwochen anrufen."

Sie? Wer waren „sie"? überlegte Whitney. Ihr wurde bewußt, daß sie

immer noch keine Ahnung hatte, was Zane arbeitete, obwohl sie
sich danach erkundigt hatte. Stets hatte er ausweichend
geantwortet, genauso wie auf die Frage, warum sie unbedingt
Quinton treffen mußten.

Zane stand auf und sagte zu ihm: „Ich bin sofort zurück." Als er

sich an Whitney wandte, sah er den Ausdruck von Panik in ihren
Augen. Anscheinend wollte sie nicht, daß er ging. Auch Zane
hätte sie lieber nicht mit diesen Leuten allein gelassen, aber er
konnte es nicht vermeiden. Adams würde ihn nicht holen, wenn
es nicht unbedingt notwendig wäre. Er wünschte, Sheridan hätte
sich einen besseren Zeitpunkt ausgesucht.

Zane beugte sich zu Whitney hinunter und drückte ihr die

Hand. „Schon in Ordnung", flüsterte er beruhigend. Bevor er dem
Kellner folgte, der auf ihn wartete, sagte er zu Quinton: „Unterhalten
Sie meine Frau ein wenig, bis ich zurück bin." Daraufhin schritt
Zane eilig davon.

Quinton lächelte, als er sich an Whitney wandte. „Es ist mir eine

Ehre."

Seine Worte waren höflich und unverfänglich, von seinem

Blick konnte Whitney das allerdings nicht sagen. Das war ja
lächerlich. War sie so feige, daß sie ununterbrochen mit ihrem
Ehemann Händchen halten mußte?

„Und auf welche Art möchten Sie gern unterhalten werden, Mrs.

Russell?" erkundigte sich Quinton.

Whitney brauchte keinen Hellseher, um zu wissen, was

Quinton meinte. Sie beschloß, den Spieß umzudrehen. Vielleicht
fand sie heraus, warum Zane und Quinton sich verabredet hatten.
Sie spielte mit ihrem Glas. „Sie könnten mir zum Beispiel erzählen,
was Sie beruflich machen."

Trotz der harmlosen Frage hob Quinton wachsam die Augenbrauen.
„Warum wollen Sie denn so etwas Langweiliges wissen?"

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Weil ich nichts zu sagen habe und nicht dasitzen will wie ein

Dummchen, dachte Whitney und beschloß, wenigstens nett zu ihm
zu sein. Sie beugte sich zu Quinton und betrachtete den
diamantbesetzten Goldring an seiner Hand. Er war fast genauso
kostbar wie ihrer. Offenbar quälten Quinton keine Geldsorgen. „So
langweilig kann Ihre Arbeit gar nicht sein, wenn Sie sich so einen
Ring leisten können."

Quinton blickte auf seinen Ring, als würde er ihn zum erstenmal

sehen. Er betrachtete das Spiel der Sonnenstrahlen auf dem
Edelstein, bevor sein Blick auf Whitneys Hand fiel. „Er verblaßt
gegen den Ihren, meine Liebe." Mit der leeren Champagnerflasche
winkte er einem Kellner. Aufmerksam musterte er Whitney, als er
fragte: „Mögen Sie Schmuck, Mrs. Russell?"

Whitney war froh, endlich, ein Thema gefunden zu haben. „Ja."
Es war ihr klar, daß Quinton dachte, alle Frauen würden

Schmuck und schöne Kleider lieben. Für Whitney aber hatten die
Edelsteine an ihren Fingern keine besondere Bedeutung, außer daß
sie ihre Bindung an Zane bestätigten. Sie antwortete nur, was
Quinton hören wollte, um es einfacher zu machen.

Absichtlich spielte Sally an ihrer Halskette, um Whitneys

Aufmerksamkeit auf die Steine zu lenken. Whitney gönnte ihr die
Freude und sagte: „Ihre Kette ist sehr schön."

Sally lächelte affektiert. „Ja, ich weiß." Sie warf Quinton einen

gezierten Blick zu. „Er hat sie mir geschenkt."

In diesem Moment brachte der Kellner eine neue

Champagnerflasche und stellte sie rechts neben Quinton.
Augenblicklich verschwand das Lächeln auf Quintons Lippen.
„Links, Sie Trottel. Wo haben Sie gelernt? Sie sollten links von mir
stehen!"

Erschrocken wechselte der Kellner sofort die Seite. Quintons

finstere Miene hellte sich auf. „So ist es besser."

Sally bemerkte Whitneys Verwunderung und sagte: „Quinton

ist abergläubisch." Whitney konnte nicht feststellen, ob Sally es
ernst meinte.

„Nein, ich glaube nicht an übersinnliche Dinge, eher an feste

Abläufe, die man nicht verändern darf. Wenn man irgendetwas

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verändert, ändert sich auch alles, was davon abhängt", erklärte
Quinton. Freundlich sah er Whitney an. „Manchmal wandelt sich
aber auch alles zum Guten. So wie gestern, als Sie und Ihr Mann
auf dem Golfplatz auftauchten. Wissen Sie, daß Sie beide jetzt
meine Glücksbringer sind?"

Whitney wurde e s mit einemmal unbehaglich. Sie sah sich nach

Zane um. Er hatte versprochen, gleich wiederzukommen. „Vielleicht
sollte ich nachsehen, wo Zane so lange bleibt", sagte sie zu ihrem
Gastgeber und stand auf.

Quinton, der ihr gerade wieder Champagner einschenken wollte,

griff nach ihrem Handgelenk und hielt Whitney fest. Whitney
wußte nicht, wer überraschter war - sie oder Sally. „Sie wollen mich
doch sicherlich nicht auch verlassen, oder doch?" Er stellte die
Flasche neben sein Glas und blickte sie an,

Whitney versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, als Quinton

mit dem Daumen über ihr Handgelenk fuhr. „Wissen Sie",
bemerkte er, „Ihre Handgelenke sind sehr zierlich. Sie hätten
genau die richtige Größe für ein Armband, das ich neulich
erworben habe. Mit Diamanten. Fünf Karat." Er beobachtete
Whitney genau. „Ein Kunde konnte seine Rechnung nicht
bezahlen, stattdessen bot er mir das Armband an. Ich frage mich
seither, was ich damit machen soll."

Rasch sah Whitney zu Sally. Wollte ihr Quinton damit ihre

Bemerkung wegen seines Aberglaubens heimzahlen? Sallys Augen
sprühten vor Ärger, aber sie sagte nichts.

„Ich fürchte, mein Mann wäre dagegen", meinte Whitney

höflich. „Vielleicht schenken Sie es lieber Sally."

„Ich entscheide selbst, wem ich es gebe."
Whitney konnte diese unangenehme Situation nicht länger ertragen.

Sie entwand sich seinem Griff und erklärte: „Ich schaue wirklich
einmal, wo Zane steckt. Das sieht ihm gar nicht ähnlich, mich so lange
allein zu lassen. Sie hatte zwar keine Ahnung, ob das stimmte,
aber sie brauchte einen Vorwand, um von Quinton wegzukommen.

„Da haben Sie recht." Quinton hatte es nicht nötig, falsche

Bescheidenheit vorzuspiegeln. „Ich bin es nicht gewohnt, warten zu
müssen. Jedenfalls nicht, ohne unterhalten zu werden."

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Das wollte Whitney auf keinen Fall noch länger tun. „Ich bin

sofort zurück", versprach sie und eilte, ohne die beiden
nochmals eines Blickes zu würdigen, zu der Tür, die ins Hotel
führte. Drinnen an der Rezeption war Zane nicht zu sehen.
Whitneys Mut sank. Wo war er nur?

Sie sprach den Portier hinter der Theke an. „Entschuldigen Sie, wissen

Sie, wo Mr. Russell ist?"

Der Portier schaute auf und lächelte unverbindlich. „Wer?"
Whitney konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß seit ihrem

Gedächtnisverlust alle nur noch dazu beitragen wollten, ihre
Verwirrung zu steigern. „Der Mann, der hier einen Anruf
entgegengenommen hat."

Verständnislos blickte der Angestellte sie an. „Ich glaube, Sie

irren sich. Seit ich heute im Dienst bin, hat hier niemand einen
Anruf entgegengenommen."

Whitney beugte sich über die Theke und legte ihre Hand auf die

des Portiers. Er wartete geduldig. „Ein Kellner hat ihn vorhin
geholt. Am Swimmingpool. Er sagte, jemand wolle meinen Mann am
Telefon sprechen." Whitneys Unruhe wuchs.

Der Portier wartete mit seiner Antwort, bis sie ihre Hand wegnahm,

dann sagte er von oben herab: „Wenn Ihr Mann einen Anruf
bekommen hätte, hätte man ihm einen Apparat an den Tisch
gebracht."

Whitney seufzte ungehalten. „Der Kellner hat aber behauptet, es seien

alle belegt."

Der Portier griff unter die Theke, förderte ein kleines Handy

zutage und lächelte, als sei Whitney etwas schwer von Begriff. „Kaum.
Ich versichere Ihnen, daß hier noch mehr von der Sorte sind."

Whitney verstand nicht. Warum sollte der Kellner lügen? Und wo

steckte Zane? Warum war er verschwunden? Es mußte eine Erklärung
geben. Suchend sah sie sich um. „Gibt es hier noch eine andere
Rezeption?"

Der Mann hinter der Theke hatte den Eindruck, als wollte

Whitney sich einen Scherz mit ihm erlauben. „In diesem Hotel
nicht, fürchte ich."

Er konnte Whitney nicht weiterhelfen. Irgend etwas stimmte nicht. Es

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war doch ziemlich unwahrscheinlich, daß alle sie anlogen. Ihr
blieb nichts anderes übrig, als an den Pool zurückzukehren.
Vielleicht war Zane ja inzwischen zurückgekehrt. Whitney fühlte
sich völlig allein gelassen.

Als sie sich auf den Rückweg machte, sah sie ihn aus einem

Aufzug kommen. Whitney blieb stehen. Warum war er oben im
Zimmer gewesen? Offensichtlich hatte er sie nicht bemerkt und
steuerte auf den Ausgang zum Pool zu. „Zane!"

Unvermittelt, drehte er sich um. Sheridans Anruf beschäftigte ihn

immer noch. Sheridan hatte Zanes Plan gebilligt, aber Zane war
sich selbst gar nicht sicher, ob er das Richtige tat. Und jetzt
Whitney! Was machte sie hier? Er versuchte, seinen Unmut zu
unterdrücken, und wartete, bis sie ihn erreicht hatte.

„Was tust du hier?" erkundigte sie sich.
Konnte sie nie dort bleiben, wo sie sollte? „Dasselbe könnte ich dich

fragen."

Schon wieder vermied er es, direkt zu antworten. „Ich habe dich

gesucht erwiderte sie vorwurfsvoll. „Du wolltest gleich zurück sein.
Dieser Mann macht mich nervös."

„Dieser Mann kann uns reich machen."
„Wie denn?" fragte Whitney.
„Daran arbeite ich noch", meinte Zane unbestimmt.
Wieso war es so schwierig für ihn, klare Antworten zu geben?

Wenigstens eine Frage wollte sie beantwortet haben. „Wo warst du
gerade?"

Whitney wird sich selbst immer ähnlicher, dachte Zane, nur weiß sie es

nicht. „Ich habe telefoniert. Du warst doch dabei, als mich der
Kellner holte." Er strich ihr das Haar zur Seite, um die Beule noch
einmal zu untersuchen. „Fühlst du dich schlechter?"

Whitney schob seine Hand weg. Diese Sache hatte nichts mit

ihrem fehlenden Gedächtnis zu tun. „Nein, mir geht es nicht
schlechter, ich bin nur furchtbar durcheinander." Was ging hier
vor? Sie deutete auf den Portier. „Er hat mir gerade gesagt, du hättest
gar keinen Anruf entgegengenommen. "

Zane reagierte schnell. Er hatte nicht die Absicht, Whitney zu

erzählen, daß er in Adams. Zimmer telefoniert hatte. „Dann hat er

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sich falsch ausgedrückt", meinte Zane. „Vielleicht wollte er sagen,
daß ich mit niemandem gesprochen habe, denn es war niemand am
Apparat, als ich hinging." Zane zuckte die Schultern und schob
Whitney sanft zur Tür. „Es war niemand in der Leitung."

Whitney glaubte ihm. Trotzdem konnte sie das Gefühl nicht

loswerden, daß etwas nicht stimmte. „Warum bist du nicht gleich
zurückgekommen?"

„Ich bin hinauf ins Zimmer gegangen." Er sah Adams, den

Kellner, der ihn vorhin geholt hatte, an der Bar stehen. Kaum
merklich nickte Zane ihm zu. Der andere wirkte erleichtert. „Mir
war aufgefallen, daß ich meinen Geldbeutel oben vergessen hatte."

Whitney verzog das Gesicht. Warum belog er sie so plump? „Deinen

Geldbeutel? Den hast du doch heute morgen eingesteckt, bevor wir ins
Krankenhaus fuhren." Sie erinnerte sich genau, daß er ihn von
der Kommode genommen hatte.

Zane schüttelte den Kopf und küßte sie nachsichtig auf die Stirn.

„Du bist durcheinander, Schatz", versicherte er ihr. „Mein
Geldbeutel lag auf der Kommode. Da, wo ich ihn liegengelassen
hatte. Ich mußte ihn holen, schließlich kann ich nicht Quinton den
Champagner zahlen lassen."

Das war Whitney nun völlig unverständlich. „Wieso denn nicht?

Er spielt doch offensichtlich gern den großzügigen Gastgeber. Es
paßt zu seiner ganzen Art."

Ohne es zu wissen, hatte Whitney den Nagel auf den Kopf

getroffen. „Quinton erwartet, daß ich mich an der Rechnung
beteilige. Es gehört zu den Spielregeln."

Whitney hatte keine Lust auf derartige Spielchen. Sie wollte Klarheit.

Seit sie heute morgen aufgewacht war, hatte eine Unklarheit die andere
abgelöst. „Und was ist mit mir, vielleicht erwarte ich ja etwas
anderes?" meinte sie.

„Ich wußte nicht, daß du etwas erwartest." Whitney war hier nicht

sicher. Mit ihr wurde alles nur noch komplizierter. Aber Zane hatte
eine Entscheidung getroffen und mußte jetzt auch die Konsequenzen
tragen. Es stand zuviel auf dem Spiel. „Möchtest du hinauf und dich
ein wenig hinlegen?"

Ist das ein Angebot? Wenn es um Quinton ging, schien Zane wie

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umgewandelt. Weshalb interessierte Zane sich so für ihn? Die
beiden schienen überhaupt nichts gemeinsam zu haben.

Zane schüttelte den Kopf. „Nein, ein Vorschlag."
Whitney seufzte, als sie durch die Hotelhalle gingen. „Du meinst,

ich soll mich allein ausruhen?“

Sollte sie jemals ihr Gedächtnis wiedergewinnen, würde Zane

wirklich Schwierigkeiten bekommen. Aber er wollte es
durchziehen. Vielleicht würden sie zusammen darüber lachen,
wenn alles vorbei war. „Wie willst du dich sonst ausruhen?"

„Ich will mich überhaupt nicht hinlegen." Es hatte keinen Sinn.

Whitney winkte ab. „Laß es gut sein, bringen wir es hinter uns."

Sie dachte, dies wäre die erste und letzte Begegnung mit den beiden,

dabei war es erst der Anfang. Es würde mindestens noch zwei oder drei
Tage dauern, bis sie es hinter sich hatten, wenn alles nach Plan
klappte. Zane senkte die Stimme. „Ich möchte, daß du zu Quinton
nett bist. Denn er könnte für unsere Zukunft sehr wichtig sein.

Whitney wurde ärgerlich. „Wie nett soll’s denn sein?"
Zane verstand sofort, worauf sie anspielte. „Nicht so, wie du denkst",

erwiderte er scharf. Glaubte sie, sie sei mit einem Zuhälter verheiratet?

„Ich will nur, daß du freundlich bist und lächelst, wenn er dich

ansieht. Den Rest übernehme ich."

Whitney ließ sich nicht so leicht überzeugen. „So lange, bis der nächste

Anruf kommt."

In dieser Hinsicht bestand keine Gefahr. „Es wird niemand mehr

anrufen", versprach Zane. Er hatte getan, was nötig war. Nun
mußte er sich endgültig Quinton stellen. Zane legte den Arm um
Whitneys Schultern und ging mit ihr an den Tisch zurück.

„Tut mir leid", meinte er zu Quinton, „Es war unvermeidlich. Ein

geschäftlicher Anruf."

Überrascht schaute Whitney Zane an, während sie sich setzte.

Wovon redete er? Er hatte ihr doch gerade erzählt, daß gar
niemand am Telefon war. Warum log er? Als sie etwas sagen
wollte, fing sie Zanes warnenden Blick auf.

Quinton fragte nicht weiter nach und füllte Zanes Glas. Die

Flasche war schon wieder fast leer. Es erstaunte Whitney, daß der
Alkohol absolut keine Wirkung auf Quinton zu haben schien.

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Quinton sah Zane wachsam an. „In welcher Branche arbeiten

Sie, sagten Sie?"

Zane hatte darüber noch gar nichts gesagt. Er mied das Thema

absichtlich. Nur ein Narr würde gleich jedem erzählen, auf welcher
Seite des Gesetzes er stand, und Quinton hatte für Narren nichts
übrig.

„In derselben wie Sie, Mr. Quinton." Zane nippte an seinem

Champagner. Ihre Blicke trafen sich. Quinton versteht, was ich meine,
dachte Zane zufrieden. „Immobilien. Bauplanung." Zane machte
eine bedeutsame Pause, ehe er noch einen Schluck trank. „Mal
hier, mal dort." Er stellte sein Glas wieder auf dem Tisch ab. „Wo
Geld ist, bin ich dabei. "

Für Whitney klang das nicht sehr überzeugend, aber wenn er sich

einen so kostspieligen Ring für sie leisten konnte, mußte etwas dran
sein.

Lauernd neigte Quinton seinen Kopf. „Wie kommt es dann, daß

ich noch nie von Ihnen gehört habe?"

Zane lachte kurz. „Es ist nicht immer von Vorteil, allzu bekannt

zu sein:" Er lächelte, dann fuhr er fort: „Aber Werner hat Sie ein
paarmal erwähnt.“

Quinton war dieser Name offensichtlich ein Begriff. Er hob die

Augenbrauen. „Hans Werner?"

Zane nickte bestätigend. „Er sagte, Sie würden sich an ihn erinnern.

Vor einigen Jahren hat er Sie in Rio kennengelernt." Zane beobachtete
Quintons Gesicht, während er an seinem Champagner nippte. „Er
meinte, man könne sehr gut mit Ihnen arbeiten, wenn man sich
erst einmal auf die Geschäftsbedingungen geeinigt hätte."

„Das stimmt." Quinton schob sein Glas zur Seite und beugte sich

etwas vor. Sein Blick schien Zane zu durchbohren. „Woher kennen
Sie ihn?“

Zane machte es absichtlich spannend. „Ich sagte doch schon, ich bin

in derselben Branche tätig wie Sie."

Whitney konnte sich nicht erklären, warum die beiden nur

Andeutungen machten, anstatt zur Sache zu kommen.

Quinton ließ Zane immer noch nicht aus den Augen. „Vielleicht

besprechen wir das später etwas genauer, damit wir die Damen

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nicht langweilen."

Whitney wußte, daß diese Rücksichtnahme nur geheuchelt war.

Sie und Sally störten ihn nur. Mit einemmal wollte Whitney bleiben.
„Ich langweile mich keineswegs", versicherte sie ihm und legte
einen Arm um Zane. „Ich will alles über die Arbeit meines Mannes
wissen."

Quinton betrachtete sie, als ob er an ihrem Verstand zweifelte.

„Manchmal ist es besser, meine Liebe, wenn man nicht zuviel
weiß."

„Das mag schon sein. Aber an den Geschäften meines Mannes

bin ich sehr interessiert."

Quinton lehnte sich vor. „Hören Sie auf mich. Beschäftigen Sie

sich lieber mit weiblicheren Dingen." Er lächelte, als er sich
wieder zurücklehnte. „Eine so hübsche Frau wie Sie sollte ihr
Köpfchen wirklich nicht mit Dingen belasten, die sie nichts
angehen."

Meinte er das ernst? Ein kurzer Blick zu Zane bestätigte Whitney, daß

es so war.

Quinton zog seine Geldbörse aus der Hosentasche, nahm einige

Hundertdollarscheine heraus und warf sie achtlos auf den Tisch.
„Sally, geh doch mit Mrs. Russell ein bißchen bummeln? Kauft euch
etwas Schönes für heute abend."

„Heute abend?" wiederholte Whitney. Sie hatte gedacht, sie

würde den Abend allein mit Zane verbringen. Whitney erwartete
eine Erklärung und blickte zu ihm.

Quinton kam ihm zuvor. „Ja, wie ich schon sagte, Sie sind

meine Glücksbringer. Mal sehen, ob sich das heute abend im
Casino bestätigt."

Sally nahm bereits die Scheine. „Eine Kreditkarte wäre doch besser",

murrte sie.

Quinton lachte. „Kann schon sein, aber echtes Geld fühlt sich besser

an." Prüfend musterte er Zane. „Es gibt nichts Schöneres als das
Knistern von Geldscheinen, nicht wahr, Russell?"

Zane wollte nicht, daß Whitney ging, aber er konnte nichts

dagegen tun, ohne Verdacht zu erregen, also nickte er. „Da
stimme ich Ihnen zu. Aber sparen Sie sich Ihr Geld, Mr. Quinton, ich

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kann es mir durchaus leisten, meine Frau selbst einzukleiden." Zu
Whitneys Erstaunen reichte Zane ihr ein Bündel Geldscheine.
Lauter Hunderter.

Quinton gefiel, was er sah. „Den Eindruck habe ich auch." Er

wandte sich an Sally. „Worauf wartest du noch? Ich habe euch
gebeten zu gehen."

Whitney merkte, daß Sally keine Lust hatte, sich herumkommandieren

zu lassen. Widerwillig stand sie auf und sagte zu Whitney: „Na, dann
kommen Sie... Whitney, nicht wahr?" Sie wartete nicht auf eine
Antwort. „Wir sind entlassen."

Whitney nahm ihre Handtasche. Ganz offensichtlich war Zane

nicht gerade begeistert, daß sie ihn verließ. Das freute sie.
Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung. „Bleib nicht so lange
weg", rief er ihr nach.

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5. KAPITEL


Sally bewegt sich auf den Einkaufsstraßen wie eine Königin, die

ihre Ländereien begutachtet, fand Whitney. Mit ihr im Schlepptau
zog Sally von Laden zu Laden und gab das Geld aus, als sei es extra für
sie gedruckt worden. Je teurer etwas war, desto besser. Besondere
Freude schien es ihr zu machen, daß sie Quintons Geld so
verschwenderisch ausgab.

Sallys Kaufrausch war für Whitney sehr aufschlußreich. Sie

merkte, daß sie selbst kein Interesse an Kleidern hatte, die ein
Vermögen kosteten. Schlichte Eleganz bevorzugte sie. Während Sally
drei Designerkleider kaufte, wurde Whitney auf ein blaues Satinkleid
aufmerksam, das für ihre Figur wie geschaffen wirkte.

Whitney nahm es vom Bügel, hielt es sich vor dem Spiegel vor

und überlegte, ob sie es anprobieren sollte. Zu ihrer Überraschung
sah sie, wie Sally ihr bestätigend zunickte. „Er würde Sie damit
umwerfend finden."

Whitney hatte ein solches Kompliment nicht erwartet. Sie

befühlte den Stoff. „Meinen Sie?"

Sally lächelte selbstzufrieden und wandte sich wieder ihren

eigenen ausgewählten Sachen zu. „Vertrauen Sie mir, Schätzchen. Ich
weiß Bescheid."

Whitney zweifelte nicht daran. Sie ließ sich überreden, probierte das

Kleid an und stellte fest, daß sie damit besser aussah, als sie
gedacht hätte. Sie war überzeugt, daß Zane es wirklich phantastisch
finden würde. Whitney zog es wieder aus und reichte es einer
Verkäuferin. „Ich nehme es." Um Sallys Lippen spielte ein Lächeln.

Das Kleid und die dazu passenden Schuhe waren alles, was

Whitney kaufte, Sally dagegen machte den Eindruck, als wolle sie im
Alleingang die Wirtschaft sanieren. Sie gingen in sechs weitere
Läden, bevor sie zufrieden war. „Kaufen Sie immer soviel ein?"
fragte Whitney, als

Quintons Chauffeur sie in einer Limousine zum Hotel

zurückbrachte.

„Ja." Es klang nicht gerade schuldbewußt. „Wenn ich es mir

schon gefallen lassen muß, wie Richard den Frauen nachschaut, soll er

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gefälligst auch dafür bezahlen. Eine Frau muß für sich selbst
sorgen. Wenn sie nicht attraktiv ist", meinte Sally und klopfte auf
die aufgestapelten Schachteln neben sich, „dann schaut sie auch
niemand an." Sally warf Whitney einen bedeutungsvollen Blick zu.
„Wenn ich Sie wäre, würde ich mich daran halten."

„An beides?"
Sally sah ausdruckslos aus dem Fenster. „Ja."
In Sallys Stimme schwang ein trauriger Unterton mit. Whitney

beneidete sie nicht und fragte sich plötzlich, ob sie nicht beide im
selben Boot saßen. Waren sich Quinton und Zane nicht sehr
ähnlich? Entschieden wehrte Whitney den Gedanken ab, aber ein
leichter Zweifel blieb. Sie wollte erst einmal abwarten, bevor sie
voreilige Schlüsse über Zane zog.


Die langen, ermüdenden Stunden mit Sally hatten sich gelohnt, als

sie Zanes Reaktion auf ihr neues Kleid sah. Er, hatte den größten
Teil des Nachmittags damit verbracht, sich um Whitney Gedanken
zu machen. Als sie zurück ins Zimmer kam, wußte er, daß er sich
umsonst gesorgt hatte.

Anstatt ihm zu zeigen, was sie gekauft hatte, verschwand sie

mit ihren Paketen im Badezimmer und blieb dort ziemlich lange. Er
wollte gerade klopfen, da öffnete sie auch schon die Tür.

Überrascht trat Zane einen Schritt zurück. Das blaue Kleid

umschmiegte Whitney verführerisch. Wenn er sich nicht täuschte, trug
sie nichts darunter. Er vermochte nicht, den Blick von ihr zu
wenden, und fühlte, wie sie ihn erregte. „Wow", flüsterte er.

Whitney war zufrieden. Als sie langsam auf ihn zukam, fühlte sie den

Stoff des Kleides sanft an ihrem Körper entlangstreichen. Ob sich
Zanes Hände auch so auf ihr anfühlen würden? Sie war
entschlossen, es herauszufinden. „Gefällt es dir?" Whitney wußte
schon die Antwort.

„Ich wäre verrückt, wenn es mir nicht gefiele."
„Gut." Sie legte ihm die Arme um den Nacken. Sie war ihm

aufreizend nahe. Begehren flammte in seinen Augen auf.
Endlich! dachte Whitney. Sie warf den Kopf zurück und erwiderte
seinen verlangenden Blick. „Dann nimm das Telefon, und sag

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Quinton, daß wir es uns anders überlegt haben."

Zane brauchte Whitney nichts vorzuspielen. Glühend wünschte

er, daß alles anders gekommen wäre, aber im Moment hatte er
nicht die Freiheit zu tun, was er gern getan hätte. Wahrscheinlich
werde ich niemals die Freiheit dazu haben, dachte er bedauernd.
Denn wenn Whitney nicht das Gedächtnis verloren hätte, wäre das
hier überhaupt nicht passiert.

Von Anfang an hatte sie die Positionen klar abgesteckt. Es tat

Zane aufrichtig leid, als er vorsichtig Whitneys Arme von seinen
Schultern nahm. „Geht nicht."

Was war bloß mit Zane los? War sie nicht verführerisch genug? Sein

Verlangen schien erloschen zu sein. Jedenfalls fast, dachte Whitney
etwas versöhnt, als ihr Blick an seinem Körper nach unten glitt.
Trotzdem war sie enttäuscht. So hatte sie es sich nicht vorgestellt.
Sie wollte, daß er sie in die Arme nahm und küßte. Er sollte sie in
einer Welt beschützen, die so neu für sie war, denn er war alles,
was sie hatte.

Sein Hemd war offen. Whitney fuhr mit den. Fingerspitzen leicht

über das weiche Brusthaar und sah in Zanes Augen erneut
Begehren aufblitzen. Vielleicht mußte sie ihn nur ein wenig
ermutigen. „Ich dachte, wir seien in den Flitterwochen."

Er faßte ihre Hand. „Das stimmt. Aber es ist nichts dabei, Vergnügen

und Geschäft zu verbinden."

Bisher hatte Whitney nur die geschäftliche Seite kennengelernt. Jetzt

wollte sie endlich auch etwas vom Vergnügen haben.

„Ich weiß nicht recht." Resigniert drehte sie ihm den Rücken zu

und machte einen letzten Versuch. „Hilf mir bitte mit dem
Reißverschluß. Hoch oder runter, es ist deine Entscheidung."

Zane seufzte. Whitney erschauerte, als sie seinen Atem im

Nacken spürte. Zane zog den Reißverschluß entschlossen nach
oben. „Hoch, und es ist nicht meine Entscheidung."

Whitney drehte sich wieder um und glättete das Kleid an den Hüften.

Sie sah doch, wie er sie anblickte. Warum tat er nichts?

.

„Wessen

dann? Ich sehe hier sonst niemand."

Doch, es gab jemand. Es war die andere Whitney, und wenn sie sich

erinnern würde, bekäme er die Rechnung präsentiert. Die würde

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ziemlich saftig ausfallen, das wußte er. Zane sah ihr ins Gesicht.
„Whit, eines Tages, wenn du dein Gedächtnis wieder hast, wirst
du es verstehen."

Whitney dachte an den Anruf, den Zane nicht

entgegengenommen hatte, obwohl er es, Quinton gegenüber
behauptet hatte, und an die Geldbörse, die er angeblich geholt hatte,
obwohl sie beide wußten, daß Zane sie, die ganze Zeit bei sich
gehabt hatte. Nein, Whitney glaubte nicht, daß ein wiedererlangtes
Gedächtnis ihr dabei geholfen hätte, das zu verstehen, geschweige
denn alles andere, was ihr Verwirrung bereitete.

Wer war dieser Mann eigentlich, von dem sie hoffte, daß er sie

aus der Dunkelheit führte, in der sie herumirrte? Bisher hatte er sich
jedenfalls nicht wie ein frischverheirateter Ehemann benommen.
Und was ihr Gedächtnis betraf, war sie nicht sehr zuversichtlich, daß es
sich bald bessern würde.

„Ich weiß nicht, ob ich mich überhaupt jemals wieder an etwas

erinnern werde."

Das klingt nicht nach Whitney, dachte Zane. Sie war zwar realistisch,

trotz allem aber auch eine überzeugte Optimistin, manchmal so
sehr, daß es ihn wahnsinnig machte. „Hab Geduld, Whitney. Es
ist noch nicht einmal einen Tag her."

Er knöpfte sein Hemd zu. Ungeschickt fingerte er an den kleinen

Perlmuttknöpfen herum, und gab schließlich entnervt auf. Als er
aufblickte, sah er, daß Whitneys Enttäuschung echt war. Es mußte
wirklich schlimm für sie sein.

Ein Träger ihres Kleides rutschte ihr von der Schulter. Sie schob ihn

wieder hinauf. „Ich weiß überhaupt nicht, was du von mir
erwartest."

Zane fühlte sich schuldig, weil sie verletzt war und er ihr nicht die

Wahrheit sagte. „Du bist wundervoll. Mach einfach weiter so."
Quinton erwartete sie in perfekter Abendgarderobe, also nahm
Zane den Kampf mit den Knöpfen wieder auf. Die halbe
Knopfleiste hatte er noch vor sich. „Deswegen habe ich dich
geheiratet", fügte er aufs Geratewohl dazu.

„Ist das der einzige Grund?"
Zane wußte, was sie hören wollte. Was er ihr unter den

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gegebenen Umständen verraten konnte, war wenig genug. Sorgfältig
wählte er seine Worte, mit denen er der Wahrheit unbewußt sehr nahe
kam. „Nein. Ein anderer Grund war, daß ich mich sofort in dich
verliebt habe, als ich dich zum erstenmal sah. In deinen Augen
brannte ein Feuer, das mich in seinen Bann zog. Ich hätte mir das
Leben nicht mehr anders als mit dir vorstellen können."

Whitney lächelte gerührt.. Sie schob seine Hände weg und

knöpfte sein Hemd selbst zu.

„Außerdem bist du immer da, wenn ich dich brauche", ergänzte

er, als sie fertig war.

Sie sah ihm zu, wie er sich kämmte, und unterdrückte den

Wunsch, ihm das Haar wieder zu zerwühlen. „Ich dachte, du
hättest mich vielleicht geheiratet, weil ich gut im Bett bin."

Diese Bemerkung traf ihn unvermutet. Zane sah sie im Spiegel

an. Spontan erwiderte er: „Du bist die Beste. Vermutlich wollte
sie das hören. Er hatte keine Ahnung, ob sie es tatsächlich war, aber er
tippte auf ja.

Zane ärgerte sich über sich selbst. Es war sinnlos, darüber

nachzudenken. Ganz am Anfang hatte er beschlossen, eine
bestimmte Grenze nicht zu überschreiten, und Whitney hatte ihm
keinen Anlaß gegeben, an seinem Entschluß zu zweifeln.

Dann haben wir also doch vor der Hochzeit miteinander geschlafen,

dachte Whitney. Aber warum hatte er sich dann so geziert, als sie
heute morgen ins Bad gekommen war? Wenn sie sich geliebt
hatten, hatte sie ihn doch vorher schon nackt gesehen. Wie sie es auch
drehte, sie konnte es sich nicht erklären.

Zane beobachtete sie. Erinnerte sie sich? Wenn ihr Gedächtnis

zum falschen Zeitpunkt zurückkehrte, ihr etwas herausrutschte
und sie etwas zu Quinton sagte... Zane fühlte sich wie auf einem
Pulverfaß, das jeden Moment in die Luft fliegen konnte.

Unvermittelt legte Whitney ihm die Hand auf den Arm. „Dann zeig’s

mir", drängte sie leise. „Wir haben noch ein bißchen Zeit.

Wenn das alles vorbei war, hatte er sich bestimmt eine Medaille

verdient. „Nein, haben wir nicht." Zane entzog ihr seinen Arm, um
auf die Uhr zu schauen. Sie hatten sich schon leicht verspätet. „Und
außerdem solltest du dich schonen.“

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Whitney seufzte. „Der Einkaufsbummel mit Sally war auch nicht

gerade ein Vergnügen. Wenn sie nicht über Schmuck, Kleidung
oder Männer redete, fragte sie mich aus. Es war ziemlich anstrengend."

Zane zog die Augenbrauen hoch. „Was für Fragen?"
„Über uns, über dich. Ich antwortete absichtlich nur vage, weil ich

ja selbst keine Ahnung habe. Wahrscheinlich dachte sie, ich sei
schüchtern. Und ich glaube, sie hat etwas für dich übrig."

„Das bildest du dir ein." Natürlich hatte er bemerkt, wie Sally ihn

angesehen hatte. Er hatte Whitney nicht um den Ausflug mit ihr
beneidet, aber für ihn war der Nachmittag sehr erfolgreich verlaufen.
Es war ihm gelungen, Quintons uneingeschränktes Vertrauen zu
gewinnen.

Zane band sich eine schwarze Krawatte vor dem Spiegel. „Und

von welchen Männern habt ihr gesprochen?"

„Ich kann mich ja an keine erinnern, aber Sally ließ mich gar nicht zu

Wort kommen", antwortete Whitney, „und ich habe das Gefühl,
sie gibt sich nicht damit zufrieden, den Männern nur
hinterherzuschauen."

Zane schlug den Hemdkragen um. „Solange Quinton sie nicht

dabei erwischt."

Die Hölle wäre los, wenn das passierte, dachte Whitney. Sie

lachte. "Wenn du mich fragst, sie haben einander verdient."

Zane prüfte den Inhalt der Geldbörse, bevor er sie einsteckte. Er

wandte sich zum Gehen. „Da stimme ich dir zu."

Whitney holte ihn ein, bevor er die Hand an der Türklinke hatte.

„Warum haben wir es dann so eilig, die beiden zu treffen?"

Zane begehrte sie, davon war Whitney überzeugt. Und sie

begehrte ihn. Wieso sollten sie hinuntergehen, wenn sie sich hier oben
einander soviel geben konnten?

Wirklich. Sie machte es ihm verdammt schwer. Zane ließ die

Hand durch ihr Haar gleiten und streichelte ihre Wange. Die
bloße Berührung erregte ihn. Jetzt durfte er nicht nachgeben. „Es ist
nicht so, daß ich nicht will, Whitney. Ich kann nicht. Wir können
beide nicht.“

„Wegen meiner Gesundheit, ich weiß", meinte sie enttäuscht.

Sie hatte gehofft, daß sich alles ändern würde, wenn sie mit Zane

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schlief. Das wäre gut für ihre Gesundheit gewesen, und selbst
wenn sie dadurch nicht ihr Gedächtnis wiedergewinnen würde,
hätte sie doch zu gern gewußt, wie es war.

„Richtig, deiner Gesundheit wegen", bestätigte Zane. Er nahm

ihre Handtasche vom Bett und hielt sie ihr hin. „Komm jetzt, die
anderen warten schon."

Resigniert hängte sich Whitney die kleine Handtasche über die

Schulter.

„So ist es gut." Erleichtert küßte Zane sie auf die Stirn.
So schnell kommst du mir nicht davon, dachte Whitney. Als er

die Tür öffnete, legte sie ihre Hand auf seine. „Warte."

Was kam jetzt? Erwartungsvoll sah er sie an.
„Einen für unterwegs", verkündete sie und küßte ihn. Ihr Mund auf

seinem bot ihm einen. verlockenden Vorgeschmack darauf, worauf
er gerade verzichten wollte. Überrumpelt erwiderte Zane ihren Kuß.

Er hatte doch keine Zeit für solche Dinge. Sie mußten gehen.

Vergeblich kämpfte er gegen die Versuchung an. Er streichelte ihre
bloßen Schultern, den Rücken und drückte Whitney fest an sich, bis
ihm klar wurde, daß er es niemals bis zum Aufzug schaffen würde“
wenn er sie auch nur einen Augenblick länger festhielte.

Bedauernd löste er sich von ihr. „Jetzt sollten

wir wirklich tun,

was wir vorhatten."

Whitney lächelte ihn schalkhaft an. „Wir waren gerade schon dabei."

Ihr Herz klopfte heftig. Sie fühlte sich, benommener als heute
morgen, nachdem sie aufgewacht war.

So hatte Zane sie noch nie gesehen. Sie war ja richtig sinnlich,

aber schließlich war sie nicht sie selbst. Das durfte er nicht
vergessen. Und er mußte auf sie aufpassen und sie beschützen, bis
alles wieder in Ordnung war. Aber wer würde ihn vor ihr schützen?
Und vor sich selbst? „Ich meine ins Casino", erwiderte er.

Whitney lachte, als er ihr die Tür öffnete. „Bist du immer so fest

entschlossen?"

„Meistens." Zane schloß die Tür hinter ihr.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich erinnere mich zwar an nichts

Genaues, aber mein Körper reagiert sofort, wenn ich in deiner
Nähe bin. Du mußt ein toller Liebhaber sein, wenn ich einfach nicht

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von dir lassen kann."

Zane lächelte, als er mit ihr zum Aufzug ging. „Das hat man mir auch

schon gesagt."

Whitney drehte sich zu ihm und lehnte sich an die Wand. „Wer?

Die Schar von Verehrerinnen, die es vor mir gab?"

Zane versuchte, nicht auf ihre festen Brüste zu schauen, die sich

deutlich unter ihrem Kleid abzeichneten. Eine Medaille - von wegen,
einen Orden müßte er bekommen. Er wies auf den Knopf. „Holst du
den Aufzug, bitte?"

„Ja, Sir", neckte sie ihn und drückte auf den Knopf.

Im Casino gab es keine Uhren. Für die Leute, die hier ihren

Glücksspielen nachgingen, schien die Zeit keine Rolle zu spielen.
Whitney hatte ihre Armbanduhr im Zimmer gelassen, aber sie
schätzte, daß sie schon mindestens drei Stunden hier unten war.
Viel zu lange, dachte sie und blickte zu Quinton.

Anfangs war es noch unterhaltsam gewesen, den Abend mit

Leuten zu verbringen, die man normalerweise nie zusammen an einem
Ort angetroffen hätte, doch allmählich wurde Whitney ungeduldig.

Hier konnte sie die unterschiedlichsten Menschen beobachten,

von ungeübten Anfängern, deren Augen hoffnungsvoll leuchteten,
bis zu denen, die vor ihrer Zeit gealtert waren, weil sie ihre Zukunft an
falsche Träume vom großen Geld verschwendet hatten. Whitney
sah Frauen an den einarmigen Banditen stehen, die vor Freude
aufschrien, wenn die Maschine ein paar Münzen ausspuckte. Dann gab
es hartgesottene Spieler, die auf Karten oder Würfel Summen
setzten, die Whitney den Atem raubten.

Quinton gehörte zu der letzten Kategorie. Er hatte darauf bestanden,

daß sie und Zane den ganzen Abend in seiner Nähe blieben, und
zwar links von ihm. Whitney hatte zuerst gedacht, er mache
Spaß, aber Quinton hatte ihr mitgeteilt, daß er beim Spielen
niemals scherze.

Je mehr er gewann, desto überzeugter war er davon, daß sie wirklich

seine Glücksbringer waren. Deshalb durften sie nicht von seiner
Seite weichen. Daß Quinton so beharrlich weiterspielte, machte
Whitney langsam nervös, aber Zane schien es nicht zu stören. Im

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Gegenteil.

Der Abend hatte mit Würfelspiel begonnen, dann hatte Quinton sein

Glück mit Karten versucht. Jetzt saß er am Roulettetisch. Whitney
wurde immer nervöser. Es ermüdete sie, nur dekorativ herumzustehen,
um Quinton aufzuheitern, obwohl ihr nicht danach zumute war. Sie
wollte zurück in ihr Zimmer und mit Zane allein sein.

„Wenn das so weitergeht, stehen wir morgen früh noch hier herum",

flüsterte sie Zane zu. Er lächelte und nickte, machte aber nicht den
Eindruck, als wollte er gehen.

Um den Roulettetisch waren alle Plätze besetzt. Die Leute hatten sich

an Quinton gehängt, als sie sahen, daß er eine Siegesserie hatte,
und waren ihm von Tisch zu Tisch gefolgt. Whitney spürte Zanes
Anspannung, obwohl man es an seinem Gesicht nicht hätte erkennen
können.

Ein fremder Beobachter würde denken, er sei ruhig und

entspannt. Aber Whitney, kam es so vor, als wäre sie imstande,
hinter seine Fassade der Lässigkeit zu sehen. Vielleicht verbindet uns
beide wirklich etwas, dachte sie, etwas, das über das Übliche
hinausgeht.

Sally glänzte an Quintons Seite in einem der Kleider, die sie

heute nachmittag gekauft hatte. Ihre sorgfältig geschminkten Augen
wurden jedesmal ganz groß, wenn sich das Rad drehte. Die Bank zu
sprengen schien Quinton auf lange Sicht nicht möglich zu sein, aber
Zane hatte sein Bestes getan, um Quintons Spiel in einem
angemessenen Rahmen stattfinden zu lassen.

Er hatte ihm geraten, sich am Anfang zurückzuhalten, aber

Sicherheit hatte für Quinton keinen großen Reiz. Inzwischen war er bei
einem Einsatz angelangt, der achtfachen Gewinn versprach. Sein
Chip deckte die Zählen von siebzehn bis zwanzig. Die Kugel blieb
auf der Zwanzig

-

liegen.

„Du hast schon wieder gewonnen!" rief Sally. Ihre Augen leuchteten,

als sie sah, wie sich der Stapel von Chips vervielfachte. Quinton sonnte
sich einen Moment lang in der Bewunderung der Menge, dann
schob er den ganzen Haufen nach vorn und setzte auf zwei
Zahlen. „Lassen wir’s mal drauf ankommen."

Irritiert blickte der Croupier zu ihm hinüber. Falls eine der beiden

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Zahlen gewinnen sollte, würde sich die Summe von fünfzigtausend
auf fünfhunderttausend Dollar erhöhen. „Ich fürchte, ich muß erst mit
dem Casinomanager sprechen. Er wandte sich an den Spielleiter
am nächsten Tisch, der nickte und aufstand.

Quinton rieb sich die Hände und blickte zu Zane. „Nun, was

halten Sie von diesem Leben, Russell?" Zane sah sich um. Quinton
stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Für Zane wäre das
nichts gewesen, aber Quinton schien es zu genießen. „Es hat seine
Vorteile", meinte Zane.

„In der Tat." Quinton schnippte einen Chip über den Tisch. Er

landete bei einer Frau, die ihn die letzte halbe Stunde mit
unverhohlenem Interesse betrachtet hatte. „Was habe ich bisher nur ohne
Sie beide gemacht?" Im Siegesrausch schob Quinton Whitney einen
Stapel Chips hin. Widerwillig nahm sie ihn an. „Das werde ich
euch nie vergessen", versicherte er Zane.

Zane wußte jedenfalls genau, daß Quinton es ihnen niemals

vergessen würde, wenn er diese Runde verlieren sollte, falls Sheridans
Theorie stimmte.

Er will sich bei Quinton einschmeicheln, dachte Whitney. An

Zanes Gesicht erkannte sie, daß alles lief, wie er es sich vorstellte, auch
wenn ihr nicht klar war, wohin das führen sollte. Als sie Zane
vorhin einmal gefragt hatte, ob er sich Unterstützung von Quinton
bei irgendwelchen Geschäften erhoffte, war er sehr vage geblieben.

Glaubte er etwa, sie würde es sowieso nicht verstehen? Es gefiel

ihr nicht, daß er sie wie ein Dummchen behandelte. Sie fragte sich, ob
er nicht ein falsches Bild von ihr hatte. Whitney wollte sich nicht mit
der Rolle der Frau begnügen, die sich immer nur im Hintergrund
hielt.

Jedesmal, wenn Whitney dachte, jetzt hätte sie Zane verstanden,

veränderte er sich wieder. Aber wie konnte sie erwarten, Zane in
weniger als vierundzwanzig Stunden zu durchschauen? Trotzdem
fiel es ihr schwer, ihre Ungeduld zu zähmen.

Der Croupier vom anderen Tisch kehrte zurück und nickte. Ein

Murmeln ging durch die Menge und verebbte, als die Kugel erneut
rollte. Fast war es, als hielten alle die Luft an. Whitney sah nicht auf
die Kugel, sondern betrachtete Zanes Gesicht. Für ihn schien von

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diesem Spiel genauso viel wie für Quinton abzuhängen.

Das Rad lief jetzt langsamer. Die kleine silberne Kugel sprang hin und

her und konnte sich noch für keine Zahl entscheiden. Kurz bevor
das Rad zum Stillstand kam, fiel sie auf die Sieben. Quinton hatte
auf die Achtundzwanzig und Neunundzwanzig gesetzt. Da sprang
die Kugel noch einmal aus ihrer Position. Sie blieb im Fach mit der
Nummer neunundzwanzig liegen.

„Ich habe gewonnen!" Quinton umarmte Sally. „Ich habe

gewonnen!" Es war kein Freudenschrei, eher eine zufriedene
Feststellung, eine Bestätigung seiner Unbesiegbarkeit. Jubel wogte
durch die Menge hinter Quinton.

Der Croupier hingegen sah nicht sehr glücklich aus, als er

Quinton seinen Gewinn hinüberschob, den dieser seinem bereits
vorhandenen Stapel hinzufügte. Quinton machte den Eindruck, als
wollte er jetzt erst richtig anfangen. Zane wußte, daß er als nächstes
auf eine einzige Ziffer setzen würde. Die Chancen standen
fünfunddreißig zu eins. Es war fast unmöglich, zu gewinnen. Das,
heißt, es war Zeit aufzuhören.

„Vielleicht lassen Sie es gut sein für heute abend", schlug Zane

vor.

Quinton lehnte ab. Er hatte Geschmack am Gewinnen gefunden und

sonnte sich in seinem Glück. „Ach was, ich könnte noch
stundenlang weiterspielen!"

Daran zweifelte Zane nicht. „Ich weiß", erwiderte er, „aber es

gehört auch zum Spiel, zu wissen, wann es genug ist, und ich habe das
Gefühl, daß der Zeitpunkt jetzt gekommen ist."

Quinton nahm ein Glas vom Tablett eines vorbeikommenden

Kellners und prostete Zane und Whitney zu. „Nun, dann auf Ihr
Gefühl, wenn Sie meinen." Mit seinen grauen Augen blickte er Sally
an, die immer noch an seinem Arm hing. „Ich bin sicher, Sally hat
auch schon bemerkt, daß Sie einen guten Instinkt haben."

„Aber ich habe nur Augen für dich, Richard", schnurrte sie.
„Natürlich, meine Liebe. Solange ich es will." Der Assistent des

Croupiers räumte Quintons Chips zusammen, um sie zum Einlösen
zu bringen. „Wollen Sie mal etwas Besonderes sehen?" fragte
Quinton Zane. „Ich könnte etwas arrangieren, wenn Sie

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möchten." Ein Wort von ihm hätte genügt, und das Management
hätte den Saal räumen lassen. Das gehörte zu den Privilegien, die
Quinton hier genoß.

Zane legte Whitney den Arm um die Schultern und zog sie an

sich. „Das klingt sehr verlockend, aber vielen Dank. Ich glaube,
wir gehen lieber nach oben. Whitney ist ein bißchen müde."

Daß eine Frau einen eigenen Willen haben könnte, wäre Quinton nie

eingefallen, aber in diesem Fall nahm er die Entschuldigung an.
„Natürlich. Russell", sagte er, als sie gehen wollten. „Treffen wir
uns morgen wieder am Pool zur selben Zeit wie heute? Ich würde
gern über Ihren Vorschlag sprechen."

Genau das wollte Zane hören. „Wir werden dasein", versprach

er und wünschte eine gute Nacht.

Whitney wartete, bis sie das Casino verlassen hatten.

„Vorschlag?" Zane nickte. „Ich erklär’s dir später." Whitney
bezweifelte, daß sie sich darauf verlassen konnte.

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6. KAPITEL


Whitney kam aus dem Badezimmer und bürstete sich das Haar.

Ihr nachdenklicher Gesichtsausdruck gefiel Zane nicht, und noch
weniger das blaue Nachthemd unter ihrem offenen Bademantel,
denn der Anblick machte es ihm schwer, seinem Vorsatz treu zu
bleiben, die Hände von ihr zu lassen.

Das Nachthemd gehörte zu der Ausstattung, die sie

mitgenommen hatten, um die Illusion eines frischverheirateten
Paares aufrechtzuerhalten, falls ihr Zimmer durchsucht werden sollte.
Hatte sie nicht auch ein paar schlichtere Sachen für die Nacht? Wo
war das große Footballhemd, das sie so gern mochte? Warum zog
sie nicht das an? Weil sie dachte, sie sei in den Flitterwochen. Nun, er
hatte eher das Gefühl, sich in der Hölle zu befinden.

Whitney legte die Bürste auf die Kommode und sah Zane im

Spiegel an. Sie mußte ihn etwas fragen. „Hast du in diesem Hotel ein
Zimmer genommen, weil Quinton auch hier ist?"

Wenn sie schon auf diese Idee kam, was mochte dann wohl

Quinton denken? Zane ließ sich nichts anmerken und schlug die
Bettdecke auf seiner Seite zurück.

Er wich ihrem Blick aus. „Nein. Woher hätte ich das wissen sollen?"

Zane hatte die Befürchtung, daß es eine Katastrophe geben
würde, wenn sie zu Bett gingen. „Ich habe dir doch schon erzählt, daß
wir uns mit ihm getroffen haben, weil ich ihm das Leben, gerettet
habe. Du warst dabei."

Whitney nickte. „Ich weiß, du hast ihn zur Seite gestoßen, als ein

Auto den Abhang hinunter auf ihn zuraste."

Zane sah ihr an, daß sie ihm nicht ganz glaubte. Kurz überlegte

er, ob er ihr nicht doch die Wahrheit sagen sollte, dann ließ er
den Gedanken fallen. Wenn sie jetzt die Wahrheit erfuhr, wurde
vielleicht alles noch schlimmer, und das durfte er nicht riskieren.
„Richtig."

Er ist mein Mann, dachte Whitney. Wieso sollte er lügen? Trotzdem,

irgend etwas stimmte nicht. Sie zuckte die Schultern, schlüpfte
aus dem Bademantel und warf ihn ans Fußende des Bettes. „Es
sieht nur so aus, als sei es kein Zufall.“

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Zane hatte Schwierigkeiten, ihr zu folgen. Solange sie noch den

Bademantel angehabt hatte, konnte er sich noch einigermaßen
sicher fühlen, aber sie in diesem Nachthemd vor sich stehen zu
sehen raubte ihm endgültig den Atem. Er schluckte. Der
hauchdünne durchsichtige Stoff ließ ihn erkennen, daß sie unglaublich
schön war. Er wünschte sich auf den Mond und zwang sich zu
überlegen, wovon sie gesprochen hätten, anstatt sie weiter
anzustarren.

Er schluckte und blickte ihr ins Gesicht. „Was willst du denn

damit sagen?"

Hilflos breitete sie die Arme aus. „Ich weiß nicht." Sie ging um

das Bett herum zu ihm. Als das Nachthemd seinen Arm streifte,
spannte sich Zane an. Whitney schaute ihm in die Augen. „Das ist es
ja. Ich habe keine Ahnung." Ohne ihren Unwillen zu verbergen,
fügte sie hinzu: „Und jedesmal, wenn ich dich frage, weichst du
mir aus."

Zanes ganzes Verhalten kam ihr merkwürdig vor. Einmal war er der

liebende Ehemann, dann wieder ein knallharter Geschäftsmann.
Welcher von beiden war der echte Zane? „Ich will, daß du mir
meine Fragen ehrlich beantwortest."

„Das verstehe ich." Aber solange sie weiter so vor ihm stand, war es

ihm völlig unmöglich, irgendwelche Fragen zu beantworten. Er
nahm ihre Hand, zog Whitney aufs Bett und setzte sich neben sie.
„Gut. Was willst du wissen?"

Alles, dachte sie. Wer sie war, wer er war. Was sie hier zu

suchen hatten. Warum er sich so abweisend verhielt, obwohl sie
genau spürte, daß er sie begehrte. Whitney versuchte, ihre Gedanken
zu ordnen. Sie wollte beim heutigen Tag beginnen. „Warum es dir
soviel bedeutet, zu Quinton so freundlich zu sein? Und erzähl mir
nicht, daß es aus geschäftlichen Gründen wichtig ist. Ich will genau
wissen, worum es sich dabei handelt.“

Damit hatte Zane gerechnet. „Das ist kein großes Geheimnis,

Whitney. Richard Quinton ist ziemlich reich und hat mehrere Eisen im
Feuer. Unter anderem gehört ihm ein Grundstück in Bedford
Valley. Es liegt am Südende von Orange County in Kalifornien",
fügte Zane hinzu. „Ein riesiges Stück Bauland."

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Erleichtert glaubte er festzustellen, daß Whitney ihm das

abnahm.

„Ich will mit ihm zusammenarbeiten, das Grundstück für ihn

verwalten und mit den Baufirmen verhandeln. Die Pläne sind
großartig, und eine Menge Geld würde auch dabei
herausspringen."

Das klang überzeugend. „Das ist also dein Beruf." Bei den

ganzen Unklarheiten des heutigen Tages hatte sie trotzdem noch
keine genaue Vorstellung. „Bist du ein Immobilienmakler?"

Zane nickte. Er erzählte ihr dasselbe, was er Quinton anfangs gesagt

hatte. Der Rest hatte sich von selbst verstanden, nachdem er den
Namen Werner ins Spiel gebracht hatte. „Unter anderem",
bejahte Zane.

Whitney hatte das Gefühl, daß er ihr etwas verheimlichte.

„Was denn noch?" erkundigte sie sich beharrlich.

„Ich bin Unternehmer." Damit konnte alles mögliche gemeint

sein. Auch Quinton bediente sich dieser bewußt allgemein
gehaltenen Bezeichnung. „Ich ergreife günstige Gelegenheiten,
wenn es sich ergibt. Der Handel mit Grundstücken ist momentan
ziemlich lukrativ." Zane nahm Whitneys beringte Hand, bedacht
darauf, nicht auf ihre Oberschenkel zu blicken. „Und bis jetzt kann
ich mich eigentlich nicht beschweren."

Whitney fühlte ein Prickeln auf der Haut. Sie bemerkte, daß Zane es

vermied, sie anzuschauen. Warum spielte er dieses Spielchen?
Weshalb ging er nicht einfach mit ihr ins Bett? „Sprichst du von
mir oder von dem Schmuck?" fragte sie.

Zane ließ ihre Hand los und stand auf. Er hielt es unmöglich

aus, noch länger neben ihr zu sitzen, obwohl er doch nichts lieber
wollte, als sie an sich zu reißen, ihr das Nachthemd- ausziehen und
sie zu lieben. Er brauchte eine kalte Dusche und einen ebenso
kalten Drink. „Beides", antwortete er.

Whitney hatte nicht den Eindruck, so steif wie er dastand. Sie erhob

sich ebenfalls. „Und ich?"

„Wie meinst du das?" fragte Zane.
„Was tue ich, wenn ich mir nicht gerade den Kopf anschlage

und während meiner Flitterwochen das Gedächtnis verliere?"

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Sie war ihm schon wieder viel zu nahe. Unauffällig rückte Zane

in Richtung Kommode. „Du bist meine Frau. Du liebst mich."

Das konnte nicht alles sein. Es mußte noch mehr geben. „Ist das

alles?"

Zane lächelte. Da war wieder die andere Whitney, auch wenn

sie selbst es nicht wußte. Und wenn diese andere Whitney ihn
dabei erwischt hätte, wie er sie mit den Blicken förmlich
verschlang, hätte sie ihn umgebracht, davon war er überzeugt. „Na
ja, meine Ehefrau bist du ja erst seit ein paar Tagen."

Es fehlte trotzdem noch etwas. „Habe ich keinen Beruf, keine

Arbeit?"

Zane erzählte ihr, was ihm gerade einfiel. „Du hast in einer

Versicherungsgesellschaft gearbeitet. " Als er ihr entsetztes Gesicht
sah, fügte er eilig hinzu: „Aber du warst froh, als du kündigen
konntest."

Whitney hörte sich das alles an, als spräche er von einer völlig

fremden Person. Hatte sie nicht irgend etwas erreichen, etwas
Besonderes werden wollen? Ärztin, Rechtsanwältin, Journalistin?
Irgend etwas, nicht nur eine Nummer unter vielen!

Zane erriet ihre Gedanken. Sie mochte sich selbst nicht kennen,

aber er tat es, und er zweifelte daran, daß sie sich mit dieser
Information zufriedengeben würde. Whitney nahm die Dinge gern
selbst in die Hand, nur Aufgaben auszuführen war nie ihre Sache
gewesen.

„Kommt dir das irgendwie bekannt vor, Whit?" fragte er sie, obwohl

er die Antwort schon vorher wußte. Ihr verwirrter Blick machte
ihm ein schlechtes Gewissen, aber er konnte ihr nicht helfen, ohne
gleichzeitig andere Dinge zu gefährden. Er glaubte nicht, daß sie
sich an alles erinnern würde, wenn er nur die richtigen Worte sagte.
Das gab es nur im Kino.

Wovor er sich fürchtete, war, daß sie, wenn er ihr auch nur ein

Körnchen Wahrheit erzählte, im falschen Moment damit
herausplatzen könnte und sie beide in tödliche Gefahr brächte.
Das durfte er nicht riskieren. Wer hätte gedacht, daß er jetzt
auch noch den Aufpasser spielen mußte, nachdem sie doch schon
so weit gekommen waren?

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„Nein", sagte Whitney langsam, „nichts davon hört sich auch

nur entfernt bekannt an."

Zane mußte sich zusammennehmen, um sie nicht in die Arme

zu nehmen. Sie sah bezaubernd aus. „Der Arzt im Krankenhaus
meinte, es würde einige Zeit dauern."

Whitney erinnerte sich. „Er sagte, es könne vielleicht auch nie

wieder gut werden."

Zane war inzwischen um das Bett herum auf die andere Seite

gegangen. „Das glaube ich nicht."

Einen kurzen Augenblick hatte sich Whitney erlaubt, in Selbstmitleid

zu versinken, aber bei seinen Worten schöpfte sie wieder
Hoffnung. „Wirklich?"

Vielleicht, wenn er ihr die Wahrheit sagte - doch Zane gab der

Versuchung nicht nach. Wenigstens wollte er ihr ein wenig Mut
machen. „Ja. Du bist eine Kämpfernatur." Er sah ihr in die Augen.
„Du wirst dein Gedächtnis wiederbekommen." Und dann würde sie
ihn umbringen, wenn sie sich an alle Lügen erinnerte, die er ihr
aufgetischt hatte. „Bis dahin mußt du einfach Geduld haben."

Whitney glaubte ihm, sie hatte ja keine Wahl. An etwas

anderes durfte sie gar nicht erst denken. Aber sie wollte noch
mehr über sie beide wissen. „Erzähl mir von dem Haus."

„Welchem Haus?"
Warum hatte sie ständig das Gefühl, sie müßte Zane jede Kleinigkeit

aus der Nase ziehen? Weshalb sprach er nur widerwillig über ihr
gemeinsames Leben? Eigentlich hätte er alles von selbst erzählen sollen,
ohne auf ihre Fragen zu warten. „Unser Haus." Vielleicht täuschte
sie sich? „Wir haben doch ein Haus, oder nicht? Ich meine, wir
haben doch soviel Geld, sagtest du, und du als Immobilienmakler...“

Sie glaubte ihm also. Gut. „Ja, wir haben ein Haus." Zane dachte an

das Haus, von wo er als Kind fortgenommen worden war. Es war
das Haus der Adoptivfamilie, bei der er gern geblieben wäre,
aber die Frau, die er schon Mutter genannt hatte, war krank
geworden, so daß er wieder in die Obhut des Waisenhauses gekommen
war. Danach war alles anders geworden, obwohl das auch sein
Gutes gehabt hätte: Er hatte gelernt, hart zu werden und die Tatsache
zu erkennen, daß Glück nicht von Dauer sein konnte.

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„Es ist hübsch, mit zwei Stockwerken. Weißer Stuck, blaue

Holzvertäfelung." Er lächelte. „Nicht halb so blau wie dein
Nachthemd, aber immerhin. Kleine Zimmer", sagte er
nachdenklich. „Eigentlich ist das ganze Haus klein, aber dafür sehr
gemütlich."

„Klein?" wiederholte Whitney überrascht. Nach seinem Beruf zu

schließen, hätte sie Zane ein größeres und aufwendigeres Haus
zugetraut. Sie war froh, daß es nicht so war.

Er nickte. „Manchmal ist kleiner besser." Wie kleine feste Brüste, die

er mit den Händen umschließen konnte. Verdammt, dachte er,
ich sollte meine Gedanken besser kontrollieren. Was war nur mit ihm
los? „Außer dem Schlafzimmer", fuhr er fort und versuchte, sich
zu konzentrieren. Dazu fiel ihm mehr ein. „Das ist groß. Wir haben
eine Sitzecke mit einem Fernseher an der Wand."

War sie dort glücklich gewesen? Whitney hatte plötzlich den

Wunsch, es zu sehen. „Das klingt wunderbar. Warum fahren wir nicht
hin?" Sie ließ sich aufs Bett fallen. „Kürzen wir unsere
Flitterwochen doch ab und fahren einfach nach Hause." Whitney
sehnte sich danach, an einem Ort zu Hause zu sein, und vor allem
wollte sie die Leere loswerden, die sie überallhin begleitete,
gleichgültig, wie sehr sie auch versuchte, sie zu verdrängen.

„Bald, Whitney", versprach Zane, „bald."
Whitney seufzte und setzte sich wieder auf. „Es scheint, als sei

bei uns alles in einer Art Schwebezustand."

Er wußte, daß sie wieder bei diesem Thema landen würden, weil seine

Gedanken in dieselbe Richtung gingen. „Ich habe doch schon
gesagt, daß ich es für besser halte, im Moment gar nichts zu tun." Er
vermied es absichtlich, miteinander zu schlafen zu sagen. Es hätte
zu verführerisch geklungen, wenn er es ausgesprochen hätte, und
er hatte auch so schon Schwierigkeiten, sich zusammenzureißen.
Seine ganze Selbstdisziplin war dahin.

Whitney betrachtete ihn. Sie wollte Zanes flachen Bauch über

den Pyjamahosen berühren. „Aber vielleicht hilft es mir, mich zu
erinnern."

Garantiert nicht, dachte Zane. „Es könnte traumatisch werden",

widersprach er. „Ich meine, du kennst mich ja praktisch gar

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nicht. Außerdem", fügte er hinzu, „hast du immer noch eine
Beule."

Ein kokettes Lächeln glitt über Whitneys Gesicht. „Meinen Kopf

brauche ich dafür bestimmt nicht." Zane lachte. Sie war einfach
unverbesserlich. Er wünschte sich, daß alles anders gekommen
wäre, aber leider war es nicht so, und er mußte sehen, wie er
damit fertig wurde. Zane wollte seinen Vorteil nicht ausnutzen,
obwohl er sie begehrte. „Du vielleicht nicht, aber ich", meinte er.

Entweder war er der standhafteste Mann der Welt, oder er war

absolut kalt. Das konnte Whitney nicht glauben. Vielleicht gab es
einen dritten Grund. Womöglich fand er sie nicht attraktiv. Oder er
hatte sie noch aus anderen Gründen als nur aus Liebe geheiratet,
Gründe, die er ihr nicht sagen wollte. „Willst du mich denn nicht?"

Zane konnte nicht gut nein sagen, schließlich waren sie in den

Flitterwochen. Außerdem hätte sie ihm angesehen, daß es
gelogen gewesen wäre. Er hielt ihrem Blick stand. „Whitney, ich
begehre dich so sehr, daß es mir weh tut. Glaub mir, für mich ist es
viel schlimmer als für dich."

Wahrscheinlich hielt er sich für ritterlich. Whitney seufzte und

gab auf. Da war sie in einer der aufregendsten Städte überhaupt, in
einem umwerfend schönen Zimmer, mit dem verführerischsten
Nachthemd bekleidet, aber ihr Ehemann ließ sie keinen Zentimeter
an sich heran. „Darauf würde ich nicht wetten."

„Es ist aber so." Zane beugte sich über das Bett und schlug auf

ihrer Seite die Decke zurück. „Warum legst du dich nicht hin und
schläfst ein bißchen?" Ohne auf eine Antwort zu warten, schlüpfte
er auf seiner Seite unter die Decke. Er drehte Whitney den Rücken
zu, machte das Licht aus und spürte, wie sie sich neben ihm ins
Bett legte.

„Zane?" Ihre Stimme klang zaghaft. Sein Magen krampfte sich

zusammen. „Ja?"

Die Dunkelheit machte Whitney so hilflos, daß sie nicht wußte,

wie sie es ertragen sollte. Es lag nicht in ihrem Wesen, zu bitten,
soviel wußte sie von sich, aber das war ihr jetzt gleichgültig.
„Meinst du, es würde dir etwas ausmachen, wenn du mich einfach
nur ein bißchen festhältst?"

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Ihre Bitte berührte Zane schmerzlich. Er drehte sich um. Der

Mond schien durchs Fenster und beleuchtete Whitneys Gesicht.

„Nein, ich glaube, es macht mir nichts aus", erwiderte er sanft.

Er rutschte näher zu ihr und zog sie an sich.

Seufzend legte Whitney den Kopf an seine Brust, daß er ihren Atem

spüren konnte. Sie fühlte sich sicher bei ihm, als er den Arm schützend
um sie legte. An ihn geschmiegt, genoß sie das Gefühl der
Geborgenheit. Nach wenigen Minuten war sie eingeschlafen. Zane
hätte seinen Arm vorsichtig wegziehen und selbst ein wenig
schlafen können. Er hätte es nötig gehabt, aber er bewegte sich
nicht und hielt sie fest.


Verdammt, das tat weh. Zane versuchte, seinen Arm zu

strecken. Er fühlte sich wie abgestorben an. Geschieht mir recht,
dachte er, ich bin selbst schuld daran. Im Badezimmer hörte er
Whitney. Sie war vor ihm aufgestanden. Nachdem er aufgewacht
war und sie nicht neben ihm gelegen hatte, hatte er schon das
Schlimmste befürchtet, aber sie war noch da. Nur ihr Gedächtnis
war noch nicht zurückgekehrt. Er hatte sie gleich danach gefragt.

Zane setzte sich im Bett auf und bewegte den Arm, um den

Blutkreislauf wieder in Schwung zu bringen. Whitney kam aus dem
Badezimmer. Sie fand, Zane sah aus wie ein Adler, der sich
gerade in die Lüfte schwingen wollte. „Was gibt’s?" fragte sie und
lächelte warm.

Zane wußte nicht, ob sie sich schon angezogen hatte, und

vermied es, in ihre Richtung zu blicken. Er drehte sich weg und
sagte: „Mein Arm ist ganz steif."

Weil er mich die ganze Nacht im Arm gehalten hat, dachte Whitney.

Sie war froh gewesen, als sie es beim Aufwachen festgestellt
hatte. Der Gedanke, daß er sie die ganze Nacht nicht losgelassen
hatte, erfüllte sie mit Zärtlichkeit und sagte ihr viel mehr als
Worte. Offenbar war sie ihm doch nicht gleichgültig.

„Warte, laß mich mal sehen", sagte sie, und bevor er

protestieren konnte, kniete sie sich hinter ihm aufs Bett und
begann, seine Schultern zu massieren. „Besser?" fragte sie nach
einer Weile.

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„Ja." Zane log. Er bemerkte ihre Hände auf seinen Schultern

nicht einmal. Alles, woran er denken konnte, war ihr Körper, den er an
seinem Rücken spürte und von dem ihn nur der dünne Stoff ihres
Nachthemdes trennte. Ihre Oberschenkel berührten seine Rippen,
während sie ihn massierte. Ihre Schenkel und...

Zane drehte sich um und griff nach Whitneys Händen. „Es ist prima.

Wunderbar. Es reicht schon. Ich fühle mich wie neugeboren."

Whitney sah, wie er sie anblickte. Mit einem strahlenden

Lächeln sagte sie: „Komisch, mir geht es genauso." Sie setzte sich auf
das Bett, ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Und jetzt?"

Zane wollte sich nicht unterhalten. Er hatte vor... „Zieh dich an",

sagte er schroff, ließ ihre Hände los und stand auf.

„Weißt du, eigentlich dachte ich gerade, du wolltest mich küssen."
„Wollte ich auch." Zum Beweis und um der Sache ein Ende zu

machen, berührte er ihre Lippen kurz mit seinen, kaum daß sie es
spürte.

Whitney lachte vor Verwunderung. „Wir haben es schon wieder

eilig, stimmt’s?"

„Stimmt", erwiderte Zane, „ich zumindest." Hastig zerrte er ein

Sweatshirt und eine Jogginghose aus einer Schublade und zog die Tür
zum Badezimmer geräuschvoll hinter sich zu. Als er nach wenigen
Minuten wieder auftauchte, erklärte er: „Ich muß hinunter in den
Fitneßraum. Ich habe schon lange nicht mehr trainiert."

Es war eine lächerliche Ausrede, aber wenn er nicht sofort hier

wegkam, wollte er nicht dafür verantwortlich gemacht werden, was
er tat. Schließlich war er auch nur ein Mensch. Whitney lag quer
auf dem Bett und sah hinreißend aus. Am liebsten hätte Zane ihr
das Nachthemd, das kaum ihre Schönheit verbarg, vom Körper
gerissen. Wenn sie gewußt hätte, was er dachte, hätte sie ihn
umgebracht, andererseits würde sie dann aber auch nicht so daliegen
und ihn um den Verstand bringen. Die Knie wurden ihm weich.

Jetzt wird er schwach, dachte Whitney. „Ich könnte dich auch

trainieren", schlug sie vor.

Zane machte einen letzten Versuch, ihr seinen Widerstand

begreiflich zu machen. „Das haben wir doch schon besprochen,
Whitney. Schau, diese Enthaltsamkeit fällt mir auch nicht leicht.

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Aber ich will nicht riskieren, daß dir etwas passiert, nur weil ich
mich nicht unter Kontrolle habe."

Langsam stand Whitney auf. Vielleicht hatte er recht. Sie konnte nur

das Gefühl nicht loswerden, daß noch etwas anderes
dahintersteckte. Plötzlich kam ihr eine Idee. „Bin ich sehr streng
erzogen worden?" fragte sie.

Zane war schon fast aus der Tür. „Was?"
„Bin ich sehr streng erzogen worden?" wiederholte Whitney.

„Ich meine, bin ich im Kloster aufgewachsen, oder hat man mir
erzählt, ich würde zur Salzsäule erstarren, wenn ich Sex hätte?"

Zane mußte lachen. Wovon sprach sie überhaupt? „Nicht daß

ich wüßte. Warum?"

Whitney zuckte hilflos die Schultern: „Ich weiß nicht. Ich habe

ein sehr merkwürdiges Gefühl, wenn es um uns geht." Sie sah ihn an.
„Eigentlich könnte ich mit dir schlafen, aber jetzt geht es nicht
wegen meines Unfalls. Ich dachte, vielleicht sei ich verklemmt, oder
vielleicht hat man hat mir beigebracht, daß ich vor der Ehe
keinen Sex haben sollte." Das war die einzige Möglichkeit, die sie
sich vorstellen konnte, obwohl es absurd klang. „Vielleicht habe ich
das geglaubt."

In diesem Moment erinnerte sie sich daran, was Zane ihr erzählt

hatte. „Aber du hast doch gesagt, daß wir schon miteinander
geschlafen hatten, oder?"

Zane zögerte kurz und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.

Langsam wünschte er sich, er wäre derjenige gewesen, der sein
Gedächtnis verloren hätte. „Ja. Und du warst phantastisch." Weil
sie aussah, als bräuchte sie eine Bestätigung, ging er zu ihr und küßte
sie leicht auf die Wange. „Und du wirst es wieder sein, sobald du wieder
in Ordnung bist."

Wann würde das sein? Sie hatte Angst vor der Antwort. „Zane, willst

du etwa warten, bis ich mein Gedächtnis wiederhabe?"

Sie brennt offensichtlich darauf, mit mir zu schlafen, dachte

Zane. Wer hätte das für möglich gehalten? „Nein, ich verspreche
es dir. Ich will nur ein paar Tage abwarten, um sicherzugehen, daß
ich nicht irgend etwas schlimmer mache."

Das war das Beste, was er ihr sagen konnte, auch wenn er wußte,

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daß es eine schwache Erklärung war. Aber er brauchte noch zwei Tage.
Danach konnte er ihr alles erklären. Er mußte gehen, bevor er doch
noch nachgab. Ein bißchen Joggen und Hanteltraining würden ihm
guttun. „Also dann, bleib schön hier. Ich bin in einer Stunde wieder
da."

Er war weg, bevor sie antworten konnte. Whitney verzog das Gesicht

und blickte wütend auf die geschlossene Tür. Frustriert stand sie auf und
ging ins Badezimmer. Eine kalte Dusche war jetzt genau richtig.

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7. KAPITEL


Der kleine Nachtclub war voll von Leuten. In dem lauten

Stimmengewirr war es kaum möglich, sein eigenes Wort zu
verstehen. Eine Band spielte im hinteren Teil des Raumes, wo einige
Leute tanzten oder sich im Takt der Musik wiegten.

Überfüllt, laut - Zane hätte nicht gedacht, daß dieser Ort nach

Quintons Geschmack war, aber Quinton hatte ihn selbst ausgesucht.
Nach einem weiteren Abend im Casino hatte er darauf bestanden,
den heutigen in dieser schicken Disco zu verbringen. Hier trafen sich
Leute, die sehen und gesehen werden wollten.

Zane schaute sich unter den Besuchern um, die sich mit ihren

Ellbogen ein wenig Platz verschafften. Es waren viele Kunden da für
das, was Quinton anzubieten hatte, und Zane entging nicht, daß
Quinton genau dasselbe dachte. Er wirkte wie ein hungriger Wolf, der
eine Schafherde begutachtet.

Eine schwarzhaarige Kellnerin in einem langen schwarzen

Samtkleid brachte ihnen Drinks an den Tisch und nahm die leeren
Gläser wieder mit. Sally nippte an ihrem neuen Drink und wurde
langsam immer beschwipster, während Quinton mit Geld nur so um
sich warf.

Zane beobachtete, wie Whitney lächelte, als Quinton ihr etwas ins

Ohr flüsterte. Zane konnte ein ungutes Gefühl nicht loswerden. Seit
drei Tagen hatte Whitney nun ihr Gedächtnis verloren. Seit drei
Tagen führte er ein Doppelleben, eigentlich sogar drei verschiedene
Leben, aber wen kümmerte das? Er wußte nicht, wie lange er das
noch durchhalten würde.

Mit Quinton ging alles so unendlich langsam voran, aber wenigstens

war sich Zane sicher, daß Quinton ihm jetzt traute, so weit jedenfalls,
wie es ein Mann von seinem Schlag jemals tun würde.

Trotz Zanes anfänglicher Zweifel bot ihm Whitney keinen Anlaß zur

Sorge. Sie gab ihr Bestes, um zu dem Paar nett zu sein, so daß
jemand, der sie nicht kannte, hätte denken können, sie seien
befreundet. Zane war froh, daß sie mitspielte, ohne zu verstehen,
was das Ganze sollte.

Unter den gegebenen Umständen lief es weitaus besser, als er

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gehofft hatte, nur die Zeit, die er mit Whitney allein verbrachte, machte
ihm Sorgen. Sie arbeitete sich systematisch durch die ganze
Schutzmauer hindurch, die er um sich her aufgebaut hatte, seit er sie
zum erstenmal gesehen hatte.

Er war praktisch wieder am Anfang und mußte sich mühsam an das

Versprechen erinnern, daß er sich damals selbst gegeben hatte.
Sogar jetzt, wo alles davon abhing, auf der Hut zu sein, damit nichts
schiefging, schweiften seine Gedanken immer wieder zu ihr.

Er begehrte sie, und er konnte nichts dagegen tun. Zane sah sie an, sah

ihren Mund, ihre Augen, ihre Brust, die sich beim Atmen leicht hob
und senkte. Es war ihm nie aufgefallen, daß ihr schulterlanges Haar
wie Seide schimmerte, ihre Augen wie klares Wasser leuchteten und
ihre Haut weich wie Samt war.

Nichts davon hatte er bisher wahrgenommen. Oder doch? Ja, nur

hatte er gelernt, sich jeden Gedanken daran zu verbieten, und das mit
Erfolg. Jedenfalls bis jetzt, denn im Moment machte sie es ihm nicht
leicht.

Du liebe Güte, er benahm sich wie ein Teenager, der beim Anblick

eines Popstars in Ohnmacht fiel. Er war doch ein Profi. Was war nur
mit ihm los? Wenn sie sich wie die richtige Whitney benehmen würde,
anstatt so frei und sinnlich zu sein, hätte er nicht solche
Schwierigkeiten gehabt, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren.

Zane sah über den Tisch, der kaum groß genug für die vier Gläser

war, zu Quinton, der Whitney förmlich mit seinen Blicken
verschlang. Unruhig rutschte Zane auf seinem Stuhl hin und her. Nicht
nur er hatte seine Gedanken heute abend woanders. Es war ihm klar,
daß Quinton, nur um sich zu amüsieren, ihm Whitney wegschnappen
würde, wenn er auch nur die leiseste Chance hätte.

Diese Whitney hatte keinen blassen Schimmer davon, was hier ablief

und was wirklich auf dem Spiel stand. Er hätte nicht sagen können, ob
sie imstande wäre, sich zu verteidigen, wenn es hart auf hart käme.

In diesem Moment legte Quinton Whitney eine Hand auf die Schulter.

Zane erschien diese Geste viel zu besitzergreifend. Quinton fragte ihn:
„Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir Ihre Frau einmal
auszuleihen?"

Ja, es würde ihm etwas ausmachen. Und zwar mehr, als er dachte.

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Zane schluckte den aufkommenden Ärger hinunter, bevor er
antwortete: „Es kommt darauf an, wofür und für wie lange." Quinton
lachte nur. Zane sah ihm an, was er mit Whitney hätte anstellen wollen.
Quinton stand auf und bedeutete Whitney, das gleiche zu tun.
„Mißtrauen Sie mir vielleicht, Russell? Ich hoffe doch nicht. Das
wäre einem neuen Geschäftspartner gegenüber aber gar nicht nett."

Drei Tage und drei Nächte war Zane ihm nun auf den Fersen

gewesen. Sechs Monate Vorarbeit kamen dazu, ganz zu schweigen von
zwei Jahren Planung. Jetzt war es erreicht. Er hatte es geschafft. Zane
genoß kurz den Augenblick, bevor er antwortete. „Sie meinen...?“

Quinton neigte den Kopf, als überlegte er noch. Er liebte es, mit

Leuten zu spielen, und Zane war keine Ausnahme. Quinton hatte, sich
bereits umgehört, um Zanes Glaubwürdigkeit zu prüfen. Er war auf
keinerlei Widersprüche zu Zanes Äußerungen gestoßen. Also hatte
Quinton keinen Anlaß, an Zanes Identität zu zweifeln.

Jetzt lächelte Quinton. Was er an solchen Spielchen so liebte, war das

Gefühl der Macht über andere Leute. Er konnte gar nicht genug davon
bekommen. „Vielleicht." Er sah zu Whitney. „Es könnte sein, daß es
davon abhängt, wie gut Ihre Frau tanzen kann." Er faßte ihre Hand.
„Bereit?"

Nein, Whitney war nicht bereit. Sie wollte gehen, irgendwohin, nur

weit weg von diesen Leuten. Um Zanes Willen bemühte sie sich, gute
Miene zum bösen Spiel zu machen. Sie tat so, als fände sie Quintons
Storys lustig und versuchte Sally bei Laune zu halten, dabei fühlte sie
sich nur schrecklich.

Aber um Zane den Gefallen zu tun, erwiderte sie: „Bereit." Einen

Tanz, einen einzigen, schwor sie sich. Wenn Zane danach immer
noch etwas zu Quintons Unterhaltung beitragen wollte, mußte er selbst
mit ihm tanzen.

„Was will ein Mann mehr als eine Frau, die sagt, sie sei bereit?"

Quinton warf noch einen Blick zurück über die Schulter zu Sally und
fügte freundlich, aber mit einem warnenden Unterton hinzu:
„Übrigens, Sally tanzt nur mit mir. Jeder andere hat
Schwierigkeiten mit ihrem Rhythmus."

Wütend sah Sally zu, wie Quinton Whitney durch die Menge auf die

winzige Tanzfläche führte. Dieser Schuft! Sally hatte es langsam satt,

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nur Quintons Anhängsel zu sein und ständig nach seiner Pfeife zu
tanzen. Sie trank noch einen Schluck aus ihrem fast leeren Glas.
„Hören Sie nicht auf ihn, ich tanze, mit wem ich Lust habe."
Erwartungsvoll blickte sie Zane an.

Falls er es sich mit Quinton verderben wollte, sollte es jedenfalls

nicht wegen dessen Freundin sein. „Ich bleibe lieber hier antwortete
Zane. Außerdem wollte er Whitney und Quinton beobachten. Sally
zuckte die Schultern, griff nach ihrem Glas und winkte einer Kellnerin,
die ihr einen weiteren Whisky Soda bringen sollte.

Quinton war es mittlerweile gelungen, auf der Tanzfläche ein wenig

Platz für sich und Whitney zu schaffen. Ihr wurde übel, als er sich an
sie drängte. Die Füße bewegte er kaum, dafür um so mehr den
Körper. Sie rang sich ein Lächeln ab und meinte: „Mr. Quinton, das ist
eigentlich ein offener Tanz."

Belustigt sah er sah sie an, ohne Anstalten zu machen, sie

loszulassen. Statt dessen legte er ihr eine Hand auf den Rücken. „Eng zu
tanzen ist aber viel schöner." Normalerweise waren die Frauen, wenn
er erst einmal Interesse an ihnen bekundet hatte, nicht so spröde wie
diese hier.

„Sie sind eine sehr attraktive Frau, Mrs. Russell." Quinton stellte sich

vor, wie sie langsam ihr grünes Kleid für ihn auszog. Der Gedanke
erregte ihn. „Sagen Sie, wie machen sich denn die Flitterwochen?"

Das ging ihn überhaupt nichts an. Whitney konnte sich gerade noch

zurückhalten, ihn anzufauchen, denn Zane hätte bestimmt etwas
dagegen gehabt, wenn sie Quinton vor den Kopf gestoßen hätte. Kurz
angebunden antwortete sie: „Danke, gut."

Quinton glaubte ihr nicht. Obwohl er immer wieder sah, wie sich

die beiden küßten und umarmten, stimmte zwischen ihnen irgend etwas
nicht. Sie wirkte so angespannt. Zweifellos war Zane nicht der
richtige Mann für sie. Das konnte er leicht ändern. Falls sie Trost
brauchte, wollte er ihr eine starke Schulter zum Anlehnen bieten.
Wenn es nach ihm ging, am besten im Bett. „Haben Sie Spaß
zusammen?"

Um Zane in Schutz zu nehmen, sagte Whitney widerwillig: „Ja."
Vielleicht war es die Wahrheit, vielleicht auch nicht, jedenfalls war

sich Quinton seiner Sache sicher: Er wäre ein besserer Liebhaber

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gewesen. „Falls Sie vielleicht einen Vergleich haben wollen, stehe
ich jederzeit zu Ihrer Verfügung."

Dieser aufgeblasene Schwachkopf, dachte Whitney. „Danke, aber das

wird nicht notwendig sein."

„Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich nicht so schnell nein

sagen." Quinton sah ihr tief in die Augen. Sein Lächeln jagte Whitney
einen Schauer über den Rücken. „Nun, Sie wissen ja, solange ich hier
bin, steht die Tür für Sie jederzeit offen."

Whitney unterdrückte den Wunsch, Quinton weit von sich zu schieben.

„Selbst wenn ich das vorhätte, meinen Sie nicht, daß Sally etwas
dagegen hätte?"

Gleichgültig zuckte Quinton die Schultern. „Sally hat meistens

etwas dagegen. Wenn ich immer auf sie hören würde, hätte ich für
andere Dinge gar keine Zeit mehr." Sein Blick ruhte auf Whitneys
Brust. „Egal, ob Geschäft oder Vergnügen."

„Ich dachte, Sally gehört mit zum Vergnügen." Mit einemmal hatte

Whitney richtig Mitleid mit Sally. Dieser Mann war ekelhaft.

Quinton lachte, als hätte Whitney einen Witz gemacht. „Ich mag

Sie, Mrs. Russell." Daraufhin verdunkelten sich seine Augen wieder,
und warnend fügte er hinzu: „Und wenn ich an Ihrer Stelle wäre,
würde ich zusehen, daß es auch so bleibt.“

Whitney bekam Angst. Wovon redete er? Jetzt sah sie zur Band.

Der Schlagzeuger legte seine Stöcke beiseite. „Sie haben aufgehört."

Quinton zog sie fester an sich. „Ich bin sicher, daß sie gleich

weiterspielen."

Sollte sie etwa die ganze Nacht mit ihm tanzen, wenn sie keine Szene

machen wollte? Erleichtert sah Whitney Zane durch die
Menschenmenge auf sie zukommen. Endlich Rettung in Sicht!

Zane legte eine Hand auf Quintons Schulter. „Macht es Ihnen etwas

aus, wenn ich Sie unterbreche?"

Quinton ließ Whitney los und rückte etwas von ihr ab. „Die Band

spielt nicht mehr", sagte er drohend, „wollen Sie sich zum Narren
machen, Russell?" Daraufhin drehte Quinton sich um und ging
zurück zum Tisch.

Zane legte einen Arm um Whitneys Schultern. Er konnte ihr nicht

sagen, was er empfunden hatte, als er hatte mit ansehen müssen, wie

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Quinton Whitney an sich gedrückt hatte. „Bist du in Ordnung?" flüsterte
er. „Du siehst ein wenig blaß aus."

Whitney schaute ihn nicht an. Weil sie sich wieder in Sicherheit

wußte, konnte sie ihrem Ärger endlich Luft machen. „Das ist auch
kein Wunder, wenn mich jemand so unmöglich behandelt."

Sie gingen zu ihrem Tisch zurück, aber anstatt sich wieder zu

setzen, nahm Whitney ihre Handtasche. Sie wollte endlich raus aus
dieser Bar. „Ich gehe schon mal nach oben", sagte sie in die Runde. Sie
mochte niemandem in die Augen schauen, weil sie fürchtete, sie
könnten ihr ihre Wut und ihren Ekel ansehen, vor allem Zane. Ihm
hatte sie das alles zu verdanken: „Du kannst j a noch bleiben, Zane,
aber ich bin sehr müde."

Quinton protestierte. „Wirklich, Mrs. Russell? Der Abend ist doch

noch lang!"

Whitney blickte Quinton nur kurz an. „Das kann schon sein, aber ich

bin an andere Uhrzeiten gewöhnt. Wenn Sie mich jetzt bitte
entschuldigen wollen." Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und
verschwand in der Menge.

Zane zögerte. Er konnte Whitney nicht einfach so gehen lassen. Was

wäre, wenn sie sich verlief? Sie wußte ja immer noch nicht, wer sie
war. Hin und her gerissen zwischen Wunsch und Pflichtgefühl, mußte
er sich entscheiden. Zane fackelte nicht lange. Er zog etliche Scheine
aus der Geldbörse und warf sie auf den Tisch. „Ich gehe lieber auch.
Bleibt es beim Mittagessen morgen?"

„Auf alle Fälle. Ich freue mich darauf, Sie in meiner Suite zu

empfangen." Quinton schob die Scheine zurück zu Zane. „Worauf
warten Sie denn noch? Gehen Sie zu ihr. Ich würde meine Zeit nicht mit
Reden vergeuden, wenn so eine Frau auf mich wartet. Gehen Sie, und
zeigen Sie ihr, aus welchem Holz Sie geschnitzt sind." Quinton lachte
über seine Anspielung und scheuchte Zane mit einer Handbewegung
fort.

Es hätte nicht viel gefehlt, und Zane hätte ihn geohrfeigt.

Später, beruhigte er sich. Jetzt mußte er erst einmal bei Whitney
wiedergutmachen, was er angerichtet hatte. Mit einem in dem Lärm
kaum vernehmbaren „gute Nacht" bahnte er sich eilig einen Weg
durch die Menge und erreichte Whitney, kurz bevor sich die Türen des

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Aufzugs hinter ihr schlossen.

Sie blickte starr geradeaus und machte keine Anstalten, auf ihn zu

warten. Zane gelang es gerade noch, seinen Arm zwischen die Türen
zu schieben, damit sie sich wieder öffneten. Whitney blickte ihn
immer noch nicht an. „Du hättest dir weh tun können." Sie klang, als
wäre es ihr absolut gleichgültig gewesen, wenn sein Arm völlig
zerquetscht worden wäre.

„Gut, laß uns darüber reden, Whitney. Was ist los?"
Whitney konnte es kaum fassen, daß er die Stirn hatte, ihr diese

Frage zu stellen. Mit vor Zorn funkelnden Augen drehte sie sich zu
ihm um. „Was los ist?", wiederholte sie. „Nichts, nur daß ich in
den Flitterwochen bin und mein Mann mich nicht einmal anfassen
will! Nur, daß er mich einem Mann ausliefert, weil er glaubt, er könne
mit ihm ein gutes Geschäft machen!"

„Wovon redest du überhaupt?"
Jetzt wollte er wohl den Unschuldigen spielen, aber das nahm sie

ihm nicht ab. „Du weißt verdammt gut, wovon ich spreche. Du hast
mich ihm angeboten, damit er mit dir zusammenarbeitet." Bei
dem bloßen Gedanken an den Tanz mit Quinton wurde ihr übel. „Er
hat mir ein eindeutiges Angebot gemacht und mich angefaßt."

Sie waren im siebten Stock angekommen. Whitney stürmte aus dem

Aufzug, ohne sich umzusehen. „Er ist widerlich und ekelhaft!" Ihre
Hand zitterte, als sie die Zimmertür aufschließen wollte. Sanft nahm
Zane ihr den Schlüssel aus der Hand, schloß auf und hielt ihr die Tür
auf. „Ja, mir geht es nicht anders.“

Sollte sie ihm das vielleicht glauben? Sie wirbelte herum. Wehe, er

log! „Warum wirfst du mich ihm dann in die Arme?"

Endlich begriff Zane. Er hatte sie gebeten, nett zu Quinton zu sein.

Vielleicht war er zu weit gegangen. Hätte er gewußt, daß sie es so
falsch verstehen würde, hätte er es nie so weit kommen lassen. Er rieb
sich das Gesicht und überlegte, wie er das wieder in Ordnung
bringen sollte.

„Ich habe dich ihm nicht in die Arme geworfen." Hilflos faßte er

Whitney bei den Schultern und blickte ihr ins Gesicht. Sie mußte ihm
glauben, auch wenn er es ihr nicht erklären konnte. „Weißt du. nicht,
warum ich zu euch gekommen bin? Ich konnte es nicht mehr mit

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ansehen, wie er dich betatscht hat."

Es waren nicht so sehr Zanes Worte als vielmehr der Ausdruck in

seinen Augen, die ihre Wut verrauchen ließen. „Deswegen? Warst du
eifersüchtig?"

„Ja, deswegen." Eifersüchtig, ja, vielleicht war er es tatsächlich.

„Schau, Whitney, ich weiß, daß du es nicht verstehst, aber ich muß
dieses Geschäft einfach durchziehen."

Vielleicht hätte sie ihm eher verziehen, wenn sie begriffen hätte,

warum ihm das so wichtig war, und wenn er ihr vertraut hätte, denn
sie wußte, daß er ihr etwas verschwieg. Whitney hatte das Gefühl,
daß es um mehr ging als um ein bloßes Baugeschäft. „Warum? Du
hast doch genug Geld." Sie konnte ja nur davon ausgehen, was er ihr
erzählt hatte. „Oder war das auch gelogen?"

Zane verzog keine Miene, während er rasch nachdachte. Hatte

Quinton ihr etwas erzählt, als er sich an sie heranmachte? „Wie
meinst du das, ,auch`?"

Whitney schüttelte Zanes Hände ab. Vor drei Tagen hätte sie sich

niemals träumen lassen, daß sie seine Berührung nicht würde
ertragen können. Aber vor drei Tagen dachte sie ja auch noch, er
würde sie lieben. Dessen war sie sich jetzt nicht mehr so sicher.
„Hier stimmt einiges nicht, Zane." Anklagend blickte sie Zane an. „Was
uns betrifft."

Zane konnte ihr jetzt nicht alles von vorn erklären, aber er mußte

wenigstens ein bißchen Klarheit schaffen. „Was meinst du mit ,uns`?"

„Wir schleichen nur umeinander herum, aber es ist doch etwas

zwischen uns, ich fühle es genau. Trotzdem ziehst du dich
jedesmal zurück, wenn ich dich berühre."

Sie dachte an das Theater, das sie Quinton die letzten drei Tage

vorgespielt hatten. Genau das war es - Theater, denn sobald sie allein
waren, wurde alles anders. „Du küßt mich in aller Öffentlichkeit, du tust
so, als wären wir ein verliebtes Paar, aber wenn du mit mir allein bist
und du wirklich beweisen könntest, daß es so ist, ziehst du dich
zurück."

Zane schob die Hände in die Hosentaschen. „Ich habe dir doch schon

gesagt..."

„Ja, hast du, immer wieder." Whitney konnte seine Entschuldigungen

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und Lügen langsam nicht mehr hören. „Es ist schon gut. Es sind jetzt
drei Tage, Zane. Drei Tage, die ich versuche herauszubekommen,
was los ist. Und alles, was ich weiß, ist, daß ich dich will, aber
du mich nicht willst."

„Das ist nicht wahr. Ich begehre dich. Wirklich, ich begehre dich

mehr, als du dir vorstellen kannst." Zane schüttelte den Kopf. Die
Worte waren ihm einfach herausgerutscht. „Du bringst mich völlig
durcheinander, Whitney, ich bin unfähig, einen klaren Gedanken zu
fassen."

Sie glaubte ihm beinahe. „Mir geht’s genauso", gestand sie.
Als er sie wieder ansah, bemerkte sie die Angst in seinen Augen.

„Aber ich kann nicht ... wir können nicht..."

Unglaublich. Das mußte er ihr jetzt aber wirklich erklären. Whitney

wollte endlich verstehen, was los war. „Warum? Warum können wir
nicht?"

Zane faßte sie an den Handgelenken. Am liebsten hätte er sie so

lange geschüttelt, bis die alte Whitney wieder zum Vorschein
gekommen wäre und ihn nicht länger gequält hätte. „Weil..." Zane
hielt inne, als er begriff, was er tat. Er ließ sie los. Ihre Arme
waren rot, so fest hatte er sie gehalten. Es tat ihm so leid.

„Weil?" flüsterte sie. Sie war ihm so nahe, daß er ihren Atem

spüren konnte. Und dann wußte er nichts mehr, nur noch, daß er auf der
Stelle sterben würde, wenn er sie jetzt nicht küßte. Zane wollte
dagegen ankämpfen, mußte aber wütend und hilflos aufgeben. „Du
bist einfach schrecklich." Daraufhin zog er sie an sich und küßte sie.

Whitney sehnte sich nur noch danach, bei ihm zu sein. Wie

jetzt, eng umschlungen, von ihm geküßt, seinen herben männlichen
Duft in der Nase. Whitney kam es so vor, als würde der Boden unter
ihren Füßen schwanken. Endlich verschwand das Gefühl des
Verlorenseins. Egal, was später sein würde, sie wußte, sie hatte sich
wiedergefunden, hier in Zanes Armen.

Zane sträubte sich nicht länger gegen seine heftigen Empfindungen.

Alle guten Vorsätze lösten sich in Luft auf, als er über Whitneys
Rücken strich. Oh, wie er sie begehrte. Er war sich bewußt, daß es
nicht richtig war, was er tat, aber daran wollte er jetzt nicht denken.
Vom ersten Augenblick an hatte er sie begehrt, und er konnte ihr nicht

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länger widerstehen.

Whitney, erschauerte vor Erregung, als sie seine kräftigen Hände

spürte. Wo er sie berührte, schien sie in Flammen aufzugehen.

„Whitney." Mit letzter Kraft versuchte Zane, sich wieder unter

Kontrolle zubringen. „Du bist nicht gesund."

„Dann heile mich. Mach mich gesund. Ich will dich, Zane. Ich habe

mein Gedächtnis verloren. Ich will mich an etwas erinnern. An
dich. Du wirst der erste und der letzte sein."

Ihr Versprechen klang unwiderstehlich. Aber sie würde es nicht

halten, nicht, wenn sie ihr Gedächtnis wiederfand. Warum quälte sie
ihn so? „Whitney, du weißt nicht, was du sagst."

„Doch. Ich fühle es. Ich begehre dich, und irgendwie weiß ich, daß

ich dich schon immer begehrt habe. Laß mich nicht darum bitten. Laß
mir ein bißchen Stolz."

Stolz. Wenn er jetzt nachgab, würde er ihr überhaupt keinen Stolz

mehr lassen. Eines Tages würde sie es merken. Aber „eines Tages"
war weit weg. Jetzt war nur sie da und sein Verlangen nach ihr,
das er nicht länger unterdrücken konnte.

Rasch löste Zane den Gürtel ihres Kleides. Als er ihr die Träger von

den Schultern schob, fiel das Kleid zu Boden. Ehrfürchtig berührte er
sie. Er hatte sich danach gesehnt, seit Whitney ihn geküßt hatte, und
eigentlich schon die ganzen Jahre vorher.

Sie trug nur noch einen äußerst knappen Seiden-BH und den

Slip. Ihre Brüste waren voll und fest. Zanes Mund wurde trocken.
„Du bist so schön", flüsterte er.

Er sagte es, als hätte er es niemals zuvor gesagt, als hätte er sie niemals

vorher so gesehen. Whitney wußte, daß es nur so war, weil sie
sich nicht erinnern konnte, aber sie genoß es trotzdem und war
dankbar, daß er es sagte. Mit wild klopfendem Herzen streckte sie die
Arme nach ihm aus.

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8. KAPITEL


Das hatte nicht zu seinem Plan gehört. Eigentlich sollte er der

Versuchung widerstehen können. Langsam trat Zane auf Whitney
zu.

Sie hielt den Atem an und wartete darauf, daß er sie in die

Arme nahm und berührte. Seit drei Tagen hatte sie davon
geträumt, aber jetzt kam es ihr vor, als hätte sie schon ihr Leben
lang darauf gehofft.

Whitney sah so zart und verletzlich aus. Es fehlte ihr diese

flapsige Art, die Zane bisher von ihr gewohnt gewesen war. Früher
hatte er sie nie als zerbrechlich erlebt, aber jetzt brauchte sie seinen
Schutz. Was richtete er da nur an! Doch er war wehrlos gegen
ihren Blick, gegen sein eigenes Verlangen. Bisher nicht gekannte
Gefühle stiegen in ihm hoch.

Zane nahm sie in die Arme. Trotz allem, was zwischen ihnen

stand, war sie immer noch dieselbe Whitney für ihn. Zwar hatte er
keine Wahl mehr, doch konnte er wenigstens ihr noch die
Entscheidung lassen. Das war er ihr schuldig, auch wenn es ihm
in der Seele weh tat. „Es wird dir leid tun.“

Whitney war verwirrt. „Warum?"
Mit fast übermenschlicher Zurückhaltung strich ihr Zane nur übers

Haar, obwohl er sie immer stärker begehrte. „So wird es eben
sein."

Warum denn? Wie sollte ihr etwas leid tun, wonach sie so sehr

verlangte? „Nie wird es mir leid tun", schwor Whitney, „niemals."
Die Anziehung zwischen ihnen war größer, als sie es sich
ausgemalt hatte. Selbst wenn sie sich hätte widersetzen wollen,
wäre es ihr nicht gelungen. Er war ihr Schicksal, sie fühlte es.

Als er ihr Gesicht und ihren Hals mit Küssen bedeckte, warf Whitney

aufstöhnend den Kopf zurück. Ihre Knie drohten nachzugeben.

Zane spürte, wie die Erregung, die sie durchströmte, auch ihn

selbst anstachelte. Immer war er darauf bedacht gewesen, sich und
seinen Körper unter Kontrolle zu halten, aber das funktionierte
jetzt nicht mehr. Sie war es, die ihn unter Kontrolle hatte. Seine
Gefühle für sie waren so stark, wie er es sich nie hätte träumen

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lassen.

Zane berührte ihr Haar und ließ es zärtlich durch seine Finger

gleiten. Mit einer Hand umfaßte er ihren Hinterkopf und drückte
sie an sich. Einen Augenblick lang genoß er nur das Gefühl, wie sie
sich an seiner Brust anfühlte. Es schien ihm absurd, daß ihn sogar ihr
Atem erregte, aber es erregte ihn einfach alles an ihr.

Als er sie erneut küßte, wußte er, daß er ihr gehörte. Zane verlor sich

in ihren Lippen, in dem Duft, der sie wie ein Hauch umgab.
Niemals hatte er sich erlaubt, sich so hinzugeben. Es war unheimlich,
verwirrend und wunderbar zugleich. Zane sah ihr in die Augen.
„Weißt du überhaupt, was, du da mit mir machst?"

Jedenfalls war es nichts verglichen damit, was er mit ihr

machte. „Vielleicht", brachte sie hervor. Plötzlich funkelten ihre
Augen schalkhaft auf. „Warum zeigst du’s mir nicht?" neckte sie
ihn. „Zeig mir, daß du mich willst."

Zane fühlte, wie sich seine Begierde steigerte. Am liebsten hätte

er ihr hier und jetzt die Unterwäsche vom Körper gerissen und ihr
gezeigt, wie heftig sein Verlangen nach ihr war, aber er bezwang
sich. Er wollte ihre Wünsche ganz über die seinen stellen. Es gelang
Zane, sich ein wenig zurückzunehmen.

Er strich über ihre Hüfte und glitt mit der Hand in ihren Slip.

Whitney seufzte auf. Zane hätte den Slip nur zerreißen müssen, dann
wäre sie völlig nackt und würde ihm gehören. Statt dessen schob er den
Slip langsam nach unten, ohne Whitney aus den Augen zu lassen, bis er
auf den Boden fiel.

Whitney streifte ihn von den Knöcheln. Jetzt gehörte sie ihm

ganz. Jedenfalls solange, wie ein gnädiges Schicksal über ihnen
wachte. Zane versuchte, sich vorzustellen, daß es ewig währen
würde.

Whitney schmiegte ihre Wange an seine. Als sie an seinem

Ohrläppchen knabberte und es mit der Zunge umspielte, sog er
scharf die Luft ein. Wenn er jemals gedacht hatte, er sei stark, so
wurde er jetzt eines Besseren belehrt. Zane fühlte sich schwach, sie
konnte mit ihm machen, was sie wollte.

Whitney strich mit den Händen über seinen kräftigen Rücken.

Er fühlte sich wunderbar an. Und bekleidet. Mit einem koketten

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Lächeln fragte sie: „Meinst du nicht, daß du für diese Gelegenheit
falsch angezogen bist?" Ohne auf seine Antwort zu warten, begann sie,
sein Hemd aufzuknöpfen.

„Ja, wahrscheinlich hast du recht", antwortete er erregt. „Du

hast doch einen unfehlbaren Sinn für die passende Garderobe.
Was sollte ich denn deiner Meinung nach tragen?" fragte er und
streichelte sie von der Hüfte aufwärts.

Als er sanft die Rundung ihrer Brust berührte, schwankte sie

leicht. „Mich", flüsterte sie atemlos, „mich solltest du tragen."

Ungeduldig streifte sie ihm das Hemd ab und warf es zu ihren Sachen

auf den Boden. Als Whitney seinen Gürtel löste und den
Reißverschluß seiner Hose herunterzog, konnte sie kaum an sich
halten. Sie strich über ihn und hätte am liebsten gejubelt, als Zane
scharf einatmete.

Noch einen Augenblick länger, und Zane würde komplett die

Kontrolle verlieren. Er hielt Whitneys Hand fest und entledigte sich
schnell seiner Hose. Alles im Raum schien sich um sie beide zu
drehen und immer kleiner zu werden. Es kam ihnen so vor, als
gäbe es nur noch sie beide. Wild und erwartungsvoll klopften ihre
Herzen.

Tief in seinem Gedächtnis wollte Zane dies eingraben, falls es das

einzige Mal bleiben sollte. Er preßte seinen Mund auf ihren und war
überrascht, wie leidenschaftlich Whitney ihn wieder küßte. Jetzt
gab es kein Zurück mehr. Sie wankten zum Bett und sanken darauf.
Den Mund ließ er langsam um Whitneys Brüste gleiten. Als er mit der
Zunge ihre Spitzen, berührte, drängte sie sich ihm entgegen und stöhnte
laut auf. Zane fühlte ihren Herzschlag an seinen Lippen. Eine solche
Kraft hatte er noch nie gespürt. Er war Herr über sich, aber
gleichzeitig Whitney völlig unterworfen. Als er sah, wie sie sich
unter seinen Händen bewegte, ging eine Sehnsucht für ihn in
Erfüllung, doch was er jetzt erlebte, war weit schöner als alles, was
er sich jemals erträumt hatte.

Whitney atmete heftig, als Zane sie immer wieder phantasievoll

reizte. Mit Mund und Händen berührte er sie so sinnlich, daß
Wellen der Erregung sie durchfluteten. Whitney wollte, daß Zane
genauso empfand. Sie tat, was ihr in den Sinn kam. Sie schenkte sich

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ihm, sich und ihr Herz.

„Ich liebe dich", flüsterte sie und küßte ihn.
„Ich liebe dich auch", erwiderte Zane, denn er wußte, daß sie

es hören wollte, jedenfalls in diesem Moment. Später konnte er
immer noch sagen, daß er es nicht ernst gemeint hatte. O Whitney,
dachte er, es tut mir so leid.

Ohne ihn loszulassen, rollte sich Whitney auf Zane und zeichnete

mit den Fingern die Umrisse seines Körpers nach. Zane stöhnte, als sie
ihn umfaßte. Niemals würde sie den Ausdruck in seinen Augen
vergessen. Und während sie sich gegenseitig entdeckten, flüsterte
eine innere Stimme ihr zu: Du bist frei! Sie war frei, endlich frei,
ihren Gefühlen Ausdruck zu geben.

Whitney glitt über Zane, wärmte ihn, küßte seine Schulter, seine

Brust, seine Hüften. Als sie tiefer ging, unterdrückte Zane ein Stöhnen
und zog sie an den Schultern wieder zu sich hinauf. Noch nicht,
dachte er, noch nicht. Ohne Protest ließ ihn Whitney die Stellung
wieder ändern.

Plötzlich lag sie wieder unter ihm. Zane hatte ihre Handgelenke

über ihren Kopf auf die Kissen gedrückt und küßte sie sanft. Stöhnend
wand sie sich unter ihm. Er steigerte ihre Erregung ins
Unermeßliche.

Als er endlich in sie eindrang, schlang sie die Beine um ihn und

wollte sich nie mehr von ihm trennen. Zane fiel es schwer, um ihrer
beider Willen den Höhepunkt hinauszuzögern, aber Whitney sollte
wissen, daß ihre Lust für ihn an erster Stelle stand. Langsam begann er,
sich zu bewegen.

Whitney paßte sich seinem Rhythmus an, und Zane, stieß immer

schneller und heftiger. Als er den Gipfel der, Ekstase erreichte; hörte er
sie schluchzend seinen Namen sagen.

Es war vorbei. Und fing erst richtig an. Erschöpft zog Zane sie näher

an sich. Eine Welle unendlicher Zärtlichkeit erfaßte ihn, und er
versuchte, seinen Orgasmus so lange wie möglich hinauszuzögern, aber
es gelang ihm nicht. Seufzend verlagerte er sein Gewicht.

Whitney hielt ihn fest. „Nein, beweg dich nicht", protestierte sie.
Die Traurigkeit in ihrer Stimme überraschte ihn. „Aber ich

zerquetsche dich."

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Hätte er das getan, wäre es ihr die liebste Art gewesen, zu

sterben. Sie preßte ihren Körper an seinen. „Nein, überhaupt
nicht."

Die Whitney, die er kannte, war immer anderer Meinung als er

gewesen. Zane mußte sich zusammennehmen, um nicht zu
lachen. „Whit, ich bin zu schwer", erklärte er, und bevor sie etwas
sagen konnte, rollte er von ihr herunter und schmiegte sich in ihre
Anne.

„Das habe ich gar nicht bemerkt", seufzte Whitney. War sie

jemals so zufrieden gewesen? Es schien ihr kaum möglich.
Glücklicher hätte er sie gar nicht machen können. „Ich glaube, ich
bin fast gestorben." Sie wandte sich ihm zu. „Wußtest du, daß
man ‚sterben’ dazu sagte, wenn man miteinander schlafen
meinte?"

Wo kam das auf einmal her? „Wen meinst du mit ,man`?"
„Dichter. In. diesen alten Gedichten." Lange epische Gedichte

über die Liebe und über Liebende, die sich suchten und fanden.

Überrascht blickte Zane sie an. „Woher weißt du das?
„Keine Ahnung", antwortete sie zögernd.
Ihr Gedächtnis kam wieder. Stück für Stück, aber unaufhaltsam.

Es war nur eine Frage der Zeit. Warum war er nur so unglaublich
traurig, wenn er daran dachte? Zane betrachtete sie genau.
„Woran erinnerst du dich noch?"

Whitney wollte nicht darüber reden, lieber über ihn, über sie

beide. Gleichgültig zuckte sie die Schultern. „An ein paar alte Filme
aus dem Fernsehen."

Er lachte und nickte. Ja, ihr Gedächtnis würde wieder zurück-

kommen. Er fragte sich, wie bald alles wieder vorbei sein würde, und
streichelte ihr sanft die Wange. „Die siehst du sehr gern."

„Dann kommt wohl gerade die Erinnerung daran wieder.

Langsam jedenfalls." Whitney lächelte triumphierend. „Ich hab dir
doch gesagt, daß mein Gedächtnis wieder in Gang kommt, wenn
wir miteinander schlafen." Ihre Augen blitzten schalkhaft, als sie ihn
fragte: „Wie wär’s, wenn du mir dabei hilfst, noch mehr davon wieder
aus der Versenkung zu holen?"

Zane seufzte und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Das

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ist gar nicht lustig, Whitney", meinte er sanft.

Sie streichelte seine Wange. „Nein, du hast recht. Es ist

wunderbar. Ich habe das Gefühl, ich könnte Berge versetzen oder
fliegen.“

Nie zuvor hatte er sie so erlebt und konnte sich ein Lachen nicht

verkneifen. „Wenn du anfängst, Gewichte zu heben, gehe ich."

„Dann laß ich es eben bleiben." Sie drehte sich um und genoß

das aufregende Gefühl, dicht an ihn geschmiegt zu sein. Zane zog sie
noch enger an sich.

„Ist es immer so?" wollte Whitney wissen.
„Was denn?" Zane fragte sich, ob sie sich noch an ihre

Empfindungen erinnern würde, wenn sie erst ihr Gedächtnis
wiederhatte, oder ob Whitney dann nur noch wütend und verlegen
sein würde.

„Mit uns. Ist es immer so, wenn wir uns lieben?"
Wenn sie wüßte! Er wollte es sich lieber nicht ausmalen. Noch

nicht. Statt dessen lächelte er sie an. „Nein. Diesmal war es
besser."

Sie hatte es geahnt. „Dann bin ich froh, daß ich mein Gedächtnis

verloren habe. So war es wie das erste Mal für mich." Zärtlich
zeichnete Whitney die Konturen seiner Lippen nach. Zane schloß
seinen Mund um ihren Finger und sog leicht daran. Sie fühlte, wie
sie von neuem dahinschmolz.

Als er sie losließ, überlief sie ein Prickeln. „Das erste Mal. Die

Vorstellung gefällt mir. Das macht es zu etwas Besonderem."
Whitney lächelte schüchtern. „Ich nehme nicht an, daß ich für dich
die erste Frau bin."

Doch, dachte Zane, eigentlich schon. Irgendwie fiel es ihm schwer,

es zuzugeben. Sie war die erste, die ihm wirklich etwas bedeutete.
„Wenn es so wäre, würdest du mir glauben?"

„Sicher." Ein schalkhaftes Lächeln spielte um ihren Mund. „Wieso

solltest du mich belügen? Du bist mein Mann."

Die Schuldgefühle, die plötzlich wiederauftauchten, überwältigten

ihn fast. „Stimmt." Er küßte sie auf die Schulter, weil er nicht wollte,
daß sie ihm in die Augen sah. Whitney stützte sich auf den Ellbogen
und betrachtete ihn. Leicht berührte ihr Haar seine Brust und erregte

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ihn wieder. Zane war überrascht, daß er jetzt schon wieder so ein
Verlangen nach ihr spüren konnte.

„Also", sagte Whitney und beschrieb mit dem Finger kleine Kreise

auf seiner Brust, „was machen wir jetzt?"

Zane tat, als überlegte er. „Na ja, es ist ein bißchen spät, aber wir

könnten noch ausgehen. Willst du ins Theater?“ Er küßte ihren Hals.
Whitney schüttelte den Kopf.

„Wie wär’s mit etwas zu essen?" Wieder ein Kopfschütteln. Zane

küßte sie auf eine Brust. „Ins Kino?" Er hörte ein unterdrücktes
Stöhnen, als er sich ihrer anderen Brust zuwandte. „Glücksspiel?"

Er glitt zu ihrem Nabel. Sie wand sich unter seinem Mund und

konnte seinen Vorschlag kaum ablehnen. Als er noch tiefer ging und
hörte, wie sie überrascht die Luft anhielt, kam er wieder nach oben,
um sie anzuschauen. „Was denn dann?"

Whitney riß ihn an sich, wand sich unter ihm hindurch und setzte

sich rittlings auf ihn. Ihre Augen leuchteten. „Rate mal."

Er faßte mit beiden Händen nach ihren Brüsten.. Whitneys

strahlendblaue Augen nahmen ihn gefangen. Zane spielte mit. „Wie
oft darf ich raten?"

Langsam begann Whitney ihre Hüften zu bewegen. Triumphierend

spürte sie, wie er unter ihr reagierte. „Wie wär’s damit?"

„Nicht schlecht. Er konnte kaum nicken. „Ich glaube, es wird

wärmer", meinte er.

Whitney lächelte verführerisch, neigte ihren Kopf nach vorn, so daß

ihr Haar seinen Körper streifte. Zane fühlte einen wohligen Schauer
auf der Haut.

„Gut, denn mir wird auch langsam warm." Unter halbgeschlossenen

Lidern beobachtete Whitney, wie er ihre Schenkel streichelte. Sie
atmete stoßweise bei seinen Berührungen. „Wärmer", drängte. sie,
„schon ganz heiß, ich brenne fast!"

„Wenn schon, dann will ich mitbrennen!" Lachend rollte Zane sie

von sich herunter auf den Rücken. „Heiß willst du es haben?"
Whitney nickte und lachte. „Okay, Whitney, ich zeig dir etwas
Heißes."

Schon drängte sie sich ihm entgegen. „Das hoffe ich!"

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9. KAPITEL


Whitney wachte auf und lächelte unwillkürlich, als sie sich an die

letzte Nacht erinnerte. Wenn sie sich konzentrierte, konnte sie
immer noch Zanes glatten, festen Körper auf sich spüren. Zufrieden
seufzte sie und drehte sich zu ihm um.

Er schlief noch. Einen Moment hatte sie befürchtet, es sei alles

nur ein Traum gewesen. Whitney wollte ihm übers Haar streichen,
das ihm ins Gesicht fiel, beschloß aber, ihn noch

:

nicht zu wecken.

Sie dachte an die außergewöhnliche Leidenschaft der vergangenen
Nacht und an Zanes Zärtlichkeit. Der Ausdruck in seinen
wunderschönen Augen hatte ihr mehr als alle Worte gesagt.

Jetzt stützte Whitney sich auf den Ellbogen und betrachtete ihn

liebevoll, bis sie nicht länger widerstehen konnte und ihre Hand
ausstreckte. Jedesmal, wenn er einatmete, berührten ihre Finger
seinen Brustkorb und riefen ein Prickeln auf ihrer Haut hervor. Wie sie
ihn begehrte! Ja, er gehörte ihr.

Was hatte sie getan, daß sie ein solches Glück erleben durfte? Sie hätte

gern gewußt, was ihn an ihr am meistere angezogen hatte, bevor sie ihr
Gedächtnis verloren hatte. Der Gedanke, daß sie niemals wieder die Frau
sein würde, die sein Herz erobert hatte, machte ihr mit einemmal
Sorgen.

Unvermittelt wachte Zane auf und packte ihre Hand mit einem

Schraubstockgriff, bevor er überhaupt die Augen öffnete. „Was
zum...?" Als er erkannte, daß es Whitney war, stöhnte er auf und
ließ ihre Hand los. Er fuhr sich durch das Gesicht und sagte
verschlafen: „Guten Morgen.“

Whitney war sich nicht sicher, ob das eine Begrüßung oder ein

Protest war. Einen Moment hatte sie etwas in seinen Augen
gesehen, das sie nicht kannte. Zane war aus seinem totenähnlichen
Schlaf so schnell erwacht, als ob er es gewöhnt wäre, auf das
Schlimmste gefaßt zu sein.

Warum? Hatte der Mann, der sie so glücklich machte, eine dunkle

Seite? Sie mußte sich selbst ermahnen, nicht schon wieder mißtrauisch
zu werden. Er hatte eben nur überrascht reagiert, das war alles.

Whitney zwang sich, wieder zu lächeln. „Du bist ja schon wieder sehr

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lebendig", sagte sie und schmiegte sich an ihn, „eigentlich müßtest
du nach der letzten Nacht etwas erschöpfter sein."

Nicht nur das, dachte Zane, sie hat mich völlig erledigt. Jetzt

durfte er die aufkommenden Schuldgefühle nicht an sich
heranzulassen. Er zuckte die Schultern. „Reine Gewohnheit.
Normalerweise schlafe ich mit offenen Augen."

Was meinte er mit dieser merkwürdigen Antwort? Vielleicht wollte er

sagen, daß er gewöhnlich einen leichten Schlaf hatte. Whitney
beugte sich zu ihm und küßte ihn. Sie seufzte, als sie sich von ihm
löste. „Sie waren zu. Deine Augen", fügte sie hinzu, als er sie
verwirrt ansah.

Zane lachte. „Das kommt daher, daß du mich ausgepowert hast."
Whitney war glücklich, daß es ihm ähnlich gegangen war.

„Wirklich? Du schienst unermüdlich zu sein."

Das hatte er bis gestern nacht auch von sich gedacht, aber

Whitney war die erste Frau, die so unersättlich gewesen war. „Das
scheint nur so. Habe ich alles meinem unwiderstehlichen Charme
zu verdanken", meinte er.

„Jetzt weiß ich, warum ich dich geheiratet habe", entgegnete

Whitney. Ihr Gesicht war dem seinen ganz nah. Er mußte nur den
Kopf ein wenig heben, um sie zu küssen. Die Versuchung wurde
immer größer. „Warum?“

„Weil du ein phantastischer Liebhaber bist."
Zane zog sie in die Arme und zögerte kurz, ehe er meinte:

„Woher weißt du das? Du hast keinen Vergleich. Schließlich kannst
du dich an nichts erinnern." Er beobachtete sie wachsam, aber nichts in
ihren Augen deutete darauf hin, daß sich irgend etwas geändert
hatte. „Oder doch?"

„Nein." Whitneys Augen blitzten schalkhaft. „Aber es gibt Dinge,

die nichts mit Erfahrung zu tun haben. Die weiß man einfach erklärte
sie. Wieder schmiegte sie sich an ihn. „Und du bist einfach
wunderbar."

Zane lächelte und sagte nichts. Offensichtlich muß ich noch ein

wenig nachhelfen, bis er begreift, was ich will, dachte sie. Das
machte nichts, denn e s würde sich lohnen. „Falls du noch zu
schläfrig sein solltest, um zu verstehen, was ich meine: Das ist eine

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Einladung, mir zu zeigen, daß du auch am Morgen phantastisch
sein kannst."

Er wünschte, er könnte wirklich so unbeschwert sein. „Ich

würde nichts lieber tun."

Sein Ton ließ Whitney wachsam werden. „Ich höre schon wieder

ein ,aber`."

Mit oder ohne Gedächtnis, Whitney hatte eine gute

Beobachtungsgabe. Er strich ihr über den Po. „Wir sollten besser
aufstehen. Quinton hat uns zum Essen eingeladen. Wir dürfen uns
nicht verspäten." Widerwillig entzog Zane sich ihr und setzte sich
auf, konnte sich aber, noch nicht vom Bett trennen. Whitney
wickelte sich in ein Laken und setzte sich zu ihm. „Doch: Es ist
schick, zu spät zu kommen."

Zerstreut sah Zane sich nach seiner Hose um. „Ich glaube kaum, daß

Quinton diese Meinung teilt."

Whitney wollte sich von dem Gedanken an Quinton nicht die

Laune verderben lassen. „Es ist mir völlig egal, was er denkt." Sie
legte eine Hand auf Zanes Arm, um ihn umzustimmen. „Zane, ich
habe gestern abend mein Bestes gegeben." Jetzt war es an der
Zeit, daß sie an sich selbst dachte, an sie beide. „Ich war nett zu
ihm, habe über seine Geschichten gelacht und sogar mit ihm getanzt.
Ich glaube, ich habe mehr getan, als ich hätte tun müssen."

Zane wußte, wohin dieses Gespräch führen würde. Er mußte

Whitney unbedingt davon überzeugen mitzukommen, sonst wäre
Quinton imstande, das Geschäft platzen zu lassen. Hinter der
Fassade eines weltgewandten Geschäftsmannes verbarg sich ein
äußerst abergläubischer Mensch.

„Das stimmt", räumte Zane ein, „und du hast es sehr gut

gemacht."

Er war es nicht gewohnt, ihr zu schmeicheln. Zane nahm sie in

die Arme und strich leicht mit den Lippen über ihren Mund. „Aber
ich möchte, daß du noch ein wenig länger nett zu ihm bist. Ich
werde bald mit ihm einig sein." Zane verstand, daß Whitney nach der
Nacht in der Disco mißtrauisch war. „Bleib an meiner Seite. Ich
werde nicht zulassen, daß er dich noch einmal anfaßt", versprach er
ihr.

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Whitney war hin und her gerissen, aber sie glaubte ihm. Obwohl

sie fühlte, daß sie sehr gut auf sich selbst aufpassen konnte, war es
doch angenehm, zu wissen, daß er sie beschützen wollte. „Ich
komme schon selber zurecht. Das ist es nicht, nur..."

„Was denn?" drängte Zane sanft. Vielleicht war es ein Fehler,

wenn er sie ermutigte, sich auszusprechen. Vermutlich wäre es besser,
wenn er sie auch noch die nächsten zwei Tage im unklaren ließe.
Solange würde er mindestens noch brauchen.

Whitney zuckte die Schultern. Womöglich war sie zu egoistisch. „Ich

dachte, nach der letzten Nacht würde alles anders werden."

Es ist alles anders, dachte er. Warum vertraute sie ihm nicht?

Vieles hatte sich so sehr 6erändert, daß sie sich noch wundem würde.
„Nichts ist anders", sagte er betont locker, „du bist immer so toll im
Bett."

Das freute Whitney zwar, aber sie wollte jetzt keine Komplimente

hören. Verzweifelt versuchte sie, die Bruchstücke ihres früheren
Lebens zu einem Ganzen zusammenzusetzen. „Ja?" fragte sie
ungläubig.

„Wirklich", bekräftigte Zane, „du warst so heiß, daß es mich wundert,

daß keine Brandspuren auf den Laken zu sehen sind."

„Wir könnten es ja noch einmal versuchen", meinte Whitney

verführerisch und setzte sich auf die Fersen. Das Laken glitt von
ihren Brüsten auf ihre Hüften. Zane hätte es nur noch
wegzuziehen brauchen. Whitney reizte ihn mit jedem Atemzug
mehr.

Zane konnte den Blick nicht von ihren Brüsten wenden. Die

Verabredung mit Quinton rückte in immer weitere Ferne. „Was hast
du vor, Whit?" fragte er und nahm sie in die Arme, unfähig zur
Gegenwehr.

„Ist das nicht offensichtlich?" entgegnete sie. Sie neigte sich zu

ihm und zeichnete mit der Zungenspitze die Konturen seiner Lippen
nach.

Zane spannte sich an. „Du denkst wohl an nichts anderes, wie?"
Whitney lächelte und küßte ihn auf den Hals. Sie spürte, wie

er schluckte und schneller atmete. „Besser, als überhaupt nicht zu
denken", meinte sie.

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Da war er sich nicht so sicher. Whitney würde Wutausbrüche

bekommen, wenn sie ihr Gedächtnis wiedererlangen würde. Er
konnte nur hoffen, daß das nicht so bald passieren würde. Nein,
verbesserte er sich, gleichgültig, ob sie sich jemals wieder erinnern
würde, irgendwann werde ich ihr sowieso die Wahrheit sagen.

Alles andere wäre unfair. Und damit alles glattging, bis sie den

Auftrag hinter sich hatten, mußte er einen klaren Kopf behalten
und durfte sich nicht von Whitney durcheinanderbringen lassen.

„Whitney, wir müssen jetzt wirklich los", protestierte er und

ärgerte sich, daß es ihm nicht gelang, sich von ihr loszureißen.
„Einen für unterwegs", scherzte sie. Sie lag auf dem Rücken und zog
Zane zu sich herab. Er wehrte sich nicht. „Wir haben es nicht
weit", meinte er.

„Na dann eben nur einen ganz kleinen."
Zane lachte, unfähig, ihr noch länger zu widerstehen. Er wollte

es auch gar nicht. „Du bist unverbesserlich, Whitney Bradshaw."

Russell", verbesserte sie ihn. „Whitney Bradshaw Russell. Du

vergißt, daß wir verheiratet sind."

Das war ein Ausrutscher gewesen, aber sie brachte ihn dazu,

einfach alles zu vergessen. „Keinen Moment lang", log er.

„Und ich bin nicht unverbesserlich, sondern unersättlich",

bemerkte Whitney und lächelte kokett.

„Ja, das auch." Was redete er da? Er würde niemand treffen,

wenn das so weiterging. Zane sah zur Uhr auf dem Nachttisch. „Na
ja, vielleicht haben wir doch noch ein paar Minuten übrig."

Whitney umfaßte sein Gesicht und sah Zane in die Augen. „Dann

haben wir ja noch ewig Zeit", flüsterte sie verführerisch.

Wie ein Besessener eroberte er voller Verlangen ihren Mund und

küßte sie immer wieder. „Whit?"

Wie war es möglich, daß sie sich leichter als Luft und gleichzeitig

so schwach fühlen konnte? „ Mhmm?"

Es war wichtig, jedenfalls für Zane. „Ich will, daß du nicht vergißt,

daß du damit angefangen hast", flüsterte er ihr. ins Ohr. „Später. Du
darfst es nicht vergessen."

Er klang so ernst, daß Whitney ihn fragen wollte, ob alles in Ordnung

sei, aber sie ließ es sein, denn sie wußte bereits, daß er es ihr nicht

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sagen würde. Sie konnte ihm nur ihr Wort geben. „Ich werde mich
immer daran erinnern", versprach sie ihm.

Sie sah ihn an. „Weshalb sollte ich vergessen, daß wir

miteinander geschlafen haben. Ich nehme an, daß man sein
Gedächtnis nur einmal verliert." Whitney lachte heiser.

„Wahrscheinlich hast du recht", sagte Zane. Zum Reden hatten

sie keine Zeit mehr, jetzt wollten sie nur noch einander fühlen,
berühren und erobern. Diesmal war es ganz anders als in der
vergangenen Nacht, wild und unkontrolliert. Es war, als wüßten sie
beide, daß sie nicht viel Zeit hatten.

Hitzig bewegte sich Whitney unter Zanes Händen. Er küßte sie

überall, sog ihren Duft ein und versuchte, sich alles einzuprägen,
damit er nach dem Tag, an dem sie ihr Gedächtnis wiederfinden
oder er ihr alles sagen würde, wenigstens eine wundervolle
Erinnerung hatte.

Sie war eine reine Freude für seine Sinne. Zane konnte nicht

genug von ihr bekommen. Je mehr sie ihm gab, desto mehr wollte er.
Es wäre besser gewesen, wenn er nie erfahren hätte, wie es mit ihr
im Bett war, aber für solche Gedanken war es jetzt zu spät.

Mit aufreizenden Berührungen und dem sinnlichen Spiel seiner

Zunge versetzte er sie in immer stärkere Erregung. Als er sich nicht
länger beherrschen konnte, drang er in sie ein und liebte sie noch
einmal. Letzte Nacht war er ein sanfter Liebhaber gewesen. Jetzt bei
Tageslicht war er fast roh, aber noch in seiner Wildheit zärtlich.

Whitney weinte vor Glück, als sie später erschöpft neben ihm

lag. Mühsam drehte sie den Kopf zu ihm. „Wahnsinn, was war denn
das gerade?"

Das fragte er sich selbst. Zane erkannte sich kaum wieder. „Weniger

Zeit macht die Sache intensiver."

So konnte man es auch ausdrücken. Sie seufzte. „Weißt du,

vorhin sagte ich, daß ich nicht zu Quinton wollte. Jetzt bin ich mir nicht
sicher, ob ich es überhaupt könnte." Whitney wollte sich auf die
Ellbogen stützen und knickte wieder ein. Sie preßte die Lippen
zusammen und sah zu ihren Füßen hinunter. „Ich glaube, ich bin
nicht mehr imstande zu laufen."

Zane lachte und glitt wieder auf sie. Ihre Augen funkelten erneut

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vor Verlangen. Offensichtlich war sie doch nicht so müde. „Dann
muß ich dich eben tragen." Er küßte sie kurz auf den Nabel, bevor
er sich aufsetzte. „Quinton will unbedingt, daß wir zu zweit
kommen."

Als er Whitneys zweifelnden Blick sah, fügte Zane schnell

hinzu: „Mach dir keine Sorgen, es wird sich auf lange Sicht
auszahlen. Ich werde dich heute abend dafür entschädigen." Das
würde er wahrscheinlich noch sein Leben lang tun müssen.

Dieses Angebot war eine Überlegung wert. Whitney

schwankte. „Kann ich nicht hierbleiben?"

Wäre sie erkältet gewesen, hätte er ihr eine Brühe gemacht, ihr eine

Pistole unters Kopfkissen geschoben und den Rest dem
Zimmerservice überlassen. Aber sie litt nicht an einer Erkältung,
sondern an Gedächtnisverlust und war gefährdeter, als ihr klar war.
„Ich will dich nicht allein lassen. Du kannst dich immer noch nicht
an mehr als an ein paar Filme erinnern."

Whitney fand ihn richtig süß. Zane versuchte, sich

herauszureden, aber sie wußte Bescheid. Sanft strich sie ihm über die
Wange. „Oh, ich glaube, ich kann mich auch noch an einiges
andere erinnern."

Zane erschrak. „Tatsächlich?" fragte er vorsichtig.
Sie nickte. „Zum Beispiel an letzte Nacht." Whitney seufzte. Es

war unvermeidlich, mitzukommen, und sie wollte es ihm nicht
abschlagen, wenn es ihm soviel bedeutete. Jetzt setzte sie sich auf.
„Gut, wenn es sein muß, begleite ich dich eben. Aber laß mir nur
wenigstens einige Minuten zum Duschen und Anziehen."

Stolz wie eine Königin, ging sie nackt ins Badezimmer, ohne sich um

ihr Nachthemd auf dem Boden zu kümmern. Zane mußte sich
zusammennehmen. Ihre Schönheit warf ihn immer wieder um. Er
griff zum Telefon und tippte eine Nummer. Vom Bad hörte er das
Rauschen der Dusche. Er schätzte, daß er ungefähr zehn Minuten
Zeit hatte.

Ein Anrufbeantworter in einem spärlich eingerichteten Büro mit

Blick auf Newport Beach meldete sich. Es war eine Deckadresse.
Zane wußte das genausogut wie Quinton. Falls er Zanes Anrufe
vom Hotelzimmer aus überprüfen sollte, würde es so aussehen, als ob

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Zane in seinem Büro eine Fernabfrage gemacht hätte. Quinton
würde nicht auf die Idee kommen, daß Zane selbst eine Nachricht
hinterlassen hätte. Sheridan würde den Anrufbeantworter
unmittelbar nach seinem Anruf abhören.

Nach dem fünften Läuten schaltete sich der Apparat ein. „Hallo,

ich bin’s. Whitney kann sich noch immer an nichts erinnern.
Soweit läuft alles gut." Das war Ansichtssache, aber er wollte nicht ins
Detail gehen.

„Quinton wird heute hoffentlich anbeißen, wenn wir Glück

haben. Seine Freundin ist nicht so dumm, wie wir dachten. Sie hat
Whitney gestern Löcher in den Bauch gefragt, aber zum Glück
konnte sie ihr bloß mitteilen, was ich ihr erzählt habe. Möglicherweise
ruiniert ihr Zustand doch noch die ganze Operation, aber ich lasse
sie nicht aus den Augen. Später rufe ich noch einmal an."

Zane wollte den Hörer auf die Gabel legen, aber er fiel ihm fast

aus der Hand, als er Whitney plötzlich an der Tür stehen sah. Die
Wassertropfen rannen über ihren schlanken Körper.

Mißtrauisch blickte sie ihn an. Eigentlich hatte sie vorgehabt, Zane zu

sich unter die Dusche zu holen, aber diese Absicht war verflogen,
als sie seine letzten Worte gehört hatte. Er hatte mit jemandem
über sie gesprochen, und nach seinem überraschten
Gesichtsausdruck zu schließen, wollte er nicht, daß sie etwas davon
mitbekam. Plötzlich fror sie.

Herausfordernd fragte sie: „Wer war das?"
Zane dachte rasch nach, während er den Hörer auflegte. „Was?"
Whitney griff nach einem Handtuch und wickelte es sich um. Sie

fühlte sich verletzt. „Mach mir nichts vor, Zane. Wer war am
Telefon? Und wieso ist mein Zustand ein Problem? Und was ist
das für eine ,Operation’?"

Angriff ist die beste Verteidigung, dachte Zane. Eine andere

Möglichkeit hatte er nicht. Er antwortete ihr nicht, sondern fragte
sie statt dessen: „Was tust du hier draußen?"

„Ich wollte dich unter die Dusche holen. Lenk nicht ab“, drohte sie.
„Es ist nichts", versicherte er ihr. „Ich habe mit deinem Arzt

gesprochen. Mir war eingefallen, daß er nach unserer Rückkehr einen
kleinen Eingriff bei dir vornehmen wollte, aber ich halte das bei

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deinem derzeitigen Gedächtnisverlust nicht für ratsam. Das habe ich
ihm eben auf den Anrufbeantworter gesprochen."

Das überzeugte Whitney nicht ganz. „Ärzte haben normalerweise

Sprechstundenhilfen, keine Anrufbeantworter."

„Dieser schon", versicherte Zane. „Ich habe ihn zu Hause angerufen.

Er ist ein alter Freund. Ein plastischer Chirurg."

„Und was für eine Operation sollte das sein?"
„Ich weiß es nicht. Du wolltest es mir nicht sagen. Auch dann

nicht, als ich meinte, daß du gar nichts an dir verändern solltest."

Whitney überlegte, ob sich wirklich alles so einfach erklären ließ, wie

er sagte. Irgend etwas stimmte nicht. Zweifelnd sah sie ihn an.
„Zane, ich würde dir gern glauben.“

Zane ging zu ihr und löste ihr Handtuch. Als Whitney es

festhalten wollte, hinderte er sie daran. Es fiel zu Boden. „Tu’s
doch einfach."

Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug. „Aber ich habe das Gefühl,

daß du mir etwas verschweigst."

Zane versuchte, den besorgten Ehemann zu spielen, aber es

gelang ihm nicht recht. „Whit, du hattest einen Schock. Mit einem
Gedächtnisverlust darf man nicht spaßen. Ein Teil deines Gehirns ist
völlig ausgeschaltet. Ich will dich nicht mit zu vielen Informationen auf
einmal belasten. Vielleicht würde alles nur noch schlimmer, wenn
ich dir soviel erzähle."

„Noch schlimmer?" wiederholte sie. Was meinte er damit?

Bisher hatte er ihr nicht besonders viel erzählt, eigentlich fast gar
nichts.

Ungeduldig zuckte Zane die Schultern. „Ja, noch schlimmer.

Zum Teufel, ich verstehe doch auch nichts davon. Ich habe keine
Ahnung, was ein weiterer Schock bei dir auslösen könnte."

Er verwirrte Whitney immer mehr. Sie fragte sich, ob er es

absichtlich tat „Was denn für ein Schock?"

Zane bemerkte, daß das Wasser im Bad immer noch lief. Er

nahm Whitney an der Hand und ging mit ihr zum Badezimmer.
„Bist du aus der Dusche gestiegen, um mir Löcher in den Bauch
zu fragen, oder wolltest du mich holen? Wir verschwenden nur
Wasser, wenn wir noch länger hier draußen stehen und reden."

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Whitney wußte, daß sie auf einer Erklärung bestehen sollte, aber

so lange sie nackt war, würde sie wahrscheinlich keine
bekommen. Sie lächelte, als er sie ins Badezimmer zog.

„Sieht groß genug aus für uns beide", stellte Zane nach einem

Blick in die Duschkabine fest. „Natürlich, schließlich ist das hier die
Suite für frischverheiratete Paare", meinte Whitney.

Zane zog die Schiebetüren hinter ihnen zu. Unter dem

Wasserstrahl wurde Whitney wieder heiß. Sie vergaß alles andere
um sich her. Trotzdem mußte sie ihn unbedingt noch etwas fragen.
„Zane, verheimlichst du mir wirklich nichts?"

Ein verführerisches Lächeln glitt über seine Lippen. „In diesen

beengten Räumlichkeiten ist das schwer möglich. Von außen sieht es
vielleicht so aus, aber hier drin ist dafür nicht viel Platz." Er
umarmte sie. „Meinst du nicht?"

Zane tat es nur, damit sie keine Fragen mehr stellte, und es

funktionierte.

„Ich glaube, ich bekomme auf meine Frage keine Antwort mehr."
„Richtig. Dafür zeige ich dir etwas." Und bevor Whitney etwas

erwidern konnte, küßte er sie.

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10. KAPITEL


„Das sieht ja unglaublich aus", meinte Whitney beeindruckt, als sie

mit Zane vor dem zweistöckigen Anbau neben dem Hotel Zanadu
stand. Die Architektur ähnelte der des Hauptgebäudes. Ein
Arkadengang verband beide Häuser, betonte aber eher noch den
eigenständigen Charakter des Anbaus. Whitney fand, daß er gut
zu Quinton paßte: deutlich abgehoben von der Masse.

Vor Quintons Suite standen zwei hochgewachsene,

breitschultrige Bodyguards. Sie wirkten etwas minderbemittelt, aber
Whitney zweifelte, daß es jemals ein Mensch gewagt hatte, ihnen das
ins Gesicht zu sagen. Sie dachte an ihr Zimmer. Bis jetzt war es ihr
sehr luxuriös vorgekommen; Quintons Räumlichkeiten dagegen
machten schon von außen den Eindruck, als seien sie nicht von
dieser Welt.

„Bist du sicher, daß das hier zum gleichen Hotel gehört?" flüsterte sie

Zane zu, der den beiden Männern seinen Namen nannte und
wartete, bis sie ihn auf einer Liste überprüft hatten.

„Du wirst gleich sehen, warum Quinton immer wieder hier

logiert", sagte Zane zu ihr.

„Immer wieder?" fragte Whitney erstaunt.
Einer der Bodyguards klopfte zweimal an die Tür. Ein Butler öffnete.

Seine Uniform war bis zu den weißen Handschuhen makellos. Whitney
mußte sich anstrengen, um ihn nicht zu sehr anzustarren. „Wenn
ich hier wohnte, hätten sie Mühe, mich wieder
hinauszubekommen."

Leise wurde die Tür hinter ihnen geschlossen. Das Wohnzimmer war

mit antiken Möbeln eingerichtet, die das Hotel ein Vermögen gekostet
haben mußten. In der Mitte des Raumes sprudelte unter der
hohen Decke ein Brunnen, auf dem eine Statue der Aphrodite
unaufhörlich Wasser in eine große Muschel goß. Im Hintergrund
sah Whitney eine vergoldete Wendeltreppe. Wahrscheinlich führte
sie zu den Schlafzimmern hinauf.

Whitney verschlug es den Atem. Zanes Miene verriet nicht, was

er über diese Pracht dachte.

„Das ist ja so groß wie ein Fußballfeld", meinte Whitney.

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Zane stimmte ihr zu. „Quinton sagte, es sei zweitausend

Quadratmeter groß."

„Zweitausend Quadratmeter?" Offensichtlich war man bei der

Ausstattung der Räume nicht sonderlich sparsam gewesen. Was wollte
ein einzelner Mann mit einer Suite, in der sich ein ganzer Kongreß
hätte versammeln können?

Ein Geräusch hinter ihnen ließ Whitney herumfahren. Wie aus

dem Nichts kam Quinton, gefolgt von Sally, langsam auf sie zu. Wie
immer lächelte er gewinnend, faßte Whitneys Hand und tätschelte
sie, als wären sie alte Freunde.

„Sie haben also den Weg zu meinem bescheidenen Quartier

gefunden", stellte er fest und nickte Zane zu, ohne den Blick von
Whitney zu lassen.

Schützend legte Zane den Arm um Whitney. „Sie haben es

nicht schlecht hier , sagte er, denn er wußte, was Quinton hören
wollte.

„Bescheiden?" Whitney lachte über Quintons ironische

Bemerkung. „Im Vergleich wozu? Dem Tadsch Mahal?"

Ihre Bemerkung freute ihn. Quintons Lächeln vertiefte sich. Er

ließ Whitneys Hand los und führte sie beide ins Wohnzimmer, das
genau nach seinen Angaben eingerichtet worden war. Diese Suite
war allein für ihn reserviert. Auch während seiner Abwesenheit
durfte niemand anders dort wohnen.

„Das Hotel sieht es gerne, wenn ich hier bin." Quinton warf

einen Blick auf den Butler, der sich immer in Hörweite befand, solange
Quinton oder Gäste in den Räumen waren. „Richtig, Jeffers?"

Der weißhaarige Mann verbeugte sich steif. „Ja, Sir. Zanadu freut

sich immer, wenn Gäste wie Sie bei uns wohnen."

Quinton ließ sich nicht leicht täuschen, aber er genoß es

trotzdem, umworben und umschmeichelt zu werden, obwohl er sich
alles und jeden hätte kaufen können. „Und es ist alles umsonst",
vertraute er den beiden stolz an.

Whitney fand das Leuchten in Quintons Augen kalt und

erbarmungslos. Wahrscheinlich kann Quinton niemand über sich
ertragen, vermutete sie.

„Wenigstens", räumte Quinton ein, „solange ich an den Spieltischen

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sitze und mehr dalasse, als ich mitnehme." Er dachte an die drei
vergangenen Abende und das Glück, das ihm die beiden gebracht
hatten. „Obwohl ich das Gefühl habe, daß diesmal eine saftige
Rechnung auf mich wartet, wenn ich abreise." Er lachte wieder. „Das
verdanke ich Ihnen."

Es war absurd, wie abergläubisch er war. „Ich glaube nicht“, wollte

Whitney einwenden, aber der Protest erstarb auf ihren Lippen, als
Quinton ihre Hand nahm und drückte.

„Seien Sie nicht so bescheiden. Sie sind meine Glücksbringer.

Alle beide." Quinton ließ ihre Hand wieder los. Einen Moment lang
verfinsterte sich sein Gesicht. „Glück ist etwas sehr Reales,
Greifbares. Entweder man hat es am Schlafittchen oder nicht. Ich
bin überzeugt, daß Ihre Anwesenheit eine Glücksfee an meine Seite
gerufen hat."

Quinton wußte, was Whitney sagen wollte. Sie war wütend, das reizte

ihn. Andere Frauen hätten alles getan, um etwas von ihm zu
bekommen. Daß Whitney nichts von ihm zu wollen schien, war
eine um so größere Herausforderung. „Es wird nicht mehr lange
dauern, Mrs. Russell, glauben Sie mir. Ich reise morgen ab, dann
können Sie wieder Ihre Flitterwochen genießen." Er lächelte kühl.
„Reicher als bei Ihrer Ankunft." Dabei sah er Zane scharf an.

Whitney zog die logische Schlußfolgerung aus seiner

Bemerkung. „Dann haben Sie sich entschlossen, Zane die Verwaltung
Ihres Grundstücks zu übertragen?" Obwohl das bedeutete, daß
Zane sein Ziel erreicht hatte, verunsicherte sie Quintons kühles
Lächeln.

„So könnte man es sagen. Er kann die Verwaltung

übernehmen." Quinton bot Zane seine Hand, um die Abmachung zu
besiegeln. Quinton hatte seine eigenen Vorstellungen, nach denen
ein Mann nur soviel wert war wie sein Wort. Schriftliche Verträge
hielt er für unnötig. „Zu Glücksbringern muß man nett sein." Er sah
zu Sally. „Nicht wahr, meine Liebe?"

Sally spielte mit ihrem Ohrring. „Ganz wie du meinst, Richard."
„Richtig", stimmte er zu, „ganz wie ich meine."
Das Geschäftliche war vorerst für ihn erledigt. Quinton rieb sich

die Hände und blickte Zane und Whitney an. „Nun, was darf ich

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Ihnen anbieten?" Er wies auf die Bar, eine japanische
Schnitzarbeit aus dem achtzehnten Jahrhundert. „Ich verspreche
Ihnen, daß das Hotel alles auf Lager hat, was Sie möchten. Und
falls doch nicht, wird sich Jeffers freuen, es für Sie auftreiben zu
dürfen. Sie müssen ihm nur sagen, was, nicht wahr, Jeffers?" Es
war offensichtlich, daß Quinton Eindruck schinden wollte.

„Ja, Sir", antwortete der Butler.
„Ich hätte gern einen Black Russian", sagte Zane. Er brauchte

einen klaren Kopf, aber er wußte, daß Quinton mißtrauisch werden
würde, wenn er von seinen üblichen Gewohnheiten abwich. Jeffers
begann an der Bar, aus Kahlua und Wodka einen Drink zu mixen.

„Wasser", verlangte Whitney aus lauter Abneigung gegen die Pracht

um sie her. „Ich hätte gern ein Glas Wasser."

Quinton lachte laut. „Dann sollen Sie Wasser bekommen, Mrs.

Russell. Sie werden uns wohl entschuldigen, wenn wir beim
Alkohol bleiben", rechtfertigte er sich und Zane scherzend.

Quinton legte die Hand auf Whitneys Schulter und schob sie in

die Küche, wo zwei Chefköche das Mittagessen zubereiteten. Beide
sahen auf, als er hereinkam, und murmelten eine höfliche
Begrüßung, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandten. Vor dem
Kühlschrank nickte er dem nächststehenden Koch zu. „Öffnen Sie
bitte die Tür.“

Rasch legte der Koch das Messer beiseite und beeilte sich,

Quintons Wunsch nachzukommen. Er läßt wirklich alle nach seiner
Pfeife tanzen, dachte Whitney verärgert und wollte die
Kühlschranktür selbst öffnen.

Quinton jedoch hielt sie zurück. „Nein", sagte er höflich, aber es

klang trotzdem wie ein Befehl. „Er wird dafür bezahlt. Lassen Sie
ihn das tun."

Whitney mußte sich beherrschen, um nicht eine Bemerkung

über Quintons widerwärtige Aufgeblasenheit zu machen. Sie trat
zur Seite, damit der Koch den Kühlschrank öffnen konnte. In
einem Fach lagen nebeneinander mehrere verschiedene Flaschen
Mineralwasser. Quinton deutete darauf und sagte: „Wählen Sie
bitte."

Whitney ging zum Wasserhahn und drehte ihn auf. „Ich mag

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es schlicht", teilte sie ihm mit. „Ich hätte gern nur ein Glas
Leitungswasser."

Es war eine Kleinigkeit, aber Quinton sah es als Herausforderung an.

Er griff an ihr vorbei und drehte den Hahn wieder zu. „Es gibt
einen Unterschied zwischen ‚schlicht’ und ,gewöhnlich’. Mit
dem Gewöhnlichen gebe ich mich normalerweise nicht ab." Über
die Schulter blickte er zu dem ängstlich wartenden Koch.

Whitney hatte den Eindruck, daß auch er Quintons

unangenehme Seiten sehr gut kannte. Ganz offensichtlich
befürchtete er einen Wutausbruch. Whitney wollte ihn nicht weiter
beunruhigen und ließ Quinton eine Flasche für sie wählen. „Die
Lady möchte dieses hier probieren."

Eilig zog der Koch eine blaßgrüne Flasche aus dem Fach und

öffnete sie. Er goß das Wasser in ein Glas und reichte es Whitney,
als wäre es der beste Champagner. Sie trank einen Schluck und fand,
daß Leitungswasser doch besser schmeckte. „Gut?" Whitney wußte, daß
Quinton keinen Widerspruch dulden würde, und auch sie war es müde,
sich zu streiten. „Ja."

„Sehen Sie?" Als er sie am Ellbogen wieder ins Wohnzimmer

zurückführte, nahmen die beiden Köche ihre Arbeit wieder auf.
„Möchten Sie zurück zu den anderen, oder darf ich Ihnen meine
Suite zeigen?"

Whitney zweifelte nicht daran, wo der Rundgang enden würde.

Sie hatte keine Lust, sich gegen Quintons Annäherungsversuche
wehren zu müssen, sondern wollte zurück ins Wohnzimmer. „Warum
nicht beides? In dieser Reihenfolge?"

Quinton lächelte. Diesmal hatte sie ihn matt gesetzt. „Wie Sie

wünschen."


Sally machte sich an Zane heran. Langsam und geschickt, aber

ein Mann wußte, wann eine Frau es auf ihn abgesehen hatte, und
Sally hielt ihre Absichten nicht verborgen. Unter dem Vorwand,
ihm verschiedene Kunstgegenstände zu zeigen, die auf Regalen an
den Wänden ausgestellt waren, griff sie zweimal nach einer Figur und
streifte Zane dabei wie zufällig.

Da kann sie lange warten, dachte Zane. Es fiel ihm nicht im

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Traum ein, darauf einzusteigen, außerdem zweifelte er nicht daran,
daß Quinton ihn vernichten würde, sobald er sich mit Sally einließe. Als
er Whitney und Quinton zurückkommen sah, atmete er erleichtert
auf, ging zu Whitney und legte ihr den Arm um die Schultern. „Ich
dachte schon, du hättest dich verlaufen."

Quinton umriß sein Reich mit der Geste eines Mannes, der an

nichts anderes als Luxus gewöhnt war. „So groß ist es gar nicht.
Es ist alles relativ. Diese Suite hätte in einer Ecke meines Hauses in Bel
Air Platz."

Whitney glaubte ihm sofort. „Sie geben Ihren Gästen sicher

immer einen Kompaß mit."

Quinton lachte. „Wissen Sie, Russell, Ihre Frau ist viel amüsanter, als

ich dachte." Seine Augen blickten freundlich, aber berechnend, als
er Whitney ansah. „Ich hatte einen ganz anderen Eindruck, als
ich Sie kennenlernte."

Das lag wahrscheinlich an ihrem Gedächtnisverlust. Whitney

fragte sich, was sie wohl zu ihm gesagt hatte, daß er diesen
Eindruck bekommen hatte. „Ich brauche immer ein Weilchen, bis ich
mich wohl fühle", meinte sie verbindlich.

Gut gekontert, dachte Zane. Quinton nippte an seinem

trockenen Martini und beobachtete sie über den Rand des Glases.
„Und? Fühlen Sie sich jetzt wohl?"

Whitney lächelte ihn an. Am liebsten hätte sie ihm ihr Wasser ins

Gesicht geschüttet. „Wie sollte es anders sein, wenn unsere
Gastgeber so reizend sind?" Whitney tauschte einen Blick mit Sally.
Irgendwie hatte sie das Gefühl, daß Sally sie verstand. Beide wußten
sie, wie gern Quinton Schmeicheleien hörte.

Jeffers erschien wieder, verbeugte sich und verkündete: „Sir, es

ist serviert." Quinton bot Whitney den Arm. „Darf ich?" Zane wandte
sich zu Sally, die das Angebot gern wahrnahm.


Das Essen war phantastisch. Die Küchenchefs, die Quinton vom

Hotel zu Verfügung gestellt worden waren, tischten Gerichte auf,
die man schwerlich in einem Restaurant gefunden. hätte, ohne
dafür horrende Summen bezahlen zu müssen. Und Quinton
bekommt alles umsonst, dachte Whitney, weil ihm das

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Management zu Dank verpflichtet ist.

In allen Räumen waren kleine Gegenstände aus exklusiven

Läden ausgestellt. Quinton besaß mehrere Limousinen und
verfügte, außerdem über einen Privatjet. Es erschien Whitney
ungerecht, denn Quinton hatte sicher so viel Geld, daß er alles
bezahlen konnte, ohne daß sich sein Reichtum merklich verringert
hätte.

„Hier wissen sie eben, was sie zu tun haben", sagte er zu

Whitney, als sie die Langusten lobte, die auf Quintons Wunsch am
Morgen von der Ostküste eingeflogen worden waren. „Ich bin so
eine Art Edelzocker." Er sah den Butler an, der sie mit
ausdrucksloser Miene bediente. „Stimmt’s, Jeffers?"

Der Butler antwortete, ohne zu zögern, während er Zane, von

der Platte mit den Langusten reichte: „Das ist wohl nicht ganz der
richtige Ausdruck, Mr. Quinton. Das Hotel würde Sie eher als einen
Ehrengast betrachten."

Quinton wußte genau, wie er sich diese Ehre verdient hatte. „Ja,

denn wer läßt so schnell mal eine Million am Spieltisch?"

Whitney wußte zwar, daß Quinton um hohe Beträge spielte, aber daß

es soviel Geld war, erstaunte sie. Das waren Summen, die die meisten
Leute in ihrem ganzen Leben nicht einmal zu sehen bekamen. „Wie ist
denn das passiert?

Quinton wischte ihre Frage wie eine lästige Fliege beiseite,

aber Whitney wußte, daß er kein guter Verlierer war. „Die
Glücksfee hat mich eben im Stich gelassen." Er hielt sein Glas
hoch, und Jeffers schenkte sofort Wein nach. Quinton erhob sein
Glas und prostete erst Whitney, dann Zane zu. „Mir war sofort
klar, daß Sie etwas Besonderes sind, als Sie mir das Leben
retteten."

Das hat er ziemlich gut verborgen, dachte Zane. „Als ich Sie zur Seite

stieß, hatten Sie aber ganz andere Worte für mich übrig", erinnerte
er Quinton.

„Ach das. Ich bin es nicht gewohnt, daß man so mit mir umgeht." Er

sah zu Sally, dann zu Whitney. „Außer wenn ich es ausdrücklich
wünsche."

Dieser Mann ist zweifellos sehr direkt, dachte Whitney,

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wahrscheinlich bekommt er immer alles, was er will. Sie fragte
sich, was er wohl tat, wenn ihm jemand etwas abschlug.

„Ich hatte keine Zeit, Ihnen etwas zuzurufen", sagte Zane. „Wenn ich

Sie nicht aus dem Weg gestoßen hätte, wären Sie überrollt worden. Ich
dachte, Ihr Bodyguard würde mich erschießen." Jetzt konnte Zane
darüber lachen, aber damals war ihm fast das Herz
stehengeblieben. Der Wachmann hatte eine Pistole aus dem
Schulterhalfter gezogen und auf Zane gezielt, als der Wagen den
Hügel hinunterraste.

Quinton nickte. „Wenn das Auto nicht gewesen wäre, hätte er es

getan. Er arbeitet nicht mehr für mich fügte er nüchtern hinzu. „Es
hat nicht viel Sinn, Leute zu beschäftigen, die ihren Job nicht
verstehen. Ich überlege, ob ich ihn nicht einem der beiden
Türsteher gebe, wenn ich abreise."

Quinton schob seinen Stuhl zurück und fragte seine Gäste: „Kann ich

Ihnen noch irgend etwas anbieten?"

Whitney mochte Quinton zwar nicht, aber das Essen war

wirklich sehr gut gewesen. „Nur, wenn Sie wollen, daß ich
platze", erwiderte sie.

Er hatte beobachtet, daß sie von allem etwas gegessen hatte.

„Ich mag Frauen mit einem gesunden Appetit. Er spricht für Sie."
Er wies mit dem Kopf zu Sally. „Sie ißt wie ein Vogel, das gefällt
mir nicht besonders."

„Dicke Frauen gefallen Dir auch nicht besonders", erinnerte

Sally ihn. Sie hatte an dem Leben, das ihr Quinton bot,
Geschmack gefunden und sich geschworen, sich seine Gunst zu
erhalten, koste es, was es wolle. Sie wußte genau, was sie zu tun
hatte, um Quinton bei Laune zu halten. Über seine ständigen
Sticheleien konnte sie dabei leicht hinwegsehen

„Ja, das stimmt", gab Quinton zu. „Ich habe eine Schwäche für

hübsche, wohlgeformte Dinge." Sein Blick ruhte auf Whitney.
„Gut, wollen wir uns nun mein Reich anschauen?"


Whitney hatte den Eindruck, als könnte man sich schnell in diesen

weitläufigen Räumlichkeiten verlaufen. Ihrer Ansicht nach war
Quintons Unterkunft keine Suite, sondern eher ein ganzes Haus.

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Ein Palast im Palast, wie es das Hotelmanagement gern nannte.
Whitney begriff nicht, wieso das Hotel für jemandem wie Quinton
soviel Geld ausgab, aber vielleicht waren sie ihm wirklich wegen
seines Nutzens für die Spielbank zu Dankverpflichtet.

Für Whitney war er jedenfalls nur ein gieriger Egoist. Sie hatte

Kopfweh von den letzten zwei Stunden, in denen Quinton fast nur
von sich und seinen Vorlieben erzählt hatte. Sie wurde immer stiller.
Zane fragte sich, ob es ihr gutging. Er war nicht der einzige, der
etwas bemerkt hatte. „Sie sehen blaß aus, meine Liebe. Ich hoffe nicht,
daß es am Essen liegt", wandte sich Quinton an sie.

Müde schüttelte Whitney den Kopf, der bei jeder unbedachten

Bewegung schmerzte. „Nein, nein, es war wunderbar. Ich habe
nur ein wenig Kopfweh."

„Mir steht eine ganze Apotheke zur Verfügung. Ich bringe Ihnen,

was Sie möchten." Whitney zweifelte nicht daran, aber sie wollte
weg aus diesem Museum und sich hinlegen. „Ich fürchte, daß es
nichts helfen wird. Das beste wird sein, wenn ich mich ein wenig
ausruhe", meinte sie.

Quinton zeigte zur Wendeltreppe. „Sie haben mehrere Betten zur

Auswahl."

Whitney hätte kein Auge zugetan, wenn sie auf das Angebot

eingegangen wäre. Womöglich wäre Quinton plötzlich an der Tür
gestanden, und das wollte sie um jeden Preis vermeiden. „Vielen
Dank, aber ich lege mich lieber in mein eigenes Bett, wenn Sie
erlauben."

Zane wollte mit ihr gehen. Whitney berührte ihn an der Schulter und

hielt ihn zurück. „Nein, Schatz, du bleibst hier. Es ist eine gute
Gelegenheit für dich und Mr. Quinton, über eure Abmachung zu
sprechen. Weshalb solltest du dich in unserem Zimmer langweilen,
nur weil ich schlafen will."

Außerdem wollte sie allein sein, denn wenn Zane da wäre, würde sie

sicher nicht schlafen können. Whitney bemerkte, daß Quinton ein
wenig ungehalten war.

„Sind Sie sicher, daß ich Ihnen nichts anbieten kann?" fragte er sie

noch einmal.

Whitney überlegte. „Doch, ich wüßte etwas."

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„Und das wäre?"
„Einen Führer. Ich fürchte, ich werde die Eingangstür nicht allein

finden." Sie war sich nicht sicher, ob sie sich nach dem Eßzimmer rechts
oder links halten mußte. Die Besichtigungstour hatte sie eher noch
verwirrt.

Quinton winkte ab, als Jeffers herantrat. „Ich bringe Sie selbst

hin."

Zane gefiel es nicht, daß Whitney gehen wollte, aber es gab ihm

die Gelegenheit, mit Quinton allein über die Geschäfte zu reden.
Ohne Whitney würde sich Quinton sicher irgendwann mit ihm ins
Arbeitszimmer zurückziehen und Sally sich selbst überlassen. „Bist
du sicher, daß dir nichts fehlt?" fragte Zane.

Seine Sorge war rührend. „Mir geht’s bald wieder gut, ich muß mich

nur ein wenig ausruhen."

„Ich komme bald nach", versprach Zane, als sie das Zimmer

verließ.

„Laß dir Zeit", entgegnete Whitney.
„So mag ich das. Sie sind eine verständnisvolle Frau", meinte

Quinton, während er Whitney zur Tür brachte. „Ich könnte einen
Arzt holen lassen, der nach Ihnen schaut", schlug er vor.

Das fehlte ihr noch. „Ich habe nur ein wenig Kopfweh, Mr. Quinton,

keine Gehirnblutung. Wenn ich etwas geschlafen habe, geht es
mir wieder gut.

Quinton spielte mit dem Medaillon, das sie trug. Er trat ihr schon

wieder viel zu nahe. „Dann kommen Sie heute abend wieder ins
Casino?"

Whitney konnte es ihm kaum abschlagen, wenn er durch

seinen Aberglauben so sehr auf ihre Anwesenheit angewiesen war.
„Ich werde es mir nicht entgehen lassen", versprach sie und wünschte,
sie würde bis zum Abend doch noch eine Entschuldigung finden.

Quinton gab dem Butler ein Zeichen. „Jeffers wird Sie zu Ihrem

Zimmer bringen."

„Das ist wirklich nicht nötig." Ohne auf den Butler zu warten,

öffnete Whitney selbst die Tür zum Korridor. „Ich bin sicher, daß er
Wichtigeres zu tun hat." Sie hielt inne. „Vielen Dank für das
Mittagessen - es war einfach phantastisch. Bis heute abend. Als sie

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ging, lächelte sie noch einmal. „Vergessen Sie bitte nicht, mir
meinen Mann zu schicken, wenn Sie fertig sind."

„Wenn er mir die richtigen Antworten gegeben hat", erwiderte

Quinton prompt und schloß augenblicklich die Tür. Whitney fragte
sich, was er damit wohl gemeint hatte.


Vielleicht hätte sie doch eine Kopfschmerztablette von Quinton

annehmen sollen. Eine halbe Stunde später fühlte sie sich immer
noch nicht besser. Wahrscheinlich hatte Quinton fünfzig
verschiedene Tabletten zur Auswahl, aber hier in ihrem Zimmer
schien keine einzige vorhanden zu sein.

Sie hatte zweimal das Apothekenschränkchen im Bad und ihr

Gepäck durchsucht und nichts gefunden. Seufzend schob sie die
zwei Koffer zurück in den Schrank. Vielleicht hatte Zane etwas
dabei? Sie nahm seinen Koffer, legte ihn aufs Bett und öffnete ihn,
aber auch hier blieb die Suche erfolglos.

Als sie sich entmutigt aufs Bett sinken ließ, rutschte der Koffer

von der Bettkante und überschlug sich. Alles fiel heraus. Eigentlich
wollte Whitney die Sachen einfach auf dem Boden liegen lassen,
dann beugte sie sich doch hinunter. Die Kopfschmerzen nahmen zu.

Auf dem Boden lag eine Pistole. Sie war aus dem Koffer gefallen.

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11. KAPITEL


Erschrocken blickte Whitney die Pistole an. Sie weigerte sich zu

begreifen, was sie sah, aber es war nicht zu ändern. Die Waffe vor
ihren Füßen war eindeutig aus Zanes Koffer gefallen,
wahrscheinlich aus einem Geheimfach, das sich bei dem Sturz
geöffnet hatte, sonst hätte sie sie ja bereits gefunden, als sie nach den
Tabletten suchte.

Er hatte die Waffe versteckt. Warum? Wozu brauchte er sie?

Whitneys Magen zog sich zusammen. In was für einen Mann hatte
sie sich verliebt?

Whitney atmete tief durch, um sich zu beruhigen, aber ihre

Hände zitterten immer noch, als sie die Pistole vom Boden aufhob. Als
sie das kühle Metall in den Händen spürte, schossen ihr blitzartig
Erinnerungsfetzen durch den Kopf. Sie hatte schon einmal eine solche
Pistole in Händen gehabt. Aber wann? Und warum? Whitney
konnte sich nicht ausmalen, warum sie mit Schußwaffen vertraut sein
sollte. Die Erinnerung verschwand so schnell, wie sie gekommen war.

Whitney kannte niemand, an den sie sich hätte wenden können.

Sie versuchte, sich zusammenzureißen. Hysterisch zu werden
konnte sie sich jetzt nicht leisten.


Quinton lehnte sich in dem breiten Lederstuhl zurück, der zu dem

mit Schnitzereien verzierten Sekretär paßte. Er hatte sich bereits dafür
entschieden, Zane zu seinem Partner zu machen, hielt sich aber für
den Fall, daß er es sich doch noch anders überlegen würde, immer gern
eine Hintertür offen.

Quinton griff nach der Zigarrenkiste und schob sie Zane hin.

„Bedienen Sie sich." Er wartete, bis Zane sich entschieden hatte.

Wenn Quinton jemandem eine Zigarre aus seinem Privatvorrat

anbot, hieß das, daß er das Geschäft für abgeschlossen betrachtete.
Hätte Zane abgelehnt, wäre es eine Beleidigung gewesen. Zane
hatte zu lange auf diesen Augenblick hingearbeitet, als daß er jetzt
alles aufs Spiel gesetzt hätte. Deshalb überwand er sich und nahm
eine dieser übelschmeckenden Dinger an. Eigentlich rauchte er
nicht und hoffte, er würde sich jetzt nicht blamieren.

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Quinton schnitt die Spitze seiner Zigarre ab und reichte Zane den

Zigarrenabschneider. Zane tat es ihm geschickt nach. Anerkennend
nickte Quinton und gab erst Zane Feuer, dann sich selbst, ließ das
goldene Feuerzeug wieder in seine Hosentasche gleiten und nahm einen
langen Zug.

Außer ihnen beiden war niemand im Raum. Hier konnte man

ungestört Geschäfte abschließen. Quinton ließ den Raum
regelmäßig auf Abhörgeräte untersuchen. Er lehnte sich wieder
zurück, blies den Rauch aus und blickte Zane nachdenklich aus
zusammengekniffenen Augen an.

Wie ein Mann seine Zigarre rauchte, ließ Rückschlüsse auf seinen

Charakter zu. Genauso war es damit, wie ein Mann auf die
Angebote einer Frau reagierte, die einem anderen gehörte.
Quinton dachte an Sally und lächelte. Zane hatte den Test bestanden.
Quinton wies auf die Zigarren.

„Ich bekomme sie täglich. Steuerfrei." Er lachte, als er an Jeffers

Gesicht dachte, wenn er ihm jeden Nachmittag die Zigarren
brachte. „Mein Butler ist furchtbar ehrlich. Er haßt den Gedanken an
etwas Illegales. Wahrscheinlich betrügt er nicht einmal bei seiner
Steuererklärung. Wo wären wir, wenn das alle so machten?" fragte
Quinton.

„Weg vom Fenster", antwortete Zane prompt.
Sorgfältig streifte Quinton die Asche in einen Aschenbecher und

achtete darauf, daß nichts danebenfiel. „Zum Glück läßt sich der
Normalbürger eher bestechen, als daß er wie ein Heiliger lebt." Er
beobachtete Zane. „Ist doch langweilig, finden Sie nicht? Wie ein
Heiliger zu leben."

Er stellt mich auf die Probe, dachte Zane, er will meine Gedanken

erraten. „Zum Glück hatte ich nie dieses Problem", erwiderte er.

Quintons Lachen klang echt. „Gute Antwort. Mir geht es

genauso." Ein Funkeln trat in seine Augen. „Ich lebe lieber am
Rand."

Zane sah sich wissend in dem riesigen Raum um. Unzählige

kostbare alte Bücher füllten die Regale an den Wänden. Die Vase
auf dem Tisch, die täglich neu mit Blumen bestückt wurde, war
mehrere tausend Dollar wert. Mit solchen Dingen umgab sich nur

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ein Mann, der Sinn für einen ausgefeilten Lebensstil hatte.

„,Rand’ würde ich es nicht gerade nennen sagte Zane. Dort hätte

man sich schlichter eingerichtet und nicht schier unbezahlbaren
Wein getrunken.“

„Es ist aber so", widersprach Quinton und machte eine

weitausholende Handbewegung. „So weit kann man es bringen,
wenn man sich am Rand bewegt - falls man den Mut dazu hat." Er
zog an seiner Zigarre. „Stellen Sie sich vor: Sie versuchen, sich
nicht in die Karten sehen zu lassen. Blufft der andere?" Quinton
lächelte verschlagen. „Bluffen Sie? Der Adrenalinspiegel steigt. Es
ist das einzige Spiel, das sich in dieser Stadt lohnt, Russell."
Quinton erinnerte sich an vergangene Abende. „Das einzige.“

Zane dachte an Sally. Er zweifelte, ob Quinton wußte, was Liebe war,

aber er vermutete, daß Lust und ihre Befriedigung auf Quintons
Liste ganz oben standen. „Ich dachte, Sex gehört auch dazu", warf
Zane ein. Behutsam zog er den Rauch ein und stieß ihn wieder aus.
Er gratulierte sich, daß er nicht husten mußte.

Quinton dachte an Whitney. Diese Frau hatte einen festen, hübschen

Po. Er fragte sich, ob Zane ihm seine Frau anbot wie, er Zane seine
Zigarren. „Sex gehört dazu", stimmte er ihm zu. „Eine nette Zugabe.
Sie brauchen nur gut spielen, dann kommen die Frauen wie von
selbst. Aber das brauche ich Ihnen vermutlich nicht zu erzählen."

Zane haßte dieses Gespräch. Er fühlte sich unter ständiger

Beobachtung. „Sie haben recht", entgegnete er.

Quinton hielt es für an der Zeit, die Unterhaltung zu, beenden.

Er stand auf. „Ich lasse die Ware für Sie packen, bevor ich abreise."

Etwas in Quintons Stimme ließ Zane aufhorchen. „Sie haben die

Ware hier?"

Quinton überhörte die Frage absichtlich. Er entschied selbst, wann er

Informationen gab. „Ich lasse sie für Sie packen, bevor ich
abreise", wiederholte er. „Außer, ich überlege es mir doch noch
anders."

Zane begriff, daß er mit seiner Frage zu weit gegangen war. Er

durfte Quinton nicht verärgern. „Ich hoffe, daß das nicht der Fall
sein wird", sagte Zane und hoffte, daß seine Worte entschuldigend
und zuversichtlich zugleich klangen.

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Quinton schien von seiner Selbstbeherrschung beeindruckt.

„Sie werden das Geld bei der Übergabe dabeihaben?"

„Selbstverständlich", erwiderte. Zane, ohne mit der Wimper zu

zucken.

Quinton mochte es nicht, wenn er nicht die Kontrolle über alles

hatte. „Es ist nicht in Ihrem Zimmer." Es hatte nichts darauf
hingedeutet, aber Zane hatte keine Zweifel, daß Quintons Leute bereits
sein Zimmer durchsucht hatten. Deswegen hatte Sheridan das Geld
an einem anderen Ort versteckt. Ein Aktenkoffer mit exakt der
Summe, die Zane mit Quinton ausgehandelt hatte, lag sicher im
Safe eines anderen Hotels.

Zane erwiderte Quintons kühles Lächeln. „Nein", sagte er. Quintons

Lächeln vertiefte sich. „Sie erinnern mich ein wenig an mich selbst,
als ich meine ersten Geschäfte machte."

Zane wußte nie, woran er bei Quinton war. Einmal schien er ihm die

Freundschaft anzubieten, dann behandelte er ihn wieder von oben
herab. „Ich bin kein Neuling auf dem Gebiet, Mr. Quinton, wenn
Sie das meinen, aber ich fasse es als Kompliment auf."

„Das sollten Sie auch". Quinton hatte keine Lust mehr, sich

noch weiter zu unterhalten. „Gut, dann haben wir ja alles
besprochen. Wir machen die Übergabe, wenn ich abreise, gegen
Mittag."

Damit war Zane entlassen. „Sie können gehen, Russell." Quinton

brachte ihn zur Tür. „Ich erwarte Sie heute abend mit Ihrer Frau im
Casino." Er hatte schon die Hand am Türgriff, als er Zane fragte:
„Sie weiß nichts von unseren Geschäften, nicht wahr?"

Nichts an Whitneys Verhalten ließ darauf schließen, daß sie

etwas ahnte. Zane schüttelte den Kopf. „Nur das, was ich ihr erzählt
habe."

Genau das wollte Quinton hören. „Dann lassen Sie es dabei.

Frauen können mit solchen Dingen oft nicht umgehen. Ich finde,
sie erfüllen ihren Zweck am besten, wenn man ihnen nicht zuviel
verrät."

Zane überlegte, was Whitney wohl zu dieser Ansicht gesagt

hätte. Quinton hätte sich noch gewundert, was in ihr steckte, wenn
sie nicht gestürzt wäre. Er schüttelte die Hand, die Quinton ihm bot.

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„Ich werde es mir merken."


Zane beeilte sich, zu Whitney zu kommen. Während der

Verhandlungen mit Quinton hatte er die ganze Zeit ein ungutes
Gefühl gehabt. Er wußte, daß das nicht an Quinton lag, im
Gegenteil, Zane hätte sich besser auf das Gespräch konzentrieren
sollen. Deswegen war er ja hier. Aber selbst während er sich mit
Quinton unterhalten hatte, waren seine Gedanken immer wieder zu
Whitney abgeschweift.

Zane wollte nicht, daß sie allein war. Er war nun schon so nahe

am Ziel, daß er sich von Whitney ungern alles verderben lassen
wollte. Natürlich machte er sich nichts vor, was Quintons
väterliche Haltung ihm gegenüber betraf. Quinton gehörte zu den
Leuten, denen es leicht fiel, jemand umbringen zulassen, der ihnen
nicht gefiel. Mit Leuten wie ihm stellte man sich besser gut, wenn
man nicht gerade eine Achtunddreißiger in den Händen hielt.

Die Aufzugtüren öffneten sich. Als Zane den Korridor entlanglief,

fühlte er sich beobachtet, aber es war niemand zu sehen. Kein
Zimmermädchen, kein Kellner mit einem Rollwagen, keine
Videokamera. Das hieß nicht, daß Quinton nicht irgendwo auf dem
Stockwerk eine hatte verstecken lassen, obwohl Sheridan alles
überprüft hatte, bevor Zane das Zimmer bezog.

Die Überwachungskameras gehörten nicht unbedingt zum Hotel.

Quinton hatte gut geschalte und hochintelligente Leute zur Verfügung,
deswegen war Zane vorsichtig bei allem, was er tat und sagte. Er
hoffte inständig, daß Quinton sich nicht damit unterhalten hatte,
ihm und Whitney zuzusehen. An diese Möglichkeit hatte er bisher
noch gar nicht gedacht.

Ärger stieg in ihm hoch, aber er nahm sich zusammen.

Schließlich war das eine reine Vermutung, und er hatte genug
anderes zu tun, als sich darüber Gedanken zu machen.

Leise schloß Zane die Tür auf. Falls Whitney schlief, wollte er sie

erst wecken, wenn sie ins Casino mußten. Aber sie schlief nicht,
sondern saß hellwach auf dem Bett. Das überraschte ihn.
Offensichtlich hatte sie auf seine Rückkehr gewartet. Auf ihrem Schoß
lag seine Pistole. Zane verfluchte sich im stillen. Wie kam sie zu der

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Waffe?

„Was hast du da?", fragte er betont locker. Als er sich

hinunterbeugen wollte, um sie auf die Wange zu küssen, zog
Whitney ihren Kopf zurück. Ihre Überraschung und ihr Schrecken
hatten inzwischen heftigem Zorn Platz gemacht. „Das siehst du
ganz genau. Mach mir nichts vor, Zane." Sie nahm die Pistole und
hielt sie hoch. „Sie war in deinem Koffer. Was hat sie dort zu
suchen?"

Unfähig, ihr darauf eine Antwort zu geben, konterte Zane: „Was

hattest du in meinem Koffer zu suchen?" Aber Whitney war auf der
Hut. „Lenk nicht ab, Zane, und versuch nicht, mich wieder ins Bett zu
kriegen, damit du nichts erklären mußt. Ich stelle jetzt die Fragen.
Ich will die Wahrheit wissen. Was machst du mit dieser Waffe?"
Whitney sprach betont langsam und deutlich.

Zane schob die Hände tief in die Hosentaschen. „Ich brauche sie

für meinen Schutz."

Das kaufte sie ihm nicht so einfach ab. „Wovor muß sich ein

Immobilienmakler schützen? Vor aggressiven Eichhörnchen?"

Zane ließ sich nicht provozieren. Ruhig antwortete er: „Ich habe

dir nichts davon erzählt, weil ich dich nicht beunruhigen wollte."

Das mußte ironisch gemeint sein. „Nun, das ist dir nicht

gelungen. Ich rege mich auf, ich rege mich sogar sehr auf. War er
verrückt? Was glaubte er eigentlich? „Was machst du damit?
Pistolen durch die Gegend zu tragen ist illegal."

Er schüttelte den Kopf. „Ich habe einen Waffenschein." Das

war nicht ganz richtig. Nur für die Waffe, die er ständig bei sich
trug, eine kleinere, an die er leichter herankam.

Whitney verstand nicht. „Wenn du einen Waffenschein hast,

wieso versteckst du sie dann?"

„Ich sagte doch gerade, ich wollte dich nicht beunruhigen. Außerdem

sind wir hier nicht im Wilden Westen, Whit. Man trägt die
Pistolen nicht mehr an der Hüfte." Zane sprach leise und
beruhigend. Es erstaunte ihn fast, wie leicht es ihm fiel, sie zu
belügen, und er verabscheute sich gleichzeitig dafür. Früher hatte
er Whitney nie belogen, nur einmal, aber davon wußte sie nichts.
Es war seine Lebenslüge.

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Er streckte seine Hand nach der Waffe aus. „Darf ich?"
Whitney zuckte die Schultern. „Nimm sie. Wirf sie weg." Zane

nahm die Pistole und legte sie vorsichtig zurück in den Koffer. Der
doppelte Boden war aufgegangen. Zane dachte an Quinton, der wußte,
daß das Geld nicht im Zimmer war. Offensichtlich hatten seine Leute
auch die Waffe nicht gefunden, sonst hätten sie sie bestimmt
mitgenommen.

„Ich glaube, man wäre hier nicht begeistert, so etwas im

Papierkorb zu finden." Er schloß den Koffer und stellte ihn in den
Schrank.

Whitney fror. Sie fühlte sich betrogen. Wie konnte sie ihm

vertrauen, wenn es Dinge gab, die er ihr nicht sagen wollte? Was
wußte sie noch alles nicht? „Das ist gar nicht komisch, Zane."

Er setzte sich zu ihr aufs Bett. „Nein, du hast recht", sagte er

und nahm ihre Hand. Als Whitney sie ihm entziehen wollte, faßte
er sie fester. „Aber du mußt verstehen, daß ich Angst um mein
Leben habe. Und um deines."

„Meines?" Verständnislos blickte sie ihn an. „Warum? Hat es mit

Quinton zu tun?"

Er hätte es ihr so gern gesagt. Es wäre so leicht gewesen, aber es ging

einfach nicht. Zane sah ihr in die Augen und log weiter. „Nein. Mit
Madeline."

Fast war er stolz darauf, es so locker über die Lippen zu bringen,

obwohl er sich äußerst unwohl in seiner Haut fühlte. Aber Whitney
durfte jetzt einfach noch nicht eingeweiht werden, erst wenn das
Kokain in seinem Besitz war und Quinton das Geld bekommen
hatte.

Madeline war der Name seiner Mutter gewesen. Diesen Namen

würde er nie vergessen, obwohl ihr Gesicht längst im Lauf der Zeit
in seiner Erinnerung verblaßt war. Zane konnte sich nicht erinnern,
wie sie ausgesehen hatte, wie sehr er sich auch bemühte, aber er war
erst vier Jahre alt gewesen, als sie ihn verlassen hatte.

Whitney verstand immer noch nichts. „Madeline? Wer ist Madeline?"
„Meine Exfreundin. Dann kamst du." Zärtlich strich Zane Whitney

über die Wange. Er liebte Whitney so sehr, daß es ihm fast
Magenschmerzen bereitete. Aber das würde ihr nichts bedeuten, wenn

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sie die Wahrheit herausgefunden hatte. Zane versuchte, sich wieder
auf seine Erklärung zu konzentrieren.

„Sie hat geschworen, sich zu rächen. Sie hat mich verfolgt, Whitney.

Sie drohte, uns beide umzubringen, wenn sie uns zusammen erwischen
würde. Madeline wird sich von meiner Waffe beeindrucken
lassen, egal, ob sie zugelassen ist oder nicht."

Warum hatte er ihr das nicht schon früher erzählt? Whitney war

immer noch mißtrauisch, aber ihr Zorn ließ nach. Sie überlegte, wie
schrecklich es für ihn gewesen sein mußte, dieses Geheimnis zu
bewahren, um sie zu schützen. „Sie hat dich verfolgt?"

„Ja. Den letzten Monat habe ich sie nicht gesehen, aber ich bin nicht

sicher, ob sie nicht doch wieder auftaucht. Sie gibt nicht so leicht
auf. Seit ich eine Pistole habe, fühle ich mich sicherer."

Whitney blickte zum Schrank „Da drin wird sie dir nicht viel nützen."
„Es ist eine Vorsichtsmaßnahme." Zane blickte Whitney an und sagte

ihr die Wahrheit. „Ich will nicht, daß dir etwas passiert."

Whitney fühlte sich wieder geborgen und geliebt. „Mir wird nichts

passieren", versicherte sie ihm zuversichtlich. „Zu zweit werden wir
damit schon fertig werden. Ich muß vor meinem
Gedächtnisverlust ein ziemlich zartes Pflänzchen gewesen sein,
nach allem, was du mir erzählst."

Zane unterdrückte ein Lächeln. Das genaue Gegenteil war der

Fall.

„Aber es wird sich alles ändern. Ich will nicht nur deine Frau sein,

Zane, sondern deine Partnerin. In jeder Hinsicht." Whitney sah
ihn an. „Ohne Geheimnisse."

Warum machte sie es ihm nur so verdammt schwer? „Ohne

Geheimnisse", versprach er und hätte sich bei diesen Worten am
liebsten die Zunge abgebissen. Wenn er in ihre Augen schaute,
wußte er nicht mehr, warum er sie eigentlich anlog.

Nachdem Whitney wieder beruhigt war, erwachte ihre Neugier. „Wie

war sie denn, ich meine, Madeline?"

Zane zuckte die Schultern und versuchte zu überlegen. „Es war nichts

Ernstes. Nicht so wie mit dir." Er küßte sie auf die Stirn. „Was machen
deine Kopfschmerzen?"

Sie hatte nicht einmal bemerkt, daß sie verschwunden waren. „Du

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hast sie geheilt", meinte sie sanft. Vielleicht konnte er noch ein wenig
Zeit gewinnen, bevor sie ihn für alle Zeiten von sich stieß. Er legte die
Arme um sie. „Kann ich sonst noch irgend etwas heilen?"

Whitney lächelte. „Nun, wenn du so fragst..."

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12. KAPITEL


Whitney fühlte sich tief befriedigt und erschöpft. Sie konnte sich

kaum mehr bewegen. Als sie Zane neben sich auf dem Boden
ansah, lächelte sie. Sie waren durch den ganzen Raum gerollt und
wieder vor dem Bett gelandet, ohne hinaufzugelangen. Aber das
machte nichts. Egal, wo sie war, solange Zane bei ihr war, fühlte
sich Whitney wie im Paradies.

Zufrieden seufzend, fuhr sie ihm durchs Haar. „Weißt du, mir

kommt es vor, als würden wir uns schon immer kennen. Als wären
wir Seelenverwandte. Das ist doch seltsam, nicht?" Sie stützte sich
auf die Ellbogen. „Ich meine, mir kommt es vor, als wären wir schon
ewig zusammen, aber du sagtest, es sei alles ganz schnell gegangen.
Wir haben uns an Silvester kennengelernt, und jetzt ist erst...
welchen Monat haben wir überhaupt?" Whitney bemerkte, daß sie
gar nicht wußte, welches Datum sie hatten.

Zane betrachtete sie. Ihm war nicht ganz wohl, denn er fühlte sich vor

Whitney immer noch schuldig. „Wir haben Anfang Juni."

„Juni", wiederholte sie, als könnte sie es sich so besser merken.
„Nicht mal ein halbes Jahr." Whitney spürte, daß sie rettungslos

verliebt war, und für dieses Gefühl war sie unendlich dankbar. „Nicht
gerade eine Ewigkeit."

Zane wollte nicht mit ihr über seine erfundenen Geschichten sprechen,

das verschlimmerte nur sein schlechtes Gewissen. Er beugte sich
über sie. „Für eine Eintagsfliege ist es tausendmal so lang." Er
streichelte ihre Wangen. Wie er sie liebte! Und er würde dafür
bezahlen müssen. „Ich war nie gut in Mathematik." Whitney mußte
lachen. „Und du arbeitest mit Geld?"

Er nahm ihren Kommentar gelassen hin. „Immerhin weiß ich, wie

viele Nullen eine Million hat."

Whitney. staunte. Sie hatte noch nicht darüber nachgedacht, um

welche Beträge es bei dem Geschäft zwischen Quinton und Zane
ging. Bisher hatte sie eher Schwierigkeiten mit der Sache an sich
gehabt. Diese Zahl ernüchterte sie. „Eine Million? Geht es um soviel
Geld?"

Eigentlich ging es um dreimal soviel, aber Zane fürchtete,

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Whitney könnte mißtrauisch werden, wenn sie das hörte, und er
wollte vermeiden, daß sie noch mehr Fragen stellte, bevor alles vorbei
war. Er blickte zur Decke und nickte. „Das bekomme ich für die
Häuser, die verkauft werden, wenn der Bauplan genehmigt wird."

Whitney pfiff leise durch die Zähne. „Kein Wunder, daß du darauf

aus warst, bei Quinton einen guten Eindruck zu machen." Aber sie
wollte jetzt nicht an Quinton denken. Sie seufzte, als Zane sich
langsam an sie drängte, und spürte ein Prickeln auf der Haut.
Zärtlich sah sie ihn an. „Müssen wir uns schon fertigmachen?"

Zane wollte sich noch nicht anziehen. Am liebsten hätte er sich

nie mehr von der Stelle bewegt, sondern wäre für immer hier
neben ihr liegengeblieben. „Nein, wir haben noch ungefähr
anderthalb Stunden, bevor wir zu Quinton ins Casino müssen."

Heute abend würde ein Spiel in einem Nebenraum stattfinden, zu

dem nur wenige Teilnehmer eingeladen waren. Quinton hatte
nichts Genaues gesagt, aber sie waren verpflichtet hinzugehen.

„Das sind neunzig Minuten", stellte Whitney fest. Sie ließ Zane

nicht aus den Augen, als sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen
fuhr. In seinen Augen sah sie, daß er das gleiche dachte wie sie. „Ich
brauche nur fünf Minuten zum Anziehen."

Zane lachte leise und küßte sie auf die Schulter. Er konnte einfach

nicht genug von Whitney bekommen. „Zehn, ich habe auf die
Uhr geschaut."

Whitney neigte den Kopf zur Seite. „Na gut, dann eben zehn

Minuten. " Einladend schmiegte sie sich an ihn. „Und was machen
wir mit den restlichen achtzig Minuten?"

Whitney raubte ihm den Verstand. Wer hätte gedacht, daß hinter

diesem kühlen Äußeren so eine unersättliche Frau steckte? „Wir
könnten uns erholen", schlug Zane vor.

„Willst du damit sagen, daß ich dich schon erschöpft habe?" Sie

schüttelte gespielt ungläubig den Kopf. „Zane, hast du denn gar keine
Kondition?"

Er blickte sich um. Das Zimmer sah aus wie nach einem

Wirbelsturm. Sie hatten sich überall geliebt, wo es möglich war,
immer wieder, auf dem Tisch, in der Dusche, auf dem Boden.
Jedesmal hatte einer von beiden den anderen angestachelt, wieder

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von vorn zu beginnen. Zane war sich eigentlich sicher gewesen,
daß sie beide jetzt genug hatten.

„Ich fürchte, meine Kondition ist irgendwo in diesem Chaos dort

verlorengegangen."

Whitney legte ihm die Arme um den Nacken und bewegte sich

aufreizend unter ihm. Sie brauchte ihr Gedächtnis nicht, um zu
wissen, daß es ihr noch mit keinem Mann so wie mit Zane
gegangen war. „Du willst mich doch nicht etwa enttäuschen,
Zane?"

Sie meinte es im Spaß, aber Zane gab der Vorwurf einen Stich.

„Nein", sagte er ernst, „noch nicht."

Bei seinen Worten zog es Whitney das Herz zusammen. „Warum

sagst du so etwas?" Er lächelte, aber sie hätte schwören können,
daß da noch etwas anderes war. „Zane, verschweigst du mir
etwas?"

Er hätte sich umbringen können. Warum war er so leichtsinnig? Er

schüttelte den Kopf. „Nein. Ich meine nur, ich habe alles getan, was
ich konnte. Egal was passiert, ich glaube, ich bin erledigt."

Vielleicht hatte sie es sich nur eingebildet. Whitney wollte sich

nicht die kurze Zeit verderben lassen, die, sie noch hatten, bevor sie ins
Casino mußten. Sie schaute an seinem Körper hinab. „Hast du
etwas dagegen, wenn ich es trotzdem versuche?"

Er lachte. „Nur, wenn du vorsichtig bist."
„Sicher. Aber ich habe etwas ganz Bestimmtes vor." Sanft streifte sie

mit den Lippen an seinem Hals entlang und beugte sich so über
ihn, daß ihre Brüste leicht seinen Brustkorb berührten. Es entging ihr
nicht, wie er auf sie reagierte. Er war offensichtlich doch nicht so
erledigt, wie er vorgab.

„Das zum Beispiel." Sie fuhr mit der Zungenspitze über seine Lippen.

Als er den Mund öffnete, um Whitney zu küssen, zog sie sich
plötzlich zurück, nutzte seine Überraschung zu ihrem Vorteil und rollte
sich auf ihn.

„Oder das." Sie atmete heiß gegen seinen Bauch und beobachtete seine

Muskeln, die sich in Vorahnung auf das, was kommen würde,
zusammenzogen. Zufrieden lächelte sie, während sie erst mit den
Lippen, dann mit der Zunge leicht über seine Hüften strich. Das

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Ergebnis war überwältigend. Whitney fühlte, wie sich ihre eigene
Erregung steigerte.

Zane wollte Whitney zu sich nach oben ziehen und ihren Mund,

ihre Lider, ihr ganzes Gesicht küssen, ihren Körper überall berühren.
Whitney spürte seine Hände auf ihrer Haut, als sie immer tiefer an ihm
entlang glitt. Sie stellte ihn auf die Probe, wollte seine Grenzen
sehen. Zane war sich nicht sicher, wie lange er sich noch
beherrschen konnte. Er stöhnte, halb vor Schmerz, halb vor Ekstase.

Whitney war es, als hörte sie ihren Namen. Sie hob den Kopf und sah

zu ihm hoch. Gepreßt sagte er: „Um Himmels willen, Whit, hab
Erbarmen!"

„Habe ich doch. Ein ganz klein bißchen jedenfalls." Sie massierte

sein Glied leicht mit den Händen, dann schloß sie den Mund darum.

Unfähig, diesem Angriff noch länger standzuhalten, zog Zane

Whitney an den Schultern zu sich hoch. Ihr Körper auf dem seinen
erregte ihn noch mehr. Sie versetzte ihn fast in einen
Trancezustand, so sehr verlangte er nach ihr. „Du bist eine Hexe,
weißt du das? Du hast mich verzaubert."

Zane hatte gedacht, er wäre nicht fähig zu lieben, aber er liebte

Whitney wirklich. Das machte alles so schrecklich. Er mußte es ihr
sagen. Jetzt, da sie so warm und nachgiebig in seinen Armen lag,
würde sie ihn vielleicht verstehen. Zane hatte nie viel über Mut
nachgedacht. Er hatte ihn einfach, wenn es erforderlich war, aber
jetzt war er ängstlich und unsicher wie ein Kind.

„Whit?"
Sie sah ihn an. Sie zitterte vor Erregung. In seinen Augen sah sie

etwas, das ihr angst machte. „Ja?"

Er konnte es ihr nicht sagen. Er begehrte sie zu sehr, und er

befürchtete, daß sie sich gerade jetzt von ihm abwenden könnte.
Er brauchte sie. Zane hatte nicht geglaubt, daß es überhaupt
möglich war, eine Frau so sehr zu begehren, nachdem er sie den
halben Nachmittag geliebt hatte, aber es war so.

Wenn er ihr alles sagte, würde sie ihn vielleicht verlassen. Er

schämte sich dafür, aber er war zu feige, das zu riskieren. Mehr als
einmal hatte er sein Leben riskiert und dem Tod ins Auge gesehen,
doch er hätte es nicht ertragen, wenn sie sich von ihm abgewandt

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hätte.

„Ja?" wiederholte sie. Sie küßte ihn auf die Wangen. „Sag’s mir."
Er konnte einfach nicht. Noch nicht. Zane durchwühlte ihr

Haar und fragte sich, ob er es wohl zum letztenmal berührte. Quinton
reiste morgen ab. Dann würde die Übergabe stattfinden. Danach gab
es keinen Grund mehr, Whitney noch länger etwas vorzumachen.
Wenigstens hatte er noch heute nacht. Vor langem hatte er sich
angewöhnt, sich auf nichts zu verlassen, um nicht enttäuscht zu
werden.

Zane schüttelte den Kopf. „Ich glaube, achtzig Minuten sind nicht

genug."

Whitney wußte, daß es nicht das war, was er eigentlich sagen

wollte, aber sie ging trotzdem auf seine Worte ein. „Ich dachte, du
seist erschöpft?"

„War ich auch." Das hatte sich geändert. Whitney war pures

Adrenalin für ihn. „Ich glaube, du könntest Tote auferwecken, wenn
du wolltest."

Sie lachte. Es klang wunderbar für ihn. Ihr Lachen würde er nicht

vergessen, genauso wenig wie diesen Nachmittag.

„Wenn wir nur achtzig Minuten haben", sagte Whitney

nachdenklich, „sollten wir das Beste daraus machen, meinst du
nicht?"

Jetzt war e s an Zane, sie zu überraschen. Blitzschnell warf er sich

herum, so daß sie unter ihm lag. „Da stimme ich dir voll und ganz
zu." Bevor Whitney etwas erwidern konnte, küßte Zane sie. Er
atmete ihren Duft ein und wollte nicht mehr denken, nur noch sie
fühlen und genießen. Es würde ohnedies bald ein Ende haben. Sie
würde ihm niemals verzeihen, das wußte er.

Wenn Whitney mit dem Vorspiel begonnen hatte, um ihn zu

erregen, so war sie jetzt in die Falle gelaufen, die sie selbst gestellt
hatte, denn nun war sie diejenige, die vor Begehren fast verrückt
wurde. Und sie genoß es. Zane wollte die kurze Zeit, die sie hatten,
nutzen, um Whitney glücklich zu machen, so sehr, daß es ihre
bisherige Vorstellung von Glück sprengen sollte.

Whitney hatte gedacht, daß sie mit ihm bereits alle Spielarten der

Liebe erlebt hätte, doch sie hatte sich getäuscht. Es gab noch so viel zu

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lernen und zu erfahren. Zane ließ sie Höhepunkte der Lust erleben
und fand die geheimsten Stellen, an denen sie ihre Lust am tiefsten
empfand.

Sie schnappte nach Luft, als Zane nur ihre Kniekehle und die

Innenseite ihrer Schenkel erst mit den Lippen, dann mit der Zunge
berührte. Sie glaubte, sie würde den Verstand verlieren, wenn er
weitermachte und sie nicht sofort an Ort und Stelle nahm. Doch das war
nur der Anfang. Es war, als wäre Zane einzig und allein dazu
geschaffen, sie zu lieben. Er gebrauchte seine Lippen, seine Zähne und
seine Hände, um ihr einen Höhepunkt nach dem nächsten zu
verschaffen. Er begann langsam, als ob er verschiedene
Möglichkeiten ausprobieren wollte, und fuhr immer glühender fort.
Jeder Schritt brachte ihn seinem Ziel näher.

Whitney war schon schwach, ihre Beine waren kraftlos, da

bemerkte sie, daß Zane nur noch die Hände benutzte. Sie hielt inne.
Als sie spürte, wie sich sein Mund um ihre intimste Stelle schloß,
konnte sie es vor Lust kaum ertragen. Der süße Schmerz
überwältigte sie, als sie fühlte, wie sich ihre Erregung bis zum
Höhepunkt steigerte.

„Halt", wimmerte sie, „ich kann nicht mehr."
Zane hob den Kopf und sah sie zufrieden an. Er wartete erregt

darauf, selbst zu seiner Erfüllung zu kommen, aber vorher mußte er
sie selbst soweit bringen. Egal, was passierte, wenn sie sich wieder
erinnerte, diesen Nachmittag sollte sie nicht vergessen, schwor sich
Zane. Vielleicht würde sie ihn dann nicht ganz so sehr hassen.

„Doch, du kannst noch."
„Nein, wirklich, es geht nicht."
„Sag ,bitte’."
„Bitte!"
Er ließ seine Zunge wieder spielen und genoß es, als sie

zusammenzuckte. „Wie? Ich höre dich so schlecht."

„Bitte", wiederholte Whitney, dann gab sie auf. Sie mußte wohl

hier auf dem Teppich sterben, aber sie konnte sich nichts Schöneres
vorstellen. Sie holte tief Luft, als Zane seine Position veränderte und
sich auf sie legte. Er stützte sich mit den Armen neben ihr ab. Whitney
spürte ein Prickeln der Vorfreude auf ihn.

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„Soll ich aufhören?" fragte Zane. Als ob er das jetzt gekonnt hätte!
Whitney wußte nicht, woher sie die Kraft nahm, aber vielleicht hatte

sein glühendes Liebesspiel sie zu neuem Leben erweckt, denn sie
wollte eins mit ihm sein und ihn in sich spüren. „Wenn du das tust,
muß ich dich leider umbringen", sagte sie so ernst, daß er beinahe
lachen mußte.

„Das wollen wir doch lieber nicht riskieren." Und dann ließ er sich

wieder gefangennehmen von der Liebe, die er in ihren Augen
leuchten sah, einer Liebe, die er ihr sozusagen eingeredet hatte.

Whitney öffnete sich ihm. Als er langsam und behutsam in sie

eindrang, ohne den Blick von ihr zu wenden, hielt sie den Atem an.
„Ich liebe dich", flüsterte sie.

„Ich weiß." Und das war seine Schuld, sein Problem. Er hatte mit ihr

geschlafen, obwohl sie es nicht getan hätte, wenn sie Bescheid
gewußt hätte. „Und ich liebe dich." Zane umfaßte ihr Gesicht mit
beiden Händen. „Vergiß das niemals."

Er sagte manchmal die merkwürdigsten Dinge, fand Whitney, aber

sie hatte nicht die Kraft, ihn zu fragen. Sie brauchte sie für anderes.
Whitney legte die Arme um seinen Nacken und begann, sich langsam
mit Zane zu bewegen. Vor einer Minute war sie noch zu erschöpft
gewesen, um tief durchzuatmen, doch jetzt wollte sie bis zum Schluß
bei ihm sein. Die Hüften eng aneinandergepreßt, bewegten sie sich
in einem immer schneller werdenden Rhythmus, bis sie gleichzeitig
ihre Erfüllung fanden.

Zärtlich hielten sie sich umschlungen, bis ihre Erregung verebbt

war. Zane war bewußt, daß er zu schwer für sie war, aber er konnte sich
noch nicht von ihr trennen. Er wollte sie nie mehr loslassen.

„Zane?"
Wie von fern hörte er seinen Namen. „Hmm?"
Whitney wäre am liebsten bis zu ihrer goldenen Hochzeit so

liegengeblieben. „Meinst du, wir könnten Quinton sagen, daß wir
gestorben sind?"

Zane lachte. Er rollte von ihr hinunter auf den Rücken, küßte sie

auf die Stirn und zog sie an seine Brust. „Ich glaube nicht, daß er
uns das glauben wird."

„Wir könnten es wenigstens versuchen."

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„Pst." Er küßte sie noch einmal und wünschte, er könnte das

Unvermeidliche verhindern. „Bleib so. Ich will dich noch ein wenig
festhalten."

Es klang so nett, wie er es sagte, aber Whitney sah noch etwas

anderes in seinen Augen. Ihre Euphorie wich der Sorge. „Irgend etwas
stimmt nicht, richtig?"

Zane starrte an die Decke. „Doch, alles in Ordnung."
Sie glaubte ihm nicht. „Die Geschäfte mit Quinton sind gefährlich,

nicht wahr" bohrte sie weiter. Warum wollte er ihr nicht die
Wahrheit sagen?

Zane konnte nicht einfach so liegenbleiben, gleichgültig, wie sehr

es ihn reizte, ihr alles zu sagen. „Nur wenn er glaubt, daß ihm
jemand ins Handwerk pfuscht. Übrigens sollten wir uns langsam
fertigmachen." Er setzte sich widerstrebend auf. „Wenn wir nicht
kommen, ist er vielleicht beleidigt und bläst das Geschäft ab."

Whitney verstand. „Möchtest du zuerst duschen?" Sie stand auf.

Daß Zane ihr etwas verschwieg, um sie zu beschützen, bezweifelte
sie nicht, aber sie wollte nicht beschützt werden. Sie wollte ihm zur
Seite stehen und ihm helfen. Vielleicht brauchte sie noch etwas
Zeit, bis er ihr vertraute und sie den Eindruck, den er von ihr vor
ihrem Unfall hatte, revidieren konnte.

„Okay", sagte sie und ging unbekleidet, wie sie war, ins

Badezimmer. Vielleicht hatte sie eine Idee, wie sie Zane aus der
Reserve locken könnte.

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13. KAPITEL


Der Stuhl, auf dem Whitney saß, war mit goldenem und grünem

Brokat bezogen und stand an der Wand des Spielzimmers. Whitney
war den ganzen Abend sehr nervös gewesen. Sie versuchte, so wenig
auffällig wie möglich zu sein. Dennoch gelang es ihr bei weitem nicht
so gut wie der Serviererin und den Butlern, deren Anwesenheit man in
diesem Raum, den nur Menschen mit viel Geld betraten, kaum
wahrnahm. Hier erklang keine leise Hintergrundmusik wie in Quintons
Suite. Musik hätte die Spieler nur von ihrem Spiel abgelenkt, das
einen Mindesteinsatz von fünfhundert Dollar erforderte.

Die Luft schien in dem Raum zu stehen. Man konnte deutlich die

Konzentration und Anspannung der Spieler spüren. Whitneys Rücken
begann zu schmerzen. Sie saß bereits seit drei Stunden hier und
beobachtete, wie sich das Glück für die einzelnen Spieler immer wieder
wendete. Die Eiswürfel in ihrem Drink waren schon lange
geschmolzen.

Angespannt hielt sie die Handtasche auf ihrem Schoß fest. Sie

wünschte, sie hätte die andere mitgenommen, dann hätte sie
wenigstens mit dem Perlenbesatz spielen können, aber Zane hatte auf
dieser hier bestanden, da er fand, sie passe so gut zu ihrem rubinroten
Kleid. Whitney hatte nicht gedacht, daß er so viel Wert auf Kleidung
legte, aber wahrscheinlich wollte er, daß an Quintons letztem Abend
alles perfekt war.

Jedenfalls hoffte Whitney, daß es die letzte Nacht wäre. Wenn sie

Glück hatte, mußte sie Richard Quinton danach nie wiedersehen. Unter
seinem Charme und dem guten Aussehen verbarg sich ein eiskalter
Mann, dem sie nicht traute. Sally war heute abend nicht dabei, und
Whitney wußte nicht, ob sie darüber froh sein sollte. Vielleicht wäre es
leichter gewesen, hier zu sitzen, wenn sie ein wenig Gesellschaft gehabt
hätte, andererseits war Sally nicht gerade ihr Typ.

Wie lange würde das Spiel noch dauern? Whitney zweifelte, ob Zane

es überhaupt bemerken würde, wenn sie ginge. Quinton würde es
jedenfalls nicht entgehen, denn er hatte darauf bestanden, daß sie
dabei war, und ihr den Platz hinter sich zu seiner Linken zugewiesen.
Sie sah sich um.

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Von der Decke hing ein großer vergoldeter Lüster, die Wände waren

mit dunklem Holz verkleidet, auf dem Boden lagen schwere
Teppiche. Der Duft von orientalischen Gewürzen hing im Raum.
Whitney fühlte sich an die Pharaonengräber in Ägypten erinnert.
Woher kam dieser Gedanke? Whitneys Herz begann schneller zu
schlagen. Vielleicht kamen die unwichtigeren Erinnerungen zuerst,
Stück für Stück? Nur über Zane wußte sie immer noch genauso wenig
wie vorher.

Sie sah zu ihm hinüber. Er saß Quinton gegenüber und blickte mit

unbewegter Miene in seine Karten. Obwohl die letzten Tage mit ihm
wunderbar gewesen waren, wollte Whitney trotzdem die Erinnerung an
ihr früheres Leben wiederhaben. Sie wollte wissen, wann sie Zane zum
erstenmal getroffen hatte, wie er sie zum erstenmal geküßt hatte.

Whitney lächelte, als sie an den vergangenen Nachmittag

dachte. Wenn sie es genau betrachtete, war wegen ihres
Gedächtnisverlusts der erste Kuß eigentlich der gewesen, als er
sie am Swimmingpool geküßt hatte. Falls sie ihr Gedächtnis
wiederfinden würde, hätte sie also zweimal ein erstes Mal. Und
wenn sie sich nie mehr erinnern würde? Wäre das so schrecklich?
Schließlich hatte sie einen wunderbaren Ehemann und einen
aufregenden und ungewöhnlichen Lebensstil. Wie viele andere
Frauen konnten das von sich behaupten? Die Gelegenheitsspieler
und Touristen, die auf Spaß aus waren

,

und ihr Glück an den

Spieltischen draußen versuchten, wären erblaßt, wenn sie gewußt
hätten, wie hoch die Einsätze hinter dieser Tür waren.

Als Quinton Zane aufgefordert hatte mitzuspielen, war Whitney

erschrocken, aber die anderen Männer am Tisch hatten zustimmend
genickt, und Zane schien willens mitzumachen. Während ihres
Aufenthalts hatte Whitney es nicht ein einziges Mal erlebt, daß Zane
sich am Roulettespiel beteiligt oder sich auch nur an einem
Spielautomaten versucht hätte. Außer als Zuschauer schien er kein
großes Interesse am Spielen zu haben.

Eine neue Runde begann. Die Einsätze waren inzwischen unglaublich

hoch. Zane war es gelungen, die Anzahl seiner Chips in etwa zu
halten. Konnte er gut Poker spielen, oder war es nur Glück? Zu
Beginn des Abends hatte Quinton Zane angeboten, mit seinem

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Geld zu spielen, aber Zane hatte dankend abgelehnt. Whitney
wußte nicht, ob Quinton damit herausfinden wollte, ob Zane sich das
Spiel selbst leisten konnte oder ob er ihm wirklich das Geld zum
Verspielen schenken wollte.

Das Kopfweh vom Mittag machte sich wieder bemerkbar.

Whitney versuchte, sich auf Zane zu konzentrieren. Ihre Hände
waren vor Nervosität feuchtkalt. Sie wünschte sich, wenigstens hinter
Zane stehen zu dürfen, aber Quinton hatte sie mit dem
Einverständnis aller wie einen Ziergegenstand an die Wand des
Zimmers verbannt. Sogar Zane hatte behauptet, sie würde die Spieler
nur ablenken, und obwohl Quinton diesmal nichts darüber gesagt
hatte, daß auch sie ihm Glück brachte, war er ungehalten gewesen,
als sie einen Moment hinausgehen wollte. „Sie bleiben hier, Mrs.
Russell, und halten uns bei Laune", hatte er fast im Befehlston
gesagt, und sie hatte um Zanes willen nachgegeben. Sie hoffte, das
Spiel wäre bald zu Ende. Der Raum war eigentlich für Baccaratspiele
gedacht, das beliebteste Spiel von Leuten mit viel Geld, aber Quinton
bevorzugte das etwas bodenständigere Poker.

Die Stimmung unter den Spieler war gespannt. Dieses Spiel war

mehr als eine bloße Runde unter Freunden, sonst hätte man sich
unterhalten und nicht solche Unmengen Geld eingesetzt. Whitney
bekam fast Bauchweh von dem Gedanken an eine solche
Verschwendung. Mit Quinton und Zane saßen acht Männer am
Tisch. Anfangs war das Glück auf Quintons Seite, aber es war nur
von kurzer Dauer gewesen. Heute, abend war der Gewinn zu
seinem sichtlichen Ärger auf seiten des Hauses.

Ein Ölscheich im Westernlook nahm an dem Spiel besonderen

Anteil. Er hatte in den letzten beiden Runden mit einem Einsatz von
fünftausend Dollar jedesmal über hunderttausend Dollar
gewonnen. Um ihn herum türmten sich die Chips. Anders als der
Mann, der das Haus vertrat, sah man ihm seine Emotionen
deutlich an. Jedesmal, wenn er gute Karten hatte, lachte er und
rieb sich die Hände, die Ringe mit riesigen Edelsteinen
schmückten. Der Scheich fand besonderes Vergnügen daran, sich
über Quinton lustig zu machen.

„Ah, .wollen Sie es nicht mit etwas anderem versuchen? Vielleicht

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haben Sie an den einarmigen Banditen draußen etwas mehr
Glück?" Er lachte schallend über seinen eigenen Vorschlag. Alle
schwiegen. Die Mienen der drei Butler, die unauffällig, aber
wachsam an der Wand standen, blieben unbewegt.

Whitney hielt den Atem an, als sie sah, wie sich Quintons Blick

verfinsterte. Wütend starrte er den Scheich an. „Warum sollte ich mich
mit einem einarmigen Banditen abfinden, wenn ich hier mit einem
spielen kann, der zwei Arme hat?"

Whitney war sicher, daß der Scheich diese Beleidigung nicht auf

sich sitzenlassen würde. Tatsächlich konnte er seinen Ärger kaum
verbergen, als er erwiderte: „Wollen Sie sich mit mir anlegen, Mr.
Quinton?"

Quinton lächelte kalt. „Ich sage nur, was ich sehe."
Da trat einer der Butler vor, um eine drohende

Auseinandersetzung zu verhindern, und legte Quinton eine Hand auf
die Schulter. Als er bemerkte, daß er zu weit gegangen war, zog er
sie erschrocken sofort wieder zurück. Whitney und Zane tauschten
einen Blick.

Quinton schüttelte die Schulter, als läge die Hand des Butlers immer

noch dort, und sah ihn bösartig an. „Holen Sie auf der Stelle den
Manager."

„Sofort, Sir." Der Butler verließ den Raum. Das Spiel wurde

unterbrochen.

Quinton ist trotz seiner kultivierten Art einfach ekelhaft, dachte

Zane. Er blickte zu Whitney hinüber und wünschte, sie wäre nicht so
weit weg von ihm. Niemand sprach. Quinton war sichtlich erregt.
Die anderen am Tisch schienen eher amüsiert oder mitleidig, denn
sie, wußten, daß man Glück nicht zwingen konnte, aber
Aberglaube war eben Aberglaube.

Alle hatten vergessen, warum der Butler überhaupt vorgetreten

war, als der Manager Harry Goodman kam. Er war nie weit weg,
wenn in den Hinterzimmern gespielt wurde, um zu gewährleisten,
daß alle Gäste zufrieden waren. Er sah bleich und überarbeitet aus und
wandte sich sofort höflich an Quinton. Zane bewunderte, wie
Goodman es schaffte, gleichzeitig unterwürfig und autoritär zu
wirken. Goodman verbeugte sich leicht und fragte respektvoll: „Gibt es

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ein Problem, Sir?"

„Ja, in der Tat." Quinton sah den Butler nicht einmal an, der

einige Schritte hinter Goodman stand. „Er hat mich angefaßt. Ich
habe extra darauf bestanden, daß mich während des Spiels niemand
anfaßt."

Angeekelt stand Quinton auf. Die blauen und goldfarbenen Chips an

der Tischkante gerieten ins Wanken und fielen auf den dicken Teppich.
Quintons Pechsträhne hatte ihm inzwischen Verluste von über
einer Million Dollar beschert, wovon ein großer Teil ans Haus ging.
Er war kein guter Verlierer.

„Ich habe heute abend kein Glück mehr. Das Spiel ist beendet."

Goodman wußte, daß Quinton keinen Widerspruch duldete. Der
Versuch, ihn umzustimmen, wäre zwecklos gewesen. Auf Goodmans
Stirn standen feine Schweißperlen.

Whitney hatte Mitleid mit ihm, und gleichzeitig verabscheute sie

Quinton. Wenigstens mußte sie nicht länger bei dem Spiel zusehen.

Zane erhob sich. Er hatte mehr verloren, als er gewonnen hatte, aber

es glich sich in etwa aus. Unauffällig gesellte er sich zu Quinton, der
ihn gar nicht zu bemerken schien. Auch die anderen Spieler hielten
es für besser, es genug sein zu lassen. Die Stimmung für diesen
Abend war verdorben, und man konnte auch morgen noch
weiterspielen.

„Wie Sie wünschen, Sir." Der Manager bedeutete den anderen

Butlern, das Zimmer aufzuräumen. Wenn es ihm nicht bald gelänge,
Quinton wieder zu beruhigen, wäre es unwahrscheinlich, daß er je
wieder im Hotel Zanadu logieren würde. Quinton hatte eine
beträchtliche Summe verloren, und Goodman würde geschickt
vorgehen müssen, um das wieder auszubügeln. Er schob Zane aus
dem Weg und eilte hinter Quinton her.

„Es tut mir sehr leid, Sir, das hätte niemals passieren dürfen. Ich

versichere Ihnen, daß der Mann gemaßregelt wird.“

Quinton blieb stehen und drehte sich auf dem Absatz um. Sein

Blick war so finster, daß Whitney Mitleid mit Sally bekam. „Ich
will, daß er entlassen wird", blaffte er. „Er hat mein Spielglück und
den Abend ruiniert, daher soll er entlassen werden. Habe ich mich klar
ausgedrückt? Obwohl Goodman genauso groß war wie er, wirkte

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- 126 -

Quinton größer. „Nicht versetzt, nicht gemaßregelt. Entlassen.
Und zwar noch heute abend."

„Sir, bitte..."
Quinton war unerbittlich. Nicht einmal die Angst in Goodmans

Augen rührte ihn. Dafür war sein Verlust ein zu großes Ärgernis
gewesen. „Heute abend noch", wiederholte er.

Goodman gab sich geschlagen. „Ich werde dafür sorgen."
Erregt über diese Ungerechtigkeit und entsetzt darüber, daß

jemand wegen eines dummen Aberglaubens seine Arbeit verlieren
sollte, wollte sich Whitney einmischen, aber Zane faßte sie am Arm
und hielt sie zurück. Whitney atmete tief durch vor Ärger, daß
Zane nichts unternahm und nicht einmal wollte, daß sie etwas
tat. Sie hatte nicht gedacht, daß er so feige war.

Quinton entließ den Manager, der froh war, sich zurückziehen zu

dürfen. Dann winkte er Zane zu sich heran. Whitney konnte
spüren, wie Quintons Ärger wieder stieg. „So, und wo waren Sie?"

Zane versuchte, das Beste daraus zu machen. „Genau Ihnen

gegenüber, Mr. Quinton."

Quinton glaubte sich verhört zu haben. „Sie sollten meine

Glücksbringer sein. Vielleicht haben Sie ein bißchen Rost
angesetzt?"

Whitney konnte es kaum fassen. „Sie glauben doch nicht im

Ernst, daß wir Ihnen Glück gebracht haben oder daß dieser
Butler daran schuld war, daß Sie verloren haben!" Für sie lag die
Schuld eindeutig bei Quinton, der anderen die Verantwortung für
seine eigenen Fehler geben wollte. Whitney wußte nicht, was sie
damit auslöste.

„Whit", warnte sie Zane.
Quinton holte tief Luft. „Ich besitze mehr Geld als die gesamte

Bevölkerung von Rhode Island. Ich kann glauben, was ich will." Er sah
die beiden scharf an. „Wenn ein Mann vom Glück verlassen wird, ist
es Zeit für ihn, ein paar, Dinge zu ändern, damit es ihm wieder
wohlgesonnen wird."

Das war eine merkwürdige Theorie, aber Zane wußte, daß

Quinton davon überzeugt war. „Und was wollen Sie ändern?" fragte er
vorsichtig.

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- 127 -

Quintons Blick wurde stahlhart. Dieser Mann wäre zu jeder

Grausamkeit fähig gewesen. „Unsere Abmachung", antwortete er
kühl.

Zane machte sich bereit. „Sie wollen sie lösen?" Es würde ein

schweres Stück Arbeit werden, Quinton wieder umzustimmen. Er
durfte jetzt nicht aufgeben, nachdem er schon so weit gekommen
war.

„Im Gegenteil, ich will sie erweitern." Quintons Blick, schweifte

zu Whitney. „Noch heute nacht."

Whitney verstand nicht. Was ging hier vor? Wie konnten sie

heute noch über Quintons Bauland reden wollen?

Zanes Gedanken überstürzten sich. Er mußte mit Sheridan sprechen.

„Ich habe das Geld nicht hier."

Quinton lächelte kalt. „Das weiß ich bereits. Aber es ist doch

irgendwo, nicht wahr?"

Es entging Zane nicht, daß Quintons Bodyguards näher kamen. „Ja",

antwortete er.

„Irgendwo in der Nähe, nehme ich an." Es war keine Frage, sondern

ein Feststellung.

Zanes Mund wurde trocken. Jetzt kam es darauf an. Er mußte

Whitney irgendwo in Sicherheit bringen. „Ja", sagte er.

Quintons Gesicht verzerrte sich zu einem häßlichen Grinsen.

„Dann sollten Sie es besser holen."

Zane war nicht auf eine Übergabe heute nacht gefaßt gewesen.

Sie waren erst für morgen mittag vorbereitet. Jetzt mußte er sich etwas
einfallen lassen. Er nahm Whitneys Hand. „Gut, ich werde..."

Quintons Hand war schneller. Er packte Whitneys Handgelenk

und zog ihre Hand aus Zanes Griff. „Holen Sie es", sagte er. „Ich passe
inzwischen auf Ihre reizende Frau auf, wenn Sie nichts dagegen,
haben." Er schenkte Whitney ein Lächeln, das ihr durch und durch
ging. „So lange, bis Sie und Taylor mit dem Geld wieder da sind."
Einer der beiden Bodyguards trat einen Schritt vor. „Nicht, daß
ich Ihnen nicht traue, Russell, aber ein Mann in meiner Position
muß gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen, Sie verstehen. Vielleicht
ist das Glück ja immer noch gegen mich."

Whitney versuchte, ihren Arm aus Quintons eisernem Griff zu

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- 128 -

winden, aber es gelang ihr nicht. Sie hatte keine Angst, sondern war
eher verwirrt darüber, in welche Geschäfte Zane da hineingeraten
war. Ihr Mut sank, als sie Zanes verlegenen Blick sah. „Zane, wovon
redet er?"

Zuversichtlich, daß alles nach seinen Wünschen laufen würde, wurde

Quinton wieder etwas freundlicher. „Glück, meine Liebe, es geht
um Glück, von dem mein Reichtum abhängt. Ich will nicht leer
ausgehen." Er gab Taylor Instruktionen. „Bring ihn dorthin, wo er
hinmuß, und laß ihn nicht aus den Augen. In einer Stunde seid ihr
wieder zurück." Dann wandte, er sich an Zane. „Sie haben eine Stunde,
Russell. Danach...“

Quinton brauchte seinen Satz nicht zu beenden. Zane konnte keinen

klaren Gedanken fassen. Er wußte nur, daß er Whitneys Leben in
Gefahr gebracht hatte, genau das also, was er die ganze Zeit dadurch
hatte verhindern wollen, daß er ihr nichts erzählte.

„Wie soll ich wissen, daß ich auch die Ware dafür bekomme,

wenn ich Ihnen das Geld gebe?" entgegnete er.

Quinton wischte seine Frage mit einem kurzen Lachen beiseite.

„Und ich dachte, wir würden Freunde werden. Sie haben mein
Wort, Russell." Er streichelte Whitneys Arm. „Und ich habe Ihres,
nehme ich an." Er sah auf die Uhr. „Und nun schlage ich vor, daß
Sie sich beeilen. Die Zeit läuft."

Warum hatte er es so eilig? Auf ein paar Minuten mehr oder

weniger konnte es Quinton doch nicht ankommen, aber er ließ die
Leute eben gern nach seiner Pfeife tanzen. „Was passiert, wenn
ich es nicht innerhalb einer Stunde schaffe?" fragte Zane.

Quinton lächelte kalt. Langsam bekam Whitney es doch mit

der Angst. „An Ihrer Stelle würde ich solche Fragen nicht stellen",
drohte er. „Es könnte sein, daß Sie die Antwort nicht ertragen könnten.
Wenn ich unglücklich bin, werde ich sehr, sehr unangenehm. Es
wäre ein Jammer, wenn Ihre Frau darunter leiden müßte, aber
diese Entscheidung liegt nicht in meinen Händen."

Zane hätte Quinton vor Wut am liebsten erwürgt. Whitney hielt

es nicht länger aus, im dunkeln zu tappen. „Zane, was ist hier los?"

Zane bemühte sich, sicher zu wirken. „Es kommt alles in

Ordnung, Whitney." Er versuchte noch einmal, vernünftig mit

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- 129 -

Quinton zu reden. „Sehen Sie, sie weiß überhaupt nichts. Lassen
Sie sie mich mitnehmen, wenn ich das Geld hole. Sie können
immer noch Taylor mit uns schicken."

„Was für Geld?" rief Whitney. „Ich dachte, er bezahlt dich!"
Quinton lachte. „Ich glaube, sie weiß wirklich nichts. Sehr

beeindruckend, Russell. Aber sie bleibt bei mir." Er faßte Whitney
fester. „Sehen Sie sie als eine Art Versicherung an. Wenn alles so
läuft, wie es sollte, gibt es keinen Grund, sich Sorgen zu machen.
Wenn nicht..." Er zuckte gleichgültig die Schultern. „Nun, das ist Ihr
Problem. Jetzt rate ich Ihnen, sich zu beeilen. Um diese Zeit ist auf den
Straßen viel Verkehr."

Er winkte dem anderen Bodyguard. „Reese, lassen Sie die

Limousine holen." Dann wandte er sich an Taylor. „Und paß auf,
daß der Fahrer von Zanadu nicht zu weinen anfängt, wenn Russell
zu einem anderen Hotel will. Sie werden hier richtig unruhig, wenn
jemand mit einer Rechnung über fünfzigtausend Dollar auch nur
einen Blick auf ein anderes Hotel wirft. Schlimmer als bei einer
eifersüchtigen Geliebten."

Wie hatte sich Zane nur mit einem solchen Mann

-

einlassen

können? Quinton war der reine Abschaum. Whitney mußte einfach
etwas sagen. „Wie schrecklich für Sie."

Quinton lachte, als er den offensichtlichen Abscheu gegen ihn in

ihren Augen sah. Ihre Wut gefiel ihm. Er hatte Whitney von Anfang
an gemocht. Begehrlich sah er sie an.

Taylor schob Zane voran. „Whitney", rief Zane ihr zu, „es kommt

alles in Ordnung!"

Wie denn? fragte sie sich. Was meinte er überhaupt mit „es"? Nach

vier Tagen wußte sie über Zane und ihr eigenes Leben gerade
soviel wie damals.


Scheinbar sanft schob Quinton Whitney an den Schultern ins

Wohnzimmer seiner Suite. Der Butler schloß leise die Tür, vor der
Reese augenblicklich Stellung bezog.

Whitney sah sich um. „Wo ist Sally?"
„Sie ist schon früher nach Hause abgereist. Ich habe sie

beauftragt, einige Dinge für mich zu erledigen."

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- 130 -

Quinton konnte Whitneys Gedanken lesen und sagte überlegen: „Sie

brauchen keine Angst vor mir zu haben. Außer wenn Ihr Mann
nicht zurückkommt."

„Er wird zurückkehren. Außerdem habe ich keine Angst", sagte

Whitney mutig.

„Tapfer, tapfer. Wir werden sehen." Quinton wies auf die Bar.

„Kann ich Sie für ein Glas Champagner begeistern? Oder trinken
Sie immer noch nur Mineralwasser?" Er lachte. „Oh, ich fürchte, diese
Diskussion hatten wir schon."

Es war Whitney gleichgültig, daß er sich über sie lustig machte,

sie dachte nur an Zane. „Ich glaube, ich hätte gern einen Whisky
Soda." Sie brauchte jetzt einen Drink, um ihre Nerven zu
beruhigen.

Quinton lachte erfreut. „Sie überraschen mich, meine Liebe. Ich

glaube, daß Ihnen ein leichter Wein besser bekäme."

Whitney hob abweisend den Kopf. „Sie wissen überhaupt nichts

von mir. "

„Im Gegenteil, meine Liebe, ich weiß alles, was ich wissen muß."

Er hob sein Glas und prostete ihr zu.

Die Ironie daran ist, dachte sie, daß er wahrscheinlich wirklich

mehr über mich weiß als ich selbst.

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- 131 -

14. KAPITEL


Whitney saß angespannt auf dem, Sofa und versuchte zu begreifen,

was vor sich ging. Sie hielt ihr Scotchglas umklammert und dachte,
daß es eine Erklärung für alles geben müsse. Der Drink half nichts,
ihre Kehle war wie ausgetrocknet. Sie schluckte, bevor sie fragte:
„Sie haben gar kein Bauland, das Sie erschließen lassen wollen,
stimmt’s?"

Quinton spielte gern mit Leuten. Es machte ihm Spaß, Whitney

zappeln zu lassen. „Im Gegenteil, Mrs. Russell, ich habe sehr viel
Land, bebautes wie unbebautes." Er stand auf und goß sich noch
einen Drink ein. „Außerdem mache ich noch lukrative Zinsgeschäfte
hier und in Europa.“

Er stand hinter ihr. Whitney widerstand der Versuchung, sich zu

ihm umzudrehen. Es war seine Absicht, immer im Mittelpunkt zu
stehen, aber das wollte sie ihm nicht mehr gönnen. „Wo in Europa?"
fragte sie.

Quinton trank sein Glas in einem Zug leer. „Suchen Sie sich ein Land

aus. Wissen Sie, ich bin überall gern gesehen und kann tun, was
und wann ich es will."

Er war so unglaublich selbstgefällig. Whitney überlegte, ob sie

eine Chance hatte, zu entkommen, wenn sie ihm weiterhin das
Gefühl vermittelte, er hätte sie unter Kontrolle. Vielleicht würde er
unaufmerksam werden. Kontrolle? dachte sie. Er hatte sie in seiner
Macht. Sie durfte jetzt nicht die Nerven verlieren. Was machte er da
hinter ihr? Whitneys Rücken schmerzte vor Anspannung. Sie sah
starr geradeaus auf den Brunnen. „Worum geht es hier in
Wirklichkeit?"

Quinton lachte amüsiert. „Sie wissen es tatsächlich nicht, oder?"
Whitney kam sich vor wie eine Närrin. Wie konnte Zane sie in so

eine Lage bringen? Aber es half nichts, sie mußte selbst damit fertig
werden. Sie konnte ihren Zorn kaum verbergen, als sie fragte:
„Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Sie bäte, es mir zu
erklären?"

„Ausmachen?" Quinton wollte sie noch ein wenig hinhalten. „Nein,

ich glaube nicht. Es wäre nicht schlimm, wenn Sie es wüßten." An-

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- 132 -

erkennend sagte er: „Russell kann besser dichthalten, als ich dachte.
Jeder andere Mann hätte Ihnen spätestens im Bett längst alles
erzählt." Er stand nahe hinter ihr und flüsterte ihr leise ins Ohr: „Dort
waren Sie doch zusammen, im Bett, nicht wahr? Ich wette darum."

Er bemerkte, daß Whitney zusammenzuckte, und genoß es. Quinton

schenkte sich nach und kam langsam wieder in Whitneys
Blickfeld zurück. Den Abscheu in ihren Augen faßte er als eine Art
Kompliment auf. Wer ihn haßte, fürchtete ihn auch, und das war
immer sein Ziel.

Er kniff die Augen zusammen, während er sie begehrlich ansah. „Bei

diesem außergewöhnlichen Charakter und diesem festen
hübschen Körper verwandeln Sie sich im Schlafzimmer sicher in
eine sehr leidenschaftliche Frau." Er schob die Zunge zwischen die
Zähne und sah sie an. „Wir sind allein. Warum geben Sie mir
nicht einen Vorgeschmack? Vielleicht bin ich sogar so nett und
erzähle Ihnen ein paar Geheimnisse."

Whitney blieb steif sitzen und versuchte, ihre Angst zu bezähmen.

Ekelerfüllt sah sie ihn an. „Soviel wollte ich eigentlich nicht wissen."

Er lachte, eher amüsiert als beleidigt, denn er wußte, daß er sich

ihrer jederzeit entledigen konnte, doch vorher wollte er noch ein
wenig mit ihr spielen. „Sie lügen. Ich weiß, daß Sie vor Neugier
platzen." Er setzte sich neben sie und legte einen Arm hinter ihr auf
die Lehne, so daß sie nicht wegrutschen konnte. „Trotz meiner
Verluste heute abend bin ich in Spendierlaune. Vielleicht liegt es an
Ihrer Gesellschaft."

Quinton stellte sein Glas auf dem, gläsernen Tisch vor der Couch

ab und legte eine Hand auf Whitneys. Sie schauderte vor Ekel. Er
zog ihr bereits mit den Augen die Kleidung aus. Abrupt zog sie
ihre Hand zurück. Der Blick, den Quinton ihr zuwarf, machte
Whitney klar, daß dieser Mann imstande war zu töten, ohne sich
darüber auch nur einen Gedanken zu machen. Sie wäre verrückt,
wenn sie ihn herausforderte.

„Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzählte, daß Ihr Mann

ein Drogenhändler ist?"

Die Frage traf Whitney wie ein Schlag ins Gesicht. „Ich würde

sagen, daß ich Ihnen nicht glaube."

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- 133 -

Quinton zuckte die Schultern und trank sein halbleeres Glas aus. „Ob

Sie es glauben oder nicht, ändert nichts daran, daß es wahr ist.“

Quinton wollte sie bestimmt nur verunsichern. Es machte ihm

offensichtlich Spaß, andere zu quälen. „Zane ist ein
Immobilienmakler", beharrte Whitney.

Russell hatte seine Spuren gut verwischt, stellte Quinton fest.

Einen Mann wie ihn könnte er gut gebrauchen. Vielleicht würde
er e s sich doch noch anders überlegen, aber darüber konnte er
später nachdenken. Erst einmal wollte er dieser jungen Frau die
Illusionen rauben. „Er ist ein Lügner. Leute von seinem Schlag
lügen, betrügen, stehlen und verkaufen ihre eigene Familie für ein
Butterbrot." Quinton sah sich u m und erinnerte sich daran, wie er es
so weit gebracht hatte. „Ich muß es wissen, meine Liebe, denn ich
habe es auch so gemacht." Er wies mit dem Glas auf die Suite.
„Nicht schlecht für einen kleinen Drogenhändler aus Liverpool,
nicht wahr?" sagte er sichtlich stolz.

Whitney mußte ihn so lange ablenken, bis Zane wiederkam. Er

würde ihr dann sicher alles erklären. „Sie sind Engländer?"

Quinton lächelte leicht. „Ich sehe mich lieber als Weltbürger. Auf der

Welt kann man überall Geschäfte machen, vorausgesetzt, man hat, was
verlangt wird."

Und Quinton sorgte immer dafür, daß das der Fall war. So wie

jetzt. Er strich mit dem Finger über ihren bloßen Arm und lachte,
als Whitney zusammenzuckte. Sie wird schon noch weich werden,
dachte er. Es war immer so. Und wenn nicht, würde er sie eben so
nehmen. Eine Blondine wäre ihm für heute nacht gerade recht.

„Wie ich sagte, ich bin überall gern gesehen." Verachtung für all die,

die vor ihm dienerten, schwang in seiner Stimme mit. „Aber die
gefährliche Welt da draußen bringt mich immer wieder dazu,
hierher zurückzukehren, um neue Kräfte zu sammeln."

Er ist vollkommen verrückt, dachte Whitney. „Sie sind widerlich.“
Quinton schnaufte verächtlich. „Ihre Meinung ist mir

glücklicherweise egal. Er sah auf die Uhr. „Ihr Mann hat noch knapp
zwanzig Minuten Zeit." Er wollte sehen, wie sich Whitneys Angst
vor ihm langsam steigerte, weil er mit ihr tun konnte, was ihm gefiel.
„Oder glauben Sie, daß er e s sich anders überlegt hat? Daß er Taylor

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- 134 -

entwischt ist und sich aus dem Staub gemacht hat?"

Quinton sah, daß seine Frage auf fruchtbaren Boden gefallen

war, obwohl Whitney sich gegen diesen Gedanken wehrte. „Das
würde bedeuten, daß ich weiterhin die Gewalt habe", fügte er
hinzu.

Whitney warf den Kopf zurück. Zane mußte zu ihr zurückkommen.

Er würde sie nicht einfach so Quinton überlassen. Aber wieviel
wußte sie wirklich von Zane? „Worüber?"

Diese Frau hatte wirklich Mut. Mehr als er jemals angenommen

hätte. Quinton sah voraus, daß sie sich wie eine Wildkatze wehren
würde, und er freute sich schon darauf. „Über Sie."

Whitney fühlte, wie sich die Schlinge um sie zusammenzog. Sie

durfte nicht panisch werden, sondern mußte sich schnell etwas
einfallen lassen. „Soweit ich weiß, ist die Sklaverei bereits seit
längerem abgeschafft."

Ihr Duft erregte Quinton schon die ganze Zeit. Sie reizte ihn von

Sekunde zu Sekunde mehr. Er rückte näher. „Es gibt verschiedene
Arten der Sklaverei, meine Liebe. Man kann Sklave einer Sache
sein." Er spielte mit ihrem Haar. „Oder einer Frau."

Whitney stand auf. „Oder Sklave eines Aberglaubens."
Statt wütend oder verlegen zu werden, lachte Quinton nur. Daß er es

so weit gebracht hatte, hatte er nur der Tatsache zu verdanken, daß er
sich an seinen Aberglauben gehalten hatte. „Gut gekontert. Wir
werden ja spätestens in zwanzig Minuten sehen, ob Sie es geschafft
haben, Ihren Mann zu Ihrem Sklaven zu machen oder nicht. Oh,
Pardon", sagte er, als wollte er scherzen, „es sind nur noch siebzehn
Minuten. Wie die Zeit vergeht, wenn man sich amüsiert! Aber das
wissen Sie sicherlich selbst, Mrs. Russell." Quinton spielte mit dem
Saum ihres Kleides. „Wollen Sie sich nicht ein wenig amüsieren?"

Whitney riß ihren Kleidersaum aus seinen Fingern. Es ärgerte

sie maßlos, daß sie sich so eingesperrt und hilflos fühlte. Energisch
hängte sie sich die Handtasche über die Schulter. „Was wissen
Sie, überhaupt von ihm? Von Zane? Was wissen Sie von ihm?"

Quinton genoß es, die Lügen, die Zane Whitney erzählt hatte,

aufzudecken. Er tat, als müßte er überlegen. „Alles, was ich wissen
muß. Er ist dafür bekannt, daß er nur Kokain von bester Qualität

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- 135 -

verkauft. So haben sich unsere Wege gekreuzt."

„Sollte mich das beeindrucken?" Whitney, hielt immer noch ihr

Glas in den Händen und betrachtete eine Vase, die ein paar Meter
entfernt stand.

„Ja", erwiderte er und erriet, was sie vorhatte. „An Ihrer Stelle

würde ich sie nicht hinunterwerfen. Ich bin zweifellos schneller
als Sie, außerdem wäre es schade um das gute Stück."

Whitney wurde übel. Sie wollte Quinton nicht glauben. Vielleicht war

alles gelogen. Es mußte einfach so sein. Aber wenn sie nachdachte, er-
klärten Quintons Worte, warum Zane so oft Ausflüchte gebraucht
und auf alle ihre Fragen nur ausweichend geantwortet hatte. Er
hatte sich benommen, als hätte er etwas zu verbergen. Sie preßte die
Lippen aufeinander und sah auf ihren Ehering. Die Diamanten ver-
schwammen vor ihren brennenden Augen. Sie war mit. einem Mann
verheiratet, der sich als Abschaum herausstellte. Nein! schrie es in
ihr. Das konnte nicht wahr sein! Quinton log bestimmt. Es gab
sicher eine andere Erklärung. Oder doch nicht?

Quinton sah, daß sie verunsichert war. Als er aufstand und zu

ihr ging, rührte sich Whitney nicht. Fast freundlich sagte er: „Jetzt
verstehen Sie, nicht wahr? Sie wissen genau, daß ich Ihnen die Wahrheit
sage. Sie sind nicht die erste Frau, die von ihrem Mann betrogen
wurde. Ich könnte Ihnen zeigen, wie Sie sich rächen können."

Whitneys Lebensgeister kehrten zurück. Das war es also, was er

vorhatte. Er wollte sie gegen Zane aufbringen und dann mit ihr ins
Bett gehen. Whitney schüttete ihm den Inhalt ihres Glases ins
Gesicht.

Quintons Züge verwandelten sich unvermittelt in eine wütende

Grimasse. Whitney sah das Zornesleuchten in seinen Augen und
spürte gleichzeitig einen Schlag im Gesicht, der sie rückwärts taumeln
ließ. Sie schmeckte Blut. Der Ring an seiner Hand hatte ihr die
Wange aufgerissen.

Quinton wollte sich auf sie stürzen. „Du dreckiges Miststück!" In

dem Augenblick, als er wieder zuschlagen wollte, öffnete sich die Tür.
Quinton hielt inne. „Klopft gefälligst an!" brüllte er.

Taylor sah erstaunt von Quinton zu Whitney. „Ich habe ihn

zurückgebracht."

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Die Wut auf Quintons Gesicht war nichts im Vergleich zu Zanes,

als er zu Whitney eilte. „Was, zum Teufel, machen Sie mit ihr?" Er
würde diesen Schweinehund mit seinen bloßen Händen umbringen,
egal, was es für Folgen hätte.

Quinton brachte sich wieder unter Kontrolle und trocknete sich

mit einem Taschentuch das Gesicht ab. Frauen waren es nicht
wert, daß man sich über sie aufregte. „Ich wollte ihr die
unerwartete Dusche heimzahlen."

Zane untersuchte die Wunde auf Whitneys Wange. Er kam sich

vor wie ein Schwein, weil er sie allein gelassen hatte. „Bist du in
Ordnung?"

Whitney wußte nicht, ob sie sich Zane an den Hals werfen oder

lieber vor beiden Männern davonlaufen sollte. Sie glaubte immer noch
an Zanes Unschuld, aber sie traute ihren Gefühlen nicht mehr.
Wenn sie von Anfang an auf ihren Verstand gehört hätte, wäre sie
vielleicht nie in diese Lage geraten.

„Ich weiß nicht." Sie sah Zane an und hoffte im stillen, daß sich alles,

was Quinton ihr erzählt hatte, als Lüge herausstellen würde. Zane
begriff, daß sie es wußte. Zumindest glaubte sie, es zu wissen. Er hätte
ihr erzählen müssen, was los war, aber jetzt war es zu spät.

„Das ist ja alles sehr ergreifend", bemerkte Quinton, „aber Sie

langweilen mich." Er verlor langsam die Geduld und starrte auf den
kleinen schwarzen Aktenkoffer, den Zane festhielt.

Quinton wandte sich an den Bodyguard. „Hat er das Geld?" Der

breitschultrige Mann nickte. Russell hatte ihm den Inhalt des Koffers
nicht gezeigt, aber was sollte anderes darin sein, wenn Zane ihn in
einem Hotelsafe aufbewahren ließ?

„Gut." Quinton drehte sich zu Zane um. Nein, er würde ihn nicht für

sich arbeiten lassen, entschied er. Einen Partner zu haben
bedeutete immer, daß jemand darauf wartete, die Zügel zu
übernehmen, oder darauf, daß jemand starb. Quinton hatte weder
das eine noch das andere so bald vor. „Dann nehme ich es."

Mit begehrlichen Blicken faßte er nach dem Koffer. Zane ließ ihn

nicht los und legte einen Arm fest um Whitney. Die Tür war nur
drei Meter entfernt, aber sie hatten Quinton und zwei Bodyguards
gegen sich. Das Arbeitszimmer mit dem Fenster zum Meer war

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weiter weg, stellte aber ihre einzige Chance dar.

„Wo ist das Kokain?" fragte Zane.
Quinton war mit seiner Geduld am Ende. Er lächelte bösartig.

„Oh, das tut mir leid. Habe ich Ihnen das nicht mitgeteilt? Es gab
eine kleine Änderung. Wegen des Verlusts beim Spielen heute
abend habe ich beschlossen, alles zu behalten. Meine Drogen und
Ihr Geld. Sie haben mich enttäuscht." Er breitete die Arme aus. „Pech
für Sie, leider. Wenn Sie mir keine Schwierigkeiten machen, lasse
ich Sie vielleicht gehen."

Taylor griff nach der Waffe unter seinem Jackett. Zane hoffte

nur, daß Whitney nicht von dem, was jetzt kommen würde, überfordert
sein würde. „Gut lenkte er ein, „keine Schwierigkeiten. Das ist es
nicht wert."

Er trat auf Quinton zu, als wollte er ihm den Koffer übergeben,

dann rammte er ihn ihm unvermittelt in den Bauch. Quinton war
auf den Angriff nicht gefaßt gewesen und fiel rückwärts gegen
Taylor. Aus der Waffe, die Taylor schon fast aus dem Schulterhalfter
gezogen hatte, löste sich ein Schuß. Taylor schrie überrascht auf
und fiel leblos zu Boden. Eine rote Blutlache breitete sich unter ihm
aus. Zane sah nicht hin, sondern packte Whitney am Handgelenk
und zerrte sie mit sich zum Arbeitszimmer. „Lauf schnell! Lauf!"
schrie er.

Whitney stolperte hinter ihm her. Zane stürzte mit ihr in das Zimmer,

warf die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel um. Ihm war
klar, daß sie hier nicht lange in Sicherheit sein würden.

Whitney zitterte. Alles, woran sie sich in den letzten Tagen

geklammert hatte, war wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Sie
starrte Zane fassungslos an. „Er hat wirklich nicht gelogen. Du bist
ein Rauschgifthändler."

Zane hatte keine Zeit, ihren Irrtum klarzustellen. „Darüber reden

wir später, ja?" Er packte einen Stuhl und schlug damit die
Fensterscheibe ein. „Los, wir müssen hier raus."

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schob er sie durch das zer-

brochene Fenster. Er hörte Schüsse hinter sich, und im nächsten
Augenblick flog die Tür weit auf. Zane duckte sich und hechtete
hinter Whitney nach draußen. Eine Kugel verfehlte ihn knapp. Zane

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rappelte sich hoch und riß Whitney die Handtasche weg. Sie konnte ge-
rade noch sehen, wie er einen kleinen Revolver aus der Tasche zog.

Er hatte darauf bestanden, daß sie diese Handtasche mitnahm, bevor

sie ins Casino gegangen waren. Whitney hatte sie den ganzen
Abend nicht geöffnet. Die ganze Zeit hatte sie nicht gewußt, daß sie
eine Waffe bei sich hatte. Aber Zane hatte es gewußt. Er hatte gewußt,
was passieren würde, und er hatte sie nicht gewarnt. Brachte ein
Mann die Frau, die er liebte, absichtlich in Gefahr? Whitney kam es
vor, als risse man ihr das Herz aus dem Leib. Sie fühlte sich wie in
Trance.

„Lauf, verdammt noch mal!" befahl Zane und zielte auf Reese,

den zweiten Bodyguard. Mehrere ohrenbetäubende Schüsse
krachten, dann fiel Zane plötzlich zu Boden und hielt sich den Arm.
Überall war Blut, sein Blut.

Whitney hörte sich seinen Namen schreien. Ihre Gedanken

überschlugen sich, Bilder tauchten auf und verschwanden wieder, sie
fühlte sich wie in einem wirren Alptraum. Anstatt wegzulaufen,
wand sie Zane den Revolver aus der Hand. Sie hielt den Atem an
und feuerte auf den Mann, der auf Zane geschossen hatte und jetzt
geradewegs auf sie losstürmte. Reese hielt inne und blickte
verwundert auf den roten Fleck auf seiner Brust. Dann sackte er
leblos zusammen.

Erschossen. Sie hatte ihn erschossen. Whitney zwang sich, vor

Entsetzen nicht aufzuschreien. Ihr wurde schwarz vor Augen, und
als sie wieder klar sehen konnte, stand Quinton vor ihr und hielt
ihr eine Pistole an den Kopf.

Er hatte nur wenig Zeit, um sich zu rächen, bevor man sie entdek-

ken würde. Danach würde er sich freikaufen, mit Hilfe von Geld und
Erpressung, wie er es schon öfter getan hatte. Darüber machte er
sich keine Sorgen, er war nur wütend. „Sie überraschen mich, Mrs.
Russell. Sie sind mutiger, als ich dachte. Und sogar klüger. Er sah auf
die Waffe in ihrer Hand. „Ich dachte, man hätte Ihre Handtasche
durchsucht."

Taylor hatte Zane zwar vor dem Spiel durchsucht, aber nicht

daran gedacht, daß auch Whitney eine Bedrohung darstellen
könnte. Quinton zuckte die Schultern. „Mein Fehler. Jetzt geben

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Sie sie mir bitte." Er streckte die Hand aus und lächelte, als er sah, daß
Whitneys Hand zitterte.

Whitney. dachte, ihr Kopf müsse platzen. Sie bebte nicht vor

Angst, sondern vor reiner Wut. Ihr Kopf schmerzte so stark, daß
sie Quinton kaum sehen konnte. Vor ihr auf dem Boden lagen
Zane und der tote Bodyguard. Ihr Magen verkrampfte sich, als sie
beide Hände um den Revolver klammerte. Der Lauf zitterte. „Nein",
flüsterte sie heiser.

„Oh, zum Teufel damit!" Einen Sekundenbruchteil vorher sah sie

in Quintons Augen, was er vorhatte. Blitzschnell ließ sie sich zu Boden
fallen. Der Aufprall war so heftig, daß ihr die Waffe entglitt und einige
Meter über den Boden schlitterte. Der Schuß, mit dem Quinton sie
hatte töten wollen, pfiff weit über sie hinweg. Whitney hatte im
selben Moment wie er abgedrückt. Sie hob den Kopf und sah
Quinton auf dem Boden sitzen. Er hielt sich die Schulter. Blut quoll
zwischen seinen Fingern hervor. Aus der Ferne hörte man
Sirenengeheul. Whitney rappelte sich hoch. Der Revolver lag
außerhalb ihrer Reichweite.

Mit seinem unverletzten Arm hob Quinton seine Pistole auf. „Ich

hätte Sie gleich umbringen sollen." Er zielte direkt auf sie.

Sie würde sterben. Whitney schloß die Augen. Sie wollte nichts mehr

sehen. In ihrem Kopf dröhnte es laut, und von weitem hörte sie,
wie sich der Schuß löste. Sie fühlte gar nichts. Als sie die Augen wieder
öffnete, sah sie wie in Zeitlupe, wie sich Quinton vor ihr auf dem
Boden krümmte. „Ich glaube, heute ist ein Tag der
Überraschungen", waren seine letzten Worte.

Erstaunt sah sich Whitney um. Zane stützte, sich hinter ihr auf die

Knie. Er hatte Reese Pistole in der Hand. Whitney lief zu ihm.
Überall war Blut. Stammte alles von ihm? Sie half ihm auf und stützte
ihn. „Bist du okay?"

Zane wollte sie an sich ziehen, um sich zu vergewissern, daß sie in

Sicherheit war. „Mir ging’s schon mal besser", murmelte er. „Und dir?"

Whitney konnte nur benommen nicken. „Mir geht’s gut." Sie sah

Zane in die Augen. „Zane, ich kann mich wieder erinnern. An
alles."

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15. KAPITEL


Nach kurzer Zeit waren sie von einer lärmenden Menschenmenge

umringt. Whitney erschrak, aber als sie sah, daß es nicht Quintons
Leute, sondern ihre waren, entspannte sie sich wieder. Ein
dunkelhaariger Mann, den Whitney als den Kellner erkannte, der
Zane am Pool den Anruf ausgerichtet hatte, erschien als erster.
Adams hieß er, glaubte sie. Er war neu im Justizministerium. Sie
war fünf Jahre länger als er dort, um genau zu sein, fünfeinhalb.

Hinter Adams kamen andere. Innerhalb von Minuten standen überall

Streifenwagen und eine Ambulanz. Im Hintergrund sah Whitney,
daß der Hotelmanager von einem Polizisten zurückgehalten
wurde. Er machte keinen besonders glücklichen Eindruck. Kein
Wunder, dachte Whitney. Goodman hatte einen seiner vermögendsten
Spieler verloren und saß nun auf einer Rechnung von über einer
Million, die er niemals bezahlt bekommen würde.

Whitney erkannte noch andere Gesichter in der Menge. Die Männer

in Zivil gehörten alle zum gleichen Einsatz. Ihrem Einsatz, ihrem
und Zanes. Sie hatten zwei Jahre dafür geplant und sechs Monate
mit der Durchführung verbracht. Sie wollten einen der
hintertriebensten Rauschgifthändler der Westküste überführen,
einen Mann, der bis vor zwei Jahren seine Spuren perfekt
verwischt hatte und durch seine gesellschaftliche Stellung und
einflußreiche Freunde einer Festnahme immer wieder entgangen war.
Dann hatte ihn das Glück verlassen. Ausgerechnet seine
Glücksbringer waren sein Verderben, gewesen.

Bill Sheridan, für den Whitney und Zane arbeiteten, beugte sich über

Quinton. Er legte zwei Finger an Quintons Halsschlagader und
schüttelte den Kopf. Es wäre ihm lieber gewesen, Quinton hätte
noch gelebt, aber sein Tod hatte auch sein Gutes. „Na, ihr zwei habt den
Steuerzahlern ja einiges erspart. Vor Gericht muß er jedenfalls nicht
mehr."

Zane lehnte immer noch an Whitney. Sheridan winkte einen

Sanitäter herbei. „Hierher!" Er mußte schreien, um in dem Lärm
verstanden zu werden. „Euer Glück, daß Adams Sie gesehen hat, als
Quintons Bodyguard mit Ihnen aus dem Gebäude kam", sagte er zu

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- 141 -

Zane. „Er ist euch im Auto gefolgt und hat mich angerufen, so daß
ich Verstärkung anfordern konnte."

Zane nickte. Er hörte nur mit halbem Ohr zu. Sheridan drehte

sich ungeduldig um. „Ich sagte hierher. Jemand ist verletzt."

„Es geht schon wieder", erklärte Zane und lächelte matt. Seine

Schulter brannte wie Feuer, aber er hatte an anderes zu denken.
Whitney hafte ihr Gedächtnis wieder. Es war nicht seine Absicht
gewesen, sie selbst darauf kommen zu lassen, daß er ihr, ohne sie zu
warnen, die Wahrheit verheimlicht hatte.

Zane sah sie an. Whitney war blaß. „Du erinnerst dich an alles?" fragte

er und hoffte, daß die Lage nicht so düster für ihn aussah, wie er
vermutete.

Whitney war von Wut und Scham erfüllt. Zane war schuld daran. Sie

hatte ihm vertraut. Wie hatte er sie so betrügen können? Wie
konnte er es zulassen, daß sie mit ihm schlief, wenn sie gar nicht
wußte, was sie tat? Wenn sie nicht einmal ganz bei Verstand war?
Sie blickte ihn nicht an. „An alles."

Sheridan schien erleichtert. „Das heißt, Ihr Gedächtnis ist wieder

in Ordnung? Ich habe mir wirklich Sorgen um Sie gemacht."
Wenigstens Sheridan freute sich. Zane hätte sich ohrfeigen
können, daß ihm das nicht eingefallen war.

„Ja, alles wie früher." Whitney wechselte das Thema. Sie wollte nicht

über ihren Gedächtnisverlust oder die Dummheiten sprechen, die sie in
ihrem Dämmerzustand begangen hatte. Es war schon so schlimm
genug für sie. Sie nickte zu Quintons Leiche hinüber. „Das Kokain
haben wir nicht bekommen. Wir hatten gar keine Gelegenheit zu
einer Übergabe. Quinton wurde nach seinem Verlust beim Spielen
ungeduldig und wollte alles für sich behalten. Einschließlich mir."

Sheridan nickte verständnisvoll. „Das kann man ihm nicht

einmal übelnehmen.“

Normalerweise ließ Whitney gern mit sich scherzen. Es war ein

Grund dafür gewesen, weswegen sie in der Gruppe, die
vornehmlich aus Männern bestand, so beliebt war, aber jetzt
ignorierte sie die Bemerkung ihres Vorgesetzten. Je weniger sie an
diese Unternehmung dachte, desto besser. Am liebsten hätte sie die
ganze Geschichte schon hinter sich gehabt. Sie fuhr fort, als hätte

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- 142 -

Sheridan gar nichts gesagt.

„Ich nehme an, daß wir also dem Ungeheuer wieder mal nur

einen Kopf abgeschlagen haben." Sie hatten darauf gehofft,
Quinton als Kronzeugen gewinnen zu können, indem sie ihm
Strafmilderung in Aussicht gestellt hätten. Diese Hoffnung hatte
sich jetzt zerschlagen. Manchmal schien es ihr, als kämpften sie
gegen eine unbesiegbare Übermacht.

Whitney sah zu, wie zwei Sanitäter eine Plane über Quinton

breiteten, ihn auf eine Trage hoben und fortbrachten, und sagte zu
Sheridan: „Ein anderer wird seine Stelle einnehmen, wenn wir wieder in
Los Angeles sind."

Aber Sheridan konnte sie aufmuntern. „Vielleicht nicht sofort.

Wir haben mehr, als Sie denken." Es hatte sich ausgezahlt, daß das
Hotel dank der Abhörgeräte, die Zane und Whitney überall
installiert hatten, unter ständiger Beobachtung gestanden hatte.
„Wir haben Quintons Geliebte geschnappt. Sie wollte gerade in ein
Flugzeug nach New York einsteigen." Sheridan wirkte sehr
zufrieden. „Nach einem langen Gespräch mit ihr sieht es jetzt so
aus, als wolle sie gegen die Zusicherung von Straffreiheit
auspacken." Er lachte und rieb sich die Hände. „Außerdem ist sie
viel schlauer, als Quinton offensichtlich vermutet hatte. Ich glaube
nicht, daß er sich mit ihr abgegeben hätte, wenn er gewußt hätte,
wie genau sie über seine wahren Geschäfte Bescheid wußte.

„Nein", pflichtete Zane ihm bei. „Er mochte dumme Frauen."

Er warf einen Blick zu Whitney. „Anwesende natürlich
ausgenommen."

Whitney konnte immer noch nicht vergessen, daß Zane seinen

Vorteil ausgenutzt und mit ihr geschlafen hatte. „Stimmt."

Sie machte sich nicht über sich selbst lustig. In Whitneys Ton

hörte Zane eine Distanziertheit, die er von früher nicht kannte. Er
wollte mit ihr reden, um ihr alles zu erklären und dort wieder
anzufangen, wo er vor seinem Fehler aufgehört hatte. „Whitney..."

Endlich kam einer der Sanitäter zu Zane herüber. Whitney trat

zur Seite. Sie wollte nicht hören, was Zane zu sagen hatte, denn
es gab nichts, was er hätte erklären können. „Laß dich
untersuchen. Du blutest immer noch." Whitney wandte sich an

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- 143 -

Sheridan. „Wollen Sie den kompletten Bericht gleich?"

Sheridan schüttelte den Kopf. Sie sah sehr erschöpft aus. Danach zu

schließen, was passiert war, mußte es eine äußerst aufregende
Nacht gewesen sein. „Das hat Zeit bis morgen. Warum ruhen Sie
sich nicht ein wenig aus?"

Whitney strich sich durchs Haar. „Ja, Sie haben recht." Sie

wollte wenigstens unter die Dusche gehen. Todmüde ging sie
zum Hotel zurück, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Zane schob den Sanitäter beiseite, der immer noch mit ihm beschäftigt

war. „Nur einen Moment."

„Aber Ihr Arm ...", protestierte der Sanitäter. Zane achtete nicht auf

ihn. Der Verband konnte warten, Whitney nicht. „Whitney!" rief er und
stürzte hinter ihr her.

Eigentlich wollte Whitney nicht mit ihm reden, aber sie blieb

stehen, um eine Szene vor allen Leuten zu vermeiden. Steif blickte sie
geradeaus. „Was gibt’s?"

Sie drehte sich nicht um, lief aber auch nicht davon. Vielleicht

war das ein gutes Zeichen. Zane hielt den schmerzenden Arm an die
Seite gepreßt und eilte zu ihr. Als er sie erreicht hatte, war ihr Blick kühl
und distanziert, als ob sie seinen Anblick kaum ertragen könnte. Zane
konnte es ihr nicht verdenken. Sein Mund war trocken. Wenn er
überhaupt noch eine Chance hatte, wäre es das Beste, ihr gleich die
Wahrheit zu sagen. „Whit, ich weiß nicht, wie ich dir das erklären
soll."

Sie sah ihn unbewegt an. „Offensichtlich. Das hast du ja schon

bewiesen. Und wenn ich du wäre, würde ich mich wieder zu dem
Sanitäter begeben, es sei, denn, du willst deine Ehrung
entgegennehmen, nachdem du verblutet bist."

Zane würde nicht sterben, jedenfalls nicht an der Fleischwunde,

die Quinton ihm verpaßt hatte. „Whit..."

Sie wollte nichts hören. Sie hatte sich wie ein Närrin benommen, und

er war schuld daran. Whitney wollte sich irgendwo verkriechen
und sterben. „Wir sehen uns nachher", sagte sie und eilte davon.
Das Geräusch ihrer Absätze verhallte in der Stille der Nacht.

Hinter Zane tauchte Sheridan auf und sagte nachdenklich: „Sie

sieht nicht gerade so aus, als wäre sie eben erst knapp dem Tod

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- 144 -

entkommen."

Zane wollte Sheridan nicht ins Vertrauen ziehen. „Es geht um

etwas anderes."

Sheridan zog die Brauen hoch. „Probleme?" fragte er.
Zane sah Whitney nach, bis sie verschwunden war. „Könnte man so

sagen."

Sheridan mischte sich nicht in die Privatprobleme seiner Leute

ein, aber er wollte, daß sie Arbeit und Privatleben streng trennten.
„Bringen Sie das in Ordnung. Am besten noch vor morgen früh." Es
war ein Befehl. „Und lassen Sie sich verbinden. Ich kann es mir
nicht leisten, jemanden zu verlieren. Dafür hat das Justizministerium
zuviel Geld in Ihre Ausbildung investiert."

„Ja, Sir", murmelte Zane und sah in die Richtung, in der

Whitney verschwunden war. Was, zum Teufel, sollte er jetzt
machen?


Zane hatte fast eine Viertelstunde vor der Zimmertür gestanden

und seinen ganzen Mut zusammengenommen. Lieber hätte er noch
einmal auf sich schießen lassen, als Whitney in die Augen sehen
zu müssen. Schließlich war er schuld an allem, was er ihr angetan
hatte. Er überlegte, ob er klopfen sollte, dann nahm er den
Schlüssel.

Whitney erschrak und hob die Hose vom Boden auf, die sie hatte

fallen lassen. Eine schöne Agentin war sie, daß sie sich so leicht
aus der Ruhe bringen ließ. Als wäre sie eine blutige Anfängerin! Ein
Koffer und Kleiderstapel lagen auf dem Bett. Der Kleiderschrank
stand offen und war bis auf das Hochzeitskleid leergeräumt.

Zane versuchte, möglichst lässig zu klingen. „Was machst du?"

Whitney sah zu ihm hin und bemühte sich, kühl zu bleiben. „Das
siehst du doch, oder?" Sie warf ein paar Schuhe in den Koffer. „Ich
packe, damit ich von hier wegkomme. Ich fahre morgen früh, sobald
ich meinen Bericht abgeliefert habe. Jedenfalls soweit ich mich
erinnere, denn ich habe immer noch Lücken, zum Beispiel die, wie
es überhaupt passiert ist, daß ich mein Gedächtnis verloren habe."

„Ich sollte ein Abhörgerät in Quintons Suite anbringen. Du hast

darauf bestanden mitzukommen. Als wir fast fertig waren, kam

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- 145 -

jemand. Wir waren im zweiten Stock in den Schlafzimmern. Der
sicherste Weg nach draußen führte über einen Balkon. Wir waren
fast unten angekommen, als du den Halt verloren hast, die letzten
zwei Meter bis zum Boden hinuntergestürzt bist und dir den Kopf
angeschlagen hast. Du sagtest, alles sei in Ordnung, aber ich habe
dich trotzdem ins Krankenhaus gebracht. Der Arzt fand auch
nichts, aber er hatte sich geirrt. Es war meine Schuld." Zane atmete
aus. „Ich hätte dich nicht mitkommen lassen sollen."

Whitney konnte sich nur schemenhaft erinnern. „Soweit ich

weiß, hast du mir eigentlich nichts zu sagen. Ich bin dienstälter als
du."

Zane hob zwei Finger. „Nur zwei Wochen. Das zählte fast nicht.

Er sah zu, wie sie den Koffer schloß und ihn neben das Bett stellte.
Jetzt oder nie, sonst würde er noch die Nerven verlieren. „Whitney, wir
müssen uns unterhalten."

Sie sah ihn kurz an und konnte es kaum ertragen, daß sie diesen

Mann geliebt hatte und dann feststellen mußte, daß er sie nur
ausgenutzt hatte. „Das finde ich auch", sagte sie kurz angebunden.
„Wenn wir zurück sind, reiche ich einen Antrag auf einen neuen
Partner ein."

Mit ihrer Entscheidung stieß sie Zane vor den Kopf. Sie waren

Partner gewesen, seit er im Justizministerium angefangen hatte. Sie
hatten alle Freuden und Sorgen geteilt und waren die besten
Freunde. Wie konnte sie das alles abtun, ohne wenigstens mit ihm
darüber zu sprechen? „Was?" fragte, er ungläubig.

Whitney würde nicht anfangen zu weinen. Eine Trennung würde

das beste sein. „Nun“ angesichts dessen, was passiert ist, können
wir wohl kaum weiterhin zusammenarbeiten, okay?"

Sie schrieb ihn also einfach ab. Gut, wenn sie es so wollte, bitte, er

würde ihr nicht im Wege stehen. Zane nickte. „Okay, okay",
wiederholte er leise und ging zur Tür. Er brauchte einen Drink,
am besten gleich mehrere.

Als er schon die Hand am Türgriff hatte, drehte er sich plötzlich noch

einmal um. So einfach wollte er sich doch nicht hinauswerfen
lassen. „Verdammt, es ist nicht okay!"

Whitney blickte auf. „Wie bitte?"

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- 146 -

Zane ging zu ihr zurück. „Ich sagte, es ist nicht okay." Seine Stimme

wurde lauter. „Wir sollten uns nicht länger etwas vormachen."

Erstaunt sah sie ihn an. „Wovon redest du überhaupt? Wir

machen uns doch gar nichts vor."

Wenn sie sich früher nahe gewesen waren, dann nur als

Freunde, nicht als Liebespaar. Egal, was Whitney dachte, wenn sie
nachts allein im Bett lag, sie war zu selbstdiszipliniert, als daß etwas
zwischen ihnen hätte passieren können. Er war einfach nur ein guter
Freund. Und jetzt nicht einmal mehr das. Es war Zeit, daß sie
endlich beide ehrlich waren. „Nein?" fragte Zane und blickte sie
durchdringend an. „Ich meine, als wir uns zum erstenmal sahen?
War da wirklich nichts zwischen uns?"

Whitney warf den Kopf zurück und sah weg. „Ich weiß nicht,

wovon du redest."

Zane ging um sie herum, so daß sie ihn ansehen mußte. „Dann

ist dein Gedächtnis noch nicht wieder ganz da."

Whitney biß die Zähne aufeinander. Was sollte das? Was erhoffte er

sich davon? Sie warf den zweiten Koffer auf das Bett. „Oder mit
deinem stimmt etwas nicht."

Zane war überzeugt, daß er sich nicht irrte. „Das glaube ich nicht. Da

war etwas zwischen uns. Jedenfalls von meiner Seite."

„Natürlich." Sie glaubte ihm kein Wort.
„Doch", sagte er so leise, daß sie zu packen aufhörte und sich zu ihm

umdrehte. Sie hätte ihm gern geglaubt, aber es fiel ihr schwer.
„Warum hast du dann nie ein Wort gesagt?" fragte sie.

Die Antwort war einfach. Er hatte vorgefühlt, und sie schien kein

Interesse zu haben. „Ich hatte Angst, ausgelacht zu werden."

So schnell lachte Zane niemand aus. „Von wem denn?"

spottete Whitney. „Den Kollegen?"

„Von dir." Er wußte, daß es so gewesen wäre. „Du hast so hart

gearbeitet, daß ich dachte... nun, ich dachte, du interessierst dich
nicht für mich." Sie hatte eine klare Grenze zwischen ihnen gezogen. Er
hatte sich damit abgefunden, daß es nur Freundschaft war, wußte aber
wenigstens, daß er sich immer auf sie verlassen konnte.

Whitney glaubte ihm kein Wort. „Deswegen hast du dich wohl

mit anderen Frauen getröstet." Sie dachte nach. „Wenn ich mich

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- 147 -

nicht verzählt habe, hattest du in den letzten sechs Jahren acht
Freundinnen."

Keine von ihnen hatte Zane auch nur das Geringste bedeutet.

„Fällt dir daran gar nichts auf?"

Sie konnte ihn nicht mehr ansehen. „Doch, daß du oft deine

Freundinnen wechselst."

Zane packte sie am Arm. „Nein, daß ich nicht die Richtige gefunden

habe. Weil keine von ihnen so wie du war."

Whitney traute ihren Ohren nicht. Wenn sie glauben sollte,

daß... Nein, sie wußte, warum er das sagte. „Wenn du damit
rechtfertigen willst, was hier passiert ist..."

Ist sie wirklich so schwer von Begriff, dachte Zane, oder tut sie

das aus Absicht? „Ich will gar nichts rechtfertigen, ich versuche nur,
dir begreiflich zu machen, warum es passiert ist."

So würde er sich nicht herausreden können. Wenigstens sollte er die

Wahrheit sagen und nicht irgendwelche Geschichten erfinden. Sie hatte
gedacht, er sei ihr Freund. „Ich weiß ganz genau, warum es passiert ist!"
schrie sie. „Weil du endlich eine Gelegenheit hattest, mich
auszunützen!" Sie preßte die Lippen zusammen, um nicht zu weinen.
„Ich habe es dir auch nicht besonders schwer gemacht."

„Soweit ich mich erinnere, hast du dich mir sozusagen an den

Hals geworfen."

Whitney zuckte die Schultern. „Nun, ich..."
Zane ging zu ihr und hob ihr Kinn. In ihren Augen schimmerten

Tränen. Es hätte ihm weniger weh getan, wenn sie ihn geschlagen
hätte. „Ich habe dich nicht ausgenützt."

Whitney schluckte die Tränen herunter. „Wie würdest du es

denn nennen?“

„Ich hatte Glück."
Sie zuckte zurück. Sie hätte es wissen müssen. Mit zitternden Fingern

nahm sie das blaue Nachthemd, das Quinton bei einer
Zimmerdurchsuchung auf die falsche Fährte hatte locken sollen.
Sie hatte es getragen, um Zane zu verführen. Whitney errötete vor
Scham. „Du hast es dir einfach genommen."

„Nein!" Zane riß ihr das Nachthemd aus den Händen und warf es auf

den Boden. „Verdammt, hör auf zu packen, und hör mir zu!"

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- 148 -

Whitney hob das Nachthemd auf, faltete es zusammen und stopfte es

in den Koffer. „Ich kann zwei Sachen auf einmal tun."

„Ich nicht." Zane fluchte und riß Whitney mit seiner unverletzten

Hand zu sich herum. Als er in ihre Augen sah, verrauchte seine
Wut. „Du bedeutest mir schon lange etwas, Whitney", sagte er
sanft. Wie lange wollte sie noch so stur sein?

„Ich weiß, wir sind schließlich befreundet", erwiderte sie.
Sie machte ihn noch wahnsinnig. Er begehrte sie. Zane bemühte

sich, nicht die Beherrschung zu verlieren. „Ja, sind wir. Und a l s
dein Freund möchte ich dir mitteilen, daß dein Partner dich liebt."

Whitney sah ihn verblüfft an. „Was?"
Er wiederholte seine Worte langsam, damit er sicher sein konnte, daß

sie ihn verstand. „Ich liebe dich."

„Das glaube ich dir nicht."
Damit hatte er gerechnet. „Das war immer schon dein Problem.

Immer rennst du davon. Und jetzt schon wieder."

Whitney runzelte die Stirn. Wovon sprach er? „Schon wieder?"
Zane nickte. „Wie am Anfang." Als sie widersprechen wollte, ließ

er sie nicht zu Wort kommen. „Nachdem du dein Gedächtnis
verloren hattest, warst du anders. Immer noch du selbst, aber
anders. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, einfach..:"

„Ich hatte keine Hemmungen, willst du das sagen?" ergänzte

Whitney. Sie hatte ihn ins Bett bekommen und es auch noch
wunderbar gefunden. Aber es war alles ein furchtbarer Irrtum
gewesen.

„Nein", fuhr er geduldig fort, „es war, als hättest du immer schon

ein

.

Licht in dir gehabt, das jetzt endlich brannte."

So kam er ihr nicht davon. Er war sechs Jahre lang ihr Partner

gewesen, und sie wußte, wie gut er mit Worten umgehen konnte.
„Und? Habe ich im Dunkeln geleuchtet?"

„Immer machst du Witze, nur um deine wahren Gefühle nicht zeigen

zu müssen." Zane durchschaute sie. Hinter ihrer abweisenden Fassade
sah er die verletzliche Frau, mit der er geschlafen hatte. „Wovor
hast du Angst, Whitney?"

Sie seufzte und warf das letzte Kleidungsstück in den Koffer. „Du

willst wissen, wovor ich Angst habe? Na gut, ich sag’s dir. Davor,

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- 149 -

daß mir jemand in den Magen tritt. Davor habe ich Angst, denn
das passiert, wenn man liebt: daß dir einer in den Magen tritt und
dann verschwindet."

Sie ließ den Kofferverschluß zuschnappen. Das hatte sie ihm

noch nie gesagt. Nie, wenn er mit ihr über die Frauen in seinem
Leben gesprochen hatte, hatte sie Männer erwähnt, außer einmal
flüchtig jemanden, der ihr offensichtlich einmal sehr wichtig
gewesen sein mußte.

„Du mußt schlimme Erfahrungen gemacht haben."
„Vielleicht."
Zane hatte recht gehabt. Sie hatten sie so sehr geprägt, daß sie

die Zuneigung, die sie von Anfang an für Zane empfunden hatte, weit
von sich geschoben hatte. Wenn sie sie sich eingestanden hätte,
wäre ihre Zusammenarbeit zur Hölle geworden. Sie mochte und
respektierte ihn und hatte ihre gute Zusammenarbeit nicht durch eine
Affäre gefährden wollen, die nicht gutgehen konnte. Sie hatte ihre
Gefühle unterdrückt, und obwohl es ihr oft schwergefallen war,
hatte es sich gelohnt. Jedenfalls hatte sie sich das immer
eingeredet. „Wenn es so wäre", wich sie aus, „habe ich jedenfalls
gelernt, nichts mehr zu riskieren."

Da täuschte sie sich. „Zusammen mit mir hast du täglich etwas

riskiert."

Das war etwas anderes. „Ich habe dich geschützt und du mich.

Gefühle hatten nichts damit zu tun.

Zane glaubte ihr nicht. „Doch", sagte er. „In den vier Tagen, in

denen du von deiner abstrusen Theorie nichts wußtest, warst du ganz
anders, viel freier. Du hast dich benommen, als würdest du mich
lieben." Und er hatte geglaubt, daß es wirklich so war, denn seine
Gefühle waren ebenfalls echt gewesen.

Whitney versuchte herunterzuspielen, was passiert war. „Ich

dachte, du seist mein Mann."

Das kaufte er ihr nicht ab. Das ist keine Entschuldigung. Es gibt

viele Frauen, die ihre Männer nicht automatisch lieben, und durch
deinen Gedächtnisverlust hattest du keinen Grund zu der
Annahme, daß du mich schon vorher geliebt hast. Ich habe ja
sogar immer wieder versucht, dir die Idee auszureden, mit mir zu

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- 150 -

schlafen."

Whitney sah weg. „Um so mehr brauche ich einen neuen

Partner.“

„Warum?" fragte er wütend „Erklär mir das - ich bin etwas

langsam von Begriff."

Whitney atmete tief durch. Warum machte er es ihr so schwer?

Warum konnte er ihre Trennung nicht einfach akzeptieren und es
gut sein lassen? „Weil es kein Zurück gibt."

Zane erkannte, daß sie Angst hatte, große Angst. Sie war so wütend

geworden, weil er bei ihr Gefühle auslöste, vor denen sie Angst
hatte. Seine Wut verschwand und machte einer großen Zärtlichkeit
Platz.

„Das ist gleichgültig", sagte er und strich ihr über die Wange.

„Warum sehen wir nicht nach vorn?"

Wozu sollte das gut sein? „Und sind Geliebte?" fragte sie heiser.
Zane lächelte. „Ich finde, das hört sich gut an."
Unter normalen Umständen hätte sein Lächeln sie erweicht.

„Nun, ich nicht. Was machen wir, wenn es ein Ende hat?"

„Du beendest etwas, das noch gar nicht angefangen hat. Das ist doch

sonst nicht deine Art", sagte Zane. Gewöhnlich war sie diejenige,
die in scheinbar ausweglosen Situationen immer noch einen
Hoffnungsschimmer sah. „Und wer sagt überhaupt, daß es jemals
ein Ende haben wird?"

Was wollte er von ihr? „Du willst doch nicht ewig mein Liebhaber

sein? Gerade du?"

Zane schüttelte den Kopf. „Nein, nicht ewig."
Da, endlich gab er es zu. „Warum reden wir dann überhaupt davon?"

Entnervt hob sie den Koffer vom Bett.

„Weil ich dich heiraten möchte."
Whitney ließ erstaunt den Koffer wieder fallen. „Was hast du da eben

gesagt?"

Zane schob den Koffer mit dem Fuß beiseite, ging zu Whitney

und legte ihr eine Hand um die Hüfte. Er schüttelte den Kopf.
„Neunundzwanzig und hört schon schlecht. Ich hoffe, du hast
deinen Garantieschein noch nicht verloren."

Whitney boxte ihn auf die Brust. Er wußte, daß es nur Spaß

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- 151 -

war, denn wenn sie gewollt hätte, hätte sie ihn wirklich verletzen
können. „Laß den Quatsch, Zane. Was soll das?"

„Ich will sagen, daß ich keinen anderen Partner will. Niemals.

Daß dieses Zimmer bis zum Ende der Woche bezahlt ist und wir
genausogut hierbleiben können. Daß ein phantastisches Hochzeitskleid
im Schrank hängt, das zu schade zum Wegwerfen ist. Ich will sagen..."

Sie unterbrach ihn. „Willst du mich heiraten?" Whitney wußte

nicht, ob sie ihm die Worte in den Mund legte oder ob sie für
sich selbst sprach.

Zane lächelte. „Ja, das auch." Er wollte sie wirklich heiraten.
„Dann sag es."
Er nahm ihre Hand, sah ihr in die Augen und fragte ernst: „Willst

du mich heiraten?"

Whitney reckte das Kinn und sagte gespielt schnippisch: „Na,

ich weiß nicht..."

Zane lachte und zog sie an sich. Seine schmerzende Schulter

spürte er kaum noch. „Sei still und küß mich lieber."

„Wird das jetzt so bleiben, daß du die Befehle gibst?"
Er überlegte. „Nein, manchmal darfst du auch sagen sei still und

küß mich."

In Whitneys Augen schimmerten Tränen, aber diesmal vor

Glück. „Warum tust du’s nicht?" drängte sie.

Zane wollte sich ganz sicher sein. Manchmal konnte man nicht

wissen, was sie wirklich meinte. „Heißt das, du sagst ja?"

Sie umfaßte sein Gesicht zärtlich mit beiden Händen. Er liebte

sie wirklich. Alles würde gut werden, so, wie er es versprochen
hatte. „Wenn du das noch nicht gemerkt hast, mußt du wirklich
noch einiges über mich lernen."

Zane lächelte. „Ich freue mich schon darauf."

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- 152 -

EPILOG


Whitney hätte Zane noch Zeit gelassen, wenn er darauf bestanden

hätte, so trunken vor Glück war sie. Sie wäre schon bei dem Gedanken
an eine Hochzeit mit ihm vollkommen glücklich gewesen, aber Zane
wollte sie so schnell wie möglich heiraten. Er wollte alles, was zu
einer richtigen Hochzeit gehört: Kirche, Blumen, Musik, sogar
Reiswerfen.

„Das macht man nicht mehr", hatte Whitney ihm erklärt, als sie nach

einer langen Liebesnacht erschöpft zusammen im Bett lagen.
„Man nimmt jetzt Konfetti."

„Solange es nicht tödlich ist, kann ich damit leben", hatte Zane

gesagt, bevor er sich wieder auf sie stürzte.

Und so geschah es auch. Zwei Tage später wurden Whitney und Zane

getraut. Vor der Kirche wurden sie jubelnd von einer
unübersehbaren Schar von Freunden und Arbeitskollegen
empfangen, die sie mit Konfetti überschütteten.

Als die weiße Limousine vorfuhr, die sie abholen sollte,

flüsterte Whitney: „Wie hat Sheridan das so schnell organisiert?"
Sie war erstaunt, mit welcher Eile alles arrangiert worden war.

Zane blickte über die Menge zu Sheridan. „Es ist ihm eben

wichtig, daß seine Leute glücklich sind, damit sie gut arbeiten.
Vielleicht erwartet er als Gegenleistung unser erstes Kind."

Whitney lachte und legte die Arme um seinen Nacken. Sie konnte ihr

Glück kaum fassen. „Aber gültig ist die Hochzeit schon, oder?"

Zane lächelte und zog sie an sich. „Versuch nur, dich scheiden zu

lassen, dann wirst du schon sehen, wie

-

gültig sie ist!"

„Vielleicht mach ich das", konterte sie, „in hundert Jahren."
„Das könnte ich verschmerzen."
„Seid still und küßt euch endlich!" rief Sheridan. „Unterhalten

könnt ihr euch später!"

Whitney und Zane kümmerten sich nicht darum. Sie waren viel

zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Dieses Mal gab es keine Zweifel,
keine Sorgen. Alles war echt: ihre Liebe, ihr Glück, einfach alles.

„Ich werde dich glücklich machen", versprach Zane und küßte

sie. „Ich verspreche es dir."

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- 153 -

„Das würde ich dir auch raten, nach allem, was du angestellt

hast", neckte sie ihn und lächelte zärtlich.

Zane hielt sein Versprechen.

- ENDE -


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