Janelle Denison
Gestern noch brav, heute...
Tiffany Sexy 05-1
01/03
Gescannt von almutK.
1. KAPITEL
»Ich brauche eine Frau.«
»Das kann man wohl sagen. Wenn du regelmä-
ßig Sex hättest, dann wärst du bei der Arbeit viel-
leicht nicht so zerstreut.«
Cole Sommers bedachte seinen jüngeren Bruder
mit einem nachsichtigen Blick über seinen Eichen-
holzschreibtisch hinweg. »Haha, sehr witzig, Noah.
Du bist wirklich ein richtiger Spaßvogel.«
Noah lachte. »Hey, ist doch wahr! Sex wirkt wah-
re Wunder. Sieh mich an! Ich bin immer bester Lau-
ne.« Ein mutwilliges Grinsen blitzte in seinem Ge-
sicht auf, sein Markenzeichen. »In Anbetracht dei-
ner Verdrießlichkeit ist es wohl schon eine Weile
her, dass du mal so richtig Dampf abgelassen
hast.«
Cole schnaubte verächtlich. Er lehnte sich in sei-
nem Sessel zurück und ließ die Schultern kreisen.
Insgeheim musste er zugeben, dass er sich in letz-
ter Zeit angespannt und rastlos fühlte. Aber ob das
am Mangel an Sex lag, da war er sich nicht so si-
cher. Eher war es wohl die unglückliche Anhäufung
höchst unbefriedigender sexueller Begegnungen.
Seine letzte Affäre lag jetzt ein halbes Jahr zurück
und war alles andere als umwerfend gewesen. Et-
was Grundlegendes hatte gefehlt… eine gefühls-
mäßige Bindung. In der Folge war Cole ziemlich
wählerisch geworden, wenn es darum ging, sich zu
verabreden, was zu einer eher unfreiwilligen Absti-
nenz geführt hatte.
Das hatte zumindest ein Gutes gehabt. So konn-
te er sich voll und ganz auf seine wahre große Lie-
be konzentrieren, seine Firma. Sommers Investiga-
tive Specialists, eine erfolgreiche Detektei, war ein-
nehmend genug, um ihn Tag und Nacht zu beschäf-
tigen.
»Du bist verdächtig still«, unterbrach Noah seine
Gedanken. »Soll das heißen, dass ich Recht ha-
be?«
»Wohl kaum«, versetzte Cole. »,Love ’em and
leave ’em’ ist dein Motto, nicht meins. Ich schlafe
nicht mit einer Frau, um sie hinterher sofort fallen zu
lassen.«
»Zum Teufel, du schläfst ja nicht mal mit einer.«
Noah streckte die langen, in Jeans steckenden Bei-
ne aus und verschränkte die Hände hinter dem
Kopf. »Das ist das Problem mit dir, Cole. Für dich
kommt die Arbeit vor dem Vergnügen. So ist es
schon immer gewesen.«
»Es ist ja nicht so, als hätte ich nie eine Bezie-
hung gehabt«, widersprach Cole. Doch in einem
hatte Noah Recht: die Hingabe an seine Arbeit.
Schon in sehr jungen Jahren hatte Cole die Last der
Verantwortung auf sich genommen. Er kannte
nichts anderes. Und er beklagte sich auch nicht. Im
Gegenteil. Er liebte seine Arbeit. Jetzt im Alter von
dreiunddreißig Jahren hatte er sich so ziemlich mit
seinem Status als ewiger Junggeselle abgefunden
und war zufrieden mit seinem Leben. Die Arbeit und
andere Verpflichtungen hatten ihn stets völlig in An-
spruch genommen, von der Zeit an, als seine Eltern
sich hatten scheiden lassen. Dann folgten der tragi-
sche Tod seiner Mutter und der schmerzliche Ver-
lust des Mannes, der für ihn immer ein Held gewe-
sen war.
Sein Blick schweifte zu der gerahmten Fotografie
an der Wand. Es zeigte seinen Vater in Polizeiuni-
form. An seiner Seite strahlte ein sorgenfreier Tee-
nager in die Kamera, Cole. Das Foto war Jahre be-
vor Coles Vater bei einem Polizeieinsatz ums Leben
gekommen war aufgenommen worden. Jahre bevor
sich Coles Schicksal in eine völlig unerwartete Rich-
tung gewendet hatte. Coles strenge Arbeitsmoral
resultierte aus schierem Beschützerinstinkt. Für
seine Geschwister und nicht zuletzt auch für sich
selbst. Sein Leben war nicht immer leicht gewesen,
doch er bereute nichts. Er tendierte zu dem Glau-
ben, dass die Vergangenheit ihn zu einem stärke-
ren, besseren Menschen gemacht hatte – wenn
auch zu einem ohne spektakuläres Liebesleben.
»Du erinnerst dich sicher, dass ich mit einund-
zwanzig bereits eine ganze Familie ernähren muss-
te«, erklärte Cole. »Fürs Amüsieren blieb da nicht
mehr viel Zeit.«
Noah wurde sofort ernst. »Du hast mit Joelle und
mir verdammt gute Arbeit geleistet. Und während
der vergangenen zehn Jahre ist es dir gelungen, die
Detektei zu einer florierenden und angesehenen
Agentur aufzubauen. Dir haben wir es zu verdan-
ken, dass wir in Lohn und Brot stehen. Es wird all-
mählich Zeit, auch mal an dich selbst zu denken
und dich den vergnüglichen Seiten des Lebens zu-
zuwenden.«
Cole verzog die Lippen zu einem spöttischen Lä-
cheln. »Ist das deine Antwort auf alles, kleiner Bru-
der?«
»Yeah, auf fast alles«, gab Noah unumwunden
zu. »Spaß ist ein hervorragendes Mittel gegen
Stress. Wetten, dass ich länger lebe als du?«
»Wegen all dem tollen Sex, den du hast?«
»Ich sage dir, Cole«, grinste Noah, »du solltest
wirklich zusehen, dass du mal zum Schuss kommst,
und zwar möglichst regelmäßig.«
Cole seufzte entnervt. »Könnten wir jetzt viel-
leicht etwas anderes diskutieren als mein Sexle-
ben?«
»Dein nicht existierendes Sexleben«, verbesserte
Noah ihn.
»Danke, dass du mich immer wieder daran erin-
nerst.«
»Hey, wir Jungs müssen doch zusammenhalten.
Du hast eine Menge Jahre damit verbracht, dich um
mich zu kümmern, jetzt bin ich an der Reihe.«
Cole bedachte seinen Bruder mit einem strengen
Blick. »Lass uns jetzt bitte zum eigentlichen Ge-
sprächsthema zurückkehren, okay?«
»Sicher doch.« Noah setzte sich gerade hin und
machte eine ernste Miene. »Also, du brauchst eine
Frau und möchtest, dass ich dir eine besorge. Rich-
tig?«
Cole krümmte sich innerlich, da gerade in diesem
Augenblick seine Sekretärin, Melodie Turner, ins
Büro kam. Ihre braunen Augen weiteten sich vor
Erstaunen über Noahs Bemerkung, dann blickte sie
neugierig von einem zum anderen. Besonders Cole
musterte sie mit einem derart eindringlichen Blick,
dass seine Haut anfing zu prickeln.
Er versuchte den Gedanken an Sex aus seinem
Hirn zu verbannen, doch recht erfolglos. In ihrem
klassischen marineblauen Kleid, das ihren Körper
vom Hals bis zu den Waden versteckte, und mit
ihrem ordentlichen Zopf sprühte seine spröde und
tüchtige Melodie nun wirklich nicht gerade vor Ero-
tik. Das zumindest versuchte er sich schon seit Mo-
naten einzureden.
Auf eine frische, natürliche Art war sie durchaus
attraktiv, aber ganz und gar nicht sein Typ. Für sei-
nen Geschmack war sie zu lieblich, zu harmlos. Der
Inbegriff des anständigen Mädchens, dazu be-
stimmt, einen ebenso anständigen jungen Mann zu
heiraten und ein Häuschen im Speckgürtel der
Stadt zu beziehen – plus der statistisch erhobenen
2,5 Kinder und Hund. Nachdem er seine Geschwis-
ter hatte großziehen müssen, war Cole ganz und
gar nicht erpicht darauf, eigene Kinder in die Welt
zu setzen. Er genoss seine Freiheit – zu kommen
und zu gehen, wann es ihm beliebte, bis spät in den
Abend im Büro zu bleiben.
Darüber hinaus war Melodie die Tochter eines
Freundes seines Vaters, Richard Turner, den Cole
sehr respektierte. Er konnte sich nicht vorstellen,
dass Richard begeistert wäre zu erfahren, welche
Fantasien Cole in Bezug auf sein Töchterchen be-
flügelten. Fantasien, die darum kreisten, die Knöpfe
ihres hochgeschlossenen Kleides zu öffnen, um
einen Blick auf die kurvenreiche Figur zu erha-
schen, die er unter dem lose fallenden Stoff vermu-
tete. Ob sie wohl wirklich so feste, üppige Brüste
und lange, wohlgeformte Beine hatte wie in seinen
Träumen? Und trug sie praktische Baumwollunter-
wäsche oder seidige Spitzenwäsche?
Noahs anzügliches Räuspern katapultierte Cole
in die Wirklichkeit zurück. Verdammt, Noah hatte
Recht! Es wurde höchste Zeit, mal Dampf abzulas-
sen, wenn es inzwischen schon so weit war, dass er
sich erotische Gedanken über seine Sekretärin
machte.
Er gab sich alle Mühe, Melodies Anwesenheit zu
ignorieren, während sie den Raum durchquerte und
eine Akte im Regal an der Wand verstaute. Cole
holte tief Luft und richtete seine Aufmerksamkeit auf
Noah. »Also, ich gebe dir jetzt alle Details zum Fall,
damit du keine falschen Schlüsse ziehst«, sagte er
bedeutungsvoll. Er beugte sich vor und schlug die
Akte auf, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Mit
raschem Blick überflog er die Informationen, die er
bis jetzt zusammengetragen hatte. »Unsere Klien-
tin. Elena Russell besitzt ein Geschäft in Pacific
Heights.
Hauptsächlich
verkauft
sie
antiken
Schmuck und seltene Sammlerstücke.«
Noah pfiff anerkennend durch die Zähne. »Pacific
Heights! Eine richtige Nobelgegend! Wie kommt
Elena Russell darauf, ausgerechnet unsere Detektei
anzuheuern?«
Dasselbe hatte Cole sie auch gefragt, wenn auch
in etwas taktvolleren Worten. »Sie wollte jemanden
außerhalb ihrer Kreise, damit auf keinen Fall durch-
sickert, dass sie eine Detektei eingeschaltet hat.«
»Das macht Sinn. Wie heißt das Geschäft?« No-
ahs Schnüfflerinstinkt war erwacht.
»Heritage Estate Sales. Im Laufe der Jahre ist es
Elena gelungen, sich einen äußerst wohlhabenden
Kundenstamm aufzubauen. Die Qualität ihrer Ware
wird hoch geschätzt, und sie gilt als absolut ver-
trauenswürdig und ehrlich… bis jetzt zumindest.«
»Daraus schließe ich, dass jemand versucht, ih-
ren Ruf in den Schmutz zu ziehen.«
»Ja. Und zwar ihr Exliebhaber, Jerry Thornton. Er
ist Immobilienmakler. Elena zufolge hat er ihr einen
wertvollen antiken Ring mit einem fünfkarätigen Di-
amanten geschenkt, dessen Wert auf über zwanzig-
tausend Dollar geschätzt wird. Als ihre Beziehung
endete, verlangte er den Ring zurück. Sie besteht
darauf, dass der Ring ein Geschenk war, doch er
behauptet, Elena habe ihn aus seiner Sammlung
gestohlen. Seine Anschuldigungen hat er ziemlich
lautstark hinausposaunt, so dass Elenas Ruf ernst-
haft Schaden zu nehmen droht.«
Noah rieb sich nachdenklich das Kinn. »Vielleicht
hat sie den Ring ja gestohlen.«
»Vielleicht. Elena behauptet jedoch, es existiere
ein Brief, in dem Jerry ihr den Ring gewissermaßen
als Liebespfand überlässt.«
Noah lachte amüsiert auf. »Ein richtiger Roman-
tiker, was?«
»Romantik ist gar kein Ausdruck für die Bezie-
hung, die die beiden hatten. Ganz offensichtlich hat-
ten sie Spaß daran, sich gegenseitig sehr eindeuti-
ge Liebesbriefe zu schreiben, und in einem dieser
erotischen Ergüsse versprach Jerry Elena den be-
sagten Ring.«
»Vermutlich in der Hitze des Gefechts«, bemerk-
te Noah grinsend. »Ich wette, der Brief ist ver-
schwunden?«
»Volltreffer. Doch sie braucht ihn, um ihre Un-
schuld zu beweisen und ihren Namen reinzuwa-
schen.« Aus den Augenwinkeln beobachtete Cole,
wie Melodie den Aktenschrank schloss und mit ei-
nem Stapel Papiere auf den Schreibtisch zusteuer-
te.
Als sie die Papiere ablegte und einige Unterlagen
heraussuchte, die Cole unterschreiben sollte, stieg
ihm ein verführerischer blumiger Duft in die Nase,
der seine Sinne kitzelte und ihm die Konzentration
raubte. Mit der Hüfte streifte Melodie seinen Arm,
und eine heiße Welle der Erregung durchflutete ihn.
Cole biss die Zähne zusammen und wandte sich
wieder dem Fall Russell zu. »Elena behauptet, der
Brief befinde sich in Jerrys Anwesen, sorgsam ge-
hütet in einem Lederkästchen mit Monogramm, das
sie ihm zum Geburtstag geschenkt hat. Zuletzt hat
sie das Kästchen in der Bibliothek gesehen.«
»Und sie will, dass du in sein Haus einbrichst, um
das Kästchen zu finden?« fragte Noah ungläubig.
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Cole schärfer
als beabsichtigt. Er holte tief Luft, um seinen Puls
zu beruhigen, den Melodies Nähe zum Rasen ge-
bracht hatte. »In zwei Wochen plant Thornton auf
seinem Anwesen eine Wohltätigkeitsveranstaltung
für die oberen zehntausend, und es ist Elena gelun-
gen, zwei Einladungen zu ergattern. Da Thornton
über ihre Anwesenheit sicher nicht begeistert wäre,
ist das die perfekte Gelegenheit für mich, in sein
Haus zu gelangen und nach dem Kästchen zu su-
chen.«
»Klingt nicht besonders schwierig.«
Ja, zumindest dieser Aspekt des Falls ist nicht
allzu kompliziert, dachte Cole. Unglücklicherweise
traf das nicht auf Elenas weiteres Anliegen zu.
Melodie wandte sich zum Gehen, und Cole atme-
te erleichtert auf. »So einfach bleibt es leider nicht.
Ich brauche nämlich eine weibliche Begleitung, eine
weltoffene, erfahrene Frau, die die Rolle der sinnli-
chen Sirene an meiner Seite spielt. Da die Briefe,
um die es geht, von sehr eindeutigem Inhalt sind,
will Elena auf keinen Fall, dass ein fremder Mann
sie liest. Eine Frau soll den Brief finden und lesen,
in dem der besagte Ring erwähnt wird.«
»Ah, jetzt kapier ich.«
Cole klappte die Akte Russell zu. »In Anbetracht
deiner regen Kontakte zum anderen Geschlecht
dachte ich, dass du mir helfen könntest. Wenn’s
geht, würde ich eine Frau vorziehen, die kein kom-
pletter Dummkopf ist.«
»Du willst also Sex-Appeal, Schönheit und Intelli-
genz in einer Person.« Noah verzog die Lippen zu
einem Grinsen. »Mann, du bist wirklich beschei-
den.«
Jetzt erst bemerkte Cole, dass Melodie an der
Tür stehen geblieben war. Ganz offensichtlich hatte
sie seiner Unterhaltung mit Noah gelauscht. In die-
sem Moment bedachte sie Cole mit einem Blick, der
eine weitere Hitzewelle durch seinen Körper jagte.
Ihre Blicke begegneten sich, und Melodie befeuch-
tete sich die Unterlippe mit ihrer Zungenspitze.
Cole ertappte sich bei der Frage, wie diese rosi-
ge Zunge sich wohl auf seinem Körper anfühlen
mochte. Mit aller Macht verbannte er diese verräte-
rischen Fantasien nach ganz hinten in seinem Be-
wusstsein. »Brauchst du etwas, Mel?« wandte er
sich geschäftsmäßig freundlich an seine Sekretärin,
gerade als das Telefon im Vorzimmer zu schrillen
anfing.
Sie schüttelte den Kopf, machte aber keine An-
stalten zu gehen. In ihren großen braunen Augen
lag eine Sehnsucht, die seine Erregung noch stei-
gerte.
»Ähem, das Telefon klingelt«, erklärte er in neut-
ralem Ton, was Melodie endlich dazu veranlasste,
sich aus ihrer Erstarrung zu lösen und ins Vorzim-
mer zu verschwinden.
Noah beugte sich verschwörerisch vor. »Die ist
scharf auf dich«, behauptete er mit gedämpfter
Stimme.
In einer Mischung aus Erstaunen und Verärge-
rung erwiderte Cole: »Um Himmels willen, Melodie
ist meine treue Sekretärin und wie eine Schwester
für mich.«
Noah ließ ein leises, ironisches Lachen hören.
»Nun, ich garantiere dir, dass sie in dir jedenfalls
nicht den Bruder sieht.«
»Wie kommst du darauf?« Cole bemühte sich, so
unbeteiligt wie möglich zu klingen.
»Du siehst es wirklich nicht, hm?« Noah schüttel-
te ungläubig den Kopf. »Verdammt, für einen Top-
Schnüffler bist du manchmal ganz schön blind.«
»Was sehe ich nicht?« hakte Cole nach. Plötzlich
interessierte es ihn brennend, was sein Bruder wohl
beobachtet haben mochte.
»Mal überlegen, womit fange ich am besten an?«
Er hob die Hand und begann an den Fingern abzu-
zählen: »Mel kommt früh, geht als Letzte und be-
sorgt dir etwas zum Lunch, wenn du es nicht
schaffst, deine Mittagspause zu nehmen. Sie bringt
deine Sachen in die Reinigung, erledigt allerlei per-
sönliche Angelegenheiten für dich und steht mehr
als zehn Stunden täglich auf Abruf für dich bereit.
Den Rest kannst du dir selbst zusammenreimen.«
Noah stand auf und fügte mit einem lausbübischen
Grinsen hinzu: »Was die Frau betrifft, die du für den
Job brauchst, werde ich sehen, was ich für dich tun
kann.«
»Danke«, murmelte Cole geistesabwesend, als
Noah sein Büro verließ.
Cole fuhr sich nachdenklich durchs Haar und
vergrub das Gesicht dann in den Handflächen. Er
war völlig erschüttert von dem, was er soeben er-
fahren hatte. Wie hatte er nur die deutlichen Anzei-
chen für Melodies Gefühle übersehen können?
Ganz offensichtlich hatte sein Unterbewusstsein
ihm Scheuklappen verpasst, was Melodie betraf.
Und dabei würde es hoffentlich auch bleiben, denn
er beabsichtigte auf gar keinen Fall, eine heiße Af-
färe mit Richard Turners Tochter anzufangen.
Wenn Cole für seinen Job eine Begleiterin brauchte,
dann war Melodie nur zu begierig, diese Rolle zu
spielen – in jeder Hinsicht. Selbst wenn sie sich mit
einer einzigen Verabredung im Rahmen eines Auf-
trags begnügen musste. Dummerweise hatte sie
nicht den geringsten Schimmer, wie sie ihren Boss
davon überzeugen sollte, dass sie die Richtige für
diesen Job war. Oder, besser gesagt, die Richtige
für ihn.
»Träum weiter«, stöhnte sie und ließ sich depri-
miert auf ihren Schreibtischstuhl sinken. Cole
Sommers, sexy und umwerfend, beherrschte ihre
Träume und Fantasien nun schon seit Jahren. Sie
war sechzehn gewesen, als ihr Vater ihn eines A-
bends zum Dinner mit nach Hause gebracht hatte.
Noch heute erinnerte sie sich ganz genau an die
Schmetterlinge in ihrem Bauch, die bei jedem seiner
Blicke aus diesen samtblauen Augen zu tanzen an-
fingen. Und erst der Klang seiner weichen, tiefen
Stimme! Ihr war jedes Mal ein wohliger Schauer
über den Rücken gelaufen, wenn er etwas gesagt
hatte.
Und jetzt, zwölf Jahre später, übte er immer noch
dieselbe Faszination auf sie aus. Verliebt gab sie
sich ihren Tagträumen hin, während das Objekt ih-
rer Begierde sie nicht beachtete, jedenfalls nicht
über ihre Position als tüchtige, ergebene Sekretärin
hinaus.
Melodie sehnte sich nicht nur danach, von Cole
endlich als Frau wahrgenommen zu werden, sie
hatte die vergangenen zwei Jahre auch nichts un-
versucht gelassen, ihm ihren detektivischen Spür-
sinn zu beweisen. Vom ersten Tag an hatte die Ar-
beit in der Detektei sie fasziniert, und eifrig hatte sie
Cole, Noah und Joelle bei deren Recherchen unter-
stützt – in erster Linie beim Beschaffen von Hinter-
grundinformationen. Sie hatte alles über die Arbeit
eines Privatdetektivs gelernt, was es zu wissen gab.
Jetzt war sie bereit für den nächsten Schritt, bereit,
Cole zu beweisen, dass sie zu mehr taugte als zur
Erledigung des Papierkrams.
Noah kam aus Coles Büro ins Vorzimmer, und
Melodie verscheuchte ihre trübsinnigen Gedanken.
Sie beugte sich über ihren Schreibtisch und gab
sich beschäftigt.
»Hey, süßes Weib.« So nannte Noah sie schon
seit ihrem ersten Tag in der Agentur. »Morgen bin
ich den ganzen Tag unterwegs, falls du mich also
für irgendetwas brauchst, pieps mich einfach an.«
Melodie schenkte ihm ein warmherziges Lächeln.
Sie hatte Noah schon immer gern gemocht. Er war
einer jener Männer, die über reichlich Charisma ver-
fügten und die Frauen liebten. Ein richtiger Sonny-
boy. Doch über schwesterliche Zuneigung waren
ihre Gefühle nie hinausgegangen. »Mach ich.«
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Es ist
schon fast halb sechs. Warum machst du nicht mal
ein bisschen früher Feierabend?« forderte er sie
auf, wohl wissend, dass sie das Büro nie und nim-
mer vor sechs verlassen würde. »Du hast dir eine
kleine Pause verdient.«
Früh nach Hause gehen, wozu? Ihre Abende ver-
liefen in einem derart langweiligen Gleichmaß, dass
es zum Weinen war: auf dem Nachhauseweg etwas
aus dem Imbiss mitnehmen, Abendessen vor dem
Fernseher, danach duschen. Dann der obligatori-
sche Anruf bei ihrem Vater und ab ins Bett, um zu
lesen oder fernzusehen, bis der Schlaf sie über-
mannte. Die Wochenenden fielen ähnlich unspekta-
kulär aus. Essen gehen oder Kinobesuche in Be-
gleitung einer Freundin, das war’s.
»Selbst Joelle weiß es zu schätzen, pünktlich
nach Hause zu kommen.« Noah deutete auf das
Büro seiner Schwester, in dem die Lichter bereits
gelöscht waren.
»Auf Joelle wartet zu Hause ja auch ein attrakti-
ver Ehemann«, versetzte Melodie.
»Willst du damit sagen, dass auf dich kein heißer
Lover wartet, der sich danach verzehrt, über dich
herzufallen?« erwiderte er in gespielter Entrüstung.
Schön wär’s. »Sehr witzig«, erwiderte sie spitz.
»Ich hab da einen kleinen Tipp für dich.« Er
beugte sich vertraulich vor und zog neckend an ih-
rem Zopf. »Wenn du dich hier im Büro vergräbst,
findest du deinen Mr. Right nie.«
Melodie horchte auf. Sollte das eine versteckte
Warnung in Bezug auf seinen Bruder sein, oder war
die Bemerkung nichts weiter als eine seiner übli-
chen Frotzeleien?
Er ging zur Tür. »Wie auch immer du deinen A-
bend verbringst, ich wünsche dir viel Spaß dabei,
süßes Weib.« Bevor er die Tür hinter sich zuzog,
zwinkerte er ihr noch einmal verschwörerisch zu.
Süß. Sie verzog das Gesicht zu einer säuerlichen
Miene. Melodie war es leid, mit dem Attribut süß
bedacht zu werden. Okay, es war sicher nicht ver-
kehrt, nett und höflich zu sein, aber Melodie musste
sich eingestehen, dass ihre freundliche Art bei den
Männern nicht ankam. Sie war immer bescheiden
und zurückhaltend gewesen, und als Resultat verlief
ihr Leben in langweiligen, äußerst vorhersehbaren
Bahnen.
Sie hatte es satt, das liebe Mädchen zu sein, das
stets das Richtige tat und sich von der Vernunft lei-
ten ließ. Ihr vorbildliches Benehmen hatte ihr bis
jetzt nichts eingebracht, außer ein paar guten
Freunden. Keine regelmäßigen Verabredungen und
ein Liebesleben schon gar nicht. Jetzt, im Alter von
achtundzwanzig, musste sie sich eingestehen, dass
sie absolut keinen Spaß am Leben hatte. Sie war
auf dem besten Weg, sich in eine alte Jungfer zu
verwandeln, während sie sich doch nichts sehnli-
cher wünschte, als hip und lebenserfahren zu sein,
besonders, was Männer betraf.
Melodie stützte das Kinn auf und verzog die Lip-
pen zu einem bitteren Lächeln. Wie lustig wäre es
doch zur Abwechslung mal, das Luder zu spielen
und aus dem monotonen Gleichmaß ihres Lebens
auszubrechen! Nur einmal für sich selbst einzuste-
hen und sich zu holen, was sie wollte.
Und sie wollte Cole Sommers. Sie wollte die
Chance, ihm beweisen zu können, wie viel sie in all
den Jahren über die Arbeit als Privatdetektiv gelernt
hatte. Jetzt bot sich die Gelegenheit, wo er eine
Partnerin brauchte. Sie war vielleicht nicht sexy o-
der umwerfend schön, doch sie war intelligent und
kannte sich im Metier aus. Darüber hinaus war sie
mit dem Fall Russell bestens vertraut, was ihr sicher
einen Extrabonus einbrachte.
Vorfreude und Aufregung packten sie, während
ihr Plan langsam Gestalt annahm. Und als Cole
wenige Minuten später ins Vorzimmer kam, war sie
bereit, den Kampf aufzunehmen.
»Hier ist die neue Akte im Fall Russell.« Er blieb
vor Melodies Schreibtisch stehen und legte den
Ordner in den Drahtkorb. In geschäftsmäßigem Ton
fuhr er fort: »Nachdem du alles getippt hast, möchte
ich die Akte gern zurückhaben. Heute Abend noch,
wenn möglich. Ich habe morgen früh einiges zu er-
ledigen.«
»Schon passiert.« Ein weiterer langer Abend im
Büro – ihre eigene Wahl, das war ihr bewusst. Ihr
übermäßiger Arbeitseifer war schuld daran, dass
Cole es als selbstverständlich hinnahm, sie als
permanent verfügbar zu betrachten. Sie liebte ihren
Job, aber ein bisschen abenteuerlicher als ständig
nur Akten abtippen durfte es schon sein.
Als Cole sich umwandte, um wieder in seinem
Büro zu verschwinden, stand Melodie abrupt auf,
ehe der Mut sie verließ.
Cole blieb abwartend stehen und bedachte sie
mit demselben unbeteiligten, wenn auch freundli-
chen Blick wie immer. Und doch lag diesmal etwas
in den Tiefen seiner blauen Augen, was Melodies
Herzschlag beschleunigte und ihr die Knie weich
werden ließ.
»Ja?« Sein schroffer Ton strafte ihre Einbildung
Lügen. Die Wärme und die Aufmerksamkeit, die sie
soeben noch in seinem Blick zu lesen geglaubt hat-
te, waren verschwunden.
Coles hünenhafte Gestalt hatte sie bis jetzt nie
eingeschüchtert, doch jetzt fühlte sie sich regelrecht
überwältigt von seiner Anwesenheit. Hoch gewach-
sen und athletisch gebaut stand er vor ihr, selbst-
bewusst und robust, mit einer überwältigend männ-
lichen Ausstrahlung. Das schwarze Haar war zer-
zaust, das zerknitterte Hemd umspannte seine brei-
te Brust, und unter der khakifarbenen Hose zeich-
neten sich seine muskelbepackten Schenkel ab. Ein
Fels in der Brandung, stark und ruhig. Und genau
Melodies Typ.
Ihre Magennerven zogen sich schmerzhaft zu-
sammen, und die Kehle wurde ihr trocken. Sie
schluckte und rief sich das Sprichwort in Erinne-
rung, das sie von nun an zu ihrem Motto machen
wollte, um nicht den Rest ihres Lebens wie eine
Nonne zubringen zu müssen: Wer nicht wagt, der
nicht gewinnt! »Ich habe gehört, wie ihr euch über
den Fall Russell unterhalten habt. Du brauchst also
eine Frau, die dich zu Thorntons Wohltätigkeitsver-
anstaltung begleitet.«
In seinem Blick lag eine Mischung aus Neugier
und Wachsamkeit. »Kennst du jemanden, der die-
sen Part übernehmen könnte?«
»Ja, doch.« Ihr wurde bewusst, wie sie nervös
die Finger verknotete, eine lästige Angewohnheit,
die sie schon als junges Mädchen geärgert hatte.
Bewusst löste sie die Hände und stützte sie in die
Seiten. »Ich habe die Lösung für dein Problem.«
»Tatsächlich?« fragte er überrascht.
Sie nickte knapp, holte tief Luft und platzte her-
aus: »Ich bin die Frau, die du brauchst.«
Seine Brauen schössen in die Höhe. »Wie bit-
te?«
Heiße Röte überzog ihr Gesicht. Hatte sie denn
gleich so klingen müssen, als wollte sie sich ihm an
den Hals werfen? »Für die Wohltätigkeitsveranstal-
tung, meine ich.«
Seine ganze Haltung drückte aus, wie unwohl er
sich in seiner Haut fühlte. »Das bezweifle ich.«
»Warum?«
Ihr ungewohnt herausfordernder Ton ließ ihn
stutzen. »Weil ich dich nicht eingestellt habe, um an
Fällen mitzuarbeiten.«
»Und wenn ich das aber nun gern möchte?« Sie
war über sich selbst schockiert. Und erfreut. Na al-
so, es funktionierte doch! Selbstbewusst straffte sie
die Schultern. »Ich kenne mich bestens im Metier
aus, und ich bin mit dem Fall vertraut. Wie schwierig
kann es außerdem sein, sich als deine Begleiterin
auszugeben und Liebesbriefe zu lesen? Du
brauchst eine Frau für den Job, und ich glaube die
Voraussetzungen dafür zu erfüllen.«
Sein Blick fiel auf ihre Brust, und Melodie wurde
bewusst, dass der Stoff ihres Kleides sich über ih-
ren üppigen Brüsten spannte, wenn sie die Schul-
tern straffte so wie jetzt. Und was die Sache noch
schlimmer machte: Sein unverblümtes Starren be-
wirkte, dass ihre Brustspitzen sich hart aufrichteten.
Er hob den Blick und sah ihr ins Gesicht. Mit ei-
nem Seufzer rammte er die Fäuste in die Hosenta-
schen. »Melodie… dein Vater würde es sicher nicht
gutheißen, wenn ich dich einer potenziell gefährli-
chen Situation aussetze.«
Sein beschwichtigender Ton brachte sie innerlich
in Rage. Sie hatte keine Lust, von Cole ebenso in
Watte gepackt zu werden wie von ihrem Vater. Zu
ihrem eigenen Erstaunen hörte sie sich sagen: »Ich
bin ein erwachsener Mensch, und als solcher kann
ich auf mich selbst aufpassen und meine eigenen
Entscheidungen treffen. Wenn du dich dabei besser
fühlst, mein Vater braucht ja nie von meiner Rolle in
diesem Fall zu erfahren.«
Er schüttelte entschieden den Kopf, wobei ihm
eine widerspenstige dunkle Haarsträhne in die Stirn
fiel. »Dieses Risiko kann ich nicht eingehen.«
Weil ich Richard Turners Tochter bin, dachte sie,
total entmutigt. Als hätte sie nicht ohnehin schon
genug Probleme, Coles Aufmerksamkeit auf sich zu
ziehen, stand auch noch ihr Vater wie eine Mauer
zwischen ihnen. Cole war prinzipientreu genug, um
die nächsten fünfzig Jahre zu seinem Entschluss zu
stehen. Obwohl sie seine hohen moralischen An-
sprüche einerseits bewunderte, wäre sie im Moment
vor Wut beinahe geplatzt über seine verflixte An-
ständigkeit.
Doch sie war weit davon entfernt aufzugeben.
Melodie ging um den Schreibtisch herum auf ihn zu.
»Cole…«
Er hob abwehrend die Hand, um jede weitere
Diskussion im Keim zu ersticken. »Tut mir Leid, a-
ber ich werde meine Meinung nicht ändern. Setz
deine Talente hier im Büro ein, nicht im Außen-
dienst. Ende der Diskussion.«
Das versteckte Kompliment über ihre Talente ließ
ihr Herz höher schlagen. Melodie wusste, dass sie
für Cole unersetzlich war, und zwar nicht nur im
Hinblick auf ihre Fähigkeiten als Sekretärin. Als er
sich erneut umdrehte, um in sein Büro zurückzukeh-
ren, hob sie trotzig das Kinn. Falls er glaubte, das
Thema sei damit vom Tisch, so hatte er sich gründ-
lich getäuscht. Sie waren noch längst nicht fertig
miteinander.
Cole bezweifelte also, dass sie die Frau war, die
er brauchte. Dann musste sie sich eben etwas ein-
fallen lassen, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
2. KAPITEL
Beim Lunch schob Melodie lustlos ihr Essen auf
dem Teller hin und her. In Gedanken war sie damit
beschäftigt, ihre gestrige Unterhaltung mit Cole im-
mer wieder von neuem durchzuspielen. Sie hatte
das ungute Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken.
Zwar war sie fest entschlossen, ihr Dasein als Mau-
erblümchen endlich aufzugeben, doch hatte sie kei-
nen blassen Schimmer, wie sie es schaffen sollte,
sich in die Frau zu verwandeln, vor der Cole die
Waffen streckte.
»Sag nicht, du hast keinen Hunger«, meinte ihr
Gegenüber, Coles Schwester Joelle, ungläubig.
»Du bist die einzige Frau, die ich kenne, die einen
ebenso gesunden Appetit hat wie ich – ich würde es
sehr bedauern, eine Mitstreiterin zu verlieren.«
Melodie schenkte ihrer Freundin und Kollegin ein
amüsiertes Lächeln. »Seit du schwanger bist, hat
sich dein Appetit noch verdoppelt, Jo. Wie kann ich
mit deinen ewigen Futterattacken mithalten?«
Jo rieb sich über den in Anbetracht ihrer fortge-
schrittenen Schwangerschaft erstaunlich sanft ge-
rundeten Bauch. Bis jetzt behalf sie sich mit Leg-
gings und langen, weiten T-Shirts. Umstandsmode
schien sie nicht zu benötigen. »Schwanger zu sein
liefert einem eine wunderbare Entschuldigung, um
ordentlich reinzuhauen, doch Dean ist im Moment
immer wie eine Glucke um mich herum. Er passt
auf, dass ich auch ja das Richtige esse. Das hindert
mich leider daran, mich in meinen Gelüsten frei zu
entfalten.«
Sie stöhnte in gespielter Verzweiflung. »Er be-
steht darauf, mir jeden Morgen das Frühstück und
jeden Abend das Dinner zu machen, und alles ent-
hält immer alle wichtigen Bestandteile der Ernäh-
rungspyramide. Ein Glas Milch darf natürlich auch
nicht fehlen. Die einzige Gelegenheit, meine wahren
Gelüste zu befriedigen, sind die Mittagessen, die ich
ohne ihn einnehme.«
Melodie wickelte einen Bissen Fettucini um ihre
Gabel und spießte ein Stück zartes Hühnchen auf.
»Sein fürsorgliches Verhalten lässt darauf schlie-
ßen, dass er einen wunderbaren Vater abgeben
wird.«
Joelles Blick aus ihren blauen Augen – sie hatten
dieselbe Farbe wie Coles – wurde weich. »Ja, das
wird er.«
Beide arbeiteten sich eine Weile schweigend
durch die Berge von Pasta auf ihren Tellern, bis Jo
unvermittelt fragte: »Irgendwie wirkst du heute so
geistesabwesend, auch schon vorhin im Büro.
Stimmt etwas nicht?«
Melodie schob sich einen weiteren Gabelbissen
Fettucini in den Mund und überlegte, ob es ratsam
war, Jo in ihr Dilemma einzuweihen. Sie brauchte
dringend jemanden zum Reden – eine weltkluge,
erfahrene Ratgeberin, die sich in Melodie hineinver-
setzen konnte. Melodies Mutter war leider viel zu
früh gestorben, und ihr Vater hatte nicht wieder ge-
heiratet, so war sie ganz ohne weiblichen Beistand
aufgewachsen. Natürlich hatte sie auch ein paar
Freundinnen, zum Teil noch aus der Schulzeit, doch
mit keiner war sie vertraut genug, um ihr ihre nicht
vorhandenen Verführungskünste zu gestehen.
Jo bot den Vorteil, dass sie als Coles Schwester
einen ziemlich genauen Einblick in seine Psyche
hatte. Vielleicht würde es Melodie mit ihrer Hilfe
besser gelingen zu verstehen, was für ein Mensch
er wirklich war. Außerdem betrachtete sie Jo als
Freundin und Vertraute.
Melodie tupfte sich den Mund mit der Serviette
ab, schob ihren erst halb leer gegessenen Teller
beiseite und beschloss, sich Jo anzuvertrauen.
»Können wir reden, gewissermaßen von Frau zu
Frau?«
Ein erwartungsvolles Lächeln legte sich um Joel-
les Lippen, und ihre Augen blitzten aufgeregt. »Klar
doch. Schieß los, was hast du auf dem Herzen?«
Sie verdrückte den Rest ihres Hamburgers und
spülte ihn mit einem großen Schluck Sodawasser
hinunter.
Nach kurzem Zögern bekannte Melodie: »Ich hät-
te gern deinen Rat, wie man einen Mann um den
kleinen Finger wickelt.«
Joelle ließ ihr perlendes Lachen hören. »Wie um
alles in der Welt kommst du auf die Idee, mich als
Fachfrau in Männerangelegenheiten zu betrach-
ten?«
»Schließlich hast du es geschafft, dir Dean zu
angeln.«
»Das passierte doch quasi so nebenbei.« Sie
strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Ge-
sicht. »Als ich Dean begegnete, war ich gar nicht
auf Männerfang.«
Melodie spürte, wie sie errötete. »Das bin ich
auch nicht«, stellte sie klar. »Es gibt nur einen
Mann, den ich will.«
Während die Kellnerin das Geschirr abräumte,
lehnte Joelle sich in ihrem Stuhl zurück und be-
trachtete ihr Gegenüber nachdenklich. Nachdem sie
sich noch ein Stück Schokoladentorte bestellt hatte,
erklärte sie unvermittelt: »Ich möchte wetten, es ist
Cole, hinter dem du her bist.«
Himmel, war das denn so offensichtlich? »Stimmt
genau«, gab Melodie zu, einerseits erleichtert, end-
lich jemanden zu haben, mit dem sie über ihre Ge-
fühle sprechen konnte. »Ist mir das denn so sehr
anzumerken?«
Die Kellnerin brachte das Stück Torte, und Joelle
zögerte nicht, sich sofort genüsslich einen großen
Bissen einzuverleiben. »Sagen wir mal so, man
kann in dir lesen wie in einem offenen Buch.«
»Hat Cole etwas gemerkt?« fragte Melodie er-
schrocken.
Joelle zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Aber
er neigt dazu, Sachen zu verdrängen, mit denen er
nicht umzugehen weiß. Gut möglich, dass du genau
in diese Kategorie gehörst«, fügte sie lächelnd hin-
zu.
»Das klingt nicht gerade besonders ermutigend.«
»So, wie ich meinen Bruder kenne, versucht er
zunächst mal alles, um seine Gefühle zu verleug-
nen. Du wirst ihn schon regelrecht zwingen müssen
zuzugeben, dass er dich attraktiv findet.« Joelle
verschlang einen weiteren Bissen der sahnigen Tor-
te. »Was genau ist denn eigentlich passiert?«
Melodie erzählte ihr vom Fall Russell und dass
Cole eine Frau brauchte, die ihn zu Thorntons
Wohltätigkeitsball begleitete. »Ich habe ihm vorge-
schlagen mitzukommen und diese Liebesbriefe für
ihn zu lesen. Ich bin sowohl mit dem Fall als auch
mit dem Metier vertraut. Im Grunde gebietet es
doch die Logik, dass ich ihm bei diesem Einsatz
helfe, aber nein, er besteht darauf, meine Talente
seien im Büro besser genutzt.«
Joelle lachte amüsiert auf. »Oh, das hat er aber
schön gesagt.«
»Außerdem behauptet er, mich nicht in eine po-
tenziell gefährliche Situation bringen zu wollen,
während er gleichzeitig bereit ist, bei einer anderen
weniger zimperlich zu sein. Als wäre das alles nicht
schon schlimm genug, benutzt er seine enge
Freundschaft mit meinem Vater als Argument, mich
von jeglicher Gefahr fern halten zu müssen, als sei
es seine Pflicht, meinen Bodyguard zu spielen. Ich
habe dieses übermäßige Behütetwerden endgültig
satt!«
»Wow, das kann ich dir nur zu gut nachempfin-
den! Mich hat Cole auch immer in Watte gepackt. Er
hat erst nach meiner Heirat damit aufgehört. Seit
dem Tag, als meine Eltern sich haben scheiden las-
sen, hat Cole es sich zur Aufgabe gemacht, den
Beschützer für die Menschen zu spielen, die ihm
nahe stehen. Als Cole nach dem Tod unseres Va-
ters die Pflicht zufiel, Noah und mich großzuziehen,
ist es noch schlimmer mit ihm geworden. Cole
nimmt seine Verantwortung stets sehr ernst.«
»Das ist nun wirklich das Letzte, was ich möchte,
dass er mich als Verpflichtung betrachtet«, versetz-
te Melodie niedergeschlagen.
Joelle beschäftigte sich intensiv mit ihrem Ku-
chen, während sie angestrengt überlegte. Plötzlich
hellte sich ihre Miene auf. »Wenn du auf dieser
Wohltätigkeitsveranstaltung die Frau an seinem
Arm sein willst, warum repräsentierst du dann nicht
genau das, was er sich vorstellt?«
»Und das wäre?« Worauf wollte Jo hinaus?
»Was genau hat er Noah gesagt? Welche Krite-
rien soll sie erfüllen?«
»Eine sexy, weltkluge, intelligente Frau will er
haben.«
»Dann wirst du ihm genau das präsentieren.«
Joelle lächelte schelmisch.
»Hey, Jo, sieh dir die Frau, die dir gegenüber
sitzt, bitte mal genauer an«, konterte Melodie iro-
nisch. »Ich triefe nicht gerade vor Sex-Appeal und
Weltklugheit.«
»Nein, aber du hast das Zeug dazu«, erklärte
Joelle zuversichtlich. »Wenn du wirklich so sein
willst, dann musst du lernen, dir diese Rolle anzu-
eignen, und ein paar hinderliche Gewohnheiten ab-
legen. Glaubst du, dass du das schaffst?«
Freudige Erregung durchströmte Melodie. Das
war genau das, was sie gebraucht hatte, eine
freundschaftliche Ermutigung, endlich von der häss-
lichen Raupe zum schönen Schmetterling zu wer-
den. »Zumindest bin ich bereit, es zu versuchen.«
»Oh, ich sehe schon, das wird lustig.« Ein mut-
williges Glitzern in Joelies Blick machte deutlich, wie
sehr sie sich für die Sache erwärmte. »Morgen ist
Sonnabend. Was hältst du davon, wenn wir beide
losziehen, und uns in die Vorbereitungen stürzen?
Du weißt schon, das ganze Programm: Friseur,
Maniküre, Pediküre und ein paar neue Outfits?«
Beim Gedanken an ihr neues, erfolgreicheres Ich
verbesserte sich Melodies Laune spürbar. »Wenn
Dean nichts dagegen hat, dass ich dich einen gan-
zen Tag mit Beschlag belege?«
»Machst du Witze?« wischte Joelle Melodies Be-
denken beiseite. »Er profitiert am Ende doch auch
davon.«
»Also, abgemacht.« Die Vorfreude ließ Melodies
Gesicht erstrahlen.
Joelle beugte sich vertraulich vor und raunte ihrer
Freundin zu: »Wetten, dass es Cole am Montag-
morgen bei deinem Anblick aus den Pantinen
haut?«
Genau das erhoffte sich Melodie. Das und noch
einiges mehr.
Bis Sonntagabend hatte Melodie die Erfahrung ge-
macht, dass es harte Arbeit war, sexy und weltklug
zu sein. Hochtalentierten Beauty-Beratern war es
gelungen, sie zumindest äußerlich in ein Wesen zu
verwandeln, mit dem sie sich kaum noch identifizie-
ren konnte – angefangen bei Schnitt und Farbe ih-
res Haars über das professionelle Make-up bis hin
zum Nagellack für ihre Hände und Füße. Top ge-
stylte Verkäuferinnen hatten Melodie einen komplett
neuen Look verpasst. Ihre neue Garderobe bestand
jetzt aus jenen exquisiten, figurnahen modischen
Teilen, die sie an anderen Frauen stets bewundert,
aber nie für sich selbst in Betracht gezogen hatte.
Was ihr Äußeres betraf, entsprach sie somit dem
Bild der weltgewandten und attraktiven Frau, die
Cole für seinen Auftritt in zwei Wochen brauchte.
Jetzt musste sie nur noch an ihrem Innenleben ar-
beiten, musste sich die Attribute einer selbstbe-
wussten, unerschrockenen und anspruchsvollen
Persönlichkeit zulegen.
Glücklicherweise bin ich zumindest mit einer gu-
ten Portion Intelligenz gesegnet, dachte sie voller
Selbstironie, als sie erschöpft ins Bett fiel. Denn es
gab vermutlich niemanden, der ihr noch mal eben
auf die Schnelle eine gute Dosis Spürsinn implantie-
ren konnte. Sie musste mit dem auskommen, was
ihr zur Verfügung stand: ihre Kenntnisse, was die
Detektivarbeit und den Fall Russell betrafen. Sie
war bereit, mehr konnte sie beim besten Willen
nicht tun.
Melodie boxte ihr Kissen zurecht und machte es
sich gemütlich. Dann griff sie nach dem Buch, das
sie am vergangenen Abend zu lesen begonnen hat-
te: ein frecher, schonungslos offener Ratgeber nach
dem Motto »Gute Mädchen kommen in den Him-
mel, böse überallhin«. Nichts wurde hier ausgelas-
sen – der Ratgeber enthielt Flirttipps, eine Anlei-
tung, sich möglichst betörend zu bewegen, und gab
Auskunft darüber, wie Frau einen Mann mit einer
Geste oder einem Blick verführte. Weitere Kapitel
ergingen sich in ausführlichen Ratschlägen für ein
erfülltes und experimentierfreudiges Sexualleben.
Melodie verschlang das Buch förmlich, sog jedes
Wort in sich auf und speicherte es sorgfältig in ih-
rem Gedächtnis ab. Es war fast Mitternacht, als sie
die letzte Seite umblätterte. Melodie gelangte zu
dem Schluss, dass böse Mädchen offensichtlich
das Spaßmonopol besaßen. Und sie glaubte jetzt
auch zu wissen, wie sie einen eigenhändig ge-
schriebenen Liebesbrief nutzen konnte, um Cole zu
beweisen, dass sie die Richtige für den Job war.
Und die Richtige für ihn.
Als Cole am Montagmorgen seine Büroräume
betrat, hielt er abrupt inne. Eine fremde Frau saß
über eine Akte gebeugt hinter Melodies Schreib-
tisch. Verwundert ließ er den Blick durch den Raum
schweifen, aber seine Sekretärin war nirgends in
Sichtweite.
Stirnrunzelnd überlegte er, was die Frau wohl
hier zu suchen hatte. Spionierte sie womöglich in
den Akten herum? Und wo steckte Melodie? Er hat-
te ihren Wagen draußen stehen sehen, also musste
sie doch irgendwo hier sein.
Er betrachtete den festen, kleinen Po der Frau,
den ein lavendelfarbener Rock eng umspannte und
den Blick auf lange, wohlgeformte Beine in puder-
farbenen Seidenstrümpfen freigab. Obwohl er ihr
Gesicht noch nicht gesehen hatte, stand sein Urteil
bereits fest: Die Fremde sah einfach fantastisch
aus.
Cole baute sich vor Melodies Schreibtisch auf
und räusperte sich vernehmlich. »Entschuldigen Sie
bitte, kann ich Ihnen behilflich sein?«
Sie wirbelte herum und presste erschrocken eine
Hand gegen die Brust. »Cole!« rief Melodie atemlos
aus. »Ich habe dich gar nicht hereinkommen hö-
ren!«
Cole starrte ungläubig auf die Sexbombe, die
vorgab, seine fleißige, biedere Sekretärin zu sein.
Unmöglich! Wie konnte die brave Melodie sich qua-
si übers Wochenende in diesen Vamp verwandelt
haben?
Verschwunden war der ordentliche Zopf, ersetzt
durch einen frechen, schulterlangen Schnitt, der ihr
Gesicht vorteilhaft einrahmte und verdammt sexy
aussah. Kupferfarbene Highlights ließen ihr brünet-
tes Haar bei jeder Kopfbewegung aufleuchten. Das
geschickte Make-up betonte ihre großen braunen
Augen und ließ goldene Fünkchen in den Pupillen
tanzen. Und der schimmernde pfirsichfarbene Lip-
penstift machte Lust darauf, ihre weichen, sinnli-
chen Lippen zu liebkosen… am liebsten jetzt sofort!
Cole konnte nicht aufhören, sie anzustarren. Sein
Blick heftete sich wie magisch angezogen auf Me-
lodies Dekollete, vorteilhaft zur Geltung gebracht
durch eine cremefarbene Seidenbluse, deren Knöp-
fe gerade so weit geöffnet waren, dass der Brustan-
satz zu sehen war. Ihre Gesamterscheinung war so
umwerfend sexy, dass Cole es kaum glauben konn-
te. Unter ihren ewig gleichen, unförmigen Kleidern
hatte sich also diese wohlproportionierte, schlanke
Figur verborgen?
Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch
kein Wort kam über seine Lippen.
Melodie lachte, ein wohlklingendes Perlen mit ei-
nem völlig unbekannten Unterton. »Was ist los,
Boss?« Ein herausforderndes Lächeln umspielte
ihre Lippen. »Hat’s dir die Sprache verschlagen?«
Nicht nur das. Seine sorgfältig aufgebaute Ab-
wehr drohte zusammenzustürzen. Es hatte ihn
schon genug Anstrengung gekostet, sich gegen
Melodies Anziehungskraft zu wappnen, als sie noch
ihre formlosen Kleider und die brave Frisur getragen
hatte. Was sollte er ihr jetzt, nach ihrer wundersa-
men Verwandlung, noch entgegensetzen?
Er schüttelte heftig den Kopf, wie um einen
Traum abzuschütteln. »Was ist passiert…«, waren
die einzigen Worte, die er hervorbrachte, während
er hilflos registrierte, wie sich ein im Augenblick
höchst unwillkommenes Gefühl in ihm ausbreitete:
nackte Begierde.
»Das ist mein neues Ich«, erklärte sie keck und
drehte sich auf ihrem Schreibtischstuhl einmal in die
Runde, damit Cole auch nur ja kein verführerisches
Detail entging. »Veränderung war angesagt. Wie
gefällt’s dir?«
Sie war die Fleisch gewordene Fantasiefrau sei-
ner Träume, doch das würde er ihr natürlich nicht
verraten. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Ob ihre
Metamorphose wohl mit dem Gespräch zusam-
menhing, das sie letzte Woche geführt hatten: ihre
Bitte, ihm im Fall Russell zu assistieren? Falls das
so war, so hatte sie ihr Ziel verfehlt. Cole hatte sei-
ne Meinung nicht geändert, was die Ablehnung ihrer
Bitte betraf.
Er räusperte sich. »Du siehst…«, umwerfend,
verführerisch und verdammt sexy aus, ergänzte er
im Stillen. »… wirklich nett aus«, erklärte er tonlos.
Sie zögerte einen Moment, straffte dann die
Schultern und reichte ihm ein paar Notizzettel. Ihre
Bewegungen waren langsam und lasziv anstatt
rasch und effizient wie sonst. »Lance Keesling hat
zurückgerufen.« Selbst ihre Stimme hatte sich ver-
ändert, klang irgendwie dunkler, rauchiger. »Bobby
Malone hat sich für heute Nachmittag angekündigt,
um dir die benötigten Informationen im Fall
MacGregor hereinzureichen.«
Cole nickte geistesabwesend. Bobby Malone war
ebenfalls Privatdetektiv und mit Noah befreundet.
Sie ließen einander oft wichtige Informationen zu-
kommen. »Gut.« Er blätterte die Zettel in seiner
Hand durch. »Könntest du mir bitte die Akte Good-
win heraussuchen und in mein Büro bringen?«
»Schon geschehen«, lautete die eifrige Antwort.
»Danke.« Wenigstens das hatte sich nicht geän-
dert. Trotz ihres neuen Outfits war sie immer noch
dieselbe verlässliche und tüchtige Sekretärin, an die
er sich so gewöhnt hatte.
Und das war doch schließlich die Hauptsache,
oder?
Abrupt wandte er sich ab und verschwand in sei-
nem Büro. Doch die Konzentration auf seine Arbeit
wollte ihm heute nicht so recht gelingen. Melodie
hatte sich augenscheinlich vorgenommen, ihn abzu-
lenken, so gut es ging. Immer, wenn sie sein Büro
betrat, schaffte sie es irgendwie, seine Blicke auf
ihre wiegenden Hüften und wohlgeformten Beine zu
lenken, während sie sich aufreizend durch den
Raum bewegte. Immer wieder ertappte Cole sich
dabei, wie er ihre festen, vollen Brüste fixierte, die
sich nur allzu deutlich unter dem dünnen Stoff ihrer
Bluse abzeichneten. Noch fataler war es, ihrem
wissenden, sinnlichen Blick zu begegnen. Zum Teu-
fel, Cole spitzte sogar die Ohren, wenn sie im Vor-
zimmer ans Telefon ging, nur um den dunklen, rau-
chigen Klang ihrer Stimme zu hören.
Cole war sich Melodies Anwesenheit mit jeder
Faser seines Körpers bewusst, was sie zweifellos
beabsichtigt hatte. Und mit jedem einladenden Lä-
cheln in seine Richtung und jeder zufälligen Berüh-
rung goss sie Öl in das Feuer der Begierde, die sich
in Cole aufstaute. Gegen Ende des Arbeitstages
waren seine Sinne derart gereizt, dass der Hauch
einer Berührung genügt hätte, ihn die Selbstbeherr-
schung verlieren zu lassen.
Das leise Rascheln, das Melodies Auftritt beglei-
tete, versetzte seine Hormone auch jetzt wieder in
Alarmstimmung. Mit aller Macht kämpfte er gegen
die nur zu offensichtliche Reaktion seines Körpers
an und blickte fragend zu Melodie auf, wobei er eine
möglichst gleichgültige Miene aufsetzte.
»Kann ich dir mal etwas vorlegen, Cole?« fragte
sie ernst.
Aha, etwas Geschäftliches! Damit konnte er um-
gehen. Er entspannte sich sichtlich. »Natürlich. Was
ist es denn?«
»Ein Brief.« Anstatt einen der Besucherstühle zu
wählen, kam sie um den Schreibtisch herum und
setzte sich zu seiner Linken auf die Tischplatte.
»Den würde ich dir gern vorlesen, wenn das okay
für dich ist.«
Sie schlug die schlanken, seidenbestrumpften
Beine übereinander – wie sie es schon Hunderte
Male zuvor getan hatte. Nur dass sie da nie auf sei-
nem Schreibtisch gesessen und einen derart kurzen
Rock getragen hatte, der polizeilich verboten gehör-
te.
Cole lehnte sich in seinen Ledersessel zurück,
um so viel Abstand wie möglich zwischen sie beide
zu bringen. »Geht es um einen Fall?«
Sie wirkte plötzlich leicht irritiert, doch Sekunden
später hatte sie ihre Selbstsicherheit wiedergefun-
den. »Ja.«
»Also gut. Dann mal los.«
Melodies Brust hob und senkte sich merklich, als
sie tief einatmete. Sie richtete den Blick auf den
Brief in ihren fein säuberlich manikürten Händen.
»Den ganzen Tag beherrschst du meine Gedanken,
und jetzt sind wir endlich zusammen«, las sie vor,
und ihre Stimme zitterte leicht. »Mir ist aufgefallen,
wie du mich ansiehst, wenn du dich unbeobachtet
glaubst, und es erregt mich zu wissen, dass du
mich wahrnimmst und dass du mich vielleicht eben-
so sehr begehrst wie ich dich. Deine Blicke liebko-
sen mich und erfüllen mich mit sehnsüchtigem Ver-
langen.«
Was war denn das? Cole fühlte sich absolut nicht
imstande, sich auch noch den Rest dieses Briefes
anzuhören. Er musste Melodie stoppen, sofort.
»Mel…«
»Schsch, lass mich zu Ende lesen«, tadelte sie
ihn mit sanfter Stimme, doch es war offensichtlich,
dass es sie eine gute Portion Mut kostete, diesen
erotischen Brief laut vorzutragen. »Du hast meine
Sinne betört, und jetzt dürste ich nach deiner Berüh-
rung.« Sie hob die Hand und fuhr sich in einer ner-
vösen Geste über den pochenden Puls an ihrem
Hals. »Ich sehne mich danach, deine starken Hän-
de auf meinem Körper zu spüren, überall, auf mei-
nen Wangen, meinen Brüsten, der empfindsamen
Haut meines Bauches und meiner Schenkel. Allein
beim Gedanken an diese genussvolle Erfahrung
schlägt mein Herz schneller, und selbst jetzt erbebe
ich bei der Vorstellung, wie du mein wachsendes
Verlangen stillen wirst.«
Sie strich sich eine widerspenstige Haarsträhne
hinters Ohr und befeuchtete sich die Lippen mit der
Zungenspitze. »Hüll mich ein in deine Leidenschaft
und dein Verlangen, und ich bin bereit, mich dir be-
dingungslos hinzugeben. Verführe mich, beglücke
mich, lass meine Träume wahr werden.« Jetzt hob
sie den Blick und sah Cole aus vor Erregung dunk-
len Augen an. »Ich warte auf dich. Nimm mich.«
Ihr sinnlicher Monolog hatte Cole derart gefangen
genommen, dass seine Fantasie ihm bereits atem-
beraubende Bilder vorgaukelte, wie er Melodies
Bitte nur zu bereitwillig erfüllte. Und sein verräteri-
scher Körper reagierte wie ein Magnet auf diese
Bilder. Cole zweifelte nicht länger daran, dass Me-
lodie es darauf angelegt hatte, ihn zu verführen. Sie
hatte ihr Ziel erreicht, er wurde beherrscht von der
Vorstellung, wie sie gemeinsam ihre heißen, verbo-
tenen Fantasien auslebten.
Die Versuchung, Melodie zu berühren, war nahe-
zu unwiderstehlich, und es kostete ihn übermensch-
liche Kraft, nicht die Hand auszustrecken, um sie
unter ihren Rock gleiten zu lassen. Um herauszu-
finden, ob sie ebenso erregt war wie er…
Mit beiden Händen umklammerte er die Armleh-
nen seines Sessels, während er so ruhig wie mög-
lich fragte: »Wo hast du diesen Brief her?«
Sie neigte leicht den Kopf, wobei das sanft ge-
schwungene Haar ihr Gesicht reizvoll umrahmte.
»Den habe ich heute in meiner Mittagspause ge-
schrieben. Wie findest du ihn?« fragte sie gerade-
heraus.
»Dafür hast du zweifellos ein ,Sehr gut’ ver-
dient«, rutschte es ihm heraus.
Melodie quittierte seine unbedachte Bemerkung
mit einem zufriedenen Lächeln. »Es war viel einfa-
cher, als ich gedacht hatte, diesen Brief zu schrei-
ben, es hat sogar Spaß gemacht. Angst hatte ich
nur vor dem Vorlesen.« Sie sah ihn eindringlich an.
»Hab ich es gut gemacht?«
Nur zu gut. »Ausgezeichnet, Mel.« Erregt stand
er auf und ging zum Fenster. »Gibt es einen beson-
deren Grund, warum du meinst, mir einen derart
persönlichen Brief vorlesen zu müssen?«
»Natürlich gibt es einen Grund.« Sie glitt vom
Schreibtisch herunter und kam zielstrebig auf ihn
zu, Entschlossenheit im Blick. Spielerisch zupfte sie
an seinem Hemdkragen. »Ich versuche zu bewei-
sen, dass ich genau die bin, die du brauchst.«
Oh, und wie sehr er sie jetzt brauchte! Mit jeder
Faser seines Körpers… »Was meinst du damit?«
fragte er misstrauisch.
»Ich bewerbe mich um die Rolle als deine Beglei-
terin bei der Wohltätigkeitsveranstaltung in Thorn-
tons Haus.« Wie zufällig strich sie mit den Finger-
spitzen über seinen Hals. »Mir ist klar, dass du si-
cher eine aufregendere Frau als mich finden könn-
test«, fuhr sie mit unschuldigem Augenaufschlag
fort, »aber du hast mir schließlich selbst ein ,Sehr
gut’ für das Vorlesen meines erotischen Briefs ge-
geben. Na, und genau dafür brauchst du doch je-
manden, nicht?«
»Das ist also der Grund für deine Verwandlung
und den Brief?« fragte er ungläubig. »Der Fall Rus-
sell?«
»Ja, zum Teil zumindest.« Sie hob das Kinn an
und wirkte auf einmal ungewohnt stark und selbst-
bewusst. »Mein ganzes Leben lang war ich brav
und langweilig. Jetzt bin ich achtundzwanzig Jahre
alt. Ich möchte mich amüsieren und sehne mich
nach ein bisschen Aufregung in meinem Leben.
Und ich möchte wissen, wie es ist, im Außendienst
an einem Fall zu arbeiten. Dafür bin ich mehr als
qualifiziert. Das werde ich dir beweisen, wenn du
mir nur die Chance dazu gibst.«
»Nein.« Es klang fast wie ein Peitschenhieb, so
spontan und energisch kam seine Antwort.
»Ich bin bereit, alles dafür zu tun«, fuhr sie unbe-
irrt fort. »Wirklich alles.« Sie reckte sich auf die Ze-
henspitzen und hauchte in sein Ohr: »Verführe
mich, beglücke mich, lass meine Träume wahr wer-
den«, zitierte sie aus ihrem Brief.
Ich warte auf dich. Nimm mich. Die provozieren-
den Worte hallten in seinem Kopf, und Cole hätte
vor Verlangen beinahe laut aufgestöhnt.
Melodie strich über seine Schultern, schlang ihm
die Arme um den Hals, wobei sie sich eng an ihn
schmiegte. Er spürte den Druck ihrer vollen Brüste
und ihrer schlanken Schenkel gegen seinen erhitz-
ten Körper.
Unfähig, ihren Betörungen noch länger zu wider-
stehen, packte er ihre Hände und drängte Melodie
mit dem Rücken gegen die Wand. »Verdammt,
Mel«, stieß er mit vor Erregung rauer Stimme her-
vor. »Du spielst mit dem Feuer.«
Eigentlich hatte er erwartet, sein absichtlich ro-
hes Benehmen würde sie abschrecken, doch weit
gefehlt. Die neue Melodie sah ihn nur herausfor-
dernd an und meinte lächelnd: »Vielleicht möchte
ich mich ja gern an deiner Fackel verbrennen.«
Verdammt, wenn sie so weitermachte, würde er
sie gleich hier an Ort und Stelle nehmen. Er musste
sie stoppen, denn sein Ehrgefühl machte sie zur
verbotenen Frucht. Sein Blick bohrte sich in ihren.
»Solchen Spielen bist du nicht gewachsen«, sagte
er so barsch wie möglich. »Wenn du nicht aufpasst,
machst du dich unglücklich, Mel.«
»Ich bin eine erwachsene Frau, Cole«, konterte
sie selbstbewusst. »Und als solche kann ich selbst
beurteilen, worauf ich mich einlasse.«
3. KAPITEL
Heißes Verlangen durchflutete Cole und breitete
sich in seinem ganzen Körper aus. Erst dieser eroti-
sche Liebesbrief und dann noch Melodies mehr als
eindeutiger Hinweis, wie gern sie mit seiner Fackel
spielen würde: Das war zu viel für seine Selbstbe-
herrschung. Den ganzen Tag lang schon hatte er
sein Verlangen bändigen müssen, jetzt gab er es
auf. Er würde Melodie zeigen, wie rücksichtslos er
einer derart offenen Herausforderung begegnete.
Aufstöhnend senkte er den Kopf und eroberte ih-
ren Mund in einem fordernden Kuss voller Leiden-
schaft. Überwältigt von der Intensität seiner Gefühle
seufzte sie auf, und Cole drängte seine Zunge in die
süßen Tiefen ihres Mundes. Ihre Hände immer noch
zu beiden Seiten ihres Kopfes gegen die Wand ge-
presst, hatte Cole Melodie voll und ganz in der Ge-
walt. Sie wehrte sich nicht etwa, aber sie begegnete
seiner Leidenschaft auch nicht so hungrig, wie er es
erwartet hatte. Doch gerade ihr schrittweises Auf-
tauen erregte ihn nur umso mehr. Das lockende
Spiel ihrer Zunge ließ sein Blut in den Adern rau-
schen, und er presste sich an ihren warmen, nach-
giebigen Körper, seine männliche Härte fest gegen
ihren Schoß geschmiegt. Herausfordernd ließ er die
Lenden rhythmisch kreisen, was Melodie ein sehn-
süchtiges Stöhnen entlockte.
Vergessen war sein Entschluss, sie abzuschre-
cken. Cole gab Melodies Hände frei, und sein Kuss
wurde zärtlicher, wenn auch nicht weniger verlan-
gend. Mit jedem sanften Stoß seiner Zunge signali-
sierte er, wie sehr sein ganzer Körper sich danach
verzehrte, sie zu nehmen. Er verflocht die Finger in
ihrem seidigen Haar, betörte sie mit jedem feuchten
Kuss. Und ihre wohligen Seufzer bedeuteten ihm,
wie sehr ihr dieses Spiel gefiel.
Ein überwältigendes, nie gekanntes Lustgefühl
durchströmte ihn. All seine Sinne waren aufs Äu-
ßerste gespannt. Er sog den süßen Duft ihrer Haut
ein, spürte ihren wilden Herzschlag an seiner Brust,
liebkoste ihre üppigen, weichen Brüste. Als er die
hart aufgerichteten Spitzen unter dem dünnen Stoff
ihrer Bluse und ihres BHs stimulierte, bog sie sich
ihm hingebungsvoll entgegen. Und voller Vertrauen.
Genau dieser Gedanke war es, der Cole wieder
zur Vernunft brachte. Das hier war Melodie, und ihr
Vater hatte sie ihm anvertraut. Und was machte er,
Cole? Er war drauf und dran, dieses Vertrauen
schamlos auszunutzen.
Er fuhr zurück und löste sich so abrupt aus Melo-
dies Umarmung, als hätte er sich verbrannt. Heftig
atmend betrachtete er ihr vor Erregung gerötetes
Gesicht. Er konnte kaum glauben, wie erfolgreich
sie ihn in ihre erotischen Fantasien eingesponnen
hatte, so dass er darüber fast seine Pflicht verges-
sen hätte.
Melodie öffnete die Augen und bedachte ihn mit
einem schmelzenden Blick. »Cole«, hauchte sie
und hob die Fingerspitzen an ihre vom Küssen ge-
schwollenen Lippen.
In ihrer Erregung sah sie so unglaublich sexy
aus, dass Cole um ein Haar rückfällig geworden
wäre. Es kostete ihn fast übermenschliche Anstren-
gung, dem Impuls zu widerstehen, ihren Rock
hochzuschieben und tief, ganz tief in sie einzudrin-
gen. Gleich hier an Ort und Stelle.
Rasch trat er ein paar Schritte zurück. Mit müh-
sam beherrschter Stimme brachte er hervor: »Ich
würde vorschlagen, dass du jetzt gehst, bevor wir
etwas tun, was wir beide später nur bereuen wür-
den.«
Melodie schüttelte den Kopf. »Ich zumindest
würde es nicht bereuen.«
Schweigend sahen sie einander an. Schließlich
wandte sie sich aufseufzend zum Gehen. An der
Tür drehte sie sich noch einmal kurz um und sagte:
»Um keine Zweifel aufkommen zu lassen, Cole, ich
wollte diesen Kuss.«
Daran zweifelte Cole keinen Moment. Und noch
eines stand fest: Entgegen seiner hohen morali-
schen Ansprüche begehrte er Melodie mit Leib und
Seele.
Er steckte bis zum Hals in Schwierigkeiten, das
wusste er jetzt.
»Hey, du Superweib«, Noah kam aus seinem Bü-
ro, »ich verschwinde jetzt mal.« Es war kurz vor
Feierabend am nächsten Tag.
Melodie hob den Blick von ihrem Computerbild-
schirm. »Na, noch ein heißes Date heute, was?«
neckte sie ihn.
Ein listiges Lächeln umspielte seine Lippen. »Der
Gentleman genießt und schweigt. Hast du zufällig
die Akte MacGregor auf deinem Schreibtisch?«
»Ja.« Sie sah rasch den Stapel Akten durch, der
sich vor ihr auftürmte. »Brauchst du sie?«
»Ich nicht, aber Cole.«
Sie horchte auf. »Falls es dir entgangen sein soll-
te, der ist doch heute gar nicht im Büro.« Und sie
hatte auch einen ziemlich eindeutigen Verdacht,
warum er sich so rar machte.
»Ich weiß. Ich war es schließlich, der sich den
lieben langen Tag mit ihm am Telefon herumschla-
gen musste. Mann, hat der eine Laune!« Er seufzte
theatralisch. »Er hat mich gebeten, ihm heute A-
bend noch die Akte vorbeizubringen, weil er morgen
früh einen Termin mit dem Klienten hat.«
Das brachte Melodie auf eine Idee. »Ich kann
das doch für dich erledigen«, erbot sie sich eifrig.
»Es macht mir nichts aus, und du hast es doch si-
cher eilig, zu deiner Verabredung zu kommen.«
»Das würdest du tun?« Noah war höchst erfreut.
»Gern. Im Gegensatz zu dir habe ich nichts Be-
sonderes vor, und es ist schließlich nicht das erste
Mal, dass ich den Kurier spiele.«
»Danke, Mel, dafür bin ich dir einen Gefallen
schuldig.« Einem plötzlichen Impuls folgend, beugte
er sich schnell über sie und drückte ihr einen
schmatzenden Kuss auf die Wange. »Du bist wirk-
lich der reinste Engel.«
Wenn du wüsstest, dachte sie ironisch. Sie
schuldete höchstens ihm Dank für die Gelegenheit,
ihren gar nicht so engelsgleichen Plan in die Tat
umzusetzen.
Noah wandte sich zum Gehen und bedachte Me-
lodie noch mit einem letzten charmanten Lächeln,
bevor er verschwand. Ȇbrigens, ein tolles Outfit,
was du da anhast. Ran an den Feind, Tiger!«
Lachend blickte Melodie an ihrem eng anliegen-
den Pulli mit Leopardenmuster und dem dazu pas-
senden braunen Wildlederrock herunter. Noahs
Kompliment erfüllte sie mit Stolz und zeigte ihr,
dass sie auf dem richtigen Weg war. Sie musste nur
weiter am Ball bleiben und verhindern, dass Cole ihr
aus dem Weg ging. Sonst war der Sieg, den sie am
vergangenen Tag errungen hatte, für die Katz. Und
was für ein köstlicher Sieg das gewesen war! Noch
jetzt erschauerte Melodie wohlig bei der Erinnerung
an Coles heiße, fordernde Lippen, die geschickten
Hände und seinen erregten Körper, der sich gegen
ihren presste. An seine Hände, die ihre Brüste um-
schlossen und die hart aufgerichteten Spitzen lieb-
kosten.
Und dann sein plötzlicher Rückzug, das abrupte
Ende seiner Zärtlichkeiten. Obwohl sie ihm mehr als
deutlich zu verstehen gegeben hatte, wie willkom-
men ihr seine Liebkosungen waren, war er stand-
haft geblieben. Das durfte sie nicht gelten lassen.
Seine Ritterlichkeit in Ehren, aber sie hatte es
gründlich satt, für Cole als unantastbar zu gelten,
nur weil er und ihr Vater befreundet waren.
Sie lächelte verschmitzt, als sie ihren Schreib-
tisch aufräumte und den Computer ausschaltete.
Gestern Abend, als sie zu aufgewühlt gewesen war,
um sofort einzuschlafen, hatte sie weitere höchst
erotische Briefe produziert. Sie trug die Briefe in
ihrer Tasche bei sich, bereit, sie Cole bei Gelegen-
heit zuzustecken. Seine heutige Abwesenheit hatte
ihr leider einen Strich durch die Rechnung gemacht,
aber das unerwartet bevorstehende Rendezvous
ließ wieder alle Möglichkeiten offen. Kein wirklich
böses Mädchen würde sich die Chance entgehen
lassen, das Objekt ihrer Begierde nach allen Regeln
der Kunst zu verführen.
Zufrieden mit sich und der Welt, schloss Melodie
hinter sich ab, setzte sich in ihren Wagen und fuhr
zu Cole. Unterwegs machte sie nur noch einmal
Halt, um bei Vince’s Deli zwei Fertigmenüs zu be-
sorgen. Eine halbe Stunde später klopfte sie an Co-
les Tür und wartete gespannt auf seine Reaktion.
Die Tür wurde ziemlich abrupt geöffnet, und Me-
lodie war überwältigt von dem Anblick, der sich ihr
bot. Wie es schien, hatte sie Cole beim Ausziehen
überrascht. Er trug nur eine ausgeblichene Jeans,
dessen oberster Knopf geöffnet war, sonst nichts.
Wow! Sie hatte ja schon immer gewusst, dass er
eine breite Brust hatte, aber diese nun nackt vor
sich zu sehen, war ein Hochgenuss. So gestattete
sie sich, diesen Genuss auch voll auszukosten.
Sein athletischer Oberkörper war muskelbepackt,
der Bauch fest und flach, und um seinen Nabel
kräuselten sich feine Härchen, die in einer schnur-
geraden Linie in seinem Hosenbund verschwanden.
Mit angehaltenem Atem registrierte Melodie die im-
posante Ausbuchtung unter seinem Hosenschlitz.
Cole war so unglaublich männlich und atemberau-
bend sexy – von Kopf bis Fuß.
»Mel? Was willst du denn hier?«
Der brüske Ton ließ sie zusammenzucken. Sie
riss sich von dem Anblick los, der sie eben noch so
verzaubert hatte, und sah auf. Coles ärgerlicher
Miene nach zu schließen, hatte er mit Noah ge-
rechnet und schien nicht gerade begeistert über
dessen Stellvertreter.
Vielleicht ist er nicht allein, sondern hat eine Frau
bei sich, überkam sie die erschreckende Erkenntnis.
Mit gepresster Stimme fragte sie: »Komme ich ir-
gendwie ungelegen?«
Cole verschränkte die Arme vor der Brust. »Nein,
ich wollte nur gerade ein Bad nehmen.«
»Allein?« schoss es aus ihr heraus.
Er hob erstaunt die Brauen. »Ja, allein«, erwider-
te er gedehnt.
Erleichtert schenkte sie ihm ein strahlendes Lä-
cheln. »Dann ist es ja gut, ich hab nämlich nur A-
bendessen für zwei mitgebracht. Für dich und
mich.« Ohne auf die Aufforderung zum Eintreten zu
warten, schlüpfte sie an ihm vorbei und strebte
sogleich auf die Küche zu.
»Abendessen?«
»Ich dachte mir, du bist vielleicht hungrig, also
hab ich von unterwegs etwas mitgebracht: Kartof-
felsalat und dein Lieblingssandwich – scharfe
Pastrami.« Sie warf einen Blick zurück über ihre
Schulter und ertappte Cole dabei, wie er ihren fes-
ten Po in dem engen Lederrock anstarrte. Sehr gut!
»Und für mich Schinken und Käse auf Sauerteig-
brot.«
Er hob den Blick, und in seinem Augenausdruck
lag so viel offenkundige Qual und Begierde, dass ihr
Herz sofort höher schlug. »Mel, hör zu, ich…«
Die unterschwellige Warnung in seiner Stimme
ließ sie aufhorchen. Ehe er zu einer Moralpredigt
darüber ansetzen konnte, warum sie nicht hier blei-
ben durfte, kam sie ihm mit einem liebenswürdigen
Lächeln und ihrer gewohnt tüchtigen Art zuvor.
»Ach, übrigens, hier ist die Akte MacGregor, die du
so dringend haben wolltest.« Sie hielt ihm die Akte
hin, wobei sie enttäuscht bemerkte, dass er seine
Hose inzwischen wieder zugeknöpft hatte. Doch
wenigstens hatte er noch kein Hemd angezogen.
Vorsichtig streckte er die Hand aus, um die Akte
entgegenzunehmen, wobei er sorgfältig vermied,
Melodies Finger zu berühren. »Wieso ist Noah nicht
gekommen, wie ich es ihm aufgetragen habe?«
Sie stellte die Papiertüte mit dem Essen auf dem
Esstisch ab und hängte ihre Handtasche über die
Stuhllehne. »Weil er Besseres zu tun hatte und es
kaum erwarten konnte wegzukommen.«
»Also hat er dich geschickt?« Cole klang verär-
gert.
»Nein, das hat er nicht. Ich habe es ihm angebo-
ten, und er hat akzeptiert. Das ist doch kein Prob-
lem«, sie neigte leicht den Kopf und sah ihn fragend
an. »Oder?«
Es war offenkundig, worauf ihre Frage abzielte.
Melodie kannte Cole gut genug, um zu wissen, dass
er nie und nimmer seine Unfähigkeit eingestehen
würde, mit seinen Gefühlen für sie umzugehen.
Dieser männliche Stolz war es, auf den sie ihr Glück
setzte.
Cole enttäuschte sie nicht. »Nein, natürlich ist es
kein Problem«, entgegnete er schroff. Er legte die
Akte achtlos auf den Tresen und fuhr sich durch das
dichte Haar. »Danke für die Akte und… das Din-
ner.«
Sie schaffte es gerade noch, sich ein zufriedenes
Lächeln zu verkneifen. »Gern geschehen. Du hast
also nichts dagegen, wenn ich dir Gesellschaft leis-
te?«
Sie sah ihm deutlich an, wie gern er sie wegge-
schickt hätte. Wahrscheinlich dachte er an den ver-
gangenen Abend und befürchtete, dass es ihr ge-
lingen würde, ihn auch heute wieder so ganz gegen
seinen Willen zu verführen. »Ich beiße nicht, keine
Angst«, scherzte sie leichthin.
»Das hatte ich auch nicht angenommen«, versi-
cherte er ein wenig zu eifrig.
Fast hätte sie laut losgelacht. »Dann bleibe ich
also zum Essen, okay?«
»Wie du willst.« Ein gleichmütiges Achselzucken,
dann machte er sich am Kühlschrank zu schaffen.
»Was möchtest du trinken?«
Sie riss sich gewaltsam vom Anblick des Spiels
seiner mächtigen Rückenmuskeln los und machte
sich daran, die Tüte mit dem Essen auszupacken.
»Irgendetwas ohne Alkohol bitte.«
Er kehrte mit einer Cola für Melodie, einem Bier
für sich selbst und zwei Papptellern zurück.
»Ah, Pappteller! Typisch Junggeselle«, meinte
sie neckend, während sie eine großzügige Portion
Kartoffelsalat auf seinen Teller häufte und das
Sandwich dazulegte. »Deshalb gibt’s bei dir also
keine Stapel schmutzigen Geschirrs.«
»Ich hasse Abwaschen.« Er setzte sich auf den
Stuhl ihr gegenüber und wickelte sein Sandwich
aus. »Wie übrigens jegliche Art von Hausarbeit.
Deshalb suche ich immer nach Bequemlichkeit, was
das betrifft.« Er hob die Bierflasche an die Lippen.
Erleichtert registrierte sie, wie er sich allmählich
entspannte. Gut so. Sie würde ihn mit ihrer unver-
fänglichen Plauderei noch weiter in Sicherheit wie-
gen. »Ich muss schon sagen, es beeindruckt mich,
wie sauber es bei dir immer ist.«
»Ich habe eine Haushälterin, die einmal wöchent-
lich kommt«, räumte er ein. »Die restliche Zeit pas-
se ich allerdings sorgfältig auf, nur ja nichts schmut-
zig zu machen.«
Sie lachte, und ihre Blicke begegneten sich.
»Und, wie kommst du mit der Sache MacGregor
voran?«
»So gut, wie man es in diesem Fall erwarten
kann«, erklärte er bereitwillig. Dies war ein berufli-
ches Thema, und da fühlte er sich auf sicherem
Terrain. »Der Kerl, der das Sorgerecht für sein Kind
beantragt hat, ist ein ehemaliger Schwerverbrecher.
Seiner Exfreundin zufolge ist er äußerst jähzornig
und hat in der Nähe eines kleinen Jungen nichts zu
suchen. Ich hoffe, dass das, was wir gegen ihn in
der Hand haben, ausreicht, um das alleinige Sorge-
recht für sie zu erstreiten und dem Kerl höchstens
ein gelegentliches Besuchsrecht einzuräumen.«
»So eine traurige Geschichte.« Melodie empfand
heftiges Mitgefühl für diese Mutter, die alles daran-
setzte, ihr Kind zu schützen. »Es muss schrecklich
für ein Kind sein, zwischen zwei Parteien hin- und
hergerissen zu werden.«
»Es ist für alle Beteiligten sehr schmerzhaft«,
versetzte er tonlos.
Sie betrachtete ihn nachdenklich. »Das sagst du
in einem Ton, als würdest du dich mit so etwas aus-
kennen.«
»Das tue ich auch.« Er sah sie an, seine wahren
Gefühle hinter einer ausdruckslosen Maske verbor-
gen. »Bevor meine Mutter starb, haben sich meine
Eltern scheiden lassen.«
»Das hatte ich ganz vergessen. Es tut mir Leid«,
murmelte sie verlegen.
»Das braucht es nicht. Es ist ja schon lange her.«
»Ich weiß, wie schwer es ist, ohne Mutter aufzu-
wachsen. Aber eine Scheidung ist vermutlich eben-
so traumatisch, es sei denn, es handelt sich um ei-
ne einvernehmliche Trennung.«
»Das war es nicht.« Er nahm einen großen
Schluck von seinem Bier. »Meine Mutter hatte eine
Affäre und hat sich dem anderen Mann zuliebe von
meinem Vater scheiden lassen. Diesen anderen
Mann hat sie dann auch geheiratet. Als sei das
nicht schon schlimm genug für meinen Vater gewe-
sen, hat sie auch noch das Sorgerecht für Joelle vor
Gericht erstritten. Die war damals erst fünf. Meine
Mutter hat sie einfach mit nach Arizona genom-
men.«
»Aber warum nur Joelle?«
»Sie ist die Einzige, die meine Mutter wollte.« In
seiner Stimme schwang tiefe Bitterkeit mit.
Melodie schmolz schier das Herz vor lauter Mit-
gefühl, doch sie hütete sich, das zu zeigen. »Was
war mit dir und Noah?« fragte sie daher so neutral
wie möglich.
»Wir lebten bei meinem Vater, und wir hätten es
auch nicht anders gewollt. Weißt du, meine Mutter
war nicht gerade der fürsorgliche Typ.« Er stieß die
Gabel in seinen Kartoffelsalat, nahm aber keinen
Bissen. »Es war fast unerträglich, als meine Mutter
Joelle damals abgeholt hat. Einfach dazustehen
und tatenlos zusehen zu müssen… Sie wollte Jo
doch nur, um meinen Vater noch mehr zu verletzen,
als sie es ohnehin schon getan hatte. Und ihr Plan
ging auf, wir waren völlig fertig. Aber was ihre Söh-
ne empfanden, das hatte sie noch nie besonders
interessiert.«
Melodie legte ihr halb verzehrtes Sandwich auf
den Teller. Was sie da soeben über Coles Vergan-
genheit erfuhr, verdarb ihr den Appetit. »Ich nehme
an, nach dem Tod deiner Mutter ist Jo zurückge-
kehrt, um mit euch zusammenzuleben?«
»So einfach war das leider nicht. Mein Vater
musste sich das Sorgerecht gegen den zweiten
Mann meiner Mutter erst vor Gericht erkämpfen.«
Ein ironisches Lächeln huschte um seine Lippen.
»Peter, so hieß der Mann, hat Joelle noch volle
sechs Monate bei sich behalten, bis der Richter sie
endlich wieder in die Obhut meines Vaters über-
gab.«
»Wow, ich hatte ja keine Ahnung.« Betroffen
senkte sie den Blick. »Du hast wirklich eine Menge
mitgemacht – erst die Scheidung deiner Eltern und
der Tod deiner Mutter und dann der deines Vaters.«
»Ich habe mein Bestes getan, sowohl für mich
als auch für meine Geschwister.« Er klang fast ein
wenig so, als müsse er sich verteidigen. »Und die
beiden sind ja auch ganz gut geraten.«
»Du hast fantastische Arbeit geleistet, Cole«, er-
klärte sie mit leiser, ernster Stimme.
»Nur, weil mir eine Menge Leute hilfreich zur Sei-
te standen, wie zum Beispiel dein Vater. Ich schulde
ihm großen Dank dafür, dass er mich nach dem Tod
meines Vaters unter seine Fittiche genommen hat.
Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich so erfolg-
reich ins Detektei-Geschäft einsteigen konnte. Ihm
und seinen ausgezeichneten Beziehungen, die er
für mich spielen ließ.«
»Er hat eine sehr hohe Meinung von dir.«
»Das beruht auf Gegenseitigkeit.«
Und genau hier lag die Krux des Problems zwi-
schen ihr und Cole – der Respekt und die Bewun-
derung für ihren Vater, die ihm verboten, mit dessen
Tochter zu schlafen. »Ja, ich weiß«, seufzte sie.
Schweigen senkte sich über sie, bis Cole schließ-
lich mit rauer Stimme bemerkte: »Wie um alles in
der Welt sind wir denn bloß auf ein so deprimieren-
des Thema gekommen?«
Melodie bedauerte das Gespräch keineswegs, im
Gegenteil, sie fand es sehr aufschlussreich. Jetzt
begriff sie endlich, wie Cole ein derart dynamischer,
eisern entschlossener Charakter werden konnte,
der die Menschen, die ihm anvertraut waren, so
vehement zu beschützen bereit war. Doch sie hatte
auch einen Einblick in sein verletzliches Inneres
gewonnen, das sich unter seiner harten Schale
verbarg. Und diese Verletzlichkeit machte ihn in
ihren Augen nur noch attraktiver.
Das Klingeln des Mobiltelefons auf dem Küchen-
tresen zerriss die Stille, und Cole stand nur zu be-
reitwillig auf. Eine willkommene Abwechslung! Be-
vor er das Gespräch entgegennahm, wandte er sich
Melodie zu: »Das wird Bobby Malone sein. Ich
fürchte, es wird eine Weile dauern.« Er zog eine
bedauernde Grimasse. »Danke fürs Abendessen.«
Damit verschwand er in den Tiefen seines nebenan
liegenden Arbeitszimmers.
Die Botschaft war unmissverständlich: Melodie
sollte verschwinden.
Blieb bloß die Frage, würde sie darauf eingehen
oder nicht?
Melodie entschied sich für Letzteres. Sie grinste
frech. Noch vor wenigen Tagen, als das liebe, brave
Mädchen, hätte sie sich jetzt taktvoll zurückgezo-
gen. Nicht so die neue Melodie.
Früher oder später musste Cole ja wieder aus
seinem Arbeitszimmer auftauchen, und dann waren
noch alle Möglichkeiten offen für eine interessante
Nacht.
4. KAPITEL
Zufrieden beendete Cole das Telefonat mit Bob-
by Malone. Jetzt hatte er genug Informationen bei-
sammen, um sicherzustellen, dass Sarah MacGre-
gor ihren kleinen Sohn bei sich behalten durfte – für
immer.
Er ließ sich in seinen Ledersessel sinken, wäh-
rend seine Gedanken zu dem Gespräch mit Melodie
zurückkehrten. Es erstaunte ihn selbst, mit welcher
Offenheit er ihr seine traurige Kindheitsgeschichte
erzählt hatte. All die schmerzlichen Erinnerungen,
die er in den hintersten Winkel seines Bewusstseins
verdrängt hatte. Er musste sogar eingestehen, dass
er es als sehr erleichternd empfunden hatte, endlich
mal über all das zu reden. Seinen Geschwistern
gegenüber war dieses Thema nämlich tabu, er woll-
te auf keinen Fall, dass sie seinetwegen Schuldge-
fühle entwickelten. Sie hatten schon genug durch-
gemacht, besonders Joelle.
Bis jetzt war ihm noch keine Frau nahe genug
gekommen, um ihm derartige Geständnisse zu ent-
locken. Doch Melodie schien sich aufrichtig für alles
zu interessieren, was ihn betraf, das hatte er deut-
lich gespürt. So wünschte er jetzt einerseits, dass
sie nebenan auf ihn wartete. Andererseits war ihm
seine Unabhängigkeit immer heilig gewesen. Er
brauchte niemanden, schon gar keine Frau. Und er
beabsichtigte eigentlich nicht, seine Ansicht darüber
zu ändern.
Dennoch musste er eingestehen, dass er sich
vorhin in Melodies Gesellschaft sehr wohl gefühlt
hatte. Nach dem gestrigen Ausrutscher schien der
Status quo wieder hergestellt. Und doch… etwas
war hängen geblieben, eine bohrende Sehnsucht.
Er schüttelte diesen unwillkommenen Gedanken
ab und beschloss, da weiterzumachen, wo er bei
Melodies unerwartetem Auftauchen aufgehört harte:
dem heißen Bad. Das war jetzt genau das Richtige
– in heißes Wasser abzutauchen und sich die ver-
spannten Muskeln von den Massagedüsen lockern
zu lassen.
Cole ging in die Küche und stellte mit einem lei-
sen Anflug von Enttäuschung fest, dass Melodie
tatsächlich gegangen war. Doch sie hatte ihre
Handtasche vergessen, die hing einsam über der
Stuhllehne. Und dann entdeckte er den Zettel auf
dem Küchentisch – nein, eigentlich war es eher ein
Brief, fein säuberlich mit Melodies geschwungener
Handschrift bedeckt. Neugierig nahm er den Brief
auf und begann zu lesen:
Ich liebe das Gefühl von Wasser auf meiner
Haut, wie es weich und seidig meine Brüste um-
spielt, meinen Bauch und meine Schenkel. Das Rie-
seln des Wassers lässt meine Brustknospen ganz
hart werden, und auch das gefällt mir. Sehr sogar.
Wenn ich mit den Fingern über die vor Sehnsucht
schmerzenden Spitzen streife, stöhne ich laut auf,
so empfindsam sind sie. Wie sehr ich doch wünsch-
te, meine Hände wären Deine!
Wenn ich Dich schon nicht bei mir haben kann,
muss ich mich anderweitig behelfen. Ich stelle mir
vor, wie Du meinen nassen, glatten Körper berührst,
überall, an Stellen, die vor Verlangen erbeben. Du
erkundest mit Deinen Händen meine heiße, glän-
zende Haut, während Du mit Mund und Zunge mei-
ne lustvolle Qual noch steigerst. Langsam, ganz
langsam leckst Du die Wassertropfen von meinem
Körper, und ich erbebe vor Lust, nein, ich zerfließe
förmlich. Kannst Du schmecken, wie sehr ich Dich
begehre?
Cole spürte, wie er ganz hart wurde vor Verlan-
gen. Und das Postskriptum am Ende der Seite gab
ihm den Rest.
Cole, ich bin schon ganz feucht und warte auf
Dich. Komm zu mir und tauche ein in ein Bad unter
dem Sternenhimmel.
Er hob den Blick, und jetzt erst entdeckte er ihre
Schuhe, den Pulli und den Rock auf dem Boden
neben der geöffneten Schiebetür, die auf den Hin-
terhof hinausführte. Er wusste sofort, wohin sie ver-
schwunden war und was ihre Einladung bedeutete.
Oh, Mann! Er schloss die Augen und sandte ein
stummes Stoßgebet zum Himmel. Betete um die
Kraft, ihren Verführungskünsten zu widerstehen.
Fest entschlossen, sie abblitzen zu lassen und kur-
zerhand nach Hause zu schicken, ging er in den
Hof hinaus.
Doch da ahnte er noch nichts von der Faszinati-
on des Anblicks ihrer sanft illuminierten Silhouette in
dem Heißwasserbecken. Am Rand des Beckens
blieb er stehen, registrierte erleichtert die schwar-
zen Träger ihres BHs über ihren Schultern. Sie war
also nicht völlig nackt. Das Haar hatte sie sich zu
einem lockeren Knoten hochgesteckt, und auf ihrer
Haut perlten glitzernde Wassertröpfchen. Blubbernd
und gurgelnd umspielte das Wasser ihr Dekollete.
Heißer Dampf stieg auf und hüllte ihn ein.
Langsam, ganz langsam leckst Du die Wasser-
tropfen von meinem Körper… Oh, wie gern er das
täte und noch viel, viel mehr!
Melodies Augen waren dunkel vor Verlangen, als
sie den Blick über seine unglaubliche Figur wandern
ließ. »Du hast dich also entschlossen, mir Gesell-
schaft zu leisten?«
Er verschränkte die Arme vor der Brust, eisern
um Gelassenheit bemüht. »Das wäre wohl im Au-
genblick nicht besonders klug.«
Sie glitt tiefer in das Wasser hinein, legte die kur-
ze Distanz zu ihm schwimmend zurück, wobei die
sanften Wellen, die sie dabei verursachte, über sei-
ne bloßen Füße schwappten. Dann sah sie zu ihm
auf, wobei sie die Arme auf den Beckenrand stützte.
»Lass doch einfach mal locker. Weißt du, ein biss-
chen Spontaneität kann sehr befreiend wirken – und
eine Menge Spaß machen.«
Darauf biss er nicht an. »Oder jede Menge Sche-
rereien.«
Sie tauchte die Finger in das heiße Wasser und
bespritzte neckisch seine Brust. »Das Risiko gehe
ich ein.«
»Ich nicht.«
Melodie schien nicht im Mindesten entmutigt.
»Hat dir der letzte Brief gefallen, den ich dir ge-
schrieben habe?« fragte sie unschuldig.
»Welcher Brief?« konterte er nicht minder harm-
los.
»Der auf dem Küchentisch.« Als er darauf nichts
erwiderte, fuhr sie sinnierend fort: »Mal sehen, ob
es mir gelingt, dein Gedächtnis aufzufrischen. Es
begann ungefähr so… wie sehr ich es liebe, von
weichem, warmem Wasser umspült zu werden, und
wie ich mir dabei vorstelle, dass deine Hände meine
nasse, glatte Haut liebkosen…«
»Das reicht, ich erinnere mich«, schnitt er ihr mit
rauer Stimme das Wort ab. Noch ein derartiger Satz
von ihr, und mit seiner Selbstbeherrschung wäre es
vorbei.
Ein amüsiertes Lächeln kräuselte ihre Lippen.
»Ah, du hast ihn also gelesen«, meinte sie gedehnt.
»Jedes einzelne Wort ist wahr. Ganz besonders der
letzte Teil.«
Unvermittelt richtete sie sich auf, und fasziniert
beobachtete er, wie das Wasser an den weiblichen
Kurven ihres Körpers herabrieselte. Sie stand jetzt
bis zu den hübsch gerundeten Hüften im Wasser,
und es gab genug nasse Haut zu sehen, um Coles
Fantasie auf Hochtouren zu bringen. Sie trug zwar
einen BH, doch der hauchdünne, von zarten Spit-
zen eingefasste Stoff klebte wie eine zweite Haut an
den üppigen, festen Brüsten, deren Knospen hart
aufgerichtet waren.
»Ich zerfließe vor Sehnsucht nach dir, Cole«, ge-
stand sie mit rauer Stimme.
Heißes Verlangen durchflutete ihn und schoss
ihm in die Lenden. Melodie war so verdammt ver-
wegen. So frech und verführerisch. Eine unwider-
stehliche Mischung, die alles von ihm abverlangte,
um nicht die Beherrschung zu verlieren. Sie
wünschte sich also Spontaneität? Er würde sie nicht
enttäuschen!
Cole fragte sich, wie weit sie dieses Spielchen
treiben wollte. Er war bereit, auf diese Scharade
einzugehen, bis sie endlich genug davon hatte.
Gestern Abend noch hatte er sie gewarnt, nicht mit
dem Feuer zu spielen, jetzt würde sie erfahren, wie
es war, sich die Finger zu verbrennen.
Noch hielt sie stand, als er lässig nach seinem
Hosenbund tastete und den obersten Knopf öffnete.
Ganz langsam zog er den Reißverschluss herunter,
über seine mächtige Erektion, und sie schaute im-
mer noch zu. Es erregte ihn, wie sie ihm so faszi-
niert beim Strippen zusah. Mit einer raschen Bewe-
gung entledigte er sich seiner Jeans, behielt den
Slip jedoch an. Dann sprang er ins Wasser und glitt
auf einen der körpergerecht gestalteten Kunstharz-
sitze. Die Arme legte er entspannt auf den Becken-
rand.
Melodie glitt auf den anderen Sitz und streckte
die Beine bis fast zu Coles Schoß aus. Wohlig seuf-
zend tauchte sie tiefer in das sprudelnde Wasser
ein.
»Toll, was, diese Massagedüsen?« Er wusste
genau, wie sich die in den Sitz eingelassenen Dü-
sen anfühlten.
Melodie ließ ein leises, heiseres Lachen hören.
»Oh ja, sie kitzeln sogar an ganz besonders emp-
findsamen Stellen.«
Wieder versorgte seine Fantasie ihn mit einem
aufreizenden Bild, und er musste noch einmal alle
Kraft aufbieten, sich jetzt nicht einfach treiben zu
lassen. »Auf nackter Haut fühlt sich das sogar noch
besser an«, bemerkte er herausfordernd. »Wenn du
schon ein Bad im Jacuzzi nimmst, dann solltest du
es auch richtig tun, um den maximalen Genuss
auszukosten.« Mit diesen Worten zog er kurzerhand
seinen Slip aus und deponierte ihn auf dem Be-
ckenrand. Sie war bestimmt zu schüchtern, um da
mitzuhalten, das hätte er schwören können.
Doch Melodie belehrte ihn eines Besseren. Nach
kurzem Zögern streifte sie die Träger ihres BHs ü-
ber die Schultern und entledigte sich des zarten
Wäschestücks, während sie Cole unverwandt in die
Augen sah. Ihren Slip jedoch behielt sie an.
»Oh, wow!« entfuhr ihr ein Ausruf des Entzü-
ckens. »Du hast Recht. Das fühlt sich ganz un-
glaublich toll an, wie Hunderte von kleinen Fingern,
die über meine Brüste streichen.« Mit vor Verlangen
dunkler Stimme fügte sie hinzu: »Aber es reicht
nicht annähernd aus, um die Sehnsucht zwischen
meinen Schenkeln zu stillen.« Ohne Vorwarnung
glitt sie neben ihn.
All seine Instinkte befahlen ihm, sie an sich zu
reißen, doch er rührte sich nicht. Seine Neugier war
geweckt. Wie weit würde sie gehen, in dem Ver-
such, ihn zu verführen?
Ihm stockte der Atem, als sie sich ohne zu zö-
gern rittlings über ihn schwang. Ihre Knie streiften
seine Hüften, und ihre schlanken Schenkel
schmiegten sich an seine. Bei jeder ihrer Berührun-
gen prickelte seine Haut vor Erregung. Das Zentrum
ihrer Weiblichkeit war nur wenige Zentimeter von
seiner Erektion entfernt, und Cole dankte dem
Schöpfer, dass sie ihren Slip anbehalten hatte. Das
würde ihm helfen, sich zu beherrschen. Vielleicht…
Er sah ihr in das von heißem Dampf und Vor-
freude gerötete Gesicht und bemerkte ironisch:
»Hast du es auch bequem?« Sein sarkastischer
Ton strafte die Anspannung Lügen, die seinen Kör-
per ergriffen hatte.
»Sehr.« Ein süßes Lächeln um die Lippen, um-
schloss sie seine Handgelenke und zog seine Hän-
de zu ihren Brüsten, presste sie gegen das weiche,
nachgiebige Fleisch. Sofort richteten sich die rosi-
gen Brustknospen auf. »Ich stelle mir vor, wie du
meinen feuchten Körper an seinen empfindsamsten
Stellen berührst, Cole«, hauchte sie mit vor Verlan-
gen bebender Stimme.
Entgegen seiner eisernen Vorsätze ließ er sich
von ihren Fantasien mitreißen. Er spürte ihren hefti-
gen Herzschlag, und erst jetzt erkannte er, wie viel
Mut und Selbstüberwindung es sie kosten musste,
sich so ungewohnt aufreizend zu geben. Er betrach-
tete ihren üppigen Mund, die Lippen so voll und
weich und einfach unwiderstehlich…
Er schluckte. Wenn er jetzt weitermachte, gab es
kein Zurück mehr. Aber schließlich war er auch nur
ein Mann, ein ganz normaler, heißblütiger Mann,
empfänglich für die Reize einer schönen, sinnlichen
Frau, erst recht, wenn ihm diese Reize so großzü-
gig dargeboten wurden. Also fasste er den Ent-
schluss, alle Vorsicht in den Wind zu schlagen und
sich später mit den Konsequenzen seines Handelns
auseinander zu setzen.
Während er noch seine Schwäche verfluchte,
beugte er sich vor und küsste Melodie. Hungrig und
voller Leidenschaft eroberte er mit der Zunge das
zarte Innere ihres Mundes. Melodie reagierte nicht
minder leidenschaftlich. Aufstöhnend vergrub sie
die Finger in seinem Haar und drängte sich ihm
sehnsüchtig entgegen.
Cole umfasste ihre Brüste und rollte die harten
Brustspitzen zwischen den Fingern, was sie mit ei-
nem wollüstigen Seufzer quittierte. Er ließ die Hän-
de tiefer gleiten, über ihren flachen, straffen Bauch,
die sanft gerundeten Hüften, die Außenseiten ihrer
Schenkel bis zu ihren Knien. Ihre Haut fühlte sich
unglaublich seidig an, und das Bedürfnis, sie überall
zu küssen, überfiel ihn mit einer Heftigkeit, die ihm
den Atem raubte.
Das Gesicht an ihrer Halsbeuge geborgen, sog
er ihren verführerischen Duft ein und bedeckte ihre
Haut mit lauter kleinen Küssen. Erschauernd legte
sie den Kopf zurück. Wie in ihrem Brief fantasiert,
leckte er ihr die Wassertropfen von der Haut, und
ihr lustvolles Stöhnen wurde immer lauter, fordern-
der, drängender.
Unvermittelt kam sie auf die Knie hoch. Ihr Ober-
körper ragte aus dem Wasser, und das helle Mond-
licht tauchte ihre vor Feuchtigkeit glänzende Haut in
sein silbriges Licht. Ihre runden Brüste mit den har-
ten Knospen waren jetzt ganz dicht vor ihm, und der
Anblick steigerte seine Erregung ins schier Uner-
messliche. Melodie versenkte ihren Blick in seinen,
ein Blick voll heißer Sehnsucht. »Ich zerfließe schon
beinahe, Cole«, keuchte sie, »du kannst schme-
cken, wie sehr ich dich begehre.«
Sie bog sich ihm entgegen, und er umschloss ei-
ne ihrer Brustspitzen mit den Lippen, saugte und
zog vorsichtig mit den Zähnen daran. Er begann ein
aufreizendes Spiel mit der Zunge, bis ihr heftiger
Atem ihm signalisierte, welche Lust er ihr bereitete.
»Cole…« Immer noch auf den Knien, bewegte sie
ihre Hüften instinktiv vor und zurück, rieb sich an
seinem Bauch und an seiner Männlichkeit. Sie spür-
te seine harte, lodernde Erregung ganz nah an ih-
rem brennenden Feuer der Lust. Sie wollte mehr.
»Ich möchte, dass du mich berührst…«
Er wusste genau, was sie wollte. Und es erregte
ihn in höchstem Maße, dass sie ihr Verlangen so
ungeniert aussprach. Er ließ die Hände ihre Schen-
kel hinauf gleiten, strich mit den Handflächen über
ihren erbebenden Bauch und schob die Fingerspit-
zen unter den Rand ihres Slips. Mit dem Daumen
tastete er weiter bis zu ihrem Venusberg, rieb sanft
darüber. Als sie zusammenzuckte, fragte er mit
rauer Stimme: »Bist du sicher, dass du das willst,
Mel?«
Sie schloss die Augen, und ihr Atem kam stoß-
weise. »Oh, ja, bitte…«
Mit seinen kräftigen Schenkeln spreizte er ihre
Beine. Spielerisch lüpfte er den Bund ihres Slips,
und die gurgelnden Blasen der Massagedüsen fan-
den ihren Weg, um Melodies Lust noch weiter an-
zuheizen.
»Oh ja, ja«, stöhnte sie mit rauer Stimme auf und
umklammerte Coles Schultern, während ihr ganzer
Körper erschauerte.
Er wusste, es brauchte nicht mehr viel, um sie
zum Höhepunkt zu bringen, doch er hatte vor, ihre
süße Qual noch ein bisschen zu verlängern. Sozu-
sagen als Rache für die Torturen, die sie ihm mit
ihren erotischen Briefen und ihrem aufreizenden
Benehmen gestern und heute bereitet hatte.
Cole zog ihren Kopf zu sich heran und flüsterte
ihr mit bebender Stimme ins Ohr: »Stell dir vor, die
gurgelnden Blasen sind meine Zunge, die leckt und
in dich eindringt und deine Lust schmeckt, genau
hier.« Mit dem Daumen strich er über das Zentrum
ihrer Weiblichkeit, während er erst mit einem, dann
mit zwei Fingern in sie eindrang, tief und in sanften
Stößen. Sie fühlte sich heiß und feucht an und so
wundervoll eng… Cole spürte, wie ihre Muskeln
sich um seine Finger schlossen, ihn tiefer hineinzo-
gen… Er stöhnte verlangend auf, während sie ihre
Hüften rhythmisch vor und zurück bewegte und er
sich mit seinen Liebkosungen diesem Rhythmus
anpasste. »Spürst du mich in dir, Mel?«
Statt einer Antwort brachte sie nur ein leises
Wimmern zu Stande.
Ohne darüber nachzudenken, was er tat, ersetzte
er seinen Daumen durch die Spitze seiner Erektion
und rieb sich an ihr. Sein Stöhnen wurde lauter,
lustvoller, mischte sich mit ihrem sehnsüchtigen
Seufzen. »Du fühlst dich so gut an, Cole«, keuchte
sie. Am liebsten wäre er jetzt in sie hineingetaucht,
in ihr heißes, vibrierendes Fleisch, um mit ihr ge-
meinsam zum Höhepunkt zu kommen.
Doch das würde nie geschehen
1
. Er würde ihr
Befriedigung verschaffen, das schon, aber er selbst
würde sich die Erfüllung versagen. Cole suchte Me-
lodies Lippen, während er das Reiben und Stoßen
seiner Finger und seiner harten Männlichkeit noch
verstärkte, voll und ganz auf ihre Lust konzentriert.
Mit einem leisen Aufschrei erreichte Melodie den
Höhepunkt und sank in wohliger Erschöpfung ge-
gen Coles Brust, die Arme um seinen Nacken ge-
schlungen, das Gesicht an seine Schulter ge-
schmiegt.
Cole hielt sie fest an sich gedrückt, während ihr
Atem sich allmählich beruhigte. Doch als ihre Hand
sich tastend zwischen ihre erhitzten Körper schob
und sich um seine pulsierende Männlichkeit
schloss, erstarrte er. Sie ließ den Daumen über die
empfindsame Spitze gleiten, und er sog scharf die
Luft ein. Mit festem Griff umschloss er ihr Handge-
lenk. »Nein, Mel«, keuchte er, wenn auch halbher-
zig.
Sie sah ihn verständnislos an, ihre Augen immer
noch dunkel vor Leidenschaft. »Willst du denn
nicht…«
1
Kleine Bemerkung vom k-leser: das ist doch unsagbar unglaub-
würdig, welcher Mann würde da Nein sagen? Also ehrlich!
»Doch, ich will«, brachte er hervor. Wozu lügen,
wo sie doch den Beweis seines Verlangens in der
Hand hielt? »Aber wir können nicht zusammen
schlafen.« Und er war nicht in der Stimmung für
einen Alleingang, während sie zuschaute.
»Wir?« In ihrer Stimme lag ein frustrierter Unter-
ton. »Cole, ich kann für mich selbst sprechen. Ich
bin eine erwachsene Frau, die das Recht hat, mit
einem Mann zu schlafen. Sogar mit dir.«
Das hatte sie ja heute deutlich genug demonst-
riert. So ruhig wie möglich erwiderte er: »Mel, ich
habe keine Kondome im Haus.«
Er war sich nicht sicher, ob sie ihm glaubte, aber
es entsprach der Wahrheit. Seit seiner letzten Affä-
re, die Monate zurücklag, hatte er keine Veranlas-
sung gesehen, sich welche zu besorgen. Das kam
ihm jetzt sehr gelegen, hielt es ihn doch davon ab,
einen großen Fehler zu begehen.
Sie schloss ihre Hand fester um seine Erektion
und strich mit der Zungenspitze über seinen Hals
bis zu seinem Ohr. »Dann lass mich… Ich verspre-
che dir, es wird auch so schön für dich…«
Das glaubte er ihr aufs Wort, und schon bewegte
er sich instinktiv in ihrer Hand. Doch noch war sein
Verstand nicht gänzlich ausgeschaltet, und so zog
er sich energisch zurück. Dann hob er Melodie hoch
und schob sie auf ihren Sitz zurück. »Du machst
mich noch ganz verrückt«, stöhnte er.
»Warum willst du denn nicht?« fragte sie leise.
»Weil…« Er fuhr sich mit der Hand durchs feuch-
te Haar. »Weil ich dir nicht geben kann, was du
brauchst.«
In ihren Augen blitzte es amüsiert auf. »Aber das
hast du doch gerade getan.«
Er schüttelte den Kopf. Noch immer konnte er
nicht fassen, in was für eine lockende Sirene sich
seine brave und anständige Melodie verwandelt
hatte. Es war offensichtlich, dass sie nicht bereit
war aufzugeben. Dann blieb ihm nichts anderes
übrig als schonungslose Ehrlichkeit. »Ja, sicher,
körperlich habe ich dich befriedigt, aber auf emotio-
naler Ebene kann ich das nicht. Ich will keine Be-
ziehung, Mel, mit niemandem.« Und besonders
nicht mit ihr. Er würde seinen Junggesellenstatus
und sein freundschaftliches Verhältnis zu ihrem Va-
ter nicht für eine heiße Liebesnacht aufs Spiel set-
zen.
Sie ließ sich tiefer ins Wasser gleiten, bis es ihre
Schultern umspülte. »Wenn ich mich recht erinnere,
habe ich das auch nicht verlangt. Ich habe dich le-
diglich gebeten, dich zu dieser Wohltätigkeitsveran-
staltung begleiten zu dürfen.«
»Was heute Abend zwischen uns passiert ist,
wird meine Meinung darüber nicht ändern«, versetz-
te er scharf.
Sie seufzte resigniert. »Dann habe ich mich wohl
noch nicht genug angestrengt.«
Cole fasste diese Worte als versteckte Drohung
auf. Melodie würde also ihre erotischen Spielchen
weitertreiben, was bedeutete, dass er im wahrsten
Sinne des Wortes harten Zeiten
2
entgegensah. Oh-
ne ein weiteres Wort kletterte er aus dem Becken
und sprang in den angrenzenden Pool. Der Schock
des kalten Wassers war genau das, was er brauch-
2
Sicher, was hier hart wird, ist wohl klar ;-)
te, um wieder klar denken zu können. Doch leider
richtete er nichts gegen den Tumult seiner Hormone
aus und gegen das Verlangen, das er für Melodie
empfand. Was hatte sie bloß auf die fixe Idee ge-
bracht, seine schön geordnete Welt auf den Kopf zu
stellen!
Mit zunehmender Erschöpfung zog er seine Ban-
nen, bis er sich einigermaßen abgekühlt hatte. Als
er den Kopf hob, um tief durchzuatmen, bemerkte
er, dass Melodie nicht mehr im Heißwasserbecken
saß.
Sie war gegangen, wie er es gewollt hatte
3
.
Warum war er dann plötzlich so enttäuscht, allein
zu sein?
5. KAPITEL
Am Donnerstagabend nach der Arbeit ging Cole
ohne Umweg in sein Stammlokal, Murphy’s Bar and
Grill. Sogleich entdeckte er viele bekannte Gesich-
ter, und er nickte grüßend in die Runde.
»Was darf’s sein, Sommers?« rief ihm Murphy
hinter seiner auf Hochglanz polierten Theke aus
Messing und Mahagoni zu. »Das Übliche?«
»Das Übliche, danke.« Er schenkte dem Mann
ein freundliches Grinsen, obwohl ihm eigentlich gar
nicht besonders fröhlich zu Mute war. Suchend ließ
er den Blick durch den Raum schweifen und ent-
deckte in einer der hinteren Nischen, nach wem er
suchte: Richard Turner. Richard hatte ihn angerufen
3
Ich sag ja, Cole ist ein Trottel.
und um dieses Treffen gebeten. Am Telefon hatte
er ziemlich besorgt geklungen, wollte aber nicht
damit herausrücken, was er auf dem Herzen hatte.
Cole, das schlechte Gewissen in Person, hatte
natürlich sofort an Melodie gedacht. Deshalb sah er
dem bevorstehenden Gespräch auch mit äußerst
gemischten Gefühlen entgegen.
Jetzt hatte auch Richard ihn entdeckt und winkte
ihm grüßend zu. Dann also auf in den Kampf, dach-
te Cole grimmig und gesellte sich zu seinem Freund
und Mentor in den hinteren Teil der Bar. Etwas um-
ständlich quetschte er sich in die enge Nische, für
die seine Beine immer viel zu lang schienen.
Nach einer kurzen Begrüßung kam Richard Tur-
ner ohne Umschweife zur Sache. »Es geht um Me-
lodie.«
Genau das hatte Cole befürchtet. »Was ist los,
habt ihr Probleme?«
»Das nicht gerade.« Richard blickte nachdenklich
vor sich hin. »Weißt du, Cole, nach dem Tod ihrer
Mutter habe ich mir alle Mühe gegeben, ihr das Ge-
fühl zu geben, geliebt zu werden. Ihr sollte es an
nichts mangeln. Weibliche Gesellschaft war das
Einzige, womit ich ihr nicht dienen konnte, also
schickte ich sie auf die besten privaten Mädchen-
schulen. Dort wähnte ich sie unter Gleichgesinnten,
die ihr die Probleme des Erwachsenwerdens leich-
ter machen würden. Ich wollte, dass eine intelligen-
te, vernünftige Frau aus ihr wird, die selbstständig
ihr Leben meistert.«
»Das ist sie ja auch«, ermutigte Cole sein Ge-
genüber. »Sie ist eine sehr talentierte junge Frau.«
In mancher Hinsicht allerdings zu talentiert, für sei-
nen Geschmack.
»Ja, das ist wahr«, stimmte Richard stolz zu, a-
ber der besorgte Unterton in seiner Stimme war un-
verkennbar. »Und doch frage ich mich, ob ich bei
ihrer Erziehung nicht etwas falsch gemacht habe.
Sie hat sich meinem Entschluss, sie ausschließlich
auf Mädchenschulen zu schicken, nie widersetzt,
aber ich fürchte fast, dass es sie in ihrer normalen
Entwicklung behindert hat. Womöglich hat sie sich
wie in einen Kokon eingehüllt gefühlt, abgeschnitten
vom wirklichen Leben und von den normalen Ver-
gnügungen der Jugend.«
Cole horchte auf. Die Unterhaltung behagte ihm
zwar immer noch nicht, doch sie erklärte so man-
ches. »Wie kommst du auf diese Idee?« fragte er
widerstrebend.
»Gestern Abend war ich mit Melodie zum Dinner
verabredet, und ich bin fast vom Stuhl gekippt, als
sie im Restaurant auf mich zukam. Sie hat eine
ganz neue Frisur, irgendwie frech und fransig, und
ihre Kleidung erst! Sie trug so etwas wie eine Le-
derhose und ein Top…« Er wurde rot und fuhr mit
gesenkter Stimme fort: »… mit einem viel zu offen-
herzigen Dekollete. Verdammt, ich hab meine eige-
ne Tochter beinahe nicht wiedererkannt!« Er kippte
den Rest seines Martinis in einem Zug hinunter.
Mit Genugtuung stellte Cole fest, dass er nicht
der einzige Mann war, den Melodie mit ihrer Trans-
formation in einen Vamp aus dem Gleichgewicht
gebracht hatte.
»Versteh mich nicht falsch«, fuhr Richard grim-
mig fort, »jede Frau hat das Recht, ihre… Reize so
gut wie möglich zu präsentieren, aber so eine radi-
kale Veränderung! Wenn es nur die Kleidung und
die Frisur wären! Auch Melodies Benehmen hat sich
geändert, ihr ganzes Auftreten.«
Oh ja, sie war definitiv selbstbewusster, an-
spruchsvoller und freimütiger. Sie war ein völlig
neuer Mensch. Das konnte Cole nur bestätigen.
Richard schob sein leeres Glas zum Tischrand,
damit die Kellnerin es abräumte. »Du musst die
Veränderungen an ihr doch auch bemerkt haben,
Cole.«
»Das kann mal wohl sagen.« Die Worte waren
heraus, bevor er registrierte, dass er seine Gedan-
ken laut ausgesprochen hatte.
Stirnrunzelnd bedachte Richard ihn mit einem
Blick, der ihm die Schweißperlen auf die Stirn trieb.
»Ich meine, wie sollte man so eine drastische Ver-
änderung übersehen?« verbesserte er sich rasch.
»Du weißt doch, wie unberechenbar Frauen sind.
Ich bin sicher, es ist nur eine Laune.«
Richard nickte bedächtig. »Ich kann nur hoffen,
dass du Recht hast. Ich befürchtete nämlich schon,
dass…«
»Was?« fuhr Cole scharf dazwischen.
»Meine größte Sorge ist, dass sie sich irgendei-
nem Kerl zuliebe so verändert hat. Falls das so ist,
wer weiß, wie weit sie noch geht, um seine Auf-
merksamkeit zu erregen.«
Cole wusste genau, zu welchen Extremen Melo-
die fähig war, um seine Aufmerksamkeit zu erregen,
doch dieses kleine Geheimnis behielt er wohl bes-
ser für sich. »Was schlägst du vor?«
Richard bedachte Cole mit einem durchdringen-
den Blick. »Ich möchte, dass du mir einen Gefallen
tust. Bitte hab an meiner Stelle ein Auge auf Melo-
die.«
Sein Ton machte deutlich, dass es sich eher um
einen Befehl als um eine Bitte handelte. Cole sah
keine Chance, sich aus der Affäre zu ziehen. »Ich
soll sie beschatten?« fragte er ungläubig.
»Sozusagen.« Richard setzte eine verlegene
Miene auf, doch es war unverkennbar, dass er kei-
nen Rückzieher machen würde. »Mir ist klar, Mel
würde mich umbringen, wenn sie das wüsste, aber
ich kann einfach nicht anders. Ich mache mir große
Sorgen um sie, und du bist der Einzige, dem ich
zutraue, sie im Auge zu behalten und zu verhindern,
dass irgendein übler Bursche sie ausnutzt.«
Na, großartig! Cole verschluckte sich fast an der
Erdnuss, die er sich gerade in den Mund gesteckt
hatte. Wenn Richard wüsste, dass er diesem üblen
Burschen geradewegs gegenübersaß… »Richard,
Melodie ist eine erwachsene Frau…«
Der ältere Mann hob die Hand, um Coles Vortrag
im Keim zu ersticken. »Ich weiß, ich weiß. Das habe
ich mir selbst schon hundert Mal gesagt, aber als
Vater, der völlig vernarrt ist in seine Tochter, kann
ich nicht untätig zusehen, wie jemand sie verletzt.
Glaub mir, du wirst das verstehen, wenn du selbst
erst einmal Kinder hast.«
Das würde noch lange auf sich warten lassen,
wenn es überhaupt jemals dazu kam. Cole hatte
schon ausreichend Gelegenheit gehabt, Vaterpflich-
ten an seinen beiden Geschwistern zu erfüllen, das
reichte erst einmal. Obwohl es häufig auch viel
Spaß gemacht hatte, wie er sich sofort eingestehen
musste.
»Ich möchte nur sichergehen, dass Melodie sich
nicht in eine Situation hineinmanövriert hat, die sie
überfordert«, redete Richard weiter eindringlich auf
ihn ein. »Wirst du mir helfen?«
Was blieb ihm anderes übrig? Er schuldete Ri-
chard so viel. »Ja, natürlich«, brachte er gepresst
hervor.
Ein dankbares Lächeln erhellte Richards Züge,
und er seufzte erleichtert. »Ich wusste, dass ich auf
dich zählen kann.«
Cole leerte sein Bierglas in großen Zügen und
machte der Kellnerin ein Zeichen, ein neues Glas
zu bringen. Fast hätte er laut losgelacht. Melodie
vor sich zu schützen mochte ja noch zu bewerkstel-
ligen sein. Aber wer, um Himmels willen, schützte
ihn vor Melodie?
Melodies Finger krampften sich um den Stift in ihrer
Hand, und sie hätte ihrer Frustration am liebsten mit
einem lauten Schrei Luft gemacht, während sie zu-
sah, wie Noah eine weitere Frau aus Coles Büro
eskortierte und zum Ausgang geleitete.
»Es gibt noch weitere Kandidatinnen«, sagte er
zu der langbeinigen Frau mit den feuerroten Haa-
ren, die ihn hoffnungsvoll anstrahlte. »Falls Cole
sich für Sie entscheidet, wird er sich telefonisch mit
Ihnen in Verbindung setzen.«
Mit einem gekünstelten Lächeln fuhr sie ihm mit
einem langen, rot lackierten Fingernagel über die
Brust. »Ich würde mich freuen, wenn Sie sich an
mich erinnern, Noah. Auch wenn ich den Job nicht
bekomme, können Sie mich jederzeit anrufen.«
Noah setzte sein wohl bekanntes Verführerlä-
cheln auf, dem die Frauen reihenweise erlagen.
»Ich werde daran denken, Heather.« Er wartete, bis
Heather sicher in ihrem Wagen saß, dann schloss
er die Tür.
Melodie bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen
Blick. Abwehrend hob er die Hände. »Hey, ich hab
nicht versprochen, sie anzurufen.«
»Du bist ein unverbesserlicher Schürzenjäger,
Noah Sommers.« Sie schüttelte tadelnd den Kopf.
»Ich wünschte nur, dass dich mal eine in die Knie
zwingt.«
»Das haben schon einige geschafft«, konterte er
ungeniert.
Melodie spürte, wie sie errötete, doch sie hatte
nicht die Absicht, sich durch seinen frechen Kom-
mentar aus dem Konzept bringen zu lassen. »Lass
es mich anders ausdrücken: Ich hoffe, du triffst auf
eine Frau, die du unbedingt haben willst, und sie
lässt dich ordentlich zappeln. Eine Frau, die dir dei-
ne Playboy-Allüren gründlich austreibt.«
Er schien ernsthaft über ihre Bemerkung nach-
zudenken, und seine Miene drückte aus, wie sehr
ihn die Vorstellung amüsierte. »Ein ganz ungewöhn-
licher Gedanke, nicht?«
Melodie verdrehte entnervt die Augen. Er schien
wirklich felsenfest davon überzeugt, dass keine
Frau ihn je zähmen würde. Am liebsten hätte sie ihn
bei der Gurgel gepackt und gewürgt – ihn und sei-
nen Bruder.
Noah schob die Hände in die Taschen seiner
Jeans. Er wirkte plötzlich besorgt. »Was ist denn
heute los mit dir? Hat dich jemand geärgert?«
Sie atmete tief durch und begegnete unerschro-
cken seinem fragenden Blick. »Ja, und zwar du.«
Er schien ehrlich verwundert. »Ich?«
»Ja, du. Du bist es doch, der seit zwei Tagen all
diese Frauen hier antanzen lässt, oder?«
»Ich folge nur den Anweisungen vom Boss. Cole
hat mich beauftragt, eine Frau aufzutreiben, die ihn
zu der Wohltätigkeitsveranstaltung begleitet und
Elenas Brief liest. Ich tue nur, was er von mir ver-
langt hat.«
Streng dich bloß nicht so an, hätte sie ihm am
liebsten entgegengeschleudert, hielt ihren bissigen
Kommentar jedoch noch rechtzeitig zurück. Noah
führte ja wirklich nur Coles Anweisungen aus. Aber
er war eben im Moment ein bequemes Ventil für
ihre Aggressionen.
»Ich hoffe, dass Cole sich bald entscheidet«,
versetzte Noah mit einem resignierten Seufzer. »Mir
gehen nämlich allmählich die Bewerberinnen aus.«
Wie gern hätte sie, Melodie, da ausgeholfen.
Doch Cole hatte wiederholt klar gemacht, dass sie
für diesen Job nicht infrage kam. Hier war ihre
Chance, sich beruflich weiterzuentwickeln, doch er
blieb stur. Er weigerte sich zuzugeben, wie gut sie
beide zusammenpassten, beruflich wie privat. All
ihre Versuche, ihn vom Gegenteil zu überzeugen,
hatte er im Keim erstickt.
Während der vergangenen beiden Tage war Cole
Melodie geflissentlich aus dem Weg gegangen.
Sein kühles, geschäftsmäßiges Verhalten warf sie
auf den Nullpunkt zurück. Es war fast so, als hätte
dieser Abend in seinem Haus nie stattgefunden.
Melodie hatte sogar ein paar erotische Briefe in sei-
nem Schreibtisch und in seiner Aktentasche depo-
niert, doch keinerlei Reaktion von Cole geerntet,
obwohl sie sicher war, dass er die Briefe gelesen
hatte.
Sie hatte es endgültig satt, ständig ignoriert zu
werden, wo sie doch wusste, wie sehr Cole sie in
Wahrheit begehrte. Wenn er sie so einfach fallen
lassen konnte, dann konnte sie das erst recht.
Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Fünf Minuten
nach fünf an einem Freitagnachmittag. Es war bald
Feierabend, und die Freiheit rief. Melodie hatte
plötzlich keine Lust, den Abend so zu verbringen
wie üblich: mit einem guten Buch oder vor dem
Fernseher. Nein, ihr stand der Sinn nach etwas Auf-
regenderem. Sie wollte endlich auch mal etwas er-
leben, wollte ihre neu erworbenen Talente als böses
Mädchen draußen in der Welt anwenden und ent-
decken, wohin sie sie führten.
»Ich muss hier raus«, stieß sie gepresst hervor.
Abrupt stand sie auf, schaltete ihren Computer aus
und fing an, ihren Schreibtisch aufzuräumen.
»Und wo willst du hin?« erkundigte sich Noah,
der ihren Kommentar offenbar gehört hatte.
»Ich gehe heute Abend aus, um mich mal so
richtig zu amüsieren.« Sie hob entschlossen das
Kinn an. »Du weißt doch sicher, wo man hier am
besten Männer trifft.«
Er blitzte sie schelmisch an. »Ich fürchte, damit
kann ich dir nicht dienen. Männer interessieren mich
nicht so besonders.«
»Haha!« Melodie schnitt ihm eine Grimasse. »Du
weißt genau, was ich meine. Ein Lokal, wo Männer
hingehen, um Frauen kennen zu lernen.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust und neig-
te leicht den Kopf. »Was willst du denn in so einem
Lokal?« fragte er neugierig.
»Die Gründe liegen doch auf der Hand. Ich habe
keine Lust mehr, immer nur das brave Mädchen zu
spielen. Ich möchte mich amüsieren und Männer
kennen lernen, die mich als vollwertige Frau behan-
deln.« Sie nahm ihre Handtasche. »Du hast die
Wahl, Noah. Entweder nennst du mir ein passendes
Lokal, oder ich mache mich eben selbst auf die Su-
che.«
Noah schien es plötzlich ziemlich unbehaglich zu
Mute zu sein. »Ehrlich gesagt halte ich es für keine
gute Idee, dass du allein ausgehst.«
Melodie seufzte. Noah also auch! »Toll! Dann
bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als auf eigene
Faust mein Glück zu versuchen.« Sie wandte sich
entschlossen zum Gehen.
»Schon gut«, hielt Noah sie zurück. »Da dir diese
fixe Idee anscheinend nicht auszureden ist, gehe
ich lieber sicher, dass du nicht in irgendeiner Spe-
lunke landest. Ich schlage dir das Paxton’s vor – der
Laden ist ziemlich hip, und die Türsteher lassen
nicht jedes Gesindel rein. Sie öffnen um acht.«
Dann beschrieb er ihr noch den Weg zum Paxton’s.
»Danke, Noah.« Trotz ihres Bedürfnisses nach
Unabhängigkeit wusste sie seine Sorge um ihr
Wohlergehen zu schätzen. Im Hinausgehen winkte
sie ihm noch einmal fröhlich zu. »Ich wünsche dir
ein schönes Wochenende, Noah. Amüsier dich gut,
so wie ich.«
Sekunden später kam Cole mit einem Bericht in der
Hand aus seinem Büro, den Melodie abtippen soll-
te. Stirnrunzelnd registrierte er ihren aufgeräumten
Schreibtisch und den ausgeschalteten Computer.
Irritiert wandte Cole sich an Noah, der am Fenster
stand und nach draußen blickte. »Hey, wo steckt
denn Melodie?«
Noah wandte sich um und kam zum Schreibtisch.
Seine Miene war eine Spur zu ernst für Coles See-
lenfrieden. »Ich bin nicht sicher, ob du das wirklich
wissen willst«, erwiderte er mit einem Anflug von
Ironie.
Coles Magennerven zogen sich zusammen.
»Was soll das heißen?«
»Ich will es mal so ausdrücken: Melodie ist nicht
gerade begeistert über all die Frauen, die du inter-
viewst, während du sie links liegen lässt. Sie hat
sich in den Kopf gesetzt, sich zu amüsieren und
Männer kennen zu lernen, die sie wie eine vollwer-
tige Frau behandeln. Ihre Worte, nicht meine.«
Cole rieb sich die Schläfen. »Damit weiß ich im-
mer noch nicht, wo sie ist.«
»Sie hat mich nach einem Nachtclub gefragt, wo
man Männerbekanntschaften machen kann«, erwi-
derte Noah. »Also hab ich sie ins Paxton’s ge-
schickt.«
Noah hatte sie in einen trendigen Nachtclub ge-
schickt? In Coles Kopf blitzten sofort quälende Bil-
der auf: Melodie, die mit fremden Männern tanzte.
Melodie, beschwippst und bereit, sämtliche Hem-
mungen fallen zu lassen. Er wusste nur zu gut von
ihrer unerfüllten Sehnsucht nach Sex, und es mach-
te ihn wütend, dass Noah ihr geholfen hatte. »Wie,
um alles in der Welt, konntest du nur etwas derma-
ßen Idiotisches tun?« attackierte er seinen Bruder.
Noah hob gekränkt die Brauen. »Du solltest mir
eigentlich dankbar sein. Es war das Klügste, was
ich tun konnte. Melodie war fest entschlossen, aus-
zugehen und Spaß zu haben. Hätte ich sie nicht auf
das Paxton’s verwiesen, würde sie womöglich in
irgendeinem miesen Schuppen landen. Ich habe mir
gedacht, auf diese Weise weißt du genau, wo sie
ist, und kannst ein wachsames Auge auf sie ha-
ben.«
»Wie kommst du auf die Idee, dass ich das will?«
fragte Cole scharf.
»Dann eben nicht.« Noah zuckte gleichmütig die
Schultern. Er musterte seinen Bruder mit einem
schwer zu deutenden Blick und setzte ein liebens-
würdiges Lächeln auf. »Sie ist ja schon ein großes
Mädchen, das auf sich selbst aufpassen kann. Sie
darf tun und lassen, was sie will und mit wem sie
will.«
Bei der Vorstellung, dass Melodie irgendetwas
mit irgendeinem Mann tat, schnellte Coles Blutdruck
in die Höhe. Er war hin- und hergerissen zwischen
der Versuchung, sie endlich ihre eigenen Erfahrun-
gen machen zu lassen, und Richards Bitte, auf Me-
lodie aufzupassen. Du bist der Einzige, dem ich zu-
traue, ein Auge auf sie zu haben, hatte er gesagt.
Cole wusste, was er zu tun hatte – was er tun
würde. Er hatte es Richard versprochen, und falls
Melodie etwas zustoßen sollte, würde er sich das
nie verzeihen.
»Verdammt«, zischte er und beschloss, für heute
mit der Arbeit Schluss zu machen. Er hatte einen
harten Tag hinter sich: all die Gespräche mit den
Frauen, die Noah hergeschickt hatte. Und keine
einzige Bewerberin darunter, die für den Job infrage
kam. Und jetzt auch noch der Ärger mit Melodie. Er
ging in sein Büro, gefolgt von Noah.
»Glaub mir, du tust das Richtige, Cole.«
»Als ob ich eine Wahl hätte.« Cole schaltete den
Computer aus und schob einen Stapel Akten in sei-
ne Tasche. Als er Noahs leises Lachen hörte, fun-
kelte er seinen Bruder wütend an. »Pass bloß auf,
dass dir das Lachen nicht vergeht, kleiner Bruder.«
6. KAPITEL
Cole bahnte sich seinen Weg durch die dichte
Menschenmenge, die sich an diesem Freitagabend
im Paxton’s amüsierte. Der stampfende Rock-
Rhythmus dröhnte durch seinen erschöpften Körper
und ließ das dumpfe Pochen in seinen Schläfen
anschwellen. Stroboskoplampen blitzten im Rhyth-
mus der Musik auf, was das Pochen in einen aus-
gewachsenen Kopfschmerz verwandelte. Außer-
dem konnte man in dem flackernden Licht kaum
sehen.
Hier tobte das Leben, aber die überschallmäßig
laute Musik und die Zurschaustellung nackter weib-
licher Haut waren eigentlich eher etwas für Noah als
für den introvertierten Cole. Dieser zog einen ruhi-
gen Abend zu Hause oder ein Bier bei Murphy bei
weitem diesem ohrenbetäubenden Vergnügen vor.
Die herausfordernden Blicke der Frauen, die ihm
das Gefühl gaben, ein Bonbon zu sein, das nur dar-
auf wartete, vernascht zu werden, ließen ihn kalt.
Und in dem ganzen Gewusel von erhitzten Leibern
keine Spur von Melodie.
Alle mehr oder weniger deutlichen Annäherungs-
versuche ignorierend, setzte Cole mit einer Selters
in der Hand die Suche fort. Zwanzig Minuten später
wurde er endlich fündig. Melodie stand an einem
der drei Tresen, wie Cole mit Erleichterung regist-
rierte. Sie hatte also auf Noah gehört und sich nicht
auf eigene Faust irgendwo anders ins Nachtleben
gestürzt.
Im Schutz der Menge schob Cole sich etwas nä-
her an sie heran, um sie besser im Blick zu haben.
Gerade eben bestellte sie einen Drink beim Bar-
keeper. Im flackernden Stroboskoplicht blitzten die
Highlights in ihrem braunen Haar auf. Sie trug ein
hauteng anliegendes Kleid aus einem beigefarbe-
nen Rippen-Stretch. Cole ertappte sich bei der Fra-
ge, ob sie wohl überhaupt einen BH oder Slip unter
dem Fummel anhatte.
Verlangen stieg in ihm auf, doch er ignorierte
diese im Moment höchst unwillkommene Regung.
Stattdessen richtete er die Aufmerksamkeit auf ihre
Schulter. Was war denn das? Vermutlich das, wo-
nach es aussah: ein Tattoo in Schmetterlingsform.
Ein weiterer Ausdruck der Rebellion.
Im Stillen verfluchte Cole seine eigene Haltung.
Er war doch selbst Schuld an dieser Entwicklung.
Mit seiner Sturheit hatte er Melodie erst so weit ge-
trieben. Wer wusste schon, was sie als Nächstes
tun würde, um sich und der Welt zu beweisen, dass
sie eine selbstbewusste, erfahrene Frau war, die mit
allem und jedem fertig wurde?
Wie es schien, hatte sie bereits eine Eroberung
gemacht. Ein junger gut aussehender Mann mit
aschblondem Haar tauchte an ihrer Seite auf und
bezahlte ihren Drink, bevor sie das Portemonnaie
aus der Handtasche ziehen konnte. Melodie be-
dankte sich mit einem schmelzenden Lächeln, das
Cole schmerzhaft zusammenzucken ließ. Eifersüch-
tig beobachtete er, was weiter geschah.
Der andere Mann beugte sich vor, um ihr etwas
ins Ohr zu sagen, und Melodie lachte amüsiert auf.
Die Hand auf ihrem Rücken, führte er sie zu einem
der Tische im hinteren Teil des Clubs, wo bereits
zwei weitere Kerle saßen und ihre Ankunft begeis-
tert begrüßten.
Cole verlegte seinen Beobachtungsposten zum
anderen Ende des Raums, von wo aus er das Ge-
schehen weiterhin unbemerkt im Auge behalten
konnte. Als einer der Männer Melodie mit sich auf
die Tanzfläche zog, schweifte Coles Blick zwischen
dem tanzenden Paar und ihrem verwaisten Drink
auf dem Tisch hin und her. So ging es ungefähr an-
derthalb Stunden lang weiter. Zu seiner Erleichte-
rung wurde keiner der Männer in einer Weise zu-
dringlich, die sein sofortiges Einschreiten erfordert
hätte. Melodie schien sich prächtig zu amüsieren:
Sie tanzte, lachte und flirtete ausgelassen mit den
drei Männern, die völlig hingerissen von ihr schie-
nen.
Wenn Cole richtig gezählt hatte, war Melodie in-
zwischen bei ihrem sechsten Drink angelangt, was
sicherlich wesentlich zu ihrer ausgelassenen Stim-
mung beitrug. Frustriert starrte er auf sein drittes
Glas Cola und wünschte sich, zu etwas Hochpro-
zentigerem überwechseln zu können, um die verwir-
renden Gefühle zu ersticken, die ihn mit ungeahnter
Intensität heimsuchten.
Er kippte den Rest der Cola in einem Zug hinun-
ter und stellte das Glas auf den Tresen. Als er sich
wieder zu Melodies Platz umdrehte, konnte er sie
nirgends entdecken. Auch von dem blonden Jüng-
ling, der sie umgarnt hatte, und seinen Kumpeln
fehlte jede Spur. Suchend schob Cole sich durch
die Menge, scannte jeden Zentimeter mit den Bli-
cken ab, ohne Erfolg. Das konnte nur eins bedeu-
ten: Melodie hatte sich von dem Kerl abschleppen
lassen! Cole stieß einen unterdrückten Fluch aus.
Und ausgerechnet ihm hatte Richard seine Toch-
ter anvertraut! Er hatte sie nur zwei Minuten aus
den Augen gelassen, und schon war sie beschwipst
mit einem Haufen Männer abgezogen, die sie nicht
einmal kannte. Wie sollte er das bloß ihrem Vater
beibringen?
Die Konturen eines zweifelsohne weiblichen Kör-
pers pressten sich gegen seinen Rücken, und er
fühlte sich von schlanken Armen umschlungen. Die
Frau hinter ihm hob sich auf die Zehenspitzen, wo-
bei sich ihre vollen Brüste aufreizend an seinem
Rücken rieben, und hauchte ihm ins Ohr: »Suchst
du jemanden?«
Er erkannte Melodie sofort, und sein verräteri-
scher Körper reagierte auf ihren zarten Duft und die
weichen Kurven, die er inzwischen schon so gut
kannte.
Cole packte sie an den Handgelenken und drehte
sich um. In einer Mischung aus Erleichterung und
Verärgerung sah er sie an. Einerseits war er froh,
dass sie noch hier war, andererseits war er ihr böse
für das Kopfzerbrechen, das sie ihm bereitet hatte.
Melodie schmiegte sich in seine Arme und küsste
ihn sanft aufs Ohrläppchen. Cole erschauerte, als er
ihren warmen Atem auf seiner empfindsamen Haut
spürte. Sein Herzschlag beschleunigte sich, und ein
ganz bestimmtes Körperteil fing an, sich bemerkbar
zu machen.
»Du siehst ja nicht so aus, als würdest du dich
amüsieren«, rief sie, um die ohrenbetäubende Mu-
sik zu übertönen.
»Ich amüsiere mich sogar prächtig«, konterte er.
»Wo steckt denn dein Verehrer?«
»Er wollte mit seinen Freunden noch in einen an-
deren Club.« Spielerisch zupfte sie an seinem
Hemdkragen, ließ die Finger dann die Knopfleiste
hinunterwandern.
Cole unterbrach ihr aufreizendes Spiel, indem er
ihre Hand nahm und auf seiner Brust platzierte. »Ich
glaube, für dich wird es auch Zeit zu gehen.« Er
würde sie jetzt nach Hause bringen und sie ihren
Rausch ausschlafen lassen.
Sie verzog den Mund zu einem Schmollen. »Ich
will aber noch nicht gehen. Gerade jetzt, wo ich
mich so gut amüsiere! Außerdem kann es nicht
schaden, dich auch ein bisschen in Stimmung zu
bringen.«
»Das halte ich für keine gute Idee«, versetzte er
barsch.
Melodie blickte zu ihm auf, ein mutwilliges Glit-
zern in den Augen. Ihr Haar umrahmte ihr Gesicht
in einer wild zerzausten Mähne, und ihre vollen,
schimmernden Lippen weckten den Tiger in ihm
4
.
Sie hob die Hand und ließ die Fingerspitzen feder-
leicht über seine Wange und seinen Hals gleiten.
»Du wirkst ziemlich angespannt. Dagegen weiß ich
genau das richtige Mittel.« Sie schenkte ihm ein
verführerisches Lächeln. »Komm, tanz mit mir.«
Das hatte sie sich wohl so gedacht! Dieses Mal
würde er ihren Verführungskünsten standhalten.
»Nein.«
Doch Melodie zeigte sich wenig beeindruckt von
seiner energischen Zurückweisung. »Ich möchte
tanzen, Cole. Und zwar mit dir.« Sie hakte ihre Fin-
ger in den Bund seiner Jeans und zog ihn mit sich
in Richtung Tanzfläche. Wenn er nicht riskieren
wollte, plötzlich mit heruntergelassenen Hosen da-
zustehen, musste er ihr wohl oder übel folgen.
Plötzlich fand er sich inmitten einer schwitzenden
Menge sich windender Leiber wieder. Cole hatte nie
gern getanzt, und auch jetzt verspürte er keine Lust
dazu. So stand er ziemlich hölzern da, leidvoll ent-
schlossen, sich für einen Song zu opfern und Melo-
die ihren Spaß zu gönnen. Danach würde er sie
energisch zum Ausgang dirigieren und nach Hause
fahren.
Auf der Tanzfläche herrschte dichtes Gedränge,
was Melodie weidlich ausnutzte, um Cole ganz na-
4
Wenn ich mich nicht irre, wurde der Tiger schon im Badezuber
geweckt, aber egal – weiter im Text.
he zu kommen. Sie schlang ihm die Arme um den
Hals und zog ihn dicht an sich. Dann begann sie
sich im Rhythmus der Musik an ihm zu reiben. Sie
zog seinen Kopf zu sich herab und brachte ihren
Mund an sein Ohr. »Tanz mit mir, Cole! Ich möchte
die Bewegungen deines Körpers spüren.«
Die aufreizende Aufforderung tat ihre Wirkung.
Wieder einmal warf Cole all seine guten Vorsätze
über den Haufen und ließ sich von Melodie bezir-
zen. Er hatte keinen Schimmer, wie sie es immer
wieder fertig brachte, ihn dazu zu bewegen, Dinge
zu tun, die auf seiner Tabu-Liste standen. Wie an
jenem Abend im Jacuzzi, gab er auch heute ihren
Verführungskünsten nach und ließ sich von seinem
Verlangen leiten.
Er umschloss mit beiden Händen Melodies fes-
ten, kleinen Po, und ihre Lenden verschmolzen in
einem heißen Rhythmus. Cole schob seinen kräfti-
gen Oberschenkel zwischen ihre schlanken Beine,
ließ das Knie höher wandern, unter den Saum ihres
Kleides, bis sie sich an seinem harten Oberschen-
kel rieb. Er spürte ihre feuchte Hitze durch den Stoff
seiner Hose und stöhnte unterdrückt auf, als ihr
Verlangen auch ihn ansteckte.
»Ja.« Nur dieses eine Wort kam über ihre Lip-
pen, verlor sich in den Klängen des stampfenden
Beats. Und doch wusste Cole genau, wonach sie
sich sehnte, wusste, dass er sie dahin bringen wür-
de, wohin sie wollte. Hier und jetzt.
Der Rhythmus, in dem er sie gegen seinen
Schenkel presste, wurde härter, schneller, und ein
Blick in ihre dunkel verhangenen Augen zeigte ihm,
wie erregt sie war. Niemand um sie herum bemerk-
te ihr lustvolles Spiel, keiner registrierte, wie Melo-
die, sicher geborgen in seinen Armen, ihren ganz
eigenen Tanz tanzte.
Ihre Unbekümmertheit, sich hier mitten in der Öf-
fentlichkeit erotischen Spielchen hinzugeben, faszi-
nierte und erregte Cole. Den Blick fest auf ihr Ge-
sicht geheftet, sah er, wie ihre Lider flatterten. Fest
umklammerte sie seine Schultern und bog sich ihm
entgegen, immer heftiger und schneller. Ihr nahen-
der Höhepunkt beschleunigte seinen Atem, und er
stöhnte laut auf. Melodie ließ den Kopf zurücksin-
ken, und ihre Miene sprach von lustvoller Ekstase.
Ihre Lippen öffneten sich, und sie umklammerte mit
den Schenkeln fest sein Bein. Cole spürte, wie sie
erschauerte.
Dieser Moment war so unsagbar erotisch, so er-
regend, und doch gab es für Cole keine Befriedi-
gung. Zumindest im Augenblick nicht. Melodie öff-
nete die Augen und sah ihn mit einem sanften Lä-
cheln an. Allmählich kam wieder Leben in ihren zu-
frieden erschlafften Körper, und ihr betörendes
Spiel begann von neuem. Lockend rieb sie sich an
Cole, drehte sich in seinen Armen, presste ihren Po
an seine harte Männlichkeit, die gegen den Hosen-
schlitz spannte. Dann hob sie die Arme über den
Kopf und ließ die Hüften an seinen Lenden kreisen,
langsam und betörend. Cole fragte sich, wo zum
Teufel sie gelernt hatte, sich so zu bewegen.
Er riss sie in die Arme und presste sie fest an
sich, so dass sie seine Erektion deutlich spüren
konnte. »Wir gehen auf der Stelle«, zischte er.
Sofort versteifte sie sich. »Ich will aber noch hier
bleiben.«
»Zeit fürs Bett, Sweetheart.« Es gab keine ande-
re Wahl. Wenn er hier blieb, würde er früher oder
später mitten auf der Tanzfläche explodieren, das
konnte er nicht riskieren. Und allein hier zurücklas-
sen konnte er Melodie in dieser Stimmung erst recht
nicht. »Mach jetzt bitte keine Szene.« Unnachgiebig
zog er sie mit sich durch die Menge in Richtung
Ausgang. »Komm schon, ich bringe dich nach Hau-
se.«
»Aber es hat doch gerade erst angefangen, rich-
tig lustig zu werden«, schmollte sie, während sie
ihm widerstrebend folgte. »Du kannst ruhig gehen.
Ich bleibe, bis sie hier dichtmachen.«
Er warf ihr einen finsteren Blick über die Schulter
zu. Seine Erektion machte ihm schon genug zu
schaffen, da brauchte er nicht noch ihre Widerbors-
tigkeit. »Den Teufel wirst du…«
»Keiner hat dich gebeten, auf mich aufzupassen,
Cole.«
Er schnaubte verächtlich. »Einer muss doch da-
für sorgen, dass du auf dem Weg nach Hause nicht
umkippst.« Oder im Bett eines anderen Mannes
landest. Allein der Gedanke daran trieb seinen Blut-
druck gefährlich in die Höhe.
»Ich bin nicht betrunken«, konterte sie beleidigt.
Unnachgiebig pflügte er einen Weg durch die
Menge, das rot beleuchtete Ausgang-Schild fest im
Blick. »Woher auch?« Sein Ton triefte vor Ironie.
»Sechs Drinks innerhalb von zwei Stunden, wie
solltest du da betrunken sein!«
Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Froh, der lär-
menden Hölle entkommen zu sein, stieß er die Tür
auf und atmete dankbar die klare Nachtluft ein.
»Du kannst mich nicht gegen meinen Willen mit-
nehmen!« protestierte Melodie lautstark.
Das erregte die Aufmerksamkeit eines baumgro-
ßen Türstehers, der draußen stand, um eine Ziga-
rette zu rauchen.
Cole witterte Unheil, als der massige Kerl seine
Zigarette austrat und zu Melodies Rettung heraneil-
te. Einer plötzlichen Eingebung folgend, zückte Cole
seinen Dienstausweis, hielt ihn dem Hünen unter
die Nase und erklärte in autoritätsgewohntem Ton:
»Das ist meine Schwester. Zu Ihrer Information: In
ihrem Alter hat sie in einem Nachtclub nichts verlo-
ren.«
Die Augen des Mannes weiteten sich erschro-
cken. »Hey, Mann, wir haben doch alle Ausweise
kontrolliert.«
Melodie bedachte Cole mit einem bitterbösen
Blick und zischte: »Ich bin nicht minderjährig!«
»Nein, deinem gefälschten Ausweis nach nicht«,
erwiderte Cole streng. Er steckte seinen Dienst-
ausweis wieder ein und wandte sich drohend an
den Türsteher. »Dieses Mal will ich noch ein Auge
zudrücken, aber wenn so etwas noch mal passiert,
kann Ihr Boss den Laden bald dichtmachen!«
Eine Entschuldigung vor sich hin murmelnd, trat
der Hüne auf der Stelle den Rückzug an.
Ehe Melodie noch eine weitere Szene machen
konnte, zog Cole sie zu seinem Wagen und bug-
sierte sie unsanft auf den Beifahrersitz.
»Das ist doch wohl nicht wahr, was du da soeben
getan hast!« empörte sie sich mit funkelnden Au-
gen.
Cole zuckte gleichmütig die Achseln. »Ich kann
weiß Gott nicht noch mehr Ärger mit dir gebrau-
chen«, versetzte er ungerührt.
»Ärger? Mit mir?« Ihre Stimme überschlug sich
fast, so außer sich’ war sie. »Es war doch alles in
schönster Ordnung, bis du plötzlich auf der Bildflä-
che aufgetaucht bist.«
Cole schnaubte verächtlich. Er mochte nicht ein-
mal daran denken, was alles hätte passieren kön-
nen, wenn er nicht aufgetaucht wäre. Hätte sie ih-
rem blonden Verehrer dieselben Freiheiten gestattet
wie vorhin ihm, Cole? Allein die Vorstellung brachte
sein Blut vor Wut zum Kochen.
Er wollte gerade den Motor einschalten, als Me-
lodie die Beifahrertür aufstieß und aus dem Wagen
sprang. »Ich fahre nirgends mit dir hin«, erklärte sie
dickköpfig und zog den Saum ihres Kleids herunter,
der in gewagte Höhen gerutscht war.
Coles Kiefermuskeln verkrampften sich. Er war
kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Den An-
blick ihrer langen, nackten Beine vermeidend, kam
er entschlossen um den Wagen herum und drückte
Melodie wieder auf ihren Sitz. Eine Hand auf ihre
Schulter gedrückt, blockierte er mit seinem Körper
die Tür. Mit der anderen Hand öffnete er die Klappe
zum Handschuhfach und holte ein Paar Handschel-
len heraus, die er für Notfälle dort deponiert hatte.
Und dies war definitiv ein Notfall. Er schob die
Handschellen durch den Handgriff am Armaturen-
brett und klickte die Stahlschellen um Melodies
Handgelenke. Dann schloss er sorgfältig die Tür
und schob sich hinter das Lenkrad.
Als er den Wagen in aller Seelenruhe vom Park-
platz steuerte, fauchte sie: »Das ist doch wohl nicht
dein Ernst! Du kannst mich doch nicht wie eine ge-
wöhnliche Kriminelle behandeln!« Aufgebracht zerr-
te sie an den Handschellen, doch vergeblich.
»Ich sorge nur für deine Sicherheit, da du dazu
offensichtlich nicht mehr in der Lage bist.«
»Das ist unglaublich!« Sie schüttelte den Kopf
und starrte nach draußen in die Dunkelheit. »Was
passiert mit meinem Wagen?«
»Den holen wir morgen ab. Dein Vater würde
mich umbringen, wenn du heute Nacht womöglich
in eine Verkehrskontrolle geraten wärst.«
»Wie bitte?« Sie wirbelte herum, und ihre Blicke
schienen ihn zu durchbohren.
Verdammt. Jetzt hätte er sich fast verraten. Sollte
Melodie je von dem Komplott zwischen ihm und
ihrem Vater erfahren, dann konnten beide Männer
ihr Testament machen. Er warf ihr einen unschulds-
vollen Seitenblick zu. »Ich meine, dass ich auf jeden
Fall vermeiden wollte, dass du in eine Verkehrskon-
trolle gerätst.«
Ihre Augen verengten sich misstrauisch, aber zu
Coles Erleichterung ließ sie das Thema auf sich
beruhen. »Ich bin nicht betrunken«, behauptete sie
stattdessen. »Und ich kann sehr wohl auf mich al-
lein aufpassen. Jetzt bring mich nach Hause.«
Das hatte er ursprünglich vorgehabt, doch inzwi-
schen fragte er sich, ob es klug war, sie in dieser
aufmüpfigen Stimmung allein zu lassen. Würde sie
ins Bett kriechen und ihren Rausch ausschlafen
oder sich womöglich ein Taxi rufen und zum Nacht-
club zurückfahren?
Du bist der Einzige, dem ich zutraue, sie im Auge
zu behalten
5
, klangen die Worte ihres Vaters ihm in
den Ohren. Sein Entschluss stand fest. Sich inner-
lich gegen einen weiteren Streit wappnend, schlug
er den Weg nach Hause ein. Seinem Zuhause.
Ihren Gedanken nachhängend, starrte Melodie
aus dem Seitenfenster. Sie konnte es noch immer
nicht fassen, dass Cole tatsächlich zu so einem ex-
tremen Mittel gegriffen hatte wie sie zu fesseln. Und
es ärgerte sie unsäglich, dass er sich einbildete, sie
vor sich selbst schützen zu müssen. Aus irgendei-
nem unerfindlichen Grund schien er sich zu ihrem
Retter berufen zu fühlen.
Melodie seufzte resigniert. Der Abend entwickelte
sich ganz und gar nicht nach ihren Vorstellungen.
Aber war das nicht immer so, wenn Cole im Spiel
war?
Eigentlich hatte doch alles ganz viel verspre-
chend begonnen. Nachdem sie sich nach anfängli-
chem Zögern dazu durchgerungen hatte, allein ins
Paxton’s zu gehen, hatte sie Matt und seine Freun-
de kennen gelernt, was ihr einen Großteil ihrer Ner-
vosität genommen hatte. Sie hatten zusammen ge-
lacht und getanzt, aber der sprichwörtliche Funke
war nicht übergesprungen. Wie sollte er auch, wenn
jeder Mann im Vergleich mit Cole den Kürzeren
zog?
Dass Cole ihr ins Paxton’s gefolgt war, hatte sie
nicht wirklich überrascht. Sie hatte sich sogar über
sein plötzliches Auftauchen gefreut, denn in seiner
Anwesenheit fühlte sie sich sicher und geborgen.
Es war seine ungehobelte Art, mit ihr umzusprin-
5
Im Auge zu behalten, nicht im eigenem Bett zu halten.
gen, als sei sie eine dumme, kleine Gans, die sie
auf die Palme brachte.
Obwohl Melodie ihm immer noch böse war, stahl
sich ein versonnenes Lächeln um ihre Lippen, als
sie an ihre frivole Eskapade auf der Tanzfläche zu-
rückdachte. Einige wenige kostbare Momente hatte
er ganz allein ihr, Melodie, gehört, eingehüllt in ei-
nen Kokon aus Lust und Leidenschaft. Diese Be-
gegnung war zweifellos eine der erotischsten Erfah-
rungen ihres ganzen Lebens gewesen. Bis Cole
alles kaputtgemacht hatte, indem er mit erhobenem
Zeigefinger beschloss, dass es an der Zeit sei, sie
nach Hause zu bringen.
Verwirrt und verletzt hatte sie sich ihm widersetzt.
Es war ihr unbegreiflich, wie Cole es fertig brachte,
sie von einer Sekunde zur anderen von sich zu sto-
ßen. Selbst jetzt noch bebte ihr Körper in der Erwar-
tung nach Erfüllung, und da saß Cole neben ihr,
undurchdringlich wie ein Stein.
Melodie fragte sich, was wohl dazu gehörte, ihn
zu knacken. Den zutiefst sinnlichen Mann zu ent-
fesseln, auf den sie während der vergangenen Wo-
che zumindest einen Blick erhascht hatte. Die Vor-
stellung faszinierte und erregte sie, und sie spürte,
wie ihr ganz heiß wurde. Doch der Gedanke an die
Realität ernüchterte sie sofort. Coles Abwehrme-
chanismen waren noch längst nicht zusammen-
gebrochen. Das würde noch ein Stück Arbeit kos-
ten.
Der Wagen kam zum Stehen, und Cole schaltete
den Motor ab. Jetzt erst registrierte Melodie, dass er
nicht den Weg zu ihrer Wohnung genommenen hat-
te. Ein Blick aus dem Fenster bedeutete ihr, dass
der Wagen auf seiner Auffahrt parkte.
»Was wollen wir denn hier?«
»Heute Nacht bleibst du bei mir«, erwiderte er in
einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Er zog
den Schlüssel aus dem Zündschloss und sah sie
an. »Ich möchte sichergehen, dass du dich in dei-
nem angetrunkenen Zustand nicht zu einer Dumm-
heit hinreißen lässt.«
»Ich bin nicht betrunken«, wiederholte sie frust-
riert. Seufzend musste sie sich eingestehen, dass
es keinen Sinn hatte. Er würde ihr ja doch nicht
glauben. Es war reine Zeitverschwendung zu ver-
suchen, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. »Meine
Hände und Arme tun weh, Cole«, stöhnte sie. »Be-
frei mich endlich.« Sein unverkennbares Zögern
brachte sie erneut in Rage. »Verdammt noch mal,
Cole! Es ist nicht nötig, mich zu fesseln.«
»Weißt du, ich erinnere mich an eine Zeit, da
warst du nett und umgänglich, und ich wäre nie auf
die Idee gekommen, dir Handschellen anzulegen«,
erwiderte er spöttisch. »Aber jetzt weiß ich ehrlich
gesagt nie, was du als Nächstes tun wirst.«
Ihre ehemalige Passivität hatte ihr nicht das Ge-
ringste eingebracht, und sie war stolz auf ihre neu
gewonnene Selbstsicherheit. Auch wenn das Cole
nicht passte. »Was hast du vor?« versetzte sie iro-
nisch. »Willst du mich ans Bett fesseln, damit ich
nicht weglaufen kann?« Erst nachdem die Worte
heraus waren, wurde Melodie sich ihrer Doppeldeu-
tigkeit bewusst.
Sein sinnlicher Blick bedeutete ihr, dass auch
ihm das nicht entgangen war. »Führ mich nicht in
Versuchung«, warnte er sie mit rauer Stimme.
Sie verspürte ein köstliches Ziehen im Bauch bei
der Vorstellung, ganz seiner Gnade ausgeliefert zu
sein. Als wenn das je passieren würde! Cole mit
seinem Ehrenkomplex würde sie vermutlich ans
Bett gekettet die ganze Nacht sich selbst überlas-
sen.
»Nimmst du mir jetzt bitte diese Dinger ab?« ver-
legte sie sich aufs Schmeicheln.
Er beugte sich vor und schloss die Handschellen
auf. »Bleib schön brav.«
Sie rieb sich die schmerzenden Handgelenke.
»Danke«, meinte sie schnippisch. Nachdem sie
ausgestiegen war, kehrte sie seinem Haus den Rü-
cken zu und marschierte Richtung Straße.
Fluchend sprang Cole aus dem Wagen. »Wo
willst du hin?« donnerte er.
»Nach Hause, wo du mich hättest hinbringen sol-
len«, erwiderte sie, ohne sich umzudrehen. Bevor
sie noch dazu kam, ihr Handy aus der Tasche zu
nehmen, um ein Taxi zu rufen, hatte sich Cole dro-
hend vor ihr aufgebaut. Sie öffnete den Mund, um
ihm zu sagen, wo er sich hinscheren sollte, da
bückte er sich und schwang sich die völlig verblüffte
Melodie wie einen Mehlsack über die Schulter.
Keuchend rang sie nach Luft und versuchte sich
freizustrampeln. Vergeblich. Das Blut stieg ihr zu
Kopf, machte sie schwindelig. Mit beiden Händen
krallte sie sich in Coles T-Shirt fest, in dem Versuch,
ihren Körper so zu verlagern, dass sie ihm ins Ge-
sicht sehen konnte. Das einzige Resultat war ein
beunruhigendes Knirschen ihrer Halswirbelsäule.
»Was hast du vor?«
Den Arm wie eine eiserne Klammer um ihre Bei-
ne geschlungen, setzte er festen Schrittes seinen
Weg fort. »Ich bringe dich ins Haus.«
Sie spürte die Spannung seiner kräftigen Schul-
ter- und Rückenmuskeln, und sein männlich anima-
lischer Duft betörte ihre Sinne. »Du kannst mich
doch nicht einfach so behandeln!«
»Das würde ich auch nicht, wenn du nur einmal
tätest, was ich dir sage«, erwiderte er ungerührt.
Einen empörten Wutschrei ausstoßend, stram-
pelte sie mit den Beinen in der Luft und bearbeitete
Coles Rücken mit ihren Fäusten, während sie im-
mer wieder verlangte, abgesetzt zu werden. Doch
er dachte gar nicht daran. Stattdessen verlagerte er
seinen festen Griff von ihren Knien zu ihren Fesseln
und packte mit der anderen Hand ihre bloßen
Schenkel, damit sie nur ja nicht entkommen konnte.
Die unerwartete Berührung ihrer empfindsamen
Haut jagte Melodie einen elektrisierenden Schauer
durch den Körper, und sie schnappte hörbar nach
Luft. Vor Wut kochend, stieß sie hervor: »Pass auf,
ich beiße dich!«
»Ich beiße zurück«, warnte er sie, während er mit
dem Daumen über ihre zarte Haut strich. »Denk
lieber zwei Mal nach, bevor du etwas Unüberlegtes
tust. Ich habe hier nämlich Zugang zu einer Menge
nackter Haut.«
Schlüssel klimperten, als er die Haustür auf-
schloss. Mit seiner süßen Last auf der Schulter trat
Cole ein und knipste das Licht an. Dann stieg er
schnurstracks die Treppe in den ersten Stock hin-
auf.
Melodie schlug mit der flachen Hand auf seinen
Po. »Verdammt, Cole, lass mich endlich runter!«
Ihre Stimme überschlug sich. Sie hatte genug von
der Demonstration seiner männlichen Überlegen-
heit. »Du bist nicht für mich verantwortlich.«
»So, wie du dich im Paxton’s aufgeführt hast,
musste sich doch jemand um dich kümmern.«
»Du glaubst also, meinen Schutzengel spielen zu
müssen?«
»Ich habe nie behauptet, ein Engel zu sein.« In
seinem Ton schwang eine unterschwellige Warnung
mit. »Provozier mich lieber nicht, sonst passiert
womöglich etwas, was dir gar nicht gefällt.«
»Soll das etwa eine Drohung sein?« zischte sie.
»Nein, ein Versprechen.« Oben angekommen,
wandte Cole sich nach rechts. »Ich bin nicht in der
Stimmung für deine Mätzchen.«
»Und ich bin nicht in der Stimmung für dein Ma-
chogehabe! Das ist echt ätzend, Cole!«
»Ts, ts, so spricht aber keine Dame!« tadelte er
sie spöttisch!
Sie lachte wütend auf. »Was willst du tun? Mir
den Mund mit Seife auswaschen?«
Er knipste die Nachttischlampe an, und Melodie
blickte blinzelnd ins Licht. Endlich ließ Cole sie her-
unter, wobei ihre Tasche zu Boden fiel. Auf ihren
Stilettos schwankend, war Melodie kurz davor hin-
zufallen, doch Cole hielt sie am Arm fest. Nachdem
sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, ließ er
sie los und setzte sich auf die Bettkante. In seinen
dunklen Augen lag ein spöttischer Blick. »Am liebs-
ten würde ich dich übers Knie legen und dich tüchtig
versohlen.«
Ehe Melodie bewusst wurde, was geschah, fand
sie sich bäuchlings auf seinen kräftigen Schenkeln
liegend wieder.
7. KAPITEL
Doch statt des erwarteten Klatschens begann
Cole, sanft Melodies Po zu massieren. Während der
Balgerei war ihr Kleid hochgerutscht, so dass sich
ihm jetzt ihre nackten Schenkel präsentierten. Me-
lodie hörte, wie sich Coles Atem beschleunigte.
Seine machtvolle Erektion presste sich gegen ihre
Hüfte, und er strich mit den Fingern sanft die Innen-
seite ihrer Schenkel entlang.
Melodie erschauerte wonnevoll, doch sie sagte
kein Wort, wollte den Zauber nicht zerstören, der sie
beide gefangen hielt. Unter Coles liebkosenden
Händen öffnete sie instinktiv leicht die Beine. Cole
ließ die Hand unter den Saum ihres Kleides gleiten,
ertastete ihren zarten Seidenslip. Dem Zentrum ih-
rer Weiblichkeit entströmte eine feuchte Hitze, ein
deutliches Zeichen ihrer Erregung. Aufstöhnend
legte er die Finger auf den feuchten Stoff und rieb
mit sanft kreisenden Bewegungen über den Hügel
der Lust.
Der Höhepunkt, den sie bereits auf der Tanzflä-
che erlebt hatte, schien Melodies Hunger nicht ge-
stillt, sondern ihn im Gegenteil noch angestachelt zu
haben. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ein
weiterer Höhepunkt ihren Körper erschauern ließ.
Instinktiv hob und senkte sie ihre Hüften im Rhyth-
mus von Coles Liebkosungen, krallte die Hände in
die stahlhart gespannten Muskeln seiner Schenkel.
Doch so berauscht sie auch war, empfand sie doch
keine wirkliche Befriedigung. Sie wollte mehr, wollte
Cole in sich spüren.
Melodie wandte ihm ihr erhitztes Gesicht zu. Sei-
ne Züge spiegelten deutlich sein Verlangen wider,
sein Blick war dunkel vor Leidenschaft. Auch er
wollte sie, das war offensichtlich. »Cole, bitte…«
Er blinzelte, als würde er aus einem Traum erwa-
chen. »Nein«, erwiderte er in gequältem Ton. Mit
etwas festerer Stimme wiederholte er: »Nein«, als
müsse er sich selbst überreden, sie loszulassen.
Mit einem sanften Schubs beförderte er sie vom
Schoß, und sie kniete sich zu seinen Füßen nieder.
»Cole?« Sie wollte eine Erklärung für seinen plötzli-
chen Rückzug.
Er schloss die Augen und massierte seinen Na-
senrücken. Seine Brust hob sich unter einem tiefen
Atemzug. »Das darf nicht sein.«
Dieselbe alte Geschichte, doch heute Nacht woll-
te Melodie nicht kampflos aufgeben. Sie zog seine
Hand weg, zwang ihn, sie anzusehen.
»Wenn du es nur zulässt, dann darf es auch
sein.« Mit sanfter Gewalt drückte sie die muskulö-
sen Schenkel auseinander und kuschelte sich in
seinen Schoß. »Noch nie habe ich einen Mann so
sehr gewollt wie dich, Cole.«
Melodie nutzte ihre günstige Position und öffnete
den obersten Knopf seiner Hose. Als sie Anstalten
machte, den Reißverschluss über seine machtvolle
Erektion herunterzuziehen, packte Cole sie bei den
Handgelenken und stoppte sie.
»Mel…«
Doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Weise
mich nicht zurück, Cole, nicht heute Nacht.« Sie
beugte sich vor und drückte einen Kuss auf den
stark gespannten Stoff seiner Hose. Genüsslich rieb
sie ihre Wange an seiner harten Männlichkeit, sog
seinen moschusartigen Duft ein. »Ich will das, und
ich will dich.«
»Du bist beschwipst und kannst nicht klar den-
ken«, versetzte er heiser.
Sie hob den Kopf, warf die zerzauste Haarmähne
zurück. »Ich war nie klarer als jetzt.«
Er lachte auf. »Wohl kaum. Du hast einen Drink
nach dem anderen gekippt.«
Sie legte ihm die Hände auf die Brust. Wie sehr
sie sich danach sehnte, endlich seine nackte Haut
zu berühren! »Ich war durstig.«
»Du bist betrunken, und das werde ich nicht aus-
nutzen«, beharrte er stur auf seinem Standpunkt.
Sosehr sie seine Ehrenhaftigkeit auch schätzte,
im Moment erwies sie sich als äußerst störend. Es
wurde Zeit, ihn ins rechte Bild zu setzen. »Ich habe
Gingerale mit Zitrone getrunken.«
Er glaubte ihr nicht, das las sie in seinen Augen.
Da blieb nur eine Möglichkeit, ihn von der Wahrheit
zu überzeugen. Melodie zog seinen Kopf zu sich
herab und küsste ihn. Sanft drückte sie seine Lip-
pen auseinander, ließ die Zunge in seinen Mund
gleiten und ihn das Zitronenaroma schmecken.
Diesmal war sie es, die sich von seinen Lippen
löste, was sie als gutes Zeichen wertete. »Siehst
du?« hauchte sie atemlos. Unter ihrer Handfläche
spürte sie seinen rasenden Herzschlag. Der Kuss
hatte ihn offensichtlich ebenso sehr erregt wie sie.
»Kein Tropfen Alkohol.«
»Tut mir Leid, dass ich behauptet habe, du bist
betrunken«, entschuldigte er sich.
Diese Worte klangen wie Musik in ihren Ohren.
»Ein verständlicher Irrtum, den ich dir gern verge-
be«, meinte sie großzügig. »Aber merk dir für die
Zukunft, keine falschen Schlüsse zu ziehen, bevor
du dich nicht von den Tatsachen überzeugt hast.«
Er zog spöttisch die Brauen hoch. »Spielst du
damit auf meine Glaubwürdigkeit als Privatdetektiv
an?«
»Ich möchte nur sichergehen, dass du nicht
ständig meinst, für mich denken zu müssen.« Zwi-
schen seinen Schenkeln kniend, sah sie ihm in die
Augen, während sie seinen festen Bauch streichel-
te. Diesmal versuchte Cole nicht, sie zu stoppen.
»Und noch eins, Cole Sommers. Da ich freiwillig mit
dir schlafen möchte, läufst du nicht Gefahr, mich
auszunutzen.«
Er setzte zu einer Antwort an, doch sie legte ihm
den Zeigefinger auf die Lippen. »Keine Ausflüchte
mehr.« Diesmal würde sie ihm keine Gelegenheit
bieten, sie zurückzuweisen. Sie zupfte sein Hemd
aus dem Hosenbund und zog es ihm über den Kopf,
wobei sie erleichtert registrierte, dass er willig die
Arme hob, um ihr zu helfen.
Sein Widerstand schien also zu schmelzen. Gut
so. Das musste sie ausnutzen. »Ich weiß, dass du
es genauso sehr willst wie ich«, flüsterte sie verfüh-
rerisch. Mit dem Zeigefinger strich sie herausfor-
dernd über die Ausbuchtung unter dem Hosenstoff.
»Vielleicht sogar noch mehr. Habe ich Recht?«
»Das Offensichtliche lässt sich schwerlich leug-
nen«, brachte er mit rauer Stimme hervor.
Melodie betrachtete dieses Eingeständnis als
grünes Licht weiterzumachen. Berauscht von dem
Gefühl der Macht, die sie über ihn hatte, zog sie
den Reißverschluss herunter und befreite seine har-
te Männlichkeit anschließend aus dem Slip. Cole
zuckte merklich zusammen und drängte ihr seine
Lenden entgegen, als sie anfing, ihn ganz sanft zu
streicheln. Fasziniert von der samtweichen heißen
Haut, wurden ihre Liebkosungen kühner, fordern-
der. Coles lustvolles Stöhnen erregte sie, und sie
verspürte ein sehnsuchtsvolles Ziehen im Unterleib.
Melodie sah zu ihm auf, und sein vor Begehren ge-
rötetes Gesicht und die halb geschlossenen Lider
seiner Augen sagten ihr, welche Lust sie ihm berei-
tete.
»Ich… ich habe das noch nie zuvor gemacht«,
hauchte sie. »Sag mir, was ich tun soll. Sag mir,
was du magst.«
Er nahm ihre Hand und hob sie an die Lippen,
um ihre Handfläche und ihre Finger mit der Zunge
zu befeuchten. Dann legte er ihre Hand wieder um
seine Erektion und bedeutete ihr, mit festem Griff
rhythmisch auf und ab zu massieren. Mit geschlos-
senen Augen lehnte er sich zurück, stützte die Arme
nach hinten auf und überließ sich ganz Melodies
nun kundigen Händen. Spielerisch ließ sie die Fin-
ger um die Spitze seiner männlichen Härte kreisen,
und er erschauerte.
Endlich hatte sie Gelegenheit, die Fantasien aus-
zuleben, die sie seit Wochen Tag und Nacht ver-
folgten. Sie reckte sich vor und strich mit den Lip-
pen forschend über Coles breite Brust. Bei seinen
hart aufgerichteten Brustspitzen verweilte sie und
umkreiste diese mit der Zunge, was Cole ein heise-
res Stöhnen entlockte. Kühner werdend, setzte sie
ihre Erkundung weiter nach unten fort, küsste sei-
nen festen Bauch, schmeckte die salzige Haut und
den erregend männlichen Duft.
Endlich war sie am Ziel ihrer spielerischen Er-
kundung angekommen, und sie fuhr mit der Zunge
über die Spitze seiner Erektion.
Sein Körper erbebte, und Melodie blickte fragend
zu ihm auf. »Sag mir, was dir gefällt, Cole.«
Er zog ihren Kopf dichter an seinen Schoß und
stieß mit rauer Stimme hervor: »Nimm mich in dei-
nen Mund. So tief du kannst.«
Melodie öffnete die Lippen und nahm ihn in sich
auf, liebkoste ihn mit der Zunge. Cole verflocht die
Finger in ihrem Haar und drängte ihren Kopf dichter
an sich heran.
Melodie verstand und sog ihn noch tiefer in den
Mund. Instinktiv bewegte er rhythmisch die Lenden
vor und zurück, und ihr Saugen passte sich diesem
Rhythmus an. Schließlich stöhnte Cole laut auf und
zog ihren Kopf sanft zurück. Sein Brustkorb hob und
senkte sich, während er schwer atmete. Melodie
zog ihm rasch die Jeans und den Slip aus. Beim
Anblick seines nackten Körpers durchströmte sie
heißes Verlangen, und sie beugte sich vor, um Co-
les männliche Härte erneut zu liebkosen. Doch Cole
hielt sie zurück, packte sie unter den Armen und
legte sie auf sein breites Bett.
Melodie stützte sich auf die Ellbogen und sah ihn
an, wie er groß und kräftig vor dem Bett stand, ei-
nen besitzergreifenden Blick in den Augen, der sie
vor Vorfreude schier vergehen ließ. »Ich fühle mich
ein bisschen overdressed«, meinte sie mit einem
schelmischen Lächeln.
»Keine Sorge, darum kümmere ich mich sofort.«
Er zog ihr den Schuh vom Fuß und fuhr mit dem
Daumen leicht über ihre Fußsohle, bis sie vor Be-
hagen seufzte. Diese Prozedur wiederholte er auch
mit dem anderen Fuß. Auf allen vieren kam er über
sie, geschmeidig wie ein Panter. Dann setzte er
sich rittlings auf sie und presste seine Knie gegen
ihre Mitte, wobei er sorgfältig darauf achtete, sie
nicht mit seinem vollen Gewicht zu belasten. Melo-
die genoss das Gefühl, ihrem geliebten Cole jetzt
völlig ausgeliefert zu sein, ein williges Opfer seiner
erotischen Fantasien.
Er beugte sich über sie und strich mit den Lippen
über die empfindsame Haut ihres Halses, während
er die Finger unter die Träger ihres Kleides gleiten
ließ. Zentimeter für Zentimeter streifte er ihr das
Kleid von den Schultern, küsste jeden Flecken
nackter Haut. Als er die Zunge zwischen ihren
Brustansatz gleiten ließ, sog Melodie scharf die Luft
ein und riss sich das Kleid so weit herunter, bis ihre
Brüste entblößt waren. Mit beiden Händen um-
schloss sie Coles Gesicht, führte seine Lippen an
die hart aufgerichteten Spitzen. Sanft knabberte er
an den rosigen Knospen, saugte daran und ließ ver-
führerisch die Zunge kreisen, bis Melodie das Ge-
fühl hatte, vor Wonne dahinzuschmelzen.
Sie schrie leise auf, und Cole setzte sein aufrei-
zendes Spiel mit neu entfachtem Eifer fort. Stöh-
nend wand sich Melodie unter ihm, gefangen in ih-
rer Lust. Cole schälte sie Stück für Stück aus ihrem
Kleid, strich mit der Zunge über ihren erbebenden
Bauch, umkreiste ihren Bauchnabel mit der Zun-
genspitze und hakte die Daumen schließlich unter
den Bund ihres Slips.
In einem Anflug von Scham umfasste Melodie
seine Handgelenke, um ihn zurückzuhalten.
Cole sah ihr mit brennendem Blick in die Augen.
»Du hast damit angefangen«, brachte er rau hervor.
»Auch ich möchte dich schmecken. Überall.«
Auf einmal war es gar nicht mehr schwer, sich
vertrauensvoll seinen Zärtlichkeiten zu überlassen.
Melodie gab seine Hände frei, und Cole streifte ihr
den Slip ab. Dann öffnete er leicht ihre Beine, fuhr
mit den Lippen über ihre Waden, küsste die emp-
findsamen Kniekehlen und liebkoste die Innenseite
ihrer Schenkel mit der Zunge.
Als er sich dem Zentrum ihrer Weiblichkeit näher-
te, bäumte Melodie sich ihm aufstöhnend entgegen.
Sie spürte, wie er mit einem Finger in sie eindrang,
hart und tief. Ein Vorgeschmack auf die zu erwar-
tenden Wonnen. Als Cole mit dem Daumen über
den kleinen Hügel der Lust strich, gefolgt von seiner
forschenden Zunge, biss Melodie sich auf die Lip-
pen, um einen lauten Schrei zu unterdrücken. Sie
war mittlerweile derart erregt, dass nur wenige
Liebkosungen genügten, sie einen atemberauben-
den Höhepunkt erleben zu lassen. Die Hände in die
Bettdecke gekrallt, überließ sie sich dem Sinnen-
rausch, der ihren Körper immer wieder erbeben
ließ.
Cole schob sich über sie, barg sie in seinen kräf-
tigen Armen, hauchte federleichte Küsse auf ihre
Augenlider, die Schläfen, die Wangen. An seinen
warmen, muskulösen Körper gekuschelt, beruhigte
Melodie sich allmählich. Ihr keuchender Atem wurde
ruhiger, und das Zittern ihres Körpers ebbte ab.
»Verdammt«, stieß Cole hervor und machte An-
stalten aufzustehen.
Alarmiert hielt sie ihn zurück. »Was ist los, Co-
le?« Sie waren so weit gegangen, und sie hatte
nicht vor, jetzt aufzuhören.
»Tut mir Leid, Mel. Ich habe keine Kondome da-
bei.«
Ein mutwilliges Lächeln umspielte ihre Lippen.
Einer Vorahnung folgend, hatte sie sich reichlich mit
Kondomen eingedeckt. »Aber ich.«
»Ach?«
»In meiner Handtasche.« Spielerisch wanderte
sie mit den Fingerspitzen sein Rückgrat entlang.
»Ein halbes Dutzend.«
Seine erschrockene Miene ließ sie amüsiert auf-
lachen. »Ich hatte gehofft, heute Abend mit dir ins
Bett zu gehen«, erklärte sie, damit er nicht auf fal-
sche Gedanken kam. »Und ich wollte vorbereitet
sein.«
Er bohrte seinen Blick in ihren. »Wie konntest du
wissen, dass wir miteinander schlafen würden?«
»Ich hab es nicht gewusst. Nenn es reines
Wunschdenken.« Lächelnd zerzauste sie ihm das
Haar. Ȇbrigens, deine Fragerei killt die Stim-
mung.«
Er erwiderte ihr Lächeln, und in seinen Augen
blitzte es auf. »Das wollen wir doch nicht riskieren,
oder?« Mit einem Griff fischte er eine Hand voll
Kondome aus ihrer Tasche und deponierte sie auf
dem Nachttisch.
Melodie rekelte sich wohlig auf der Bettdecke
und beobachtete fasziniert, wie er eines der Kon-
dome über seine machtvolle Erektion streifte. Er
spreizte ihre Schenkel und legte sich auf sie, wobei
er eine Hand unter ihre Hüften schob. Ohne weite-
res Vorspiel drang er mit einem kräftigen Stoß tief in
sie ein. Aufstöhnend bog sich Melodie ihm hinge-
bungsvoll entgegen. Es war ein unbeschreiblich
sinnliches Erlebnis, derart von seiner harten Männ-
lichkeit ausgefüllt zu werden. Er war so groß, so
heiß und so tief in ihrem Schoß.
Cole erstarrte. »Oh, nein.« Er suchte ihren Blick.
»Sag mir, dass du keine Jungfrau mehr bist.«
»Keine Sorge, das bin ich nicht. Es ist nur schon
so lange her.«
Zärtlich strich er ihr eine schweißfeuchte Haar-
strähne aus dem Gesicht. »Wie lange?«
»Mehr als drei Jahre. Außerdem liegt es wohl
weniger an mir als an dir.«
»Wie bitte?« meinte er verwirrt.
»Nicht, dass ich mich beklagen will, aber die Na-
tur hat dich ziemlich großzügig ausgestattet. Doch
ich gewöhne mich schon daran«, erwiderte sie mit
einem schelmischen Lächeln.
»Gott sei Dank! Du fühlst dich unglaublich toll an,
so heiß und eng… ich kann nicht länger warten…«
Er drang noch ein Stück tiefer in sie ein und regist-
rierte aufstöhnend die leichten Kontraktionen ihrer
Muskeln.
Melodie schlang ihm die Beine um den Rücken
und hob ihm die Hüften entgegen. Cole schloss die
Augen. Sein Körper brannte regelrecht vor Verlan-
gen, und er begann sich hart und tief in ihr zu be-
wegen. An ihrem Liebesspiel war nichts Zärtliches
mehr, nichts Sanftes. Ihre Körper, in wilder Ekstase
miteinander
verschlungen,
waren
nass
vor
Schweiß, ihre Münder fanden sich zu einem leiden-
schaftlichen Kuss.
Immer härter, schneller wurde der Rhythmus ih-
rer Vereinigung, und Melodie wand sich aufstöh-
nend unter Coles muskulösem Körper. Und dann
wurde sie von einem Höhepunkt hinweggerissen,
der sie alles um sich her vergessen ließ. Ihre Mus-
keln krampften sich um Coles Erektion, und er warf
mit einem rauen Aufschrei den Kopf zurück. Mit ei-
nem letzten kräftigen Stoß verströmte er sich in ihr
und ließ sich dann erschöpft auf sie sinken.
Melodie hielt ihn fest umschlungen, ihr keuchen-
der Atem mischte sich mit seinem. Sie schloss die
Augen, wollte den kostbaren Augenblick so lange
wie möglich festhalten. Die Realität würde sie früh
genug wieder einholen, dessen war sie sich be-
wusst.
Mit Cole zu schlafen war die Erfüllung all ihrer
Träume gewesen. Aber wie sollte es nun weiterge-
hen? Er war nicht der Typ für eine feste Bindung,
daran hatte er nie einen Zweifel gelassen.
Doch jetzt, da sie ihn besessen hatte, konnte sie
ihn nie wieder aufgeben, das wusste sie mit
schmerzlicher Gewissheit.
Als Cole am nächsten Morgen aufwachte, war er
allein im Bett. Das zerwühlte Bettzeug rief ihm in
Erinnerung, wie er die Nacht verbracht hatte – und
mit wem.
Oh, Mann!
Er hatte mit Melodie geschlafen. Nicht nur ein
Mal, auch nicht zwei Mal, sondern ganze unglaubli-
che drei Mal! Und die Erektion, mit der er erwacht
war, bedeutete, dass er sie schon wieder wollte.
Diese Erkenntnis brachte Komplikationen auf,
denen er sich nicht gewachsen fühlte. Was erwarte-
te Melodie jetzt von ihm, da sie nicht länger nur
Freunde, sondern ein Liebespaar waren? Wie wür-
de sich ihre neue Beziehung auf die Arbeit auswir-
ken? Und wie würde Richard reagieren, wenn er je
davon erfuhr, was Cole mit seiner Tochter angestellt
hatte?
Auf all diese Fragen wusste Cole keine Antwort.
Seufzend rieb er sich das stoppelige Kinn. Wie
hatte er sich nur derart gehen lassen können, mit
Melodie zu schlafen? Alle guten Vorsätze hatte er
über den Haufen geworfen. Und doch konnte er
nicht leugnen, dass es sich gut und richtig angefühlt
hatte, mit ihr zusammen zu sein – genau gesagt
war es sogar die Erfüllung seiner Träume gewesen.
Zwischen ihnen stimmte die Chemie, sie harmonier-
ten in jeder Beziehung miteinander, sexuell und ge-
fühlsmäßig. Melodie weckte Emotionen in ihm –
sehnsüchtige und besitzergreifende –, die er bei
sich nicht für möglich gehalten hatte.
Er fuhr tastend über die leere Fläche neben sich.
Das Bettlaken war ganz kühl. Melodie musste also
schon eine Weile weg sein. Vermutlich hatte sie
sich ein Taxi genommen und sich zum Paxton’s
fahren lassen, um dort ihren Wagen abzuholen.
Cole schüttelte den Kopf, erstaunt über Melodies
wenig forderndes Verhalten. Sie hatte ihm alles ge-
geben und nichts dafür gefordert. Das steigerte sei-
ne Hochachtung für sie noch. Und eigentlich könnte
er jetzt auch erleichtert sein. Ohne irgendwelche
Zukunftsversprechen hatten sie beide eine wunder-
schöne Nacht miteinander verbracht, mehr nicht.
Das war doch ganz in seinem Sinn. Warum fühlte er
sich dann nur so fürchterlich einsam, leer und ent-
täuscht, weil Melodie nicht mehr da war?
Cole setzte sich auf, und sein Blick fiel auf einen
Zettel auf dem Kopfkissen neben sich. Als er die
Notiz aufnahm, erkannte er Melodies Handschrift.
In der Nacht hast Du meine Lust befriedigt, doch
jetzt, im Morgengrauen, begehre ich Dich schon
wieder. Ich kann nie genug von Dir bekommen.
Dein Duft haftet noch an meiner Haut, erregt mein
Verlangen, erfüllt mich mit atemloser Sehnsucht
nach Deiner Berührung. Deine leidenschaftliche
Umarmung hat in meiner Seele eine Flamme ent-
zündet, die heiß und strahlend brennt.
Der kurze Brief traf Cole mitten ins Herz. Sein
Verstand wehrte sich gegen die plötzliche Erkennt-
nis, wie viel Melodie ihm tatsächlich bedeutete.
Doch bevor er Gelegenheit hatte, das Gefühlschaos
zu entwirren, in dem er sich befand, brachte ihn das
Geräusch leiser Schritte auf der Treppe in die Reali-
tät zurück. Er legte den Zettel auf den Nachttisch
und warf sich die Bettdecke über die Lenden, um
seine Erektion zu verbergen.
Sekunden später betrat Melodie das Zimmer,
zwei dampfende Becher in den Händen und ein ver-
träumtes Lächeln auf den Lippen. Sie trug eines von
Coles Hemden, und ihre langen, schlanken Beine
waren nackt. Ihr Haar war zerzaust, die Lippen rot
und geschwollen von seinen Küssen. An ihrem Hals
prangte ein bläulich verfärbter Knutschfleck.
Sie hatte das Gesicht vom Make-up des vergan-
genen Abends gereinigt, und ihre Haut strahlte, ge-
nauso wie ihre braunen Augen. Auch ohne sich
herauszuputzen, besaß sie so viel Sex-Appeal, wie
es sich ein Mann nur wünschen konnte, das wurde
Cole in diesem Augenblick bewusst.
»Guten Morgen«, begrüßte sie ihn fröhlich und
reichte ihm einen Becher Kaffee mit Milch.
»Du bist ja noch immer da«, brachte er verwirrt
hervor.
Sie zuckte kaum merklich zusammen. »Du hast
letzte Nacht selbst darauf bestanden, dass ich blei-
be«, erklärte sie hastig. »Aber ich kann jederzeit
verschwinden, wenn dir das lieber ist.«
Sofort bedauerte Cole seine unbedachte Bemer-
kung. »Tut mir Leid, ich habe es nicht so gemeint.
Ich bin allein aufgewacht und dachte, du seist schon
gegangen.«
Melodie bedachte ihn mit einem spöttischen Lä-
cheln. »Siehst du, du ziehst schon wieder voreilige
Schlüsse.«
»Eine schlechte Angewohnheit von mir, ich
weiß.« Er stapelte ein paar Kissen am Kopfende
des Betts und klopfte auf die Matratze. »Setz dich
zu mir und trink in Ruhe deinen Kaffee.«
Sie kletterte aufs Bett und hockte sich im Schnei-
dersitz neben ihn. An ihrem Kaffee nippend, be-
trachtete sie Cole mit einem versonnenen Blick,
bevor sie sagte: »Ich hoffe, du machst dir keine
Vorwürfe wegen gestern Nacht.«
Konnte sie etwa Gedanken lesen? Es verunsi-
cherte ihn, dass sie immer genau zu wissen schien,
was er gerade dachte. »Was die vergangene Nacht
betrifft…«
Mit einer hastigen Geste schnitt sie ihm das Wort
ab. »Wage es ja nicht zu behaupten, dass du be-
reust, was passiert ist.« Ihr ernster Blick strafte den
leichten, unbekümmerten Ton Lügen.
Cole seufzte. Nein, er bedauerte nichts, und das
war es ja gerade, was ihm eine Höllenangst einjag-
te. »Es wird nicht wieder passieren«, sagte er sanft.
»Bist du sicher?«
Ihr herausfordernder Ton entging ihm nicht, und
ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. Täusch
dich nur ja nicht, dachte er. Er würde alles daran-
setzen, seinem Vorsatz treu zu bleiben. Natürlich zu
ihrem eigenen Besten, wie er sich selbst versicher-
te. Später würde sie ihm dafür dankbar sein.
»Da gibt es noch etwas, worüber ich mit dir reden
möchte, bevor ich gehe.«
Cole erstarrte. Jetzt kommt’s, durchfuhr es ihn.
Die ewig alte Leier, ein endlos ausgewalztes Bezie-
hungsgespräch, das alles kaputtmachen würde.
»Was hast du auf dem Herzen?« fragte er, sich
innerlich wappnend.
Sie beugte sich vor und stellte den Kaffeebecher
auf den Nachttisch, wobei das Hemd auseinander
klaffte und eine feste, runde Brust entblößte. Sofort
schoss Cole heißes Verlangen in die Lenden. Am
liebsten hätte er Melodie gepackt und sich in ihrer
warmen Weiblichkeit vergraben.
Mit ernster Miene erklärte sie: »Ich möchte im
Fall Russell mit dir zusammenarbeiten und dich zu
der Wohltätigkeitsveranstaltung nächste Woche
begleiten.«
Cole traute seinen Ohren nicht. Er hatte einen
Vortrag darüber erwartet, wie gut sie zusammen-
passten und ob sie es nicht wenigstens einmal mit-
einander versuchen sollten, und dann das!
»Hast du in der Hoffnung mit mir geschlafen,
dass ich meine Meinung in dieser Angelegenheit
ändere?« fragte er scharf.
»Ich habe mit dir geschlafen, weil ich dich attrak-
tiv und sexy finde. Eine heiße Nacht reicht nicht, um
dich umzustimmen, das ist mir schon klar«, versetz-
te sie spöttisch. »Aber ich denke, ausreichend be-
wiesen zu haben, dass ich dem Job gewachsen bin.
Ich bin mit dem Fall vertraut, die perfekte Begleitung
für dich, und ich bin in der Lage, Liebesbriefe zu
lesen.«
Und zu schreiben, oh ja!
»Nachdem du also ein halbes Dutzend Bewerbe-
rinnen mit mehr Silikon in den Brüsten als Grips im
Schädel abgelehnt hast, bitte ich dich, mir den Job
zu geben.«
»Warum bist du eigentlich so scharf darauf?«
wollte er ehrlich interessiert wissen.
»Weil es aufregend ist. Und weil ich schon seit
langem eine aktivere Rolle in der Agentur spielen
möchte. Es ist ja schön und gut, tüchtig und hilfsbe-
reit zu sein, aber ein kleines Abenteuer hin und
wieder kann sicher nicht schaden. Das gibt dem
Leben erst den richtigen Kick.«
»Ich habe dich gewarnt, dass es gefährlich wer-
den könnte. Wenn Thornton uns erwischt, landen
wir vermutlich für eine Nacht im Gefängnis und
handeln uns eine Anklage ein. Das würde dein Va-
ter mir nie verzeihen.«
Melodie nahm ihm die Kaffeetasse ab, stellte sie
auf den Nachttisch und streckte sich neben Cole
aus. »Warum überlässt du diese Sorge nicht mir?
Es ist schließlich mein Vater.«
Cole betrachtete ihren nackten Schenkel und
fragte sich, ob sie wohl einen Slip unter seinem
Hemd trug. Energisch schüttelte er diesen im Mo-
ment eher hinderlichen Gedanken ab. »Weil dein
Vater mir vertraut, dass ich stets auf dein Wohler-
gehen achte. Sollte dir etwas zustoßen, würde ich
mich verantwortlich fühlen.«
Sie seufzte ungeduldig. »Ich spreche dich von
jeglicher Verantwortung für mich frei, Cole. Wenn
dir das hilft, sage ich das auch meinem Vater.«
»Nein!« lautete Coles barsche Antwort. Er räus-
perte sich und fügte ruhig hinzu: »Ich meine, lassen
wir deinen Vater doch da raus.«
»Ganz meine Meinung.« Sie strich wie zufällig
über die Decke, die er über seinen Schoß gebreitet
hatte. »Gib mir den Job, und meine Mitarbeit an
diesem Fall bleibt unser kleines Geheimnis.«
Er sah sie streng an. »Könnte es sein, dass du
mich erpressen willst?«
»Es geht hier nicht um Erpressung. Ich habe
während der vergangenen zwei Jahre hart für dich
gearbeitet und mir diese Chance redlich verdient.
Ich bin die Richtige für den Job, und das weißt du
auch. Sonst hättest du längst eine andere enga-
giert.«
Wieder einmal traf sie den Nagel auf den Kopf. In
seinem tiefsten Innern war es Cole die ganze Zeit
klar gewesen, dass keine der Bewerberinnen sich
mit Melodie messen konnte. Das wurde ihm jetzt
bewusst.
»Also, was sagst du?« drängte sie und blickte ihn
erwartungsvoll an. »Ich verspreche dir, ich werde
dich nicht enttäuschen.«
»Okay, du hast den Job«, gab er schließlich
nach.
Vor Freude strahlend, fiel Melodie ihm um den
Hals und drückte ihn überschwänglich. »Danke,
danke, danke!«
Sein Körper reagierte sofort auf ihre spontane
Umarmung, und heißes Verlangen durchströmte
ihn. Ihre warmen, weichen Brüste, die sich an seine
Brust schmiegten, fühlten sich einfach himmlisch
an. Vergessen war der Vorsatz, Melodie nicht anzu-
rühren. Cole legte die Hand auf ihren nackten
Schenkel, wanderte forschend höher, um herauszu-
finden, ob sie unter dem Hemd ebenfalls nackt war.
Doch Melodie entzog sich seiner Liebkosung, stütz-
te sich auf die Hände und sah ihm in die Augen.
»Ich schwöre, dass du deine Entscheidung nicht
bereuen wirst.«
Ihr zärtlicher Blick ließ sein Herz schneller schla-
gen. »Nicht vergessen, ich bin der Boss, und du
unterstehst meinem Kommando.«
»Zu Befehl, Sir.« Sie drückte ihm einen Kuss auf
die Wange, ein triumphierendes Glitzern in den Au-
gen.
8. KAPITEL
»Wie um alles in der Welt hast du es geschafft,
meinen Bruder dazu zu überreden, dich mitzuneh-
men?« staunte Joelle, während Melodie mit vier
Kleidern über dem Arm zur Anprobe in der Umklei-
dekabine verschwand.
»Alles eine Frage der Überzeugungskraft. Ich
habe ihm anschaulich demonstriert, dass ich die
Richtige für den Job bin.« Es waren nur noch drei
Tage Zeit bis zur Benefiz-Veranstaltung, und Melo-
die hatte bis jetzt kein passendes Kleid gefunden.
»Glaub mir, das hat eine Menge Spaß gemacht.«
»Darauf wette ich!« meinte Joelle fröhlich. »Alle
Achtung, Mel! Cole ist schwer umzustimmen, wenn
er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hat.
Aber um die Verwandlung, die mit dir vorgegangen
ist, zu ignorieren, hätte er schon halb tot sein müs-
sen.«
Oh nein, von ignorieren konnte wahrlich nicht die
Rede sein! Cole hatte Melodie sehr viel mehr zur
Kenntnis genommen, als sich jemand vorstellen
konnte. Er hatte sie nackt gesehen, mit vor Verlan-
gen erhitzter Haut, vor Lust laut aufstöhnend, wäh-
rend sie sich unter seinem harten, männlichen Kör-
per wand. Sie hatte ihm Facetten ihrer Persönlich-
keit offenbart, die anderen Männern zuvor verbor-
gen geblieben waren, hatte sich ihm von ihrer in-
timsten und verletzlichsten Seite gezeigt.
Offensichtlich war es ihm gelungen zu akzeptie-
ren, dass sie nicht länger nur die liebe, brave Sekre-
tärin war, sondern eine selbstbewusste Frau, die
sich ein erfülltes Sexleben wünschte. Und Melodie
hätte schwören können, dass ihm diese neue, fas-
zinierende Mischung auch gut gefiel. Dennoch frag-
te sie sich, wie es wohl nach Abschluss des Rus-
sell-Falls mit ihnen weitergehen würde. Dann würde
keine Notwendigkeit mehr bestehen, Cole derart
offensiv zu umgarnen. Würde er sie trotzdem wei-
terhin attraktiv finden? Oder war er lediglich von
dem hemmungslos fordernden Vamp fasziniert, den
sie während der vergangenen anderthalb Wochen
herausgekehrt hatte?
Denn eines war klar: Ewig so weitermachen
konnte sie nicht. Sie konnte ihren wahren Charakter
nicht ständig verleugnen. Okay, es gab einiges, was
ihr an der frechen, sinnlichen Frau gefiel, in deren
Rolle sie geschlüpft war. Jetzt galt es, die richtige
Balance zwischen ihrem alten und ihrem neuen Ich
zu finden.
Melodie schlüpfte in ein hautenges Glitzerkleid.
Der kühle metallische Stoff kratzte leicht auf der
Haut. Eigentlich bevorzugte sie seidige, fließende
Materialien wie die Luxuswäsche, die sie sich in
letzter Zeit gönnte. Der weiche Stoff auf ihrer Haut
erinnerte sie immer an Coles forschende Lippen auf
ihrem Bauch und ihren Schenkeln und erregte sie.
Selbst jetzt, beim Gedanken an Cole, durchfuhr
sie eine Hitzewelle, und ihre Brustspitzen richteten
sich hart auf. Melodies Hunger nach Cole war ein-
fach nicht zu stillen.
»Das schwarze Glitzerkleid steht mir nicht«, rief
sie Joelle über die geschlossene Kabinentür zu.
»Ich probiere das nächste an.«
»Okay.« Joelle unterdrückte ein Gähnen. »Lass
dir ruhig Zeit. Der Stuhl hier ist so bequem, dass ich
direkt ein Nickerchen machen könnte.«
Melodie lachte. »Das Baby liefert dir wirklich
prächtige Ausreden zu essen und zu schlafen.«
»Ich schlafe schon mal vor. Es heißt doch immer,
wenn das Baby erst da ist, ist es mit der Ruhe vor-
bei.«
Melodie schlüpfte aus dem schwarzen Kleid und
wählte ein Kleid aus elastischer Spitze, das zwar an
genau den falschen Stellen Falten warf, aber ein
fantastisches Dekollete zauberte. Mit den Finger-
spitzen strich Melodie sich über die wohlgerundeten
Brüste und schloss die Augen. Sie stellte sich vor,
Cole wäre mit ihr hier in der Kabine und stellte lau-
ter aufregende Dinge mit ihr an.
Es war jetzt fünf Tage her, seit sie miteinander
geschlafen hatten, doch weder sie noch Cole hatten
das Thema auf diese unvergessliche Nacht ge-
bracht. Das hieß jedoch nicht, dass es nicht zwi-
schen ihnen knisterte, im Gegenteil. Ein triumphie-
rendes Lächeln um die Lippen, dachte Melodie an
die erotische Spannung, die Tag für Tag im Büro
herrschte.
Aber mehr hatte Melodie nicht zugelassen. Man
sagte doch, dass Männer immer das wollen, was
sie nicht so leicht haben können. An diesen Rat-
schlag hielt sie sich. Sie hatte Cole gezeigt, welche
Gipfel der Lust ihn mit ihr erwarteten, aber jetzt woll-
te sie die Initiative ihm überlassen. Außerdem wollte
sie ihm Zeit geben, sich an die neue Melodie zu
gewöhnen.
Oh, es hatte nicht an Gelegenheiten gemangelt,
Cole zu verführen, doch sie hatte tapfer widerstan-
den. Das hatte die Vorfreude auf die erneute Erfül-
lung ihrer Sehnsucht deutlich gesteigert. Außer zu-
fälligen Berührungen ließ sie keine Zärtlichkeiten
zwischen ihnen zu, forderte Cole jedoch immer wie-
der mit tiefen, schmachtenden Blicken heraus.
Außerdem hatte sie sorgfältig darauf geachtet,
ihm keinen Vorwand zu liefern, sich zurückzuziehen
und seine alten Schutzmauern wieder aufzubauen.
Als Resultat hatte sich ein zartes Band zwischen
ihnen gebildet. Immerhin, für den Anfang nicht
schlecht. Melodie hoffte, dieses Band zu festigen,
bis eine echte Beziehung daraus entstand.
Seufzend verwarf sie auch das zweite Kleid und
startete den dritten Versuch: ein Kleid im Bandeau-
Stil. Sie verließ die Kabine, um sich von Joelle be-
gutachten zu lassen.
»Hm, nicht gerade umwerfend.« Joelle rieb sich
den Bauch an der Stelle, wo das Baby sie in letzter
Zeit häufig trat. »Ich denke, du könntest etwas
Schöneres finden.«
Joelies Offenheit war der Grund, warum Melodie
die Freundin zum Kleiderkauf mitgenommen hatte.
Da sie, Melodie, keine Mutter oder Schwester hatte,
vertraute sie Joelles Rat.
»Mir gefällt es auch nicht besonders.« Sie zupfte
an der steifen Seidenkorsage. »Ich glaube, es ist
diese schreiend bunte Blume, die mich stört. Das
Kleid erinnert mich irgendwie an einen Fummel für
einen High-School-Ball.«
»Mich auch«, stimmte Joelle amüsiert zu.
Melodie tauchte wieder in die Umkleidekabine ab
und zog das Kleid aus. Jetzt war nur noch eins üb-
rig, ihr Favorit, den sie sich bis zum Schluss aufbe-
wahrt hatte. Hoffentlich stand es ihr.
»Was gibt’s eigentlich Neues im Fall Russell?«
wollte Joelle wissen. »Letzte Woche hab ich Elena
ein paar Mal im Büro gesehen.«
Da das Kleid, das sie anprobieren wollte, einen
tiefen Rückenausschnitt hatte, legte Melodie den
BH ab. »Sie hat uns einen Grundriss des Anwesens
gegeben und uns darüber informiert, wo wir das
Kästchen mit den Briefen höchstwahrscheinlich fin-
den werden.«
»Muss ja ziemlich pikant sein, der Inhalt, wenn
sie unbedingt verhindern will, dass Cole die Briefe
liest.«
Melodie nahm das schicke schwarze Samtkleid
mit dem rückenfreien Oberteil vom Bügel und zog
es sich behutsam über den Kopf. »Die Briefe sind
bestimmt so intim, dass sie sie wohl am liebsten
niemandem zu lesen geben möchte.« Das konnte
sie Elena aus tiefster Seele nachempfinden. Auch
Melodies Briefe an Cole offenbarten ihre geheims-
ten Gefühle und waren nur für ihn bestimmt. Es
würde ihr gar nicht gefallen, wenn jemand anderes
sie in die Hände bekäme.
Das schwarze Samtkleid raschelte an ihrem Kör-
per hinunter. Ein Blick in den Spiegel bedeutete Me-
lodie, dass es wie angegossen saß. Das perlenbe-
stickte Oberteil schmiegte sie, vorteilhaft um ihre
Brüste. Der lange Seitenschlitz gab bei jedem
Schritt den Blick auf ein wohlgeformtes Bein frei.
Sehr sexy! Melodie war zufrieden. Genau danach
hatte sie gesucht. In einer sinnlichen Pose hielt sie
sich das Haar auf dem Kopf hoch. Wie zufällig um-
schmeichelten ein paar Strähnen ihr Gesicht und
den Hals, was besonders erotisch wirkte.
Perfekt.
Melodie betrachtete fast ungläubig ihr Spiegel-
bild. Die äußerliche Verwandlung, die sie vollzogen
hatte, erstaunte sie immer wieder selbst. Doch in
diesem Moment wurde ihr eines bewusst: Unter
ihrer zurückhaltenden und konservativen Schale
hatte sich schon immer eine sinnliche, verführeri-
sche Frau verborgen. Wie Dornröschen hatte sie
nur auf den Prinzen gewartet, der sie zum Leben
erweckte.
Wie auch immer die Sache zwischen ihr und Co-
le ausging, Melodie würde ihm immer dankbar sein,
dass er die selbstbewusste, unabhängige Frau in ihr
befreit hatte.
Cole heftete den Blick auf Melodies entblößten Rü-
cken, während sie sich unter die Gästeschar misch-
ten, die bereits die Benefiz-Veranstaltung im Hause
Thornton bevölkerte. Irgendetwas war heute Abend
anders an Melodie, doch er hätte nicht sagen kön-
nen, was es war.
Als er sie vor wenigen Stunden von zu Hause
abgeholt hatte, war er überwältigt gewesen vom
Anblick der Frau, die ihm die Tür geöffnet hatte. In
ihrem schwarzen Samtkleid mit dem hohen Bein-
schlitz sah sie einfach überwältigend sexy aus. Das
hochgesteckte Haar gab den Blick auf ihren schlan-
ken Hals frei. Cole konnte sich kaum zurückhalten,
um sie nicht an Ort und Stelle in Besitz zu nehmen.
Sie war so schön und elegant, wie eine Frau nur
sein konnte. Charmant plauderte sie während der
Cocktailstunde und des Dinners mit den anderen
Gästen. Ihr Intellekt machte sie nur noch attraktiver,
und mit ihrem leichten, perlenden Lachen zog sie
die bewundernden Blicke vieler Männer auf sich.
Kurzum, Melodie war die perfekte Begleiterin, und
Cole war stolz, sich mit einer solchen Frau an der
Seite präsentieren zu können.
Darüber hinaus verspürte er in ihrer Gegenwart
eine konstante sexuelle Erregung. Die eine Woche
Zölibat hatte ihm ziemlich zugesetzt, und seine Fan-
tasie versorgte ihn mit verlockenden Bildern von
Melodie in allen möglichen verführerischen Posen.
Jetzt, da er wusste, wie gut sie sich anfühlte,
wollte er mehr davon. Seine Hormone waren völlig
aus dem Ruder, während ihre sie unerklärlicherwei-
se in Ruhe zu lassen schienen. Cole war sich be-
wusst, dass er auf die geringste herausfordernde
Geste ihrerseits reagieren würde, obwohl er sich
eigentlich vorgenommen hatte, nicht noch einmal
mit ihr zu schlafen.
Die Ankündigung des Conferenciers, dass die
Versteigerung in zehn Minuten beginnen würde, riss
Cole aus seinen Gedanken. Melodie wandte sich
ihm mit einem strahlenden Lächeln zu. »Hast du
Lust, vorher noch eine Runde zu tanzen?«
Ein heißes Sehnen durchzog seine Lenden in Er-
innerung an das, was geschehen war, als sie das
letzte Mal zusammen getanzt hatten. »Wirst du dich
diesmal benehmen?«
Melodie bedachte ihn mit einem unschuldsvollen
Augenaufschlag, der das mutwillige Glitzern in ih-
rem Blick Lügen strafte. »Erwartest du wirklich,
dass ich so etwas verspreche und mich auch noch
daran halte?«
Ihre provozierende Antwort brachte seinen Puls
zum Rasen, worauf sie es zweifellos angelegt hatte.
Widerstandslos ließ sich Cole von Melodie mitten
unter die Menge tanzender Paare ziehen. Fasziniert
betrachtete er den sanften Schwung ihrer Hüften,
während er sehnsüchtig daran dachte, beim Tanzen
gleich ihre nackte Haut unter den Händen zu spü-
ren.
Sein Blick fiel auf ihre Schulter, und ihm wurde
bewusst, dass etwas fehlte. Der Schmetterling! Die
Tätowierung war verschwunden.
Cole legte eine Hand auf ihren Po und zog Melo-
die in die Arme, während er mit der anderen Hand
sanft über die seidenweiche Haut ihres Rückens
strich. Er sah ihr in das lächelnde Gesicht und tat
sein Bestes, die zum Kuss leicht geöffneten Lippen
zu ignorieren. »Was ist denn mit deinem Tattoo
passiert?«
Sie schlang ihm die Arme um die Schultern und
schmiegte ihre weichen Brüste an seine Brust.
»Ach, das war doch nur so eine Art Abziehbild, das
man in jedem Laden kaufen kann.« Sie neigte leicht
den Kopf, wobei ihr eine Haarsträhne über die
Wange fiel. »Du hast den Schmetterling doch nicht
etwa für eine echte Tätowierung gehalten, oder?«
fragte sie ungläubig.
»Ich fürchte, doch«, gab er zu. »Besonders in
Anbetracht deiner jüngsten Eskapaden.«
»Für einen Abend war es ganz lustig, aber ich
glaube nicht, dass ich mir in nächster Zeit eine dau-
erhafte Tätowierung zulegen werde.« Sie zupfte
spielerisch an den kurzen Härchen in seinem Na-
cken. »Hat es dir gefallen?«
»Es war sehr sexy.«
Melodie lächelte zufrieden. »Nur zu deiner Infor-
mation, ich trage heute auch ein Tattoo.«
Er stöhnte leise auf. »Nun, zu sehen ist es jeden-
falls nicht.«
»Nein, in bekleidetem Zustand leider nicht«, bes-
tätigte sie mit blitzenden Augen.
Bei der Vorstellung, wie er sie ausziehen und ih-
ren wunderschönen Körper an allen möglichen Stel-
len nach dem Tattoo absuchen würde – ihre Brüste,
zwischen ihren Schenkeln, die kleine, süße Kerbe
am Ende ihres Rückrads –, wurde ihm ganz heiß.
Cole räusperte sich und zwang seine Gedanken
in eine andere Richtung. Immerhin waren sie heute
Abend beruflich hier, und die Arbeit lag noch vor
ihnen. »Bist du bereit, den Raum unbemerkt zu ver-
lassen, sobald die Auktion begonnen hat?«
»So bereit, wie man nur sein kann.«
Er suchte ihre Miene nach Anzeichen von Unbe-
hagen ab, konnte aber keine entdecken. »Bist du
nervös?« fragte er dennoch, um sich zu vergewis-
sern, dass er sich nicht irrte.
»Nicht im Geringsten«, erwiderte sie zuversicht-
lich. »Im Gegenteil, ich fühle mich regelrecht ener-
giegeladen. Geht dir das auch so, wenn du under-
cover arbeitest?«
Die Aufregung, die sie im Moment empfinden
musste, war ihm nur zu bekannt, und er lächelte.
»Immer wieder.« Sie war wirklich eine beeindru-
ckende Frau, sehr viel stärker und kompetenter, als
er es je für möglich gehalten hatte.
Die Musik verstummte, und so sehr sich Cole
auch danach sehnte, Melodie weiter in den Armen
zu halten, die Arbeit ging vor. Sie hatten einen Job
zu erledigen, einen Job, bei dem es um den guten
Ruf ihrer Klientin ging.
Die Gäste versammelten sich um die Bühne und
das Podium, die man beide extra für die Auktion
aufgebaut hatte. Alles wartete gespannt darauf, für
Schmuck, Kunsthandwerk und andere Kostbarkei-
ten bieten zu können.
Jerry Thornton, eine distinguierte Erscheinung
Ende fünfzig, nahm das Mikrofon und begrüßte die
Gäste. Dann begann er die Regeln für die Auktion
zu erklären.
»Das ist die Gelegenheit, unbemerkt zu ver-
schwinden«, raunte Cole Melodie zu und dirigierte
sie aus der Menge. Unter dem Vorwand, nach dem
Waschraum zu suchen, verschwanden sie in dem
lang gestreckten Flur, der zum Westflügel des Hau-
ses führte, genau wie Elena sie instruiert hatte. Höf-
lich lächelten sie den paar Leuten zu, die ihren Weg
kreuzten, bis das Stimmengewirr aus dem Ballraum
schließlich abebbte und sie an die Treppe gelang-
ten, die in den ersten Stock führte.
Der Aufgang war mit einer dicken Kordel blo-
ckiert, ganz offensichtlich, um die Gäste daran zu
hindern, in Gebäudeteile vorzustoßen, wo sie nichts
zu suchen hatten. Melodie und Cole schlüpften un-
ter der Absperrung hindurch und huschten leise die
Treppe hoch. Sie wandten sich nach rechts, schli-
chen über den weichen, dicken Läufer und schlüpf-
ten schließlich durch die dritte Tür auf der linken
Seite des Flurs.
Der Geruch nach teurem Tabak und echtem Le-
der stieg Cole in die Nase. Silbriges Mondlicht fiel
durch das deckenhohe Fenster und ergoss seinen
Schein auf die polierten Holzdielen. Cole zog eine
kleine Taschenlampe aus der Jackentasche und
schaltete sie ein, um den Raum näher zu inspizie-
ren.
Sie befanden sich in der Bibliothek. Massive Bü-
cherregale bedeckten die Wände bis zur Decke,
und in der Mitte des Zimmers stand ein imposanter
Schreibtisch aus poliertem Mahagoniholz. Vor dem
Kamin zur Rechten befand sich eine lederne Sitz-
gruppe, die aus einer Couch und zwei Sesseln be-
stand. Offenbar besaß Thornton eine Menge Geld,
und er scheute sich nicht, es auszugeben.
»Elena hat gesagt, er bewahrt das lederne Käst-
chen mit eingestanztem Monogramm im untersten
Regal neben dem Kamin auf«, flüsterte Melodie,
und Cole wandte sich in die angegebene Richtung.
Er bewunderte Melodies Entschlossenheit. Sie ging
professionell und unerschrocken vor, als sei es das
Normalste von der Welt, sich wie ein Einbrecher zu
benehmen. Cole bückte sich und ließ den Strahl
seiner Taschenlampe über die unteren Regale
wandern, bis der Lichtkegel schließlich auf das Le-
derkästchen fiel.
Vorsichtig nahm Melodie das Kästchen aus dem
Regal und stellte es auf den Teppich. »Das war ja
lächerlich einfach«, meinte sie beinahe enttäuscht.
Sie klang gerade so, als sei ihr der Einsatz nicht
gefährlich genug gewesen.
Cole unterdrückte ein Lachen. »Thornton hat
schließlich nicht erwartet, dass sich jemand ein-
schleicht, um nach dem Kästchen zu suchen. Also
sah er keine Veranlassung, es zu verstecken.«
»Trotzdem hätte er vorsichtiger sein sollen.« Sie
streckte die Hand aus. »Gib mir die Taschenlampe.
Ich möchte jetzt die Briefe lesen.«
Er gab ihr die Lampe und widerstand dem Im-
puls, Melodie über die Schulter zu spähen, um ei-
nen Blick auf den Inhalt der Briefe zu erhaschen.
Stattdessen setzte er sich in einen Sessel, während
er Melodie betrachtete, wie sie auf dem Boden kau-
erte und nacheinander die Briefbogen entfaltete.
Gleichzeitig lauschte er gespannt nach irgendwel-
chen verdächtigen Geräuschen. Nichts. Alles war
still.
Ab und zu nur sog Melodie scharf die Luft ein.
Offensichtlich war der Inhalt der Briefe wirklich sehr
pikant. Ihre Brust hob und senkte sich mit ihrem
Atem, und der sanfte Schein der Taschenlampe
illuminierte ihr Gesicht und den heftig pochenden
Puls an ihrem Hals. Ihre feuchten Lippen waren
leicht geöffnet. Sie schien völlig hingerissen von
dem, was sie da las.
Cole rutschte unbehaglich in seinem Sessel hin
und her. Es schien eine Ewigkeit her, seit sie hier in
die Bibliothek eingedrungen waren, während in
Wirklichkeit vielleicht höchstens eine Viertelstunde
vergangen war. »Bist du schon auf etwas gestoßen,
was uns weiterhelfen könnte?«
Sie blickte auf und sah ihn aus vor Verlangen
dunklen Augen an. »Nein, bis jetzt noch nicht«, sag-
te sie mit leiser, sanfter Stimme in die Stille des
Raums hinein. »Aber ich begreife jetzt, warum sie
nicht wollte, dass du diese Briefe zu lesen be-
kommst. Die lassen ja sogar mich erröten.«
Darüber hinaus waren sie offenbar höchst erre-
gend. Ihre Stimme zitterte vor unterdrückter Leiden-
schaft, das hatte Cole deutlich herausgehört. Die
Atmosphäre knisterte plötzlich förmlich vor Erotik.
Coles Atem beschleunigte sich, und eine heiße
Welle der Begierde durchfuhr seinen angespannten
Körper. Er musste sich mit aller Kraft zusammen-
reißen, um nicht über Melanie herzufallen und sie
gleich hier und jetzt zu nehmen. Hart und tief und
schnell. Die aufgestaute sexuelle Spannung drohte
sich mit aller Macht zu entladen.
Melodie wandte sich wieder ihrer Aufgabe zu.
Cole riss sich von ihrem Anblick los, musterte statt-
dessen die protzige Einrichtung des Zimmers.
»Hier ist es, Cole!« rief Melodie plötzlich aufge-
regt aus. Rasch senkte sie die Stimme. »Ich habe
besagten Brief gefunden.«
»Bist du sicher, dass es der Brief ist, in dem
Thornton Elena den Ring als Geschenk ver-
spricht?« Ihnen blieb nur diese eine Chance, und
Cole wollte nicht mit dem falschen Brief abziehen.
»Ganz sicher.« Sie richtete den Strahl der Ta-
schenlampe auf den Briefbogen in ihrer Hand, der
mit einer kühnen männlichen Handschrift bedeckt
war. »Hier heißt es ganz deutlich ,Nimm diesen
Ring als Zeichen meiner ewigen Hingabe. Als ein
Geschenk meines Herzens an dein Herz, ein Unter-
pfand der Liebe, die uns verbindet. Dieser Ring ist
auf ewig Dein, so wie Dir mein Herz, mein Körper
und meine Seele gehören. In Liebe, Jerry.’«
»Das ist es«, stimmte Cole tief zufrieden zu. Er
hockte sich neben Melodie auf den Boden, um ihr
zu helfen, die anderen Briefe wieder in das Käst-
chen zu sortieren. »Steck den Brief in deine Hand-
tasche und stell das Kästchen an seinen Platz im
Regal zurück. Und dann schnell weg von hier.«
Melodie tat, wie ihr geheißen. Gerade wandten
sie sich in Richtung Tür, als draußen Stimmen laut
wurden.
»Verdammt.« Cole erstarrte. Dann tat er das
Erstbeste, was ihm in den Sinn kam, um sie beide
vor der Entdeckung zu schützen. Er ließ sich der
Länge nach auf die Ledercouch vor dem Kamin fal-
len, die mit der Rückseite zur Tür stand, und riss
Melodie mit sich. Er zog die Knie an, damit seine
Füße nicht über die Lehne herabbaumelten. Mit et-
was Glück blieben sie so unentdeckt, falls jemand
hereinkam. Das Herz hämmerte ihm gegen die
Brust, und Melodie, die auf ihm lag, sah ihn aus vor
Schreck geweiteten Augen an.
»Kein Wort jetzt!« zischte er und drückte ihr Ge-
sicht in seine Halsbeuge.
Sekunden später wurde die Tür geöffnet, und
gedämpftes Licht flammte auf. Zwei Männerstim-
men durchdrangen die Stille. Ihre Schritte echoten
auf den blank polierten Holzdielen, als sie sich
durch den Raum bewegten.
»Ich habe Churchills oder Palma Larga«, erklang
eine Stimme, die Cole als Thorntons identifizierte.
»Welche Zigarre hätten Sie denn gern, Randall?«
Melodies warme Lippen berührten Coles Hals,
und die unerwartete Liebkosung ihrer Zunge ließ
Cole zusammenfahren. Was zum Teufel hatte Me-
lodie vor?
»Ich nehme eine von den Churchills«, erwiderte
der Mann, den Thornton mit Randall angesprochen
hatte.
»Eine gute Wahl«, meinte Thornton jovial.
Melodie fuhr mit ihrer süßen Folter fort, hauchte
feuchte, kleine Küsse Coles Hals bis zum Ohr hin-
auf. Dann begann sie, abwechselnd ganz sanft an
seinem Ohrläppchen zu saugen und zu knabbern.
Trotz der Gefahr, ertappt zu werden, reagierte Co-
les Körper mit hemmungsloser Begierde. Das Risi-
ko, das Melodie mit ihrem frivolen Tun einging, er-
regte Cole. Ihm blieb ohnehin nichts weiter übrig,
als sich ihren Liebkosungen zu überlassen, denn
wenn er jetzt versuchte, sie zu stoppen, würde man
sie bestimmt entdecken.
Dessen war sie sich offenbar bewusst.
»Ich habe Brandy und ein Pokerspiel, das uns
erwartet, wenn die Gäste in etwa einer Stunde ver-
schwunden sind«, eröffnete Thornton soeben sei-
nem Gegenüber.
»Sie schmeißen doch immer noch die besten
Partys«, erwiderte der andere Mann anerkennend.
»Das höre ich oft.« Thornton lachte. »Kommen
Sie, genießen wir die Zigarre in Ruhe auf der Ter-
rasse, bis die Auktion vorüber ist.«
Gerade in dem Moment, als die Männer zur Tür
gingen, steckte Melodie Cole die Zungenspitze ins
Ohr. Mühsam unterdrückte er ein lustvolles Stöhnen
und verflocht die Hände mit ihrem Haar. Anschei-
nend hatte der Inhalt der Briefe sie zu dieser amou-
rösen Attacke stimuliert. Na warte, dachte er. Wenn
die beiden erst mal weg sind, dann wirst du bezah-
len…
Das Licht wurde gelöscht, und die Tür fiel hinter
den Männern ins Schloss. Cole wartete, bis ihre
leisen Stimmen ganz verklungen waren, bevor er
mit rauer Stimme hervorstieß: »Was soll das eigent-
lich, Melodie?«
Sie bewegte sich provozierend auf ihm, und ihr
heißer Atem streifte seine Haut. »Ich kann einfach
nicht genug von dir bekommen«, hauchte sie ihm
ins Ohr. Sie hob den Kopf und sah ihm tief in die
Augen. »Ich brauche dich, Cole. Jetzt sofort.«
Oh, ja… Er verstand, was sie meinte, brannte
doch auch er schon die ganze Woche vor Verlan-
gen! Und dieses Mal machte er sich auch keine
Vorwürfe, weil er nicht stark genug war, diesem
Verlangen zu widerstehen. Er wollte Melodie. Jetzt
sofort.
Er setzte sich auf, wobei er sie mit sich zog.
Dann positionierte er sie so, dass sie rittlings auf
seinem Schoß saß. Vorsichtig löste er ihr Haar, und
eine silberne Spange und einige Haarnadeln fielen
zu Boden. In einem nie gekannten Hunger eroberte
Cole ihren Mund, während das Adrenalin durch sei-
ne Adern pumpte.
Aufstöhnend schob Melodie die Aufschläge sei-
nes Jacketts zur Seite und tastete nach dem Ho-
senbund. Mit bebenden Fingern öffnete sie die Gür-
telschnalle und zog den Reißverschluss herunter,
entblößte Coles beeindruckende Erektion. Dann
pulsierte er in ihren kundigen Händen, während sie
ihn massierte und streichelte, bis Coles ganzer Kör-
per lustvoll erschauerte. Er schob die Hände unter
ihr Kleid und zerrte es ihr hastig bis zur Taille hoch.
Dann riss er an ihrem schwarzen Spitzenslip, und
sie erhob sich, um ihn sich rasch abzustreifen.
Cole ließ den Slip in seiner Jacketttasche ver-
schwinden, und Melodie stieß ihn in die Polster zu-
rück. Heftig atmend schob sie sich wieder über ihn,
senkte ihre Hüften rittlings auf seinen Schoß. Die
Spitze seiner männlichen Härte berührte ihre heiße,
feuchte Haut. Unfähig, sich noch länger zurückzu-
halten, fasste Cole Melodie um die Taille und stieß
tief und hart in sie hinein. Mit einem leisen Lust-
schrei nahm sie ihn in sich auf, umschloss ihn wie
flüssiges Feuer.
Aufstöhnend genoss Cole das betörende Gefühl,
ganz und gar in die heiße Enge aufgesogen zu
werden. Melodie schloss die Augen und ließ den
Kopf zurücksinken. In immer schneller werdendem
Rhythmus ließ sie ihre Hüften kreisen. Ihr Atem kam
stoßweise, während sie das Tempo beschleunigte.
Cole schob den schweren Samtstoff ihres Kleids
höher, so dass er sehen konnte, wie sie seine Erek-
tion immer tiefer in sich aufnahm.
Und da entdeckte er es, ihr Tattoo: eine zarte
Fee direkt über ihrem Venushügel. Bei jeder Auf-
und Abbewegung von Melodies Hüften schien die
Fee mit den Flügeln zu schlagen. Fasziniert rieb er
mit dem Daumen über das Schmuckbild, ließ die
Finger dann tiefer gleiten, zwischen Melodies
Schenkel, bis er das Zentrum ihrer Weiblichkeit
fand.
Sein kundiges Streicheln löste Sekunden später
ihren Höhepunkt aus, er spürte die Zuckungen hart
und heftig. Aufstöhnend küsste er Melodie, erstickte
ihre lustvollen Schreie mit seinem Mund. Beide
Hände fest um ihren Po gelegt, bewegte Cole sich
in ihr, drängender, fordernder, bis ein letzter harter
Stoß auch ihn einen ekstatischen Höhepunkt erle-
ben ließ. Ihm wurde schwindelig, und in seiner Brust
verspürte er eine seltsame Regung, die er nie zuvor
erfahren hatte. Eine machtvolle Sehnsucht, die ihm
regelrecht den Atem raubte.
Und dann traf ihn die Erkenntnis: Er hatte sich
hoffnungslos in Melodie verliebt
6
.
9. KAPITEL
»Melodie, kann ich dich bitte in meinem Büro
sprechen?« erklang Coles Stimme durch die Ge-
gensprechanlage auf ihrem Schreibtisch.
6
K-leser: also ich kann in so einem Moment gar nichts denken, Cole
scheint bemerkenswerte Fähigkeiten zu besitzen, völlig a-typisch so-
zusagen, zudem hat er sehr schnelle Finger, zuerst sind sie vorne,
plötzlich an ihrem Po – „magic Fingers“
Sein geschäftsmäßiger Ton ließ nichts Gutes ah-
nen und verstärkte die Frustration, die Melodie nach
ihrem gemeinsamen Einsatz in Thorntons Villa ü-
berfallen hatte. Danach nämlich hatte Cole sich
spürbar zurückgezogen, was für ihn an sich ja
nichts Besonderes war. Doch als sie an jenem A-
bend in der Bibliothek in Thorntons Haus miteinan-
der geschlafen hatten, hätte Melodie schwören
können, dass seine Liebkosungen irgendwie an-
ders, intensiver gewesen waren. Darum empfand
sie umso mehr Enttäuschung über seine plötzliche
Reserviertheit.
Der Fall Russell war abgeschlossen und damit
offensichtlich auch ihre Affäre.
»Ich bin gleich da«, erwiderte sie, bemüht, ihren
Ton ebenfalls neutral geschäftsmäßig zu halten. Sie
tippte rasch den Bericht über den Fall Russell zu
Ende, um ihn Cole gleich zur Unterschrift vorzule-
gen.
Seit jenem Abend hatte Melodie wohl sämtliche
Aspekte der Gefühlsskala durchlaufen. Verwirrung,
Verzweiflung und Wut über die Art und Weise, wie
Cole sie so ohne weiteres wieder aus seinem Leben
aussperrte, als sei nichts geschehen. Sie hatte alles
in ihrer Macht Stehende getan, um ihm zu zeigen,
dass das, was sie verband, weit über heißen Sex
hinausging. Okay, laut ausgesprochen hatte er sei-
ne Zuneigung nicht. Er hielt sie immer noch auf Ar-
meslänge von sich entfernt, darauf bedacht, sie
nicht an seinem Gefühlsleben teilhaben zu lassen.
Und genau danach sehnte sie sich doch so sehr!
Fest entschlossen, ihm mit ungebrochenem
Selbstbewusstsein zu begegnen, ging Melodie mit
der Akte Russell nach nebenan in sein Büro. Cole
saß hinter seinem Schreibtisch, die Hemdsärmel bis
zu den Ellbogen hochgekrempelt und mit biererns-
ter Miene. Oh, wie sehr wünschte sie, er würde ihr
entgegenlächeln, sie an sich ziehen, um sie zu küs-
sen! Es war fast so, als hätten die erotischen Be-
gegnungen zwischen ihnen nie stattgefunden. Es
ärgerte Melodie zwar, wie leicht es Cole fiel, ihre
Affäre zu verdrängen, doch wollte sie ihn anderer-
seits auch zu nichts drängen, wozu er nicht wirklich
bereit war.
»Hier sind der Abschlussbericht und die Rech-
nung im Fall Russell«, erklärte sie und platzierte die
Akte auf seinem Schreibtisch. »Elena schien sehr
glücklich, dass wir den Brief gefunden haben.«
Cole nickte und setzte seine Unterschrift unter
die Rechnung, wobei er sorgfältig darauf bedacht
war, Melodies Blick auszuweichen, wie er es schon
den ganzen Vormittag lang getan hatte. »Ich bin
sicher, dass der Brief dazu beiträgt, ihren guten Ruf
wieder herzustellen.«
»Das hoffe ich für sie«, sagte Melodie und meinte
das auch so. Sie mochte Elena und wünschte ihr
nur das Beste. »Aber ich bedaure wirklich, dass ihre
Beziehung gescheitert ist. Wie es schien, haben sie
einmal wahre Leidenschaft füreinander empfunden.
Das machte der Inhalt der Briefe deutlich.«
»Leidenschaft allein reicht nicht, um eine Bezie-
hung aufrecht zu erhalten«, erklärte Cole, während
er die Akte durchblätterte.
Sein nüchterner Ton versetzte Melodie einen
schmerzhaften Stich in der Brust. Sie wusste, seine
Bemerkung bezog sich auf sie beide. »Nein, ver-
mutlich nicht, aber es ist zumindest eine Basis, auf
der sich eine dauerhafte Beziehung aufbauen lässt.
Aus Leidenschaft kann sehr wohl Liebe werden,
wenn beide Partner bereit sind, daran zu arbeiten.«
Endlich sah Cole sie an, doch seine verschlosse-
ne Miene verriet nichts über seine Gefühle. »Das
war bei Elena und Jerry offensichtlich nicht der
Fall.«
Melodie entnahm seiner Antwort, dass er auch
für ihre Beziehung keine Zukunft sah. So einfach
hatte er das letzte zarte Band zwischen ihnen zer-
rissen, Melodies letzte Hoffnung zerstört, dass sich
doch noch alles zum Guten wenden würde.
Es war unwiderruflich aus zwischen ihnen.
Melodie hatte Mühe, etwas zu sagen, ohne dass
ihre Stimme ihren Schmerz verriet. »Du sagtest, du
willst etwas mit mir besprechen?« wechselte sie das
Thema.
»Ja, Verschiedenes.« Mit einer einladenden Ges-
te bedeutete er ihr, sich zu setzen.
Jetzt war Melodie wirklich gespannt, worauf er
hinauswollte. Bereitwillig nahm sie auf dem Stuhl
vor seinem Schreibtisch Platz.
Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen.
»Ich möchte dir für deine Hilfe im Fall Russell dan-
ken und dir das hier geben.« Er schob ihr einen
Umschlag zu. »Du hast fantastische Arbeit geleistet,
und ich bewundere deine Professionalität.«
Ihre Professionalität? Mit einem beklemmenden
Gefühl griff sie nach dem Umschlag und zog einen
Scheck heraus, der auf eine enorm hohe Summe
ausgestellt war. Jetzt wusste Melodie gar nicht
mehr, was sie von Cole halten sollte. Sie bedachte
ihn mit einem durchdringenden Blick. »Wofür soll
das sein?«
»Ein Bonus für ausgezeichnete Arbeit.« Er lehnte
sich in seinem Sessel zurück, eine Geste, die die
emotionale und physische Distanz zwischen ihnen
nur noch betonte. »Du hast es dir verdient.«
Am liebsten hätte Melodie ihm den Scheck ins
Gesicht geschleudert, doch sie zügelte ihr Tempe-
rament. Sie wollte seine Dankbarkeit nicht, noch
weniger sein Geld für etwas, das für sie viel mehr
als nur ein Job gewesen war. Jetzt kam sie sich
billig und fallen gelassen vor. Melodie fragte sich,
ob dies wohl Coles Art war, seine Schuldgefühle zu
beschwichtigen, weil er seinem Verlangen nachge-
geben und mit ihr geschlafen hatte.
Trotz ihres Zorns und ihrer Verwirrung brachte
sie ein raues »Dankeschön!« hervor und machte
Anstalten aufzustehen.
Er bedeutete ihr mit einer Geste, sitzen zu blei-
ben. »Da gibt es noch etwas.« Nach kurzem Zögern
meinte er: »Wir haben am Sonnabend kein Kondom
benutzt.« Es war ihm deutlich anzusehen, wie un-
behaglich er sich fühlte.
Der abrupte Wechsel zu einem derart intimen
Thema verblüffte Melodie. Doch Coles förmlicher
Ton und die distanzierte Miene ließen die Angele-
genheit wie eine geschäftliche Transaktion wirken,
und sie erschauderte vor Kälte.
Natürlich war auch ihr nicht entgangen, dass sie
ungeschützten Sex gehabt hatten. Auch Coles
plötzlich unmissverständlich besorgter Blick war ihr
bewusst. Nachdem er sich jahrelang abgemüht hat-
te, seine Geschwister großzuziehen, war er offen-
sichtlich nicht darauf aus, die ganze Prozedur so
bald mit einer eigenen Familie noch einmal zu
durchlaufen. Das erwartete Melodie auch gar nicht
von ihm.
Er hatte ihr keine Versprechungen gemacht, und
sie würde eine ungeplante Schwangerschaft nie
dazu benutzen, einen Mann an sich zu binden.
Wenn er sich für sie entschied, dann sollte er aus
Liebe bleiben und nicht, weil er sich dazu verpflich-
tet fühlte. Doch Ersteres war er anscheinend nicht
bereit, ihr zu geben.
Zwischen Wut und Schmerz hin- und hergeris-
sen, sah sie ihn an, doch sie tat ihr Bestes, ihre Ge-
fühle vor ihm zu verbergen. »Ich kann dir ja Be-
scheid sagen, wenn ich meine Periode bekomme«,
schlug sie vor.
Er seufzte erleichtert. »Das wäre großartig.«
Cole nahm einen Stoß Papiere von einem Stapel
und reichte ihn ihr. Damit war das unbequeme
Thema für ihn anscheinend abgehakt. »Hier sind
die Zahlungsanweisungen, die ich abzeichnen soll-
te, sowie einige Aussagen zum Abheften.«
Damit war sie offensichtlich entlassen. Melodie
nahm die Papiere entgegen und kehrte an ihren
eigenen Schreibtisch zurück. Jetzt hieß es, ihren
Herzschmerz zu vergessen und zur Tagesordnung
überzugehen.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Liebes?« Richard blick-
te Melodie über den Tisch im Restaurant hinweg
besorgt an. Die beiden hatten sich hier zum Mittag-
essen getroffen. »Du scheinst heute irgendwie ne-
ben dir zu stehen.«
Im Stillen räumte Melodie ein, dass er Recht hat-
te. Sie war heute ungewöhnlich in sich gekehrt. Sie
brachte es einfach nicht fertig, sich lustig und ver-
gnügt zu geben, nachdem sie eine so schreckliche
Woche hinter sich hatte. Fast hatte sie das Gefühl,
innerlich abzusterben, während sie in Coles Ge-
genwart nach außen hin ein gleichgültiges Gebaren
zur Schau trug, um überhaupt den Tag zu überste-
hen. Ihre Nächte waren erfüllt von heißen Erinne-
rungen an die leidenschaftlichen Begegnungen mit
Cole. Abend für Abend schrieb sie sich ihre Sehn-
sucht in weiteren erotischen Briefen von der Seele,
die er nie zu lesen bekommen würde.
Was die Arbeit betraf, schien sie nach ihrem kur-
zen Ausflug in den Außendienst wieder zur Sekretä-
rin degradiert worden zu sein. Auch das trug we-
sentlich zu ihrer Frustration bei. Sie hatte nichts er-
reicht. Weder hatte sie Coles Herz erobert, noch
war es ihr gelungen, der Arbeit, die sie sich wünsch-
te, auch nur einen Schritt näher zu kommen.
»Ich bin okay«, log sie tapfer und zwang ein Lä-
cheln auf ihre Lippen. »Mir geht zurzeit nur eine
Menge durch den Kopf.«
»Ach?« Ihr Vater legte die Gabel auf den Teller
und tupfte sich den Mund mit der Serviette ab.
»Kann ich dir vielleicht helfen, Klarheit in deine Ge-
danken zu bringen?«
Melodie hatte sich ihrem Vater schon oft in ihrem
Leben anvertraut, und er hatte immer einen brauch-
baren Rat für sie parat gehabt. Doch diesmal war es
etwas anderes – sie konnte ihm unmöglich von ihrer
Beziehung mit Cole und dessen abrupten Ende er-
zählen. Zu ihrem eigenen und Coles Bestem. »Ich
glaube, es ist etwas, was sich von sich selbst erle-
digen wird, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Natürlich.« Richard ergriff tröstend ihre Hand.
»Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, aber ich bin
erleichtert festzustellen, dass du wieder zur Norma-
lität zurückgekehrt bist.«
Trotz ihres Kummers musste Melodie lachen.
»Normalität? Was willst du damit sagen?«
»Nun, ich gebe zu, dass mir all die plötzlichen
Veränderungen an dir ziemliche Sorgen gemacht
haben. Ich gebe zu, dein Haarschnitt ist schick, und
es gefällt mir, was du heute anhast. Aber dennoch
habe ich den Eindruck, dass du dich selbst wieder-
gefunden hast und wieder mein kleines Mädchen
bist. Das ist vermutlich Cole zu verdanken.«
Cole? Was hatte der denn damit zu tun? Stirn-
runzelnd schob sie ihren Teller zur Seite, während
sie ein Gefühl des Unbehagens überkam. »Wor-
über, um alles in der Welt, redest du, Dad?«
Richard faltete die Hände auf dem Tisch und
senkte verlegen den Blick. »Ich muss gestehen,
dass ich fürchtete, du hättest dich so drastisch ver-
ändert, um irgendeinem Kerl zu gefallen. Meine
größte Sorge war, jemand könnte dich ausnutzen.
Also habe ich Cole gebeten, ein wenig auf dich Acht
zu geben.«
Melodie sog scharf den Atem ein. Das kam ja
immer schlimmer! Sie konnte kaum glauben, was
ihr Vater ihr da soeben eröffnet hatte, und doch er-
klärte es perfekt Coles Überfürsorge während der
vergangen zwei Wochen. Er hatte ihrem Vater ei-
nen Gefallen getan, hatte eine weitere Verpflichtung
übernommen. Abgesehen von den paar Malen, als
sie miteinander geschlafen hatten, war sie nichts
weiter als eine Art Job für ihn gewesen.
Jetzt hatte Melodie aber endgültig genug von all
den wohlmeinenden Männern in ihrem Leben!
»Weder du noch Cole braucht auf mich aufzu-
passen, Dad«, erklärte sie gelassener, als ihr zu
Mute war. Sie würde sich erst einmal ihren Vater
vorknöpfen und mit Cole später abrechnen. »Ich
führe seit Jahren ein selbstständiges Leben und
kann sehr gut auf mich allein aufpassen.«
»Ich kann mir einfach nicht helfen.« Sein Blick
bat um Verständnis für seine väterliche Fürsorge.
»Ich machte mir Sorgen um dich, und ich wusste,
dass ich Cole vertrauen kann, dafür zu sorgen, dass
du nicht in eine Situation gerätst, mit der du nicht
fertig wirst.«
Sie für ihren Teil hatte keine Probleme damit, mit
der Situation fertig zu werden. Es war Cole, der
derart zwischen seinen Bedürfnissen und seinem
selbst ernannten Ehrenkomplex hin- und hergeris-
sen war, dass er sich scheute, auch mal ein Risiko
einzugehen. Und es gefiel ihr gar nicht, dass die
beiden Männer, die sie am meisten liebte, über ih-
ren Kopf hinweg über ihr Leben bestimmten.
»Ich habe dich lieb, Dad, aber ich bin nicht mehr
länger dein kleines Mädchen.« Es wurde endlich
Zeit, das einmal deutlich auszusprechen. »Ich weiß,
nach Moms Tod hast du dein Bestes getan, mich
aufzuziehen, und du warst wirklich immer ein groß-
artiger Vater. Ich kann mich glücklich schätzen, ei-
nen so liebevollen, fürsorglichen Dad zu haben, der
für seine Tochter stets nur das Beste wollte. Aber
jetzt bin ich eine erwachsene Frau und brauche
meinen Freiraum, um mich weiterzuentwickeln, oh-
ne mich ständig eingeengt fühlen zu müssen.
Schluss mit dem ewigen Beschützen und Umsor-
gen! Lass mich meine eigenen Fehler machen und
daraus lernen.«
»Du hast Recht«, erwiderte Richard in ernstem
Ton. »Es fällt mir bloß so schwer, meinen väterli-
chen Beschützerinstinkt abzulegen.« Er bedachte
sie mit einem neugierigen Blick. »Darf ich fragen…
ist für deine plötzliche Wandlung eigentlich ein
Mann verantwortlich?«
Melodie wollte nicht lügen, schließlich war es
zum großen Teil Cole zu verdanken – wenn auch
nur indirekt –, dass sie sich zu einer selbstbewuss-
ten, starken Frau entwickelt hatte. »Ja, aber es ist
aus.«
»Das tut mir Leid«, erwiderte ihr Vater mitfüh-
lend.
»Mir auch. Ich bin sicher, dass du ihn gemocht
hättest.« Mit einem bedauernden Lächeln über das,
was hätte sein können, stand sie auf, nahm ihre
Handtasche und küsste ihren Vater zum Abschied
auf die Wange. »Jetzt muss ich aber zurück ins Bü-
ro. Ich habe da noch etwas Wichtiges zu erledi-
gen.«
Melodie betrat ohne anzuklopfen Coles Büro. Ihr
anklagender Blick versetzte ihn sofort in Alarm-
stimmung. Ganz offensichtlich hatte sie nichts Ge-
schäftliches auf dem Herzen. Sich innerlich gegen
unangenehme Neuigkeiten wappnend, sicherte er
die Internet-Seite, auf der er gerade gesurft hatte,
und blickte Melodie erwartungsvoll entgegen.
Sie baute sich vor seinem Schreibtisch auf, uner-
schrocken und hitzig und unbeschreiblich schön.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass mein Vater
dich beauftragt hat, auf mich aufzupassen wie auf
ein kleines Kind?«
Der Schmerz, der in ihrem Ton mitschwang, ließ
Cole zusammenzucken. Er beschloss, ihr so auf-
richtig wie möglich zu antworten, auch wenn seine
Entschuldigung selbst in seinen Ohren erbärmlich
klang. »Weil ich es nicht für nötig hielt, es dir zu sa-
gen.«
»Vielleicht auch, weil du es nicht fertig brachtest,
meinem Vater etwas abzuschlagen. Um ihn nicht zu
enttäuschen, hast du getan, worum er dich bat, oh-
ne dabei an meine Gefühle zu denken«, versetzte
sie vorwurfsvoll.
Ihre Worte verletzten ihn. Besonders deshalb,
weil sie genau ins Schwarze getroffen hatte, er hat-
te sich die Wahrheit bloß nicht eingestehen wollen.
Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, Richard
eine Bitte abzuschlagen, nachdem der Mann ihm
nach dem Tod seines Vater so viel Gutes getan hat-
te. Außerdem vertraute Richard Cole bedingungs-
los. Dieses Vertrauen hatte Cole nicht zerstören
wollen, was bedeutete, Richards Bitte, auf Melodie
aufzupassen, nachgeben zu müssen. Doch Cole
wusste tief in seinem Innern, dass er Melodie auch
beschützt hätte, hätte Richard ihn nicht dazu aufge-
fordert. Es lag in seiner Natur, auf die Menschen zu
achten, die er liebte.
Und wenn zwischen ihnen beiden auch alles
schief gelaufen war, so gehörte Melodie doch zu
diesen Menschen.
Aber diese Erkenntnis änderte leider nichts an
der gegenwärtigen Situation. Die Ereignisse hatten
dazu geführt, dass Melodie tief verletzt und desillu-
sioniert war. Und Cole machte sich schwere Vor-
würfe, dass er ihre Beziehung hatte so weit eskalie-
ren lassen, dass sie miteinander geschlafen hatten.
»Es tut mir Leid«, sagte er, wohl wissend, wie
unangemessen diese Worte klangen, in Anbetracht
des Kummers, den er ihnen beiden verursacht hat-
te.
Melodie verschränkte die Arme vor der Brust, wie
um sich zu schützen. »Ich war also nichts weiter als
eine Art Job für dich, eine Verpflichtung, wie alles
andere in deinem Leben«, schleuderte sie Cole
entgegen.
Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, so
schuldig fühlte er sich. Unfähig, noch länger ruhig
dazusitzen, stand er auf und ging um den Schreib-
tisch herum. Melodie wich einen Schritt zurück, be-
deutete Cole auf diese Weise, dass sie nicht berührt
werden wollte.
»Du warst viel mehr als das, Melodie«, erklärte er
mit vor Bewegung rauer Stimme. »Ich habe einen
furchtbaren Fehler gemacht, nicht du. Ich hätte dich
nie im Leben anfassen dürfen.«
Sie lachte hart auf. »Du Ehrenmann!« Das klang
eher wie ein Fluch als wie ein Kompliment. »Ich bin
überrascht, dass du nicht darauf bestehst, mich zu
heiraten, wo wir doch ungeschützten Sex hatten.«
»Du weißt genau, dass ich dich heiraten würde,
wenn du schwanger wärst«, entgegnete er spontan.
»Warum? Wegen meinem Vater? Weil es das
Richtige wäre und du deine Verpflichtungen ernst
nimmst? Besten Dank! Falls ich schwanger bin,
werde ich lieber allein erziehende Mutter, als einen
Mann zu heiraten, der meine Liebe nicht erwidert.«
Wieder trafen ihre Worte ihn hart. Cole zuckte
wie unter einem Schlag zusammen.
»Es stimmt, ich liebe dich«, sagte sie weich, »a-
ber ich würde dich nie in eine Situation bringen, die
dich zum Gefangenen macht. Ich kenne doch deine
unglückliche Kindheit, und ich bewundere dich für
das, was trotz allem aus dir geworden ist. Du hast
die besten Jahre deines Lebens geopfert, um dei-
nen Geschwistern ein Zuhause zu geben. Selbst
jetzt noch fühlst du dich für alle verantwortlich. Du
bist wirklich wie der sprichwörtliche Fels in der
Brandung. Aber hast du je darüber nachgedacht,
was du dir für dich selbst wünscht? Sehnst du dich
nicht auch manchmal nach Veränderung?«
Cole versteifte sich. Es war Melodie gelungen,
einen Blick unter die Fassade zu tun, und das be-
hagte ihm gar nicht. »Ich habe alles, was ich mir nur
wünschen kann.« Warum hatte er dann solche
Angst, Melodie zu verlieren? Und warum kamen
ihm die Nächte ohne sie einsam und unendlich lang
vor?
»Hast du das wirklich?« Sie schien ihm direkt in
die Seele zu blicken, so eindringlich sah sie ihn an.
»Du bist immer schnell dabei, die Bedürfnisse der
anderen zu erkennen und dich um alles zu küm-
mern. Aber wer kümmert sich um dich, Cole?«
»Habe ich behauptet, dass ich jemanden brau-
che, der sich um mich kümmert?«
»Wir alle brauchen hin und wieder Trost und Zu-
wendung. Sogar du, ob du es nun zugibst oder
nicht.« Ihre Stimme klang plötzlich müde. Müde,
sich mit ihm zu streiten. »Ich will mich doch nur um
dich kümmern, deine Freundin und Geliebte sein.
Von Heirat habe ich nie gesprochen, nicht mal von
einer festen Bindung, obwohl es gelogen wäre zu
behaupten, dass ich nicht mehr als eine Affäre woll-
te. Aber dieses Thema steht ja ohnehin nicht mehr
zur Debatte, oder?«
Coles Schweigen sprach für sich selbst.
Melodie seufzte resigniert. Dann hob sie ent-
schlossen das Kinn. »In Anbetracht der verfahrenen
Situation denke ich, es ist besser, wenn ich kündi-
ge.«
Genau das war eine seiner schlimmsten Ängste.
»Das kannst du nicht ernst meinen«, fuhr er sie
barsch an.
»Und du glaubst doch wohl nicht ernstlich, dass
ich nach allem, was passiert ist, hier bleibe? Ich
hatte wirklich angenommen, dass der Fall Russell
dazu beiträgt, deine Meinung über mich zu ändern,
nicht nur in privater, sondern auch in beruflicher
Hinsicht.«
Die Vorstellung, sie könnte in wenigen Minuten
aus diesem Büro und damit aus seinem Leben ver-
schwinden, versetzte Cole in helle Panik. Und das
Chaos in seinem Innern rührte keineswegs daher,
dass er sich um ihr Wohlergehen sorgte. Es waren
ganz andere Ängste, die ihn quälten. »Mel…«
»Du hast deine Gefühle unmissverständlich klar-
gelegt, genau wie ich«, unterbrach sie ihn. »Diese
Entscheidung habe ich zu meinem eigenen Besten
getroffen. Ich habe keine Lust, als Vorzimmer-
Sekretärin zu versauern. Hier bei dir komme ich
beruflich nicht weiter, weil du einfach nicht aufhören
kannst, mich als Richards Tochter zu betrachten,
die du vor allem Unbill beschützen musst. Ich möch-
te in meinem Leben vorankommen, nicht stagnieren
und davon träumen, was hätte sein können. Also
ziehe ich die Konsequenzen und gehe, und zwar
ohne Bedauern.«
Cole bewunderte sie für ihren Mut, sich privat wie
beruflich voll ins Risiko zu stürzen, auch auf die Ge-
fahr hin zu scheitern.
»Bevor ich gehe, sag mir bitte noch eins.« Ihre
Stimme zitterte verdächtig, und ihre Augen schim-
merten feucht. »Fandest du mich eigentlich je att-
raktiv oder nur die Frau, die ich gespielt habe?«
Ein spannungsgeladenes Schweigen senkte sich
über sie. Cole fand sie nicht nur attraktiv, er hatte
sich in sie verliebt – in die einfühlsame, praktisch
veranlagte Frau, die sie gewesen war, und in die
sinnliche, verführerische Sirene, in die sie sich ver-
wandelt hatte. Doch die Worte blieben unausge-
sprochen, denn Cole wusste, dass er die Erwartun-
gen, die mit einem solchen Geständnis verbunden
waren, nicht erfüllen konnte.
»Schon gut. Du brauchst mir nicht zu antworten«,
versetzte Melodie resigniert, als er schwieg. »Ich
glaube, ich will die Wahrheit lieber gar nicht wissen
und damit meine letzten Illusionen zerstören. Es
war ein schöner Traum, solange er dauerte.«
Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und
ging. Sofort überfiel Cole eine tiefe, schwarze Lee-
re, die sein Leben von nun an über Monate verfins-
tern würde, wie er wusste.
»Was würdest du sagen, wenn ich dich bäte, für
mich auf Melodie aufzupassen?« fragte Cole seinen
Bruder. Die beiden hatten sich nach Feierabend auf
ein Bier bei Murphy getroffen.
»Vergiss es«, erwiderte Noah scharf. »Ich bin
nicht bereit, mich an ihre Fersen zu heften, als sei
sie eine Strafgefangene auf Bewährung. Wenn du
wissen willst, wie sie ihre Tage verbringt, dann spi-
onier doch selbst hinter ihr her.« Er schüttelte den
Kopf. »Gott, jetzt übertreibst du wirklich.«
Ja, das tat er wohl, und darüber hinaus war er
zutiefst verzweifelt. Mit einem tiefen Zug leerte Cole
sein Bierglas. Er war hin- und hergerissen zwischen
dem Bedürfnis, die Verbindung zu Melodie auf-
rechtzuerhalten, und der Scham darüber, dass er
ihr im Auftrag seines Vaters nachspioniert hatte.
»Ich will doch nur sichergehen, dass sie okay ist.«
»Das glaubst du doch selbst nicht.« Noah gab
der Serviererin ein Zeichen, zwei weitere Biere zu
bringen. »Du fühlst dich doch nur schuldig wegen
dem, was zwischen euch passiert ist. Das ist ein-
fach lächerlich! Melodie geht es gut, jedenfalls bes-
ser als dir. Jo zufolge hat sie sich bei verschiedenen
Detekteien beworben und bereits einige gute Ange-
bote. Du hingegen vergräbst dich schlecht gelaunt
im Büro und leckst deine Wunden. Im Übrigen
siehst du furchtbar aus, ungepflegt und müde.«
Natalie, die Kellnerin, kam mit der Bestellung und
einer Schüssel Erdnüsse an den Tisch. Während
Noah die Gelegenheit für einen Flirt nutzte, sinnierte
Cole über die Worte seines Bruders nach. Er rieb
sich über das unrasierte Kinn. Noah hatte Recht, er
fühlte sich wie in der Hölle und sah vermutlich dem-
entsprechend aus. Ein wesentlicher Teil von ihm
schien verloren, was dazu führte, dass Cole sich
ziellos treiben ließ. Er hatte die Kontrolle über sein
Leben verloren, war unfähig, wieder Fuß zu fassen.
Nachdem er sich erst einmal seine Zuneigung zu
Melodie eingestanden hatte, ließen sich seine Ge-
fühle nicht mehr bändigen. Und weil er so dumm
gewesen war, Geschäftliches mit Vergnügen zu
verbinden, hatte er die beste Sekretärin verloren,
die er je gehabt hatte.
Das war natürlich nicht der einzige Verlust, den
er zu beklagen hatte. Jetzt, da Melodie nicht mehr
da war, wurde ihm bewusst, dass sie ihm in berufli-
cher Hinsicht viel mehr bedeutet hatte als nur eine
Hilfe für die Büroarbeiten. Sie war ihm Vertraute
gewesen, Inspiration. Stets hatte sie sich mit gro-
ßem Enthusiasmus in die Arbeit gestürzt, hatte so
manchen Aspekt an einem Fall aufgedeckt, der ihm,
Cole, entgangen war.
Ohne Melodie war nichts mehr wie früher, und
Cole brachte es auch nicht über sich, eine Nachfol-
gerin für sie zu suchen. Die Wärme ihrer Freund-
schaft und ihre Begeisterungsfähigkeit konnte ihm
niemand ersetzen. Ganz zu schweigen von ihren
Qualitäten als Geliebte. Keiner konnte die Lücke
füllen, die sie hinterlassen hatte.
Vorbei die spontanen gemeinsamen Mittagessen,
kein strahlendes Lächeln erhellte mehr seinen Tag,
es gab keine erotischen Briefe und keine vor Erotik
knisternde Spannung. Es kam sogar ab und zu vor,
dass Cole nach vorne an den Empfang ging, um
einen Fall zu diskutieren, und dann erst feststellte,
dass Melodie ja nicht mehr da war. Sie war nicht
länger Teil seines Lebens, und zwar in jeder Hin-
sicht.
Er fand keinen Vorwand, Kontakt zu ihr aufzu-
nehmen, zumal sie ihm erst vor wenigen Tagen ei-
ne nüchtern vorgetragene Nachricht auf seinem
Anrufbeantworter hinterlassen hatte, in der sie Cole
mitteilte, dass sie nicht schwanger sei. Anstatt Er-
leichterung darüber zu empfinden, hatte die Neuig-
keit die kalte Leere in seinem Innern nur noch ver-
größert.
Geistesabwesend rieb Cole sich seine Brust ge-
nau an der Stelle, wo sein Herz war. Geduldig war-
tete er, bis Natalie an den nächsten Tisch weiter-
ging, und registrierte, wie Noahs Blick ihr mit einem
versonnenen Ausdruck folgte.
»Vor der musst du dich hüten«, meinte Cole in
einem Anflug brüderlicher Fürsorge. »Sie macht
nicht den Eindruck, als sei sie die Richtige für eine
belanglose Affäre.«
»Mach dir in dieser Hinsicht um mich bloß keine
Sorgen.« Grinsend prostete Noah seinem Bruder
mit dem Bierglas zu. »Ich weiß, wie man mit Frauen
umgeht, ganz im Gegensatz zu dir. Du musst noch
eine Menge lernen.«
Dem hatte Cole nichts entgegenzusetzen. Er
knackte eine Erdnuss und verspeiste sie genüss-
lich. Dann stellte er endlich die Fragen, die ihm
schon die ganze Zeit auf der Seele brannten.
»Denkst du auch manchmal an Mom und Dad? Ich
meine, hast du auch das Gefühl, dass ihre schmut-
zige Scheidung dich vorsichtiger gemacht hat, was
die Beziehung zu Frauen betrifft?«
Noah zuckte die Achseln. »Da du der Älteste bist,
hat dich die Scheidung sicher am härtesten getrof-
fen. Und dann noch Vaters Tod… Du warst so da-
mit beschäftigt, dich um Jo und mich zu kümmern,
dass du dir nie richtig Zeit für dich selbst genommen
hast.«
Genau dasselbe hatte Melodie behauptet… »Ihr
seid beide längst erwachsen und habt euer eigenes
Leben. Da bleibt mir genug Zeit für mich.«
»Und wie nutzt du diese Zeit?« Noah beantworte-
te sich die Frage selbst, bevor Cole es tun konnte.
»Du vergräbst dich in deiner Arbeit und gönnst dir
ab und zu mal einen Drink mit einem Kumpel.
Wünschst du dir nicht mehr als das?«
Genau dasselbe hatte Melodie ihn auch kürzlich
gefragt. Damals hätte er geantwortet, nein, er sei
glücklich als Junggeselle und mit der Art und Weise,
wie er sein Leben gestaltete. Doch die Zeit mit Me-
lodie hatte ihn dazu gebracht, seine Meinung zu
ändern und sein Leben mit anderen Augen zu be-
trachten. Er hatte begonnen, sich zu fragen, was er
auf Grund seiner Engstirnigkeit bereits alles ver-
säumt hatte.
Noah trank einen großen Schluck von seinem
Bier und bedachte seinen Bruder mit einem ernsten
Blick. »Wann wirst du dir endlich eingestehen, dass
Melodie die Richtige für dich ist?«
Cole hob die Brauen. »Wie bitte?«
»Ich sehe es und Jo auch«, fuhr Noah scho-
nungslos fort. »Hast du Melodie gesagt, dass du sie
liebst, bevor sie gekündigt hat?«
»Wie kommst du darauf, dass ich sie liebe?«
»Weil sie es fertig gebracht hat, dein Innerstes
nach außen zu kehren, und das ist bis jetzt nie zu-
vor jemandem gelungen. Du bist so in sie verknallt,
dass du keinen klaren Gedanken mehr fassen
kannst.« Er hob die Hand, um Coles Protest im
Keim zu ersticken. »Versuch gar nicht erst, es ab-
zustreiten. Die einzige Person, die du damit belügst,
bist du selbst.«
Und dieser Selbstbetrug hatte ihn, Cole, bis jetzt
auch nicht weitergebracht.
Das Bierglas in der Hand, stand Noah auf. »Denk
mal in aller Ruhe über den Schlamassel nach, den
du da angerichtet hast. Und dann bring die Sache in
Ordnung, bevor Jo und ich dir an die Gurgel ge-
hen.« Damit schlenderte er zur Bar und schwang
sich neben Natalie auf einen Hocker.
Cole nippte an seinem Bier, während er sich die
Worte seines Bruders durch den Kopf gehen ließ.
Aber egal, in welche Richtung er auch dachte, am
Ende kam er immer zur selben Schlussfolgerung.
Er liebte Melodie, sie bedeutete ihm mehr als
sein Leben. Er hatte die Wahl, sie gehen zu lassen
oder sie zurückzuerobern – für sich selbst und die
Agentur.
Die Entscheidung lag bei ihm. Jetzt, da ihm das
endlich klar war, überlief ihn ein Schauer der Erre-
gung. Er hatte es sich nicht aussuchen können, ob
er seine Geschwister großziehen wollte oder nicht.
Aber jetzt hatte er die Wahl. Es lag in seiner Macht,
sich für ein Leben mit Melodie zu entscheiden.
Cole wusste, was er zu tun hatte. Keine Ausre-
den mehr. Und was Richard betraf, so würde der
alte Mann eben akzeptieren müssen, dass Cole
seine Tochter liebte.
Er wollte alles daransetzen, Melodie zurückzu-
gewinnen – mit allen Konsequenzen.
Melodie lag gemütlich zusammengekringelt im Bett,
vertieft in einen Liebesroman, als ein lautes Klopfen
an der Eingangstür sie hochschrecken ließ. Ein
Blick auf den Wecker sagte ihr, dass es bereits kurz
vor elf Uhr nachts war. Normalerweise bekam sie
um diese Zeit keinen Besuch mehr, schon gar nicht
unangemeldet. Zuerst dachte sie an ihren Vater,
aber der würde sie niemals einfach so überfallen,
ohne vorher anzurufen.
In einer Mischung aus Unbehagen und Neugier
legte Melodie das Buch auf den Nachttisch, schlüpf-
te in ihren alten Chenille-Bademantel und ging zur
Tür. Sie spähte sorgsam durch den Türspion, konn-
te aber niemanden entdecken. Dann fiel ihr Blick
auf einen cremefarbenen Briefumschlag, den je-
mand unter dem Türschlitz hindurchgeschoben ha-
ben musste. Sie bückte sich, um den Brief aufzuhe-
ben. Als sie den Bogen aus dem Umschlag zog,
erkannte sie sofort Coles Handschrift. Ihr Herz
machte einen freudigen Satz, und ein wohliger
Schauer überrieselte ihren Rücken.
Gespannt las sie die Zeilen, die er ihr geschrie-
ben hatte:
Bis ich mich in Dich verliebt hatte, wusste ich
nicht, wie leidenschaftlich und aufregend das Leben
sein kann. Die Ekstase und das Vergnügen, die wir
zusammen erlebt haben, lassen sich nicht leugnen.
Nichts wird mehr sein, wie es einmal war. Ich bitte
Dich, gib mir noch eine Chance! Nirgends möchte
ich lieber sein als bei Dir. Du bist immer in meinen
Gedanken und in meinen Träumen, und ich verzeh-
re mich vor Sehnsucht nach Dir. Ich möchte Dich
küssen, Dich in den Armen halten und Dich lieben.
Bitte, gib mir noch eine Chance!
Ich bin völlig verrückt nach Dir. Du bist die Einzi-
ge für mich, und ich schwöre bei meiner Ehre, Dir
immer treu zu sein. Wenn Du bereit bist, mir noch
einmal eine Chance zu geben, öffne die Tür und
lass mich wieder in Dein Leben hinein.
Ganz schwindelig vor Freude drückte Melodie
den Brief an ihre Brust, während Coles Worte lang-
sam in ihr Bewusstsein drangen. Wie hatte sie sich
danach gesehnt, diese Liebesversprechen von ihm
zu hören! Und jetzt endlich war ihr kühnster Traum
tatsächlich Wirklichkeit geworden.
Über ihre Antwort auf seine Bitte, ihnen beiden
noch einmal eine Chance zu geben, brauchte sie
nicht einmal eine Sekunde lang nachzudenken.
Sie flog förmlich zur Tür, riss sie weit auf, ein
deutliches Signal für Cole, dass er willkommen war.
Melodie war selbst erstaunt darüber, wie unglaub-
lich leicht es ihr fiel, Cole wieder in ihr Leben aufzu-
nehmen. Sie liebte ihn nicht nur, sie glaubte an ihn
und sein Versprechen. In diesem Fall war sein aus-
geprägter Ehrenkodex durchaus von Vorteil – Cole
war ein Mann, dem man mit Leib und Seele ver-
trauen konnte.
Jetzt stand er auf ihrer Türschwelle, das dunkle
Haar zerzaust und ein verlegenes Lächeln um die
Lippen. »Meine dichterischen Talente sind leider
nur beschränkt«, bekannte er, den Blick aus seinen
blauen Augen fest auf Melodie gerichtet.
Nur mühsam widerstand Melodie der Versu-
chung, ihm einfach die Arme um den Hals zu
schlingen und ihn zu küssen, bis ihnen beiden die
Sinne schwanden. »Dein Brief hat mir alles gesagt,
was ich hören wollte«, erwiderte sie ernst. Ein So-
nett von Shakespeare höchstpersönlich hätte nicht
mit Coles Brief konkurrieren können.
»Nicht ganz«, sagte er mit rauer Stimme. Cole
trat ein und schloss die Tür hinter sich. »Da gibt es
noch etwas, was ich dir sagen möchte.«
Melodie dirigierte ihn ins Wohnzimmer. »Muss
ich mich dazu hinsetzen?«
Lächelnd schüttelte er den Kopf. »Nein, ich den-
ke, das ist nicht nötig. Aber du musst schon Geduld
mit mir haben. Meine Beziehungserfahrung ist äu-
ßerst begrenzt, und ich fürchte, mir werden noch ein
paar Fehler unterlaufen.«
»Keine Sorge, ich sorge schon dafür, dass du
nicht vom rechten Weg abkommst.« Ein schelmi-
sches Lächeln umspielte ihre Lippen.
»Ich wusste, ich kann mich auf dich verlassen.«
Mit raschen Schritten durchmaß er den Raum, bis
er dicht vor ihr stand, und streichelte ihr zärtlich ü-
ber die Wange. »Zunächst mal, ich bin nicht ge-
kommen, weil ich mich aus irgendeinem Grund da-
zu verpflichtet fühle. Ich bin hier, weil ich es so
möchte.«
Sie erschauerte unter den Liebkosungen seiner
Finger, mit denen er ihren Hals hinunter bis zum
Ausschnitt ihres Bademantels strich. »Daran zweifle
ich auch nicht.«
Er sah ihr ernst in die Augen. »Zweitens habe ich
noch nicht deine Frage beantwortet, die du mir neu-
lich im Büro gestellt hast – ob ich die wahre Melodie
attraktiv finde oder nur den Vamp, den du kreiert
hast. Ich will dir sagen, dass ich beide Frauen anbe-
te. Von Anfang an war ich von deinem Intellekt und
deiner liebenswürdigen Art eingenommen, und ich
fing an, dich zu wollen. Dein neues sinnliches Ich
empfand ich als aufregende Dreingabe. Aber ganz
abgesehen von allem Äußeren warst du in meinen
Augen schon immer ungeheuer sexy.«
Melodie hatte ihm mit angehaltenem Atem zuge-
hört. Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch.
Bevor sie noch etwas erwidern konnte, fuhr Cole
fort: »Ich kann nichts Falsches, Aufgesetztes an dir
finden. Du präsentierst dich so, wie du bist, und du
schaffst es immer wieder, mir klarzumachen, dass
auch ich ein fühlendes Wesen bin und nicht nur ein
Mensch mit Pflichten. Du bist fähig zu geben, ohne
eine Gegenleistung zu fordern. Das hat nie jemand
für mich getan. Ich glaube, du bist mehr, als ich
verdiene. Einerseits habe ich verdammte Angst vor
den heftigen Gefühlen, die du in mir weckst, ande-
rerseits kann ich dich auch nicht gehen lassen.«
»Ich nehme, was immer du bereit bist, mir zu ge-
ben, Cole«, erwiderte sie mit bebender Stimme.
»Keine Zwänge, keine Verpflichtungen. Warten wir
einfach in Ruhe ab, was daraus wird.«
»Mir ist es ehrlich gesagt wirklich lieber, die Sa-
che langsam angehen zu lassen, aber eines weiß
ich auch jetzt schon: Ich liebe dich. Alle Zeit der
Welt wird diese Tatsache nicht ändern.«
Melodie konnte nicht glauben, was sie da hörte.
Ihr Puls raste, und die Knie wurden ihr weich. »Du
liebst mich?«
»Oh ja, das tue ich.« Sein Blick ruhte voller Zärt-
lichkeit auf ihr, und in den Tiefen seiner Augen
konnte sie lesen, dass er die Wahrheit sagte. »Ich
liebe dein Lachen und deinen süßen kleinen
Mund.« Cole beugte sich vor, küsste ihren Hals und
sog tief ihren lieblichen Duft ein. »Ich liebe es, wie
du duftest, wie du schmeckst, und deine Hem-
mungslosigkeit erregt mich.« Er drückte ihr einen
sanften Kuss auf die Lippen und lächelte. »Um ehr-
lich zu sein, ich liebe einfach alles an dir.«
Tränen traten ihr in die Augen, aber sie blinzelte
sie weg. »Ich liebe dich auch.«
»Ich bin ein verdammt glücklicher Mann.« Er um-
schloss ihr Gesicht mit beiden Händen und strich
mit den Daumen zärtlich über ihre Wangen; »Gib
mir noch einmal eine Chance, Mel.«
»Ja.« Er war jedes Risiko wert. »Es war ernst
gemeint, als ich sagte, dass ich nie genug von dir
bekomme.«
Ein mutwilliges Glitzern in den Augen, löste er
den Gürtel ihres Bademantels. »Ich nehme dich
beim Wort.«
»Gleich hier an Ort und Stelle?« meinte sie er-
wartungsvoll.
»Oh ja.« Er schob ihr den schweren Stoff von
den Schultern und streifte die Spaghettiträger ihres
Nachthemds herunter. Mit feurigen Augen sog er
ihren Anblick förmlich in sich auf.
Dann streichelte er ihre vollen Brüste, ihren fla-
chen Bauch. Es war ein herrliches Gefühl für Melo-
die, endlich wieder seine Hände auf ihrem Körper
zu spüren. Überwältigt vor Verlangen, half sie ihm
mit bebenden Händen beim Ausziehen.
Sie schafften es gerade noch bis zur Couch. Cole
schob sich über Melodie und nahm sie mit einem
einzigen heftigen Stoß, der sie beide vor lustvoller
Wonne erschauern ließ. Die Arme um ihre Taille
geschlungen, zog Cole Melodie ganz fest an sich.
Sie klammerte sich an seinen erhitzten Körper, sog
seinen männlichen Duft ein und genoss das Gefühl,
ihn endlich wieder in sich zu spüren.
Aufstöhnend schmiegte er das Gesicht in ihr
Haar. »Ich habe dich so vermisst.«
Es erfüllte Melodie mit einem unermesslichen
Glücksgefühl zu wissen, dass sie die ganze Zeit in
seinem Herzen und seinen Gedanken gewesen
war. »Stimmt das wirklich?« fragte sie kokett.
»So ungern ich es auch zugebe, ja. Sehr sogar.«
Er hob den Kopf, um ihr in die Augen zu sehen, wo-
bei er noch etwas tiefer in sie eindrang. »Ich möchte
meine Sekretärin wieder zurück«, meinte er mit ne-
ckischem Grinsen.
Als er sah, wie sie den Mund zum Protest öffne-
te, musste er laut lachen. »Nein, im Ernst, ich habe
dich vermisst«, beruhigte er sie. »Aber darüber hin-
aus brauche ich auch Melodie, die tüchtige Tippse,
im Büro. Und hin und wieder einen Partner für einen
meiner Fälle.«
»Was springt dabei für mich heraus?« fragte sie
frech.
Langsam und verführerisch begann er seine Hüf-
ten vor- und zurückzubewegen. Aufstöhnend
schlang Melodie ihre Beine um seine kräftigen
Schenkel. »Ein Superbonus.«
In Erinnerung an den letzten Bonus, den er ihr
zugedacht und der ihr gar nicht gefallen hatte, sah
Melodie ihn misstrauisch an. »Ich möchte kein Geld
für etwas, was ich gerne tue.«
»Wir finden schon eine Lösung, hm? Deine
Dienste gegen meine.« Er hob fragend die Brauen
und zog sie noch enger an sich. »Was hältst du da-
von?«
Melodie hatte ihn nie zuvor so ausgelassen und
unbeschwert erlebt, und sie liebte diese neue Seite
an ihm. »Abgemacht.« Bevor er sie mit seinem Lie-
besspiel vollends betörte, wollte sie noch etwas
loswerden, was ihr auf der Seele lastete. »Cole…
was ist mit meinem Vater?«
Er verzog das Gesicht. »Ich glaube kaum, dass
wir uns ausgerechnet jetzt über ihn unterhalten soll-
ten. Es sei denn, du willst die Stimmung zerstören.«
Melodie schüttelte entschlossen den Kopf. »Oh
nein, das will ich ganz und gar nicht! Aber früher
oder später wirst du dich dem Problem stellen müs-
sen. Es wäre unfair, ihm unsere Beziehung zu ver-
schweigen. Und ich glaube, er sollte es von dir er-
fahren.«
»Ich weiß.« Cole legte seine Stirn auf ihre. »Ich
will mich ja auch gar nicht davor drücken. Aber im
Augenblick kann ich nur an dich denken und daran,
wie himmlisch es ist, wieder da zu sein, wo ich hin-
gehöre.«
Melodie seufzte zustimmend und gab sich end-
lich voll und ganz Coles fordernden, leidenschaftli-
chen Liebkosungen hin. Die Welt um sie herum ver-
sank in einem rosaroten Nebel, während Melodie
sich von Cole nach allen Regeln der Kunst verfüh-
ren ließ… so, wie einst sie ihn verführt hatte.
EPILOG
»Melodie, kommst du bitte in mein Büro?« sprach
Cole in die Gegensprechanlage und wartete dann
auf das prompte Erscheinen seiner tüchtigen Sekre-
tärin. In weniger als einer Minute war sie da, betrat
mit wiegenden Hüften den Raum. Ihr kurzer Rock
stachelte sofort Coles Fantasie an. Glücklicherwei-
se war es bereits nach sechs Uhr, und seine Ge-
schwister waren gegangen. So waren sie beide
ganz allein im Büro. Genau, wie er es geplant hatte.
Seit drei Monaten waren sie jetzt fest zusammen,
und Cole konnte sich keine andere Frau in seinem
Leben vorstellen. Melodie war in jeder Hinsicht ein-
fach perfekt. Sie waren einander intellektuell eben-
bürtig, sie harmonierten sexuell, wie es besser nicht
sein könnte, und sie erweckte eine solch tiefe Zu-
neigung in ihm, wie er es noch nie erfahren hatte.
Nie hielt sie mit ihren Gefühlen oder Gedanken zu-
rück, und das ermunterte auch ihn, sich allmählich
immer mehr zu öffnen.
Cole hätte es nie für möglich gehalten, ein so rei-
ches und zufriedenes Leben zu führen. Immer wie-
der erschien es ihm wie ein Wunder, dass allein
Melodie der Grund dafür war. Und wie ein noch
größeres Wunder kam es ihm vor, dass sie ihn ge-
nauso wollte wie er sie.
»Brauchst du etwas?« unterbrach sie seine Ge-
danken. Ihrem Ton war zu entnehmen, dass sie
etwas Geschäftliches erwartete.
Mit einem mutwilligen Lächeln streckte er die
Hand nach ihr aus. »Ich brauche dich.«
Sofort wurde ihr Blick dunkel vor Verlangen, und
ein sinnliches Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie
kam um den Schreibtisch herum, setzte sich zu Co-
le auf den Schoß und schlang ihm die Arme um den
Hals. Sehnsüchtig hob sie ihm das Gesicht entge-
gen, und ihre Lippen trafen sich in einem leiden-
schaftlichen Kuss. Cole wusste nur zu gut, dass
solch ein Bürogeplänkel rasch zu einer ekstatischen
sexuellen Begegnung ausarten konnte. Deshalb
löste er widerstrebend seine Lippen von Melodies,
bevor er sie womöglich gleich hier auf dem Schreib-
tisch nahm.
Sie stieß einen verträumten Seufzer aus und
zupfte spielerisch an dem kurzen Haar in seinem
Nacken. »Weißt du, die Zusatzleistungen hier wer-
den immer besser.«
»Es freut mich, das zu hören. Apropos Zusatz-
leistungen, ich habe einen Bonus für dich, als Be-
lohnung für deine ausgezeichnete Arbeit.«
Melodie versteifte sich. »Cole…«
»Schsch…« Sanft legte er ihr einen Finger auf
die Lippen und suchte ihren Blick. »Weise deinen
Bonus nicht zurück, bevor du nicht weißt, was es
ist.«
Sie wartete gespannt, während er eine Schreib-
tischschublade aufzog und eine kleine quadratische
Samtschachtel herausnahm. Als er das Kästchen
aufmachte und ein blitzender Einkarat-Solitärring
zum Vorschein kam, schnappte Melodie hörbar
nach Luft.
»Heirate mich, Melodie«, bat Cole mit vor Bewe-
gung rauer Stimme.
Sie presste sich eine Hand auf die Brust. In ihren
Augen schimmerten Tränen. »Dich heiraten?«
Das klang beinahe erschrocken, und Cole fragte
sich, ob sie vielleicht doch mit ihren regelmäßigen
Treffen zufrieden war und die Verpflichtungen, die
eine Ehe mit sich brachte, scheute. »Ich hätte nie
geglaubt, dass ich jemanden so sehr lieben könnte,
wie ich dich liebe«, erklärte er. »Und ich will alles,
was dazugehört – Eheversprechen, Hochzeit, ein
gemeinsames Dach über dem Kopf, morgens in
deinen Armen aufwachen.«
»Und was ist mit einer eigenen Familie?« hakte
sie vorsichtig nach.
Cole verstand, was sie bewegte. Er wusste, dass
sie sich eine Familie wünschte. Im Moment viel-
leicht noch nicht, aber irgendwann würde das The-
ma im Raum stehen. Er hatte die Zeit genutzt und
gründlich darüber nachgedacht. Und er hatte eine
Antwort auf ihre Frage.
»Ja, sogar ein Familie.« Er holte tief Luft. »Mit
dir.« Behutsam legte Cole ihr die Hand auf den
Bauch, stellte sich vor, wie es wohl sein würde,
wenn sie schwanger war, wenn sie ein Kind trug,
das ihre Liebe hervorgebracht hatte. »Ein Baby mit
dir zu haben wäre etwas ganz Besonderes.« Er lä-
chelte triumphierend. »Ich habe sogar bei deinem
Vater um deine Hand angehalten. Er hat mir seinen
Segen gegeben und meinte, es wird höchste Zeit,
dass ich eine ehrbare Frau aus dir mache.«
Wegen Richard hatte Cole sich ganz unnötig den
Kopf zerbrochen. Als er ihm vor drei Monaten eröff-
net hatte, dass er seine Tochter liebte, war Cole
unsagbar nervös gewesen und hatte sich vor einer
Riesen-Standpauke gefürchtet. Doch Richard hatte
sich ehrlich gefreut. Es schien, als hätte sich ein
geheimer Wunsch für ihn erfüllt.
Melodie lachte und weinte abwechselnd vor
Glück. »Oh, Cole! Das ist mehr, als ich mir je er-
träumt habe!«
Cole nahm ihre linke Hand und streifte ihr den
Ring auf den Finger. Er passte perfekt, so wie sie
perfekt in sein Leben passte. »Heirate mich, Melo-
die, gib auch mir meine Ehre zurück«, flehte er the-
atralisch.
Ihr atemlos hingehauchtes »Ja!« machte ihn zum
glücklichsten Menschen auf Erden.
- ENDE -