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IMPRESSUM
Ein Kind der Liebe erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
Redaktion und Verlag:
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Telef on: +49(0) 40/6 36 64 20-0
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Geschäf tsf ührung:
Thomas Beckmann
Redaktionsleitung:
Claudia Wuttke (v . i. S. d. P.)
Produktion:
Christel Borges
Graf ik:
Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)
© 1997 by Lori Foster
Originaltitel: „Scandalized!“
erschienen bei: Harlequin Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY
Band 801 - 1998 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Brigitte Bumke
Umschlagsmotiv e: Elena Vasilschenko / Shutterstock
Veröf f entlicht im ePub Format in 10/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printv ersion
überein.
E-Book-Produktion:
, Pößneck
ISBN 9783733786687
Alle Rechte, einschließlich das des v ollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form,
sind v orbehalten.
CORA-Romane dürf en nicht v erliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch v erwendet werden.
Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind f rei erf unden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder v erstorbenen
Personen sind rein zuf ällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MY STERY , TIFFANY
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1. KAPITEL
Sie war die perfekte Frau.
Tony Austin studierte ihre Gesichtszüge, ihren Körperbau. Das
hatte er natürlich schon vorher getan, doch jetzt begutachtete er
sie besonders gründlich. Sie war keine klassische Schönheit,
aber das war für sein Vorhaben nicht notwendig. Ihre
Ausstrahlung, ihr selbstsicheres Auftreten und ihre Anmut
dagegen waren beeindruckend, ja atemberaubend.
Weil er immer wieder zu ihr hinübersah, wurde Olivia Anderson
schließlich auf ihn aufmerksam. Das geheimnisvolle Lächeln,
das sie ihm zuwarf, ließ sein Herz schneller schlagen. Doch er
tat seine Reaktion als Aufregung über seinen Plan ab. Einen
anderen Grund konnte es nicht geben.
In ihrem schlichten schwarzen Kleid und den hockhackigen
schwarzen Pumps wirkte sie elegant wie immer. Doch das hatte
sein besonderes Interesse nicht geweckt. Vielmehr hatte er
einen Entschluss gefasst, und sie spielte dabei eine wichtige
Rolle, auch wenn sie davon noch nichts ahnte.
Er kannte sie seit drei Jahren, weil er geschäftlich mit ihr zu tun
hatte. Zu seinem Empfang war sie nur gekommen, um diese
Geschäftsbeziehung zu vertiefen. Denn ihre Bekanntschaft hatte
absolut nichts Persönliches – und dabei wollte er es auch
belassen.
Vor zwei Tagen hatte sie ihm das Angebot gemacht, auch in
dem neuen Austin Crown Hotel eine ihrer Dessous-Boutiquen
zu eröffnen. Er hatte ihr noch keine Antwort gegeben. Doch das
würde er umgehend tun. Noch heute Abend. Und dann würde er
seinerseits einen Wunsch äußern.
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Zum ersten Mal seit Langem war er vor einer geschäftlichen
Besprechung nervös. Dann kam Olivia mit graziösen
Bewegungen und dennoch entschlossenen Schrittes auf ihn zu,
und er konnte nur noch denken, was für ein hübsches Baby sie
beide zustande bringen würden. Lächelnd sah er ihr entgegen.
Tony wird einverstanden sein, dachte Olivia voller Freude. Er
hatte sie den ganzen Abend über beobachtet, ja, regelrecht
begutachtet. Und dafür konnte es eigentlich nur einen Grund
geben. Der Gedanke an ihren bevorstehenden Sieg versetzte
sie in Hochstimmung.
Als sie zu ihm hinüberging, hielt er ihren Blick gefangen.
Seinen Mund umspielte ein kleines sinnliches Lächeln, von
dem, wie sie wusste, die meisten Frauen hingerissen waren.
Sie, Olivia, würde dagegen nur hingerissen sein, wenn er ihr die
erhoffte Antwort gab.
Ihr Geschäft war ihr Leben, und sie gestand sich weder die
Zeit noch den Wunsch nach etwas anderem zu. Genau wie er,
dessen war sie sicher. Wenigstens was sie betraf.
Tony stand in dem Ruf, ein fantastischer Liebhaber zu sein,
auch wenn sie nicht hätte sagen können, wie viele der Frauen,
die das behaupteten, Erfahrungen aus erster Hand hatten. Ihr
gegenüber machte er nie eine Bemerkung über seine
Beziehungen. Vielmehr schien er von dem ganzen Gerede
überhaupt keine Notiz zu nehmen. Genau darum bemühte auch
sie sich. Ihr Interesse an ihm war rein geschäftlicher Natur. Auch
wenn sie zugeben musste, dass sie gelegentlich ihrer Fantasie
freien Lauf ließ …
Sie trat zu ihm.
„Hallo, Olivia.“ Seine Stimme klang tiefer als sonst, sein Blick
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wurde noch eindringlicher. „Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl hier.“
Sie blickte sich um. Dieser Empfang wurde anlässlich der
Umgestaltung seines großen, alten Stadthotels gegeben. Mit
der neuen hochwertigen Einrichtung im klassischen Stil sollte es
anderen First-Class-Hotels Konkurrenz machen.
„Alles ist wunderschön geworden, Tony. Warum sollte ich mich
da nicht wohlfühlen?“
Sein Lächeln vertiefte sich. „Ich glaube, Sie mögen Partys nicht
besonders. Sie wirken geistesabwesend.“ Er neigte den Kopf
leicht zur Seite. „Sind Sie erpicht darauf, Geschäftliches zu
besprechen?“
Olivia trank ihr Glas aus, um nicht spontan zu antworten. „Ich
habe überlegt, ob Sie wohl schon zu einer Entscheidung
gekommen sind. Natürlich sollte man nicht gerade auf einem
Empfang über Geschäfte reden, aber …“ Sie merkte, dass er
sie wieder genau beobachtete. „Würden Sie mich wohl ins Bild
setzen?“
Leise lachend überging Tony ihre Frage. Er verstand sich
bestens auf die Taktiken bei Geschäftsabschlüssen. Sie jedoch
auch. „Möchten Sie noch etwas zu trinken?“
„Nein danke.“
„Schon zu viel getrunken?“
„Zu viel Mineralwasser? Ich glaube, damit kann ich umgehen.
Sie dagegen …“ Sie schnupperte an seinem Glas. Weil es
jedoch keinen Alkohol enthielt, zog sie die Brauen hoch.
„Ich trinke auch nicht. Jemand muss schließlich einen klaren
Kopf behalten.“
Obwohl Olivia ihm nicht zeigen wollte, wie überrascht sie war,
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hakte sie nach: „Sie trinken nie?“
„Gelegentlich ein Glas Wein zum Abendessen.“
„Ich trinke überhaupt keinen Alkohol.“
„Aus einem besonderen Grund?“
Olivia zögerte. Es war komisch, dass man jemanden seit
Jahren kannte und sich nur rein geschäftlich begegnete, und
plötzlich fand man sich in einem sehr persönlichen Gespräch
wieder. Es machte ihr jedoch nichts aus. Sie war immer der
Meinung gewesen, je besser man seine Geschäftspartner
kannte, desto leichter konnte man mit ihnen umgehen. Und es
war ihr größter Wunsch, mit Tony Austin noch viele Geschäfte zu
machen. „Ich verabscheue Alkohol.“
„Vielleicht erzählen Sie mir irgendwann einmal, warum.“
„Vielleicht.“
Tony schwieg einen Moment, dann fragte er unvermittelt:
„Haben Sie ein Fünfjahresziel, Olivia? Oder irgendwelche
langfristigen Pläne, auf die Sie hinarbeiten?“
Wieder überkam Olivia prickelnde Aufregung, die sie zu
unterdrücken versuchte. Sein ungewohntes Interesse konnte nur
bedeuten, dass ihr Management ihm zusagte. Tony Austin war
ein exzellenter Geschäftsmann. Es hieß, er habe die Anzahl der
Hotels der Hotelkette Austin Crown in den drei Jahren nach
dem Tod seines Vaters verdoppelt. Unter seiner Leitung waren
aus den Mittelklassehotels First-Class-Hotels geworden.
Während Tony sich gekonnt lässig gegen die Wand lehnte,
fielen Olivia seine wunderbar breiten Schultern auf. Tony
verfügte über mehr Energie und Entschlusskraft als
irgendjemand sonst, den sie kannte. Eine dicke Strähne seines
braunen Haars, das dunkler und lockiger als ihr eigenes war,
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war ihm in die Stirn gefallen, und seine grünen Augen glänzten.
Olivia lächelte. „Natürlich habe ich ein Ziel. Ein sehr
bedeutendes sogar. Wenn Sie möchten, erkläre ich Ihnen
Näheres.“
Zu ihrer Überraschung wies Tony einen Kellner an, ihnen
alkoholfreie Getränke in sein Büro zu bringen und dafür zu
sorgen, dass sie nicht gestört wurden. Sie hatte nicht damit
gerechnet, dass er tatsächlich heute Abend Geschäftliches mit
ihr besprechen würde.
Als Tony mit Olivia am Arm zu seinem Büro ging, merkte er,
dass einige andere Gäste ihnen nachstarrten. Aber er war es
gewöhnt, dass Fremde immer wieder Klatsch über ihn
verbreiteten. Wer ihn hier, in seiner Heimatstadt Willowbrook,
Indiana, jedoch gut genug kannte, gab nichts auf solches
Gerede.
Olivia legte sich im Geist zurecht, wie sie ihn überzeugen
konnte. Sie überlegte gerade, ob sie ihren Fünfjahresplan mit
seiner Hilfe vielleicht schon in kürzerer Zeit verwirklichen könnte,
als er sie in einen schwach beleuchteten Raum schob. Der
Geruch nach Leder, vermischt mit Tonys ureigenem Duft, der in
der Luft hing, war für Olivia das reinste Aphrodisiakum. In
diesem Raum würde ihr vielleicht der Durchbruch gelingen, auf
den sie gewartet hatte. Ihr Geschäft war ihr ein und alles. Sie
hatte es aus eigener Kraft aufgebaut und war mit Erfolg belohnt
worden. Das war fast so schön, wie das Leben zu führen, das
sie eigentlich führen wollte. Fast.
Tony schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Komisch,
bisher war ihm noch nie aufgefallen, wie hübsch Olivia
Anderson sein konnte, wenn sie aufgeregt war, wenn sie
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lächelte … Er hatte sie noch nie so richtig als Frau
wahrgenommen, und jetzt erkannte er, dass sie ausgesprochen
verführerisch wirkte.
Heute Abend hatte sie ihr fast glattes dunkelbraunes Haar, das
ihr normalerweise bis auf die Schultern fiel, zu einem eleganten
Nackenknoten aufgesteckt. Olivia hatte mehr Stil und Klasse als
jede andere Frau, die er kannte. Er mochte ihre dunkelbraunen
Augen, in denen sich ihre Gefühlsregungen widerspiegelten, die
Stärke ihres Charakters und ihre ganze Leidenschaft. Das hieß,
Leidenschaft für ihre Arbeit.
Er schaltete eine moderne Designerstehlampe ein, die sein
großzügig geschnittenes Büro jedoch kaum mehr erhellte. Aber
er zog gedämpftes Licht vor, während er ihr seinen Vorschlag
unterbreitete, auch wenn das ein wenig feige war. Abrupt fragte
er: „Waren Sie je verheiratet, Olivia?“
Die Frage schien sie sehr zu überraschen. „Nein. Und ich
plane eine solche Verbindung auch nicht für die nahe Zukunft.“
„Verbindung?“ Er musste erneut lächeln. Sie hatte eine höchst
merkwürdige Art, die Dinge zu betrachten, als sei alles eine
geschäftliche Angelegenheit.
Schulterzuckend setzte sich Olivia in einen der beiden Sessel
vor seinem Schreibtisch. „Meine Arbeit ist mein Leben. Ich bin
zufrieden damit, wenn es so bleibt.“
Tony nahm ihr gegenüber Platz. Auch wenn das die Antwort
war, die er erwartet hatte, so beunruhigte sie ihn doch ein
wenig. Eine Frau mit ihren Qualitäten, mit ihrer Intelligenz und
ihrer Persönlichkeit sollte ihr Leben nicht allein verbringen.
„Wie alt sind Sie?“
Sie blinzelte leicht irritiert. „Sechsundzwanzig. Meinen
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Fünfjahresplan habe ich erst letztes Jahr aufgestellt. Er sieht vor,
dass ich, bis ich dreißig bin, mindestens noch drei weitere
Geschäfte eröffnet habe.“
„Da bleibt Ihnen in der Tat nicht viel Zeit für einen Ehemann
oder Kinder oder sonstige private Dinge.“
Mit gerunzelter Stirn sah sie ihn an. Tony war klar, dass er sie
nicht so bedrängen sollte. Nur, er hatte noch nie viel Geduld
gehabt. Wenn er etwas wollte, dann wollte er es sofort.
„Ich verstehe nicht, warum Sie mir derart persönliche Fragen
stellen. Ich nahm an, Sie wären mit unseren Geschäften
zufrieden …“
„Mehr als zufrieden. Ihre Branche boomt, und meine Hotels
profitieren bereits von Ihren beiden Boutiquen. Ich sehe kein
Problem darin, noch eine zu eröffnen.“
Olivia atmete hörbar aus und lächelte ihn strahlend an. „Danke.
Genau das hoffte ich zu hören. Obwohl Sie mich
zugegebenermaßen mit diesen persönlichen Fragen irritiert
haben. Ich weiß, es ist wichtig, Geschäftspartner zu verstehen
und sich zu vergewissern, dass sie nicht plötzlich ihre Pläne
ändern. Wenn das Ihre Sorge war, dann kann ich Ihnen
versichern …“
„Ich möchte ein Baby.“
Vor Überraschung blieb Olivia der Mund offen. Sie hatte einen
hübschen Mund, voll und weich … Sie hatte auch schöne Haut,
was natürlich ein Plus wäre, genau wie ihre ausgezeichnete
Gesundheit und ihr scharfer Verstand.
Sie räusperte sich und antwortete mit einem kleinen, nervösen
Lachen: „Das dürfte anatomisch wohl unmöglich sein.“
„Nicht, wenn ich die richtige Frau finde, die das Kind austrägt.“
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Sie ließ sich in den Sessel zurückfallen. Ihre Hände
umklammerten die Armlehnen, ihr Mund stand erneut offen.
Tony
beschwor
sich,
endlich
aufzuhören,
auf
ihren
verführerischen Mund zu achten.
Weil es klopfte, brauchte er nicht sofort etwas zu sagen.
Sobald der Kellner wieder gegangen war, suchte er Olivias
Blick. Sie schaute noch immer fassungslos drein.
„Ich höre förmlich, wie es in Ihrem Kopf arbeitet, Olivia, und ich
möchte Ihnen versichern, ehe ich fortfahre, dass das Ganze
nichts mit Ihren Geschäften zu tun hat. Sie bekommen Ihre dritte
Boutique auf jeden Fall. Ich werde die Papiere am
Montagmorgen unterschreiben und sie Ihnen per Kurier
zustellen lassen.“
„Danke.“
Tony schenkte ihr ein Glas Mineralwasser ein und reichte es
ihr. „Ich möchte jedoch noch etwas anderes mit Ihnen
besprechen.“
„Das habe ich mir schon gedacht.“
Ihre trockene Bemerkung ließ ihn schmunzeln. „Wie gesagt
möchte ich ein Baby. Ich habe ausgezeichnete Mitarbeiter, die
die tägliche Routinearbeit in meinen Hotels erledigen können,
sodass ich nicht mehr so viel zu arbeiten brauche. Ich kann es
mir absolut leisten, ein Kind mit allen Privilegien aufzuziehen.
Dabei will ich es keineswegs verwöhnen, sondern darauf
achten, dass moralische Grundsätze und feste Überzeugungen
nicht zu kurz kommen und …“
Olivia berührte seinen Arm. Tony genoss ihre Berührung,
spürte sie ganz intensiv und verfluchte sofort, dass er auf eine
Art und Weise darauf reagierte, die er sich verboten hatte. Zum
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Glück schien Olivia nichts von seinem Dilemma zu merken.
„Ich bezweifle nicht, dass Sie ein wunderbarer Vater sein
würden, Tony.“
Ihr Lob freute ihn sehr. „Danke.“
„Keine Ursache. Aber was haben Ihre Pläne mit mir zu tun?“
Er suchte ihren Blick. „Na ja … Sie sollen die Mutter sein.“
Ihre Reaktion darauf war nicht ganz so, wie er es erwartet
hatte. Fassungslos legte sie die Hand auf den Mund, und nach
einem Moment erst brach sie in fast hysterisches Gelächter aus.
Tony stand auf und zog sie hoch. „Olivia! Alles in Ordnung mit
Ihnen?“
Kopfschüttelnd fing sie erneut zu lachen an. „Habe ich mich
eben nicht klar ausgedrückt? Habe ich nicht eben gesagt, dass
mein Geschäft mein Leben ist? Ich kann nicht heiraten, und
schon gar nicht, um …“
„Heiraten? Lieber Himmel, ich will Sie nicht heiraten!“ Er
merkte sofort, wie entsetzlich das klang, und ergänzte schnell:
„Ich möchte nur, dass Sie mein Baby austragen. Nach der
Geburt können Sie tun und lassen, was Sie wollen. Ich werde
sicherstellen, dass Sie umziehen können, wohin Sie auch
wollen, denn natürlich werden Sie umziehen müssen. Ich möchte
keine Einmischung bei der Erziehung meines Kindes, und
keiner von uns beiden will ja wohl einen Skandal. Ich dachte, der
Nordwesten der USA würde Ihnen vielleicht zusagen.“
„Sie wollen, dass ich …“
„Das Baby austrage.“ Weil er sie immer noch festhielt, spürte
er, wie sie sich versteifte. Er zwang sich, sie loszulassen. „Aber
denken Sie bitte nicht, dass ich vorhabe, mich Ihnen … na ja,
unsittlich zu nähern. Es gibt andere Methoden, das Sperma zu
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übertragen. Alles würde …“
Sie wich zurück, als habe er sie geschlagen.
„Ich verpatze das gründlich, nicht wahr?“ Tony fuhr sich mit
einer Hand durchs Haar. „Ob Sie es glauben oder nicht, das ist
das erste Mal, dass ich unsicher bin, während ich ein Geschäft
vorschlage. Denn genau das ist es, Olivia. Eine geschäftliche
Vereinbarung.“ Weil sie weiterhin schwieg, fuhr er nach einem
Moment fort: „Also? Sie könnten mir das Ganze ein wenig
leichter machen, wenn Sie etwas sagen würden.“
„Das würde ich ja. Wenn ich wüsste, was.“
Er atmete tief durch. „Sie brauchen Zeit zum Nachdenken.
Warum setzen wir uns nicht wieder hin, und ich erkläre Ihnen,
warum ich Sie ausgewählt habe, welchen Nutzen Sie davon
hätten, wenn Sie zustimmten, wie ich die rechtliche Seite
handhaben will und …“
„Das ist eine ganze Menge, besonders, wenn man bedenkt,
dass es gleich Mitternacht ist. Ich hatte einen anstrengenden
Arbeitstag und will morgen früh ins Büro.“ Ihre Stimme zitterte
noch leicht, aber Olivia setzte sich wieder hin. Tony war
erleichtert. Sie schrie nicht Zeter und Mordio wegen sexueller
Belästigung, und sie stürmte auch nicht empört hinaus. Nein,
Olivia war eine vernünftige Frau. Das war eine der
Eigenschaften, die er an ihr schätzte.
„Zuerst einmal, Sie gefallen mir sehr, Olivia. Nicht im Sinne von
zukünftiger
Ehefrau
oder
einer
anderen
persönlichen
Beziehung, sondern als Genspenderin. Ihre Klugheit verschlägt
mir manchmal den Atem, besonders weil Sie es keineswegs
leicht hatten. Trotzdem haben Sie mit Auszeichnung …“
„Wie kommt es, dass Sie so viel über mich wissen?“
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Offenbar hatte er ihren Unmut geweckt. Er dachte daran zu
lügen, verwarf diese Idee jedoch ebenso schnell. „Ich habe
Nachforschungen über Sie anstellen lassen. Bitte hören Sie mir
erst einmal zu, damit Sie verstehen, wie wichtig das für mich
war.“ Er wartete ab, doch als sie ihn nur stumm anschaute,
begann er aufzuzählen, was er in Erfahrung gebracht hatte. „Ihre
Eltern, die nur ein geringes Einkommen hatten, kamen bei
einem Hochwasser ums Leben, als Sie gerade sechzehn
waren. Sie waren auf dem College und hatten nebenbei einen
Job, erarbeiteten sich alles, was Sie jetzt besitzen, aus eigener
Kraft, ohne jede Hilfe von Verwandten oder Freunden. Im
Übrigen haben Sie gar keine Verwandten und auch keine guten
Freunde, soweit ich weiß.“
Sie saß ganz still da und brachte es fertig, gleichzeitig stolz
und verletzt auszusehen, sodass Tony mit gesenkter Stimme
fortfuhr: „Sie hatten nie etwas mit einem Mann zu tun, es sei
denn geschäftlich. Sie führen ein bescheidenes, unauffälliges
Leben, besitzen vermutlich ein beachtliches Sparkonto, und Sie
bleiben für sich. Die einzigen Verabredungen, die Sie treffen,
sind geschäftlicher Natur.“
Sie schwieg eine ganze Weile, ehe sie sagte: „Sie waren sehr
gründlich.“
„Ich musste sicher sein, dass Sie geeignet sind, Olivia. Bitte
versuchen Sie zu verstehen. Ich will keine Frau, die, sobald sie
schwanger ist, das Baby behalten will oder mich oder uns
beide. Alles, was ich über Sie erfahren habe, belegt, dass Sie
absolut kein Interesse daran haben, sich jetzt oder in naher
Zukunft zu binden. Das stimmt doch, oder?“
Sie wandte den Kopf und starrte in die hinterste Zimmerecke.
„Ja.“ Dann atmete sie tief durch und sah wieder ihn an. „Aber
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ich habe auch kein Interesse daran, neun Monate in Verzug zu
geraten. Jetzt ein Kind zu bekommen würde meine Pläne
erheblich beeinträchtigen, ganz zu schweigen von meinem
guten Ruf. Man würde ohne Ende über mich klatschen.“
„Nicht unbedingt. Nicht, wenn ich verspreche, Ihr Fünfjahresziel
in einem Jahr anzuvisieren. Nicht, wenn ich verspreche, mich
dafür einzusetzen, dass Ihre neuen Geschäfte gut anlaufen.
Nicht, wenn ich Ihren Umzug sofort in die Wege leite oder es
Ihnen ermögliche, eine lange Pause einzulegen.“
„Und das würden Sie alles tun?“
„Natürlich. Die Sache ist mir sehr ernst. Ich kann es mir leisten,
großzügig zu sein, und ich möchte das Baby. Schnellstens. Am
vierzehnten November habe ich Geburtstag. Das ist in gut einer
Woche. An meinem Geburtstag im nächsten Jahr möchte ich
mein eigenes Kind in den Armen halten. Ich werde dann
fünfunddreißig.“ Er zögerte, aber ihm war klar, dass er ihr
seinen Wunsch noch näher erläutern musste. „Mit fünfunddreißig
ist es höchste Zeit für ein Kind. Wenn ich warte, wenn auch nur
noch ein, zwei Jahre, würde ich fast vierzig sein, bis das Kind
auf die Welt kommt. Ich muss langfristig planen, etwa, wie sich
mein Alter auf das Kind im Teenageralter auswirkt, wenn er
oder sie mich am meisten brauchen wird.“
„Sie machen sich also Sorgen wegen Ihrer … Ihrer
biologischen Uhr?“
„Das ist ganz sicher ein Aspekt.“
„Warum wünschen Sie sich so sehr ein Kind? Warum heiraten
Sie nicht erst und gehen die Sache ganz konventionell an? Und
vor allem, warum wollen Sie gerade mich als Mutter Ihres
Kindes?“
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Tony nahm es als gutes Zeichen, dass Olivia das Ganze noch
immer mit ihm diskutierte, und fasste Mut. Er würde sie für sich
gewinnen. Schließlich war er darin geübt, Geschäfte zum
Abschluss zu bringen, und er hatte schon schwierigere
Verhandlungen geführt. Aber es stimmte auch, dass er es nur
mit wenigen Geschäftspartnern zu tun gehabt hatte, die so
beharrlich waren wie Olivia. Das war eine der vielen
Eigenschaften, die er an ihr bewunderte.
„Ich möchte deshalb jetzt ein Kind, weil auch mein jüngerer
Bruder und meine Schwester Kinder haben. Mein Bruder hat
erst kürzlich sein drittes Kind bekommen, einen kleinen Jungen,
und da wurde mir klar, was ich bisher vermisst habe, was ich
ewig vermissen werde, wenn ich nicht bald handle. Verstehen
Sie mich nicht falsch. Ich bin sehr gern der liebende Onkel und
genieße es, wenn sie ganz aus dem Häuschen geraten, sobald
ich auftauche. Es tut gut, von einem Kind geliebt zu werden.“ Er
machte eine Pause. „Aber ich habe eigentlich keinen Einfluss
auf die Kids. Denn ich bin eben nur der Onkel. Ich möchte gern
selbst ein Kind erziehen, einen Teil von mir weitergeben.“
Olivia lächelte. „Sie spüren Ihre Sterblichkeit?“
„Vermutlich. Aber das ist nicht alles. Ein erfolgreiches
Unternehmen aufzubauen und von seinen Mitarbeitern
respektiert zu werden, ist nichts im Vergleich zu der Aufgabe,
ein Kind großzuziehen. Meine Geschwister bringen sich nicht so
intensiv ins Geschäft ein wie ich, aber sie erziehen wunderbare,
liebe Kinder. Und das ist eine viel größere Leistung. Ich möchte
in ihre Fußstapfen treten.“ Er suchte erneut ihren Blick.
„Außerdem möchte ich so sehr geliebt werden wie sie.
Vorbehaltlos, heiß und innig.“
„Aber Sie wollen keine Ehefrau?“
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„Eine Ehe, wie sie meine beiden Geschwister führen, ist nicht
der Normalfall.“ Tony war erleichtert, dass Olivia sich nicht über
ihn lustig machte. Es war leichter, mit ihr zu reden, als er
gedacht hatte. Ohne zu überlegen hatte er sich ihr geöffnet, wie
er das noch nie jemand anderem gegenüber getan hatte. „Es
ist, als wären sie eins mit ihren Ehepartnern. Sie teilen alles,
unterstützen einander und haben Spaß miteinander. Sie
scheinen manchmal die Gedanken des anderen lesen zu
können, so sehr harmonieren sie miteinander. Mitunter bin ich
richtig neidisch. Und nachdem ich nun solche wunderbaren
Beziehungen erlebt habe, kann ich mich eigentlich nicht mit
weniger zufriedengeben. Bisher habe ich jedoch keine Frau
gefunden, die so gut zu mir passen würde, und ich bin die
Suche leid. Die meisten Frauen können es nicht tolerieren, dass
ich so viel arbeite, es sei denn, sie sind selbst Geschäftsfrauen.
Doch dann sind sie beruflich meist so engagiert, dass sie keine
Zeit für einen Mann haben, geschweige denn für ein Kind.“
Als sie zusammenzuckte, merkte er, dass sie seine Kritik
persönlich genommen hatte. „Olivia. Ich will niemanden
verurteilen. Ich weiß, dass Frauen es schwerer haben als
Männer, dass für sie selten die gleichen Regeln gelten. Und ich
verstehe das Bedürfnis voranzukommen. Mir ging es bis vor
Kurzem genauso.“
„Doch nun brauchen Sie sich nicht mehr so intensiv um Ihre
Geschäfte zu kümmern.“
„Richtig. Wissen Sie, erfolgreich zu sein hat auch seine
Schattenseiten. Ich habe immer das Gefühl, die Frauen sind
eher an meinem Bankkonto interessiert als an mir.“
„Haben Sie eigentlich eine Ahnung davon, wie attraktiv Sie
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sind? Wie … erotisch? Hotelkette hin, Hotelkette her, ich bin
sicher, die Frauen laufen Ihnen in Scharen nach.“
„Sie nicht.“
Olivia sah aus, als würde sie sich die Zunge abbeißen wollen.
Doch Tony unternahm nichts, um das betretene Schweigen zu
überbrücken. Plötzlich fühlte er sich wie auf der Pirsch, und sie
war seine Beute. Ihre Worte setzten neue Energien in ihm frei,
weckten ein Interesse, das er seit Langem nicht verspürt hatte.
Er tat jedoch sein Bestes, um diese Gefühle zu ignorieren. Ihr
Kompliment war nicht wichtig für sein Vorhaben – doch es
erfüllte ihn mit männlichem Stolz. Er war sehr gespannt, was sie
als Nächstes sagen würde.
Sie wandte keinen Blick von ihm. „Das stimmt. Wie gesagt
habe ich andere Pläne und beabsichtige nicht, hinter einem
Mann herzurennen, egal, wie anziehend er sein mag.“
Tony lächelte. „Das ist mit ein Grund, warum ich Sie
ausgewählt habe. Sie haben mich noch kein einziges Mal auf
eine sinnliche Art und Weise angesehen.“
„Ich glaube nicht …“
„Sie wissen schon, was ich meine. Ich brauche nicht zu
befürchten,
dass
Sie
meinen
Vorschlag
mit
dem
Hintergedanken annehmen, mich in die Falle zu locken,
stimmt’s?“
„Äh … ja.“
„Wie gesagt, ich bewundere Ihre Intelligenz. Mit uns beiden als
Eltern wird mein Sohn oder meine Tochter in dieser Hinsicht
nicht zu kurz kommen. Außerdem verfügen Sie über eine
gehörige Portion gesunden Menschenverstand. Und Sie sind
kerngesund. In den beiden letzten Jahren haben Sie nicht einen
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Tag im Geschäft gefehlt. Sie sind liebenswürdig und großzügig
– alle, die Sie kennen, haben das bestätigt. Und Sie haben
einen passenden Körperbau.“
„Einen passenden Körperbau?“
„Einen attraktiven Körperbau“, verbesserte er, während er den
Blick über ihre Beine gleiten ließ. „Ihre Beine sind wohlgeformt,
Ihre Schultern gestrafft, Ihr Rücken gerade. Sie sind nicht
besonders feingliedrig und doch sehr feminin. Sie neigen nicht
zu Übergewicht, aber Sie sind … kräftig. Falls ich eine Tochter
bekäme, brauchte ich mir keine Sorgen zu machen, dass sie zu
zierlich werden würde. Solche Frauen mag ich nämlich gar
nicht. Nein, sie hätte eine sehr ansprechende Figur. Genau wie
Sie.“
Unwillkürlich glitt sein Blick über ihre Brüste, die sich deutlich
unter ihrem schwarzen Stretchkleid abzeichneten. „Ich habe
einen kleinen Busen“, hörte Tony sie sagen.
Es gelang ihm, gleichgültig mit den Schultern zu zucken,
obwohl er im Moment alles andere als desinteressiert war. Er
zwang sich, Olivia wieder ins Gesicht zu sehen. Ihr Blick war
herausfordernd, und er musste über ihren Anflug von Eitelkeit
schmunzeln. „Überhaupt nicht. Sie sind … wohlproportioniert.“
Sie lächelte ihn unsicher an, dann blickte sie zur Seite, als
überdenke sie, was er gesagt hatte. Ihm krampfte sich vor
Nervosität der Magen zusammen. Aber da war noch ein
anderes Gefühl. Es war geradezu lachhaft, doch je länger er
sich mit ihr unterhielt, desto mehr mochte er sie. Sie hatte nicht
so reagiert, wie es die meisten Frauen getan hätten. Sie war
weder zutiefst schockiert noch außer sich vor Empörung. Und
sie wirkte auch nicht beleidigt. Allerdings ein wenig verwirrt und
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nachdenklich.
„Warum überlegen Sie sich meinen Vorschlag nicht übers
Wochenende und sagen mir am Montag Bescheid? Falls Sie
zustimmen, können wir den Arzt aufsuchen, mit dem ich
gesprochen habe, und noch vor meinem Geburtstag alles in die
Wege leiten.“
Sie verzog das Gesicht. „Eine künstliche Befruchtung, sagten
Sie?“
„Ja. Aber soweit ich verstanden habe, ist das nicht schlimm.
Ich liefere mein Sperma ab …“ Sie zog eine Braue hoch. „Sie
liefern Ihr Sperma ab?“
„Ja.“ Tony errötete und kam sich wie ein Idiot vor. „Wie genau
geht denn das vonstatten?“
„Lassen Sie das nur meine Sorge sein.“ Sein schroffer Ton
ließ sie leise auflachen. Ihm war noch nie aufgefallen, dass sie
Humor besaß, und er empfand ihr Lachen als sehr angenehm.
„Also, ich liefere mein Sperma ab, und dann …Na ja, ich … es
ist vermutlich nicht viel anders als bei einem Routinecheck. Statt
der gewohnten gynäkologischen Untersuchung wird Ihnen mein
Sperma übertragen – inseminieren nennt man das –, und dann
müssen wir abwarten, ob eine Befruchtung stattgefunden hat.“
Olivia kaute an ihrer Unterlippe, ehe sie langsam antwortete:
„Das klingt ziemlich … technisch.“
„Ich gebe zu, das ist nicht ganz die Art und Weise, die die
Natur vorgesehen hat, um eine Frau zu schwängern, aber es ist
auf jeden Fall unpersönlicher, und darauf kommt es mir in erster
Linie an.“
„Warum?“
Ihre unverblümte Frage verwirrte ihn. „Warum was?“
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„Warum muss es so unpersönlich sein? Warum können Sie es
nicht einfach … tun?“
„Tun?“
Entrüstet seufzte sie auf. „Die Frau Ihrer Wahl auf natürliche
Weise schwängern.“
Tony verspürte augenblicklich ein vertrautes Ziehen in der
Leistengegend. Lust, verdammte Lust. Er schluckte. „Ich will das
Ganze so weit wie möglich als geschäftliche Vereinbarung
behandeln. Sich nackt auszuziehen …“ Seine Erregung wuchs,
und er musste sich erst einmal räuspern. „Mit einer Frau zu
schlafen ist dagegen etwas sehr Persönliches.“
Olivia schien jetzt ganz entspannt und irgendwie entschlossen.
Tony war klar, dass sie sein Unbehagen bemerkt hatte und
daraus ihren Vorteil ziehen würde – wie jede clevere
Geschäftsfrau. Sie nickte gespielt verständnisvoll. Dann lächelte
sie vielsagend. „Verstehe.“
„Das hoffe ich.“
„Ich glaube, ich nehme Ihren Rat an und denke über alles nach.
Sie sagten, Sie wollten meine Antwort nicht vor Montag?“
„Ich …“ Er hatte keine Ahnung, was in sie gefahren war. Sie
verhielt sich nicht so, wie er es erwartet hatte oder wie er es
sich hätte vorstellen können. „Sie brauchen nicht bis Montag zu
warten, wenn Sie eher zu einer Entscheidung kommen.“
„Wie wär’s, wenn ich Ihnen morgen Abend Bescheid gebe?“
Er nickte und zwang sich zu einem Lächeln. Ihre belustigte
Miene verriet ihm, dass er ihr nichts vormachen könnte und
dass sie sein Unbehagen gründlich genoss. „Ich gebe Ihnen
meine Privatnummer.“
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„Nein. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die fruchtbare
Frau, die Ihnen zu Diensten sein soll, nicht Ihr Privatleben stören
soll.“ Er wollte widersprechen, doch sie kam ihm zuvor. „Ich
gebe Ihnen stattdessen meine Nummer – meine Privatsphäre
ist ja nicht annähernd so bedroht wie Ihre. Sie können mich
anrufen. Sagen wir, morgen Abend um sieben?“
Mit ihrem kleinen vorgereckten Kinn und ihrer hübschen Nase
hoch in der Luft sah sie stolz und unnachgiebig, fast arrogant
aus. Er fand sie wunderbar und nickte nur stumm, weil er sich
bereits vorstellte, wie schön sie in anderen Umständen
aussehen würde. Sie würden gemeinsam ein bildhübsches,
gesundes Kind erschaffen. Sacht berührte er ihr Kinn. „Es wäre
mir übrigens egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen würde. Ich
weiß nicht mehr, ob ich Ihnen das gesagt habe.“
Sie lächelte. „Nein, das haben Sie nicht. Aber ich habe mir das
schon gedacht.“ Dann schrieb sie ihm ihre private
Telefonnummer auf.
„Ich hätte Ihre Nummer in meinen Unterlagen gehabt.“
„Nun brauchen Sie sie nicht herauszusuchen.“
Mittlerweile war Tony sehr verlegen, doch Olivia schien keine
derartigen Probleme zu haben.
„Ich fahre jetzt nach Hause, denn es ist schon spät, und ich
habe eine Menge zu überlegen.“
„Ich werde ein guter Vater sein, Olivia.“ Das hatte er eigentlich
nicht sagen wollen. Er hatte nicht vorgehabt, sie davon zu
überzeugen, was für ein guter Mensch er war. Aber er wünschte
sich so sehr ein Kind.
Auch diesmal machte sie sich nicht über ihn lustig.
„Das habe ich nie bezweifelt.“ Dabei wirkte sie fast traurig,
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was überhaupt keinen Sinn ergab. „Morgen um sieben, Tony.“
Und dann war sie weg.
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2. KAPITEL
Schlaflos lag Olivia in der Nacht im Bett und verachtete sich.
Sie war eine Betrügerin, jemand, der einen anderen Menschen
auf gemeinste Art und Weise ausnutzen wollte. Tony ahnte nicht,
mit was für einer Frau er es da zu tun hatte.
Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr wusste sie, dass sie nie
Kinder haben würde. Aus medizinischen Gründen. Damals im
Krankenhaus, nur Stunden vor ihrem Tod, hatte ihre Mutter ihr
die näheren Zusammenhänge erklärt. Sie, Olivia, würde nie
Mutter werden können. Und so hatte sie ihr Geschäft zu ihrem
Lebensinhalt gemacht.
Olivia spürte Tränen aufsteigen, als sie sich daran erinnerte,
wie sie als ganz junges Mädchen ins Krankenhaus musste, weil
sie starke Bauchschmerzen hatte und blutete. Es war
schrecklich gewesen, von einem Arzt untersucht zu werden. Sie
hatte sich so geschämt. Und dann, in den Tagen danach, waren
ihre Eltern so still gewesen, so bedrückt. Heute waren ihr
Krankenhäuser verhasst, und sie ging nur zum Arzt, wenn es
unbedingt sein musste.
Sie hatte geglaubt, die Vergangenheit bewältigt und die
Wünsche, die sich nicht erfüllen konnten, begraben zu haben.
Doch Tonys Vorschlag hatte alles wieder aufgewühlt. Sie wollte
geliebt werden, Kinder haben, von einem ganz besonderen
Mann als sinnliche Frau begehrt werden.
Die ersten beiden Wünsche hatten keine Aussicht auf
Erfüllung, der dritte vielleicht.
Gerüchten zufolge sollte Tony ein fantastischer Liebhaber sein,
und deshalb hatte sie manchmal in ihm nur den Mann gesehen
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und ihren eigenen Fantasien freien Lauf gelassen. Schließlich
war sie trotz allem immer noch eine Frau. Aber sie hatte nie auf
eine intime Beziehung zu Tony gehofft oder eine solche wirklich
gewollt.
Bis sie von seinem Plan erfahren hatte,
Und jetzt konnte sie an nichts anderes mehr denken. Tony
bewunderte sie offenbar, und das war immerhin etwas. Sie
mochte ihn, fand ihn attraktiv und sehr sexy. Und er wollte sie als
Mutter seines Kindes. Das war wie ein kostbares Geschenk,
das schönste aller Komplimente.
Tony brauchte nicht zu wissen, dass sie unfruchtbar war. Sie
könnte darauf bestehen, die Sache „natürlich“ anzugehen, und
ihm erlauben, ein paar Wochen lang als Mann sein Bestes zu
geben. Dann würde sie ihm sagen, dass es nicht geklappt
hatte. Er würde seiner Wege gehen, eine andere Frau
auswählen und innerhalb seiner gesetzten Frist sein Baby
bekommen. Dass er es schaffen würde, bezweifelte sie keine
Sekunde. Es gab unzählige Frauen, die ihm diesen Wunsch nur
allzu gern erfüllen würden.
Aber er hatte sie angesprochen, und sie konnte ihm nicht
einfach einen Korb geben. Noch nicht. Ihn so beiläufig darüber
reden zu hören, dass sie von ihm schwanger werden sollte, war
irgendwie sehr erregend gewesen. Lange verschüttete Gefühle
waren in ihr aufgebrochen. Und als sie sich vorgestellt hatte,
was er tun musste, um sein Sperma „abzuliefern“, hatte sie ein
heißes sinnliches Prickeln verspürt und gleichzeitig große
Zärtlichkeit, weil er sich so sehr ein Kind wünschte. Diese
beiden Empfindungen hatten sozusagen ihren gesunden
Menschenverstand ausgeschaltet.
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Tony war nicht nur ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann, er
liebte auch seine Familie, während sie selbst nicht einmal eine
Familie hatte. Er war ein guter Mensch. Und sie hatte vor, ihn für
ihre eigenen Zwecke auszunutzen.
Sicher, sie war eine Betrügerin, aber sie würde dabei ja
niemanden verletzen. Außer sich selbst.
Es war eine lange Nacht gewesen und ein noch längerer Tag.
Am Abend war Olivia hochgradig nervös. Als ihr Telefon kurz
nach sieben läutete, sprang sie auf. Sie zwang sich, es viermal
klingeln zu lassen, weil sie nicht übereifrig erscheinen wollte.
Dann nahm sie ab.
„Olivia? Hier ist Tony.“
Sie räusperte sich. „Oh, hallo.“ Ihre Stimme klang schrill. Ja,
sie würde es wagen, sie würde die Gelegenheit ergreifen. Aber
natürlich würde sie nichts von ihm annehmen außer seiner
schon gemachten Zusage, dass sie noch eine Boutique
eröffnen konnte. Sie würde keine Schuldgefühle haben, weil sie
durch ihn einen finanziellen Vorteil gehabt hätte. Sie wollte
nichts weiter als seinen Körper, und das nur für kurze Zeit.
„Hallo.“ Es entstand eine Pause. „Haben Sie sich
entschieden?“
Sie atmete tief durch. „Ja. Aber es gibt da ein paar
Bedingungen, die ich gern mit Ihnen besprechen würde.“
Sie hörte, wie er scharf den Atem einsog. „Heißt das, Sie
willigen ein?“
„Ja. Vorausgesetzt …“
„Schon gut. Was immer Sie wollen, es ist Ihnen gewährt!“
Es war nicht zu überhören, dass er sich riesig freute, weil er
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glaubte, in absehbarer Zukunft sein Baby zu bekommen. Olivia
verdrängte ihre Schuldgefühle. „Vielleicht sollten Sie sich erst
einmal anhören, was ich will, ehe Sie zustimmen.“
„Egal, was es ist, ich kann es mir leisten. Ich weiß ja, dass Sie
nicht geldgierig sind und mich kaum in den Bankrott treiben
werden.“
„Ich möchte den Arzt außen vor lassen.“
„Wie bitte?“
„Ich möchte die Sache natürlich angehen.“
„Natürlich?“
Er klang völlig perplex, und sie hätte beinahe frustriert
aufgestöhnt. „Ja, verflixt! Sie und ich … so wie die Natur es
vorgesehen hat.“
Wieder Schweigen. „Tony?“
„Ich bin noch da.“
Olivia hielt den Atem an. Sie spürte, dass Tony versuchte,
einen klaren Gedanken zu fassen. Endlich sagte er: „Würden
Sie mir erklären, warum?“
„Selbstverständlich. Es ist nur so …“
„Nein, warten Sie. Das ist keine Unterhaltung, die man am
Telefon führt. Haben Sie Zeit?“
„Jetzt?“
„Ja, jetzt. Ich möchte nicht ins Bett gehen müssen, ohne Ihren
Vorschlag zu verstehen.“
„In Ordnung.“ Olivia war ein wenig ratlos. „Ich könnte mich
irgendwo mit Ihnen treffen.“
„Nein, ich hole Sie ab. Ich kenne Ihre Adresse. Sie steht …“
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„In Ihren Unterlagen.“
„Ja. Ich komme, so schnell ich kann.“
Nachdem Tony aufgelegt hatte, eilte Olivia in ihr Schlafzimmer,
um etwas Passendes anzuziehen. Vor ihrem Kleiderschrank
hielt sie inne, weil ihr die Situation lächerlich vorkam. Was um
alles in der Welt wäre wohl das passende Outfit, um einem
Mann zu sagen, dass man einverstanden war, sein Kind zu
bekommen, aber nur, wenn er einem als Gegenleistung höchste
Sinnenlust bereitete?
Besonders, wenn einem bewusst war, dass man ihn betrog
und er durch diese Abmachung rein gar nichts erhielt, am
allerwenigstens das, was er eigentlich wollte: ein Baby.
Tony starrte ihre Wohnungstür an und wollte schon klopfen, als
er die Hand wieder sinken ließ. Verdammt, warum konnten
Frauen nie etwas auf die einfache Art und Weise tun? Er hatte
Olivia einen klaren Vorschlag gemacht, und sie hatte das Ganze
komplizieren müssen, indem sie ihn bat, mit ihr zu schlafen.
Nicht dass ihm das schwerfallen würde, aber er wollte keine
Beziehung. Er wollte von seinen einmal gefassten Plänen nicht
abweichen.
Und nun wollte Olivia Anderson – Geschäftsfrau par excellence
und Inhaberin zweier Boutiquen mit sexy Dessous – tatsächlich
mit ihm ins Bett gehen.
Wer hätte gedacht, dass sie ihn ausgerechnet darum bitten
würde? Sie war ihm immer ein Rätsel gewesen, aber dennoch
hatte diese Entwicklung ihn völlig aus dem Konzept gebracht.
Wenn er bei ihr in der Boutique war und dabei einen Blick auf
die von ihr geführte Reizwäsche warf, hatte er sich manchmal
gefragt, ob sie selbst je diese winzigen Kreationen aus Spitze
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und Seide trug. Es schien nicht zu ihr zu passen. Aber jetzt …
Dass sie ihn so sehr verwirrte, gefiel ihm ganz und gar nicht.
Andererseits wollte er sich auch nicht nach einer anderen
Kandidatin für sein Vorhaben umsehen müssen. Die Zeit lief
ihm davon.
Nein. Er hatte Olivia ausgewählt, verdammt, und er würde nicht
aufgeben, ohne wenigstens vernünftig mit ihr geredet zu haben.
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, und dann klopfte er.
Sofort gingen drei Türen auf. Olivia und zwei Nachbarn blickten
ihn an, die letzteren ausgesprochen neugierig. Das hatte ihm
gerade noch gefehlt.
Olivia lächelte schief. „Kommen Sie doch herein.“
„Nein.“ Er warf den Nachbarn, einem älteren Paar und einer
jüngeren Frau mit Lockenwicklern, finstere Blicke zu. „Lassen
Sie uns lieber ein Stückchen mit dem Auto fahren.“
Olivia zögerte. „In Ordnung. Ich hole nur schnell meine Jacke.“
Tony fluchte leise. Das war genau, was er hatte vermeiden
wollen. Er wollte nicht, dass über seine Beziehung zu Olivia
spekuliert wurde, denn er hatte nie eine Beziehung zu ihr
angestrebt. Sein einfacher, männlich-genialer Plan hatte
vorgesehen, dass er ihr die Adresse des Arztes gab und dann
eine Weile später von ihr Bescheid erhielt, ob sie schwanger
geworden war. Ganz sicher hatte er nicht vorgehabt, vor ihrer
Wohnungstür zu stehen und sich gleich von drei Nachbarn
begutachten zu lassen.
Nachdem Olivia endlich abgeschlossen hatte, nickte sie
lächelnd ihren Nachbarn zu. „Hallo Hilda, Leroy, Emma. Das
hier ist Tony Austin. Sieht so aus, dass ich bald noch eine
Boutique in einem seiner Hotels eröffnen kann. Ist das nicht
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fantastisch?“
Als sie schließlich auf die Straße traten, sagte Tony: „Das war
bestimmt das letzte Mal.“
„Was meinen Sie?“
„Dass ich Sie abhole. Das führt nur zu Spekulationen. Wenn
wir nicht aufpassen, haben wir einen Skandal.“
Er hielt Olivia die Wagentür auf, doch sie stieg nicht sofort ein.
„Heißt das, dass Sie vorhaben, sich noch einmal mit mir zu
treffen? Dass Sie meinen Bedingungen zustimmen?“
Er schlug seinen unverbindlichsten Ton an. „Wir werden
sehen.“ Dann schob er sie regelrecht auf den Beifahrersitz und
stieg selbst ein.
„Da gibt es nicht viel zu sehen, Tony. Mir gefällt die Idee einer
künstlichen Befruchtung nicht, das ist alles. Wenn Sie sich nicht
vorstellen können, mich zu berühren, dann gibt es auch nichts
mehr zu bereden.“
Er umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen, biss die
Zähne zusammen. Sie berühren? Schön, er würde sie gern
berühren – am liebsten sofort, mit seinen Händen, seinem
Mund, seinem ganzen Körper. Aber er würde es nicht tun. Oh
nein. Berühren war keine gute Idee. Denn wenn er erst einmal
damit anfing, würde er so bald nicht mehr aufhören können und
…
„Tony?“
„Tun Sie mir einen Gefallen, Olivia? Seien Sie bitte ein paar
Minuten still, bis wir irgendwo parken, um Ihre … Bedingungen
zu besprechen.“
„In Ordnung.“
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Sie war so verdammt einsichtig, und das wurmte ihn, aber
wenigstens schwieg sie eine Weile und gab ihm so die Chance,
seine Lüsternheit wieder unter Kontrolle zu bringen.
Schließlich fragte sie zögernd: „Haben Sie die Möglichkeit in
Betracht gezogen, dass ich nicht schwanger werden könnte?
Schließlich gibt es keine Garantie, dass es klappt. Wie viel Zeit
wollen Sie sich für den Versuch, mich zu schwängern,
zugestehen?“
Mit den fünf Minuten Ruhe, die sich Tony erbeten hatte, war es
schlagartig vorbei. Wie kam es nur, dass er völlig nüchterne
Begriffe wie „schwängern“ auf einmal erotischer fand als das
heißeste Liebesgeflüster? Vielleicht, weil sie mit seinem
Wunschtraum zu tun hatten? Noch nie hatte er sich bei einer
Frau vorgestellt, dass sie sein Kind unter dem Herzen trug, und
das musste der Grund sein, warum jedes Wort aus Olivias
Mund ihn so tief erregte.
Er räusperte sich und hielt den Blick auf die dunkle Straße
gerichtet. „Der Doktor meinte, dass mehrere Versuche nötig
sein könnten, ehe eine künstliche Befruchtung den gewünschten
Erfolg hat.“
„Und wie ist es auf natürlichem Weg? Gibt es da einen
zeitlichen Anhaltspunkt?“
„Das habe ich ihn nicht gefragt.“
„Das sollten Sie vielleicht.“
Tony bog von der Hauptstraße auf einen unbefestigten Weg
ab, der zu einem kleinen Park führte. Hier würden sie ungestört
reden können.
Auch wenn ihm ganz heiß war, ließ er den Motor laufen, denn
es war eine kalte Nacht Anfang November. Nachdem er die
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Scheinwerfer ausgeschaltet hatte, wandte er sich Olivia zu, um
das Thema aufzugreifen. Doch ihr Anblick ließ ihn innehalten.
Das Mondlicht, das sich über sie ergoss, brachte ihr dunkles
Haar zum Schimmern. Ihre Wimpern warfen lange, zarte
Schatten auf ihre Wangen. Sie hielt den Blick auf ihre im Schoß
gefalteten Hände gesenkt. Irgendwie erschien sie sehr unsicher
… verletzlich. Das war er von ihr nicht gewohnt. Als sie hochsah,
überkam ihn einmal mehr tiefe Frustration.
Olivia war zwar die eleganteste Frau, die er kannte, aber sie
war keine klassische Schönheit. Er hatte sich in seinem Leben
mit attraktiveren Frauen verabredet, mit ihnen geschlafen, auch
einige längere Affären gehabt. Aber Olivia war die einzige Frau,
deren Persönlichkeit, Intelligenz und Wesensart er so attraktiv
fand, dass er sie gebeten hatte, die Mutter seines Kindes zu
werden. Das war schon bemerkenswert.
„Ich weiß, meine Bitte klingt absurd“, sagte sie leise.
„Schließlich könnten Sie jede Frau haben, die Sie wollen, und
es dürfte ja ziemlich klar sein, dass Sie keine Beziehung mit mir
wollen. Das ist okay, denn ehe Sie mir Ihren Vorschlag
machten, hatte ich eigentlich auch keine Absichten auf Sie.“
Nervös verschränkte sie die Hände ineinander. „Aber wie schon
gesagt, bedeutet mir mein Beruf alles. Genau wie Sie möchte
ich im Moment keine Bindung. Deshalb erscheint mir die Idee ja
so perfekt. Ich habe mir nie die Zeit genommen oder die Mühe
gemacht, viele Männer kennenzulernen, und bin sehr vorsichtig,
was intime Kontakte angeht. Heutzutage ist es ja auch nicht
ratsam, sich auf schnellen Sex einzulassen. Aber eine feste
Bindung möchte ich eben auch nicht. Deshalb dachte ich, wir
könnten bei einem Arrangement, wie es mir vorschwebt,
vielleicht beide bekommen, was wir wollen.“
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Völlig sprachlos suchte Tony ihren Blick. Sie konnte ihm doch
unmöglich vorschlagen, was er verstanden zu haben glaubte.
„Ich möchte ein Baby. Und Sie, Olivia?“
Mit abgewandtem Gesicht bekannte sie leise: „Ich möchte eine
heiße, unvergessliche Affäre. Zwei Wochen lang. Wenn ich in
dieser Zeit schwanger werde, bekommen Sie das Baby, und
wir verfahren so, wie Sie es geplant haben. Wenn ich nicht
schwanger werde, gehe ich meiner Wege, und Sie können sich
eine Frau suchen, die sich als fruchtbarer erweist. Sie schulden
mir nichts. Im Gegenteil, ich werde mich als reichlich belohnt
betrachten.“
„Reichlich belohnt? Mit Sex? Sie hören sich an wie eine …“
„Eine Frau, die verzweifelt ist? Vermutlich bin ich das.“ Endlich
sah sie ihn an. „Ich möchte wissen, wie es ist, mit einem Mann
zusammen zu sein. Aber ich muss diesem Mann vertrauen
können, sowohl in Bezug auf meine Sicherheit als auch auf
meine Gesundheit. Ich denke, Sie sind der geeignete
Kandidat.“
Tony runzelte die Stirn. „Olivia, Sie sind doch wohl keine
Jungfrau mehr, oder?“
„Nein, aber fast.“ Sie hielt zwei Finger hoch.
„Sie hatten bisher Sex mit zwei verschiedenen Männern?“
„Nein, ich hatte zweimal Sex. Mit dem gleichen Mann oder
besser, Jungen. Und beide Male waren sehr enttäuschend.“
„Was hat er denn falsch gemacht?“
„Da bin ich mir nicht sicher, weil ich es ja noch nicht richtig
erlebt habe. Wir waren beide praktisch voll angezogen,
eingezwängt auf dem Rücksitz seines Wagens, und er stöhnte
viel. Die ganzen drei oder vier Minuten lang. Ununterbrochen.“
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„Tja …“ Tony musste ein Lachen unterdrücken. „Ich glaube, das
kann ich besser.“
„Das will ich hoffen.“
Ihr ernsthafter Ton brachte ihn nun doch zum Lachen. „Ich kann
mich nicht erinnern, dass mich je eine Frau unumwunden
gebeten hat, sie sexuell zu befriedigen. Sie machen mir richtig
Angst, wissen Sie das?“
„Das möchte ich nicht. Und ich möchte auch nicht meinem
Partner von damals – wir gingen gemeinsam aufs College –
allein die Schuld an meiner negativen Erfahrung geben. Wenn
ich auf die Idee gekommen wäre, ihm zu sagen, was mir gefällt
und was nicht, dann wäre es bestimmt schöner für mich
geworden. Aber jetzt, da Sie sich mir praktisch auf dem
Silbertablett präsentiert haben, kann ich ja hoffen, dass ich mehr
Gefallen an der Sache finden werde. Schließlich stehen Sie in
dem Ruf, die kühnsten Erwartungen zu erfüllen.“
Über seinen Ruf wollte er keinesfalls mit ihr diskutieren. Wenn
sie auf Klatsch etwas gab … Na ja, wenigstens schien er
schmeichelhaft ausgefallen zu sein. Tony seufzte. „Ich weiß nicht
recht, Olivia. Das könnte auch ins Auge gehen.“
„Sie fürchten, ich könnte Ihren beeindruckenden Praktiken
verfallen, beschließen, nicht mehr ohne sie oder Sie selbst
leben zu können und auf eine Heirat drängen?“
Damit brachte sie die Sache fast auf den Punkt. Nicht dass er
seine Liebestechniken für besonders beeindruckend hielt. Aber
er wusste, dass Frauen Sex allzu oft mit Liebe verwechselten.
Er musste ihr das klarmachen …
„Ich verstehe Sie, Tony. Ich hatte auch Bedenken, wenn auch
aus anderen Gründen. Im Moment wollen Sie nur ein Baby. Aber
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wenn Sie miterleben, wie sich der Körper der Frau während der
Schwangerschaft verändert – verursacht durch Ihr Baby –, sind
Sie sicher, dass Sie Ihre Zuneigung für das Kind nicht auf die
Mutter übertragen?“
„So war es nicht geplant. Ich hatte nicht vor, irgendwelche
Veränderungen mitzuerleben.“
„Nein? Aber soweit ich weiß, sind gerade diese
Veränderungen das Faszinierende an einer Schwangerschaft.
Sie wollen nicht fühlen, wie sich Ihr Baby im Bauch der Mutter
bewegt? Sie wollen nicht bei Ultraschalluntersuchungen dabei
sein? Ich habe einmal einen Bericht im Fernsehen darüber
gesehen. Es war unglaublich. Alles war genau zu erkennen.
Sogar die einzelnen Fingerchen und Zehen.“
Tony begann der Kopf zu schwirren. „Ich glaube … ich glaube,
ich muss noch über so einiges nachdenken.“
„Entschuldigung. Jetzt habe ich Sie durcheinandergebracht.“
„Nein, keineswegs. Es ist nur so, dass sich alle meine
Überlegungen auf die Zeit nach der Geburt konzentriert haben.
Aber natürlich will ich die Schwangerschaft miterleben.“ Er
betrachtete
sie
eingehend.
„Würde
es
Ihnen
etwas
ausmachen?“
„Was meinen Sie?“
„Wenn ich Sie genau beobachten würde? Und teilhaben würde
an
den
Veränderungen
Ihres
Körpers
während
der
Schwangerschaft?“
Sie schwieg eine ganze Weile, während sie nervös am Revers
ihrer Jacke herumzupfte. „Nein, es würde mir nichts ausmachen.
Wenn Sie das gern möchten – und wenn ich schwanger werde.“
„Olivia, es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln. Sie sind eine
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gesunde junge Frau im besten gebärfähigen Alter. Ich selbst
habe mich untersuchen lassen, und der Arzt hat mir versichert,
dass ich imstande bin, ein Kind zu zeugen.“
Olivia holte tief Luft und streckte ihm dann die Hand hin. „Also,
sind wir uns handelseinig?“
Er war so tief erregt, dass seine Hand zitterte, als er einschlug,
und seine Stimme klang ganz heiser. „Ja, wir sind uns
handelseinig.“
„Wann fangen wir an?“
Sie hätte genauso gut sagen können: Wann willst du mich
nackt sehen und mich berühren, denn die Wirkung war die
Gleiche. Er konnte kaum atmen, als ihm die erotischsten Bilder
durch den Kopf schossen. „Ich denke, Sie sollten herausfinden,
wann Sie …“, er schluckte, „… wann Sie empfängnisbereit sind.
Führen Sie einen Kalender?“
„Natürlich. Das tun die meisten Frauen, um keine bösen
Überraschungen zu erleben. Wie wär’s, wenn ich Ihnen
Bescheid gebe, und dann sehen wir, welcher Termin uns beiden
am besten passt?“
Es irritierte ihn über alle Maßen, dass sie derart ruhig und
geschäftsmäßig reden konnte, nachdem sie ihm praktisch
befohlen hatte, sie so zu lieben, dass es ein unvergessliches
Erlebnis für sie würde. Weil er sich bereits in den schillernsten
Farben ausmalte, was er alles mit ihr machen würde, brachte er
kaum eine Antwort heraus. „Ja, in Ordnung.“
„Ich ermittle also den günstigsten Zeitpunkt für eine
Empfängnis und rufe Sie dann an.“
„Und notieren Sie jetzt bitte meine Privatnummer, Olivia. Ich will
Ihren Anruf nicht verpassen, falls ich nicht im Büro bin, wenn …
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wenn Sie bereit sind.“
Ihr Lächeln wirkte jetzt zuversichtlich und ging ihm durch und
durch. „Wie Sie wollen, Tony.“
Tony schluckte. Was sie wohl sagen würde, wenn sie erst
splitternackt unter ihm lag. Er verfiel in Schweigen, weil er nicht
wusste, was er noch hätte sagen sollen. Er war entschlossen,
die Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Das
war die einzige Möglichkeit, um nicht den Verstand zu verlieren.
Den ganzen Sonntag über beschäftigte sich Olivia mit dem
Thema Empfängnis. Obwohl sie keinen regelmäßigen Zyklus
hatte und wusste, dass sie nicht schwanger werden würde, so
musste sie doch ein paar nähere Angaben machen, damit Tony
keinen Verdacht schöpfte.
Als sie beschlossen hatte zu sagen, das kommende
Wochenende sei ihre beste Zeit, um schwanger zu werden,
wurde sie von Vorfreude gepackt und gleichzeitig von
Schuldgefühlen und Selbstzweifeln gequält. Sie schüttelte sie
ab.
Am Montag traf, wie versprochen, der neue Vertrag ein, und
sie nahm ihn zum Anlass, um Kontakt zu Tony aufzunehmen.
Nachdem sie den Vertrag von ihrem Anwalt hatte durchsehen
lassen und ihn selbst noch einmal überprüft hatte, griff sie zum
Telefon und vereinbarte über Tonys Sekretärin einen Termin
zum Lunch. Inzwischen war es Mittwochmorgen, also gerade
vier Tage nach ihrer Vereinbarung mit Tony, und doch schien
das Olivia eine Ewigkeit her zu sein.
Wie sie gehofft hatte, rief seine Sekretärin zurück und
bestätigte, dass Tony es einrichten könne, sie in ihrem
Stammrestaurant zu treffen. Dort hatten sie sich schon des
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Öfteren verabredet, um Geschäftliches zu besprechen. Doch
heute war es etwas anderes. Mit dem Vertrag in ihrer
Aktentasche und einem Buch über Empfängnis verließ Olivia ihr
Büro. Sie lächelte erwartungsvoll.
Tony war bereits da, als Olivia das Restaurant betrat. Er hatte
einen etwas abseitsstehenden Tisch gewählt, damit sie
ungestört waren. Sie zwang sich, Tony in normalem,
geschäftsmäßigem Ton zu begrüßen. Er wandte keinen Blick
von ihr.
Nachdem sie bestellt hatten, fragte er: „Gibt es Probleme mit
dem Vertrag, den ich Ihnen geschickt habe?“
Olivia winkte ab. „Nein, wir haben lediglich ein paar kleinere
Änderungen vorgenommen.“
„Sie haben immer Änderungswünsche, Olivia, aber meistens
keine kleinen.“
Sie grinste. Er hatte recht. Aber sie war nun einmal eine
knallharte Geschäftsfrau und sie war sehr stolz darauf. „Sie
können doch nicht von mir erwarten, Tony, dass ich blind
unterschreibe. Der überarbeitete Vertrag ist viel günstiger für
mich. Sie werden sehen.“
Er lächelte sie an. „In diesem speziellen Fall hätten Sie gar
nicht Ihren Anwalt zu bemühen brauchen. Ich sagte Ihnen doch,
ich würde Ihnen bewilligen, was immer Sie wollen.“
„Nein.“
„Bitte?“
Olivia wollte das ganz klarstellen. Es quälte sie schon genug,
dass sie ihn emotionell ausnutzte. Das konnte sie unmöglich
auch noch in geschäftlicher Hinsicht tun. „Ich möchte, dass wir
den Vertrag über die Boutique separat behandeln. Er hat nichts
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mit der anderen … Vereinbarung zu tun. Sehen Sie ihn durch
wie jeden anderen Vertrag auch und geben Sie mir dann
Bescheid.“
„Und Sie werden nachgeben, falls ich nicht mit Ihren
Änderungen einverstanden bin?“
„Auf keinen Fall.“ Sie grinste ihn erneut an. „Ich werde wohl hart
verhandeln müssen, falls Sie nicht zustimmen.“
Er warf ihr einen amüsierten Blick zu. „Möchten Sie noch etwas
mit mir besprechen, Olivia?“
Es war klar, worauf er hinauswollte. Sie legte ihre Gabel aus
der Hand und schob ihren Salatteller beiseite. Dann nahm sie
den schmalen Band über Empfängnis aus ihrer Aktenmappe
und schlug eine Seite auf, die sie markiert hatte.
Tony beobachtete sie sprachlos.
„Ich habe mich in unser neuestes Projekt eingelesen. Wie es
scheint, ist das kommende Wochenende meine beste Zeit.
Nach meinem Kalender sollte ich am Sonnabend meinen
Eisprung haben, plus oder minus einem Tag.“
„Das heißt, Sie erwarten Ihre nächste Regel in zwei Wochen?
Genau zum Ende der von Ihnen gesetzten Frist?“
Ihre Frist. Entweder war sie bis dahin schwanger, oder die
Vereinbarung war nichtig. Beinahe hätte Olivia angesichts ihrer
eigenen Dreistigkeit aufgestöhnt.
„So ist es.“ In Wahrheit hatte sie sich diesen Termin einfach
ausgedacht, genau wie die Frist. Sie würde nicht schwanger
werden, nicht mit nur einem Eierstock. Und ihre Periode war
unregelmäßig, blieb oft ganz aus, also gab es eigentlich auch
keinen zeitlichen Rahmen. Man konnte nicht schwanger werden,
wenn man keinen Eisprung hatte, eine Tatsache, mit der sie
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leben musste.
Olivia sah Tony an. Trotz ihrer Verlegenheit war sie
entschlossen, die Sache durchzuziehen. Tony hatte ihren
Vorschlag nur sehr zögernd zugestimmt, und falls das die große
romantische Affäre ihres Lebens werden sollte, dann wollte sie,
dass er mit ganzem Herzen dabei war. Also hatte sie ihr
Vorhaben gut geplant. Bis sie miteinander schlafen würden,
wäre Tony mehr als bereit; er wäre versessen darauf.
Sie atmete tief durch. „Ich denke, ich kann mich für ein paar
Tage freimachen. Wie steht es mit Ihnen?“
„Ein paar Tage?“
„Ja, natürlich.“ Olivia warf ihm einen irritierten Blick zu.
„Diesem Buch hier zufolge muss man sich schon viel Zeit
nehmen. Hören Sie zu. ‚Das Paar sollte wenigstens zweimal im
Abstand von sechs Stunden Verkehr haben.‘ Sehen Sie? Es hat
keinen Zweck, die Sache anzugehen, wenn wir nicht mit der
richtigen Einstellung darangehen. So etwas kann man nicht so
nebenbei erledigen.“
„Ich, äh …“
„Da wäre noch etwas.“
Tony zog die Brauen hoch, unfähig, sich zu äußern.
„Hier steht, dass der Mann bis zum günstigsten Zeitpunkt für
eine Empfängnis keinen Sex haben soll, damit möglichst viele
lebensfähige Spermien gebildet werden.“ Sie hielt inne und
trank einen Schluck Tee. Dann blickte sie ihm in die Augen. Sie
kam sich wie eine Hochstaplerin vor, war aber nach wie vor fest
entschlossen. Das war ihre ganz große Chance. „Sie sollten
also enthaltsam leben, bis wir miteinander schlafen. Ist das ein
Problem?“
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„Nein.“
„Gut.“ Olivia wollte sich nicht eingestehen, wie erleichtert sie
war, und sie wollte erst recht nicht, dass Tony das merkte.
Daher blätterte sie eine Seite weiter. Weil das die Seite war,
auf der sie etliche Zeilen markiert hatte, wollte sie das Buch
schnell schließen, doch Tony hielt seinen Finger dazwischen.
„Noch mehr interessante Fakten, auf die Sie gestoßen sind?“
Seine Stimme klang tiefer als sonst und ein wenig heiser.
Olivia vermied es, ihn anzuschauen. „Ja, ein paar.“
„Treffen sie auf uns zu?“ Als sie stumm nickte, drängte er:
„Bitte klären Sie mich auf.“
„Vielleicht sollte ich Ihnen das später …“
„Aber ich sterbe vor Neugierde.“
„Na schön.“ Sie nahm das Buch zur Hand und räusperte sich
umständlich. Sie hatte schon mehr als eine schwierige Situation
durchgestanden, ohne die Haltung zu verlieren. „Also hier steht:
‚Um die Chancen auf Erfolg zu erhöhen, sollte die Frau
anschließend ein paar Minuten ruhig auf dem Rücken liegen
bleiben, am besten noch mit dem Mann verbunden und mit
angezogenen Knien, damit sich das Sperma vor dem
Gebärmutterhals sammelt.‘“
Tony, der gerade einen Schluck Wasser getrunken hatte,
verschluckte sich prompt.
Olivia war mit seiner Reaktion zufrieden. Wenn es ihr gelang,
ihn immer wieder zu überrumpeln, dann würde er keine Chance
haben, ihre Motivation zu hinterfragen und ihre Gemeinheit
aufzudecken. „Sicher wissen Sie das alles schon. Es war ja
schließlich Ihre Idee.“
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„Nein.“ Er schüttelte energisch den Kopf. „Meine Idee sah nicht
vor, ein paar Minuten länger mit Ihnen verbunden zu bleiben.“
„Sie finden die Vorstellung abstoßend?“ Sie tat ihr Bestes, um
beleidigt dreinzusehen, denn ihr war klar, dass seine Abwehr
nichts mit Widerwillen gegen sie als Frau zu tun hatte, sondern
mit dem Thema ihres Gesprächs. „Ihnen wäre es natürlich
lieber, ich läge auf einem sterilen Tisch und ein Arzt im weißen
Kittel würde sich mit einer Spritze an mir zu schaffen machen.“
„Olivia …“ Tony ergriff ihre Hand. „Ich glaube nicht, dass Sie
eine Ahnung davon haben, wie das alles auf mich wirkt. Ich bin
auch nur ein Mann und so eine Art Unterhaltung nicht gewöhnt.“
Seine Hand fühlte sich wunderbar an. Olivia schloss die Augen
und wurde sofort von neuerlichen Schuldgefühlen gepackt. Sie
führte ihn zu ihrem eigenen Vorteil gnadenlos an der Nase
herum, und er litt sichtlich darunter. „Tut mir leid. Ich sollte Ihnen
nichts mehr vorlesen. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich auch ein
wenig unbehaglich. Also versuche ich, mit dem Thema so
sachlich umzugehen wie möglich, damit wir es rein geschäftlich
betrachten können.“
„Ich weiß, und ich habe Verständnis dafür.“ Zögernd ließ er ihre
Hand los und lehnte sich zurück. Sein Blick wirkte hitzig und
sehr intensiv. „Aber ich glaube nicht, dass es funktionieren wird,
Olivia.“
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3. KAPITEL
Olivia geriet fast in Panik. Hatte sie Tony zu sehr gedrängt?
„Sie wollen das Ganze abblasen?“
„Nein! Aber ich glaube nicht, dass es mir möglich ist, die
Sache so nüchtern anzugehen. In den letzten Tagen habe ich
viel darüber nachgedacht, und ich glaube einfach nicht, dass ich
mit einer Frau schlafen kann, die ich kenne und bewundere, und
so tun kann, als sei das nicht im Mindesten intim. Allerdings
könnten wir darüber hinwegkommen, wenn wir uns beide
bemühen.“
„Ich bin nicht sicher, ob ich Sie verstehe.“ Wenigstens machte
er keinen Rückzieher, und allein das zählte.
„Wir sollten das Ganze als eine Art Abenteuer betrachten.
Solange wir unsere Begegnungen auf den … äh … Akt
beschränken, sollte es uns möglich sein, die Dinge unter
Kontrolle zu halten.“
„Verstehe. Keine Freundschaftsbesuche zwischen unseren
Terminen.“
„Genau. Wir treffen uns, wenn es nötig ist, um unsere
Vereinbarung zu erfüllen, aber ansonsten bleibt unsere
Beziehung, wie sie ist.“
„Nämlich rein geschäftlich.“
„Ja.“
Olivia spielte mit ihrer Gabel herum. Es war geradezu
lächerlich, aber sie fühlte sich gekränkt. „Das entspricht auch
ganz meinen Vorstellungen. Ich genieße Sie und Ihre
Liebeskünste, während Sie Ihr Bestes geben, um mich zu
schwängern.“ Die Szene, die sie sich dabei vorstellte, nahm ihr
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den Atem. „Ansonsten habe ich, wie Sie sich erinnern werden,
keine Zeit für unnütze Rendezvous.“
Es schien, als wolle Tony dazu noch etwas sagen, doch dann
schüttelte er den Kopf und meinte nur: „Schön, dann wären wir
uns also einig. Und kommendes Wochenende passt mir auch.
Sollen wir am Freitagabend anfangen?“
„Ich bin an diesem Tag in der Boutique in Southend und hätte
ab sechs Zeit.“
„Wunderbar. Ich werde etwas für uns arrangieren, sodass wir
ungestört sind, und Sie dann abholen. So werden wir nicht in
der Öffentlichkeit zusammen gesehen, was meiner Meinung
nach wichtig ist.“
Olivia war eher an körperlicher Nähe interessiert, nickte aber.
„Das wäre mir auch lieb. Ich will keinen Skandal
heraufbeschwören.“
Er lachte leise. „Im Gegensatz zu mir brauchen Sie sich
wenigstens nicht zu sorgen, dass Ihre Familie Wind davon
bekommt. Alle meine Verwandten wohnen hier in der Nähe, und
alle glauben, sie müssten mein Leben ordnen. Beim leisesten
Verdacht eines Skandals erscheinen sie jedes Mal alle in
meinem Haus, bereit, sich tatkräftig einzumischen.“
„Und unser Vorhaben bietet nun wirklich die beste
Voraussetzung zu einem Skandal.“
„Dann hätte meine Familie ihren ganz großen Tag.“
Olivia war fasziniert. Sie hatte oft überlegt, wie Tony wohl
aufgewachsen war, da sie selbst ja überhaupt keine Familie
hatte. Sie nahm an, dass seine Verwandten ebenso nett waren
wie er. „Ihre Familie weiß also nichts von Ihren Plänen?“
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„Himmel, nein. Altmodisch, wie sie alle sind, halten sie strikt
daran fest, alles in der richtigen Reihenfolge zu tun.“
„Also zuerst heiraten?“
„Genau.“ Er grinste spitzbübisch. „Sie alle bemühen sich eifrig,
mich zu verheiraten. Jeder hat mindestens schon drei
hoffnungsvolle Bräute angeschleppt. Ich kann ihnen einfach nicht
verständlich machen, dass ich die Wahl gern selbst treffen
würde.“
Plötzlich merkte Olivia, dass sie bereits gegen ihre eben
aufgestellten Verhaltensregeln verstoßen hatten. Näheres über
Tonys Familie zu erfahren ging eindeutig über das rein
Geschäftliche hinaus und war zudem gefährlich. Denn je besser
sie ihn kennenlernte, desto faszinierender erschien er ihr. Sie
hatte nicht lange gebraucht, um in ihm einen sehr attraktiven
Mann zu sehen und ihn zu begehren. Ihre Gefühle für ihn
schienen sich rasch zu vertiefen. Oder vielleicht waren sie auch
schon immer da gewesen und hatten nur darauf gewartet,
entdeckt zu werden.
Diese Möglichkeit machte ihr Angst. Weder in beruflicher noch
in privater Hinsicht konnte sie es sich leisten, sich zu sehr auf
ihn einzulassen. Deshalb brachte sie das Gespräch auf ein
weniger vertrauliches Thema.
Sie diskutierten über die neue Boutique und den Vertrag, und
als ihr Lunch zu Ende ging, versprach Tony, seinen Anwalt den
Vertrag mit den von Olivia gewünschten Änderungen
ausfertigen zu lassen und ihn ihr umgehend zuzustellen. Zudem
hatten sie sich das Du angeboten. Schließlich kannten sie sich
als Geschäftspartner schon lange genug.
Dann standen sie vor dem Restaurant, und Tony berührte
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Olivia am Arm. „Dann bis Freitag um sechs.“
„Ich werde bereit sein.“
„Ich hoffe, du weißt, worauf du dich da eingelassen hast.“
Olivia hielt seinem Blick stand und nickte stumm.
„Gut. Denn ich glaube, ich werde die Kontrolle verlieren,
sobald die Tür hinter uns ins Schloss gefallen ist. Du hast dich
weit aus dem Fenster gelehnt, Lady. Gefordert, dass ich dir Lust
bereite und mir viel Zeit dafür nehme.“ Er hob die Hand und
strich ihr mit dem Finger über die Wange, nur ganz flüchtig.
„Freitagabend wirst du feststellen, dass ich auch ein paar
Wünsche anzumelden habe.“
Lächelnd sah Olivia ihm nach, als er zu seinem Wagen ging.
„Oh, das hoffe ich sehr“, flüsterte sie.
Nachdem sie sich kaum auf ihre Arbeit hatte konzentrieren
können, fuhr Olivia am späten Freitagnachmittag nach Hause,
um zu duschen und sich umzuziehen. Es fiel ihr nicht leicht, in
ihrem Schrank etwas Passendes zu finden, denn es sollte nicht
zu offensichtlich sein, dass sie gefallen wollte. Als sie in ihre
Boutique zurückkehrte, blieb nicht mehr viel Zeit, bis Tony sie
abholen würde.
Sobald ihre Filialleiterin gegangen war, machte sie sich daran,
Bewerbungen neuer Mitarbeiterinnen für die neue Boutique
durchzusehen.
Doch schon bald kreisten ihre Gedanken wieder um Tony. Auf
einmal fand sie ihr schlichtes zweiteiliges Kleid aus
beigefarbener Wolle doch nicht schick genug. Als sie sich aber
vorstellte, wie er die Perlmuttknöpfe des Tops einen nach dem
anderen aufknöpfte, erschauerte sie wohlig.
Statt einer Strumpfhose hatte sie hauchzarte Strümpfe und
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Strapse aus zartrosa Satin gewählt. Ihre Pumps mit mittelhohen
Absätzen brachten ihre Beine bestens zur Geltung. Ihr Haar trug
sie offen, sodass es ihr auf die Schultern fiel.
Vielleicht wäre ich weniger nervös, dachte Olivia, wenn ich
etwas Gewagteres angezogen hätte. Wenn sie sexy Wäsche
trug, fühlte sie sich meistens besonders selbstsicher.
Sie trat an einen der Ständer und nahm einen Teddy zur Hand,
der
ausgesprochen
verführerisch
war
mit
seinen
Spitzenrosetten über den Brüsten und zwischen den Beinen.
Sie befühlte das seidige Material und musste tief durchatmen,
als sie sich ausmalte, wie Tony es durch seine Hände gleiten
ließ.
Als die Ladenglocke bimmelte, fuhr sie herum.
Es war Tony. Er kam geradewegs zu ihr herüber, denn sie
blieb wie angewurzelt neben dem Ständer stehen, den Teddy
noch immer in der Hand.
Tony ließ den Blick über sie gleiten und starrte dann auf das
zarte Gebilde in ihrer Hand. „Sind wir allein?“
Sie nickte. „Ich wollte gerade schließen …“
Sacht legte er ihr einen Finger auf den Mund. Er lächelte nicht
zur Begrüßung, sondern sah sie nur entschlossen und
ausgesprochen begehrlich an. Er schob eine Hand in ihr Haar
und trat näher. Und dann küsste er sie.
Das Warten hatte sich gelohnt.
Tony konnte sich nicht entsinnen, je derart versessen auf eine
Frau gewesen zu sein. Energisch und zielstrebig wie sie nun
einmal war, hatte Olivia ihn gründlich verführt. Er hätte nie
gedacht, dass ihre geschäftliche Verhaltensweise sich auf
etwas so Persönliches übertragen ließ. Eigentlich wusste er
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verdammt wenig über sie privat …
Zum Beispiel, ob sie selbst solche sexy Dessous trug wie den
Teddy, den sie da in der Hand hielt.
Er würde es bald herausfinden.
Die Vorstellung, dass sie ihn begehrte, hatte ihm die ganze
Woche über keine Ruhe gelassen, und es hatte ihn große Mühe
gekostet, sich zu beherrschen. Er wollte einen heißen, intimen
Abend mit ihr, und dann wäre er wohl in der Lage, sie sich aus
dem Kopf zu schlagen und sich wieder ganz auf den Grund zu
besinnen, weswegen er mit ihr zusammen war. Aber, verflixt, sie
schmeckte so gut.
Sie widersetzte sich ihm nicht, reagierte nicht schockiert auf
seinen Kuss. Sie stand einfach da und ließ ihm seinen Willen.
Er eroberte erneut ihren Mund, strich dann zart mit der Zunge
über ihre Unterlippe. Olivia stöhnte auf.
Tony löste sich von ihr und sah auf sie hinab. Ihre schönen
braunen Augen hielt sie halb geschlossen. Ihre Lippen waren
noch leicht geöffnet, ihre Wangen gerötet. Das gefiel ihm.
„Wir fahren zu meinem Haus.“
Sie blinzelte ein paar Mal, dann räusperte sie sich. „Ich dachte,
du hättest irgendwo ein Zimmer reserviert.“
„Mein Haus liegt sehr abgeschieden. Und ich möchte nicht
irgendwo in der Stadt gesehen werden. Zu viele Leute kennen
mich. Außerdem habe ich heute Geburtstag, und irgendjemand
könnte auf die Idee kommen, mich mit einer Flasche
Champagner oder dergleichen zu überraschen. Wenn wir erst
einmal allein sind, möchte ich nicht gestört werden.“
Sie riss die Augen auf. „Herzlichen Glückwunsch. Ich hatte
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ganz vergessen … Du solltest mit jemand Besonderem feiern.“
Beinahe hätte er bekannt, dass sie dieser Jemand war, doch
er verkniff es sich gerade noch. „Das ist schon in Ordnung.“ Er
küsste sie flüchtig. „Ich wüsste nicht, wie man seinen Geburtstag
schöner verbringen könnte. Du gibst mir das beste Geschenk
überhaupt.“
Kaum hatte er das gesagt, da merkte er, dass sie das
vielleicht missverstand, und er ergänzte: „Ein Baby, meine ich.“
„Ja, ich weiß.“
Doch er war nicht aufrichtig. Denn im Moment begehrte er sie
so sehr, dass jeder Gedanke an eine Empfängnis in den
Hintergrund rückte. Er musste endlich sein Verlangen nach ihr
ausleben, damit er sich anschließend auf andere, wichtigere
Dinge konzentrieren konnte.
Olivia wirkte leicht durcheinander, während sie den Teddy auf
den
Ständer
zurückhängte.
Tony
sah
sich
um.
Selbstverständlich kannte er ihre beiden Boutiquen, doch es
erstaunte ihn immer wieder, wie geschmackvoll Olivia sie
eingerichtet hatte. Sie hatte ein untrügliches Gespür dafür, wie
man wirkungsvoll Dessous präsentierte.
„Ich muss noch mehr von diesen Teddys bestellen“, bemerkte
Olivia. „Ich wusste von vornherein, dass sie ein Hit werden
würden. Doch diese Woche haben wir mehr verkauft, als selbst
ich erwartet hatte. Sie sind aber auch so bequem.“
„Und unglaublich sexy.“
Sie nickte. Dass Olivia das Gefühl hatte, ein wenig Small Talk
betreiben zu müssen, verriet, wie nervös sie war. Dennoch
konnte Tony nicht umhin zu fragen: „Woher weißt du denn, dass
sie bequem sind? Trägst du selbst solche Wäsche?“
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„Natürlich. Alles, was ich verkaufe, probiere ich selbst aus.“
Tonys Blick blieb an einem sehr gewagten schwarzen BH mit
passendem Slip hängen. Weil ihn augenblicklich heiße
Erregung durchzuckte, wurde ihm klar, dass sie aufbrechen
sollten, ehe er die Beherrschung verlor.
Er half Olivia, die ebenso aufgewühlt schien wie er selbst, in
den Mantel und geleitete sie hinaus. Als sie ihren Laden
abschloss, fiel Tony auf, dass sich ihre Brustknospen deutlich
unter ihrem weichen Wolltop abzeichneten. Am liebsten hätte er
ihre Brüste berührt, sie liebkost. Er wollte jeden Zentimeter ihres
Körpers erkunden und ihr Lust schenken, wie sie es von ihm
verlangt hatte.
Zunächst hatte ihn dieser Punkt ihrer Abmachung etwas
verunsichert. Doch je länger er darüber nachgedacht hatte – und
über die Möglichkeiten, Olivias Wünsche zu erfüllen –, desto
aufregender fand er die ganze Situation. Sich mit Olivia in
geschäftlichen Dingen zu messen, versetzte ihn immer in
Hochstimmung. Im Bett würde es noch viel schöner sein. Er
fühlte sich herausgefordert wie seit Langem nicht mehr.
Wenn ich es beim ersten Mal nicht richtig mache, habe ich
genug Zeit für weitere Versuche, dachte er, während er vom
Parkplatz fuhr. Er musste grinsen.
„Was ist?“
Er merkte, dass Olivia ihn beobachtete. Sie sah misstrauisch
und ein wenig befangen drein. „He, du überlegst es dir doch
wohl nicht anders, oder?“, fragte er.
„Nein, aber ich muss gestehen, dein Grinsen entmutigt mich
ein bisschen.“
Ihm entging nicht, dass ihre Stimme leicht zitterte, und er ergriff
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ihre Hand. „Ich kann es kaum …“
„Abwarten?“
„Das trifft es genau.“ Er grinste erneut. „Und du?“ Sie atmete
tief durch. „Ich auch.“
Tony umfasste das Lenkrad fest mit beiden Händen, so sehr
ging ihm ihr Eingeständnis unter die Haut. Am liebsten wäre er
mit Höchstgeschwindigkeit nach Hause gerast. Doch es
herrschte dichter Verkehr, denn es war Freitagabend.
„Wie lange fahren wir?“
„Ungefähr zwanzig Minuten.“ Zwanzig Minuten, die ihm wie
zwei Stunden vorkommen würden. „Bist du hungrig?“
„Nein.“
„Sicher? Ich könnte unterwegs etwas zu essen besorgen.“
„Danke, ich bin wirklich nicht hungrig.“
Es gefiel ihm, dass sie genauso ungeduldig war wie er selbst.
Als sie an einer Ampel halten mussten, meinte er: „Wie wär’s,
wenn du herüberrutschst und mich noch einmal küsst? Ehrlich
gesagt, brauche ich etwas für den allergrößten Hunger.“
Sie atmete ein paar Mal tief durch, dann kam sie näher zu ihm.
Diesmal überging Tony das zärtliche Necken. Er stieß mit der
Zunge in ihren Mund vor und erkundete ihn mit ungebremster
Gründlichkeit. Olivia zog ihn ungestüm an sich.
Die Ampel sprang um, und der Verkehr setzte sich langsam
wieder in Bewegung.
Jede sich bietende Gelegenheit nutzten sie zu weiteren
Küssen, sie schmiegten sich aneinander, berührten sich, bis
Tony endlich in die Auffahrt zu seinem Haus einbog. Sie hatten
fünfundzwanzig Minuten gebraucht, und jede Minute war eine Art
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Vorspiel gewesen, das ihre Sinne berauscht hatte. Mit
geschlossenen Augen saß Olivia da und schien sich ganz
darauf zu konzentrieren, zu Atem zu kommen.
„Wir sind da.“
Langsam wandte sie den Kopf, um sein Haus in Augenschein
zu nehmen. „Oh Tony, es ist wunderschön.“
Ihr Lob freute ihn. „Ich habe es vor ein paar Jahren bauen
lassen und dabei darauf geachtet, dass möglichst viele Bäume
stehen blieben.“
„Es scheint mit der Landschaft zu verschmelzen.“
Genau das hatte er beabsichtigt. Aus Stein, Holz und Schiefer
gebaut, fügte sich das eingeschossige, großzügig geschnittene
Haus perfekt in die Umgebung ein. „Jetzt, wo die Bäume kahl
sind, ist das Haus gut zu sehen, im Sommer dagegen kaum.“
Als Tony Olivia gleich darauf in der geräumigen Garage aus
dem Wagen half, konnte er nicht anders, als sie erneut zu
küssen. Und da sie diesmal völlig ungestört waren, hielt er sich
nicht länger zurück. Er ließ die Hände über ihren Rücken gleiten,
umfasste besitzergreifend ihren Po.
Als er sie fest an sich presste, stöhnte Olivia auf. Sie musste
seine tiefe Erregung gespürt haben, und er konnte nichts
anderes denken, als dass das Olivia war, die coole
Geschäftsfrau, die sich da verlangend an ihm rieb und mehr
wollte. Es war wunderbar und seltsam zugleich und so
berauschend, dass er es fast nicht aushalten konnte. Weil seine
Erregung immer mehr wuchs, hatte er das Gefühl, gleich zu
explodieren.
Er drängte sie in Richtung auf die Tür, die in sein Haus führte.
Jetzt, wo er seinem Ziel so nah war, wollte er Olivia auf keinen
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Fall in der Garage lieben. Doch dann fiel sein Blick erneut auf
ihre kleinen harten Knospen, weil ihr Mantel aufgeknöpft war.
Behutsam umfasste er mit den Händen ihre Brüste, fühlte, wie
weich sie waren. Olivia lehnte den Kopf an die Garagenwand
und gab einen kleinen lustvollen und zugleich sehnsüchtigen
Laut von sich.
Ohne lange zu überlegen, knöpfte Tony drei der
Perlmuttknöpfchen auf und schob ihr Top beiseite. Ihr BH aus
Spitze und Satin war zartrosa und so durchsichtig, dass Tony
nichts verborgen blieb. Der Anblick brachte ihn fast um den
Verstand. Er rieb mit dem Daumen über ihre Brustspitze, sacht,
spielerisch und beobachtete, wie Olivia erschauerte. Das war
zu viel.
Aufstöhnend entblößte er ihre Brust und neigte den Kopf, um
sie mit dem Mund zu liebkosen. Erneut strich er zärtlich mit dem
Daumen darüber. Olivias Atmen ging immer schneller, während
er sie neckte und die Spannung vergrößerte.
„Tony …“
Ihr bittender Unterton brachte ihn zur Besinnung. Er brannte
darauf, sie nackt in den Armen zu halten, aber er wollte auch
nichts überstürzen. Ohne den Blick von ihrem schönen Körper
zu wenden, legte er Olivia einen Arm um die Taille, um sie ins
Haus zu führen.
Kaum hatte er die Garagentür geöffnet, da ertönte ein
vielstimmiges: „Überraschung!“
Er sah sich seiner gesamten Familie gegenüber, entdeckte
Luftballons im Hintergrund, Luftschlangen. Erst nach einem
Moment erfassten alle die peinliche Situation. Tony sah seine
Mutter nach Luft schnappen, seinen Großvater leise lachen.
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Sein Bruder grinste breit.
Ihm selbst musste seine Fassungslosigkeit ins Gesicht
geschrieben sein. Aber er und Olivia standen wie angewurzelt
da. Erst als ihm bewusst wurde, dass sein sechsjähriger Neffe
Olivia anstarrte und seine Schwägerin ihrem Sohn die Augen
zuhielt, erwachte Tony aus seiner Erstarrung. Er schlug die Tür
zu. Dann versuchte er zu überlegen, was zu tun war.
„Ach du meine Güte!“
Olivia hielt die Hände vors Gesicht. Ihre Brust war noch immer
mehr oder weniger enthüllt. Und Tony wollte nichts sehnlicher,
als ihre kleine rosa Knospe mit dem Mund zu umschließen. Er
wünschte seine Familie sonst wohin, doch als er hinter der Tür
plötzlich hysterisches Gelächter hörte, wusste er, dass keiner
seiner lieben Verwandten von der Stelle weichen würde. Diese
Nervensägen!
„Ach du meine Güte!“, flüsterte Olivia erneut. Dann sah sie ihn
wütend an. „Du hast mir Abgeschiedenheit versprochen, Tony.
Da drinnen müssen an die fünfzig Leute sein!“
„Nein, höchstens zehn bis zwölf. Darunter mehrere lärmende
Kids.“
Entrüstet, wie sie war, schien sie überhaupt nicht zu merken,
dass ihre Kleidung noch immer in Unordnung war. Tony, der
sicherheitshalber die Türklinke umklammert hielt, falls jemand
auf die Idee kam, die Tür zu öffnen, wollte mit seiner freien Hand
ihre Brust streicheln. Olivia fuhr zurück.
„Tony!“
„Nur einen kleinen Vorgeschmack, okay? Dann lass ich mir
etwas einfallen.“
Sie schien nicht zu verstehen, was er meinte, und das war wohl
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der Grund, warum sie nicht protestierte.
Tony beugte sich vor, um mit der Zunge ihre Brustspitze zu
umrunden. Olivia schnappte nach Luft, und er begann, sacht zu
saugen. Ihre Knospe war so hart, dass es ihm fast den Verstand
raubte. Wieder und wieder fuhr er aufreizend mit der Zunge
darüber. Olivia stöhnte leise.
Gerade, als sie mit den Händen sein Haar durchwühlte, wurde
diskret an die Garagentür geklopft. „Du kannst gern
hereinkommen, Tony. Ich hab die Kinder zum Safttrinken in die
Küche geschickt.“
Fluchend lehnte Tony die Stirn gegen Olivias Dekolleté, wurde
jedoch abrupt beiseite gestoßen, als sie hastig ihren BH zu
richten begann und sich das Top zuknöpfte. „Beruhige dich,
Olivia, es ist alles in Ordnung.“
Hinter der Tür hörte er seinen Bruder sagen: „Ja, Olivia, alles in
Ordnung. Wir freuen uns, dass Sie hier sind, um mitzufeiern.“
„Verschwinde, John!“
„Okay. Aber in zwei Minuten bin ich zurück, wenn ihr bis dahin
nicht erschienen seid.“ Suchend blickte sich Olivia um, und Tony
merkte, dass sie an Flucht dachte. „Vergiss es. Sie werden
mich nicht entkommen lassen, und deshalb sitzt du auch fest.“
„Aber du willst das doch nicht“, jammerte sie. „Das ist deine
Familie, Tony, dein Privatleben. Und wir haben abgemacht,
dass ich mich da heraushalte.“
Tony seufzte. „Mir fällt schon etwas ein, wie ich meine Familie
ablenke. Bleib ganz cool. Sie brauchen nur zu erfahren, dass wir
Geschäftspartner sind und sonst nichts.“
„Ganz cool bleiben? Obwohl es keinen Zweifel daran gibt, was
wir in der Garage gemacht haben?“ Sie schüttelte den Kopf.
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„Nein. Ich gehe da nicht hinein.“
„Olivia …“
„Sie haben uns praktisch in flagranti ertappt!“
„Das geht sie nichts an. Wenn dir jemand frech kommt, dann
sag mir Bescheid, und ich werde ihm oder ihr den Kopf
waschen.“
Sie wirkte absolut nicht überzeugt. „Ich hab dich beruflich in
Aktion erlebt, Lady. Da wirst du doch wohl mit ein paar
neugierigen Verwandten fertig werden.“
Sie atmete tief durch und nickte.
Tony fluchte leise. Dann strich er zärtlich mit einem Finger über
ihre Unterlippe. „Hast du eine Ahnung, wie frustriert ich im
Moment bin? Wie sehr ich leide?“
Olivia schien langsam ihre Gelassenheit zurückzugewinnen.
„Nicht mehr als ich, nehme ich an. Schließlich war das Ganze
meine Idee. Du, wenn ich mich recht entsinne, hast nur ungern
eingewilligt.“
„Ich war ein Idiot.“ Er wandte sich zur Tür. „Ich nehme an, ein
paar Stunden kann ich durchhalten. Wie lange kann eine
Geburtstagsparty im Familienkreis denn schon dauern?“
Olivia versuchte, unbekümmert zu lächeln, während sich Tonys
Verwandte um sie scharten, um sie zu begrüßen. Tony stellte
sie mit erstaunlicher Offenheit vor. „Alle einmal herhören, das ist
Olivia Anderson. Wir sind Geschäftspartner, denn sie ist
Inhaberin der Dessous-Boutiquen in den Hotels. Und gerade
heute haben wir daran gearbeitet, die Eröffnung einer weiteren
Boutique voranzubringen.“
Olivia hielt den Atem an, doch niemand machte eine
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Bemerkung zu der offensichtlichen Verschleierung der
Tatsachen. Dann stellte Tony alle einzeln vor. Aber Olivia verlor
schnell den Überblick, obwohl sie sonst ein gutes
Namensgedächtnis hatte. Mit ein paar an Tony gerichteten
anzüglichen Bemerkungen zu den Geschäften, die er da
betrieb, widmeten sich die Männer anschließend im
Wohnzimmer einem Football-Spiel im Fernsehen und ließen sie
in Ruhe.
Die Frauen jedoch wollten sich mit ihr unterhalten. Da Tony mit
einem bedauernden Blick ins Wohnzimmer entschwunden war,
blieb Olivia nichts anderes übrig, als mit Sue, Tonys Mutter, zu
den anderen Frauen und Kindern in die Küche zu gehen.
Zu Olivias Überraschung stellte niemand neugierige Fragen.
„Tut mir leid, dass wir Ihre Pläne durchkreuzt haben“, meinte
Sue. „Tony wusste natürlich nichts von der Party. Und wir
wussten nicht, dass Tony etwas anderes vorhatte.“
Tonys Schwester Kate und seine Schwägerin Lisa brachen
gleichzeitig in lautes Gelächter aus.
„Sie hätten sein Gesicht sehen sollen!“, sagte Kate. „Es ist uns
wirklich gelungen, ihn zu überraschen.“
Olivia musste lächeln. Die beiden Frauen verstanden es
meisterlich, bei ihrer Arbeit in der Küche den hin und her
rennenden Kindern auszuweichen. „Es war ziemlich peinlich.“
Lisa lachte. „Für uns auch. John ist genau wie Tony und lässt
keine Gelegenheit aus, seinen Bruder zu ärgern.“
„Und mich triezen sie gemeinsam. Ohne Ende!“ Kate
schüttelte den Kopf. „Aber jetzt habe ich genug Munition, um
Tony mindestens einen Monat lang aufzuziehen.“
Olivia fand, dass es Zeit war, das Thema zu wechseln. „Kann
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ich Ihnen irgendwie helfen?“
Sue war dabei, aufgeschnittenen Schinken auf eine Platte zu
legen, Kate stellte Gläser und Servietten auf ein Tablett, und
Lisa versuchte, Kartoffelsalat auf Teller zu verteilen, während sie
auf dem anderen Arm einen Säugling hatte. Erleichtert wandte
sie sich zu Olivia um.
„Wenn Sie vielleicht das Baby halten könnten?“
„Ich, äh … Wie wär’s, wenn ich den Salat austeile? Ich habe
noch nie einen Säugling gehalten.“
„Das ist überhaupt kein Kunststück. Und er ist ein so lieber
Junge und wird Ihnen keine Mühe machen.“
Ehe Olivia eine andere Ausrede einfiel, hielt sie den Kleinen in
den Armen. Er war in eine hellblaue Decke gewickelt, und außer
einer winzigen Hand und einem rosa Gesichtchen war nichts
von ihm zu sehen. Als er zu zappeln anfing, drückte sie ihn
vorsichtig an sich, woraufhin er einen kleinen Seufzer von sich
gab. Olivia musste lächeln.
Dabei verspürte sie einen Stich in der Brust und wurde ganz
wehmütig.
Die Frauen verließen eine nach der anderen die Küche, um im
Esszimmer aufzudecken, und Olivia war froh, einen Moment
allein zu sein. Sie hatte noch nie ein so kleines Kind aus der
Nähe gesehen und war sehr neugierig. Sacht rieb sie ihre
Wange an seinem Köpfchen. Wie seidig der Haarflaum des
Kleinen war. Und wie er duftete. Nie zuvor hatte sie einen Duft
so süß, so ergreifend gefunden wie den des Babys. Gerade, als
sie erneut nahe an seinem Gesicht tief einatmete, kam Tony
herein.
„Was machst du da?“
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Sein alarmierter Ton ließ Olivia zusammenfahren. Doch ehe
sie etwas hätte sagen können, kam Lisa zurück und nahm ihr
den Kleinen dankend ab, um ihn schlafen zu legen.
Nachdem sie die Küche wieder verlassen hatte, flüsterte Tony
Olivia zu: „Findest du, dass das eine gute Idee war?“
Olivia begriff sofort, was er meinte. Nämlich, dass sie auch ein
Baby wollte, wenn sie erst einmal eins im Arm gehalten hatte.
Sie hätte ihm sagen können, dass er sich darum keine Sorgen
zu machen brauchte. Sie konnte sich das wünschen, solange
sie wollte, sie würde keins bekommen. Aber Leidenschaft
schien Tony ihr überreichlich schenken zu können. Was sie auf
der Herfahrt und in seiner Garage empfunden hatte … Es war
fast alles, was sie mit einem Mann zu erleben gehofft hatte.
Alles außer tiefer Liebe.
„Hätte ich etwa ablehnen sollen? Mit welcher Begründung?“
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Komm jetzt bitte mit.
Sie warten mit dem Essen auf uns.
„Das wird bestimmt eine unmögliche Situation, Tony.“
„Nein. Alles ist in bester Ordnung.“
Überzeugt klang das nicht, und Olivia fragte sich, ob John oder
Kate ihn schon aufgezogen hatten. Beim Betreten des
Esszimmers blickte Olivia sich um. Sie hatte bisher noch nicht
viel von Tonys Haus gesehen, doch sie war keineswegs
überrascht. Alles, angefangen vom Geschirr über die Möbel bis
hin zur Tapete bewies exzellenten Geschmack, ohne protzig zu
wirken. Tony prahlte nie mit seinem Geld, und abgesehen von
der Größe des Hauses hatte er bei der Einrichtung nur Wert auf
Gemütlichkeit und Zweckmäßigkeit gelegt.
Ein Raum schien in den anderen überzugehen, und es gab
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viele Fenster im Haus. Die Möbel waren alle aus hochpoliertem
Mahagoni. Als die kleine Maggie, die Olivia auf drei schätzte,
mit einer Hand am Büfett entlangstrich, hinterließ sie darauf eine
Schmierspur. Doch Tony nahm sie einfach hoch und warf sie in
die Luft. Die Kleine quietschte vor Vergnügen, schlang ihm die
Ärmchen um den Hals und gab ihm einen feuchten Kuss auf die
Wange. Dann setzte Tony Maggie in ihren Hochstuhl und nahm
selbst neben Olivia Platz. Die anderen Kinder riefen alle
durcheinander, weil sie auch von ihrem Onkel beachtet werden
wollten.
Wieder verspürte Olivia dieses Stechen in der Brust.
Sie wünschte sich verzweifelt diese eine heiße Affäre, um eine
gewisse Leere in sich auszufüllen. Denn sie würde ein
einsames Leben führen, ohne Kinder und ohne einen Mann, der
sie liebte. Nicht gewollt hatte sie jedoch, dass sie vorgeführt
bekam, was sie tatsächlich alles vermisste, quasi aus erster
Hand erfuhr, was ihr für immer versagt bleiben würde.
Während sie Tony beobachtete, wie er mit den Kindern lachte
und spielte, begriff Olivia, dass ihr ersehntes Liebesabenteuer
sie nur noch einsamer machen würde.
Während des Essens merkten die Kinder schnell, dass sie
leicht zu unterhalten war. Obwohl sie immer melancholischer
wurde, lachte sie über ihre Späße und hörte sich ihre
Geschichten an.
Tonys Familie akzeptierte sie und tat alles, damit sie sich
wohlfühlte. Wenn es auch nur ein kurzes Vergnügen sein konnte,
so genoss Olivia es, an einer Party im Familienkreis
teilzunehmen.
Dennoch fühlte sie sich die ganze Zeit über wie ein
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Eindringling. Und als sie den Berg bunt eingewickelter
Geburtstagsgeschenke in einer Ecke entdeckte, wurde ihr klar,
dass sie nicht bleiben konnte.
Sie entschuldigte sich, um sich frisch zu machen, und fand
dann schnell ein Telefon. Das Zimmer, in dem es stand, musste
Tonys Schlafzimmer sein, nach dem Inhalt des offen stehenden
Kleiderschrankes zu urteilen und dem Duft, der im Raum hing.
Wieder atmete sie tief und genüsslich ein. Dann nahm sie sich
zusammen. Auf der Bettkante sitzend, rief sie ein Taxi an.
Minuten später, als Tony nach ihr sah, saß sie noch immer auf
dem Bett.
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4. KAPITEL
Leise schloss Tony die Schlafzimmertür hinter sich. Olivia sah
hoch, und ihre Blicke trafen sich. „Versteckst du dich etwa?“
„Was glaubst du?“
„Nein, ich glaube nicht, dass du dich verstecken würdest. Was
machst du also hier drinnen?“
Olivia stand auf. Sie kam sich idiotisch vor, wie ein Feigling.
„Ich habe ein Taxi bestellt. Denn ich finde, es ist höchste Zeit,
nach Hause zu fahren.“
Aufseufzend lehnte sich Tony gegen die Tür. „Du lässt mich
also noch einen Tag warten, Olivia?“
Sein heiserer Ton und sein kaum unterdrücktes Verlangen
ließen ihr Herz schneller schlagen. „Das … ist nicht der rechte
Zeitpunkt, Tony. Du weißt das.“
Sein Blick war heiß und begehrlich. „Ich könnte dich sehr
schnell umstimmen, Honey.“
Darauf möchte ich wetten, dachte Olivia. Es fiel ihr nicht leicht,
unnachgiebig zu bleiben. „Wenn ich jetzt aufbreche, schöpfen
sie vielleicht keinen Verdacht …“
„Olivia, sie haben gesehen, dass ich deine Brust geküsst
habe. Ein wenig Verdacht haben sie da bestimmt schon
geschöpft, könnte ich mir vorstellen.“
„Das haben sie nicht gesehen.“
„Mag sein. Aber dein Top war ganz schön verrutscht.“
Olivia mühte sich, ruhig und gelassen zu atmen. „Vielleicht
kommen sie zu dem Schluss, dass sie sich geirrt haben, wenn
ich jetzt nach Hause fahre. Wenn ich bis zuletzt bleibe, werden
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sie annehmen, dass wir die Nacht miteinander verbringen, und
genau das wollten wir vermeiden. Keine Spekulationen, keinen
Klatsch. Keinen Skandal. Erinnerst du dich?“
„Ja, aber …“
Es klopfte. „Alles in Ordnung da drinnen?“, rief John. Tony
schloss die Augen. Seine Verärgerung war ihm deutlich
anzusehen. „Ich bringe ihn um.“ Olivia hätte ihm gern dabei
geholfen.
„Wir kommen gleich, John. Und wenn du noch einmal an diese
verdammte Tür klopfst, dann werde ich dich verklopfen.“
„He! Ich wollte dir nur sagen, dass der Kuchen angeschnitten
werden soll.“
„Das hast du hiermit getan. Und jetzt verschwinde!“
Olivia rieb sich die Stirn. Sie hatte das Ganze nur noch
schlimmer gemacht. Lieber Himmel, Tonys Bruder hatte sie
beide im Schlafzimmer ertappt. „Wie dieser Mann ein so süßes
Baby zustande gebracht hat, ist mir ein Rätsel.“
Zu ihrer Überraschung lachte Tony auf. „John ist in Ordnung.
Glaub mir, wenn er wüsste, wie die Dinge liegen, würde er mich
nicht nerven.“
„Nein?“
Langsam schüttelte Tony den Kopf, während er zu ihr
hinüberging und sie an sich zog. „Nein. Er wäre sehr
verständnisvoll.“ Er sah ihr tief in die Augen. „Ich will dich,
Olivia.“
Sein Eingeständnis versetzte ihr einen Stich. „Morgen?“
Er bedeckte ihr Gesicht und ihren Hals mit unzähligen kleinen
Küssen. Mit der Zungenspitze kitzelte er ihren Mundwinkel. „Wie
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wär’s am Vormittag? Du wirst mich doch nicht bis abends
warten lassen, oder?“
Olivia dachte, dass ihr alles recht sein würde, wenn er nur nicht
aufhörte, sie so zart zu küssen und dabei ihren Rücken zu
streicheln.
„Wo?“
„Keine Ahnung. Aber ich werde mir etwas überlegen, okay? Ich
hole dich wieder ab. Gegen zehn?“
„Schön.“ Sie zwang sich zu ignorieren, wie sinnlich und
romantisch alles mit Tony war, und sich ganz auf ihre
Abmachung zu konzentrieren. Diese Affäre war nur von kurzer
Dauer. Tony wollte sie nicht als Lebensgefährtin. Er wollte sich
ihrer nur bedienen, genau wie sie sich seiner. „Du brauchst dir
keine Sorgen zu machen, Tony. Wir haben noch Zeit. Ich sollte
noch ein paar Tage lang empfängnisbereit sein.“
Kaum hatte sie das gesagt, da küsste er sie tief und innig,
liebkoste aufreizend mit der Zunge ihre Zunge. Ein Kuss, der ihr
die Nacht verkürzen helfen sollte.
Leider glühten ihre Wangen noch immer, als sie gleich darauf
ins Wohnzimmer zurückkehren musste. Zum Glück war das
Licht
ausgeschaltet,
und
nur
die
Kerzen
auf
dem
Geburtstagskuchen
brannten.
Weil
John
neben
dem
Lichtschalter stand, war das wohl seine Idee. Er zwinkerte Tony
zu, und Olivia kam zu dem Schluss, dass er vielleicht doch ganz
nett war.
Kates Töchter, Angie und Allison, vier und fünf Jahre alt, stritten
sich, wer beim Geburtstagsständchen am lautesten singen
konnte. Und Johns Sohn, der sechsjährige Luke, wollte
unbedingt den Kuchen anschneiden und servieren. Obwohl
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Olivia erklärte, dass sie weg müsse, bestanden alle darauf,
dass sie wenigstens noch ein Stück Kuchen aß. Wie viel Spaß
hätte die Party gemacht, wenn sie wirklich dazugehört hätte …
Zu ihrer Überraschung wollten die Kinder sie zum Abschied
alle umarmen, und die Erwachsenen versicherten ihr, dass sie
sich sehr freuen würden, sie bald einmal wiederzusehen. Damit
nicht genug, denn zu ihrem Kummer lud Tonys Mutter sie zum
Essen an Thanksgiving ein.
Olivia murmelte ein lahmes „Vielen Dank, aber ich weiß noch
nicht, ob ich kommen kann“, ehe sie zu dem inzwischen
vorgefahrenen Taxi hinauseilte.
Tony holte sie auf der Verandatreppe ein. „Tut mir leid, Olivia.
Ich weiß, dass der Abend nicht leicht für dich war.“ Beim Anblick
des Taxis fluchte er leise. „Ich sollte dich zumindest nach Hause
fahren.“
„Das ist schon in Ordnung, Tony. Du kannst ja wohl schlecht
deine eigene Geburtstagsparty verlassen.“
Als er seine Brieftasche zückte, um das Fahrgeld zu
übernehmen, lehnte Olivia energisch ab.
„Wirst du mir dann wenigstens den Gefallen tun und mich
anrufen, sobald du im Haus bist?“
Sprachlos starrte Olivia ihn an. Sie war es gewöhnt, auf sich
aufzupassen, und seine Bitte erschien ihr einfach absurd.
„Warum?“
„Damit ich weiß, dass du gut angekommen bist.“
„Tony, du kannst unmöglich damit anfangen, dich für mich
verantwortlich zu fühlen. Das ist gegen unsere Abmachung. Ich
komme bestens allein zurecht. Also mach dir keine Sorgen.“
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„Ruf mich an.“
Er war genauso unerbittlich wie sie selbst. Und obwohl es
sicher keine gute Idee war, gab Olivia nach. „Na schön.“
„Danke.“ Er grinste breit.
„Ein bescheidener Gewinner bist du nicht gerade, Tony.“
„Ich habe doch noch gar nicht gewonnen. Da wären noch
meine lieben Verwandten, die mich mit neugierigen Fragen
löchern werden, sobald ich wieder hineingehe. Jetzt, wo du weg
bist und nicht mehr gekränkt werden kannst, werden sie sich
keinen Zwang antun, wie immer.“
Da sie wusste, wie gut er sich mit seiner Familie verstand,
hatte sie absolut kein schlechtes Gewissen, ihn seinem
Schicksal zu überlassen. Sie stieg in ihr Taxi, und Tony beugte
sich zu ihr herunter, um ihr noch schnell einen Kuss zu geben.
„Morgen, Olivia, da werde ich gewinnen.“
Als er beiseitetreten wollte, hielt sie ihn fest, um ihn noch
einmal zu küssen, diesmal länger und inniger. „Wir werden
beide gewinnen“, flüsterte sie ihm zu.
Tony lachte leise. Dann schauten sie beide zufällig zum Haus
hinüber. Und da stand vor der Eingangstür, aufgereiht wie zu
einem Klassenfoto, Tonys gesamte Familie. Und selbst im
schwachen Mondlicht sah Olivia genau, dass sie alle amüsiert
grinsten.
Ein Blick auf seinen Wecker sagte Tony, dass es erst sieben
Uhr morgens war und er noch nicht aufzustehen brauchte, da er
Olivia ja erst um zehn treffen würde. Also blieb er liegen und
dachte an sie und an alles, was sich am Vorabend ereignet
hatte. Ihre Verletzlichkeit in Gegenwart seiner Familie weckte
Gefühle in ihm, die er sich nicht eingestehen wollte –
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besonders, weil er viel lieber die prickelnde Lust genoss, die
sie in ihm entfachte.
Die ganze Nacht über war er in Gedanken bei Olivia gewesen.
Es war unglaublich, aber inzwischen begehrte er sie wie keine
Frau zuvor. Natürlich war sie so vollkommen anders als die
Frauen, die er kannte. Sie stellte Forderungen, brachte jedoch
auch Gegenleistungen. Sie war eine kühle Geschäftsfrau, aber
fair und ihren Mitarbeitern gegenüber großzügig. Ein Grundsatz,
an dem auch er festhielt.
Sie hatten eigentlich viel miteinander gemein.
Und dennoch gab es jede Menge Gründe, warum er sich nicht
näher mit ihr einlassen konnte. Genau die Dinge, die er an ihr
bewunderte, machten sie für eine gefühlsmäßige Beziehung
ungeeignet. Er wollte ein Baby, dem er seine ganze Liebe
geben konnte.
Olivia wollte ein florierendes Geschäft. Sie hatte ja zugegeben,
dass sie sich keine Familie wünschte und keine Zeit dafür hatte.
Und obwohl es ihn begeisterte, dass sie im Rahmen einer
geschäftlichen Vereinbarung zugestimmt hatte, ein Baby von
ihm zu bekommen, unterstrich es einmal mehr, dass ihr Beruf
noch immer das Wichtigste in ihrem Leben war. Ihm dagegen
war nun ein Kind wichtiger. Das musste er sich immer wieder
vergegenwärtigen.
Im Haus war es kühl, als Tony schließlich aufstand, um sich
Kaffee zu kochen. Da er bloß Boxershorts anhatte, begann er zu
frösteln. Aber vielleicht würde das ihm helfen, einen klaren Kopf
zu behalten.
Während das Wasser durch den Filter der Kaffeemaschine
lief, ging er ins Bad, um sich das Gesicht zu waschen und
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Zähne zu putzen. Heute, dachte er mit Blick auf sein
Spiegelbild, wird mit Olivia alles glatt über die Bühne gehen.
Keine weitere Einmischung vonseiten seiner Familie, und er
würde Olivia auch kein Baby mehr im Arm halten sehen mit
einem Gesichtsausdruck, der ihm ans Herz ging. Er würde sich
ins Gedächtnis rufen, dass ihre Liaison Mittel zum Zweck war.
Sie hatten eine Vereinbarung getroffen, und mehr konnte es
nicht sein. Nicht wenn er aus diesem Abenteuer heil
herauskommen wollte – ohne gebrochenes Herz und ohne den
Verstand verloren zu haben.
Tony hatte sich gerade seine erste Tasse Kaffee
eingeschenkt, als es klingelte. Barfuß ging er zur Haustür und
sah durch den Spion Olivia vor der Tür stehen. Es war gerade
Viertel vor acht, und sein erster Gedanke war, dass sie
hergekommen war, um abzusagen, weil sie vielleicht plötzlich
eine Geschäftsreise machen musste. Eine Vorstellung, die ihm
gar nicht behagte.
Ohne zu bedenken, dass er fast nichts anhatte, riss er die Tür
auf. Olivia starrte einen Moment lang seine nackte Brust an,
dann ließ sie den Blick an ihm hinabgleiten, ehe sie ihm ins
Gesicht sah.
„Du bist ganz schön behaart.“ Zögernd legte sie ihm die flache
Hand auf die Brust, genau auf sein heftig klopfendes Herz. Sie
streichelte ihn, ließ die Finger durch sein Brusthaar gleiten. „Es
gefällt mir“, flüsterte sie atemlos.
Tony erwiderte nichts. Er war sich nicht sicher, ob er einen Ton
herausgebracht hätte. Und dann sah sie mit großen Augen
strahlend zu ihm auf. „Ich konnte nicht warten.“
Er war wie vom Schlag gerührt. Seine Hand zitterte, als er
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seine Kaffeetasse auf ein Tischchen stellte und Olivia ins Haus
zog. Er musste sich vergewissern, ob er richtig gehört hatte.
„Olivia?“
„Ich weiß, wir wollten uns um zehn treffen, aber wir haben heute
beide frei, oder? Und ich fand es schrecklich, noch warten zu
müssen. Ich konnte letzte Nacht nicht schlafen …“
„Ich auch nicht.“
Tony fasste es nicht, dass sie hier war, schüchtern und
entschlossen zugleich aussah, und er begehrte sie so sehr wie
noch nie etwas in seinem Leben. Dass er sich gerade eben
noch vorgenommen hatte, Abstand zu wahren, spielte keine
Rolle mehr. Er spürte, wie sie die Schultern straffte, um ihm ins
Gesicht zu sehen. Dieser Anflug von Herausforderung war so
typisch für sie, so liebenswert. So verdammt sexy.
Während er immer erregter wurde, warf Olivia die Haustür
hinter sich zu und stellte eine kleine Reisetasche ab. „Tja, wie
du siehst, bin ich heute Morgen ein wenig wagemutig. Aber es
ist ja anzunehmen, dass dein Haus jetzt sicher ist. Ich meine,
der Blitz schlägt nie zweimal an der gleichen Stelle ein, oder?“
Er wusste nicht, was er antworten sollte, weil er von ihrem
sehnsüchtigen Blick abgelenkt wurde und ihren leicht bebenden
Lippen.
Sie schluckte. „Ich möchte nicht, dass du denkst, ich will die
ganze Nacht bleiben, aber ich musste etwas zum Anziehen
mitbringen für später … Falls wir den ganzen Tag zusammen
verbringen.“
Ehe er ihr das hätte bestätigen können, redete sie weiter. „Oje,
ich verpatze das gründlich. Du erinnerst dich doch sicher, dass
in dem Buch stand, dass wir es nach ein paar Stunden noch
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einmal versuchen sollten, und da dachte ich …“
„Pst.“ Er konnte sich kaum beherrschen, sie nicht sofort in sein
Schlafzimmer zu tragen. Ihre Art, diese seltsame Mischung aus
Scheu und Mut, machte ihn verrückt vor Verlangen. „Ich dusche
ganz schnell und …“
„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe lange genug
gewartet, Tony, und will mich keine Sekunde länger gedulden.“
Ihr Blick blieb an seinen Boxershorts hängen, die seine heftige
Erregung kaum verbargen. Noch ein freimütiges Eingeständnis
von ihr, und die Shorts würden ihn gar nicht mehr bedecken. Er
wollte, dass sie ihn berührte, er wollte … „Ich muss mich
wenigstens rasieren, Honey, damit ich dich nicht kratze.“
Als Antwort darauf begann Olivia, ihren Mantel aufzuknöpfen.
Tonys Puls beschleunigte sich. Zunächst kam ihr Dekolleté zum
Vorschein, ihr zarter Brustansatz. Doch beim nächsten gelösten
Knopf merkte Tony, dass sie überhaupt nicht angezogen war,
sondern nur den Teddy trug, den er am Vorabend in ihrem
Laden bewundert hatte.
Ich hätte es mir denken können, schoss es ihm durch den
Kopf, während er ihren wohlgeformten Körper anstarrte. Er hatte
bezweifelt, dass sie die verführerische Wäsche, die sie
verkaufte, selbst trug, und jetzt bewies sie ihm, dass sie einfach
hinreißend darin aussah. Und plötzlich war alles zu viel für ihn.
Ungeduldig schob er ihr den Mantel über die Schultern und ließ
ihn achtlos zu Boden fallen, sodass ihre kleine Enthüllungsshow
abrupt endete. Dann hob er sie kurzerhand auf die Arme. Er
spürte ihre schlanken Schenkel, die sich gegen seinen
Unterarm pressten, ihre weichen Brüste an seiner Brust und
stöhnte auf.
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Weil es ihm bis zu seinem Schlafzimmer zu weit war, eilte er
ins Wohnzimmer und ließ sich mit ihr auf die Couch fallen. Mit
ungezügelter Wildheit eroberte er ihren Mund und begann ihre
weichen weiblichen Rundungen mit den Händen zu erkunden.
Ihm war klar, dass er zu hastig vorging, doch er konnte sich nicht
mehr bremsen.
Sie erschauerte, als er über ihren Po strich, die Hand von
hinten zwischen ihre Beine schob. Die drei kleinen Druckknöpfe
des Teddys waren schnell gelöst, und dann konnte er
ungehindert mit den Fingern die geheimsten Winkel ihres
Körpers erforschen. Er fing an, sie zu streicheln, spürte, wie sie
immer erregter wurde. Dass er nicht augenblicklich völlig die
Kontrolle über sich verlor, war das reinste Wunder. Sie atmete
schnell und flach, umklammerte seine Schultern.
Aufstöhnend löste sich Tony von ihrem Mund, weil er ihre Haut
schmecken, ihren Duft einatmen wollte. Sie war einfach überall
weich und zart, angefangen von ihrem offenen Haar, das seine
Wangen streifte, bis hin zu ihren schlanken Schenkeln, die sie
bereitwillig spreizte, als er mit seinen erotischen Erkundungen
fortfuhr, um sie weiter zu entflammen.
Mit der Zunge strich er über dem durchscheinenden Stoff des
Teddys über eine harte Knospe. Als er daran saugte, bog sich
Olivia ihm verlangend entgegen. Die kleinen kehligen Laute, die
sie ausstieß, stachelten ihn an. Behutsam drang er mit einem
Finger in sie ein, bewegte ihn hin und her, spürte, dass sie
bereit für ihn war. Sie stöhnte vor Lust, und da konnte Tony nicht
länger an sich halten.
Hastig zog er seine Shorts aus und kniete sich zwischen ihre
Schenkel. Ihre Blicke kreuzten sich, und ihr Augenausdruck,
diese Mischung aus Verletzlichkeit, brennendem Verlangen und
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stummer Aufforderung, raubte ihm endgültig den Verstand. Er
küsste sie wild und zügellos, während er eins mit ihr wurde.
Mit einem einzigen harten Stoß glitt er tief in sie hinein.
Geradezu besessen davon, zum Ziel zu kommen, begann er,
sich im uralten Rhythmus der Liebe in ihr zu bewegen. Er hörte
Olivia keuchen, spürte, wie sie sich seinen Bewegungen
anzupassen versuchte, obwohl die Couch ihr nicht viel
Spielraum dazu gab. Gefühle stürzten auf ihn ein, die er nie
zuvor empfunden hatte, so als würde er mit diesem Akt einen
ureigenen Besitzanspruch geltend machen.
Er schob eine Hand unter ihre Hüften, um sie an sich zu
pressen, zwang sie so, ihn vollkommen in sich aufzunehmen,
hinderte sie daran, sich ihm auch nur ein klein wenig zu
entziehen. Sie stöhnte auf, umschloss ihn eng, kam ihm hungrig
entgegen. Da gipfelte seine Erregung in einem so intensiven
Höhepunkt, dass ihm fast die Sinne schwanden.
Dennoch war ihm bewusst, als er befreit aufschrie, dass Olivia
ihn fasziniert beobachtete. Er warf den Kopf zurück, während ihn
immer neue Wellen der Lust durchfluteten, bis er sich schließlich
nach Atem ringend auf sie fallen ließ.
Zögernd schlang Olivia ihm die Arme um den Nacken und fuhr
ihm mit den Fingern durchs Haar. Und als sie zart seine Schläfe
küsste, eine unglaublich süße, unschuldige Liebkosung, da
wurde ihm klar, dass er sie eben ganz erbärmlich ausgenutzt
hatte, dass er die Bedingungen ihrer Vereinbarung völlig außer
Acht gelassen hatte. Er hatte überhaupt nicht mehr an diese
verdammte Vereinbarung gedacht. Himmel, er hatte ihr keine
erotischen Hochgefühle verschafft.
Er hatte ihr nichts gegeben, außer der ungezügelten Lust eines
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Mannes.
Olivia merkte, dass Tony sich verspannte, und ahnte, was in
ihm vorging. Sie umarmte ihn fester. Er entzog sich ihr nicht,
hob jedoch den Kopf. Obwohl sie sich seltsam befangen fühlte,
blickte sie ihm in die Augen und lächelte ihn an.
Er seufzte auf. „Es tut mir leid.“
Sie legte ihm zwei Finger auf den Mund, um ihn vom Sprechen
abzuhalten. Doch er begann sofort, ihre Finger zu küssen, und
sie konnte nicht widerstehen, sich mit einem Kuss zu
revanchieren. „Verdirb mir diesen Moment nicht, indem du dich
unnötigerweise entschuldigst, Tony. Bitte.“
Ehe sie wusste, wie ihr geschah, war er mit der Zunge in ihren
Mund vorgedrungen und liebkoste sie aufs Innigste. Dabei
drängte er sich erneut an sie. Olivia wurde augenblicklich von
einem wohligen Prickeln erfasst.
„Ich habe schon alles verdorben, Honey. Und du verdienst viel
mehr als eine Entschuldigung.“
Es war das zweite Mal, dass er sie „Honey“ genannt hatte, und
es gefiel ihr. Denn seitdem ihre Eltern gestorben waren, hatte
ihr niemand mehr einen Kosenamen gegeben. Bisher hatte sie
gar nicht gewusst, dass sie das vermisst hatte.
„Warum entschuldigst du dich eigentlich?“
„Weil ich den Kopf verloren habe. Du hast nichts von mir
bekommen.“
„Stimmt nicht.“ Oh, wie aufregend war es, seinen kräftigen,
schlanken Körper an sich zu spüren, seine festen Muskeln,
seine sehnigen, langen Beine. Sie umarmte Tony noch fester
und rieb ihre Nase an seiner Brust. Er duftete immer so gut, so
sexy. So, wie eben nur er duftete. Es machte sie ganz
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benommen. „Meinetwegen hat bisher noch kein Mann den Kopf
verloren, Tony. Ein ganz schönes Gefühl, finde ich.“
Er lachte auf. „Das liegt wohl daran, dass ich noch nie ohne
Kondom mit einer Frau geschlafen habe. Dich ganz und gar zu
spüren, war absolut berauschend.“
Sein Geständnis überwältigte sie. „Noch nie?“
„Nein, ich war immer vorsichtig, schon als Teenager. Aber du
bist selbst auch ein wenig schuld an meiner Eile, weil du in
diesem Outfit hier aufgekreuzt bist.“ Er strich mit einer Hand
über den Teddy, der ihr nun um die Taille hing. „Ich wäre vorhin
fast vergangen, als du deinen Mantel aufgeknöpft hast. Am
liebsten hätte ich dich gleich hinter der Haustür genommen.“
Und er glaubte, er habe ihr nichts gegeben? Mit wild
klopfendem Herzen küsste Olivia Tony noch einmal. Als er sich
von ihr löste, merkte sie überdeutlich, dass er erneut voll erregt
war.
Tony betrachtete sie derart eingehend, dass es ihr schwerfiel
zu sprechen. Aber aus irgendeinem Grund wollte sie ihm
unbedingt sagen, was sie dachte. „Ich hatte schon Angst, du
würdest lachen, weil ich in dem Teddy lächerlich aussehe. Denn
eigentlich findet mich niemand sexy.“
„Du bist so sexy, dass es verboten werden müsste.“
„Tony …“ Seine Komplimente ließen ihr den Kopf schwirren.
„Es bleibt unser kleines Geheimnis, okay?“ Zärtlich strich er
über die leichten Rötungen auf ihrer Haut, die von seinen
Bartstoppeln herrührten, über ihren Hals, ihre Brüste. Er hielt
inne, um mit ihren Knospen zu spielen, bis sie lustvoll
aufstöhnte. Olivia ersehnte nichts mehr, als sofort noch einmal
mit ihm zu schlafen.
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Aber unvermittelt stand Tony auf. „Ich muss duschen und mich
rasieren. Denn ich möchte deine Haut nicht noch mehr reizen.“
Noch ehe sie hätte protestieren können, hatte er sie erneut auf
die Arme gehoben und drückte sie fest an sich. Auch daran
könnte sie sich gewöhnen.
„Sie können mit mir duschen, Miss Anderson. Danach werde
ich mich ausgiebig um Sie kümmern.“
„Bisher haben Sie Ihre Sache sehr gut gemacht, Mr Austin.“
„Du hattest keinen Höhepunkt.“
Ihr wurde heiß. Seine unverblümte Art, die Dinge beim Namen
zu nennen, erregte sie, obwohl es ihr peinlich war. „Ich … ich
hatte mein Vergnügen. Aber ich soll ja wohl noch eine Weile
bleiben.“
„Ich verspreche dir, dass du noch mehr Vergnügen haben
wirst, wenn ich dich erst richtig verwöhne.“
Er schien entschlossen, ihre Forderungen zu erfüllen, während
sie es mittlerweile schrecklich fand, sie überhaupt gestellt zu
haben. Sie wollte nicht, dass es nur um reine Befriedigung ging,
um Berührungen, die stimulieren sollten, während Gefühle
jedoch außen vor blieben. Denn es waren die Gefühle, die ihr
Beisammensein so schön gemacht hatten. Aber das konnte sie
Tony unmöglich sagen, nicht, nachdem sie ihm erklärt hatte, sie
wolle seine exzellenten Liebestechniken kennenlernen.
Als er sie in der Dusche absetzte, fiel Olivia etwas ein. „Hieß
es nicht, dass wir ein paar Stunden warten sollten, ehe wir das
Ganze wiederholen? Um dir Zeit zur Regeneration zu geben?“
Tony trat hinter ihr in die Duschkabine und zog ihr den Teddy
über den Kopf. Dann warf er ihn auf den Fußboden des
Badezimmers. Fasziniert ließ er den Blick über ihren nackten
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Körper schweifen, und das gab ihr Gelegenheit, ihn ebenfalls
ausgiebig zu betrachten. Er war einfach fantastisch gebaut. Als
sich ihre Blicke kreuzten, spiegelten seine grünen Augen mehr
Leidenschaft wider, als sie es sich je hatte erträumen können.
Tony zog sie an sich, sodass sich ihre Körper von der Taille
abwärts berührten. Den Beweis seines Verlangens hart und
heiß an ihren Bauch zu spüren machte Olivia atemlos vor
Erwartung. „Diesmal lasse ich mir Zeit, Honey. Das verspreche
ich dir.“
Ihr Herz klopfte heftig, und sie war unfähig zu sprechen.
„Man nennt das Vorspiel, Olivia. Ich werde dich für den
verpassten Höhepunkt entschädigen – überreichlich. Wir haben
alle Zeit der Welt.“
Dreißig Minuten später, als sie auf seinem Bett lagen, ahnte
Olivia, dass sie Sinnenlust dieser Intensität unmöglich mehrere
Stunden hintereinander ertragen würde. Tony war gerade dabei,
ihre eine Knospe spielerisch mit der Zunge zu reizen, während
er eine Hand über ihren Bauch wandern ließ und dabei immer
wieder zwischen ihre Schenkel glitt, bis sie vor Verlangen
stöhnte und keuchte.
Lachend tat er ihr leises Flehen ab, während er sein
erregendes Fingerspiel nicht eine Sekunde unterbrach. „Warte
ab, Sweetheart. Es wird noch schöner.“
„Nein. Ich halte es nicht länger aus, Tony.“ Aber sie war zu
unerfahren, um sich das Ende dieser süßen Tortur vorstellen zu
können.
Zart küsste Tony ihre leicht geöffneten Lippen. „Vertrau mir
einfach, okay?“
Als er eine heiße Kussspur über ihren Bauch zog, wurde sie
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nur noch von dem Gedanken beherrscht, endlich Erfüllung zu
finden. Jeder Nerv in ihr war angespannt, ihr ganzer Körper
schien zu glühen. Bereitwillig ließ sie Tony weit ihre Beine
spreizen, bot sich seinem Blick ohne jede Scham dar. Sie
spürte seinen warmen Atem, die feuchte Berührung seiner
Zunge und dann seine heißen, glatten Lippen an ihrem
empfindsamsten Punkt.
Nein, sie würde das nie überstehen. Sie bäumte sich auf.
Lustgefühle stürzten derart intensiv auf sie ein, dass sie
hemmungslos aufschrie. Er umspannte ihren Po mit beiden
Händen fester, zwang sie auf diese Weise, sich weiterhin seiner
zärtlichen Folter hinzugeben.
Und plötzlich schien sie nur noch aus unbeschreiblicher Lust zu
bestehen
und
wurde
von
Wellen
pulsierender
Hitze
davongetragen, die ihren ganzen Körper durchströmten. Tony
fuhr die ganze Zeit fort, sie zu liebkosen, und als die Schauer
der Ekstase langsam verebbten, redete er leise auf sie ein, bis
sie sich beruhigte.
Als Olivia die Augen öffnete – was sie große Anstrengung
kostete –, lag Tony wieder neben ihr und streichelte ihre Brust.
Er sah sie höchst interessiert an und fragte rundheraus: „Du
hattest noch nie einen Höhepunkt, stimmt’s?“
Vor Schreck schloss sie die Augen wieder. Leise lachend
küsste Tony ihre Nase. „Versteck dich nicht vor mir, Olivia.
Rede mit mir.“
„Reden ist nicht vorgesehen.“
„Nein? Keine Sorge. Es wird nicht lange dauern, bis wir noch
einmal miteinander schlafen. Aber gib mir erst einmal eine
Antwort auf meine Frage.“
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Leicht verstimmt, weil er hartnäckig auf seiner sehr
persönlichen Frage bestand, erwiderte sie: „Es erschien mir nie
besonders wichtig. Zudem habe ich dir doch erzählt, dass
meine beiden diesbezüglichen Versuche scheiterten.“
„Deine beiden Versuche mit einem Partner. Das bedeutet ja
nicht, dass du nicht selbst …“
Erst jetzt merkte sie, worauf er anspielte. Sie musste ihn
unbedingt ablenken. „Müsstest du jetzt nicht erregt sein?“
Sein Lächeln besagte, dass sie ihm nichts vormachen konnte.
Um jedoch ihre Frage zu beantworten, nahm er ihre Hand und
führte sie an sich hinab, damit sie ihn umschloss. Genüsslich
schloss er für einen kurzen Moment die Augen. „Du siehst, ich
bin ziemlich erregt. Aber ich genieße dich auch gründlich.“
„In Verlegenheit bringst du mich, das tust du.“
„Warum? Weil ich mich wie der geschickteste Liebhaber weit
und breit fühle? Du hast geschrien, Olivia.“ Er drehte ihren Kopf
zu sich herum. „Schau mich an, Honey.“
Sie tat es. Die Zärtlichkeit in seinem Blick nahm ihr den Atem.
„Ich freue mich, dass ich dir etwas schenken konnte, was du
noch nicht kanntest. Das macht das Ganze zu etwas
Besonderem.“
„Tony.“ Sie drängte sich an ihn, begehrte ihn erneut glühend
und wollte keinen Moment länger warten.
Und dann klingelte es.
Tony schien es zunächst überhören zu wollen. Doch als
anschließend nachdrücklich an die Tür gehämmert wurde, stand
er fluchend auf. Schnell zog er seine Jeans an. „Bleib liegen,
Olivia. Ich bin sofort zurück.“
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Nachdem er aus dem Zimmer gestürmt war, sprang Olivia aus
dem Bett und schlang das Laken um sich. Sie spähte auf den
Flur und schlich dann ein Stückchen Richtung Haustür, um zu
sehen, wer so früh am Morgen gekommen war. Es war Tonys
Bruder, John, der mit dem Baby auf dem Arm an der Tür stand
und sehr besorgt aussah.
„Ich weiß, der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig, Tony …“
„Du ahnst nicht, wie ungünstig.“
„Doch. Ich sah den Wagen und nehme an, Olivia ist hier.“ Tony
verschränkte die Arme vor der nackten Brust. „Was willst du,
John?“
„Es tut mir furchtbar leid, wirklich. Wenn es eine andere
Möglichkeit gäbe, wäre ich bestimmt nicht hier. Aber Mom und
Kate machen heute Morgen einen Einkaufsbummel, und ich
muss Lisa sofort ins Krankenhaus fahren.“ Er erklärte, dass sie,
nachdem sie sich schon am Vorabend nicht wohlgefühlt habe, in
der Nacht hohes Fieber bekommen habe, gehustet habe und
nur schwer habe atmen können. „Tony, ich kann doch im
Krankenhaus nicht auf meine drei Kinder aufpassen und mich
gleichzeitig um Lisa kümmern.“
Sofort nahm Tony ihm das Baby ab. „Glaubst du, es ist etwas
Ernstes mit Lisa?“
„Keine Ahnung, hoffentlich nur eine Grippe, aber …“
„Mach dir keine Sorgen. Natürlich nehme ich dir die Kids ab.
Wo sind denn die beiden anderen?“
„Im Wagen bei ihrer Mutter. Ich war mir ja nicht sicher, ob du zu
Hause bist. Ich rechne es dir hoch an, Tony, dass du
einspringst, auch wenn du uns wahrscheinlich alle zum …“
„Sei nicht albern, John. Kümmere dich um Lisa, und halt mich
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auf dem Laufenden, okay?“
Als John die Kinder holen ging, ein Paket Windeln und einiges
andere, eilte Tony ins Haus zurück und wäre dabei fast mit
Olivia zusammengestoßen. In der linken Hand hatte er die
kleine Reisetasche, die sie mitgebracht hatte, im rechten Arm
das Baby. Er sagte nichts dazu, dass sie hinter ihm herspioniert
hatte, sondern ging geradewegs ins Schlafzimmer.
„Du hast alles gehört?“
Seine Besorgnis war unschwer zu verkennen, und Olivia stellte
einmal mehr fest, wie eng er mit seiner Familie verbunden war.
„Ja. Kann ich irgendwie helfen?“
Er schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Babe. Hier, kannst du dich
schnell anziehen?“ Kaum hatte er ihr ihre Tasche in die Hand
gedrückt, da lief er schon ins Wohnzimmer, um John die Kinder
abzunehmen. Seufzend schloss Olivia die Tür. Offenbar wollte
Tony, dass sie nach Hause fuhr. Denn er wollte sie ja nicht mit
seiner Familie zusammenbringen. Aber es schmerzte trotzdem.
Während sie miteinander schliefen, hatte sie alles um sich
herum vergessen, einschließlich ihrer absurden Vereinbarung.
Trotz all der Gründe, die sie hatte, Tony nicht zu nah zu
kommen, wollte sie jetzt bleiben und helfen. Sehr gern sogar.
Ihr Körper prickelte noch immer von der sinnlichen Qual, die
Tony ihr so gekonnt bereitet hatte, aber Olivia schaffte es, ihre
Bundfaltenhose und einen Pullover anzuziehen, ehe er ins
Schlafzimmer zurückkam. Er hielt das Baby noch immer im
Arm, was ihn jedoch nicht daran hinderte, sie mit dem freien
Arm an sich zu ziehen.
„Verdammt, was ich aber auch für ein Glück habe.“
„Die Welt scheint sich gegen uns verschworen zu haben.“ Er
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küsste sie flüchtig auf den Mund. Dann fragte er zu ihrer
Überraschung: „Kannst du bleiben?“ Olivia wusste nicht, was sie
sagen sollte.
„Unsere Pläne sind zwar durchkreuzt, und vielleicht müssen wir
die Kinder sogar über Nacht behalten. Aber es macht mir
Sorgen, dass Lisa plötzlich ins Krankenhaus muss.“
Seine Besorgnis rührte Olivia, und es freute sie, dass er sie in
den geänderten Tagesablauf einschloss. „Du möchtest nicht
allein sein?“
Er zögerte einen Moment. „Scheint ganz so.“
„Wir sind Freunde, Tony. Egal, welche Vereinbarung wir sonst
noch getroffen haben. Und Freunde helfen einander. Du
brauchst also nicht zu befürchten, dass ich deine Bitte falsch
interpretiere.“
Er überging ihre Anspielung auf ihre besondere Situation ganz
einfach. „Heißt das, dass du bleibst, Olivia? Bitte.“
In diesem Moment hätte sie alles für ihn getan. Aber natürlich
konnte sie ihm das nicht sagen. Sie lächelte ihn an. „Ja, ich
bleibe, solange du mich brauchst.“
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5. KAPITEL
Tony umarmte Olivia erleichtert. „Jetzt brauche ich eine Tasse
Kaffee. Und die Kinder haben bestimmt Hunger. Na, ihr beiden,
wie wär’s mit Frühstück?“
In eben dem Moment schauten zwei ernste kleine Gesichter
durch den Türspalt ins Zimmer. Olivia ging das Herz auf, als sie
die beiden Kinder so dastehen sah, offenbar sehr besorgt um
ihre Mutter. Sie vergaß für einen Augenblick, dass sie eigentlich
nichts von Kindern verstand, und kauerte sich vor sie hin.
„Hallo, ihr beiden. Wisst ihr noch, wer ich bin?“
Der sechsjährige Luke sah sie mit ernsthafter Miene an. „Klar.
Es war ja erst gestern Abend. Du hast Onkel Tony in der
Garage geküsst.“
Olivia errötete, lächelte aber. „Eigentlich war es umgekehrt.
Dein Onkel hat mich geküsst.“
Maggie, die für eine Dreijährige sehr zierlich erschien, erklärte
altklug: „Onkel Tony küsst gern. Mich küsst er auch viel.“
Und Olivia fand ganz leicht Zugang zu dem kleinen Mädchen.
Sie zog Maggie einfach näher, und die Kleine legte ihr
vertrauensvoll einen Arm um den Hals. „Seid ihr zwei denn
hungrig? Euer Onkel wollte nämlich Frühstück für uns machen.“
Maggie nickte, doch Luke wandte sich ab.
„Deine Mom wird wieder gesund, Luke. Ganz bestimmt“,
tröstete Tony ihn.
„Dad hat solche Angst.“
Tony ging in die Küche voran. „Nein, er macht sich Sorgen.
Das ist ein großer Unterschied. Dein Dad findet es schrecklich,
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wenn einer von euch krank ist. Dass es deiner Mom nicht gut
geht, macht ihn beinahe selbst krank. Er muss jetzt alles tun,
damit sie schnell wieder gesund wird. Und weil er nicht
gleichzeitig auf euch und auf sie aufpassen kann, bleibt ihr erst
einmal hier bei mir.“
„Für wie lange?“
Tony tat, als sei er beleidigt. „Meine Güte, Luke, da muss
Olivia ja denken, dass ihr mich nicht mögt.“
Maggie entzog Olivia ihre kleine Hand und sagte sehr
bestimmt: „Doch, wir mögen Onkel Tony. Ganz doll.“ Und Olivia
musste lächeln.
Während Tony Frühstück machte, plapperten die beiden
munter weiter mit ihm, und es faszinierte Olivia zunehmend,
dass Tony ein solcher Familienmensch war. Den Kindern war
deutlich anzumerken, dass sie gern bei ihm waren. Und Tony
bewies, dass er mit der gleichen Geschicklichkeit wie jede
Mutter auch beim Kochen ein Kind im Arm balancieren konnte.
Olivia fragte sich, ob er das tat, weil er das Baby so gern hielt
oder weil er nicht wollte, dass sie es hielt.
Leider stellte sich im Lauf des Tages heraus, dass Letzteres
der Fall war. Nicht ein einziges Mal bat Tony sie, ihm mit dem
Baby zu helfen. Kurz nach dem Frühstück rief John an, um
Bescheid zu sagen, dass Lisa eine Lungenentzündung habe,
die sie wohl aufgrund ihrer allgemeinen Erschöpfung
bekommen habe, und über Nacht im Krankenhaus bleiben
müsse. Und deshalb fragte er an, ob er die Kinder bei Tony
lassen könne.
Tony war einverstanden, und die Kinder waren rundweg
begeistert, nachdem sie erfahren hatten, dass ihre Mutter
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gesund werden und wohl am nächsten Tag wieder nach Hause
kommen würde. Tony versprach ihnen, vor dem Kamin ein Zelt
aufzubauen.
Maggie wollte wissen: „Schläft Livvy auch hier?“
Einen Moment schien Tony sprachlos zu sein. „Wenn sie will.
Und sie heißt Olivia, meine Süße, nicht Livvy.“
„Das macht mir nichts aus, Tony. Es ist eine gebräuchliche
Abkürzung.“
Doch in Wahrheit rief dieser Kosename, den ihr auch ihre
Eltern gegeben hatten, lange vergessene Gefühle in ihr wach
und ging ihr sehr zu Herzen. Und Tony schien es zu merken. Er
nahm ihre Hand und drückte sie fest. Dann rief er seine Mutter
und seine Schwester an, um ihnen zu berichten, was vorgefallen
war. Olivia schloss aus seinen Bemerkungen, dass seine Mutter
die Kinder zu sich nehmen wollte. Doch er erklärte, dass sie
„zelten“ wollten, sie könne die drei am Morgen abholen.
Nach einem frühzeitigen Abendessen wurden Luke und
Maggie warm angezogen, weil sie draußen im Garten spielen
wollten. Das Baby, Shawn, lag schlafend auf einer Decke auf
dem Fußboden, sodass Tony und Olivia für eine Weile relativ
ungestört waren.
Tony ließ sich neben Olivia auf die Couch fallen. „Mann, bin ich
erledigt. Kinder können einen wirklich ganz schön in Trab halten,
was?“
Sie wusste, dass er jede Minute des Tages genossen hatte
und sich nicht ernstlich beklagte.
„Ich hätte dir gern ein wenig geholfen.“ Sie sagte das mit
Bedacht, um ihn nicht in Alarmbereitschaft zu versetzen.
„Du hilfst mir schon, indem du einfach da bist.
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Lungenentzündung – wer hätte das gedacht? Lisa wirkt immer
so gesund.“
Dann erzählte er, dass seine Mutter und Kate bereits Pläne
machten, um Lisa zu unterstützen, bis sie wieder ganz gesund
war. Eine Haushaltshilfe lehne sie nämlich entschieden ab.
„Deine Familie hält wirklich zusammen.“
Er sah Sie an. Ihre Bemerkung schien ihn zu überraschen.
„Das ist doch selbstverständlich.“
Wie schön wäre es, zu einer solchen Familie zu gehören,
dachte Olivia. Ohne zu überlegen, sagte sie: „Als Maggie mich
Livvy nannte … das hat mich an meine Kindheit erinnert. Meine
Eltern nannten mich auch so.“
Tony zog sie näher zu sich heran. Mit den Lippen berührte er
zart ihre Schläfe. „So etwas Ähnliches habe ich mir schon
gedacht. Du hast so traurig ausgesehen. Es tut mir leid, Olivia.“
Sie versuchte, möglichst unbekümmert zu wirken, und lächelte
sogar. „Es ist so lange her, dass ich ganz vergessen habe, wie
es ist, sie zu vermissen. Wahrscheinlich habe ich mich ans
Alleinsein gewöhnt.“
Das war schlicht gelogen, denn wer konnte sich schon daran
gewöhnen, sein Leben allein zu verbringen? Es war nie jemand
da, mit dem man Erfolge feiern konnte, und wenn ihr der
berufliche Stress gelegentlich zu viel wurde, dann konnte sie nur
bei sich selbst Zuflucht finden.
Tony sah sie derart eindringlich an, dass Olivia der
schreckliche Verdacht kam, er lese ihre Gedanken und wisse
genau, was sie vor ihm verbarg.
Er legte eine Hand auf ihre Hände. „Ist das der Grund, warum
du dich abkapselst?“
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„Das tu ich gar nicht.“
„Aber natürlich tust du das. Du bleibst für dich, verabredest
dich nicht, schließt keine Freundschaften. Du steckst deine
ganze Energie in deine Wäschegeschäfte, gerade so, als
hättest du Angst, dich zu binden.“
„Das stimmt nicht.“ Sie wusste nicht, was sie sonst hätte
antworten sollen. Es war unmöglich zu erklären, warum sie
zurückgezogen als Single lebte. Sie würde Tony nie die
Wahrheit sagen können.
„Es ist nicht natürlich für eine Frau wie dich, allein zu leben und
keine Beziehung zu wollen.“
„Eine Frau wie mich? Was genau soll das heißen?“
„Entschuldige. Das habe ich nicht so gemeint. Es ist nur … Ich
habe dich bisher nie so gesehen, wie du wirklich bist. Du warst
zwar immer nett, aber eben ganz die sachliche, distanzierte
Geschäftsfrau. Dabei bist du eine sehr warme, gefühlvolle Frau,
die sexy Dessous trägt und in den überraschendsten Momenten
so verdammt süß und verletzlich aussieht.“
„Tony …“ Es gefiel ihr weder, als verletzlich eingestuft zu
werden, noch sich rechtfertigen zu müssen.
„Ich verstehe dich nicht, Olivia, und ich möchte es so gern.
Wirklich.“
„Aber warum?“
„Kein Grund zur Panik. Ich denke bestimmt nicht an
Orangenblüten und goldene Ringe. Es ist nur … ich mag dich
lieber, als ich dachte.“
„Sex weckt bei Männern manchmal solche Gefühle. Glaub mir,
das geht vorbei.“
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Er streckte die Hand aus, um sich eine ihrer Haarsträhnen um
den Finger zu wickeln. Dann zog er sie sanft zu sich heran.
„Honey, du hast nicht genug Erfahrung mit Männern und Sex, um
solche Weisheiten zu verbreiten.“ Er kniff sie liebevoll. „Und ich
würde sagen, diese freche kleine Bemerkung verlangt nach
Revanche, meinst du nicht?“
Olivia versuchte, sich Tony zu entziehen, mit wenig Erfolg.
„Frech war das eigentlich nicht gemeint.“ Weil sein Verhalten
sie ganz nervös machte, ging sie zum Angriff über. „Verdammt,
Tony, wir haben vereinbart, nicht persönlich zu werden, richtig?
Und diese Unterhaltung wird langsam sehr persönlich. Du willst
ein Baby von mir, nicht meine Lebensgeschichte hören. Warum
reden wir nicht lieber über Sex?“ Dabei schmiegte sie sich
herausfordernd an ihn.
Er ließ sie gewähren, doch seine Miene blieb unverändert.
„Eben weil ich ein Baby von dir will und du nicht die Frau zu sein
scheinst, für die ich dich gehalten habe, ist dein familiärer
Hintergrund umso wichtiger.“ Er hielt sie noch immer an ihrer
Haarsträhne fest.
Als er anfing, die Unterseite ihrer Brust zu streicheln, drängte
sich Olivia noch enger an ihn, damit er sich ihrer ganzen Brust
widmete. Doch er grinste nur und fuhr unbeirrt fort, sie zu
necken.
Da wurde sie ungehalten. „Glaub bloß nicht, dass ich einfach
dasitze und mir deine Einschüchterungsversuche gefallen lasse.
Wir sind hier nicht in einem Konferenzzimmer.“
„Und auch nicht im Schlafzimmer. Hör also auf, mich durch Sex
ablenken zu wollen – darauf werden wir auf jeden Fall so schnell
wie möglich zurückkommen. Erzähl mir lieber etwas von deinen
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Eltern.“
Weil er ganz offensichtlich nicht davon abzubringen war, gab
sie schließlich nach.
Tony drehte ihren Kopf zu sich herum, damit er sie küssen
konnte. Aus der zarten, flüchtigen Berührung ihrer Lippen wurde
schnell ein tiefer Kuss voller Leidenschaft, und es gelang Tony
nur mit Mühe, sich von ihr zu lösen.
„Du lernst wirklich schnell, aber ich bin zu neugierig, um dir
deinen Willen zu lassen. Also, wie war das mit deinen Eltern?“
Unwillig seufzte Olivia auf. „Sie waren arm, nicht besonders
gebildet, und sie arbeiteten sehr hart.“ Die Erinnerung an ihre
Eltern ließ ihr das Herz schwer werden. „Unsere Möbel waren
meist abgenutzt, aber es war immer sauber bei uns. Meine
Mutter hielt ihren Haushalt tadellos in Ordnung.“
„Hattest du eine enge Beziehung zu ihnen?“
Sie wusste es nicht mehr – und das schmerzte sie. „Im Alltag
konnten wir nicht viel Zeit miteinander verbringen. Wann immer
möglich, backte meine Mutter mir meinen Lieblingskuchen, und
mein Dad gab mir stets einen Gutenachtkuss, egal, wie spät er
auch nach Hause kam.“
Sie atmete tief durch, und ohne dass sie es eigentlich gewollt
hätte, erzählte sie weiter. „Meine Eltern liebten mich, ganz
bestimmt, und sie versuchten für mich zu tun, was sie konnten,
aber … manchmal machten sie Fehler.“
Tony beugte sich zu ihr hinunter, um zärtlich ihre Nasenspitze
zu küssen. „Alle Eltern machen Fehler, Honey. Auch sie sind nur
Menschen.“
Olivia nickte nur, weil sie mit ihrem Bericht schnell zu Ende
kommen wollte. „Ich war ein Einzelkind, und wir wohnten in
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einem Nest namens Hattsburg direkt am Mississippi. Meine
Mutter arbeitete im Supermarkt, mein Vater in der einzigen
Fabrik am Ort. Manchmal … manchmal trank er zu viel. Seine
Art zu entfliehen, wie Mom immer sagte.“
Tony hielt sie fest umschlungen, spendete ihr so ohne Worte
Trost. Tief Atem holend, beendete Olivia rasch ihre Geschichte.
„Sie kamen auf dem Fluss ums Leben, weil sie in einem Boot
fuhren, das den Sicherheitsstandards nicht entsprach. Der Fluss
führte Hochwasser, und das Boot kenterte. Mein Vater war
betrunken und schätzte die Situation nicht richtig ein, wie der
Sheriff mir sagte. Er verlor das Bewusstsein, als er über Bord
ging, und starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus. Meine
Mutter hatte versucht, ihn zu retten, doch weil das Wasser
eiskalt war, erlitt sie eine schwere Unterkühlung, neben
verschiedenen
anderen
Verletzungen.
Sie
starb
im
Krankenhaus nur wenige Tage nach meinem Vater.“
Olivia nahm sich zusammen, um ihren Schmerz nicht die
Oberhand gewinnen zu lassen. „Eigentlich vermisse ich sie gar
nicht mehr, weil ich mich kaum noch erinnere, je eine Familie
gehabt zu haben. Du kannst dich wirklich glücklich schätzen,
weißt du das?“
Tony erwiderte nichts darauf, und Olivia fragte sich, ob sie zu
viel gesagt hatte, ob er es sich anders überlegte und sie doch
von seiner Familie fernhalten wollte. Aber dann hob er ihr Kinn
und begann, ohne ein Wort zu verlieren, zärtlich an ihren Lippen
zu knabbern.
„Bitte, Tony … Hör auf damit. Ich halte es nicht aus, und wir
können im Moment doch nicht miteinander schlafen.“
„Stimmt. Aber ich berühre dich einfach gern. Verwehre es mir
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nicht.“ Er ließ seine Zunge in ihren Mund gleiten, um sie tief und
gründlich zu küssen.
„Wann …“ Sie rang nach Atem, als er kurz den Kopf hob.
„Wann können wir es noch einmal versuchen?“
„Meine Mutter holt die Kinder morgen früh ab. Musst du
morgens gleich ins Geschäft?“
Weil er mit ihrer einen Knospe zu spielen anfing, seufzte Olivia
wohlig auf. „Ich kann mir den Vormittag freinehmen.“
„Gut. Ich muss am Nachmittag kurz ins Büro, möchte aber,
dass du mitkommst. Denn ich möchte dir etwas zeigen.“
Ehe sie hätte nachfragen können, drängte er sie gegen die
Rückenlehne der Couch und bedeckte ihr Gesicht und ihren
Hals mit heißen, begehrlichen Küssen.
„Oh Olivia, ich kann nicht genug von dir bekommen.“
Sein Eingeständnis versetzte sie in Hochstimmung. Nur allzu
gern schüttelte sie die traurigen Erinnerungen an ihre Kindheit
ab und gab sich dem neu entdeckten Gefühl ungezähmter
Begierde hin. Dann drang auf einmal eine entrüstete
Kinderstimme in ihr Bewusstsein, und Olivia fuhr hoch.
„Mann! Ihr beide schmust aber doll.“
Es war Luke, der mit den Händen in den schmalen Hüften
neben der Couch stand und höchst ungehalten dreinblickte.
Mit einem Seufzer, der in leises Lachen überging, fragte Tony:
„Was gibt’s denn, Luke?“
„Ich möchte, dass du mit rauskommst und mit mir Ball spielst.
Maggie kann überhaupt nicht fangen.“
Tony überlegte einen Moment und sah dabei immer wieder zu
dem Baby hinüber. Olivia verdrehte die Augen. „Geh schon,
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Tony. Falls der Kleine unruhig wird, hole ich dich.“
Zärtlich mit dem Daumen über ihre Lippen streichend, raunte
er ihr zu: „Ich will dich nicht allein lassen.“
„Ihr seid schlimmer als Mom und Dad!“, beklagte sich Luke.
Olivia musste lachen. „Nun geh schon, ehe Luke schlecht wird.
Er ist schon ganz grün im Gesicht.“
Das brachte Luke zum Lachen.
„Na los, Tony. Ich sehe unterdessen ein wenig fern.“
„Bist du sicher, dass du zurechtkommst?“
„Ganz sicher.“
Tony zog sich seine Daunenjacke über und ging dann mit Luke
in den Garten hinaus. Olivia trat ans Fenster. Lachend
versuchten die Kinder Tony davon abzuhalten, den Ball zu
werfen, und sie fielen alle drei hin. Tony begann, Luke zu kitzeln,
während er es gleichzeitig fertigbrachte, Maggie in die Luft zu
werfen. Olivia fühlte etwas Feuchtes auf ihrer Wange und stellte
fest, dass es eine Träne war.
Warum es sie zum Weinen brachte, Tony mit zwei Kindern
spielen zu sehen, hätte sie nicht sagen können. Es war ja nicht
so, dass er letztendlich nicht das Kind bekäme, das er sich
wünschte. Er würde einen wunderbaren Vater abgeben, und sie
beneidete ihn um die Chance, ein Kind großzuziehen. Sie
hinderte ihn nicht daran, verzögerte seinen Plan höchstens um
ein paar Wochen. Und was war das schon im Vergleich zu dem
Glück, ein Leben lang ein eigenes Kind zu haben?
Sie hätte ihnen ewig beim Spielen zusehen können, wenn das
Baby nicht unruhig geworden wäre. Da Tony ihm gerade erst
vorhin die Flasche gegeben hatte, nahm Olivia an, dass er nur
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hochgenommen werden wollte.
Ganz vorsichtig hob sie den Kleinen auf die Arme. Wie eine
kleine Schildkröte streckte er das Köpfchen vor, um sie
anzusehen. Sein Schmollmündchen brachte Olivia zum
Schmunzeln. Es sah aus, als sei er verstimmt, in fremder
Umgebung aufzuwachen. Sie drückte ihn an sich und sah zu,
wie er herzhaft gähnte.
Dann setzte sie sich mit Shawn in einen bequemen Sessel. Es
fiel ihr nicht schwer, sich zu entspannen. Shawn schien sie zu
mögen, denn er kuschelte sich vertrauensvoll an sie. Instinktiv
summte sie eine Melodie, während sie ihn sacht hin und her
wiegte. Es dauerte nicht lange, da gähnte sie auch und dachte,
dass sie, wenn sie schon kein eigenes Baby haben konnte, jetzt
wenigstens wusste, wie es war, eins im Arm zu halten.
Mit Maggie auf dem Arm und ganz Ohr für Lukes
Weihnachtswünsche ging Tony ins Haus zurück.
An der Tür zum Wohnzimmer blieb er abrupt stehen, als er
Olivia mit Shawn in den Armen im Sessel schlafen sah.
Augenblicklich brachte er Luke und Maggie zum Schweigen,
weil er Olivia nicht aufwecken wollte. Er hätte stundenlang
dastehen und sie einfach nur betrachten können.
Es war geradezu eine Offenbarung, sie im Schlaf zu
überraschen und plötzlich tief im Herzen zu erkennen, was er
bisher nicht hatte wahrhaben wollen.
Genau das war es, was er sich wünschte.
Vom Spielen mit den Kindern – seinen Kindern – nach Hause
zu kommen, wo seine Frau mit seinem Baby in den Armen auf
ihn wartete. Er wollte sie umhegen, wollte sie lieben. Er wollte
sich um eine ganze Familie kümmern, nicht nur um ein
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einzelnes Baby. Er wollte all seine Liebe geben und
wiedergeliebt werden. Er wollte alles.
Mit heftig klopfendem Herzen und einem Ziehen in der
Magengrube setzte er Maggie ab und zog Luke näher. Leise
bat er die Kinder, ihre Schlafanzüge anzuziehen und sich im
Bad zu waschen.
„Trag mich.“ Maggie streckte ihm erneut die Arme entgegen,
doch Tony schüttelte den Kopf.
„Diesmal nicht, Süße. Luke, kannst du Maggie beim Aus-und
Anziehen helfen?“
„Sicher. Manchmal zieht sie ihre Sachen verkehrt herum an.“
Maggie runzelte die Stirn. „Ich bin noch ein kleines Mädchen,
und das macht nichts. Sagt Mommy.“
Tony schmunzelte. „Und deine Mom hat recht.“ Er umarmte
Maggie kurz. „So, und jetzt ab ins Bad mit euch. Ich baue
unterdessen das Zelt auf, okay?“
Luke wollte auch umarmt werden. „Können wir noch
Marshmallows und heiße Schokolade haben?“
„Ich glaube, ich habe noch Kakao im Haus. Wir werden
nachsehen, sobald ihr fertig seid. Aber wir dürfen nicht
vergessen, vor dem Schlafengehen noch die Zähne zu putzen.“
„Es ist noch gar nicht Zeit zum Schlafengehen.“
Tony strich Luke übers Haar. „Ich weiß. Es gibt ja auch noch
eine Gutenachtgeschichte. Und wenn es Zeit ist, verspreche ich
dir, in eurer Nähe zu schlafen, okay?“
Luke nickte, bemüht, nicht zu erleichtert dreinzusehen. „Da wird
Maggie froh sein.“
Gleich darauf ging er mit seiner Schwester an der Hand den
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Flur entlang. Es erfüllte Tony mit Stolz, dass die beiden so liebe
Kinder waren. Und er hoffte, dass er, wenn Olivia erst
schwanger war, ein ebenso guter Vater werden würde wie sein
Bruder John.
Bei diesem Gedanke krampfte sich ihm erneut der Magen
zusammen, und er ging zu Olivia hinüber. Er hatte es nie so
empfunden, doch als er sie jetzt betrachtete, entspannt und mit
einem kleinen zufriedenen Lächeln, fand er sie sehr hübsch. Er
schluckte und trat leise näher.
Sie war offenbar ganz erschöpft, denn genau wie er hatte sie
in der Nacht kaum geschlafen. Ihr gemeinsames Vorhaben war
schon Anlass genug, um aus dem seelischen Gleichgewicht zu
geraten.
Sie schlafen zu sehen, völlig gelöst und ohne jede Spur von
Stolz und Beharrlichkeit, die sonst ihre Haltung bestimmten, war
für Tony sehr aufschlussreich. Er hatte Olivia immer einseitig
betrachtet. Dabei hätte er wissen müssen, dass sie
vielschichtiger war als die meisten anderen Frauen.
Von ihrer Familie zu reden hatte sie aufgewühlt und nach
Worten suchen lassen, wie er es überhaupt nicht von ihr kannte.
Ihr Schmerz hatte ihn tief berührt. Mit seinem Kuss hatte er sie
ablenken und trösten wollen. Doch wie immer, seit er diesen
seltsamen Handel mit Olivia eingegangen war, hatte eine
Berührung genügt, um sich nach weiteren zu verzehren. Für
einen Moment hatte er tatsächlich vergessen gehabt, dass
Maggie und Luke draußen spielten.
Tony war froh, dass Luke hereingekommen war, denn er wollte
nicht, dass Olivia glaubte, zwischen ihnen drehe sich alles nur
um Sex oder darum, ein Baby zu zeugen. Sie waren Freunde,
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genau wie sie gesagt hatte. Inzwischen sogar engere, als er
sich das je hätte vorstellen können, aber es gefiel ihm.
Shawn strampelte, dann kuschelte er sich wieder an ihre Brust,
und ohne die Augen zu öffnen, klopfte Olivia ihm sanft auf den
Rücken und beschwichtigte ihn leise. Tony legte eine Hand auf
ihre Hand.
Olivia riss die Augen auf, brauchte jedoch einen Moment, um
sich zu orientieren. Dann lächelte sie. „Hallo.“
„Hallo.“
„Er wollte gehalten werden.“
„Das sehe ich.“
„Er schläft viel, nicht wahr?“
„Das tun Säuglinge nun einmal“, erwiderte er im Flüsterton,
während er ihr tief in die dunklen Augen sah und nichts
sehnlicher wollte, als sie in die Arme zu ziehen. „Wir sollten ein
Buch über Babys besorgen, damit wir wissen, was uns erwartet,
wenn unseres geboren ist.“
Der schmerzliche Ausdruck in ihren Augen ließ Tony
automatisch die Hand nach ihr ausstrecken. „Was hast du,
Olivia? Bist du okay?“
Sie schluckte und holte tief Atem. „Ja, ich bin okay. Es ist nur
… Tony, wirst du sehr enttäuscht sein, wenn ich nicht schwanger
werde? Was ist, wenn wir es zwei Wochen lang versuchen, wie
vereinbart, es aber nicht klappt?“
„Dann versuchen wir es eben weiter.“ Da war er sich ganz
sicher. Er wollte nicht, dass eine andere Frau sein Kind zur Welt
brachte. Er wollte diese Frau.
„Ich … ich weiß nicht, ob das wirklich eine gute Idee ist. Wir
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waren uns doch darüber einig …“
Er kauerte sich vor sie hin, schlang ihr die Arme um die Taille
und lehnte den Kopf gegen ihre Oberschenkel. Sie fuhr ihm mit
den Fingern durchs Haar. „Tony?“
„Pst. Mach dir keine Sorgen. Lass uns einfach abwarten und
sehen, was passiert.“ Er hielt sie umschlungen, bis er die
Kinder aus dem Bad kommen hörte. Seufzend erhob er sich.
„Wird Zeit, dass ich das Zelt aufbaue. Wirst du denn heute
Nacht mit uns zelten?“
„Ich habe weder einen Schlafanzug für mich noch eine
Zahnbürste noch …“
„Ich habe einen Mickymaus-Schlafanzug im Schrank, den Kate
mir einmal als Jux geschenkt hat. Den kannst du anziehen. Und
ich habe auch eine Zahnbürste vorrätig.“
„Ja? Sollte ich fragen, warum?“
Er grinste. „Lieber nicht.“
Olivia runzelte die Stirn, und er gestand sich ein, dass ihm ihr
Anflug von Eifersucht gefiel, auch wenn sie dergleichen nie
zugeben würde.
Behutsam, damit er ihn nicht weckte, legte er Shawn auf die
Decke zurück. „Komm. Du kannst mir mit dem Zelt helfen.“
Zunächst schoben sie die Möbel zur Seite, um dann das Zelt
mitten im Raum aufzubauen. Anschließend zündete Olivia im
Kamin ein Feuer an, während Tony in der Küche nach
Marshmallows und Kakao suchte. Shawn wachte auf und fing an
zu quengeln, und obwohl Olivia das übernehmen wollte, hatte
sie große Schwierigkeiten beim Windelwechseln. Lachend
zeigte ihr Tony, wie man es richtig machte.
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Er merkte, dass sie Shawn gern die Flasche gegeben hätte,
sich aber zurückhielt und so tat, als sei sie höchst interessiert an
der albernen, umständlichen Geschichte, die Maggie ihr von
ihrem Lieblingszeichentrickfilm erzählte. Tony beobachtete sie
heimlich, und in ihm reifte ein Plan.
Nach allem, was sie als Kind erlebt hatte, bildete Olivia sich
vielleicht nur ein, keine eigene Familie zu wollen. Vielleicht
konnte er sie vom Gegenteil überzeugen. Auch wenn er eine
mögliche Zurückweisung fürchtete, so konnte er sich der
besonderen Situation, die romantische Vorstellungen einer
intakten Verbindung geradezu heraufbeschwor, nicht entziehen.
Mit einer Frau zusammen zu sein, zu agieren wie eine Familie
mit drei Kindern ließ ihn sich erneut sehnlichst eine eigene
Familie wünschen.
Sein ursprünglicher Plan war jedoch viel realistischer und
einfacher durchzuführen. Er wusste, dass er ein Kind lieben und
ein guter Vater sein konnte. Aber eine Ehefrau … das war
riskant. Konnte er wirklich von Olivia erwarten, dass sie ihr
Leben änderte, um eine Familie in ihrem arbeitsreichen
Geschäftsalltag unterzubringen?
Tony kam zu dem Schluss, dass er mehr Zeit brauchte – Zeit,
um sie mit den Kindern zu beobachten, um mit ihr zusammen zu
sein. Morgen würde er ihr in seinem Büro die Pläne zur
Erweiterung des Northwestern Crown Hotels zeigen, um zu
sehen, wie sie die Eingliederung ihrer neuen Dessous-Boutique
fand.
Bis dahin …
Er ging zu ihr hinüber und legte ihr kurzerhand Shawn in den
Schoß. Mit großen Augen sah sie zu ihm auf, hoffnungsvoll und
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zugleich ein wenig verunsichert. Dann drückte er ihr das
Fläschchen in die Hand. Shawn wurde unruhig.
„Ich glaube, er hat Hunger, Honey. Fütterst du ihn?“
„Du willst, dass ich ihn füttere?“
„Halt die Flasche hoch, damit er keine Luft schluckt und leg ihm
ein Lätzchen unters Kinn, weil er meistens ganz schön sabbert.“
Behutsam brachte Olivia Baby und Flasche in die richtige
Stellung. Als Shawn schließlich an der Flasche nuckelte,
ermunterte sie Maggie, ihre Geschichte weiterzuerzählen.
Es rührte Tony, als er Olivia den Kleinen füttern sah. Und er
fragte sich einmal mehr, ob er, wenn er nur das Baby behielt,
nicht auf das Beste an der Vereinbarung verzichtete.
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6. KAPITEL
Nach mehreren Geschichten und viel Gelächter schliefen
Maggie und Luke endlich ein.
Tony hatte sie alle in einer Reihe im Zelt platziert: Zuerst kam
Luke, dann er selbst, dann Maggie und schließlich Olivia. Am
liebsten hätte er natürlich direkt neben Olivia gelegen, aber das
hätte ihm zu viel Selbstbeherrschung abverlangt. Jetzt, kurz vor
Mitternacht, wandte er den Kopf und sah im schwachen Schein
des Feuers, der durch die Zeltwand drang, dass Olivia mit
offenen Augen dalag. Über Maggie hinweg strich er mit einem
Finger sacht Olivias Arm entlang.
Sie lächelte ihn an. „Schlafen sie?“
Er antwortete ebenso leise: „Ich glaube schon.“
„Ich habe noch nie auf dem Boden geschlafen.“
Er grinste und zog an ihrem Schlafanzugärmel, bis sie ihm ihre
Hand gab. „Eine Menge neuer Erfahrungen heute, hm?“
Als sie sich verlegen auf die Lippe biss, hätte er beinahe laut
gelacht. „Ich meinte, einen Mickymaus-Schlafanzug zu tragen.
Und einem Baby die Flasche zu geben. Mit einer
schnarchenden Dreijährigen in einem Wohnzimmer zu zelten.“
Nun musste auch Olivia grinsen. „Und ich dachte schon, du
meinst etwas ganz anderes.“
„Macht es dir Spaß?“
Sie drehte sich vorsichtig auf die Seite, um ihn ansehen zu
können, ohne ihm die Hand zu entziehen. „Ich denke schon. Ich
habe dich immer als formellen Geschäftsmann gesehen, und
dabei bist du der reinste Abenteurer.“
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„Ich und formell? Du bist doch diejenige, die von ihren
Geschäften völlig durchdrungen ist.“
„Ich habe mich an dir orientiert.“
„Ah, es ist also mein Fehler, dass du so skrupellos bist?“
„Es ist mir ernst. Ich habe dich immer sehr bewundert.“ Und
dann bekannte sie, dass sie, noch ehe sie mit ihm wegen ihrer
ersten Boutique verhandelt habe, jeden Artikel über ihn gelesen
habe, den sie habe finden können. Und dass sie es zutiefst
beeindrucke, wie er aus einer mittelmäßigen Hotelkette ein
schnell wachsendes, erfolgreiches Unternehmen gemacht habe.
Natürlich hatte Tony schon oft diese Lobeshymne vernommen,
aber sie von Olivia zu hören, bedeutete mehr. Und er musste
sich eingestehen, dass es ihm sehr gefiel, leise im Dunkeln mit
ihr zu reden. Er erzählte selten etwas über sich, doch nun
erschien ihm das ganz selbstverständlich.
„Nach dem Tod meines Vaters musste ich unbedingt etwas
tun, um mich abzulenken. Es war keine leichte Zeit, denn er war
der beste Vater überhaupt. Er hat mir alles beigebracht, was
man in der Hotelbranche wissen muss, aber genau wie John hat
er über dem Beruf nie seine Familie vernachlässigt. Manchmal
frage ich mich, wo ich heute stehen würde, wenn er noch lebte.“
„Du hättest dein eigenes Unternehmen. Denn du bist ein sehr
hart arbeitender, erfolgsorientierter Mann. Ich wette, du warst
schon in der Schule immer ein Streber.“
Er lachte leise. „Vermutlich. Und es ist nicht so, dass ich
bedauere, immer viel gearbeitet zu haben. Es hätte allerdings
auch noch anderes geben können.“ Er wusste, dass sie ihn
verstand, als sie seine Hand drückte.
„Das wird es. Jetzt. Du wirst eine eigene Familie haben, Tony,
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warte nur ab. Du hast noch jede Menge Zeit, um dich neuen
Aufgaben zu widmen. Du bist jung und intelligent und sehr gut
aussehend und …“
Es irritierte ihn, sie über sein Leben sprechen zu hören, ohne
dass sie sich einbezog. Auch wenn er das ursprünglich so
geplant hatte und es vielleicht wirklich die beste Lösung war,
schreckte er instinktiv vor dem Gedanken zurück, sie zu
verlieren.
„Sehr gut aussehend, soso.“
„Hör auf, nach Komplimenten zu angeln. Du weißt doch genau,
wie du aussiehst. Warum stehst du nicht ehrlich dazu?“
Auch wenn der Feuerschein kaum noch durch die Zeltwand
drang, so sah Tony doch, dass sie schmunzelte. „Das ist eine
deiner Eigenschaften, die ich besonders an dir mag, Olivia. Du
bist offen und ehrlich. Ich brauche deine Motive nicht zu
hinterfragen.“
Er spürte, wie sie plötzlich ganz still wurde, sich gefühlsmäßig
zurückzuziehen schien. Anstatt das Gespräch fortzusetzen,
meinte sie nur: „Wir sollten jetzt schlafen. Du weißt doch, dass
ich letzte Nacht kaum ein Auge zugetan habe. Tony verstand
nicht, warum ihre Stimmung so abrupt umgeschlagen war. Statt
nachzufragen, hielt er einfach weiterhin ihre Hand fest. „Tut mir
leid, dass du deshalb so müde bist, aber es freut mich, dass ich
nicht allein gelitten habe.“ Da sie nichts erwiderte, fügte er hinzu:
„Gute Nacht, Sweetheart. Wenn du nachts etwas brauchst, weck
mich auf.“
Demonstrativ schloss sie die Augen.
Aber sie zog ihre Hand nicht weg. Und dann hörte er sie
flüstern: „Gute Nacht, Tony.“
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Es war noch sehr früh, als Olivia von Maggie aufgeweckt
wurde. „Livvy, ich muss mal.“
„Oh.“ Einen Moment lang war Olivia ratlos. Sie sah zu Tony
hinüber. Luke hatte sich eng an ihn gekuschelt. Draußen vor
dem Zelt schlief Shawn. Sie hatten Sofakissen um ihn herum
gelegt, damit nachts niemand versehentlich auf ihn trat. Zweimal
hatte sie ihn quengeln hören, und jedes Mal war Tony leise
aufgestanden, um ihm die Flasche zu geben.
Olivia wollte ihn nicht erneut wecken, aber sie hatte keine
Ahnung, was sie mit Maggie anfangen sollte. „Kannst du denn
schon allein aufs Töpfchen gehen?“
Im Dämmerlicht konnte sie kaum erkennen, dass Maggie
nickte. „Komm aber mit.“
„Oh.“ Olivia kam sich langsam idiotisch vor. Natürlich wollte
das kleine Mädchen nicht allein gehen. Es war stockdunkel im
Haus. „Okay. Aber wir müssen ganz leise sein, damit wir
niemanden aufwecken.“
Als sie kurz darauf das Bad betraten, wollte Olivia wissen, ob
sie helfen solle.
Maggie schüttelte den Kopf. „Bleib aber bei mir.“
„In Ordnung.“
Maggie grinste sie an, und Olivia lehnte sich an die Wand und
wartete, bis Maggie fertig war.
Als sie zurückgetragen werden wollte, zögerte Olivia nicht. Im
Gegenteil, es gefiel ihr, wie sich das kleine warme Mädchen an
sie schmiegte, ihr vertraute.
Geräuschlos krochen sie ins Zelt zurück. Doch kaum hatte sie
Maggie wieder zugedeckt, da hörte sie Tony sagen: „Du bist ein
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Naturtalent im Umgang mit Kindern, Olivia.“
Diesmal kümmerte es sie nicht, dass er auf etwas anspielte,
was sie nie erleben würde, denn sie fühlte sich sehr gut. „Schlaf
weiter, Tony.“
„Ja, schlaf weiter, Tony“, murmelte Maggie. Und innerhalb von
Sekunden wurde im Zelt wieder leise geschnarcht.
Tonys Mutter erschien um halb neun mit einer Tüte Krapfen und
der Neuigkeit, dass es Lisa inzwischen viel besser gehe,
abgesehen von ihrer anhaltenden allgemeinen Erschöpfung.
Das Penizillin habe Wunder gewirkt, und sie könne es gar nicht
abwarten, ihre Kinder wiederzusehen.
„Wenn der Arzt sein Okay gibt, kann Lisa wohl am Nachmittag
schon nach Hause“, erklärte Sue.
„Ist das nicht ein wenig verfrüht?“, fragte Tony. Sie saßen am
Esszimmertisch, während Maggie und Luke sich in der Küche
über die Krapfen hermachten. Sue hatte Shawn auf dem Arm
und schnitt ihm immer wieder Grimassen oder redete in der
Babysprache mit ihm. Tony merkte, dass Olivia geradezu
fasziniert vom Verhalten seiner Mutter war.
„Sie schien ganz okay zu sein, aber ich bin natürlich kein Arzt.“
Sue lächelte Olivia an. „Sie wissen ja, wie das mit Müttern so
ist. Sie können es nicht ertragen, einmal von ihren Kindern
getrennt zu sein. Zudem sorgt sie sich, dass die drei Tony auf
die Nerven gehen. Sie wusste ja nicht, dass Sie hier waren, um
ihm zu helfen.“
Die Anspielung seiner Mutter war nicht zu überhören. Doch
Olivia lächelte nur. Tony war stolz auf sie, so, wie sie seine
Mutter begrüßt hatte, wie sie sich ganz natürlich gab. Im Haus
des Geliebten von dessen Mutter überrascht zu werden, daran
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war Olivia nun wirklich nicht gewöhnt. Aber sie hatte die
Situation bemerkenswert gut gemeistert.
In Kakihose mit scharfer Bügelfalte und schwarzem Pullover
sah sie nicht aus wie eine Frau, die die Nacht auf dem
Fußboden verbracht hatte. Sie war bereits angezogen
gewesen, als er aufgewacht war, und das hatte ihn geärgert. Er
hatte Kaffee für sie kochen und sie mit einem Kuss wecken
wollen. Stattdessen hatte sie den Kaffee gekocht und alle
Spuren des Schlafes beseitigt, ehe er auch nur aus dem Zelt
gekrochen war. Sie war wieder ganz die beherrschte, elegante
Lady aus der Geschäftswelt. Auch wenn er ihren Anblick
genoss, so wollte er doch häufiger ihre weichere, zugänglichere
Seite zu sehen bekommen.
Und er begehrte sie erneut. Eigentlich immer. Sie brauchte nur
auf ihn zuzukommen, und schon hatte er Lust.
„Tony hat die ganze Arbeit gemacht, Sue. Ich fürchte, ich habe
nicht viel Erfahrung mit Kindern. Aber sagen Sie Lisa bitte, dass
die Kids sehr lieb waren. Ich habe die Zeit mit ihnen sehr
genossen und vie Spaß gehabt.“
In diesem Moment erschien Maggie neben Olivia. Ihr Gesicht
und ihre Hände waren voller Zuckerglasur, und ohne auch nur
eine Sekunde zu zögern, wischte Olivia sie mit einer Serviette
ab.
Maggie lachte sie an. „Trag mich, Livvy.“
Olivia hob Maggie auf ihren Schoß. „Und wohin gehen wir?“
„Aufs Töpfchen.“
Olivia stand auf und entschuldigte sich für einen Moment.
Weil sie so ungezwungen mit Maggie umgegangen war, stand
für Tony fest, dass er Fortschritte machte. Auch wenn er nicht
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sicher war, auf welches Ziel hin.
Dass er ihr lächelnd nachsah, merkte er erst, als seine Mutter
ihn mit dem Fuß anstieß. „Sie hat eine natürliche Begabung für
den Umgang mit Kindern.“
Er lachte. „Das habe ich ihr heute Nacht auch gesagt.“
Sue
war
ganz
damit
beschäftigt,
Shawns
Decke
zurechtzuzupfen. „Es hat sich ja gut getroffen, dass sie gestern
hier war, als John die Kinder brachte.“
„Ich hätte es auch allein geschafft.“
„Du hattest noch nie alle drei über Nacht.“
„Stimmt. Aber wir hätten uns schon irgendwie durchgewurstelt.
Shawn schläft ja noch die meiste Zeit.“ Die Miene seiner Mutter
verriet Tony, dass sie ihm sozusagen eine Galgenfrist gab, aber
keineswegs von ihrem Kurs abzubringen war.
„Also … was hat Olivia hier gemacht?“
Seine Mutter konnte durchaus taktvoll sein, wenn sie wollte.
„Es waren schon häufiger Frauen in meinem Haus.“
„In jüngster Zeit jedenfalls nicht. Und Olivia, wenn ich mich nicht
irre, ist nicht nur irgendeine andere Frau.“
Ihre Beziehung war viel zu kompliziert, um sie seiner Mutter zu
erklären. Insbesondere, weil er sie selbst nicht verstand. Er
beschloss, ihre mütterliche Neugier im Keim zu ersticken.
„Olivia hängt mehr an ihrem Beruf als ich. Sie will
vorankommen, nicht zu Hause bleiben.“
„Na und? Viele Frauen sind heutzutage berufstätig und
versorgen zudem eine Familie. Und du bist nicht gerade
mittellos. Ich glaube, zwischen euch beiden …“
„Mom, du bist viel zu voreilig. Olivia hat mir ganz klar gesagt,
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dass sie keinen Ehemann und keine Familie will. Sie wäre völlig
ungeeignet als Ehefrau. Hör also auf, mich verkuppeln zu
wollen.“
Sue sah Richtung Tür und räusperte sich. Olivia stand dort, rot
im Gesicht vor Verlegenheit und mit tief verletztem Blick. Am
liebsten hätte Tony sie in die Arme gerissen und ihr
geschworen, dass er das, was er eben gesagt hatte, nicht so
meinte. Aber er wusste ja nicht einmal, inwieweit seine Worte
wirklich zutrafen.
Olivia zwang sich zu einem Lächeln, als sie wieder Platz nahm.
„Ich fürchte, er hat recht, Sue. Die Ehe ist nichts für mich. Die
letzte Nacht mit den Kindern war mein erster näherer Kontakt zu
Kindern überhaupt, und ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich
alles richtig gemacht habe. Was jedoch keine Rolle spielt. Ich
bin Geschäftsfrau und absolut kein Familienmensch.“ Sie
lachte, doch Tony merkte genau, dass ihre Heiterkeit nicht echt
war. „Ein solches Leben ist nichts für mich. Für Tony schon,
nachdem ich ihn als fürsorglichen Onkel erlebt habe. Er sollte
unbedingt eigene Kinder haben.“
Seine Mutter war der gleichen Meinung und plauderte dann
noch beiläufig über dies und jenes. Doch die gespannte
Atmosphäre blieb. Olivia wurde erneut zu Thanksgiving
eingeladen. Und kurz darauf brach Sue mit den Kindern auf.
Nachdem die Haustür hinter ihnen ins Schloss gefallen war,
wandte Tony sich mit herausforderndem Grinsen zu Olivia um.
„Und jetzt zu dir.“
„Zu mir?“
„Wie hast du es nur fertiggebracht, so früh aufzustehen und
dich so nett zurechtzumachen, ohne dass etwas zu hören
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gewesen wäre?“ Er strich über ihren sorgfältig geflochtenen
französischen Zopf, der gleichzeitig lässig und elegant wirkte.
Sie hatte nur einen Hauch Make-up aufgelegt – mehr brauchte
sie auch nicht bei ihren seidigen dunklen Wimpern, den
schönen Brauen und dem makellosen Teint. „Du siehst wirklich
nicht aus wie eine Frau, die letzte Nacht in einem Zelt kampiert
hat.“
„Danke.“ Olivia legte ihm die Hände auf die Schultern. „Ich
wusste doch, dass deine Mutter kommen würde, und dachte,
die Situation wäre weniger peinlich, wenn ich sozusagen
empfangsbereit wäre.“
„Du siehst großartig aus. Wie immer.“ Sein Blick blieb an ihren
Brüsten hängen. „Trägst du denn auch heute sexy
Unterwäsche?“
„Nein.“
„Warum nicht? Ich dachte, du trägst gern welche. Ich hatte mich
schon darauf gefreut, dass du mich damit wieder ganz verrückt
machst.“
Sie räusperte sich. „Ich hatte nicht damit gerechnet, hier zu
übernachten. Daher hatte ich nicht nur keine Zahnbürste dabei,
sondern auch keine frische Wäsche.“
„Verstehe … Du trägst darunter also …“
„Gar nichts.“
Aufstöhnend zog er sie an sich. „Weck mich das nächste Mal
auf, ehe du aufstehst.“
Und wieder überraschte sie ihn. Sie löste sich von ihm und
verschränkte die Arme. „Ich glaube nicht, dass es ein nächstes
Mal geben wird. Das Übernachten, das Spielen mit Kindern,
das morgendliche Geplauder mit deiner Mutter – das gehört
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nicht zu unserer Abmachung, Tony.“
Er wollte sie berühren, doch ihre Abwehrhaltung war deutlich
genug. „Ich dachte, du hättest deinen Spaß gehabt.“
„Es war nicht vorgesehen, dass ich ganz allgemein meinen
Spaß habe, sondern nur … Na ja, du weißt schon …“
Tony grinste. „Aha. Ich habe meinen Teil der Abmachung
vernachlässigt, stimmt’s? Und dabei hatte ich doch
versprochen, dich nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen.“
Sie wich zurück, als er sie umarmen wollte. „Du hast mich nicht
enttäuscht! Ich meinte vielmehr …“
Trotz ihres Widerstands schloss Tony sie in die Arme und
drängte sie sacht an sich. „Du weißt noch gar nicht, was dir alles
fehlt.“
Sie wollte erneut protestieren, doch er brachte sie kurzerhand
mit einem Kuss zum Schweigen.
Und diesmal wehrte sie sich nicht.
Olivia stöhnte auf, weil ihre Lustgefühle kaum noch auszuhalten
waren. Tony war tief in ihr versunken und sah ihr dabei ebenso
tief in die Augen.
Er hatte recht. Sie hatte nicht geahnt, was ihr alles abging.
Mit einer Hand hielt er ihren Po umspannt und drängte sie, in
seinen Rhythmus zu verfallen. „Beweg dich mit mir, Sweetheart.
Ja, genau so.“ Lustvoll stöhnend schloss er kurz die Augen, um
Beherrschung bemüht. Es gefiel ihr, zuzusehen, wie er mit sich
rang, und zu wissen, dass sie eine solche Wirkung auf ihn hatte.
Als er die Arme unter ihre Knie hakte und sie anhob, sodass
sie ihm völlig ausgeliefert war, geriet sie fast in Panik. Sie füllte
sie so vollständig aus, dass sich ihre Lust mit Angst mischte.
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Tony beugte sich vor, um sie zu küssen.
„Hab keine Angst.“ Er bewegte sich heftiger in ihr und
beobachtete dabei ihr Gesicht. „Sag mir, wenn ich dir wehtue.“
„Tony …“
„Tief, Honey, in dem Buch hieß es ganz tief, erinnerst du dich?
Diese Stellung war deine Idee.“
Ja, sie erinnerte sich, wie sie im Restaurant spöttisch über die
besten Empfängnismethoden geredet hatte. Aber daran dachte
sie nun wirklich nicht, dazu waren ihre Glücksgefühle viel zu
stark, zu berauschend.
Die elektrisierende Spannung in ihr wuchs und wuchs, und auf
einmal war es, als wirbele eine wilde, urgewaltige Kraft sie
davon, und sie schloss verzückt die Augen.
„Sieh mich an!“
Tonys Stimme drang kaum in ihr Bewusstsein vor. Sie schaffte
es, die Lider zu heben, und als ihre Blicke verschmolzen,
erreichten ihre Gefühle eine Dimension, die weit über die
Vereinigung ihrer Körper hinausging.
Seine Augen strahlten, sein Gesicht war erhitzt, und als er in
höchster Lust aufstöhnte, wusste sie, dass auch er einen
Höhepunkt erlebte, der einer Explosion gleichkam. Und dann
ließ Tony sich langsam auf sie sinken und blieb erschöpft auf ihr
liegen.
Die emotionale Seite der körperlichen Liebe erschien ihr
kaum erträglich. Tränen traten ihr in die Augen, doch zum Glück
merkte Tony nichts davon, weil er immer noch nach Atem rang.
Als er sich zur Seite rollen wollte, hielt sie ihn fest.
Er presste seine Wange an ihre. „Du bist fantastisch, weißt du
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das eigentlich?“
Sie fragte sich, ob das wirklich wahr war. War die Liebe immer
so schön, oder hatten sie etwas Besonderes gemacht? Für sie
jedenfalls war es etwas Besonderes.
„Was ist, Honey?“ Liebevoll strich Tony ihr eine Haarsträhne
aus der Stirn. „Ich kann dich regelrecht denken hören.“
„Ausgeschlossen.“
„Doch. Irgendetwas beunruhigt dich, stimmt’s?“
Olivia fiel auf, dass er sich diesmal nicht entschuldigte, es nicht
richtig gemacht zu haben. Im Gegenteil, er sah derart
selbstgefällig drein, dass sie annahm, dass der Liebesakt
genauso sein sollte. Dennoch …
„Es wird von Mal zu Mal intensiver.“
„Und das macht dir Kopfzerbrechen?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Soll es denn so sein?“
„Bei uns, ja.“
„Aber bei anderen nicht?“
„Olivia.“ Weil er sich offensichtlich über sie amüsierte, runzelte
sie die Stirn. Zärtlich strich er mit dem Daumen darüber, damit
sie sich wieder entspannte.
„Sex ist bei jedem anders, aber das ist kein Grund zur
Beunruhigung. Manche Leute gehen ganz unbekümmert damit
um.“
„Und du?“
Er zögerte, dann küsste er sie erneut. „Ich weiß nicht recht. Für
mich ist Sex etwas Natürliches und nichts, wofür man sich
schämen müsste. Aber etwas Beiläufiges war es für mich auch
noch nie. Eine Frau musste mir schon etwas bedeuten.
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Abenteuer für eine Nacht mag ich nicht. Aber … es war noch nie
so schön für mich. Nie so wie mit dir.“
„Stört dich das nicht?“
Sein unerwartetes Gelächter ließ sie zusammenzucken. „Nein.
Wahrscheinlich sollte es das, aber … verflixt, es gefällt mir.“
Er unterband alle weiteren Fragen, indem er aufstand. Einen
Moment lang betrachtete er eingehend ihren bloßen Körper, und
es machte Olivia stolz, dass ihr Anblick ihm Vergnügen
bereitete. Dann gab er ihr einen liebevollen Klaps. „Komm,
Frau. Die Pflicht ruft. Ich muss ins Büro.“
Sie reckte und streckte sich, weil sie sein Bett eigentlich nicht
verlassen wollte. „Du hast recht. Ich muss auch einige Anrufe
erledigen.“
„Kommst du mit in mein Büro?“
„Ah, die mysteriöse Sache, die du mir zeigen willst. Was ist es,
Tony?“
„Du wirst schon sehen.“
Auf dem Weg ins Bad wunderte sich Olivia, wie schnell sie
sich daran gewöhnte, in Gegenwart eines Mannes nackt zu
sein. „Wir treffen uns in deinem Büro. Denn ich muss erst nach
Hause, um mich umzuziehen, und dann kurz in mein eigenes
Büro.“
Sie schloss die Badezimmertür. Als sie sich im Spiegel sah –
ihr Lächeln, ihre zufriedene Miene –, hielt sie inne. Was war sie
nur für eine Betrügerin! Tony würde sie zweifellos hassen, falls
er es je erfuhr.
Sie überlegte gerade, ob sie das ganze Spiel abbrechen
sollte, ehe sie zu tief hineingeriet, als Tony an die Tür klopfte.
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„Beeil dich, Honey. Je eher ich meine Geschäfte erledigt habe,
desto eher kann ich Feierabend machen. Vielleicht können wir
heute Abend ja zusammen essen.“
Gemeinsame Abendessen gehörten natürlich auch nicht zu
ihrer Vereinbarung, aber sie wollte schrecklich gern einwilligen.
Und weil ihr Herz einen kleinen Freudensprung machte, als er
sie wieder „Honey“ nannte, wurde Olivia klar, dass sie sich
bereits viel zu sehr gefühlsmäßig engagiert hatte.
Sie war dabei, sich in Tony zu verlieben.
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7. KAPITEL
Das Klappern ihrer Absätze hallte in dem mit Marmor
ausgelegten Foyer wider, als Olivia zu Tonys Büro ging. Von
allen Crown Hotels mochte sie dieses hier am liebsten.
Vielleicht, weil es in ihrer Heimatstadt lag, oder auch, weil Tony
hier die meiste Zeit verbrachte. Von hier aus führte er seine
Geschäfte.
Sie war unzählige Male zu geschäftlichen Besprechungen hier
gewesen, aber noch nie als Tony Austins Geliebte. Deshalb
hatte sie sich sehr sorgfältig gekleidet, sachlich-schick, wie es
ihrem Stil als Geschäftsfrau entsprach. Sie wollte auf keinen Fall
ins Gerede kommen. Es würde schwierig genug werden, in
unpersönlichem Ton mit Tony zu sprechen, ganz so, als hätte
sie nicht erst am Vormittag nackt mit ihm im Bett gelegen – als
hätte er sie nicht aufs Wunderbarste verwöhnt. Als hätte sie sich
nicht ausgiebig dafür revanchiert …
Seit dem Empfang war sie nicht mehr im Hotel gewesen, und
damals hatte sie nicht sonderlich auf dessen Neugestaltung
geachtet. Jetzt tat sie es. Und die Ausstattung gefiel ihr sehr.
Tony und sie hatten also auch einen ähnlichen Geschmack.
Gleich darauf wartete sie im Vorzimmer darauf, dass Martha
ein Telefonat beendete.
Es war geradezu lächerlich, wie nervös sie war, gerade so, als
würde Martha auf einen Blick sehen, dass sie nun ein intimes
Verhältnis zu Tony hatte.
Endlich legte Martha auf und begrüßte sie.
„Hallo, Martha. Ich möchte zu Mr Austin. Ist er zu sprechen?“
„Er hat mir gesagt, dass ich ihm sofort Bescheid geben soll,
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wenn Sie kommen. Sekunde bitte.“
Dieser verflixte Mann! Konnte er sich nicht einmal an seine
eigenen Spielregeln erinnern? Denn jeder, der Tony sprechen
wollte, brauchte von jeher einen Termin, außer der Familie und
sehr engen Freunden. Martha eine solche Anweisung zu geben,
war etwa so, als gäbe er ihre sexuelle Beziehung öffentlich
bekannt.
Und dann fiel Olivia ein, dass sie ja schon häufig
unangemeldet vorbeigekommen war, wenn es die eine oder
andere vertragliche Unstimmigkeit zu besprechen gab. Sie
hatte sich noch nie nach Tonys Spielregeln gerichtet, wenn sie
etwas wollte.
Die Bürotür ging auf, und Tony kam heraus, gefolgt von seinem
Schwager Brian. Sie hatte beinahe vergessen, dass Brian auch
in dem Familienunternehmen arbeitete. Es kamen noch zwei
Männer ins Vorzimmer, ebenfalls Manager von Crown Hotels,
die Tony ihr auf dem Empfang vorgestellt hatte. Sie alle
lächelten sie an. Olivia fühlte sich schrecklich.
Es war ihr fast unmöglich, ihre professionelle Miene
aufzusetzen, besonders weil Tony dastand und sie höchst
vertraulich angrinste. Sicher würden die anderen Männer das
merken, und dann wäre ihr Geheimnis keins mehr.
Sie überlegte noch, wie sie reagieren sollte, als Brian ihre
Hand ergriff. „Olivia. Es ist nett, Sie wiederzusehen. Wie ich
höre, haben Sie am Wochenende Tony beim Babysitten
geholfen. Kate war richtig begeistert. Sie beurteilt jeden
danach, wie er mit Kindern umgeht, und sie erklärte spontan,
dass Sie eine natürliche Begabung haben.“
Olivia war sprachlos. Warum behaupteten alle, sie habe eine
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natürliche Begabung? Sie hatte doch keine Ahnung im Umgang
mit Kindern. Und dann traf sie fast der Schlag.
Brian hatte eben vor versammelter Mannschaft verkündet,
dass sie das Wochenende mit Tony verbracht hatte. Sie stöhnte
innerlich. Während sie wie gebannt Brian anstarrte, kam ihr der
Verdacht, dass er sie und Tony absichtlich bloßgestellt hatte.
Sie zwang sich zu einem höflichen Nicken. „Es war mir ein
Vergnügen.“
Brian lachte. „Sehen Sie? Wer würde es schon ein Vergnügen
nennen, drei Kinder über Nacht zu betreuen? Außer Tony
natürlich. Der wäre wohl mit einem Dutzend Kinder erst so
richtig glücklich.“
Auch Tony lachte. „Einem Dutzend? Nein danke. Drei haben
mir gereicht.“
Olivia fasste es nicht, dass Tony einfach dastand, lachte und
scherzte und die Unterhaltung derart aus dem Ruder laufen ließ.
Wollte er, dass alle von ihrer Abmachung erfuhren? Was war
aus ihrer Übereinkunft geworden, einen Skandal zu vermeiden?
„Ich habe Tony schon ein paar Mal gesagt, dass ich nun an der
Reihe bin“, fuhr Brian fort. „Ich kann Sie und Tony nicht zufällig
nächstes Wochenende anheuern, oder? Meine beiden Töchter
wären begeistert, und Kate und ich hätten wieder einmal Zeit für
uns.“
Noch immer grinsend schüttelte Tony den Kopf. „Gib uns erst
einmal einen Monat Erholung, dann überlegen wir es uns.“
Einen Monat? In einem Monat würden sie einander gar nicht
mehr sehen. Zwei Wochen, und dann hieß es adieu. Eigentlich
waren es nicht einmal mehr zwei Wochen, denn der Countdown
lief ja bereits.
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Die Erinnerung an die zeitliche Begrenzung ihrer Affäre trieb
Olivia die Tränen in die Augen. Als sie sich wieder
einigermaßen im Griff hatte, sah sie, dass Tony dabei war, die
beiden Manager und Brian zu verabschieden. Martha, seine viel
beschäftigte Sekretärin, arbeitete an ihrem Computer. Dann
spürte sie Tonys Hand auf ihrem Arm.
„Komm, wir unterhalten uns in meinem Büro.“
Im Gegensatz zum Vorzimmer waren die Wände seines Büros
nicht aus Glas, sodass Olivia und Tony unbeobachtet waren.
Sie brauchte noch einen Moment, um sich zu fassen.
Tony führte sie zu einem bequemen Ledersessel. „Alles in
Ordnung mit dir?“
Nein, sie war nicht okay. Sie fühlte sich miserabel. „Das Ganze
ist einfach schrecklich.“
„Was denn?“
Entgeistert starrte sie ihn an, weil sie nicht glauben mochte,
dass er derart begriffsstutzig war. „Inzwischen wird bestimmt
schon im ganzen Hotel über uns geklatscht! Alle werden es
erfahren.“
„Du nimmst das viel zu tragisch, Honey. Lass die Leute doch
denken, dass wir uns verabreden. Was ist schon dabei?“
„Was dabei ist? Du wolltest unsere Verbindung vertraulich
behandeln, erinnerst du dich?“
„Unsere Beziehung ist vertraulich. Niemand wird erfahren,
dass wir versuchen, ein Kind zu zeugen. Und was
Verabredungen betrifft, du bist attraktiv, wir arbeiten zusammen.
Warum sollten die Leute nicht annehmen, dass wir das eine
oder andere Rendezvous haben?“
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„Da könntest du recht haben.“
„Bestimmt sogar. Und da meine Familie schon von uns weiß,
könntest du ebenso gut einlenken und zum Thanksgiving-Essen
kommen. Sie werden mich lynchen, wenn du ablehnst.“
Sie bezweifelte wirklich, dass sie ein weiteres Familientreffen
überleben würde. „Ich glaube nicht …“
Tony küsste zärtlich ihren Mund. „Ich weiß, es ist schwer für
dich, aber ich werde ja auch da sein. Und nach einer Weile wird
es dich nicht mehr so sehr stören, mit einer großen Familie
zusammen zu sein. Es könnte dir sogar Spaß machen.
Außerdem freuen sich die Kinder auf dich. Und die mochtest du
doch.“
„Oh ja.“ Olivia war versucht, zuzustimmen, hatte aber auch ein
wenig Angst. Sie war langsam nicht mehr Herr der Lage, und
das war ihr seit Langem nicht mehr passiert. „Ich möchte
einfach nicht, dass alle glauben, wir seien miteinander liiert.“
„Sie werden glauben, was sie wollen, ob du nun kommst oder
nicht. Wenn du jedoch kommst, würde ihnen wenigstens ein
wenig der Wind aus den Segeln genommen.“
„Glaubst du das wirklich?“
„Ja. Im Moment nehmen sie doch an, dass ich dich vor ihnen
verstecken will. Wenn du mitkommst, werden sie annehmen,
dass wir bloß miteinander ausgehen.“
„Vermutlich hast du recht. Und wenn die zwei Wochen um sind
und wir uns nicht mehr sehen, werden alle denken, dass wir uns
getrennt haben.“
Abrupt erhob sich Tony und ging zu seinem Schreibtisch. Mit
abgewandtem Gesicht stützte er sich mit einer Hand auf die
Tischplatte, die andere hatte er in seiner Hosentasche
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vergraben. Olivia wünschte, sie wüsste, worüber er so
angestrengt nachdachte.
Ohne sie anzusehen, fragte er: „Wie bist du eigentlich auf
diese zwei Wochen gekommen?“
Sie überlegte einen Moment. „Das erschien mir eine
angemessene Zeitspanne zu sein. Falls ich schwanger werde,
dann sollte es wohl bis dahin geklappt haben.“
„Du dachtest also, wir hören einfach auf, einander zu sehen,
und falls sich herausstellt, dass du schwanger geworden bist,
dann rufst du kurz an, um mir die Neuigkeit mitzuteilen?“
Wenn man es so formulierte, klang es erschreckend nüchtern.
„Du hast diesem Plan zugestimmt, Tony.“
„Schon, aber jetzt gefällt er mir nicht mehr.“ Er warf ihr einen
kurzen Blick zu, ehe er sich wieder abwandte. „Ich habe eine
bessere Idee.“
„Und die wäre?“ Sie wurde von Aufregung und gleichzeitig
einer gewissen Beklommenheit erfasst.
„Wir bemühen uns weiter um eine Empfängnis, bis wir Erfolg
haben. Wenn es drei Wochen dauert oder vier, was macht das
schon? Auf diese Weise erlebe ich die Schwangerschaft von
Anfang an mit. Dem hast du zugestimmt, entsinnst du dich?“
In diesem Moment wünschte sich Olivia von ganzem Herzen,
sie wäre nicht unfruchtbar. Mehr Zeit mit Tony zu verbringen, ihn
an ihrem Leben teilhaben zu lassen, das wäre einfach
wundervoll. Da es jedoch nicht sein konnte, suchte sie fieberhaft
nach einer Antwort, die er akzeptieren würde.
„Es gibt keine Garantie dafür, dass es innerhalb von vier
Wochen passiert, Tony. Wir müssen uns eine Frist setzen. Das
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ist nur vernünftig.“
„Dann gib mir sechs Wochen.“
Er hatte das in seinem geschäftsmäßigen, gebieterischen Ton
gesagt. Olivia lachte auf, denn dieser Tonfall hatte sie noch nie
eingeschüchtert. „Du hast also das Gefühl, in sechs Wochen
genügend Potenz entwickeln zu können?“, neckte sie ihn.
Nun grinste auch er. „Komm her, Honey. Ich möchte dir etwas
zeigen.“
Olivias Neugier war geweckt. Auf Tonys Schreibtisch sah sie
eine Reihe von Fotos von einem sehr exklusiven Hotel
ausgebreitet. „Ist das ein Neuerwerb?“
„Ja. Was hältst du davon?“
Olivia besah sich die Bilder genau. Sie zeigten unter anderem
einen eleganten Bankettsaal in Dunkelrot, Tannengrün und
Gold. Auf einigen waren prachtvolle Lüster zu sehen, die von
den Decken hingen. Ein Swimmingpool war auch vorhanden,
umgeben von einer Gartenanlage.
„Es ist wunderschön.“
Tony erklärte ihr Näheres und meinte zum Schluss: „Es ist für
eine gehobene Klientel, und ich dachte, du würdest vielleicht
dorthin umsiedeln wollen – nach der Geburt des Babys.“
Olivia riss die Augen auf und wich automatisch einen Schritt
zurück. Ihr wurde ganz flau im Magen. „Verstehe.“
Tony fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Die Ladenfläche
jedenfalls gehört dir, ob du schwanger wirst oder nicht.“
Sie zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann schüttelte
sie den Kopf. „Nein. Unsere Abmachung …“
„Zum Teufel mit der Abmachung!“ Tony atmete tief durch.
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„Entschuldige. Das Ganze macht mich ganz krank. Du musst
wissen, dass ich schon überlegt hatte, dir den Ladenraum
anzubieten, ehe ich wegen des Babys mit dir gesprochen hatte.
Aber ich sagte nichts, weil ich dachte, es wäre vielleicht ein
Anreiz für dich, meinen Vorschlag anzunehmen. Aber jetzt … tja,
du verdienst den Laden. Du bist eine gute Wahl für die Crown
Hotels. Deine Boutiquen finden bei unseren Gästen stets
großen Anklang, und deshalb wird dein Konzept auch im neuen
Hotel gut ankommen.“
Olivia schwirrte der Kopf. „Ich weiß nicht recht. Es ist ein so
gravierender Schritt …“
„Ein Schritt nach vorn. Eine enorme Vergrößerung deines
Unternehmens. Das Verkaufspotenzial hier wird unglaublich
sein.“ Nach einem Moment fügte er hinzu: „Natürlich wirst du
durch den neuen Laden noch beschäftigter sein. Geschäfte zu
betreiben, die so weit auseinanderliegen, nimmt viel Zeit in
Anspruch, und dir wird kaum Zeit für etwas anderes bleiben.
Aber das sollte kein Problem für dich sein.“
Sein Ton ließ sie hochsehen. Sein Blick schien sie zu
durchbohren, war herausfordernd, abwartend. Aber sie hätte
nicht sagen können, worauf Tony wartete. Dann hakte er nach:
„Das ist es doch, was du willst, nicht wahr?“
„Ich … Ja. Ich möchte mich vergrößern.“ Trotz allem überkam
Olivia eine gewisse Aufregung. Das neue Hotel war genau der
Standort, an dem sie letzten Endes eine Boutique betreiben
wollte.
Aber sie wusste, warum Tony ihr das Angebot machte. Er
wollte, dass sie so viel zu tun hatte, dass sie sich nicht in sein
Leben und das des Babys würde einmischen können. Das tat
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weh. Sie reckte das Kinn vor. „Es ist ganz sicher eine
fantastische Gelegenheit, Tony. Aber ich möchte mich nicht
übernehmen. Der Nordwesten ist so weit weg …“
„Seattle, um genau zu sein.“
Er betrachtete sie erneut eingehend, und sie hatte das Gefühl,
er wolle sie irgendwie einschätzen. „Seattle.“ Sie begann, in
Tonys Büro umherzugehen, um Zeit zu gewinnen. Es war
eigentlich ein ideales Angebot, denn sie würde Distanz zu Tony
brauchen. Sie bezweifelte nicht, dass sie, wenn die zwei
Wochen um waren – und sie musste dieses Limit irgendwie
durchsetzen –, Schwierigkeiten haben würde, Tony zu
begegnen und so zu tun, als wäre nichts zwischen ihnen
gewesen. Die zusätzliche Arbeit würde ihr helfen, nicht an Tony
zu denken. Aber Seattle …
„Über einen möglichen Umzug habe ich noch gar nicht
nachgedacht. Schließlich hatte ich anderes im Kopf.“ Sie
bedachte ihn mit einem nervösen Lächeln, das er zum Glück
erwiderte.
„Du kannst es dir in Ruhe überlegen.“
„Danke.“ Ihre Erleichterung war ihr deutlich anzuhören.
Einen Augenblick lang sah Tony Olivia nachdenklich an. Dann
ging er zu seiner Bürotür und schloss sie ab. Danach kam er
wieder auf sie zu. Sein Blick wirkte durchdringend, und sie wich
zurück, bis sie an den Schreibtisch stieß.
Direkt vor ihr blieb er stehen, ließ sie nicht aus den Augen.
Dann drehte er sie sanft um, sodass sie ihm den Rücken
zukehrte. „Leg die Hände flach auf den Schreibtisch.“
Sie tat es, ohne nachzudenken, ihr Puls beschleunigte sich.
„Tony?“
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„Ich wollte dir noch etwas zeigen.“
Ehe Olivia wusste, wie ihr geschah, schob Tony ihr den Rock
hoch. „Tony, ich glaube nicht …“
„Pst. Es gibt da diese neue Mode, die man ‚Mittagsquickie‘
nennt. Sie wird dir gefallen.“ Er bewegte die Hände über ihre
Schenkel höher, bis er den Spitzenrand ihres Slips erreichte.
„Aber was ist, wenn Martha anklopft?“, flüsterte Olivia.
„Martha ist zum Lunch.“ Seine Stimme klang nun heiser und
tief, während er ihren Po streichelte und knetete. „Ich habe keine
weiteren Termine, und im Moment fühle ich mich besonders
potent.“ Spielerisch biss er in ihr Ohr.
„Hm. Verstehe.“ Er ließ verführerisch eine Hand nach vorn über
ihren Bauch wandern und schob sie in ihren Seidenslip.
Automatisch spreizte sie die Beine. „Wir können ja schlecht
deine Potenz vergeuden, oder?“
Er lachte leise, während er den offenen Mund auf ihren Nacken
presste, warm und feucht und ausgesprochen begierig. Und
während ihr Herz zum Zerspringen klopfte und im stillen Büro nur
das Aufziehen seines Reißverschlusses zu hören war, kam
Olivia zu dem Schluss, dass jede Mode einmal ausprobiert
werden sollte. Und im Augenblick gefiel ihr diese hier sehr.
Thanksgiving kam schnell heran, doch Olivia hatte keine Angst
mehr, mit Tonys Familie zusammenzutreffen. In den letzten
beiden Wochen hatte sie alle näher kennengelernt. Irgendwie
waren sie ihr immer wieder über den Weg gelaufen. Ein paar
Familienmitglieder waren sogar in ihre Boutique gekommen.
Angefangen hatte es mit seiner Schwester, Kate, die kam, um
Wäsche zu kaufen. Sie erstand auch wirklich einige Dessous,
doch die meiste Zeit plauderte sie mit Olivia.
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Ein paar Tage später erschien Kate erneut, diesmal mit Lisa.
Lachend beschrieb sie Brians Reaktion auf ihre Dessous.
„Ich muss wohl ein wenig den Schwung verloren haben, denn
als er mich in diesem Satin-Teddy mit dem gewagten
Ausschnitt sah, wäre er fast aus dem Bett gefallen.“
Daraufhin kaufte Lisa den gleichen Teddy in einer anderen
Farbe, doch Olivia errötete, weil solche intimen Details in ihrer
Gegenwart erzählt wurden. In der Tat errötete sie immer wieder,
während Lisa und Kate in ihrem Laden waren, diverse
Wäschestücke
anprobierten
und
sie
in
all
ihr
„Mädchengeplauder“
einbezogen.
Sie
stellten
keine
persönlichen Fragen zu Tony.
„Seit dem Tod unseres Vaters spielt Tony den Patriarchen“,
berichtete Kate, nunmehr ernst. „Es hat ihn noch mehr getroffen
als alle anderen. Er war der Älteste, und zwischen ihm und Dad
hatte sich eine besondere Beziehung entwickelt, weil Tony sich
mehr für die Hotels interessierte als zum Beispiel John, und sie
deshalb mehr Zeit miteinander verbrachten.“
„Als Dad starb“, ergänzte Lisa, „war John sehr um Tony
besorgt. Aber wie Tony nun einmal ist, ließ er sich seine Trauer
nicht anmerken und stürzte sich in die Arbeit, um die Hotels zu
sanieren. Ich glaube, er tat es nicht nur, um das Unternehmen
voranzubringen, sondern auch, um sich abzulenken.“
„Und er klammerte Frauen fast gänzlich aus seinem Leben
aus. Vorher schien er entschlossen, sich eine Frau zu suchen.
Er wollte verheiratet sein, wie wir anderen auch, und er gab
verschiedenen Frauen eine faire Chance, obwohl sogar ich
zugeben muss, dass er mit der einen oder anderen Wahl völlig
daneben lag. Tony ist ein so eigensinniger Mann, manchmal ein
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bisschen arrogant, aber überaus liebenswürdig. Nur eine starke
Frau würde zu ihm passen.“
Lachend versetzte Lisa Kate einen Knuff. „Er behauptete
immer, nach der perfekten Frau zu suchen.“
Kate grinste. „Und wir sagten ihm jedes Mal, dass wir schon
vergeben seien.“
Alle drei Frauen brachen in Gelächter aus, und Olivia fühlte
sich zunehmend wohler in Lisas und Kates Gegenwart. Ohne zu
überlegen, meinte sie: „Tja, leider bin ich so weit von ‚perfekt‘
entfernt, wie es nur irgend möglich ist.“
Kate schüttelte den Kopf. „Perfektion existiert doch nur im
Blickwinkel
der
Person,
die
sie
sucht,
und
ihren
Idealvorstellungen.“
„Jedenfalls“, ergriff wieder Lisa das Wort, nachdem sie sich
noch einen äußerst knappen Spitzenslip ausgesucht hatte,
„haben Sie und Tony Spaß miteinander, er verabredet sich
wieder, und die Kinder mögen Sie. Im Augenblick ist das doch
mehr als genug, finden Sie nicht?“
Olivia ging nicht auf diese Frage ein, sondern erwiderte nur:
„Ich freue mich, dass die Kinder mich akzeptieren.“
„Sie schwärmen geradezu für Sie“, beharrte Kate. „Und wenn
man bedenkt, wie sie ihren Onkel Tony vergöttern, dann ist das
eine große Anforderung, die da an jede seiner möglichen
Beziehungen gestellt wird.“
Natürlich erwähnte Olivia nicht, dass ihre Beziehung zu Tony
einen bestimmten Zweck verfolgte und zeitlich begrenzt war. Sie
wollte jeden Tag mit ihm genießen und in ihre Erinnerung
aufnehmen, sodass sie nie wieder wirklich allein sein würde.
Aber die beiden Wochen näherten sich sehr schnell ihrem
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Ende, und es wäre einfach nicht fair, Tony länger falsche
Hoffnungen zu machen.
Ein paar Tage später war Olivia in ihrer anderen Boutique
dabei, mit ihrer Filialleiterin eine Bestellung zu besprechen, als
Brian und John auftauchten. Interessiert sahen sie sich um. John
schien begeistert, während Brian, kaum zu glauben, richtig
verlegen wirkte. Olivia musste sich ein Schmunzeln verkneifen.
„Ah“, rief John aus und kam geradewegs auf sie zu, „da ist sie
ja, die Lady, die es mit links geschafft hat, einen Hauch von
Honeymoon in eine normale Arbeitswoche zu bringen.“
Nun ihrerseits vor Verlegenheit errötend, warf Olivia Brian
einen Seitenblick zu. Er war an einem Ständer mit zarten
Spitzenmiedern stehen geblieben und begutachtete sie. „Hallo,
John.“
Er zog sie an sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Ihr
Laden gefällt mir, Livvy.“
Seine überschwängliche Begrüßung machte Olivia ganz
nervös, und sie versuchte, sich zu fassen. „Freut mich, das zu
hören. Haben Sie heute im Hotel zu tun?“
„Nein. Brian und ich machen Weihnachtseinkäufe. Da unsere
Frauen schon des Öfteren bei Ihnen waren, können Sie uns
sicher sagen, welche Dessous es ihnen besonders angetan
haben.“
„Ja, kann ich.“ Es gab in der Tat einige Wäschestücke, die
Kate und Lisa sehr gefallen hatten, aber nicht ganz billig waren.
Olivia zögerte.
Brian enthob sie ihrer Bedenken. „Egal, was es kostet, ich
kaufe es.“
John brach in Gelächter aus. „Armer Brian. Kate hat dich
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wirklich fest an der Angel, was?“
„Beklage ich mich etwa?“
John tat entrüstet. „Ich weiß nicht, ob es mir gefällt, so etwas
von meiner kleinen Schwester zu hören.“
„So klein ist sie gar nicht mehr, und glaub mir, was für
Neigungen die Austin-Männer auch immer haben, sie hat ihren
Anteil geerbt.“
„Also Brian, du wirst Livvy mit solchem Gerede noch in Angst
und Schrecken versetzen.“
Olivia hatte keine Ahnung, wovon die beiden sprachen, aber
sie gewöhnte sich langsam daran, wie sie einander aufzogen.
Schulterzuckend meinte sie: „Nein, überhaupt nicht.“
„Siehst du? Jeder, der Tony kennt, weiß, dass er ein sehr
dynamischer Mann ist. Da ist es nur logisch, dass diese
Dynamik sich auf alle Lebensbereiche erstreckt.“
Als Olivia begriff, musste sie sich ein Lächeln verkneifen. Ja,
Tony war ein „dynamischer“ Mann, der mit allem, was er tat,
beeindruckte – seine Liebeskünste eingeschlossen.
„So, es ist also ein Familienmerkmal?“
John lachte. „Genau. Sehen Sie, mit Ihren Edelboutiquen
passen Sie bestens dazu. Und wie alle Austins strebt Tony
immer das an, was er möchte – und gibt nicht auf, ehe er es
erreicht hat.“ Ehe sie hätte antworten können, rieb er sich die
Hände und meinte: „So, was wünscht sich Lisa denn nun? Ich
bin richtig neugierig.“
Unter viel Gelächter suchten John und Brian schließlich
mehrere Wäschestücke aus, die ihnen selbst besonders
gefielen. Die Verkäuferin hatte alle Hände voll zu tun, die
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Einkäufe hübsch zu verpacken.
Die Austins waren eine so aufgeschlossene, herzliche Familie,
die Männer ihren Frauen so sehr zugetan, und alle hielten sie
zusammen. Und sie schlossen sie, Olivia, immer wieder mit ein.
Trotz ihres Vorsatzes, auf Distanz zu bleiben, fühlte sie sich
irgendwie dazugehörig und freute sich auf ihren bevorstehenden
Besuch.
Es wäre das erste Thanksgiving, das sie seit dem Tod ihrer
Eltern nicht allein verbrachte, und es überkam sie ein Gefühl von
Traurigkeit und zugleich Aufregung.
Tony kam Olivia um drei Uhr nachmittags abholen. Sie hatte
sich mit besonderer Sorgfalt gekleidet, und als sie ihm die Tür
öffnete, pfiff er anerkennend durch die Zähne.
„Honey, du wärst genau das richtige Dessert für mich.“
So, wie er sie mit Blicken verschlang, hatte sich also die
Ausgabe gelohnt. Ihr neues Kleid aus schwarzem Cashmere
betonte ihre Figur perfekt, und der asymmetrische Ausschnitt,
der eine Schulter freiließ, verlieh dem Ganzen eine gewisse
Raffinesse. Der Saum endete etwa eine Handbreit über ihren
Knien, und durch ihre hochhackigen Pumps war sie etwa gleich
groß wie Tony.
Er zog sie an sich und drückte einen verlangenden Kuss auf ihr
Schlüsselbein. „Tony …“
Mit einer Hand strich er über ihre Brust, hielt jedoch inne, als
sie scharf die Luft einsog. „Hab ich dir wehgetan?“
Sie schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich heute besonders
empfindsam, ihre Brüste schmerzten beinah bei seinen sanften
Liebkosungen.
„Deine Knospen reagieren schon, und ich hab sie kaum
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berührt.“ Tony seufzte auf. „Was würde ich dafür geben, jetzt ein
Stündchen mit dir allein sein zu können.“ Widerstrebend gab er
sie frei. „Wenn wir nicht erwartet würden …“
„Aber wir werden es.“ Sie hatte ebenso große Sehnsucht nach
ihm wie er nach ihr. Auch wenn ein gemeinsames Leben vor
ihnen läge, anstatt nur noch wenige Tage, würde sie nie genug
von seiner brennenden Begierde bekommen. Sie nahm sich
zusammen, um jetzt nicht an ihren selbst auferlegten Termin zu
denken, denn sie wollte sich den Tag nicht verderben.
Als Tony Olivia kurz darauf die Wagentür öffnete, strich sie ihm
zärtlich über die Wange.
„Olivia.“ Er beugte sich zu ihr hinab und küsste sie heiß und
innig. Sein Kuss hätte den seit dem Morgen gefallenen Schnee
zum Schmelzen bringen können. Er hielt kurz inne, um forschend
ihr Gesicht zu betrachten, dann küsste er sie noch einmal. Olivia
vergaß die weiße Pracht ringsum, vergaß, dass sie zu spät
kommen könnten, und wäre am liebsten zurück in ihre Wohnung
gegangen.
Auf einmal hörten sie, wie gegen eine Glasscheibe geklopft
wurde, und sahen hoch.
Hinter der Haustür standen breit schmunzelnd Olivias
Nachbarn. Als Olivia ihnen lachend zuwinkte, winkten sie zurück.
„Wie die sieben Zwerge, die Schneewittchen und den Prinzen
verabschieden, hm?“
„Aha. Du hältst dich also für einen Prinzen?“
Sobald Tony den Wagen gestartet hatte, griff er das Gespräch
auf. „Nein, ich meinte nur, dass sie sehr nett auf dich
achtgeben.“
Das fand Olivia auch. „Und es ist schon seltsam, wenn man
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bedenkt, wie zurückgezogen ich lebe. Ich bin freundlich zu ihnen,
gehe ihnen nicht gerade aus dem Weg, bemühe mich aber
auch nicht um sie.“
„Das brauchst du gar nicht. Du hast diese gewisse
Ausstrahlung, die Menschen Vertrauen einflößt. Und heutzutage
ist Vertrauen alles.“
Sie blickte zur Seite. „Manchmal ist es dumm, jemandem zu
vertrauen.“ „Ich vertraue dir.“
„Oh Tony, bitte nicht. Ich möchte jetzt nicht über wichtige oder
ernste Dinge sprechen. Ich möchte heute nur … meinen Spaß
haben.“
Er griff nach ihrer Hand. „Und den hast du mit meiner Familie?“
„Aber ja. Sie sind alle ein bisschen verrückt und so herzlich,
dass man einfach Spaß in ihrer Gesellschaft haben muss.“
„Okay. Aber morgen müssen wir miteinander reden.“
Einen Moment saß sie stocksteif da, dann nickte sie
widerstrebend. Ja, sie würden miteinander reden müssen. Ihre
Zeit lief ab, und Tony verdiente es, wieder frei zu sein.
Den Rest der Fahrt legten sie schweigend zurück.
Das Haus von Tonys Mutter war mit weihnachtlichen
Lichterketten geschmückt, und an der Tür hing ein dekorativer
Kranz. Tony hob Olivias Kinn und küsste sie. „Lächle,
Sweetheart. Wir wollen jetzt einfach nur den Besuch genießen
und das Essen und später die Liebe. Einverstanden?“
„Natürlich.“ Sie lachte, weil er überrascht tat.
„Hab ich es dir etwa verdorben, Olivia?“
„Gründlich.“
„Du hast also vor, mich später zu verführen?“
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„So ist es.“
Er schob eine Hand unter ihren Mantel. „Heißt das, du trägst
aufreizende Dessous, um mich zum Wahnsinn zu treiben?“
„Natürlich nicht“, erwiderte sie mit Unschuldsmiene. Er runzelte
die Stirn, und weil die Tür aufging, flüsterte sie ihm schnell zu:
„Ich trage überhaupt nichts darunter.“
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8. KAPITEL
Die ersten krampfartigen Bauchschmerzen verspürte Olivia
direkt nach dem Dinner, aber sie ignorierte sie. Sie kannte
solche Schmerzen. Sie bekam sie immer wieder, seit sie mit elf
zum ersten Mal ihre Tage gehabt hatte, doch es waren keine
Regelbeschwerden.
Im Lauf der Jahre hatte sie gelernt, mit diesen Schmerzen
umzugehen. Nur einmal waren sie unerträglich geworden, und
das war damals gewesen, als ihre Eltern sie ins Krankenhaus
hatten bringen müssen.
Sie erinnerte sich nicht genau an die Diagnose, nur daran,
dass sie hatte operiert werden müssen und dabei einen ihrer
Eierstöcke verlor. Seitdem war ihr Zyklus so unregelmäßig,
dass sie manchmal monatelang keine Regel hatte.
Ihre Mutter hatte ihr erklärt, dass sie wahrscheinlich keine
Kinder bekommen würde, und der Grund leuchtete Olivia ein.
Mit nur einem Eierstock konnte man schlechter schwanger
werden, insbesondere, wenn man keinen Eisprung hatte.
Wenn ihre Bauchschmerzen wieder einmal besonders
schlimm waren, hätte sie sich gern von einem Arzt bestätigen
lassen, dass diese Schmerzen im Bereich des Normalen lagen.
Doch ihr Erlebnis, als schüchternes junges Mädchen von einem
Mann untersucht worden zu sein, ließ sie selbst vor einem
Routinebesuch beim Gynäkologen zurückschrecken.
Gerade als alle über einen Witz von John lachten, verspürte
Olivia einen neuen Krampf und verzog das Gesicht. Tony fragte
sie leise, ob alles in Ordnung mit ihr sei.
„Ja. Ich glaube, ich habe nur ein wenig zu viel gegessen.“
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Er grinste. „Ich auch.“ Dann flüsterte er ihr ins Ohr: „Du wirst mir
helfen müssen, später ein paar Kalorien abzuarbeiten. Weißt du
schon, wie?“
Im Moment wollte sie nichts weiter als eine Schmerztablette.
Sie tätschelte Tony den Arm und stand auf. „Ich überlege mir
etwas. Und jetzt entschuldige mich bitte.“ Auf dem Weg zur Tür
spürte sie genau, dass Tony ihr besorgt nachsah.
Nachdem sie im Bad zwei Tabletten eingenommen hatte,
lehnte sie sich gegen das Waschbecken. Die Schmerzen waren
diesmal heftiger als sonst. Sie fragte sich, ob das damit
zusammenhing, dass sie sexuell aktiv geworden war.
Als sie nach ein paar Minuten wieder auf den Flur trat, wartete
Tony auf sie. „Was ist, Olivia? Was hast du?“
Was machte schon eine weitere Lüge? „Ich fühle mich etwas
angeschlagen, Tony. Vielleicht steckt mir eine Erkältung in den
Knochen.“
Er legte ihr liebevoll die Hand auf die Stirn und nickte nach
einigen Augenblicken. „Du scheinst tatsächlich ein wenig
Temperatur zu haben. Wir sollten aufbrechen.“
„Nein.“ Sie wollte nicht, dass dieser Tag schon endete, vor
allem, weil ihnen nur noch wenige Tage zusammen blieben. „Es
ist nicht so schlimm.“
„Du siehst gar nicht wohl aus, Honey.“
„Es ist nichts, bestimmt.“
Weil das geradezu verzweifelt geklungen hatte, betrachtete
Tony sie noch eingehender. „Na schön. Aber ich möchte, dass
du dich hinsetzt und dich entspannst.“
„Die Frauen helfen alle, die Küche aufzuräumen.“
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„Nein, das werden diesmal wir Männer übernehmen. Also, ruh
dich aus, okay? Und versprich mir, dass du mir Bescheid sagst,
wenn es dir schlechter geht.“
„Versprochen.“ Insgeheim war sie jedoch entschlossen, bis
zum Ende des Familientreffens auszuhalten.
Aber eine Stunde später waren ihre Krämpfe so heftig, dass
sie nicht länger bleiben konnte. Sie warf Tony einen Blick zu,
und Tony stand sofort auf, als habe er nur auf ihr Signal
gewartet.
Er machte es wunderbar, sie beide für ihren frühzeitigen
Aufbruch zu entschuldigen. Daran, wie John grinste und Kate ihr
zuzwinkerte, merkte Olivia jedoch genau, dass alle dachten,
dass sie aufbrachen, um endlich allein zu sein.
Als sie im Wagen saßen, erklärte Tony: „Ich bringe dich zu mir
nach Hause. So kann ich mich um dich kümmern, falls du
wirklich krank wirst.“
Entsetzt schüttelte Olivia den Kopf und suchte fieberhaft nach
einem Grund, sein großzügiges Angebot abzulehnen. „Ich
möchte lieber in meine Wohnung, Tony. Dort fühle ich mich
wohler.“
„In Ordnung. Ich hole mir schnell ein paar Sachen von zu Hause
und übernachte bei dir.“
Bisher war es ihr gelungen zu vermeiden, dass er sich länger
in ihrem Apartment aufhielt. Denn sie wollte, dass sie sich in
ihrem Zuhause noch wohlfühlte, sobald ihre gemeinsame Zeit
um war. Wenn er erst in ihrem Bett geschlafen, in ihrer Küche
gegessen oder in ihrem Bad geduscht hätte, würde sie
dagegen ständig an Tony erinnert werden. Und das durfte nicht
passieren.
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„Tony, es tut mir leid. Sehr sogar. Doch ich möchte lieber allein
sein. Immer wenn ich krank bin …“
„Aber du bist nie krank! Seit Jahren hast du nicht einen Tag im
Geschäft gefehlt.“
Richtig. Aber die Krämpfe waren auch noch nie derart heftig
gewesen. „Es wäre mir angenehmer, für mich zu sein.“
Es trat Schweigen ein, und Olivia war klar, dass sie Tony
verletzt hatte. Sie fühlte sich schrecklich, aber es gab keinen
Ausweg, keinen Weg, um ihr Verhalten, ihre Lügen
ungeschehen zu machen.
Endlich sagte Tony sehr leise: „Ich fahre dich nach Hause.
Aber ich möchte, dass du mir versprichst anzurufen, wenn du
etwas brauchst.“
„Natürlich.“
Sie wussten beide, dass das gelogen war.
Irgendwann begriff Olivia, dass etwas mit ihr nicht in Ordnung
war. Seit sie nach Hause gekommen war, hatte sie Schmerzen,
einmal mehr, einmal weniger, und sie hatte Blutungen
bekommen. Nicht stark, aber bei ihrem derart unregelmäßigen
Zyklus war es schon ungewöhnlich. Dann plötzlich, gegen
Mitternacht, wurden ihre Bauchschmerzen unerträglich. Sie
musste ins Krankenhaus, auch wenn sie nicht selbst würde
hinfahren können.
Tony konnte sie nicht bemühen, nicht, nachdem er angerufen
und sie ihm gesagt hatte, er solle sich keine Sorgen machen.
Sie war kurz angebunden gewesen. Zum einen, weil sie
Schmerzen hatte, zum anderen, weil es sie große Mühe kostete,
nicht einzulenken und ihm zu sagen, dass sie ihn brauchte. Sie
hatte ihn genug ausgenutzt, und nun wusste sie nicht, an wen sie
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sich wenden sollte.
In ihrer Not ging sie schließlich zu ihrer Nachbarin Hilda. Kaum
hatte sie an deren Tür geklopft, da gingen, wie gewöhnlich, auch
die anderen Türen auf dem Flur auf, und im Nu wurde sie von all
ihren Nachbarn bemuttert und getröstet. Minuten später hatte
Hilda ihren Mantel an und die Wagenschlüssel in der Hand.
Von Hilda und dem netten alten Leroy gestützt, schaffte es
Olivia zum Hauseingang. Hilda versprach den anderen
anzurufen, sobald sie im Krankenhaus angekommen waren,
denn es schneite inzwischen heftig.
Kaum saß Olivia mit angezogenen Beinen hinten im Wagen,
da begann sie zu weinen. Nicht vor Schmerzen, sondern vor
Rührung über die plötzliche Erkenntnis, dass sie Freunde hatte,
ohne es zu wissen. Sie hatte sich nur immer eingeredet, ganz
allein zu sein.
„Es wird gut, Olivia. Keine Sorge. Wir sind ganz schnell im
Krankenhaus. Soll ich Ihren Bekannten anrufen, sobald wir da
sind?“
Olivia musste lächeln. Tony war längst viel mehr als ein
Bekannter für sie. „Nein. Das würde ihn nur beunruhigen, Hilda.
Ich rufe ihn später selbst an.“
„Sicher würde er Ihnen gern beistehen.“
Und herausfinden, was für eine Betrügerin sie war. „Nein. Bitte.
Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht.“
Kaum waren sie vor dem Krankenhaus vorgefahren, da lief
Hilda schon hinein, um Bescheid zu sagen. Und Olivia war noch
nicht ganz ausgestiegen, da halfen ihr schon zwei Schwestern in
einen Rollstuhl und eilten mit ihr in die Aufnahme. Ihr wurden
jede Menge Fragen gestellt, und anschließend wurden diverse
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Untersuchungen vorgenommen.
Als ein Arzt erschien und wissen wollte, ob sie schwanger sein
könnte, verneinte sie und erklärte kurz, was sie über ihre eigene
Krankengeschichte wusste. Er machte sich Notizen, lächelte sie
an und ordnete dann einen Schwangerschaftstest an. Olivia
fand das völlig unnötig. Aber sie fühlte sich zu elend, um
Einspruch zu erheben.
Wenig später kam der Arzt wieder und meinte trocken: „Tja,
Ms Anderson, Sie scheinen in der Tat schwanger zu sein.“
Olivia starrte ihn fassungslos an. „Das ist unmöglich.“
„Durchaus nicht.“ Er lächelte wohlwollend. „Ich möchte eine
Ultraschalluntersuchung machen. Sie wird uns Klarheit geben,
warum Sie solche Schmerzen und Blutungen haben.“
Olivia war wie betäubt. Schwanger? Sie konnte nicht
schwanger sein. „Aber ich habe nur einen Eierstock.“
„Einer genügt. Auch wenn Ihre Chancen dadurch geringer sind,
so kann es trotzdem zu einer Schwangerschaft kommen.“
„Aber ich habe nur sehr selten Monatsblutungen!“
Er tätschelte ihr die Hand. „Lassen Sie uns den Ultraschall
machen, und dann sehen wir weiter, okay? Versuchen Sie, sich
nicht zu sorgen.“
Sich sorgen? Dazu war sie viel zu verwirrt. Und dann begriff
sie plötzlich und hätte am liebsten vor Freude gejubelt. Sie war
schwanger! Sie würde ein Baby bekommen, Tonys Baby. Ihre
Schmerzen schienen augenblicklich nachzulassen. Und doch
waren sie ein Signal dafür, dass irgendetwas nicht stimmte.
Olivia begann zu hoffen und zu bangen, denn sie wünschte sich
dieses Kind so sehr.
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Während der Untersuchung erklärte der Arzt, den Olivia
eigentlich ganz nett fand, ihr ihre Situation genau. Natürlich war
auf dem Bildschirm des Ultraschallgerätes noch kein Baby zu
erkennen, doch es zeigte sich, dass sie eine große Zyste an
ihrem Eierstock hatte – und die war aufgeplatzt.
Sie geriet sofort in Panik, weil sie an ihre Operation als junges
Mädchen dachte … Doch der Arzt setzte sich zu ihr und nahm
ihre Hand.
„Ihre Zyste ist geplatzt, und bis die Plazenta groß genug ist und
genügend Progesteron produziert, um die Schwangerschaft
aufrechtzuerhalten,
werde
ich
Ihnen
dieses
Hormon
verabreichen müssen. Allerdings könnten trotzdem Probleme
auftreten und Sie könnten das Baby verlieren, aber im Moment
besteht kein Grund, sich Sorgen zu machen. Ich nehme doch an,
dass Sie das Baby behalten wollen?“
„Unbedingt! Ich hätte mir nur nie träumen lassen …“
„Vor Jahren herrschte noch die Meinung vor, dass eine Frau
mit nur einem Eierstock nicht schwanger werden kann. Aber wie
Sie sehen, ist es durchaus möglich.“ Er lächelte sie an, und sie
lächelte zurück.
„Und wie geht es jetzt weiter?“
„Ich möchte Sie vorläufig hierbehalten, um durch einige weitere
Untersuchungen eine Eileiterschwangerschaft auszuschließen
und um sicherzustellen, dass alles so ist, wie es sein sollte.
Zudem möchte ich, dass Sie noch ein paar Mal zur
Blutuntersuchung herkommen. Wir werden den Hormonspiegel
prüfen, der in zwei Tagen ansteigen sollte, falls alles in Ordnung
ist. Und diesen Test werden wir zur Sicherheit wiederholen.“
Er machte sich Notizen. „Haben Sie schon einen bestimmten
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Geburtshelfer im Auge?“
„Nein.“ Olivia war wie benommen.
„Ich könnte Ihnen einen empfehlen, wenn Sie wollen. Sie sollten
ihn
umgehend
aufsuchen
und
dann
regelmäßig
zu
Untersuchungen gehen, bis Sie die ersten drei Monate
überstanden haben.“
„Und danach?“
„Danach ist das Risiko deutlich geringer.“
Olivia hielt an diesem Gedanken fest, als der Arzt längst
gegangen war. Er hatte ihr Codein gegen die Schmerzen
gegeben, die auch schwächer geworden waren, doch schlafen
konnte sie nicht.
Mit etwas Glück und sehr viel Vorsorge und Umsicht würde sie
ein Baby bekommen.
Und es kam nicht infrage, dass sie ihr Kind jemals hergab –
nicht einmal an Tony.
Dieser Gedanke ließ Olivia nicht los. Sie würde Tony jetzt die
Wahrheit sagen müssen. Sie würde ihm das Kind nicht
vorenthalten, es ihm aber auch nicht überlassen. Er würde ein
wunderbarer Vater sein, obwohl die Situation nicht so war, wie
er sie sich gewünscht hatte, und obwohl er über ihren Betrug
außer sich sein würde.
Einen verrückten Moment lang überlegte sie, ob Tony so weit
gehen würde, ihr eine Heirat anzubieten, nur um das Baby zu
bekommen. Sie würde jedenfalls nicht einwilligen. Ihre
Schwangerschaft war nicht der Normalfall, eher ein Wunder.
Was hätte Tony davon, wenn er sie heiratete und sie das Baby
verlor?
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Nein. Tony musste sich eine gesunde Frau suchen, die ihm so
viele Kinder schenken konnte, wie er wollte. Sie würde ihm alles
gestehen und ihn freigeben.
Es wurde für Olivia die längste Nacht ihres Lebens – und die
glücklichste. Ein Baby! Sie fasste es noch immer nicht, dass sie
ein Kind bekommen würde.
Als Olivia am Nachmittag des nächsten Tages nach Hause
kam, klingelte ihr Telefon. Es ging ihr viel besser, und sie war
wieder mehr sie selbst. Sie beeilte sich abzunehmen.
„Wo zum Teufel hast du gesteckt?“
Oje! Sie starrte den Hörer in ihrer Hand an und überlegte, was
sie sagen sollte, denn Tony war ziemlich wütend.
„Olivia?“ Seine Stimme klang beinah panisch. „Verdammt,
entschuldige.“ Frustriert seufzte er auf, und sie konnte förmlich
sehen, wie er sich mit einer Hand durch das dunkle Haar fuhr.
„Ich hab mir solche Sorgen gemacht, Honey. Wo warst du
denn?“
„Ich, äh, ich musste eine Weile außer Haus.“
„Ich versuche seit heute Morgen, dich zu erreichen. Ich wollte
mich vergewissern, dass es dir gut geht.“
Das überraschte sie. Hatten sie nicht vereinbart, dass er sich
nicht nach ihrem Befinden erkundigen würde? „Es geht mir viel
besser. Tony? Hast du im Moment zu tun?“
„Ich bin im Büro. Warum? Brauchst du etwas? Du bist doch
krank, stimmt’s?“
„Nein, es ist nur …“ Sie brach ab, weil ihr ganz beklommen
zumute wurde, aber es war besser, die Sache hinter sich zu
bringen. „Wir müssen uns unterhalten.“
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Es trat Schweigen ein. „Tony?“
„Das klingt sehr nach schwerem Geschütz, Olivia.“
Was hätte sie darauf antworten sollen? Sie hörte ihn fluchen.
„Ich komme zu dir.“
„Was?“ Sie wollte ihn nicht in ihrem Apartment haben. Sie war
noch nicht bereit, ihm gegenüberzutreten. Nach ihrer schlaflosen
Nacht im Krankenhaus sah sie blass und müde aus. Sie wollte
erst duschen und sich zurechtmachen. „Warum treffen wir uns
nicht zu einem späten Lunch?“
„Zum Teufel damit. Wenn wir uns schon unterhalten müssen,
dann jetzt gleich. Ich will es hinter mich bringen. In einer halben
Stunde bin ich bei dir.“ Damit legte er auf.
Olivia sank auf die Couch. Eine halbe Stunde, um sich zu
wappnen. Das war nicht viel Zeit. Aber seit dem Moment, wo
Tony ihr seinen Vorschlag gemacht hatte, war ihr nicht viel Zeit
geblieben.
Als Tony laut an Olivias Tür klopfte, war er tief frustriert. Sofort
gingen, wie immer, die Türen der Nachbarn auf, doch diesmal
war ihm nicht danach, höflich nach links und rechts zu nicken.
Er hämmerte erneut an ihre Tür. „Mach auf, Olivia.“
Es war ihm egal, dass sein Benehmen flegelhaft war. Sie
wollte ihm den Laufpass geben, dessen war er sich sicher. Zum
Teufel mit ihr! Wie konnte sie eine solche Entscheidung treffen,
während er sich selbst noch völlig im Unklaren war? Er hatte
geglaubt, dass sie sich näherkamen, dass es ihnen vielleicht
gelang, Lösungen für all die Probleme zu finden. Er hatte
überlegt, ihr einen Kompromiss vorzuschlagen. Aber nein, sie
hatte keine Lust mehr, ihm noch Zeit zu geben …
Gerade, als er noch einmal klopfen wollte, ging die Tür auf, und
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Olivia stand vor ihm.
Er machte den Mund auf – und vergaß, was er hatte sagen
wollen. Sie sah schrecklich aus. Blass, mitgenommen. Sofort
gewann seine Sorge um sie die Oberhand über seine anderen
Gefühlsregungen. Er trat ein und machte den neugierigen
Nachbarn die Tür vor der Nase zu.
„Olivia?“ Er umfasste sie bei den Schultern. „Bist du in
Ordnung, Honey?“
„Ja.“ Sie versuchte, sich ihm zu entziehen, und das erzürnte ihn
erneut. Er musste sich endlich zusammennehmen. Er verlor
selten die Beherrschung und schon gar nicht einer Frau
gegenüber. Olivia jedoch brachte ihn völlig aus dem
Gleichgewicht.
„Sag mir, was los ist.“
Nervös schlang sie die Finger ineinander. „Das Ganze ist sehr
schwierig für mich. Ich stehe selbst noch unter Schock, aber ich
wollte, dass du es schnellstens erfährst.“
Das klang nicht nach einer vorbereiteten Abschiedsrede. Er
ließ sie los, doch als sie leicht taumelte, führte er sie zur Couch.
„Komm, setz dich.“ Er nahm neben ihr Platz. „Und jetzt sag mir
alles. Geht es dir schlecht?“
„Es ging mir schlecht gestern Abend.“ Er wollte nachhaken,
aber sie fuhr schnell fort: „Jetzt ist alles okay. Bestimmt. Die
Sache ist die …“ Mit großen Augen blickte sie ihn verunsichert
an. Dann lächelte sie kaum merklich und flüsterte: „Ich bin
schwanger.“
Tony blinzelte. Was immer er für schreckliche Eröffnungen
erwartet hatte … unbändige Freude stieg in ihm hoch. Er stieß
einen Jubelschrei aus. Weil Olivia mit den Tränen kämpfte, zog
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er sie an sich und wiegte sie hin und her. „Weine nicht,
Sweetheart, alles wird gut. Ich verspreche es dir.“
Sie hatte Angst, das begriff er jetzt. Und er konnte es ihr nicht
verdenken. Ein Kind zu bekommen, war schon beängstigend,
besonders für sie, eine Frau, die bis vor Kurzem überhaupt
nichts mit Kindern zu tun gehabt hatte.
Obwohl sie fast so groß war wie er und eigentlich kräftig, kam
sie ihm klein und zerbrechlich vor. Er schmiegte sie an sich, und
da begann sie wirklich zu weinen. Konnte es sein, dass sie nicht
wollte, dass ihre gemeinsame Zeit endete? Ihm war bewusst,
dass er sie zärtlich anlächelte, aber er konnte nicht anders. Sie
war so süß, so verletzlich.
Und dann sagte sie mit erstaunlich fester Stimme: „Du kannst
es nicht haben.“
„Was?“
„Du kannst das Baby nicht haben.“
Er sah ihr forschend ins Gesicht. Sie konnte das doch
unmöglich ernst meinen. „Wir können darüber reden …“
„Nein.“ Sie erhob sich. „Ich muss dir etwas erklären, Tony. Auf
deinen Vorschlag bin ich nur deshalb eingegangen, weil ich
glaubte, keine Kinder bekommen zu können. Als junges
Mädchen verlor ich nämlich einen Eierstock, und deshalb hatte
ich nie einen normalen Zyklus. Ich dachte also, ich könnte mit dir
schlafen, ohne das Risiko einer Schwangerschaft einzugehen.
Sonst hätte ich nie zugestimmt, dir das Baby zu überlassen.“
Tony war wie erstarrt. Er fasste nicht, was Olivia da sagte.
„Aber warum …“
Sie lachte auf. „Sieh dich doch an. Du bist ein sehr
begehrenswerter Mann. Du hattest vorher nie Interesse an mir
Page 143
gezeigt, und mein Motiv war, wie ich dir wahrheitsgemäß sagte,
dass ich einmal die Liebe erleben wollte. Mit einem Mann, den
ich bewunderte und dem ich vertrauen konnte.“
„Du hast mich belogen?“
Sie schluchzte auf. „Ja.“
Langsam stand Tony auf. Immer wenn er glaubte, endlich aus
Olivia schlau zu werden, war sie anders.
Und die jetzige Veränderung brachte ihn um den Verstand.
„Du hast mich für Sex ausgenutzt.“
Sie schlang die Arme um sich, nickte. „Es tut mir leid.“
„Leid?“ Er hatte sie angeschrien, und sie zuckte zusammen.
Schlagartig wurde ihm klar: Sie war schwanger. Mit seinem
Baby. Daher wollte er sie nicht aufregen, und er zwang sich zur
Ruhe. „Deswegen hast du mir also immer wieder gesagt, dass
du vielleicht nicht empfängst.“
„Ja.“
„Und deswegen wolltest du die Affäre auf zwei Wochen
beschränken.“
„Ja.“
„Aber der Schuss ging nach hinten los. Weil du schwanger
geworden bist. Ist das sicher?“
„Ja.“ Sie atmete tief durch. „Ich hätte es selbst noch gar nicht
gemerkt, aber weil es mir so schlecht ging und der Arzt einen
Test machte, weiß ich es in diesem Stadium schon.“
„Es muss ein ziemlicher Schock für dich gewesen sein.“
Instinktiv legte sie die Hand auf ihren Bauch. „Das war es.“ Und
dann lächelte sie wieder kaum merklich, als versuche sie
angestrengt, ihre Freude für sich zu behalten.
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„So, und wie passe ich nun in dieses Szenario? Es ist auch
mein Baby.“
Sie trat an ein Tischchen und richtete einen Lampenschirm.
„Du kannst an allem Anteil nehmen, wenn du willst.“
Er lachte auf und drehte sie wieder zu sich herum. „Wenn ich
will?“ Sie riss die Augen auf, und er hätte sie am liebsten
geschüttelt. „Ich war doch derjenige, der das Baby wollte, nicht
du! Du hattest den großartigen Fünfjahresplan, hast du das
vergessen?“
Sie riss sich los. „Nur weil ich dachte, ich könne kein Kind
bekommen! Aber ich kann es, und ich will dieses Kind.“
„Was ist mit deiner Arbeit? Wie willst du allein ein Kind
großziehen?“ Er wusste, dass er unfair war, denn sie konnte
sich über solche Fragen noch kaum Gedanken gemacht haben.
Aber es war ihm egal. Er wollte sie verletzen, wie sie ihn verletzt
hatte.
Er schloss die Augen und zählte im Stillen bis zehn. Dann sah
er ihr ins Gesicht. „Olivia, sei vernünftig. Hast du eine
Vorstellung davon, wie schwierig es ist, alleinerziehend zu
sein?“
„Das werde ich wohl noch erfahren, oder nicht?“
Fast hätte er gelacht. Sie wirkte wieder wie die Olivia, die er
kannte, bereit, den Kampf aufzunehmen. Er rieb sich das Kinn.
„Ich könnte dich vor Gericht bringen, weißt du das? Ich kann für
den Kleinen sorgen, wie du es nie können wirst. Nicht nur
materiell, ich kann ihm jede Menge Zeit widmen …“
„Und wenn es ein Mädchen wird?“
„Du erinnerst dich nicht, dass mir das egal wäre? Ich dachte,
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ich hätte das klargestellt.“
Abrupt ließ sie sich wieder auf die Couch fallen, vergrub das
Gesicht in beiden Händen. „Hör auf damit, Tony. Mach mir die
Sache nicht noch schwerer. Bitte!“
Es schmerzte ihn, sie so geschlagen zu sehen. Ihr Wagemut
hatte sich in Luft aufgelöst. Tony setzte sich wieder neben sie.
„Ich werde mit Sicherheit Anteil am Leben des Babys nehmen,
Olivia.“
Sie fuhr herum. „Natürlich wirst du das! Ich werde ihn dir nicht
vorenthalten. Oder sie …“ Sie hielt inne und lächelte dann trotz
ihrer aufsteigenden Tränen. „Oh Tony, ich bekomme ein Baby!“
Sie weinte und lachte, und er konnte nicht anders, als sie fest
in die Arme zu schließen.
„Ich hätte das nie und nimmer für möglich gehalten. Und ich
schwöre dir, ich werde eine gute Mutter sein. Ich weiß, so hast
du dir das alles nicht vorgestellt, ich ja auch nicht. Aber ich
werde dich nicht festnageln. Du kannst das Baby sehen, wann
immer du willst. Dein Leben braucht sich nicht zu ändern, nur
weil ich als Mutter zuständig bleiben will. Ich werde mir
überlegen, wie ich Beruf und Baby unter einen Hut bekomme.
Und du bist der Vater und kannst …“
„Auf das Baby aufpassen, während du deinen Geschäften
nachgehst?“ Wollte sie ihn erneut ausnutzen, damit die Sache
leichter für sie selbst wurde? Tony hielt Olivia von sich ab, um
sie forschend zu betrachten.
„Das habe ich gar nicht sagen wollen.“
„Nein? Aber du siehst dich nur mit einem halben Problem,
oder? Schließlich kann ja ich euch beide unterstützen, während
du deine Pläne zur Ausweitung deines Unternehmens
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vorantreibst. Und wann immer das Baby im Weg ist, spiele ich
quasi automatisch den Babysitter. Wie könnte ich das denn
ablehnen, wo ich dieses Kind doch so sehr gewollt habe?“
Sie wurde ganz still. Dann erschien ein gelassenes,
unpersönliches Profilächeln auf ihren Lippen, und das gefiel ihm
gar nicht. Und auch nicht, wie sie sich zusammengenommen
und in sich zurückgezogen hatte. Genauso wirkte sie immer in
einer Geschäftsbesprechung, woraus er gefolgert hatte, sie sei
nicht sensibel, nicht verletzlich. Inzwischen wusste er, dass es
nur Schau war.
Kerzengerade und mit vorgerecktem Kinn saß sie da. „Du
dachtest, ich würde dich auf diese Art ausnutzen wollen?
Mitnichten. Ich brauche nichts von dir. Ich habe nie etwas von
irgendjemandem gebraucht. Das Baby und ich werden bestens
zurechtkommen.“
„Olivia …“
„Du solltest jetzt gehen.“
„Unsere Aussprache ist noch nicht beendet.“
„Doch. Ich habe dir gesagt, was es zu sagen gibt. Ob du Anteil
am Leben des Babys nehmen willst oder nicht, liegt nun ganz
bei dir.“
Er schaute sie böse an. „Du weißt verdammt gut, wie sehr ich
dieses Kind will.“
„Schön.“ Sie stand auf und schaffte es, trotz ihrer
offensichtlichen Müdigkeit irgendwie hoheitsvoll auszusehen.
„Sobald er oder sie geboren ist, gebe ich dir Bescheid.“
Sie ging zur Tür, öffnete sie und wartete darauf, dass er ihre
Wohnung verließ.
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Und er tat es, weil er derart wütend war, dass er fürchtete, sie
erneut aufzuregen, wenn er blieb. Und das wäre nicht gut für das
Baby. Wie betäubt stürmte er zu seinem Wagen und setzte sich
hinein. Zum Teufel mit ihr, sie hatte ihn völlig aus dem Konzept
gebracht.
Er erkannte, dass er noch immer so vieles nicht über sie
wusste – und es trotz allem wissen wollte.
Obwohl sie also geglaubt hatte, keine Kinder bekommen zu
können, hatte sie das Gegenteil behauptet, um eine Affäre mit
ihm zu haben.
Das war absurd, besonders, weil sie nun Opfer ihrer
Schnapsidee geworden war. Aber er gab noch nicht auf. Olivia
wollte immer alles bestimmen, im Geschäfts-wie im Privatleben.
Es war ihre Art, das Kommando zu übernehmen und alle
Entscheidungen zu treffen. Sie war hartnäckig und arrogant und
im Allgemeinen sehr fair.
Diesmal jedoch nicht.
Verdammt, er hätte bei seinem ursprünglichen Plan bleiben
und sich nie auf eine persönliche Beziehung zu Olivia Anderson
einlassen sollen. Das Kind jedenfalls, das er sich so wünschte,
würde er nicht bekommen. Er würde überhaupt nichts
bekommen.
Außer einem gebrochenen Herzen.
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9. KAPITEL
„So, und wann wirst du sie heiraten?“
Langsam legte Tony seine Akten beiseite und wünschte, sich
jetzt nicht mit diesem Thema befassen zu müssen. „Gar nicht.“
John stützte sich auf Tonys Schreibtisch auf und starrte seinen
Bruder böse an. „Und warum zum Teufel nicht? Sie ist die
ideale Frau für dich.“
Was hieß hier ideal? Nichts lief, wie es sollte. Seit er Olivia
zuletzt gesehen hatte, waren zwei Wochen vergangen. Trotz
seines verletzten Stolzes hatte er ein paar Mal in ihren
Boutiquen vorbeigeschaut und insgeheim gehofft, dass sie ihre
Meinung ändern und ihn wieder begehren würde. Doch er hatte
sie nicht angetroffen.
Er hatte sie auch telefonisch in ihrer Wohnung zu erreichen
versucht. Vergeblich. Zweifellos war sie mit den Vorbereitungen
zur Eröffnung ihres neuen Ladens beschäftigt.
Und dieser Gedanke machte ihn erneut wütend.
Er sah John an, dann wieder die Aktenberge auf seinem
Schreibtisch, um dezent anzudeuten, dass er zu tun hatte. „Das
geht dich nichts an, John.“
„Du bist jetzt lange genug mit einer Trauermiene
herumgelaufen. Zum Kuckuck, Mom sorgt sich um dich, Kate
auch. Warum akzeptierst du es nicht endlich und gibst zu, dass
du sie liebst?“
„Weil sie mich belogen hat, darum!“ Er hatte keineswegs laut
werden wollen, doch seine angestaute Frustration über sein
Bemühen, Olivia und seine eigenen Gefühle zu verstehen, war
einfach zu groß.
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„Belogen? Worum ging es denn?“
Tony wünschte, er hätte den Mund gehalten. „Warum kümmerst
du dich nicht um deine eigenen Angelegenheiten?“
Unbeeindruckt lehnte sich John gegen den Schreibtisch. „War
es eine große Lüge oder bloß eine kleine? Hör auf, mich so
wütend anzusehen. Ich will dir doch nur helfen.“
„Dann such mir eine so perfekte Frau wie Lisa.“
John brach in ungläubiges Gelächter aus. „Lisa? Perfekt? Du
machst wohl Witze.“
„Für dich ist sie perfekt. Ihr zwei streitet euch nie. Und sie
würde dich nie anlügen.“
„Aber natürlich streiten wir uns – und versöhnen uns dann
wieder.“ Er zwinkerte vielsagend. „Anlügen würde Lisa mich in
der Tat nie. Aber ich habe sie einmal angelogen. Da waren wir
noch nicht verheiratet, und sie hätte mir beinah den Laufpass
gegeben. Über die Lüge selbst war sie gar nicht so
aufgebracht, sondern über die Tatsache, dass ich gelogen
hatte. Ist das auch bei dir und Livvy der Fall?“
Tony überlegte einen Moment. War er auf Olivia wütend, weil
sie ihn für Sex ausgenutzt hatte oder weil sie ihn offenbar nicht
mehr wollte? Er würde ihr wohl alles vergeben können, wenn sie
ihn liebte …
Weil er sich nicht schlüssig war und schwieg, erzählte ihm
John,
dass
auch
Kate
und
Brian
gelegentlich
aneinandergerieten. „Du weißt ja am besten, dass Kate eine
ganz schöne Nervensäge sein kann. Und sie behauptet
ihrerseits, Brian sei weit von perfekt entfernt. Wenn du Olivia
liebst, spielt alles andere doch keine Rolle.“
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Tony dachte über das, was sein Bruder gesagt hatte, nach.
Der große Unterschied war jedoch, dass Olivia ihn anscheinend
nicht liebte. „Ich weiß nicht recht.“
John schlug mit der Hand auf den Schreibtisch. „Das kapiere
ich nicht! Sie ist sexy, clever, süß. Die Kinder mögen sie und
die Frauen der Familie auch.“
Tony tat, als lese er konzentriert in seinen Akten.
John ließ nicht locker. „Sie ist sexy“, wiederholte er. „Sehr
sexy.“
Tony warf die Akte beiseite. „Was soll das? Was hat es dich
zu interessieren, ob sie sexy ist oder nicht?“
„Ich bin doch nicht blind, Olivia gehört zu den Frauen, die nach
außen hin cool wirken, innerlich aber Feuer haben.
Normalerweise wagt sich kein Mann nahe genug an sie heran,
um ihren Sex-Appeal voll zu spüren. Nachdem sie durch dich
weicher geworden ist, fällt es natürlich eher ins Auge, wie sexy
sie ist.“
„Na großartig.“ Sie wollte ihn nicht mehr, aber er hatte es
geschafft, der Welt zu zeigen, wie anziehend sie war? Das
musste er sich nicht länger anhören.
Abrupt stand er auf und baute sich vor John auf. Doch der
schüttelte nur den Kopf.
„Sieh dich doch an. Es ist zum Weinen. Gib es auf und sag ihr,
dass du sie liebst und sie zurückhaben willst.“
Ehe er sich hätte bremsen können, brach es aus Tony heraus:
„Sie hat mir den Laufpass gegeben, du Armleuchter. Nicht ich
ihr.“
Johns Miene zu beobachten, war fast komisch. Offenbar hatte
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er an diese Möglichkeit überhaupt nicht gedacht. „Warum?“
Tony war klar, dass er schon zu viel gesagt hatte. Unter keinen
Umständen würde er jemals jemandem anvertrauen – nicht
einmal seinem Bruder –, wie schändlich sich Olivia benommen
hatte. „Geh und lass mich allein, John.“
John wich keinen Zentimeter. „Ich begreife es nicht. Sie schien
verrückt nach dir zu sein. Dessen war ich mir sicher.“
Verrückt nach ihm? Entgeistert überlegte Tony, ob das
womöglich stimmte.
„Was hast du getan, dass sie dir den Laufpass gegeben hat?
Hast du sie wegen dieser Lügengeschichte angebrüllt?“
Tony lachte auf, auch wenn er absolut nicht amüsiert war. Was
er getan hatte? Geliebt hatte er sie, auf ihren speziellen Wunsch
hin, ihr Lust bereitet, mit ihr sein Baby gezeugt.
Sein Baby. Aber das würde sie nun behalten. Und er hatte sie
in seiner Wut beschuldigt, ihn automatisch als Babysitter
ausnutzen zu wollen.
Er fluchte. Doch sein Unmut beeindruckte John keineswegs,
und er ließ sich einfach in einen Sessel fallen. „Ich glaube, wir
sollten die Sache klären.“
„Und ich glaube, ich sollte an meine Arbeit zurück.“ Er wollte
allein sein und sich seinem Kummer hingeben. „Wenn du sie
wirklich willst, warum machst du ihr nicht den Hof?“
„Ihr den Hof machen?“
In dem Moment kam Brian zur Tür herein, und ehe Tony
wusste, wie ihm geschah, erklärte John Brian die Situation. Ihm
blieb nichts weiter übrig, als sich wieder an seinen Schreibtisch
zu setzen und zuzuhören, wie sein Bruder und sein Schwager
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über ihn sprachen, als wäre er gar nicht anwesend. Diese
verdammte Einmischerei … wenigstens wussten seine Mutter
und seine Schwester nicht Bescheid.
Doch kaum hatte er an Kate gedacht, da kam sie völlig
aufgebracht in sein Büro gestürmt.
„Was hast du Olivia angetan?“
Tony lehnte sich zurück und schloss die Augen.
John setzte Kate umgehend ins Bild. „Aha. Als ich mit ihr
sprach, sagte sie nur, sie würden einander nicht mehr sehen.“
„Du hast mit ihr gesprochen?“, hakte Tony begierig nach.
„Wann?“
„Heute Morgen. Sie klang schrecklich.“
„Was soll das heißen? Ist sie noch krank?“ Ihm entging nicht,
dass sie alle bedeutungsvolle Blicke wechselten, aber das war
ihm im Moment egal.
„Von Kranksein ist mir nichts bekannt, Tony. Ich nahm an, sie
sei todunglücklich. Aber da dachte ich noch; du hättest die
Beziehung abgebrochen. Ich meine, es war doch offensichtlich,
dass sie verrückt nach dir ist.“
„Warum behauptet das eigentlich jeder! Die Frau hat mir den
Laufpass gegeben.“
„Was hast du ihr getan?“, fragten Kate und Brian wie aus
einem Mund aufgebracht.
Tony reichte es. Er sprang auf und erklärte, dass er zum Essen
gehe.
John packte ihn am Arm. „Ich dachte immer, du seist ein
intelligenter Mann, Tony. Aber momentan stellst du dich ziemlich
idiotisch an. Sitz hier nicht beleidigt herum. Geh und regle die
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Sache mit ihr.“
„Und wie soll ich das machen?“
Grinsend schlug John ihm auf die Schulter. „Dir wird schon
etwas einfallen.“
Es dauerte noch einige Tage, ehe Tony sich einen Plan
zurechtgelegt hatte. Dass er nicht eher auf diese geniale Idee
gekommen war, war ihm unbegreiflich.
Er würde an Olivias Geschäftsmoral appellieren.
Er spürte Olivia in ihrer im Stadtzentrum gelegenen Boutique
auf. Sie war gerade dabei, eine Lichterkette in das ans
Hotelfoyer grenzende Schaufenster zu hängen. Sie stand auf
einem Hocker, lächelte, sah schön und gesund aus und absolut
nicht wie eine Frau, die sich wegen eines Mannes vor Kummer
verzehrte. Doch dann entdeckte sie ihn, und ihr Lächeln verflog.
Er trat zu ihr und half ihr vom Hocker herunter. „Hallo, Olivia.“
„Tag, Tony. Was führt dich hierher?“
„Ich war auf der Suche nach dir, um ehrlich zu sein.“
Ihr Blick wurde noch argwöhnischer. „Aha.“
„Wir haben einiges zu besprechen, denke ich. Du nicht?“
„Doch … vermutlich.“ Sie wandte sich um und rief ihrer
Verkäuferin zu: „Würden Sie mit dieser Lichterkette
weitermachen, Alicia? Ich bin im Büro.“
Wortlos ging sie ihm in den hinteren Teil des Ladens voran.
In ihrem Büro setzte sie sich an ihren Schreibtisch, und Tony
nahm auf einem schlichten Holzstuhl Platz. „Wie geht es dir,
Olivia? Kate hatte den Eindruck, du seist krank.“
Einen Moment wirkte sie geschockt, dann entspannte sie sich
sichtlich. „Morgendliche Übelkeit. Allerdings ist mir auch zu
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anderen Tageszeiten übel, nicht nur morgens.“
Perfekt, dachte Tony. Besser hätte das Gespräch gar nicht
anfangen können. „Bemerkst du noch andere Veränderungen?“
Sie lächelte. „Ja. Kleinigkeiten, aber es ist schon erstaunlich,
wie das Baby sich bemerkbar macht. Auch wenn ich noch nicht
sehr lange schwanger bin.“
„Welche Kleinigkeiten?“ Er sah ihr fest in die Augen.
Sie errötete. „Dies und das. Nichts … Besonderes.“
„Aber ich möchte es wissen.“ Leise ergänzte er: „Das gehörte
zu unserer Abmachung, erinnerst du dich?“
Olivia setzte sich kerzengerade hin. „Wovon redest du da?“
Es kostete Tony einige Mühe, unbefangen dreinzusehen.
Wenn sie seine wahren Motive erriet, würde sie ihn womöglich
vor die Tür setzen. „Du warst einverstanden, dass ich alle
Veränderungen hautnah miterleben darf – falls du schwanger
wirst. Wie ich inzwischen ja weiß, hast du der Vereinbarung
sowieso nur zugestimmt, weil du glaubtest, dieser Fall würde
nie eintreten. Ich habe viel darüber nachgedacht. Und ich finde,
dass du in der ganzen Sache fair sein solltest.“
Sie war blass geworden. „Ich habe dir schon gesagt, wie leid
mir das alles tut, Tony. Aber ich werde mein Baby behalten.“
„Ich möchte ein Besuchsrecht.“
„Das habe ich dir bereits angeboten.“
„Zudem möchte ich die Hälfte der Kosten für das Baby
übernehmen. Und da wir schon über Kosten reden, so sollte ich
auch die Hälfte deiner Arztrechnungen bezahlen.“
„Nein!“ Sie sprang auf, und auf ihren Schreibtisch gestützt,
blickte sie ihn böse an. „Ich habe dir gesagt, dass ich nichts von
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dir will.“
„Ich weiß. Aber es ist mein gutes Recht, die Hälfte zu bezahlen,
sage ich dir.“
„Es ist mein Körper, mein Baby!“ Als sie merkte, was sie da
gesagt hatte, wich sie zurück. Tony wartete einfach ab, und sie
atmete ein paar Mal tief durch. „Okay. Es ist auch dein Baby.
Wenn du dich später an den Kosten für den Kinderarzt
beteiligen willst, soll es mir recht sein. Aber meine Arztkosten
trage ich allein.“
„Ich könnte dich vor Gericht bringen.“
Sie starrte ihn ah. „Damit du die Hälfte meiner Rechnungen
übernehmen kannst?“
„Das und damit du deiner Verpflichtung aus unserer
Vereinbarung nachkommst.“
Olivia ließ sich auf ihren Stuhl fallen und konzentrierte sich ganz
aufs Atmen. Ihre Augen wirkten riesig in ihrem bleichen Gesicht.
„Du wirst mir das Baby wegnehmen?“
Tony kam sich vor wie ein Monster. Er ging zu ihr, kauerte sich
vor sie hin und nahm ihre Hände fest in seine Hände. „Glaubst
du wirklich, dass ich dir das antun würde, Olivia?“
„Nein. Aber du sagtest …“
„Wir
haben
noch
andere
Vereinbarungen
getroffen,
Sweetheart.“ Er sprach leise, beruhigend. „Weißt du das nicht
mehr?“ Ihr Blick wurde misstrauisch.
„Ich möchte die Schwangerschaft und auch die Geburt
miterleben. Du hast mir versprochen, dass ich alle körperlichen
Veränderungen an dir beobachten darf, die das Baby
verursacht. Genau das möchte ich, Olivia, und jede noch so
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kleine Kleinigkeit über deine Schwangerschaft erfahren.“
„Aber … alles ist jetzt doch anders.“
„Nein. Der einzige Unterschied ist, dass du eingestanden hast,
mich belogen zu haben, und dass du das Baby behalten willst.
Die anderen Absprachen sollten weiterhin gelten.“ Er drückte
erneut ihre Hand, während er ihr tief in die Augen schaute. „Das
ist das Mindeste, was du tun könntest.“
Er merkte, dass sie ernstlich überlegte. Sein Blick glitt über
ihren Busen. „Ich habe ein Buch über die Schwangerschaft
gekauft und darin steht, dass eine der ersten körperlichen
Veränderungen ist, dass die Brüste empfindlicher und voller
werden.“ Er suchte erneut ihren Blick. „Ich entsinne mich, dass
du, als wir das letzte Mal miteinander geschlafen haben,
besonders empfindsam warst.“ Sie nickte zögernd. „Ah. Sie
sind also voller?“
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Ein wenig.“
„Und empfindlicher?“
„Ja.“ Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern, heiser und tief.
„Ich möchte es sehen.“
„Tony …“
Die Art und Weise, wie sie seinen Namen stöhnte, erregte ihn
sehr, und das sollte jetzt nicht passieren, während er so
angestrengt versuchte, die Oberhand zu gewinnen. Zart strich er
mit dem Daumen über ihre Fingerknöchel. „Pst. Ist schon gut.
Ich bin nur neugierig. Du weißt doch, wie viel mir das alles
bedeutet. Kannst du mir nicht wenigstens das geben?“
„Ich dachte, du würdest dir eine andere Frau suchen.“
Der Gedanke, eine andere Frau als Olivia zu berühren, war für
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Tony geradezu abstoßend. Selbst wenn er niemals ein eigenes
Kind haben würde, so wollte er doch nur Olivia. Diese
Erkenntnis überraschte ihn sehr, war aber die Wahrheit.
„Nein. Ich glaube nicht, dass das nötig ist.“ Er stand auf, um
Abstand zu ihr zu gewinnen, ehe er sich durch Erklärungen
blamierte, die besser ungesagt blieben. Wenigstens im
Moment. „Wir werden dieses Kind bekommen, und da gibt es
genug Dinge, um die wir uns kümmern müssen. Die ganze
Sache ist sowieso viel komplizierter, als ich es mir vorgestellt
habe.“
Ohne dass er es gemerkt hätte, war Olivia hinter ihn getreten
und berührte ihn am Arm. „Es tut mir sehr leid, Tony. Ehrlich. Ich
wollte nie, dass das alles passiert. Mein Plan kam mir so
schlicht und einfach vor.“
Lächelnd streichelte er ihre Wange. „Mit dir ist gar nichts
einfach, Honey. Du bist die komplizierteste Frau, die ich kenne.“
„Ich habe wirklich alles ruiniert, nicht wahr?“
Sie hatte ihn glücklicher gemacht, als er je erträumt hatte zu
sein, aber das sagte er ihr nicht. „Die Dinge laufen anders als
geplant, aber ich werde mein Kind ja bekommen. Ich werde es
eben nur mit dir teilen.“ Er vergrub die Hände in den
Hosentaschen, um sie nicht erneut zu berühren. „Aber es wäre
schön, wenn du dich ansonsten so weit wie möglich an die
Abmachung halten würdest. Du wusstest schließlich von Anfang
an, was es mir bedeutet, Vater zu werden.“
Sie nickte unglücklich, und er hätte sich fast dafür entschuldigt,
dass er sie mit Schuldgefühlen belud. Aber sie verdiente sie
wegen ihres Täuschungsmanövers. Und es war der einzige
Weg, der ihm einfiel, um sein Ziel zu erreichen.
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„Dann stimmst du also zu? Du zeigst mir die Veränderungen
und lässt mich an allem teilnehmen?“
„Was genau meinst du mit teilnehmen?“
„Wenn der Arzt Ultraschalluntersuchungen macht, will ich dabei
sein. Wenn er die Herztöne abhört, will ich sie auch hören.“
Olivia schien erleichtert. „Das ist kein Problem.“
„Ich möchte auch wissen, wann dir morgens übel ist, deine
Knöchel sehen, falls sie anschwellen.“ Seine Stimme klang auf
einmal heiser. „Und fühlen, ob deine Brüste empfindlich sind.“
Sie erschauerte, und er begehrte sie auf der Stelle, so heftig,
dass es ihm den Atem nahm. „Ich habe dich schon vorher
gesehen, Olivia, also wird es deine Intimsphäre nicht verletzen.
Ich habe dich berührt …“ Er musste innehalten, um sein
Verlangen zu zügeln. „Ich kenne deinen Körper genau, werde
also leicht die kleinste Veränderung feststellen können. Wirst du
mir das gestatten?“
„Ja.“ Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen leuchteten. „Ja.
Es ist das Mindeste, was ich tun kann.“
Die Anzeichen dafür, dass auch Olivia erregt war, entgingen
ihm nicht, und es dauerte einen Moment, ehe es ihm möglich
war zu sprechen. „Ich kann heute Abend zu dir kommen.“
„Es wäre mir lieber …“
„Ich weiß, du willst mich nicht in deinem Apartment haben.“
Weil sie ihn überrascht ansah, lächelte er spöttisch. „Nach
unserem letzten Treffen dort ist mir das klar geworden. Weil du
gar kein Baby von mir wolltest, wolltest du dein Leben von
meinem getrennt halten. Du wolltest nicht, dass ich in dein
Allerheiligstes vordringe.“
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Sie nickte schuldbewusst.
„Aber nun bekommst du mein Baby, und ich werde zu dir
kommen, und sei es nur, um das Kind abzuholen. Also spielt es
doch eigentlich keine Rolle mehr, oder?“
„Wahrscheinlich nicht.“
Es schien ihr ganz und gar nicht zu gefallen, und Tony hätte fast
geschmunzelt. Jetzt hab ich dich, dachte er. Er kam ihr nun
tatsächlich näher.
„Wie wär’s um sechs Uhr?“
„Bis dahin sollte ich hier fertig sein.“
„Gut.“ Am liebsten wäre er noch geblieben, aber es war besser
zu gehen, ehe sie ihre Meinung änderte. „Dann bis später.“
Olivia richtete erneut ihr Haar und verließ dann das Bad. Tony
verspätete sich etwas, und sie war übernervös. Sie fasste es
nicht, dass er wieder Kontakt zu ihr aufgenommen hatte, aber
sie war so froh darüber. Denn sie hatte Tony schrecklich
vermisst. Nicht einmal ihre Arbeit hatte die Leere ausfüllen
können.
Als es klopfte, rannte sie zur Tür, um Tony einzulassen, ehe
ihre Nachbarn auf den Flur spähten. Sie hatten sie seit ihrer
Nacht im Krankenhaus sehr lieb umsorgt. Doch heute wollte sie
nicht nach ihrem Befinden gefragt werden, weil Tony nichts von
den Risiken der Schwangerschaft wissen sollte.
Tony war jedoch bereits von den Nachbarn umringt. Nachdem
er sich von ihnen verabschiedet hatte und Olivia gerade die Tür
hinter ihm schloss, rief Hilda ihm nach: „Kümmern Sie sich gut
um sie, hören Sie? Ich möchte nicht noch einmal ins
Krankenhaus fahren müssen.“
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Tony starrte Olivia an. „Wovon zum Teufel redet sie da?“
Sie suchte nach einer Ausrede, doch er packte sie energisch
an den Schultern. „Keine Lügen mehr, Olivia. Erzähl mir einfach
die volle Wahrheit.“
„Tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.“
„Sorgen, worüber? Ist das Baby okay?“
„Ja.“ Sie nahm das neueste Ultraschallbild von einem
Tischchen. „Das hier ist das Baby.“
Tony besah sich das seltsame Schwarz-Weiß-Bild und runzelte
die Stirn. „Wo?“
Olivia lachte, weil er ähnlich reagierte wie sie selbst. „Man
kann das Kind noch nicht erkennen. Es ist ja erst gut einen
Zentimeter groß. Aber wusstest du, dass es etwa ab der achten
Woche schon Fingerchen und Zehen bekommt?“
Tony schwieg einen Moment, dann breitete sich ein
strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Fingerchen und
Zehen, soso.“
Olivia erklärte ihm die dunklen und hellen Schatten auf dem
Bild.
„Und jetzt möchte ich noch einmal genauer wissen, warum du
glaubtest, nicht schwanger werden zu können, und es trotzdem
geworden bist“, sagte Tony.
Olivia setzte sich mit Tony auf die Couch und erzählte ihm
ausführlich von ihrem speziellen Problem.
„Und warum musstest du neulich Nacht ins Krankenhaus?“
„Ich hatte eine Zyste am Eierstock, die heftige Schmerzen
verursachte.“ Ehe Tony hätte nachfragen können, fuhr sie fort:
„Aber das hatte auch sein Gutes, denn sonst wäre ich nicht ins
Page 161
Krankenhaus gegangen und wüsste noch nicht, dass ich
schwanger bin.“
„Bist du sicher, dass jetzt alles in Ordnung ist?“
„Ganz sicher. Sie haben mich gründlich untersucht. Ein paar
Tage ging es mir nicht besonders, und ich war nicht im
Geschäft. Aber jetzt, abgesehen von der morgendlichen
Übelkeit, fühle ich mich großartig.“
„Du siehst gar nicht schwanger aus.“
Er ließ den Blick über sie gleiten, und sie spürte prickelnde
Hitze in sich aufsteigen. Sie bemühte sich, ihren erregenden
Gedanken Einhalt zu gebieten. „In dem Buch für werdende
Mütter, das ich gekauft habe, steht, dass ich erst ab dem dritten
Monat sichtbar zunehme.“
„Aber du verspürst schon Veränderungen, sagtest du?“
Nun wurde es heikel. „Meine Haut ist anders. Ich brauche kaum
noch Feuchtigkeitscreme. Auch mein Haar. Damit es wieder gut
sitzt, musste ich mir ein anderes Shampoo besorgen.“ Sie
lachte. „Ich habe Heißhunger auf die unmöglichsten Sachen, und
ich muss häufiger zur Toilette.“
„Und deine Brüste sind voller und empfindlicher.“
„Ja …“ Sie hatte gehofft, das nebenbei erwähnen zu können,
doch er hatte ihr keine Chance dazu gegeben.
Mit wild klopfendem Herzen sah sie ihn an. „Ich möchte es
sehen, Olivia. Zieh dein Shirt für mich aus“, bat er leise.
Page 162
10. KAPITEL
Olivia schluckte. Beim besten Willen konnte sie ihre
Flanellbluse nicht aufknöpfen. Da nahm Tony sie an der Hand.
„Lass uns ins Schlafzimmer gehen, damit du dich hinlegen
kannst. So ist es für mich einfacher … dich zu untersuchen.“
Untersuchen. Olivia blieb fast das Herz stehen, doch sie ließ
sich widerspruchslos ins Schlafzimmer führen – wo Tony noch
nie zuvor war. Tief im Inneren wollte sie, dass er sie berührte,
sie anschaute. Aber sie konnte das unmöglich eingestehen. Es
war ein Wunder, dass Tony überhaupt mit ihr redete, so
schlecht, wie sie sich benommen hatte.
Sie setzte sich auf die Bettkante, und er drückte sie behutsam
in die Kissen. Sie schloss die Augen.
Langsam knöpfte er ihr die Bluse auf. Ihr BH war neu, fester als
die, die sie sonst trug, und er hatte einen Vorderverschluss, den
Tony geschickt öffnete. Er schob die Körbchen beiseite.
„Olivia. Mach die Augen auf.“
Sie tat es. Er stand neben dem Bett und betrachtete sie
eingehend. Ehe sie sich hätte bedecken können, ergriff er ihre
Hände und setzte sich zu ihr. „Deine Brüste sind tatsächlich ein
bisschen größer als früher.“
Sie hörte Erstaunen aus seiner rauen Stimme heraus. „Ich
habe übrigens vor, das Baby zu stillen.“
„Wirklich?“
„Ja. Ich habe viel darüber gelesen.“ Sie klang selbst ganz
heiser, nervös und erregt wie sie war, aber das war egal. Tony
interessierte jede Einzelheit, und sie schuldete es ihm, ihn über
Page 163
alles in Kenntnis zu setzen.
Als er ihre Brust umschloss und zart mit dem Daumen über
ihre Knospe strich, erschauerte Olivia heftig.
„Du bist sehr viel empfindlicher, nicht wahr?“ Das klang
geradezu ehrfürchtig, und sie konnte nur stumm nicken.
„Olivia?“ Er begann, ihr mit zitternden Händen die Hose
auszuziehen. „Ich möchte dich ganz sehen.“
Sie lag ganz still, die Beine leicht gespreizt, den Oberkörper
von ihrer geöffneten Bluse umrahmt, während Tony begehrlich
den Blick über ihren Körper gleiten ließ. Als er die Wange an
ihren Bauch schmiegte, konnte sie nicht länger an sich halten.
Sie schlang die Arme um ihn und brach in Tränen aus.
„Sweetheart, weine nicht.“ Er wiegte sie sanft hin und her, doch
die Tränen wollten nicht versiegen. „Was ist, Olivia? Hab ich dir
wehgetan?“
Als ob er das je tun würde! Sie schüttelte den Kopf.
„Ich brauche dich, Livvy. Ich möchte mit dir schlafen.“
Mehr Ermunterung brauchte sie nicht. Sie nahm sein Gesicht in
beide Hände und küsste ihn leidenschaftlich.
Tony stöhnte auf, und im nächsten Moment beugte er sich über
sie und überschüttete sie mit Küssen, während er seine Schuhe
abstreifte. Olivia mühte sich mit seinem Hemd ab, bis er sich
schließlich selbst in Windeseile entkleidete. Als er sich wieder
über sie schob, flüsterte er: „Sag mir, wenn ich dir wehtue.“
„Das wirst du nicht. Bitte, Tony, ich hab dich so vermisst.“
Er ließ die Hand über ihren Bauch abwärts wandern und
begann, sie zärtlich zu streicheln. Doch als sie das Gleiche bei
ihm machen wollte und ihn mit den Fingern umschloss, hielt er
Page 164
abrupt inne. „Nein, Sweetheart, tu das nicht. Ich kann sonst nicht
…“
„Das brauchst du nicht. Komm einfach zu mir, Tony. Jetzt
gleich.“
Einen Moment lang sah er ihr tief in die Augen, dann legte er
sich auf sie, wobei er sich bemühte, sie nicht zu sehr mit seinem
Gewicht zu belasten. Aufstöhnend zog sie ihn an sich, um ihn
erneut mit ungezügelter Wildheit zu küssen. Sie öffnete weit und
einladend die Beine, und er drang behutsam in sie ein. Mit ihm
zu schlafen war unbeschreiblich schön, und es hätte nicht viel
gefehlt, und sie hätte ihm gestanden, dass sie ihn liebte. Er hielt
ihr Gesicht in beiden Händen und küsste sie, als die Schauer
höchster Lust sie erfassten. Dann flüsterte er ihr etwas so leise
zu, dass sie es nicht verstand. Mit einem befreienden Stöhnen
presste er das Gesicht an ihren Hals, und sie hielt ihn eng
umschlungen und streichelte seinen Rücken, bis er wieder
ruhiger atmete. Als Tony ihr nach ihrer Liebesstunde das
feuchte Haar aus der Stirn strich, spürte Olivia genau, wie es in
seinem Kopf arbeitete. Sie ahnte, was kommen würde. „Heirate
mich.“
Sie schüttelte den Kopf, während ihr erneut die Tränen über
die Wangen liefen. „Ich kann nicht.“
„Warum?“
Sie blickte ihm geradewegs ins Gesicht. „Warum willst du mich
heiraten?“
Verstimmt wandte er sich von ihr ab und setzte sich auf die
Bettkante. „Wir bekommen ein gemeinsames Baby, und ich
kann nicht einen Moment von dir lassen. Glaubst du nicht, dass
eine Heirat da eine ganz gute Idee wäre?“
Page 165
Obwohl seine Antwort sie sehr enttäuschte, blieb sie ruhig, um
ihm nicht zu zeigen, wie sehr er sie verletzt hatte. „Ein Baby war
doch von Anfang an geplant, eine Heirat nicht. Wenn ich mich
recht entsinne, warst du geradezu entsetzt, als ich dich zunächst
missverstand und dachte, du wolltest mich heiraten.“
„Da dachte ich ja noch, dass ich allein für das Baby zuständig
wäre.“
„Verstehe.“ Olivia setzte sich auf und begann, BH und Bluse zu
schließen. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich dir das Kind nicht
vorenthalten will. Und du wirst einen wunderbaren Vater
abgeben. Ich lasse dir dabei freie Hand.“
Er setzte zu einer heftigen Erwiderung an, das sah sie ihm an,
doch ein Klopfen an ihrer Tür hielt ihn davon ab. Er fluchte. „Das
glaube ich einfach nicht. Ich dachte, hier in deiner Wohnung
wären wir ungestört. Wenigstens kann es diesmal nicht meine
Familie sein.“
Schnell zog Olivia ihre Hose an. „Ich kann mir nicht vorstellen,
wer mich da besuchen kommt.“
Tony streckte sich wieder auf dem Bett aus. „Richtig. Du
vermeidest ja absolut jede Beziehung, oder etwa nicht?“
Sein Zynismus war besonders bitter, nachdem er sie noch
gerade eben so zärtlich geliebt hatte. Dies traf sie sehr. Auf
dem Weg zur Schlafzimmertür warf sie ihm einen kurzen Blick
zu und hatte dann Mühe, sich vom Anblick seines wunderbaren
Körpers loszureißen.
„Tu mir einen Gefallen, und bleib, wo du bist, okay?“ Ohne eine
Antwort abzuwarten, eilte sie zu ihrer Wohnungstür. Das wird
einer der Nachbarn sein, dachte sie. Sie täuschte sich. Vor ihrer
Tür stand eine Abordnung von Tonys Familie und plauderte nett
Page 166
mit den Nachbarn, die natürlich auch diesmal auf den Flur
gespäht hatten.
Kate bemerkte Olivia als erste und umarmte sie zur
Begrüßung. „Wir haben einen Einkaufsbummel gemacht, und da
fiel uns auf, dass wir Sie noch gar nicht zum Weihnachtsessen
eingeladen haben.“
Lisa trat näher, gefolgt von John und Brian, und Olivia blieb
nichts anderes übrig, als sie eintreten zu lassen. „Die Kinder
würden sich so freuen, Sie wiederzusehen. Sie fragen ständig
nach Ihnen.“
John grinste. „Und Tony würde sich auch freuen. Da bin ich
sicher.“
Lisa gab ihrem Mann einen Rippenstoß. „John, du hast
versprochen, dich zu benehmen.“
„Das tu ich doch. Schließlich sage ich ihr nicht, was für ein
missmutiger Kerl er in letzter Zeit ist, oder?“
Olivia wurde schlecht. Ihre Übelkeit trat immer im
ungünstigsten Moment auf – wenn sie auf dem Weg zur Arbeit
war oder einen Kunden bediente.
Jetzt, in Gegenwart von Tonys Familie, war der ungünstigste
Zeitpunkt überhaupt. Sie presste eine Hand auf ihren Magen
und betete, dass er sich beruhigte.
Kate legte einen Arm um Olivia, weil sie die Situation
missverstand. „Wir wollen Sie nicht bedrängen, Olivia. Aber wir
würden uns wirklich alle freuen, wenn Sie Weihnachten mit uns
feiern würden. Und ganz ehrlich, die Kinder scheinen Sie zu
vermissen.“
Olivia dachte gerade, dass es kaum schlimmer werden könne,
als Tony erschien. „Das ist nicht fair, Schwesterherz, die Kinder
Page 167
als Köder zu benutzen.“
Wie gebannt starrten alle zu ihrer Schlafzimmertür hinüber, wo
Tony, nur mit seiner Hose bekleidet, stand. Kein Wunder, dass
John und Brian zu grinsen anfingen und Kate und Lisa sie mit
großen Augen ansahen. Jeden Augenblick würden die Fragen
über sie, Olivia, hereinbrechen. Ihr Magen rebellierte noch
heftiger, und sie merkte, dass sie sich würde übergeben
müssen.
Sie hielt sich den Mund zu und rannte los.
Hinter sich hörte sie Kate erschrocken nach Luft schnappen
und Johns Gemurmel, was denn los sei.
Am deutlichsten nahm sie Tonys nüchterne Bemerkung wahr:
„Sie ist okay. Es ist nur die morgendliche Übelkeit. Entschuldigt
mich bitte.“ Ehe Olivia die Badezimmertür hätte zuschlagen
können, war Tony im Bad und schloss ab, während sie vor der
Toilette auf die Knie sank. Als sie sich gleich darauf übergeben
hatte, zog er ab und reichte ihr einen feuchten Waschlappen.
„Geht es dir besser?“
„Geh weg.“ Sie klang ganz heiser vor Anstrengung, und er
kauerte sich hinter sie und zog sie an sich. Dann nahm er ihr
den Lappen aus der Hand und rieb ihr damit das Gesicht ab.
„Solltest du jetzt nicht hecheln oder so etwas?“
„Das ist eine Atemtechnik bei der Geburt, du Idiot.“
Tony musste über ihren strengen Ton grinsen. „Na ja, ich hab
mich in dieses Thema noch nicht so eingelesen wie du offenbar.
Gib mir etwas Zeit, okay?“
Sie stöhnte erneut, und er schaffte es gerade noch rechtzeitig,
den Toilettendeckel für sie hochzuklappen. Nachdem es
diesmal überstanden war, sah sie ihn böse an. „Geh endlich
Page 168
weg und lass mich in Ruhe.“
„Sei nicht albern, Olivia. Dir ist schlecht, na und? Ich hab schon
Schlimmeres erlebt.“
Sie schwankte zum Waschbecken und bespritzte sich das
Gesicht mit Wasser. „Ja, Schlimmeres wartet nebenan, und du
darfst gern derjenige sein, der alles erklärt.“
„Was gibt es da zu erklären? Wir bekommen ein Baby. Das
hätten sie früher oder später sowieso herausgefunden.“
„Du weißt genau, dass es mehr als das ist, und du hättest
längst in meiner Abwesenheit mit ihnen reden können!“
„Dazu ist es nun zu spät.“ Tony nahm Olivia an der Hand, und
es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm ins Wohnzimmer zu
folgen, wo alle Platz genommen hatten. „Wir bekommen ein
Baby“, verkündete er.
Kate war die erste, die freudestrahlend aufsprang. „Tony, das
ist ja fantastisch! Wann ist denn die Hochzeit?“
Und ohne zu zögern erwiderte er: „Es gibt keine.“
Alle erstarrten, ihr Lächeln verflog in Windeseile. Und dann
brach ein Sturm der Entrüstung los. Natürlich müsse er sie
heiraten. Was denke er sich denn? Habe er nicht lange genug
seine Freiheit genossen? Und Babys verdienten nun einmal
zwei Elternteile. Kate legte sogar beschützend den Arm um
Olivia, während sie aufgebracht auf ihren Bruder einredete.
Das ist ja lachhaft, dachte Tony. Seine Familie sollte ihn
eigentlich besser kennen, aber offenbar hatten sie irgendwann
im Verlauf dieser Farce einer Brautwerbung die Seiten
gewechselt.
Und die arme Olivia. Er merkte, dass es sie langsam aufregte,
Page 169
wie sie ihn ins Gebet nahmen. Wenn er ihnen die Wahrheit
sagte, nämlich, dass sie diejenige war, die nicht heiraten wollte,
dann würde er sie in größte Verlegenheit bringen. Das konnte
er nicht machen.
Nur Olivia selbst konnte das klarstellen.
Sie sah von einem zum anderen, ganz benommen davon, wie
heftig sie alle Partei für sie ergriffen.
„Tony hat mir einen Heiratsantrag gemacht!“ Sie musste
praktisch schreien, um sich Gehör zu verschaffen, und es wurde
still im Raum.
John war der Erste, der reagierte. „Moment. Das verstehe ich
nicht. Wo liegt denn dann das Problem?“
Hilfe suchend schaute Olivia Tony an, doch er verschränkte nur
abwartend die Arme vor der Brust. Er war genauso neugierig
auf ihre Antwort wie die anderen.
„Ganz so einfach ist die Sache nicht.“
„Wann war Liebe denn jemals einfach?“
Lisa versetzte John erneut einen Knuff. „Das ist ihre
Angelegenheit, John. Vielleicht sollten wir sie in Ruhe lassen.“
„Aber Tony will sie heiraten! Und sie mag ihn offenbar.“ Er
wandte sich an Olivia. „Das stimmt doch, oder?“
„Ich … ja.“
„Aber nicht genug, um ihn zu heiraten?“
„Es ist ziemlich kompliziert!“
John schnaubte verächtlich. „Wie kompliziert kann es schon
sein? Sie mögen Tony. Er ist verrückt nach Ihnen. Zum Teufel, er
war die ganze Woche derart melancholisch, dass ich dachte,
ich müsse ihn erschießen, um seine Trauermiene nicht länger
Page 170
mit ansehen zu müssen.“
Olivias Blick flog zu Tony, und er lächelte sie grimmig an. „Ja,
ich war ein richtiger Trauerkloß.“
Ihr stiegen Tränen in die Augen. „Oh Tony.“
Es reichte ihm. Er ging zur Wohnungstür und riss sie auf.
„Warum verschwindet ihr nicht alle auf der Stelle? Sie macht
momentan einiges durch mit dieser Übelkeit, und jetzt bedrängt
ihr alle sie auch noch. Lasst uns allein.“
Lisa tätschelte Olivia den Arm. „Diese Übelkeit gibt sich in ein
paar Wochen. Und danach ist eine Schwangerschaft nur noch
halb so schlimm.“
Kate umarmte sie. „Mir war auch den ganzen Tag lang
schlecht. Versuchen Sie, Cracker zu knabbern, wenn Ihr Magen
revoltiert. Und keine Sorge wegen der Tränen. Lisa und ich
waren die reinsten Heulsusen, als wir schwanger waren.“
„Ich hoffe, es geht Ihnen bald besser, meine Liebe“,
verabschiedete sich Brian. „Kommen Sie Weihnachten. Feiern
wird Sie ablenken … von anderen Dingen.“
Dann stand nur noch John im Flur. „Was immer Sie für Gründe
zu haben glauben, Olivia, besprechen Sie sie mit ihm.
Manchmal existieren Probleme, die einen bekümmern,
überhaupt nicht.“ Dann gab er ihr einen freundschaftlichen Kuss
auf die Wange und ging.
Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, herrschte zunächst
befangenes Schweigen. Tony hielt den Blick auf die Tür
gerichtet, während er seine Gedanken ordnete.
„Es schien dich zu überraschen, dass ich in letzter Zeit nicht
glücklich war.“
Page 171
„Ich dachte, du wärst noch zu wütend, um unglücklich zu sein.
Warst du etwa unglücklich, weil du dachtest, ich würde dir das
Baby vorenthalten wollen?“
Tony gab sich keine Mühe, seinen Ärger zu verbergen. „Dem
Baby? Ich habe mich in dich verliebt, lange bevor ich wusste,
dass du schwanger bist. Himmel, wahrscheinlich war ich schon
seit Ewigkeiten ein wenig in dich verliebt. Du warst meine erste
Wahl als Mutter für mein Kind. Und dann erkannte ich schnell,
dass du meine einzige Wahl warst.“
Sie schaute ihn mit großen Augen an, und Tony schüttelte
amüsiert über ihr Erstaunen den Kopf. Wieso hatte sie nicht
gemerkt, wie viel sie ihm bedeutete?
„Olivia, wir haben eben miteinander geschlafen, und das hatte
absolut nichts mit dem Baby zu tun.“
„Nein?“
Lächelnd ging er auf sie zu. „Nein. Ich komme in deine Nähe,
und schon will ich dich. Ich denke an dich, und schon will ich
dich. Zum Teufel, du übergibst dich auf der Toilette, und ich will
dich.“
„Wirklich?“
Er nickte. „Und es geht nicht nur um Sex. Ich möchte dich
halten, mit dir reden, dein Lachen hören. Ich genieße es, dabei
zu sein, wenn du einen Vertrag aushandelst.“
Das brachte sie zum Lachen. Er stand dicht vor ihr, berührte
sie jedoch nicht. Leise bekannte er: „Es macht mich ganz heiß,
dich als clevere Geschäftsfrau zu erleben, fordernd und
hartnäckig. Und ähnlich erging es mir, als du Klein-Shawn die
Flasche gegeben hast. Und als du mich eben vor meiner
Familie in Schutz genommen hast – du gehst mir unter die Haut,
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Lady.“
„Du liebst mich?“
„Himmel, ja. Hab ich das nicht eben zum Ausdruck gebracht?“
„Oh Tony.“ Zu seinem Erstaunen begann sie zu weinen. Als er
sie umarmen wollte, wich sie zurück. „Es gibt da so vieles, was
du wissen musst.“
Er setzte sich auf die Couch. „Wäre es nicht an der Zeit, mir
alles zu sagen?“
Sie nickte unsicher, und er zog sie kurzerhand auf seinen
Schoß und hielt sie fest umschlungen. „Okay. Nun fang an. Und
lass nichts aus.“
Sie erzählte ihm von ihrer Nacht im Krankenhaus, dass die
Schwangerschaft noch gefährdet sei, dass sie vielleicht nicht
noch einmal schwanger werden könne. Selbst wenn sie dieses
Baby austragen könne, würde es womöglich ihr einziges Kind
bleiben.
Es fiel Tony schwer, seinen Ärger zu zügeln. Aber er wollte
Olivia zu Ende reden lassen, damit es keine Geheimnisse mehr
zwischen ihnen gab. Als sie geendet hatte und er nicht sofort
etwas sagte, hob sie den Kopf.
„Tony?“ Er hörte ihre Unsicherheit, ihre Verletzlichkeit heraus,
und das brachte ihn noch mehr in Rage. „Bist du ärgerlich?“
„Ich bin wütend.“
Sie schluchzte leise auf, aber er ließ sich nicht beirren. „Wie
konntest du das tun, dir vornehmen, all das allein durchzustehen,
mich im Dunkeln zu lassen? Ist dir nicht irgendwann in den Sinn
gekommen, dass ich dein Vertrauen verdiene? Hab ich dir je
Grund zu der Annahme gegeben, ich sei ein solcher
Page 173
Armleuchter, dass ich dich das alles allein durchmachen lassen
würde? Verdammt, Olivia, wirst du dich mir denn nie öffnen?“
Sie war sehr still geworden. „Das habe ich gerade eben“,
flüsterte sie.
„Was?“ In seinem Zorn begriff er nicht sofort.
„Ich hab mich dir geöffnet. Und ich vertraue dir. Aber ich liebe
dich so sehr, dass ich nicht wollte, dass du dich mit einer Frau
belastest, die dir nicht geben kann, wonach du dich sehnst.“
„Und wenn du es bist, wonach ich mich am meisten sehne?“
Sie löste sich von ihm, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
Ihre dunklen Augen schimmerten tränenfeucht, und er liebte sie
so sehr, dass er am liebsten mit ihr geweint hätte. „Olivia, ich
liebe dich.“
Schniefend schlang sie ihm die Arme um den Nacken und
umarmte ihn so innig, dass er kaum Luft bekam. „Werde meine
Frau.“
„Aber du willst auch ein Baby.“
„Wir bekommen doch eins.“
„Aber wenn …“
Er legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Kein Wenn und Aber.
Ich liebe dich. Und du mich. Wenn etwas schiefgeht, werden wir
eben ein paar Kinder adoptieren. Das spielt keine Rolle.
Wichtig ist allein, dass ich dich in meinem Leben brauche.“
Glücklich lachend umarmte Olivia ihn erneut. „Ich will dich auch.
Und dieses Baby. Ich bin ganz vorsichtig, richte mich genau
nach den Anweisungen des Arztes, nehme zweimal täglich mein
Progesteron …“
„Du musst Medikamente nehmen?“
Page 174
„Sieh es einfach so, dass mein Körper dieses Hormon
braucht, um dem Baby zu helfen. Nach den ersten drei Monaten
sind die Risiken nicht mehr so hoch.“
„Du hast dich gründlich mit dem Thema befasst, wie es
scheint.“
Sie schmiegte sich an ihn. „Ich hatte solche Angst.“
Er nahm ihr Gesicht in beide Hände. „Von jetzt an wirst du mir
alles erzählen. Wir werden es gemeinsam durchstehen.“
Lächelnd versprach sie es.
„Und du wirst mich heiraten.“
Er hatte das im Ton einer Anweisung gesagt, und Olivia
erwiderte: „Ja, Sir.“
Er grinste. „Du hast meine Familie eben sehr glücklich
gemacht.“
„Und dich?“
„Ich hab eben bekommen, was ich mir immer gewünscht habe.
Natürlich bin ich glücklich.“
Page 175
EPILOG
Zwei Jahre später
„Sollen wir die Packung Windeln auf den Flug mitnehmen?“
Tony lachte. „Ohne die würde ich nicht aus dem Haus gehen.“
Er betrat das Schlafzimmer, wo Olivia beim Packen war. Sie
war wieder schlank und bildschön, obwohl das Schlanksein
nicht lange mehr so bleiben würde. „Wie fühlst du dich?“
Sie wandte sich strahlend zu ihm und ihrem dreizehn Monate
alten Sohn Devon um. „Prächtig.“
„Keine morgendliche Übelkeit?“
„Es ist wirklich komisch, aber diesmal keine Spur davon.“
„Lisa
und
Kate
sagen
auch,
dass
jede
ihrer
Schwangerschaften anders war.“
Devon streckte die kleinen Arme nach seiner Mutter aus, und
Tony übergab ihn ihr. Sie drückte ihn zärtlich und küsste ihn und
atmete glücklich seinen Babyduft ein. Lachend strampelte
Devon mit den Beinen.
„Glaubst du, Fliegen gefällt ihm? Vielleicht hätte ich mit dieser
Reise nach Seattle noch etwas warten sollen.“
„Du hast lange genug gewartet. Zudem bleiben wir doch nur
eine Woche, um nach dem Rechten zu sehen, und deine neue
Filialleiterin möchte dich doch endlich persönlich kennenlernen.
Und ich will mir unbedingt das Hotel ansehen.“
Lachend schüttelte sie den Kopf. „Du bist schlimmer als ich.
Aber ein Geschäft vom anderen Ende der Vereinigten Staaten
aus zu betreiben, ist einfacher, als ich dachte.“
„In der Hotelbranche lernt man das schnell. Man kann nicht
Page 176
überall gleichzeitig sein.“
„Ich weiß. Und du hast mir das Geheimnis ja schon vor langer
Zeit verraten.“ Sie balancierte Devon auf der Hüfte und machte
mit Packen weiter. „Solange man gute Leute einstellt und sie
fair behandelt, laufen die Dinge in der Regel reibungslos.“ Sie
bückte sich, um ein Paar Schuhe einzupacken, und Tony konnte
sich nicht verkneifen, ihren Po zu streicheln. „Hab ich dir
eigentlich schon einmal gesagt, dass es mich ganz heiß macht,
wenn du diesen geschäftsmäßigen Ton anschlägst?“
„Warum, glaubst du wohl, schlage ich ihn so oft an?“
„Du warst schon immer ein hinterhältiges Weib.“ Er lachte auf,
als sie ihm spielerisch einen Klaps gab. Ihr anfängliches
Täuschungsmanöver war kein Thema mehr zwischen ihnen,
besonders, weil sich alles so wunderbar entwickelt hatte. Sie
hatten ihr Kind, sie hatten einander, und ihre Vereinbarung war
die beste, die sie beide je getroffen hatten.
– ENDE –
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Table of Contents
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
EPILOG
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