Schlafmangel


Schlafmangel: Von Genen und Gähnen

29. November 2013

Wer häufig weniger als 7 Stunden pro Nacht schläft, schwächt sein Immunsystem. Wissenschaftler aus Helsinki konnten nun erstmals zeigen, welche biologischen Mechanismen, die mit Schlafentzug in Verbindung stehen, das Immunsystem beeinflussen.

Schlafentzug hat direkte Auswirkungen auf das menschliche Immunsystem. Das ist hinlänglich bekannt. In einer aktuellen Studie, die im Fachmagazin PLOS ONE veröffentlicht wurde, haben Wissenschaftler der Universität Helsinki nun wichtige biologische Zusammenhänge zwischen vermindertem Schlaf und den Abwehrmechanismen des Körpers entdeckt.

Schlafentzug und Entzündungsreaktionen

Epidemiologische Studien, in denen die Probanden Auskunft über ihr Schlafverhalten geben, lassen Wissenschaftler schon seit geraumer Zeit vermuten, dass zu wenig Schlaf das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Typ-2-Diabetes erhöht. Wer dauerhaft weniger als sieben Stunden pro Nacht schläft, hat außerdem ein erhöhtes Mortalitätsrisiko - so die Studienlage. Viele der Erkrankungen, die mit Schlafmangel in Verbindung gebracht werden, sind mit Entzündungsreaktionen im Körper verbunden. Die Wissenschaftler aus Helsinki konnten nun erstmals zeigen, welche biologischen Mechanismen, die mit Schlafentzug in Verbindung stehen, das Immunsystem beeinflussen. Sie konnten Gene ausfindig machen, die auch an der Regulation des Immunsystems beteiligt sind und deren Ableseverhalten sich bei Schlafentzug verändert.

Nur vier Stunden Schlaf pro Nacht über fünf Tage

Um eine Arbeitswoche zu simulieren, durften neun gesunde, junge Männer fünf Tage lang in den Laboren des finnischen Instituts für Arbeitsschutz nur jeweils vier Stunden pro Nacht schlafen. Vor und nach dem Schlafentzugstest wurde den Probanden Blut entnommen. Die Wissenschaftler isolierten daraus die weißen Blutzellen und untersuchten die Genexpression ihrer Studienteilnehmer mit Hilfe von Mikroarrays. Die Ergebnisse verglichen die Forscher mit Daten von vier gesunden Männern vergleichbaren Alters, die im selben Zeitraum nachts acht Stunden schlafen durften. „Wir haben die Genexpression vor und nach dem Schlafentzug miteinander vergleichen und uns die Gene genauer angesehen, deren Ablesehäufigkeit am stärksten variierte“, erklärt Vilma Aho, eine beteiligte Wissenschaftlerin.

Schlafentzug verändert Genexpression

Der Schlafentzug veränderte die Ablesehäufigkeit von insgesamt 117 Genen. Acht der 25 am stärksten hochregulierten Gentranskripte standen in direktem Zusammenhang mit dem Immunsystem. Bei den betroffenen Stoffwechselwegen stießen die Forscher auf ein ähnliches Ergebnis: 15 der 25 am meisten angekurbelten Stoffwechselwege waren mit immunologischen Funktionen assoziiert. Dazu gehörten beispielsweise die B-Zell-Aktivierung, die Interleukin8-Produktion und der NF-κB Signalweg. „Unter Schlafentzug nahm beispielsweise die Aktivität der B-Zellen zu, die auch an allergischen Reaktionen und Asthma beteiligt sind. Das könnte den Zusammenhang zwischen Schlafmangel und verstärkten asthmatischen Reaktionen erklären“, so Aho. Neben bestimmten Interleukinen oder Signalmolekülen, die an Entzündungen beteiligt sind, nahm auch die Anzahl der Rezeptoren wie den Toll-like Rezeptoren deutlich zu, wenn die Probanden zu wenig schliefen. Auf genetischer Ebene machte sich das beispielsweise bemerkbar, indem das TLR4 Gen bei Schlafentzug viel häufiger abgelesen wurde als bei normalem Schlafverhalten. Auch die Konzentrationen des C-reaktiven Proteins (CRP) waren erhöht, was auf eine Entzündung hindeutet.

Auswirkungen von Langzeitschlafmangel

Da die Laborbedingungen nur bei wenigen Menschen der Realität entsprechen, waren die Wissenschaftler außerdem daran interessiert, die Auswirkungen schlechten Schlafes auf das Immunsystem unter realen Bedingungen zu untersuchen. Für diese Folgestudie griffen sie auf Probenmaterial des nationalen FINRISKI Health Survey zurück. Die 472 Teilnehmer dieser Kohortenstudie hatten sich bereits Bluttests unterzogen und Fragen zu ihrem Gesundheitszustand und zu ihrem Schlafverhalten beantwortet. Die Wissenschaftler verglichen die Daten von guten Schläfern mit denen von schlechten. Einige Veränderungen in der Ablesehäufigkeit bestimmter Gene fanden die Wissenschaftler auch in dieser Populationsstudie bestätigt. Die auffälligsten Überschneidungen zwischen Laborversuch und Kohortenstudie gab es bei den Gentranskripten mit den Namen TBX21 und TGFBR3, beide Mediatoren des Immunsystems. Auch LGR6 und STX16, die bereits mehrfach mit Krebserkrankungen assoziiert worden sind, waren durch den Schlafmangel in ihrer Ablesehäufigkeit verändert. Diese vier Gene könnten bei den Auswirkungen von Schlafmangel auf das menschliche Immunsystem eine wichtige Rolle spielen, vermuten die Wissenschaftler.

Aho fasst zusammen: „Diese Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass Schlaf offenbar nicht nur Einfluss auf unsere Hirnfunktionen hat, sondern auch mit unserem Immunsystem und unserem Stoffwechsel assoziiert ist. Schlafentzug verursacht Veränderungen im System, das unsere Immunabwehr reguliert. Einige dieser Veränderungen scheinen Langzeitfolgen nach sich zu ziehen und können zur Entstehung von Krankheiten beitragen, die bereits in epidemiologischen Studien mit Schlafentzug in Verbindung gebracht wurden.“

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Artikel von

Sonja Schmitzer

Fachgebiete: Allgemeinmedizin, Forschung, Medizin, Sonstige Themengebiete



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