Phraseologismen
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Phraseologismen, auch als idiomatische Wendungen oder Redewendungen, Redensarten bezeichnet, sind lexikalische Einheiten, die aus mehreren Wörtern (Elementen, Teilen) bestehen, und deren Polysemie (Mehrdeutigkeit) in wenigstens einer Bedeutung einen von der allgemeinen Bedeutung der Grundbestandteile abweichenden Inhalt aufweist (z.B. Staub aufwirbeln: Das vorbeirasende Auto wirbelte Staub und Blätter auf. Die Äußerung des Politikers wirbelte viel Staub auf. = sorgte für Aufregung; löste Kritik/Empörung aus).
Phraseologismen können nach verschiedenen Kategorien eingeteilt werden, etwa nach ihrer Bedeutung - Ablehnung/Zurückweisung: jdm. einen Korb geben; jdm. die Tür vor der Nase zuschlagen; jdm. etwas husten; Belästigung: jdm. auf den Wecker fallen usw. -, nach ihrer Durchschaubarkeit - z.B. sich die Haare raufen; den Mund zu voll nehmen usw. -, oder auch nach der Art der syntaktischen Konstruktion - mit Müh und Not; nach dem Munde reden; dicke Luft usw. Funktionsverbgefüge - mit etw. in Verbindung bringen; sich in Verbindung setzen mit - und Sprichwörter - Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein - stehen in der Nähe von Phraseologismen, besonders auch dann, wenn ein entsprechender Phraseologismus vorhanden ist (z.B. jdm. eine Grube graben). Auch Routineformeln - z.B. Na, wie geht's?; die Frage einer Verkäuferin Haben Sie noch einen Wunsch? usw. - könnten hier eingeordnet werden.
Obwohl Phraseologismen in der gesprochenen und geschriebenen Sprache keine unwesentliche Rolle spielen, werden sie im Unterricht DaF recht stiefmütterlich behandelt, trotz eines allmählich größeren Angebots an Lehrmaterialien für diesen Bereich. Dies mag z.T. daran liegen, dass Phraseologismen sich keineswegs ”systematisch” vermitteln lassen, da sie situations- und kontextgebunden sowie adressatengerichtet zu gebrauchen sind, und auch, weil vielleicht die je nach Situation unterschiedliche Intonation schwer vermittelbar scheint (zumindest im Schriftbild); etwa wenn der Kellner in einem Restaurant den lange erwarteten Salat serviert und dazu sagt ”So, da haben wir den Salat.” und dann jemand, der auf eine vorhergesehene Unannehmlichkeit mit dem gleichen Satz reagiert, der nun aber eine andere Intonation hat und damit etwas ganz anderes ausdrückt.
Auch die Diskrepanz zwischen Verstehen derartiger Wendungen, ihren möglicherweise vorhandenen Synonymen und ihrer situations- und registergerechten Anwendung birgt Gefahren, etwa Glück haben / Schwein haben. So kann zwar auf einer Party auf die Frage ”Haben Sie schon mit meiner Tochter getanzt?” die Antwort lauten ”Das Glück hatte ich noch nicht.”, nicht aber ”Das Schwein hatte ich noch nicht.” (Dies nicht nur wegen der Stilebene, sondern auch der vorhandenen Doppeldeutigkeit.)
So wird im Unterricht das erste Ziel (vor allem im Unterricht mit Anfängern und fortgeschrittenen Anfängern) sein, zunächst auf das Verstehen der Phraseologismen in ihrer situationsgebundenen und kontextbezogenen Bedeutung hinzuarbeiten, und erst dann bei fortgeschrittenen und sehr fortgeschrittenen Lernenden ihre Anwendung zu vermitteln.
Sammlungen und Wörterbücher von Phraseologismen, Redensarten und Sprichwörtern sind nützliche Nachschlage-Hilfen für Lehrende, aber für Lernende selten geeignet und schon gar kein Lernmaterial. Eine alphabetische Vermittlung anhand von phraseologischen Sammlungen oder Wörterbüchern ist sinnlos, da darin in den seltensten Fällen auf den Zusammenhang mit Situation und Kontext eingegangen wird.
Die Auswertung von Lektüren (literarische wie nichtliterarische Texte) und von Gesprächen ist angemessene Grundlage der Vermittlung. Es können noch Bilder und Karikaturen hinzukommen, allerdings müssen sie den Inhalt eindeutig darstellen, was nicht immer gelingt. Auf jeden Fall ist keine irgendwie geartete Vollständigkeit in diesem Bereich der Wortschatzerweiterung anzustreben. Lernende sollen für diesen Teil der Sprache sensibilisiert und dazu angehalten werden, sich Phraseologismen usw., die ihnen - auch außerhalb des Unterrichts - begegnen, mit einem Hinweis auf Situation und jeweiligen Gebrauch zu notieren, sie sich immer wieder anzuschauen und sie behutsam zu gebrauchen, d.h. nur dann, wenn ihnen die Verwendung absolut klar geworden ist.
Im Unterricht werden aufgefundene Phraseologismen zunächst rezeptiv in ihrem Inhalt vermittelt (über Definitions-, Ordnungs-, Ergänzungsaufgaben) und danach produktiv über Anwendungsaufgaben (Einsatz-, Auswahl-, Transformations-, Erklärungsaufgaben) in ihrer aktiven, korrekten Verwendung eingeübt.
Auch das Nachschlagen in einsprachigen Wörterbüchern ist nützlich, muss aber auch eingeübt werden - was leider allzu häufig vernachlässigt wird. Am besten werden hierzu fotokopierte Auszüge aus den verschiedenen Wörterbüchern verwendet. Auch der Vergleich mit den in der/den jeweiligen Ausgangssprache/n verwendeten Entsprechungen sollte nicht ausgeschlossen werden. Solche Gespräche über Phraseologismen und/oder Sprichwörter fördern nicht nur die Sprechaktivität aller Beteiligten, sondern tragen auch zum gegenseitigen Verstehen bei, da kulturelle, soziologische Hintergründe und Verhaltensweisen und Denkweisen aufgedeckt werden.