Obraz4 (13)

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„Mein Gott, woher kommst du denn? Du siehst aus, wie wenn du zu FuG von Paris gekommen warst. So kommt man doch nicht an einen Bali."

Ich sagte ja und nein, lachte ein wenig, lieB sie reden. Sie gefiel mir sehr, und ich war dariiber verwundert, denn sol-che jungę Madchen hatte ich bisher gemieden und eher mit MiGtrauen betrachtet. Und sie war genau so mit mir, wie es in djesem Augenblick fur mich gut war - oh, und so ist sie auch seither zu jeder Stunde mit mir gewescn. Sie behan-delte mich so schonend, wie ich es nótig hatte, und so spot-. tisch, wie ich es nótig hatte. Sie bestellte ein belegtes Brot und befahl mir, es zu essen. Sie schenkte mir ein und hiefi mich einen Schluck trinken, aber nicht zu rasch. Dann lobte sie meine Folgsamkeit.

„Du bist brav“, meinte sie ermuntemd, „du machst es einem nicht schwer. Wollen wir wetten, daG es lange her ist, seit du zum letztenmal jemandem hast gehorchen miissen?"

„Ja, Sie haben die Wette gewonnen. Woher wuGten Sie denn das?“

„Keine Kunst. Gehorchen ist wie Essen und Trinken - wer es lang entbehrt hat, dem geht nichts dariiber. Nicht wahr, du gehorchst mir gern?“

„Sehr gern. Sie wissen alles.“

„Du machst es einem leicht. Vielleicht, Freund, kónnte ich dir auch sagen, was das ist, was daheim auf dich wartet und wovor du solche Angst hast. Aber du weiGt es ja selber, wir brauchen nicht davon zu reden, gelt? Dummes Zeug! Ent-weder einer hangt sich auf, nun ja, dann hangt er sich eben auf, er wird Grund dazu haben. Oder er lebt noch, und dann hat er sich bloG um das Leben zu kummern. Nichts ist einfacher."

„Oh“, rief ich, „wenn das so einfach ware! Ich habe mich. bei Gott, genug um das Leben gekiimmert, und es hat nichts geniitzt. Sich aufhangen ist vielleicht schwer, ich weiG es nicht. Aber leben ist viel, viel schwerer! WeiG Gott, wie schwer es ist!“

„Nun, du wirst sehen, daG es kinderleicht ist. Den Anfang haben wir schon gemacht, du hast deine Brille geputzt, hast gegessen, hast getrunken. Jetzt gehen wir und biirsten deine Hosen und Schuhe ein wenig, sie haben es nótig. Und dann wirst du einen Shimmy mit mir tanzen." „Da sehen Sie“, rief ich eifrig, „da6 ich doch recht hatte! Nichts tut mir mehr leid, ais einen Befehl von Ihnen nicht ausfiihren zu kónnen. Aber diesen kann ich nicht ausfiih-ren. Ich kann keinen Shimmy tanzen und auch keinen Wal-zer und keine Polka und wie die Dinger alle heifien, ich habe nie in meinem Leben tanzen gelernt. Sehen Sie jetzt, dafi doch nicht alles so einfach ist, wie Sie meinen?"

Das schone Miidchcn lachelte mit seincn blutroten Lippen und schiittelte den festen, knabenhaft frisierten Kopf: Indem ich sie ansah, wollte mir scheinen, sie gleiche der Rosa Kreisler, dem ersten Madchen, in das ich mich einst ais Knabe verliebt hatte, aber die war ja braunlich und dunkel-haarig gewesen. Nein, ich wuBte nicht, an wen dies fremde Madchen mich erinnerte, ich wufite nur, es war etwas aus sehr friiher Jugend, aus der Knabenzeit.

„Langsam", rief sie, „langsam! Du kannst also nicht tanzen? Uberhaupt nicht? Nicht einmal einen Onestep? Und dabei behauptest du, weiG Gott, welche Miihe du dir mit dem Leben gegeben habest! Da hast du geflunkert, Jungę, das soli man in deinem Alter nicht mehr tun. Ja, wie kannst du sa-gen, du habest dir mit dem Leben Miihe gegeben, wenn du nicht einmal tanzen willst?"

„Wenn ich es doch nicht kann! Ich habe es nie gelernt.“ -Sie lachte.

„Aber lesen und schreiben hast du gelernt, gelt, und rech-nen und wahrscheinlich auch noch Latein und Franzósisch und allerlei solche Sachen? Ich will wetten, du bist zehn oder zwólf Jahre in der Schule gesessen und hast womóg-lich auch noch studiert und hast vielleicht sogar den Dok-tortitel und kannst Chinesisch oder Spanisch. Oder nicht? Also. Aber das bifichen Zeit und Geld fur ein paar Tanz-stunden hast du nicht aufgebracht! Na!"

„Es waren meine Eltern", rechtfertigte ich mich, „sie haben mich Latein und Griechisch und all das Zeug lernen lassen. Aber tanzen lernen lieBen sie mich nicht, es war bei uns nicht Modę, meine Eltern haben selber nie getanzt."

Ganz kalt sah sie mich an, voller Verachtung, und wieder sprach aus ihrem Gesicht etwas, was mich an friihe Jugend-zeiten erinnerte.

„So, also deine Eltern miissen schuldig sein! Hast du sic auch gefragt, ob du heut abend in den Schwarzen Adler ge-

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