Obraz3 (19)

der Menschwerdung gehen, du wirst deine Zweiheit nocb oft teniel-fachen. deine Kompliziertheit nocb viel weiter komplizieren mussen. Stall deine Welt zu nerengern, deine Seele zu tereinfachen, wirst du im mer mehr Welt, wirst schliefilicb die ganze Welt in deine schmerz-lich erweiterte Seele aufnehmen mussen, um tielleicht einmal zum Ende, zur Ru be zu kommen. Diesen W eg ist Buddha, ist jeder grofie Mensch gegangen, der eine wissend, der andere unbewufit, soweit ihm eben das Wagnis gluckte. Jede Geburt bedeutet Trennung vom Ali, bedeutet Umgrenzung Absonderung von Gott, leidwolle Neu-werdung. Ruckkehr ins Ali, Aufhebung der leidtollen Inditidua-tion, Gottwerden bedeutet: seine Seele so erweitert haben, dajl sie das Ali wieder zu umfassen tiermag.

Es ist bier nicht die Rede vom Me^^rchen, den die Schule, die Natio-nalokonomie, die Statistik kennt, nicht vom Menschen, wie er zu Millionen auf den Strafien herumlduft und von dem nichts andres zu halten ist ais vom Sand am Meer oder von den Spritzem einer Brandung: es kommt auf ein paar Millionen mehr oder weniger nicht an, sie sind Materiał, sonst nichts. Nein, wir sprechen bier vom Menschen im boben Sinn, vom Ziel des langen Weges der Mensch-werdung tom koniglichen Menschen, ton den Unsterblichen. Das Genie ist nicht so selten, wie es uns oft scheinen will, ist freilich auch nicht so hdufig wie die Literatur- und Weltgescbichten oder gar die Zeitungen meinen. Der Steppenwolf Elany, so scheint es uns, wdre Genie genug um das Wagnis der Menschwerdung zu tersuchen, statt sich bei jeder Schwierigkeit wehleidig auf seinen dummen Steppenwolf hinauszureden.

Dafi Menschen ton solchen Móglichkeiten sich mit Steppenwolfen und „zwei Seelen, ach!" behelfen, ist ebenso temunderlich und be-trubend, wie dajl sie so oft jene feige Liebe zum Burgerlichen haben. Ein Mensch, der fdhig ist, Buddha zu begreifen, ein Mensch, der eine Ahnung bat ton den Himmeln und Abgrunden des Menschen-tums, sollte nicht in einer Welt leben, in welcher common sense, De-mokratie und burgerliche Bildung herrschen. Nur aus Feigheit lebt er in ihr, und wenn seine Dimensionen ihn bedrdngen, wenn die enge Burgerstube ihm zu eng wird, dann schiebt er es dem „ Wolf in die Schuhe und will nicht wis sen, dafi der Wolf zuzeiten sein bestes Teil ist. Er nennt alles Wilde in sich Wolf und empfmdet es ais bose, ais gefdhrlich, ais Burgerschreck - aber er, der doch ein Kiinstler zu sein und zarle Sinne zu haben glaubt, termag nicht zu sehen, dafi aufier dem Wolf hinter dem Wolf, nocb viel andres in ihm lebt, dafi nicht alles Wolf ist, was heifit, dafi da auch noch Fuchs, Drache, Ti-i. >. Affe und Paradiesvogel wohnen. Und dafi diese ganze Welt, die-ur ganze Paradiesgarten von holden und schrecklicben, grofien und U'einen, starken und zarten Gestalten erdruckt und gefangengehal-len wird, non dem Wolfmdrchen, ebenso wie der wahre Mensch in ihm vom Scbeinmenschen, vom Burger, erdruckt und gefangengehal -ten wird.

Man Stelle sich einen Garten nor, mit hunderterlei Bdumen, mit tau-\rnderlei Blumen, hunderterlei Obst, hunderterlei Krdutern. Wenn min der Gdrtner dieses Gartens keine andre botanische Unterschei-ilung kennt ais „efibar" und „Unkraut", dann wird er mit neun /rbnteln seines Gartens nichts anzufangen wissen, er wird die zau-hrrbaftesten Blumen ausreifien, die edelsten Bdume abhauen oder wird sie doch hassen und scheel diisehen. So macht es der Steppenwolf mit den tausend Blumen seiner Seele. Was nicht in die Rubriken Mensch" oder „ Wolf pafit, das sieht er gar nicht. Und was zdhlter nicht alles zum „Menschen"7 Alles Feige, alles Affenbafte, alles

I    h/mme und Kleinliche, wenn es nur nicht gerade wólfisch ist, zdhlt rr zum „Menschen", ebenso wie er alles Starkę und F.dle, nur weil es ihm noch nicht gelang seiner Herr zu werden, dem Wólfischen zu-ubreibt.

II    '/> nehmen Abschied von Harry, wir lassen ihn seinen Weg allein m itergehen. Wdre er schon bei den Unsterblichen, wdre er schon Sort. wohin sein schwerer Weg zu zieleń scheint, wie wurde er diesem llin und Her, diesem wilden, unentschlossenen Zickzack seiner llahn rerwundert zuschauen, wie wurde er diesem Steppenwolf er-muntemd, tadelnd, mitleidig belustigt zuldcheln!