Obraz7 (19)

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wie viel eigentlkb ein Mensch auszuhallen vermag! Ist die Grenze des noch Ertrdglicben erreicbt. dann braucbe ich ja blofi die Tur zu óffnen und bin entronnen.' Es gibt sebr viele Selbstmórder, denen aus diesem Gedanken ungewóbnlicbe Krdfte komrnen.

Andrerseits ist allen Selbstmórdem aucb der Kampf gegen die Yer-suchung zum Selbstmord vertraut, Jeder weifi, in irgendeinem Win-kel seiner Seele, recht wohl, da fi Selbstmord z war ein Ausweg aber doch nur ein etwas schdbiger und i/legitimer Notausgang ist, dafi es im Grunde edler und scbóner ist, sicb vom Lcben selbst besiegen und hinstrecken zu lassen ais von der eigenen Hand. Dies Wissen, dies schlecbte Gewissen, desseti Quelle dieselbe ist wie etwa fur das bose Gewissen der sogenannten Selbstbefriediger, veranlafit die meisten Selbstmórder" zu einem dauemden Kampf gegen ibre Versuchung. Sie kdmfifen, wie der Kleptomane gegen sein Laster kdmpft. Aucb dem Steppenwolf war dieser Kampf wobl bekannt, mit vielerlei wechselnden Waffen batte er ihn gestritten. SchliejUich kam er, im Alter von etwa siebenundoierzig Jabren, auf einen glucklicben und nicbt barmlosen Einfall, der ibm oft Freude machte. Er setzte seinen funfzigsten Geburtstag ais den Tag fest, an welcbem er sicb den Selbstmord erlauben wolle. An diesem Tag so rereinbarte er mil sicb sel-ber, sollte es ibm freisteben, den Notausgang zu benutzen oder nicbt, je nach der Laune des Tages. Mochte ibm nun geschehen was da wollte, mochte er krank werden, terarmen, Leid und Bittemis erfab-ren - alles war befristet, alles konnte allerbochstens nur diese weni-gen Jahre, Monate, Tage andauem, dereń Zahl tdglich kleiner wurde! Und in der Tal ertrug er manches Ungemacb jetzt viel leich-ter, das ihn fruher tiefer und langer gequdlt, ja vielleicbt bis zur Wurzel erscbuttert halle. Wenn es ibm aus irgendwelchem Grunde besonders schlecht ging wenn zur Yeródung Yereinsamung und Verce ilderung setnes Lebens noch besondere Scbmerzen oder Yerluste binzukamen. dann konnte er zu den Scbmerzen sagen:Warte! nur, noch zwei Jahre, dann bin icb euer Herr.r Und dann oertiefte er sicb mit Liebe in die Yorstellung wie an seinem funfzigsten Geburtstag morgens die Briefe und Graiulationen ankommen wiirden, wdhrend er, seines Rasiermessers sicher, Abschied von allen Scbmerzen nabm und die Tur binter sicb zuzog. Dann konnte die Gicht in den Kno-chen. dann konnten Scbwermut, Kopfscbmerz und Magenwch seben, wo sie blieben.

Es erubrigt noch, das Einzelpbanomen des Sleppenwolfes, und na-mentlicb sein eigentumlicbes Yerbdltnis zum Burgerlum, dadurcb zu . rklaren, dafl wir diese Erscheinungen auf ibre Grundgesetze zu-niikfubren. Nebmen wir, da dies sicb von selbst anbiełel, ebenjenes u-ni Vcrhaltnis zum „Biirgerlicben“ zum Ausgangspunkl!

I )er Steppenwolf stand, seiner eigenen Auffassung zufolge, gdnzlich ,/uflerbalbderburgerlichen Welt.daerwederFamilienleben nochsozja-lt a i.hrgeiz kannte. Er fiihlte sicb durchaus ais Einzelnen, ais Sonder-ling bald und krankhaften Einsiedler, bald aucb ais ubemormal, ais ein geniemdjlig veranlagtes, uber die kleinen Normen des Durch-uimittslebens erhabenes lndividuum. Mit Bewufitsein oerachtete er Jen Bourgeois und war stolz darauf, keiner zu sein. Dennoch lebte , i in mancber Hinsicht ganz und gar burgerlich, er batte Geld auf Jer Bank und unterstutzte arme Yerwandte, er kleidete sicb zwar unglns, doch anstandig und unauffallig, er suchte mit der Polizei, Jem Steueramt und dhnlichen Mdcbten in gutem Frieden zu leben. \u\lerdem ab er zog ihn eine starkę, heimlicbe Sebnsucbt bestdndig in burgerlichen Kleinwelt, zu den stillen, anstdndigen Familien-Ihiusem mit sauberen Gdrtchen, blankgehaltenem Treppenbaus und ibrer ganz bescheidenen Atmnsphdre von Ordnung und Wohlansldn-ihgkeit. Es gefiel ibm, seine kleinen Laster und Extravaganzen zu haben, sicb ais auflerburgerlich, ais Sonderling oder Genie zu fuhlen, Juch bauste und lebte er, um es so auszudriicken, niemals in den I incinzen des Lebens, wo keine Burgerlichkeit tnehr existiert. Er nar weder in der Luft der Gewalt- und Ausnahmemenschen zu I lause noch bei den Verbrechern oder Entrechteten, sondem blieb im-mer in der Prooinz der Burger wohnen, zu dereń Gewohnbeiten, zu dereń Norm und Atmospbdre er stets in Beziebung stand, sei es aucb in der des Gegensatzes und der Reoolte. Aujlerdem war er in klein-biirgerlicher Erziebung aufgewacbsen und batte von dort ber eine Menge von Begriffen und Scbablonen beibehalten. Er batte tbeore-tisch nicbt das mindeste gegen das Dimentum, wdre aber unfdhig cewesen, personlich eine Dime emst zu nebmen und wirklich ais sei-nesgleichen zu betrachten. Den politischen Yerbrecher, den Renolutio-ndr oder den geistigen Yerfuhrer, den Staat und Gesellschaft acbte-ten, oermochte er ais seinen Bruder zu lieben, aber mit eitiem Dieb,

I inbrecher, Lustmórder batte er nicbts anzufangen gewuflt, ais sie auf eine ziemlich burgerliche Art zu bedauern.

Auf diese Weise anerkannte und bejabte er stets mit der einen Hdlfte seines Wesens und Tuns das, was er mit der anderen be-kdmpfte und cemeinte. In einem !&dtivierten Burgerhause aufge-wacbsen, in fester Form und Sitle, war er mit einem Teil seiner Seele itets an den Ordnungen dieser Welt bdngengeblieben, aucb nachdem

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