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ausdriickbarkeit bezichcn; diescr Bercich ist zugleich das tiefstc formale Residuum aller diehterischcn Wcrke, im hóchsten Gradc der friihestcn dichterischen Werke. Von diesem Gesichtspunkt aus ermóglicht das analysierte Problem des Wortes und der wórtlichen Nichtausdriickbarkeit in der Bibcl cinerseits dic Wahrnchmung bestimmter, wcsentlicher Eigenschaften des Baus dieses Werkes, andererseits ipso facto das Vordringen zu dem bestimmten, durch diesen Bau ausgedriickten Sinn. 1
Der analytische Teil dieser Abhandlung enthalt cine Skizze dieser Art der Inter-pretation anhand des Buches Hiob. Dic Ausgangsbctrachtung ist. daB sieli dic Bibel aus Worten und vielcn Artcn des Schwcigens zusammensetzt. Das Buch Hiob ist auf Grund der Form, die der Dialog mit Prolog und Epilog darstcllt, ein Poem, das besondere (neben den der ganzen Bibel eigenen) innere, in die Struktur des Wcrkes, (und ipso facto in dic Struktur seines Sinncs) cingehcnde Artcn des Schwcigens enthalt.
Die vorliegende Abhandlung kniipft an die Analyse des Schwcigens in der Bibel an, d.h. an die Artcn der Ubermittlung des mit Worten nicht Ausdruckbarea in ihr, so w ie sie E. Auerbachs Arbeit Die Narbe des Odysseus (in dem Buch Mimesis. Dargestellte Wirklkhkeit in der abendlandischen Literatur) darstellt, wo die Analyse jedoch am Beispiel der Erzahlform (Geschichte Abrahams) durchgefiihrt wurde. Sie kniipft auch an die Analyse der ais typisch bibisch angesehenen, zwecla voll organisierten Fabcl- und Textspalten und -ritze (dic dic gróBte BedcutungStj dichte emanieren) in Malczewskis romantischem Poem Maria an, so wie sie M. Ma-ciejewskis Arbeit Śmierci „czarne w piersiach blizny” (Des Todes „schwarze Narben in der Brust”) enthalt. Weiterhin polemisiert die vorliegende Abhandlung mit der Art der Interpretation des Buches Hiob, w'ie sie in J. Sadziks Skizze Przestańm Hioba (Die Sendung Hiobs) prasentiert wird.
Die umrissene Interpretation des Buches Hiob wird mit Hilfe der Begriffe der Viclstimmigkeit und des inneren Dialogisierens (M. Bachtin) durchgefiihrt und benutzt die bei der strukturell-semantischen Analyse der literarischen Gattung des Marchens, dieses uralten, archaischcn Erbcs der Menschheit (B. Bcttelheim), erar-beiteten Instrumcnte. Dicse Interpretation sicht im Buch Hiob ein Poem, dessetj Sinn sich um das Bild der vom Gerechtcn begangenen H y b r i s rankt.
DAS YERHALTNIS DER GATTUNG „LEGENDE” ZUR BIBEL*
Vorbemerkung und methodische Uberlegung
In den Acta Sanctorum sind von den Bollandisten inzwischen iiber 25.000 Texte gesammelt, von denen die Mehrzahl der Gattung Legende zuzurechnen ist. Es sind meist aus dem Mittelalter stammende literari-sche Schilderungen des Lebens religiós vorbildlicher Menschen, die ihr Tun nach dem Evangelium ausrichteten und dereń Hilfe aus dem Jen-seits auch spater noch die Glaubigen starkt. Die Bibel ist nicht nur allge-mein standiger Bezugspunkt allen christlichen Lebens und insofern auch der Legenden. sondern beeinfluBte ais Text strukturell dereń schriftli-chc Fixierung. Zwar konnte nur die Bibel ais Wort Gottes mit hóchster Autoritat Kult, Predigt und Frómmigkcit bcstimmen, doch hat dancbcn auch die Legende, z.B. in der Gestalt des rómischen Martyrologiums, das Leben der kirchlichen Gemeinschaft wesentlieh beeinfluBt: der Name „legenda” weist auf ihren Ursprung in der klósterlichen Lesung hin. Mit der wachsenden Bedeutung der Heiligenverehrung im Mittelalter stieg auch die der Legende: man denke z.B. an die vielen Anregun-gen fur die sakrale Kunst, die in gleicher Weise biblische und legendare Motive verwendet, oder daran, daB zumindest im deutschen Sprach-bereich die Legende fiir die Literatur des Hochmittelalters zum wichtig-sten Motivreservoir wurde. Die Kirche selbst hat im „Heiligen Romi-schen Reich” die Ubertragung von lateinischen Legenden in die Volks-.. * Der vorstehende Beitrag nimmt, was die Legende angeht, haufig Bezug auf: H. Rosenfeld. Legende. (Sammlung Metzler Bd 9) 3. Aufl. Stuttgart 1972. Herangezogen wurden folgende Lexikonartikel. iiber dic Legende, die weiterc Litc-raturangaben enthalten: W. Bóhne in: Lexikon fiir Theologie und Kirche. 2. Aufl. Freiburg 1961. H. J. Spitz in: Wórterbuch der Symbolik. Stuttgart 1979. W. Woesler in: Formen der Literatur. Stuttgart 1981.