22914 Obraz4 (8)

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nen, daB es sie nichts mehr angeht. Und wenn dann so ein Kauz plotzlich doch wieder ein Gesicht findet, das ihn wirklich anschaut, in dem er etwas wie Antwon und Ver-| wandtschaft spiirt, ja, dann hat er natiirtich eine Freude." „Du weiSt alles, Hermine", rief ich erstaunt. „Es ist genau so, wie du sagst. Und doch bist du so ganz und gar anders ais ich! Du bist ja mein Gegenteil; du hast alles, was mir * fehlt."

„So kommt es dir vor“, sagte sie lakonisch, „und das ist gut.“

Und jetzt floB uber ihr Gesicht, das mir in der Tat wie ein Zauberspiegel war, eine schwere Wolke von Ernst, plótz-lich sprach dies ganze Gesicht nur noch Ernst, nur noch Tragik, bodenlos wie aus leeren Augen einer Maskę. Lang-sam, Wort fur Wort wie widerwillig hergebend, sagte sie: „Du, vergiB nicht, was du zu mir gesagt hast! Du hast ge-sagt, ich soli dir befehlen und es wurde dir eine Freude sein, allen meinen Befehlen zu gehorchen. VergiB das nicht! Du mulit wissen, kleiner Harry: so, wie es dir mit mir geht, daB mein Gesicht dir Antwon gibt, dali etwas in mir dir entgegenkommt und dir Venrauen macht - ebenso geht es mir auch mit dir. Ais ich dich neulich im Schwarzcn Adler hcreinkommen sah, so miid und abwesend und schon beinah nicht mehr auf dieser Welt, da spiirte ich gleich: der wird mir gehorchen, der sehnt sich danach, dafi ich ihm be-fehle! Und das werde ich auch tun, darum habe ich dich an-gesprochen, und darum sind wir Freunde geworden."

Sie sprach so voll schweren Ernstes, so unter hohem Druck der Seele, daB ich nicht ganz mitkam und sie zu beruhigen und abzulenken suchte. Sie schiittelte das nur mit einem Zucken der Augenbrauen von sich, sah mich zwingend an und fuhr fon, mit ganz kalter Stimme: „Du mufit dein Wort halten, Kleiner, das sagę ich dir, oder du sollst es bereuen. Du wirst viele Befehle von mir erhalten und wirst ihnen fol-gen, hiibsche Befehle, angenehme Befehle, es wird dir eine Lust sein, ihnen zu gehorchen. Und zuletzt wirst du auch meinen letzten Befehl erfiillen, Harry."

„Ich werde", sagte ich halb willenlos. „Was wird dein letzter Befehl fur mich sein?" Ich ahntc ihn aber schon, Gott wcill warum.

Sie schiittelte sich wie unter einem leichten Frostschauer

und schien aus ihrer Versunkenheit langsam zu erwachen. Ihre Augen liefien mich nicht los. Sie wurde plótzlich noch finsterer.

„Es ware klug von mir, dir das nicht zu sagen. Ich will aber nicht klug sein, Harry, diesmal nicht. Ich will etwas ganz an-deres. Pafi auf, hor zu! Du wirst es hóren, wirst es wieder vergessen, wirst daruber lachen, wirst daryber weinen. PaC auf, Kleiner! Ich will mit dir um Leben und Tod spielen, Briiderchen, und ich will dir meine Karten, noch eh wir an-fangen zu spielen, offen zeigen."

Wie schon war ihr Gesicht, wie iiberirdisch, ais sie das sagte! In den Augen kiihl und heli schwamm wissende Trauer, diese Augen schienen schon alles irgend erdenkli-che Leid gelitten und ja dazu gesagt zu haben. Der Mund sprach schwer und wie behindert, etwa so, wie man spricht, wenn einem grofier Prost das Gesicht erstarrt hat; aber zwi-schen den Lippen, in den Mundwinkeln, im Spiel der nur selten sichtbar werdenden Zungenspitze flofi, im Wider-spruch zu Blick und Stimme, lauter siifie spielende Sinn-lichkeit, inniges Lustverlangen. In die stille glatte Stirn hing eine kurze Locke herab, von dort aus, von dieser Stirnecke mit der Locke her, strómte von Zeit zu Zeit wie lebendiger A tern jene Welle von Knabenahnlichkeit, von hermaphro-disischer Magie. Angstvoll horte ich ihr zu, und doch wie betaubt, wie nur halb anwesend.

,.l)u hast mich gern“, fuhr sie fort, „aus dem Grunde, den ich dir schon gesagt habe: ich habe deine Einsamkeit durch-brochen, ich habe dich gerade vor dem Tor der Hólle aufge-l.ingen und wieder aufgeweckt. Aber ich will mehr von dir, viel mehr. Ich will dich in mich verliebt machen. Nein, wi-tlersprich mir nicht, lafi mich reden! Du hast mich sehr gem, das spiire ich, und du bist mir dankbar, aber in mich vcrliebt bist du nicht. Ich will machen, dafi du es wirst, das gehórt zu meinem Beruf; ich lebe ja davon, dafi ich Manner iii mich verliebt machen kann. Aber pafi gut auf, ich tue das nicht darum, weil ich gerade dich so entziickend fande. Ich Inn nicht in dich verliebt, Harry, so wenig wie du in mich. Aber ich brauche dich, wie du mich brauchst. Du brauchst mich jetzt, im Augenblick, weil du verzweifelt bist und ei-nen Stofi nótig hast, der dich ins Wasser wirft und dich wie-• ler lebendig macht. Du brauchst mich, um tanzen zu ler-


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