weniger auf Marx und den Marxismus, was fur sie einen grofien Fort-schritt bedeutet und die so sehr erwunschte ideologische Emanzipation von der »klassenmafiigen Verdammung«, die er ihr aufgezwungen hat, und sie móchte im Namen der ganzen Nation sprechen, und so wrare es am schónsten, wenn das »Klassenhafte« je weniger oder uber-haupt nicht erwahnt wiirde). Nicht nur aber, dafi sie sich auf den So-zialismus beruft, denn sie ist sogar eigentlich »der wichtigste Trager der Entwicklung des Sozialismus«, der (Selbst-) Verwaltung (natiirlich der Mittelklasse). Deshalb wird zugleich das »linke« und die »Linke« von ihrem Standpunkt aus im herabsetzenden (eigentlich beschamen-den) Sinn begriffen, denn fur jeden ordentlichen Burger ist es eine Schande, so ein »Linker« zu sein, dies ist die lebende Wahrheit! Au-fierdem sind diese Marxisten und diese Linken eigentlich »Feinde«, denn sie sind fur sie tatsachlich Feinde (dies weifi sie genau), die die biirgerliche Ordnung bedrohen, den Frieden und die Ruhe der Mittelklasse. So beniitzt sie die ideologische Farbung des Begriffs »Linke« zugleich ais Abschreckung und zur Starkung der eigenen Reihen, so-wohl zu kampferischen Konstituierung der Klasse im ganzen ais auch der »Schlagkraft« (je nach Bedarf). Deshalb sendet sie in ihrem »hi-storischen««, »uberganglichen«, »entscheidenden« und »revolutiona-ren« Augenblick ihre ultra-rechten ins Feuer (an die Front), um mit ihren »Wau-wau«-Leitspriichen jeden Marxisten oder Linken »zu To-de« zu erschrecken oder vielleicht auch die eigenen Schwankenden und unsicheren Anhanger und ideologischen Mit-Denkenden und Mit-Interessierten.
Darin tritt die Mittelklasse also einerseits sich selbst ermutigend auf, andererseits aber klassenhaft-naiv. Sie vergifit vor allem, dafi sie die Klasse, nur eine Klasse der Gesellschaft ist, dafi es neben ihr auch andere Klassen gibt und Schichten, dafi sie selbst nicht die Ganzheit der Gesellschaft ist, ais die sie sich zeigt. Aufierdem vergifit sie (be-wufit oder unbewufit), dafi sie auch tatsachlich mit dem Bestehen der Arbeiterklasse rechnen mufi, so dafi das ideologisch-manipulierende Moment nicht dauernd diese aktuell-faktische Beziehung verdecken kann, und so wird es friiher oder spater sich selbst nicht geniigen und der Bewegung der Sache selbst zugemessen werden. Sie mufi sich offen mit der Arbeiterklasse auseinandersetzen, ob sie dies will oder nicht. Wenn sich schliefilich schon jemand ais Rechtsstehender dekla-riert, dann mufi er (dialektisch) mit einer móglichen Linken rechnen, ja er schafft sogar seine eigene Linke (auch das »neutrale« Zentrum), nicht nur, dafi er sie schafft, sondern er starkt sie durch seine Hand-lungen, und deshalb kann er das Gegensatzliche, das er hervorge-bracht hat, nicht »schrecken«, sondern nur »ermutigen«. Diese Dia-lektik ist hier nicht zu umgehen.
Wenn sich die Mittelklasse und falls sie sich konsolidiert, dann wird sie sich selbst auf den »eigenen« Platz zuruckziehen, d. h. ins »Zentrum«, sich von ihren jetzigen eigenen ultra-rechten »Wau-wau«-ideologischen Larmmachern lossagen, weil sie sie einerseits nicht mehr ais Instrument des »Abschreckens« braucht, um die Geg-ner zu schrecken und eigenen Reihen zu schliefien, andererseits aber um sich nicht zu sehr zu kompromittieren. Denn die Politik der Mit-
462