Fremdsprache Deutsch Deutschunterricht mit Erwachsenen

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Die am wenigsten homogene Gruppe der Deutsch-
lernenden weltweit ist sicherlich die der Erwachse-
nen in Kursen der Goethe-Institute, Volkshochschulen
und anderen Institutionen der Erwachsenenbildung.

Es handelt sich hier um Lernende, die „freiwil-

lig“, also sehr motiviert, einen Sprachkurs besuchen,
allerdings aus äußerst unterschiedlichen Gründen:
vom ganz allgemeinen Interesse an der Sprache
und Kultur über die Vorbereitung auf einen Aufent-
halt in einem deutschsprachigen Land als Tourist,
Student, Praktikant ... bis hin zu dem Wunsch,
eine bestimmte Literatur „im Original“ lesen zu
können. So breit gestreut die Interessen der Kurs-
teilnehmer und Kursteilnehmerinnen sind, so groß
sind häufig auch die Altersunterschiede in den
Kursen.

Vor welche Probleme diese Voraussetzungen

sowohl die Unterrichtenden als auch die Lernen-
den stellen, wird in diesem Heft anschaulich und
zum Teil auf unterhaltsame Weise dargestellt. Es
enthält auch einen Beitrag über eine neue, aber in
Zukunft sicherlich immer stärker und häufiger in
Erscheinung tretende Zielgruppe: die der Senioren.
Helena Dalhoff berichtet über ihre Erfahrungen in
Seniorenkursen in Italien.

Bewußt ausgeklammert haben wir in diesem

Heft Kurse für Erwachsene, die ganz spezielle Ziele
verfolgen, also berufsorientierte Sprachkurse,
Lesekurse für Techniker oder Wissenschaftler, Kur-
se also, in denen die Zielgruppe entweder durch
das Alter oder durch Interessen eher homogen ist.
Ebenso unberücksichtigt bleibt die Gruppe der Aus-
siedler, der

Fremdsprache Deutsch bereits 1991

eine Sondernummer gewidmet hat.

Wie immer würden wir uns freuen, wenn Sie

die Beiträge in diesem Heft dazu anregen, uns und
allen Leserinnen und Lesern von

Fremdsprache

Deutsch Ihre eigenen Erfahrungen mitzuteilen.

Ihre

Schriftleitung

E D I T O R I A L

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Fremdsprache

Deutsch

Sondernummer ’93/II

Sondernummer 1993/II

Deutschunterricht mit Erwachsenen

4

M

ANFRED

E

WEL

:

Deutschunterricht mit Erwachsenen

14

D

ON

B

RADY

:

Wie haben Sie Deutsch gelernt, Herr
Brady?
Freud und Leid eines Deutschlernenden
mit hohen Ansprüchen

16

S

AW

P

UAY

L

IM

:

Der Osten ist rot sauer
Oder: Mittelstufen-Lamento

18

M

ARTIN

B

ODE

:

Drachentöten für Erwachsene
Ein neues Kurssystem für die Mittelstufe

28 R

AINER

H

OFMANN

/P

ETRA

S

CHULZE

-L

EFERT

:

Lernberatung: Anleitung zu
selbständigem Lernen
Ein Bericht aus dem Selbstlernzentrum

34 U

LRICH

H

ORNIG

:

Einzelunterricht mit Erwachsenen –
Was ist anders?
Anmerkungen und Vorschläge
aus der Praxis

38 H

ELENA

D

ALHOFF

:

Mit 60 zurück auf die Schulbank
Im Alter Deutsch lernen

44 M

ANFRED

S

CHEWE

:

Lernen und Lehren mit Kopf, Herz,
Hand und Fuß
Dramapädagogische Fremdsprachen-
praxis in multikulturellen Deutschkursen

54 C

RISTINA

D

IAZ

:

Die Arbeit läuft uns nicht davon! –
Aber wie steht’s mit unseren
Kursteilnehmern?
Überlegungen zum Teilnehmerschwund

56 W

OLFGANG

B

AAT

/ T

HOMAS

L

ÜTHI

/ K

ERSTIN

N

AMUTH

-F

INNILÄ

:

Deutsche und Schweden:
Interkulturelle Unterschiede in
Gesprächssituationen
Unterrichtsverfahren und Inhalte

53

Bücher und Aufsätze zum Thema

61

Aktuelles Fachlexikon

62

Adressen, Infos zur Lehrerfortbildung

64

Litfaßsäule

64

Termine

65

Unsere Autorinnen
und Autoren

65

Impressum

3

I N H A L T

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

D

E U T S C H U N T E R R I C H T M I T

E

R W A C H S E N E N

4

1. In welchem Kontext

steht der

Deutschunterricht mit

Erwachsenen?

Wenn Erwachsene Deutsch lernen,
dann tun sie das aus den unterschied-
lichsten Motiven. Anders als in der
Schule gehen im Unterricht mit Er-
wachsenen die Impulse zum Deutsch-
lernen hauptsächlich von den Lernern
selbst aus. Charakteristisch für er-
wachsene Lerner ist zunächst auch,
daß sie sich die fremde Sprache nicht
nur in einem Kurs, sondern auch
außerhalb des Klassenzimmers aneig-
nen. Im Unterricht dagegen suchen vie-
le Erwachsene kompetente Unterstüt-
zung für ihr Sprachlernvorhaben sowie
Kontakte zu Gleichgesinnten.

Erwachsene Lerner sind autonome

Lerner, denn sie können meist recht gut
auch ohne Kurs und Lehrer erfolgreich
lernen: Radio- und Fernsehkurse wie
z.B. Deutsch – Warum Nicht? oder Alles
Gute
werden weltweit übertragen und
von Tausenden von Erwachsenen als
Lernangebote genutzt. In jeder Fach-
buchhandlung können sie Sprach-
reiseführer und Lehrwerke für den
Selbstunterricht finden, die den Ein-
stieg in die deutsche Sprache ermögli-

chen. Fortgeschrittene können mit
Hilfe von Zeitschriften, Büchern, Ton-
oder Video-Kassetten sowie in zuneh-
menden Maße durch Satellitenpro-
gramme mit deutschen Fernsehsen-
dungen auch in entfernten Ländern
ihre Deutschkenntnisse anwenden und
vertiefen. Nicht zuletzt schaffen beruf-
lich oder privat motivierte Reisen und
längere Aufenthalte im Ausland immer
mehr Anlässe für interkulturelle Kon-
takte, die auch dem Sprachenlernen
dienen.

Die Bedeutung all dieser individuell

nutzbaren und im Zuge der weltweiten
Vernetzung expandierenden Möglich-
keiten für das Erlernen und den
Gebrauch von Fremdsprachen ist in

den letzten Jahren stärker ins Bewußt-
sein der Öffentlichkeit gerückt, was zu
einer verstärkten Nachfrage nach
Fremdsprachenunterricht für Erwach-
sene geführt hat.

Unterricht im Inland und
Unterricht im Ausland

Die Überlegungen in diesem Beitrag

beziehen sich auf Kurse für Deutsch als
Fremdsprache sowohl innerhalb wie
auch außerhalb des deutschen Sprach-
gebiets. Das hat mehrere Gründe: Ein-
mal lernen die meisten Erwachsenen
im Ausland mit Lehrmaterialien, die
aus Deutschland importiert werden.
Dazu kommt: Die Lehrkräfte sind ent-
weder Deutsche, die im Ausland leben,
oder einheimische Deutschlehrerinnen
und -lehrer, die in vielen Fällen mit
deutschen Fachleuten zusammenarbei-
ten. So hat sich auf dem Gebiet des
Deutschunterrichts mit Erwachsenen
ein intensiver Gedankenaustausch zwi-
schen den deutschen und ausländi-
schen Fachdidaktikern entwickelt, der
jedoch ohne Zweifel einen auf Deutsch-
land zentrierten Charakter aufweist:
Die fachdidaktische Entwicklung geht
weitgehend von Deutschland aus. Die
vielschichtigen Probleme und Fragen,
die mit diesem Methodenexport
zusammenhängen, sind noch bei wei-

DEUTSCHUNTERRICHT

MIT ERWACHSENEN

Von Manfred Ewel

Welche Voraussetzungen prä-
gen den Unterricht für Deutsch
als Fremdsprache in der allge-
meinen, nicht beruflich orien-
tierten Erwachsenenbildung?
Welche Merkmale sind charak-
teristisch für erwachsene Ler-
ner? Und welche Möglichkeiten
ergeben sich daraus für Lehren-
de und Lernende? - Der einlei-
tende Beitrag versucht, Antwor-
ten auf diese Fragen zu formu-
lieren und leitet daraus
Vorschläge für das Zusammen-
spiel von Teilnehmern, Kursan-
gebot und Unterricht ab.

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

tem nicht befriedigend geklärt (vgl.
Gerighausen/Seel 1986).

Anders als im Inland, wo die Spra-

che täglich gebraucht wird, ist Deutsch
für Lerner im Ausland unterschiedlich
wichtig. Es kann erste, zweite, dritte
oder eine weitere Fremdsprache sein.
Das hängt von der Stellung des Deut-
schen im Heimatland der Lernenden im
Verhältnis zu anderen international ver-
breiteten Sprachen ab sowie von der
spezifischen Motivation des Lerners.
Die Motivationen und Möglichkeiten
für Erwachsene im Ausland, Deutsch
zu erlernen, hängen also im weiteren
Sinne von der Bedeutung und dem Bild
der Bundesrepublik im jeweiligen Land
ab. Wenn es, wie in vielen außereu-
ropäischen Ländern, kein Angebot an
Deutschkursen in der einheimischen
Erwachsenenbildung gibt, bieten doch
häufig lokale Goethe-Institute oder
deutsch-ausländische Gesellschaften
solche Kurse auf hohem Niveau an.
Deutsche Lehrkonzepte treffen dann
unmittelbar auf einheimische, kultur-
spezifische Erwartungen an Unterricht,
und es obliegt den Lehrkräften, die in-
dividuellen, vielgestaltigen Erfahrun-
gen und Erwartungen der Teilnehmer
einerseits und die fremdkulturellen Un-
terrichtsmaterialien andererseits in ei-
nem m ö g l i c h s t fruchtbaren Lernpro-
zeß zu verbinden.

Sind in einer solchen Auslandssi-

tuation noch einigermaßen homogene
Lernvoraussetzungen wie die gemein-
same Muttersprache und durch dassel-
be Bildungssystem geprägte Lernerfah-
rungen gegeben, so sieht die Situation
beim Deutschunterricht in deutschspra-
chiger Umgebung
weit heterogener aus.
Normalerweise sind in einem solchen
Kurs die verschiedensten Nationalitä-
ten vertreten: Ausgangssprachen, kul-
turelle Prägung, Lerngewohnheiten
und soziale Lage der Teilnehmer sind
äußerst unterschiedlich. Der Lehrer im
Inland sieht sich also einer weit kom-
plexeren Unterrichtssituation und viel-
fältigeren Anforderungen gegenüber
als bei Kursen im Ausland. Selten nur
wird er in der Lage sein, allen Kursteil-
nehmern in allen Punkten (Berücksich-
tigung der jeweiligen Muttersprache,
kontrastive Ausspracheschulung usw.)
gerecht zu werden. Dafür kommt ihm
die für alle Kursteilnehmer erfahrbare

deutschsprachige Umgebung zu Hilfe,
die den ausländischen Lernern viel-
fältige Anlässe zu Kommunikation und
Möglichkeiten des Weiterlernens
bietet.

Allgemeingültige Aussagen über
Fremdsprachenunterricht

Was in diesem Heft über Deutsch als
Fremdsprache gesagt wird, ist prinzipi-
ell auch auf andere Fremdsprachen in
der Erwachsenenbildung übertragbar
(vgl. Raasch 1989). In Deutschland hat
die Fremdsprachendidaktik z. B. ent-
scheidende Impulse vom Unterricht in
Englisch als Fremdsprache erfahren.
Dies zeigt sich unter anderem in der

sprachübergreifenden Übernahme cur-
ricularer Entscheidungen. So diente
z. B. das System aufeinander aufbauen-
der Kurse von Grund- und Mittelstufe
mit einer Zertifikatsprüfung als Trenn-
linie zwischen den beiden Stufen im
Englischunterricht der Erwachsenen-
bildung als Modell für das Kurssystem
und die Zertifikatsprüfung in Deutsch
als Fremdsprache (wie übrigens auch
für Französisch, Spanisch usw.) Gerade
auf dem Gebiet der Erwachsenenbil-
dung, wo ja stets eine ganze Reihe von
Fremdsprachen angeboten werden, fin-
det ein reger Austausch an praktischen
Erfahrungen sowie wissenschaftlichen
Erkenntnissen der Sprachlehrfor-
schung (vgl. Bausch/Krumm 1989) zu
verschiedenen Fremdsprachen statt.

5

Weibliche Lehrkräfte wollen keine

„Lehrer“, weibliche Lernende wollen keine

„Schüler“ sein!

Lehrkräfte, Lehrerinnen und Lehrer, die Unterrichtenden, Teilnehmer/innen,

Lehrende und Lernende, Studierende, der Lehrer/die Lehrerin, die Lehrperson,
ExpertInnen ...

Alle diese Bezeichnungen finden Sie in den Beiträgen in diesem Heft. Dahinter

steht die Absicht, auch sprachlich der Tatsache Rechnung zu tragen, daß der
Fremdsprachenunterricht im allgemeinen und der Deutschunterricht im besonderen
längst keine Domäne von Männern/Lehrern/Teilnehmern mehr ist, im Gegenteil!
In vielen Ländern unterrichten mehr Lehrerinnen als Lehrer. Die deutsche Sprache
mit ihren geschlechtsspezifischen Bezeichnungen hat es da schwer. Wie einfach ist
das doch zum Beispiel bei den „teachers“!

„Weibliche Personen sind immer mitgemeint!“ sagen diejenigen, die am

liebsten alles beim alten lassen, und überhaupt:„Lehrer“ sei eine abstrakte
Berufsbezeichnung wie Philosoph oder Arzt. Aber ob man zu einem Arzt geht
oder zu einer Ärztin, das ist im konkreten Fall ein Unterschied, und auch der
Sprachunterricht ist letztendlich immer konkret und der oder die Unterrichtende
auch!

Die Autorinnen und Autoren dieses Heftes sind ganz unterschiedlich mit dieser

sprachlichen Herausforderung umgegangen. Im Gegensatz zur sonst üblichen
Praxis haben wir diesmal auf eine Angleichung der verschiedenen Aus-
drucksformen verzichtet. So finden Sie „Lehrerinnen und Lehrer“, „Teilnehmer/in-
nen“ und „ExpertInnen“, aber auch ganz einfach „den Kursleiter“ und „den
Kursteilnehmer“. Lassen Sie die verschiedenen Formen auf sich wirken! Wenn Sie
weiblichen Geschlechts sind, überprüfen Sie einmal, ob Sie sich wirklich
m i t g e m e i n t fühlen, oder spüren Sie, Mann oder Frau, dem inneren Bild
nach, das bei der so oder so bezeichneten Person in Ihrer Vorstellung entsteht.
Und: Wie wirkt die Sprache dabei?

(Wie ist es in Ihrer Sprache? Sind geschlechtspezifische Bezeichnungen in Ihrer

Sprache/Ihrem Land/Ihrem Bereich überhaupt ein Thema? Und wie ist Ihre
Meinung dazu? Schreiben Sie uns: Ihre Meinung und gegebenenfalls Ihre
Lösungsvorschläge interessieren uns.)

Ihre Redaktion

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

2. Charakteristische

Merkmale des

erwachsenen Lerners

Lebensalter und Erfahrungen

Erwachsene bringen ihre Biografie in
den Lernprozeß ein: Alter, Lebensum-
stände und Erfahrungen beeinflussen
auch die Art und Weise, wie eine
Fremdsprache erlernt wird. Und für
jedes Lebensalter gilt: Lernen fällt
leichter, wenn die Inhalte und Metho-
den des Unterrichts auf die Interessen
und Erfahrungen der Lernenden abge-
stimmt sind (vgl. Christ 1992).Weil in
Fremdsprachenkursen für Erwachsene
das Altersspektrum oft von 16 bis 60
(und darüber hinaus) reicht, muß im
Unterricht auch zwischen verschiede-
nen Altersstufen differenziert werden.
Denn die biografischen Vorbedingun-
gen sind bei jungen Erwachsenen
anders geprägt, als dies in mittleren
oder späten Lebensabschnitten der
Fall ist. Daraus ergibt sich eine Vielzahl
von charakteristischen Einflüssen auf
den gemeinsamen Lernprozeß. So kön-
nen die Teilnehmer z. B. ganz unter-
schiedliche Fremdsprachenkenntnisse
in den Deutschkurs mitbringen: Dem
Unterrichtsablauf vorauseilende Fra-
gen wie „Gebraucht man das Perfekt
wie im Englischen?“ oder „Wie lauten
die anderen Personalformen dieses
Verbs?“ stellen dann zwar den aktiven
Gebrauch von grammatischen Vor-
kenntnissen des Fragenden unter
Beweis. Jeder erfahrene Lehrer kennt
jedoch die schwierige Situation, wenn
ein Teil der Klasse nach solchen Fragen
hilfesuchende Blicke auf ihn richtet,
und er dann umgehend entscheiden
muß, ob er auf den Fragenden oder auf
den weniger differenzierten Hinter-
grund der anderen Lerner eingehen
soll.

Der jeweilige Grad an Individualisie-

rung in einer Gesellschaft spiegelt sich
auch in der Struktur der Teilnehmer in
den Deutschkursen wider: In Ländern
mit traditioneller Familienstruktur sind
es fast ausschließlich junge Erwachse-
ne vor der Familiengründung, die sich

auf diese Weise weiterbilden. In Indu-
strie- und Freizeitgesellschaften wie
Deutschland hingegen nehmen immer
mehr ältere Menschen an Kursen der
Erwachsenenbildung teil. Dies hat
dazu geführt, daß spezielle Kurse für
solche Altersgruppen (z. B. „Deutsch
für Senioren“) angeboten werden (vgl.
Nittel 1989 und den Bericht von Dalhoff
auf S. 38 ff.).

Einstellung zu Unsicherheit und
Fehlern

Einen wichtigen Faktor für erfolgrei-
ches Lernen stellt das Selbstvertrauen
dar: In der fremden Sprache und Kultur
erlebt der Erwachsene neben positiven
Erfahrungen wie z. B. neuen menschli-
chen Kontakten und dem tieferen Ein-
blick in eine fremde Kultur zuerst ein-
mal auch einen großen Verlust an Ver-
trautheit und Kompetenz.
Verunsicherung, wiederholtes Verges-
sen und Fehler sind unvermeidbare
Begleiterscheinungen gerade des
Sprachunterrichts und erzeugen oft
Angst vor der vermeintlichen Blamage.
Wie gut diese Unsicherheit ertragen
wird, hängt stark von den früheren
Erfolgen bzw. Mißerfolgen des Erwach-
senen in Schule und anderen Lernsi-
tuationen ab.

Bereitschaft zu neuen Kontakten

Viele Erwachsene widmen einen Teil
ihrer Freizeit der Beschäftigung mit
einer Fremdsprache, weil sie dabei
auch andere Menschen kennenlernen
möchten. Sowohl das gemeinsame Ler-
nen in einer Gruppe als auch Reisen ins
fremdsprachige Ausland ermöglichen
dem Sprachenlerner neue soziale Kon-
takte, die über seinen normalen Alltag
hinausgehen. Diese Erfahrung wird
meist durch die bewußt erlebte Fremd-
heit ergänzt: Erwachsene, die eine
Fremdsprache lernen, erwerben im
Kontakt mit der fremden Kultur eine
neue Rolle: Sie erfahren, daß sie
zugleich ihre Identität bewahren wie
auch eine „zweite Natur“ erleben kön-
nen, indem sie mehr oder weniger tief
in die andere Gesellschaft eintauchen.

Je nachdem, ob ein Teilnehmer

eher gruppenorientiert oder eher auf
sich selbst bezogen an den Unterricht
und die Fremdsprache herangeht, wird
er den Lernerfolg, die Rolle des Lehrers

und der Gruppenmitglieder anders
definieren. Es spricht allerdings viel
dafür, daß der Grad des Lernerfolgs
von der Bereitschaft zu einer Erweite-
rung der eigenen Persönlichkeit um
neue soziale Verhaltensformen
abhängt. Mangelhafte Sprachkenntnis-
se und ein markantes Verhalten als
Fremder in der Zielsprache können
andererseits jedoch auch als legitimes
Festhalten an der eigenen Identität
interpretiert werden.

Individuelle Interessen und
Motivation

Erwachsene haben neben dem Erler-
nen von Fremdsprachen natürlich auch
andere Interessen. So werden z.B. in
vielen Kursen für Fortgeschrittene
literarische Neigungen der Teilnehmer
durch die gemeinsame Lektüre deut-
scher Literatur angesprochen. Das
meist große Interesse erwachsener Ler-
ner an gesellschaftlichen Entwicklun-
gen in Deutschland wird immer wieder
in Diskussionen zu aktuellen, zeitge-
schichtlichen Fragen aufgegriffen. Die-
se unter den Kursteilnehmern unter-
schiedlich ausgeprägten Interessen bil-
den allerdings auch eine Quelle für
zusätzliche Heterogenität im Unter-
richtsverlauf, wie im Essay von Don
Brady auf S. 14 f. deutlich wird. Sie bie-
ten dem einzelnen jedoch auch die
Chance zu vielfältigen neuen Erfahrun-
gen, z.B. in der gemeinsamen Auseinan-
dersetzung mit der eigenen und frem-
den Kultur im Sinne des interkulturel-
len Lernens.

Verhältnis zur Sprache und zum
Sprachenlernen

Eine besondere Variable stellen die
individuellen Erfahrungen mit der Mut-
tersprache und eventuell mit anderen
Fremdsprachen dar. Die allgemeinen
kommunikativen Fähigkeiten des ein-
zelnen, der Grad der sprachlichen
Bewußtheit in der Muttersprache, indi-
viduelle Vorstellungen von Sprache,
sprachlichen Normen und ihrer Variati-
onsbreite beeinflussen natürlich auch
seine fremdsprachliche Kompetenz. Im
günstigen Fall können sie schnell auf
die Fremdsprache übertragen werden;
im ungünstigen Fall stellen sie Hinder-

D

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6

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

nisse beim Lernen dar: Durch die Aus-
richtung vieler Schulsysteme auf
schriftsprachliche Korrektheit und
literarische Standards orientieren sich
Erwachsene oft an entsprechenden
schriftlichen Formen der Fremdspra-
che und haben dadurch meist große
Schwierigkeiten, gesprochene oder
informelle Sprachregister zu erlernen.

Stärker noch als die muttersprachli-

che Sprachkompetenz, die ja weitge-
hend unbewußt bleibt, können bewuß-
te Erfahrungen mit anderen Fremd-
sprachen den Lernweg abkürzen:
Kenntnisse über international verbrei-
tete Vokabeln, über die Struktur einer
Sprache oder das Wissen um kulturelle
Charakteristika wie z. B. der unter-
schiedliche Gebrauch von Anredefor-
men können zumindest teilweise von ei-
ner Fremdsprache auf die andere über-
tragen werden. Ebenso helfen vorange-
gangene Erfahrungen mit dem Prozeß
und bestimmten Methoden des fremd-

sprachlichen Lernens, so daß es für
den erfahrenen Sprachenlerner in ge-
wisser Hinsicht immer leichter wird,
sich eine weitere Fremdsprache anzu-
eignen.

Verhältnis zur fremden Kultur

Durch die internationale Verflechtung
verfügt jeder Erwachsene über direkte
oder zumindest indirekte Erfahrungen
mit Informationen, Produkten oder
Menschen aus den verschiedensten
Ländern. Wer als Erwachsener eine
Fremdsprache erlernt, hat entweder
einen zwingenden Grund und muß die
Sprache (z.B. als Immigrant oder aus
beruflichen Gründen) lernen, oder er
hegt zumindest ein gewisses Maß an
Sympathie für die andere Kultur und
ihre Menschen, denn sonst würde er
die Sprache ja nicht aus freien Stücken
lernen wollen. Eine solche aktive Neu-
gier und langfristige Bereitschaft zur
Annäherung bilden sowohl die Grund-
voraussetzung als auch die beste
Gewähr für erfolgreiches Sprachenler-
nen. – Im Zusammenhang von interna-
tionaler Bildungspolitik stellt sie außer-

dem die zentrale Zielsetzung des
Fremdsprachenunterrichts dar.

Unterschiede zu Kindern und
Jugendlichen

Die internationale Forschung zum
Erwerb einer Fremdsprache hat sich
intensiv mit der Frage auseinanderge-
setzt, inwiefern Erwachsene Sprachen
anders lernen als Kinder. Wode
(1988,11) stellt vor dem Hintergrund
umfassender psycholinguistischer Stu-
dien fest, daß – neben den offenkundi-
gen Unterschieden zwischen dem
Erwerb der Muttersprache und dem
Erlernen einer Fremdsprache – nach
der Pubertät „ein großer Teil jener
Fähigkeiten, die für den Erwerb der
ersten Sprache im Kindesalter aktiviert
werden, zeitlebens für das Erlernen
weiterer Sprachen zur Verfügung ste-
hen“. Bereits mit der Pubertät, also
weit nach dem Ende der sogenannten
kritischen Phase für den kindlich-ganz-
heitlichen Spracherwerb, verlieren die
meisten Menschen die Leichtigkeit,
eine Fremdsprache korrekt auszuspre-
chen, wie sie Kindern zu eigen ist. Hier
also muß man eine Trennungslinie zie-
hen zwischen Kindern und Jugendli-
chen, die – zumindest in der kognitiven
Entwicklung – zu den Erwachsenen
gezählt werden können.

Mit fortschreitendem Alter fällt es

Erwachsenen meist schwerer, sich z.B.
schnell viele neue Wörter einzuprägen.
Andererseits können gerade Erwachse-
ne durch die Übertragung früherer
Erkenntnisse und Erfahrungen auch
besonders rationell vorgehen, indem
sie z.B. ganze Wortgruppen mit demsel-
ben Wortstamm systematisch erlernen.
Denn insgesamt gesehen spielen die
Vertrautheit mit Lernprozessen und die
Übertragung von Kenntnissen und Fer-
tigkeiten auf neue Situationen eine
positivere Rolle als altersbedingte
Schwierigkeiten (vgl. Quetz 1988).
Erwachsene lernen also nicht generell
schlechter als Kinder, sondern anders,
nämlich mit all ihren langjährigen
kognitiven und sozialen Erfahrungen.
Außerdem lernen sie auch mit anderen
Zielen als Kinder. So werden beispiels-
weise die meist implizit miterworbenen

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Aus: Hans Wegehaupt: Grundwissen für Lehrer in der Weiterbildung. München: Hueber 1983

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

kulturkontrastiven Lerninhalte der
fremdsprachlichen Landeskunde und
ihr Rückbezug auf die differenzierter
erfahrene eigene Kultur oft nicht auf
der Habenseite des erwachsenen Ler-
ners verbucht, obwohl sie durchaus
erwünschte und bereichernde Lernzie-
le darstellen.

Ein weiterer gelegentlich übersehe-

ner Faktor beim Vergleich zwischen
Schülern und Erwachsenen ist die
beschränkte Zeit und Intensität, mit der
sich Berufstätige normalerweise dem
Sprachenlernen widmen können. Denn
im Verhältnis zu den wenigen Stunden,
die der Erwachsene neben seinen All-
tagsbeschäftigungen im Sprach-
unterricht verbringt, sind seine Lerner-
folge meist beachtlich. Während der
Schulunterricht auf die intensive
Beschäftigung der Schüler mit einer
Fremdsprache als Vorbereitung für spä-
tere Lebenssituationen baut, liegen bei
Erwachsenen, wie bereits erwähnt,
mehr oder weniger konkrete soziale,
berufliche oder kulturelle Motive für
das Sprachenlernen vor. Wie sie dabei
vorgehen, wozu und bis zu welchem
Grad sie Sprachkenntnisse erwerben
oder auch wieder verlieren, liegt zu-
allererst in ihrer eigenen Verantwor-
tung.

Hindernisse beim Lernen

Da Erwachsene Fremdsprachen norma-
lerweise zusätzlich zu ihrem Beruf und
ihren Alltagsbeschäftigungen lernen,
erfordert jeder Kursbesuch auch eine
Überwindung von mehr oder weniger
gewichtigen Hindernissen: Zeitknapp-
heit, Ablenkung durch andere Freizeit-
beschäftigungen, finanzielle Erwägun-
gen, Verkehrsprobleme, Ermüdung
nach der Arbeit, Angst vor Überforde-
rung und vieles andere mehr...

Selbst angesichts der unübersehba-

ren Tatsache, daß sich Millionen von
Erwachsenen eine zweite, dritte oder
weitere Fremdsprache mit zumindest
hinlänglichem Erfolg aneignen, wird
gelegentlich die Frage gestellt, ob man
denn als Erwachsener überhaupt noch
eine neue Sprache lernen könne.

Dazu kommt: Die Gesellschaft hat

die Notwendigkeit „lebenslangen Ler-
nens“ zwar weitgehend anerkannt,
doch gibt es immer noch traditionelle
Einstellungen, die das Lernen nur der
ersten Ausbildungsphase zuordnen, so
daß (ältere) Erwachsene nicht immer
von der Familie oder Freunden ermu-
tigt werden.

Die vielfältigen Hindernisse beim

Lernen erklären vielleicht auch die
Beobachtung, daß Erwachsene oft
Lernprozesse abbrechen, sich mit
sprachlichen Grundkenntnissen be-
gnügen oder erst nach längeren Pausen
wieder darangehen, ihre inzwischen
verschütteten Vorkenntnisse aufzufri-
schen. Wie der Beitrag von Diaz auf S.
54 f. deutlich macht, stellt die Überwin-
dung von Hindernissen ein durchaus
charakteristisches Element im Unter-
richt mit Erwachsenen dar.

3. Konsequenzen für

den Unterricht –

Fragen für Lehrerinnen

und Lehrer

In den nun folgenden Abschnitten
steht der langfristige Prozeß des
Erwerbs (durch die Lernenden) und
der Vermittlung (durch die Lehrenden)
einer Fremdsprache im Mittelpunkt
der Überlegungen. Dabei geht es auch
um die grundlegende Frage nach der
Funktion des Unterrichts. Unterricht
und damit auch die Unterrichtenden

erfüllen immer, und besonders beim
Spracherwerb von Erwachsenen, eine
dienende Funktion mit dem Ziel, den
Lernprozeß für die Kursteilnehmer so
erfolgreich wie möglich zu gestalten.
Das bedeutet: Die vielfältigen Beson-
derheiten des Lernens von Erwachse-
nen machen es erforderlich, daß die
Lehrerinnen und Lehrer immer wieder
neu die Frage stellen, welche didakti-
schen Konsequenzen daraus zu ziehen
sind.

Dazu sollen im folgenden Antwor-

ten versucht, aber auch weiterführen-
de Fragen formuliert werden, die als
Ausgangspunkt und Leitfragen für den
Ideen- und Gedankenaustausch in einer
kollegialen Diskussion dienen können.

Erwachsene lernen eine
Fremdsprache – Was bedeutet
das konkret?

Wenn man den Stellenwert von Fremd-
sprachen im Leben eines Erwachsenen
betrachtet, kann man in dem Prozeß
des Erwerbens und der Anwendung
einer Fremdsprache, in unserem Fall
also von Deutsch als Fremdsprache,
drei Phasen erkennen, von denen nur
ein geringerer Teil mit Unterricht zu tun
hat:
• Erste Phase: Der Erwachsene sam-

melt – bewußt oder unbewußt –
über einen längeren Zeitraum hin-
weg allgemeine Informationen über

D

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Schüler, Studenten, Kursteilnehmer;

Lehrer, Dozenten, Kursleiter

Wie kann man die an Kursen der Erwachsenenbildung beteiligten Personen ange-
messen bezeichnen? Der deutsche Sprachgebrauch ist hier nicht eindeutig.

Sowohl in der Fachliteratur als auch im pädagogischen Alltag werden mehrere
Bezeichnungen gleichbedeutend verwendet: Die aus dem schulischen Kontext über-
nommenen und auch in der Erwachsenenbildung gebräuchlichen Begriffe „Schüler“
und „Lehrer“ stellen das „Schüler-Lehrer“-Verhältnis (d. h. Schüler als Lernende – Leh-
rer als Lehrende) in den Vordergrund. Durch ihren Bezug auf bestimmte Alters- und
Rollenvorstellungen (Stichwort „Schule“) sind diese Begriffe im Erwachsenenunter-
richt jedoch nicht ganz angemessen. Dies trifft auch auf die aus dem universitären
Kontext stammenden Bezeichnungen „Student“ und „Dozent“ zu. Für Kurse mit
Erwachsenen sind daher die Begriffe „Kursleiter/Kursleiterin“ und „Kursteilnehmer/
Kursteilnehmerin“ angebrachter. Im schriftlichen Gebrauch werden sie oft als KL bzw.
TN abgekürzt.

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

das fremde Land, seine Bewohner,
seine Kultur und Sprache.

• Zweite Phase: Er entschließt sich

zum bewußten Erlernen der Fremd-
sprache.

• Dritte Phase: Er wendet die Sprache

mit individuellen Absichten an.

Diese Abgrenzung, die durchaus

auch als zeitliche Abfolge gemeint ist,
läßt sich in der konkreten Situation des
Fremdsprachenlerners zwar nicht
immer strikt aufrechterhalten, sie
erlaubt es jedoch, eine Reihe von wich-
tigen Aspekten über die Chancen und
Probleme des gesamten, jahre- und
jahrzehntelangen Unternehmens
„Fremdspracherwerb“ aufzuzeigen.

Zur ersten Phase: Kulturelle
Eindrücke als Motivation

Bevor sich ein Erwachsener zu einem
Deutschkurs in seinem Heimatland
anmeldet, hat er sich in seinem Alltags-
leben in einer mehr oder weniger
bewußten ersten fremdkulturellen
Lernphase schon eine ganze Menge an
Informationen, Erfahrungen und Ein-
stellungen in bezug auf Land und Leute
angeeignet. Wahrscheinlich verwendet
er in seiner Muttersprache oder ande-
ren Fremdsprachen deutsche Fremd-
wörter wie Kindergarten, Ersatz oder
Weltanschauung. Mit den Namen von
Städten, Personen, Firmen oder Pro-
dukten verbindet er gewisse landes-
kundliche Informationen über die Geo-
graphie, Geschichte und Wirtschaft
deutschsprachiger Länder. Vielleicht
hatte er schon in seinem eigenen Land
persönlichen Kontakt mit Menschen
aus deutschen Sprachgebieten; wahr-
scheinlich hat er durch die Medien
vom Fernsehen bis zur Musikkonserve
erste Eindrücke deutscher Kultur
erlebt. Auch die Zahl derer wächst
ständig, die durch Reisen in ein
deutschsprachiges Land Eindrücke aus
erster Hand sammeln konnten. So ste-
reotyp und einseitig sie auch sein
mögen, führen all diese landeskundli-
chen Eindrücke im günstigen Fall zu
einer Neugier auf tiefere Beschäftigung
mit dem fremden Land. Und bei einer
kleinen, besonders bildungsaktiven
Gruppe der potentiellen Interessenten

verdichten sich diese fremdkulturelle
Neugier und das Interesse an einer neu-
en Sprache zum Entschluß, Deutsch zu
erlernen.

W Wie kann ich als Lehrender auf die-

se fremdkulturellen Eindrücke
zurückgreifen und sie in meinen
Unterricht einbeziehen?

Zur zweiten Phase: Entschluß
zum Deutschlernen

Auch in dieser Phase, dem eigentlichen
Sprachenlernen, ist der Unterricht in
einer Klasse und mit einer Lehrkraft
noch keineswegs unabdingbare Vor-
aussetzung. Aus verschiedenen Grün-
den versuchen manche Lerner, Fremd-
sprachen im Selbststudium zu erler-
nen. Dies ist zwar oft mühsamer und
risikoreicher als die Teilnahme an
einem Kurs, bietet aber auch eine Rei-
he von Chancen für erfolgreiches auto-
nomes Lernen. Entschließt sich der
Lernwillige nun aber zum Besuch eines
Deutschkurses, so tritt er aus seiner
Anonymität heraus und begibt sich in
ein Geflecht von vielgestaltigen neuen
Beziehungen.

Dabei ist die Motivation, die Er-

wachsene zu einem Kursbesuch veran-
laßt, meist mehrschichtig: Zu den eher
kognitiven Motiven („Ich möchte
Deutsch lernen und mehr über
Deutschland erfahren.“) gesellen sich
soziale und emotionale Aspekte. („In
einem Kurs kann ich interessante Leute
kennenlernen und auf angenehmere
Weise lernen als allein.“)

Für den Lehrenden bedeutet dies,

daß er besonders im Anfangsunterricht
die unterschiedliche Motivation der
Kursteilnehmer aufgreifen und verstär-
ken, behutsam neue Lernerfahrungen
anstreben, zwischen den unterschiedli-
chen Bedürfnissen der Teilnehmer ver-
mitteln und den Lernern vor allem
Erfolgserlebnisse verschaffen muß.
Hier ist auch und gerade bei Erwachse-
nen die emotionale Seite des Lernens
wichtig: Neugier, Phantasie, Humor und
Wertschätzung sollten in keiner Stunde
fehlen! Die Erfahrung, daß immer wie-
der etwa ein Drittel der Kursteilnehmer
im Verlauf von Anfängerkursen aufgibt,
zeigt, daß die Erwartungen vieler Lern-
williger schnell enttäuscht werden kön-

nen. Selbst wenn die Gründe für den
Kursabbruch auch in falschen Vorstel-
lungen der Lerner oder nicht beein-
flußbaren Umständen liegen mögen, so
sollte das Ziel vor allem des Anfänger-
unterrichts darin gesehen werden, die
positive Einstellung zur fremden Spra-
che und zum Lernprozeß zu verstär-
ken. Dies läßt sich nicht nur durch die
langsam ansteigende Lernprogression
der Lehrbücher für Anfänger, sondern
vor allem durch bewußtes gemeinsa-
mes Lernen, mit Hilfe aktivierender Auf-
gabenstellungen und Sozialformen des
Lernens erreichen, wie dies z.B. in den
Beiträgen von Bode (für den Mittelstu-
fenunterricht) und Schewe (für den
Anfangsunterricht) in diesem Heft dar-
gestellt wird. Fremdsprachenlernen in
der Gruppe bedeutet ja immer auch
soziale Lernprozesse; der einzelne Teil-
nehmer lernt nicht nur selbständig
oder vom Lehrenden, sondern auch
mit und von den anderen Gruppenmit-
gliedern (vgl. Göbel 1993).

W Welche Unterrichtsformen kann ich

anwenden, um die individuelle und
die gemeinsame Lernbereitschaft in
meiner Klasse zu verstärken?

Zur dritten Phase: Unterricht als
Hilfe zur Selbsthilfe

Erwachsene stellen an den Unterricht
meist zwei zentrale Forderungen: Sie
haben für das Sprachenlernen nicht
viel Zeit und erwarten deshalb zu
recht, daß der Unterricht sie dazu
anleitet, schnell und auf effektive Weise
zu lernen. Der Erfolg des Lernens darf
sich weiterhin nicht nur in Prüfungen
niederschlagen, denn das eigentliche
Ziel des Sprachunterrichts liegt ja
außerhalb, in der selbstbestimmten
Anwendung der Fremdsprache. Beide
Argumente, das der Effizienz und das
der selbständigen Sprachanwendung,
haben dazu geführt, daß Sprachkurse
für Erwachsene in stärkerem Maße als
der schulische Fremdsprachenunter-
richt eine Aufteilung der Lernarbeit in
zwei Dimensionen anstreben:

• Im Unterricht stehen vor allem

diejenigen Aktivitäten im Vordergrund,
die gemeinsame Lernprozesse erfor-

9

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

dern: Anleitung und übergreifende Eva-
luation durch den Lehrer, Gruppenar-
beit oder gemeinsames Arbeiten in
gespielter oder authentischer Kommu-
nikation.

• Außerhalb des Unterrichts sollte

der Lerner sich mit stärker gelenkten,
meist formalen Übungen und Wieder-
holungen beschäftigen und die gewon-
nenen Sprachkenntnisse zusätzlich
nach eigenen Interessen vertiefen.
Arbeitsbücher, fakultative Lehrwerktei-
le, Zusatzmaterialien und authenti-
sches Material zum Lesen, Hören und
Sehen bieten hierfür reichlich Gelegen-
heit. Als Verbindungsglied zwischen
Unterricht und Selbststudium bieten
Mediotheken und Selbstlernzentren
geeignete Lernmedien und die fach-
liche Beratung durch Beratungslehre-
rinnen oder -lehrer an. Über diesen
dritten Lernort zwischen Unterricht

und Privatsphäre

berichten Rainer Hofmann und

Petra Schulze-Lefert in diesem Heft. Da
die selbstbestimmten Aktivitäten mit
zunehmendem Lernfortschritt immer
umfangreicher werden, ist die Anwen-
dung der Fremdsprache durch den Ler-
ner, der nun mehr und mehr zum
Sprachbenutzer wird, ein integrales Ziel
des lerner- und anwendungsbezogenen
Sprachunterrichts. Die praktischen
Tips zum Deutschlernen in Rug / Neu-
mann/ Tomaszewski (1991) sowie die
Hefte 4 „Unterrichtsprojekte“ und 8
„Lernstrategien“ von FREMDSPRACHE
DEUTSCH
bieten eine Fülle von Anre-
gungen auf diesem Weg.

Ein Unterricht, der sein Ziel darin

sieht, sich langfristig selbst entbehrlich
zu machen, muß die Lernenden jedoch
schrittweise darauf vorbereiten. Lange
Phasen der Fremdsteuerung im
Anfangsunterricht und die Gefahr der
Abhängigkeit von Lehrerautorität und
Prüfungen als offiziellen Nachweisen
des Lernerfolgs stehen der Entwick-
lung selbstbestimmter Lernprozesse
tendenziell entgegen. Wird das selbst-
bestimmte, eigenverantwortliche Ler-
nen jedoch langfristig angestrebt und
von den Lernenden als wichtiges Lern-
ziel erkannt, kann diese dritte Phase
der individuellen Anwendung von
Sprachkenntnissen zu einer lebenslan-
gen Verfügbarkeit der Fremdsprache
überleiten.

W Wie kann ich meinen Lernern hel-

fen, ihre Sprachkenntnisse zuneh-
mend selbständig zu nutzen?

Lernpsychologische Aspekte

Durch seine Lebens- und Lernerfahrun-
gen hat sich jeder Erwachsene ein indi-
viduelles Profil an Lernstilen angeeig-
net. Diese bestimmen die Art und
Weise, wie er an neue Situationen her-
angeht und welche Strategien er
anwendet, um neue Kompetenzen zu
erwerben. Weil Klassenunterricht nicht
auf einen individuellen Lernstil abge-
stimmt werden kann und dies ange-
sichts der Verschiedenheit fremd-
sprachlicher Verstehens- und Lernpro-
zesse auch nicht sinnvoll wäre, muß er
sowohl auf das jeweilige Lernziel bezo-
gene Lernstrategien vermitteln als
auch gleichzeitig Raum für die unter-
schiedlichen Vorgehensweisen der Ler-
ner lassen. Da es also nicht eine einzi-
ge, beste Methode für jede Aufgabe und
jeden Lerner gibt, muß der Lehrer ver-
schiedene Zugangsweisen zum Lerner-
folg ermöglichen, aus denen jeder Ler-
ner die für ihn geeigneten Wege weitge-
hend selbst erkunden muß, wobei ihm
der Lehrende natürlich helfen sollte.

Auch wenn die individuellen Lern-

stile von Kursteilnehmern nicht immer
den didaktischen Intentionen des
Unterrichts entsprechen, sollten sie
erst einmal respektiert werden. Gleich-
zeitig aber muß der Unterricht Lern-
strategien wie das Aufspüren von
Gesetzmäßigkeiten, den Vergleich zwi-
schen der eigenen und fremden Spra-
che und Kultur oder den kreativen
Gebrauch der neuen Sprache vermit-
teln und so die bereits vorhandenen
Lernstile im Sinne erwachsenenge-
mäßen Lernens erweitern (Prokop
1993).

Die Untersuchungen zu lernpsycho-

logischen Fragestellungen, deren
Ergebnisse sich übrigens ebenso auf
den Unterricht mit Schülern wie auch
auf Erwachsene übertragen lassen, zei-
gen, daß die Nutzung von Vorwissen,
das Lernen über mehrere Sinneskanäle

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Aus: Hans Wegehaupt: Grundwissen... a.a.O.

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

und unter Einbeziehung des eigenen
Tuns, die Verbindung kognitiver und
imitativer Lernformen, der Bezug zu
Gefühlen und sozialen Erfahrungen den
Lernerfolg positiv beeinflussen (vgl.
Rohrer 1990; Timm 1992; Zimmer
1988). Damit Lernen möglichst nach-
haltige Ergebnisse zeitigt, muß die
gesamte Person mit allen ihren Sinnen
einbezogen werden.

W Wie kann ich vielfältige und ganz-

heitliche Lernprozesse im Unterricht
anregen und meine Lerner ermuti-
gen, ihre eigenen Lernstile zu erkun-
den und zu erweitern?

Schwierigkeiten im Unterricht

Zusätzlich zu den Hindernissen, die aus
dem Alltagsleben der Teilnehmer ent-
stehen, stellen sich dem erfolgreichen
Spracherwerb weitere Hindernisse ent-
gegen, die einmal in der Natur des Lern-
gegenstandes sowie zum anderen in
der Lernform begründet sind. Zur Spra-
che als Lerngegenstand: Im Arabischen
gibt es das geflügelte Wort „Die Spra-
che ist ein Meer.“ – Die Entscheidung
über Wichtigkeit und Auswahl der ein-
zelnen fremdsprachlichen und fremd-
kulturellen Lernziele führt immer wie-
der zu neuen Diskussionen über die
Ziele und Inhalte des Unterrichts. Ange-
sichts der Tatsache, daß kein einzelner
Mensch eine Sprache in all ihren mögli-
chen Anwendungs- und Erscheinungs-
formen erlernen kann, bleibt letztend-
lich nur die bewußte Beschränkung auf
ein bestimmtes grundlegendes Minde-
stangebot für alle Lerner sowie die
Berücksichtigung der Entscheidungen
des Lerners über seine individuellen
Lernziele. Die zusätzliche Beschäfti-
gung mit geeigneten Inhalten und Auf-
gaben muß der Lehrende mit seinen
jeweiligen Lernern absprechen. Hierbei
wird der den Unterricht begleitenden
Lernberatung in Zukunft sicher eine
wachsende Rolle zukommen.

W Wie kann ich die allgemeinen Anfor-

derungen meines Kurses mit den
unterschiedlichen Interessen und
Möglichkeiten der einzelnen Lerner
verbinden?

Zum Klassenunterricht als Lern-

form: Weitere Hindernisse entstehen
durch Projektionen der früheren, meist

schulischen Lernerfahrungen der Teil-
nehmer auf die Unterrichtssituation:
Erwartungen an die Inhalte des Unter-
richts (z.B: „Eine Sprache lernt man
durch die Grammatik!“ oder „Informa-
tionen über die fremde oder gar eigene
Kultur gehören nicht in den Sprachun-
terricht!“) sowie an die Methoden des
Unterrichts („Der Lehrer kann alles
besser erklären als ein Teilnehmer!“)
stehen erwachsenengemäßen Unter-
richtsformen entgegen. Die Befragung
von Zimmermann (1990, 42ff.) doku-
mentiert hierzu exemplarisch die ambi-
valenten Einstellungen von Kursteil-
nehmern zur Rolle der Grammatik im
Unterricht. Diese Vorstellungen von
Sprache und Unterricht müssen jedoch
als Ausgangsbasis ernstgenommen,
häufig auch erst einmal bewußt
gemacht werden, am besten im bei-
spielhaften Kontrast zu neuen, adäqua-
teren Lernformen.

Entsprechende Aufgaben für die

Thematisierung des gemeinsamen
Deutschlernens findet man ansatzwei-
se bereits in einer Reihe von Lehrwer-
ken (z. B. in Sprachbrücke Bd.1, 138f
oder in Die Suche, Bd.1, 113f.). Die Klas-
se eignet sich auf diese Weise nicht nur
die fremde Sprache und Kultur, son-
dern auch spezifische Formen des Ler-
nens an, wobei auch die Lehrenden

immer wieder von ihren Teilnehmern
lernen können.

W Wie kann ich die unterschiedlichen

Erfahrungen und Erwartungen der
Teilnehmer mit meinen eigenen Vor-
stellungen vom gemeinsamen Ler-
nen in Einklang bringen?

4. Vorschläge für

Fachdidaktiker

Als Ausblick und Zusammenfassung
möchte ich im folgenden Vorschläge
aus der Unterrichtspraxis an die
Spracherwerbsforschung, an Aus- und
Fortbilder für Lehrer in der Erwachse-
nenbildung sowie an Autoren von Lehr-
büchern oder anderen didaktischen
Materialien formulieren (vgl. hierzu
auch Burger 1989).

• Verhältnis von Unterricht und

selbständigem Lernen

In Übereinstimmung mit der Forderung
nach stärkerer Teilnehmerorientierung
ist auch im Fremdsprachenunterricht
eine Tendenz zur Individualisierung
des Lernens entstanden. Auch lerner-
bezogener Klassenunterricht ist des-
halb immer als Ergänzung zum selb-

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Brauchen Erwachsene einen

Klassensprecher?

In deutschen Schulen ist es üblich, einen Klassensprecher (oder eine Klassenspreche-
rin) zu wählen. Seine (ihre) Aufgabe ist es, Wünsche und Probleme der Klassenge-
meinschaft dem Lehrer gegenüber zu formulieren und zu vertreten. Auch schulische
Traditionen können in Kursen für Erwachsene ihren Sinn haben: Ein gewählter Klas-
sensprecher und sein Vertreter können ein wichtiges Bindeglied zwischen der Lern-
gruppe und dem Lehrer bzw. der kurstragenden Institution darstellen.

Klassensprecher können durch Gespräche mit den anderen Teilnehmern auch außer-
halb der Unterrichtszeit dafür sorgen, daß möglichst viele Wünsche an den Kursver-
lauf berücksichtigt werden. Sie können z.B. durch eine Adressen- und Telefonliste
Kontakt zu Teilnehmern aufnehmen, die im Unterricht gefehlt haben und sie über den
Verlauf der Stunden informieren. Sie können außerunterrichtliche Treffen organisie-
ren und sich bei Kursende um einen Anschlußkurs kümmern.

In größeren Sprachinstituten ist auch die Wahl von Vertretern für die gesamte Teil-
nehmerschaft denkbar. Bei aktuellen Fragen können sich die Sprecher jeweils direkt
an die einzelnen Lehrer oder auch an die Leitung wenden. Unabhängig davon soll-
ten die Klassen- bzw. Institutssprecher einmal pro Kursabschnitt zu Gesprächen über
das Kursangebot mit der Institutsleitung und Vertretern der Lehrerschaft eingeladen
werden.

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Fremdsprache Deutsch

ständigen Lernen zu betrachten. Die
Förderung von autonomem Lernen ist
somit eine der wichtigsten Aufgaben
des Fremdsprachenlehrers. Die spezifi-
sche Funktion, die dadurch dem Leh-
renden und dem gemeinsamen Unter-
richt zukommt, stellt einen zentralen
Inhalt in der Aus- und Fortbildung für
Lehrende im Unterricht mit Erwachse-
nen dar.

• Lehrkräfte als Lernpartner

Unter Berücksichtigung der jeweiligen
Lerntraditionen ist hierbei die langfri-
stige Veränderung der traditionellen
Rollen des Lehrenden und des Lerners
im Unterricht anzustreben. Fachdidak-
tik und Lehrerfortbildung sollten die
Lehrenden dabei unterstützen, ihre
dominierende Rolle als Fachleute für
Lernprozesse und Fremdsprache, wo
immer dies sinnvoll ist, zugunsten ihrer
Rolle als Lernberater abzubauen.

• Emanzipierende Aufgaben

Durch entsprechende Themenwahl wie
z.B. Gespräche über das Lernen oder
durch das Einbeziehen persönlicher
Erlebnisse und aktivierender, kreativer
Aufgabenstellungen sollten auch die
Lernmaterialien den Lernenden helfen,
sich schrittweise eine selbstbestimmte
Lernhaltung anzueignen und möglichst
schnell Verantwortung für den gemein-
samen Lernprozeß zu übernehmen.

• Lernziel Sprachaneignung

Lehrmaterialien und Unterrichtsent-
würfe sollten in noch stärkerem Maße
als bisher das Sprachenlernen aus der
Sicht des einzelnen Lerners thematisie-

ren. Hierzu ist im Curriculum neben
den etablierten Lernzielebenen der
sprachlichen Formen bzw. der thema-
tisch-situativen Kontexte eine paralle-
le, langfristig angelegte Lernzielebene
der Sprachaneignung vorzusehen, die
den Erwachsenen zum Weiterlernen
und zur selbständigen Sprachbenut-
zung befähigt.

• Lernstile und Lernstrategien

Die selbstverantworte-

ten Arbeitsformen von

Fremdsprachenler-

nern im und außer-

halb des Unterrichts sollten als Schlüs-
selqualifikation für langfristigen Spra-
cherwerb weiter erforscht werden.
Hierbei sind vor allem Methoden zur
Entwicklung von Lernstrategien sowie
die Rolle von Lernstilen zu untersu-
chen (vgl. Ellis/Sinclair 1989).

• Lernpsychologische

Optimierung

Lernpsychologische Aspekte des Ler-
nens von Erwachsenen sollten unter
Berücksichtigung verschiedener Ziel-
gruppen weiter erforscht und in Lehr-
materialien umgesetzt werden: Die Rol-
le von fremd- bzw. selbstbestimmter
Motivierung, die Möglichkeiten ganz-
heitlichen Lernens sowie vielfältiger
Anwendungsmöglichkeiten des Ge-
lernten, Aspekte der Gedächtnis-
leistung oder die Übertragung früherer
Sprachlernerfahrungen werden im
Unterricht immer noch zu wenig be-
rücksichtigt.

Interdisziplinäres Lernen

Langfristiges und intensives Sprachen-
lernen kann gerade bei Erwachsenen
auch durch die Verbindung anderer
Interessen mit dem Sprachunterricht
gefördert werden. Interkulturelle Lern-
projekte, gesellschaftliche und ästheti-
sche Themenstellungen bieten ideale
Anwendungsmöglichkeiten der Fremd-
sprache vor allem im Unterricht mit
Fortgeschrittenen und sollten mit
erwachsenengemäßen Arbeitsformen
gepaart werden.

• Erwachsenenspezifische

Lehrerbildung

Die Zusammenarbeit von Lehrerinnen
und Lehrern in der kontinuierlichen
Auswertung und Verbesserung des
Unterrichts (vgl. Altrichter / Posch
1990) sowie in der Ausbildung neuer
Lehrkräfte sollte durch die weitere
Erprobung und Verbreitung entspre-
chender Aus- und Fortbildungsmaß-
nahmen verstärkt werden.

• Landesspezifische Didaktik

Im nicht-deutschsprachigen Ausland
sind die Ausgangsbedingungen für
Fremdsprachenunterricht nach impor-
tierten Methoden vor dem Hintergrund
der relativ homogenen einheimischen
Lernerfahrungen sowie der sprachli-
chen und kulturellen Voraussetzungen
und Zielsetzungen zu bestimmen (vgl.
Osterloh 1978). Von dieser Analyse soll-
ten dann die unterrichtlichen Entschei-
dungen über Art und Verlauf der
schrittweisen Aneignung von fremden
Methoden und Sichtweisen ausgehen.

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Aus: Hans

Wegehaupt:

Grundwissen a.a.O.

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

13

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Zimmermann, Günther: Grammatik im Fremdsprachen-

unterricht der Erwachsenenbildung. München:
Hueber 1990.

Wie sieht Unterricht mit

Erwachsenen

in der Praxis aus?

Welchen der folgenden Aussagen stimmen Sie als Lehrer/in für

Erwachsene zu? Welche Einschränkungen würden Sie vielleicht

machen? Wie stehen Ihre Kolleg/inn/en dazu? Und wie Ihre

Kursteilnehmer/innen?

1.

Erwachsene müssen sich an neue Arbeitsformen wie z. B.
Partnerarbeit oder Rollenspiele gewöhnen.

2.

Klassenunterricht ist kein Privatunterricht: Der einzelne muß sich
dem Niveau, den Interessen und der Lerngeschwindigkeit der
Gruppe anpassen. Lehrer können auf Einzelwünsche nicht
eingehen.

3.

Auch die Herausbildung eines guten Gruppenklimas liegt in der
Verantwortung des Lehrers.

4.

Jeder Unterricht muß sich langfristig selbst entbehrlich machen.
Lehrbücher und Fachliteratur bieten genügend Anregungen, so
daß es nicht schwer ist, die Kursteilnehmer zur bewußten
Entwicklung selbstbestimmter Lernstrategien anzuleiten.

5.

Es hilft meinen Teilnehmern, wenn ich mit ihnen über ihre
Lernschwierigkeiten rede.

6.

Themen aus Geschichte, Literatur und Kunst der fremden Kultur
sind für alle Kursteilnehmer wichtige Inhalte des
Fremdsprachenunterrichts.

7.

Meine Kursteilnehmer lernen besser, wenn ich ihnen Inhalte,
Lernziele und Strukturierung des Unterrichts immer wieder
klarmache.

8.

Erwachsene haben oft Schwierigkeiten beim Hören und
Sprechen, weil sie zu sehr an der Schriftsprache orientiert sind.
Deshalb muß man mehr mit Tonkassetten und Video als mit
Lesetexten arbeiten.

9.

Die Vermittlung von Verständnis für die aktuellen
Lebensumstände und Probleme der Menschen im Kulturraum der
fremden Sprache gehört von Anfang an zu den wichtigsten
Zielen des Unterrichts.

10.

Der erfolgreiche Sprachenlerner muß ein gutes Maß an
Selbstvertrauen besitzen und auch immer wieder Erfolge
erleben. Es ist somit die Hauptaufgabe des Lehrenden,
Erfolgserlebnisse zu vermitteln.

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Don Brady, Professor für Englisch in
den USA, hatte ganz besondere
Erwartungen, als er im Alter von über
50 begann, Deutsch zu lernen: Er woll-
te endlich Freud und Nietzsche im Ori-
ginal lesen! Mit dieser Motivation und
viel Selbstdisziplin fing er an, im
Selbststudium zu lernen. Als er später
einen Kurs in Deutschland besuchte,
sah er sich plötzlich mit einer Gruppe
jüngerer Lerner konfrontiert...

Amerikaner sind keine

Sprachgenies. Abgesehen von
den Sprachlehrern in den High
Schools und in den Universitä-
ten kenne ich persönlich kei-
nen Amerikaner (geboren in
den USA von amerikanischen
Eltern), der zweisprachig ist.
Die Schüler und die Studenten
lernen meistens ein bißchen
lesen und ein bißchen Gram-
matik. Einige lernen nur „Spei-
sekarten-Deutsch“: Deutsch für
Touristen. Für viele Amerika-
ner ist Deutsch „The Awful Ger-
man Language“, wie es Mark
Twain, der großer Schriftsteller
ausdrückte.

Als Student der vergleichen-

den Literatur habe ich vor vie-
len Jahren jeden Tag Altgrie-
chisch und Latein studiert. Aber
die alten Sprachen sind ganz
anders: für meinen Doktortitel
mußte ich Homer und Vergil
ganz genau entziffern und
lesen, aber die Stimmen dieser
Dichter sind nur Zeichen auf
Papier. Diese Sprachen sind
schwer, aber sie sind nicht

aktiv zu gebrauchen. Meiner Meinung nach war
Latein viel leichter als Deutsch zu lernen, weil ich
die Zeichen immer kontrollieren konnte. Die Her-
ausforderung war abstrakt wie in der Mathema-
tik. Mit einem Wörterbuch und einer Grammatik
war alles klar.

Passives Latein,

aktives Deutsch

„Aller Anfang ist schwer“ so sagt das Sprich-

wort. Für mich war der Anfang mit einer optimi-
stischen Illusion verbunden! Am ersten Juli 1988

habe ich plötzlich mit Deutsch begonnen. Sprung-
haft habe ich mich entschlossen, zu versuchen,
Sigmund Freud und Friedrich Nietzsche im Origi-
nal zu lesen. Ich hatte Halluzinationen: „Im Juli
1989 werde ich bei einem Glas Wein Nietzsche
und Freud vergleichen und darüber auf deutsch
diskutieren!“

Meine Illusion hatte zwei Aspekte: erstens

glaubte ich, daß die alten Sprachen keine Vorbe-
reitung sind für eine Sprache, die aktiv zu gebrau-
chen ist. Zweitens war ich nicht länger ein junger
Mann, sondern ein Professor zwanzig Jahre spä-
ter, das heißt, dümmer geworden! Ich habe von
einem Sprachwissenschaftler gehört: „Im Alter
von über 15 Jahren ist es immer schwerer, eine
neue Sprache zu beginnen und zu beherrschen.“

Drei Wochen Winterferien im Goethe-Institut

Prien Ende 1988 waren kein Urlaub für mich, sie
brachten mich in große Verlegenheit. Ich habe
mich wie ein Fremder gefühlt - sogar unter mei-
nen Kollegen aus der ganzen Welt und besonders
unter den Deutschen. In der Grundstufe III konnte
ich lesen und schreiben so gut wie die anderen,
aber ich konnte keinen ganzen Satz richtig ver-
stehen, und im Sprechen war ich linkisch und fast
autistisch. Ehrlich gesagt, ich war meistens still -
still und verlegen. In der Hörverstehensprüfungs-
probe habe ich fast nichts geleistet. Deutsch zu
hören und zu sprechen war ein wildes Glücks-
spiel im Vergleich zu der ordentlichen Welt bei
Homer und Vergil.

Ich habe mich gefühlt wie ein Taucher in

einem eiskalten See. Das fremde Wasser und die
fremden Lautblasen (Worte, Redewendungen,
Sätze) haben mich ertränkt.

Hörverstehen: Die erste

Herausforderung!

Alles war klar: Zuerst mußte ich lernen, zu

hören und zuzuhören. Ein großes Wunder, aber
ich habe in Amerika die Antwort gefunden!
Genau für Hörverstehensprobleme gibt es in
Nashville, Tennessee (im Country-Song-Gebiet),
eine Firma mit dem Namen „Schau ins Land“, die
pro Monat eine Kassette ganz auf deutsch mit
einer Transkription verkauft.

Das Deutsch auf der Kassette ist nicht Grund-,

Mittel- oder Oberstufendeutsch; es ist ganz nor-
males, aktuelles Deutsch, gesprochen nur von
Deutschen, Österreichern und Schweizern in
Europa.

Natürlich waren die Kassetten zuerst unglaub-

lich schwer. Aber ich habe oft wiederholt, und ich
habe viele Redewendungen aufgeschrieben und
auswendig gelernt. Das Lernen von Redewendun-

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Wie

haben Sie

Deutsch

gelernt,

Herr

Brady?

Freud und Leid eines
Deutschlernenden mit
hohen Ansprüchen

Von Don Brady

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

gen, finde ich, ist eine sehr wichtige Sache für
Deutsch als Fremdsprache.

Zur Zeit, vier Jahre nach der Katastrophe in

Prien, bin ich weit von perfekt sein im Hören oder
im Sprechen. Der Grund ist, daß ich ein psycho-
logisches Hindernis in mir gefunden habe. Der
Arzt hat gesagt: „Sie sind ein vorwiegend visuel-
ler Mensch, kein Musiker. Ihre Ohren sind ganz
normal, aber Ihr Hören ist psychologisch grob.
Keine Katastrophe, die Menschen lernen auf vie-
le verschiedene Weisen.“

Übrigens bin ich als Lehrer in der englischen

Sprache besser und geduldiger geworden, weil ich
genauer verstehe, daß meine Studenten auch auf
verschiedene Weise lernen. Alle Wege führen
nach Rom, aber sie kommen aus vielen Richtun-
gen und mit verschiedenen Geschwindigkeiten.

Vorstellung und Verstand

1992 habe ich bei meinem Forschungsurlaub

einen weiteren Kurs in Deutschland belegt. Der
durchschnittliche Schüler war ungefähr 25 Jahre
alt. Mein Lehrer war klug und begeistert, er
spricht besonders klar, und er war Meister in der
Grammatik, aber er hat mich genauso wie die
jüngeren Schüler behandelt. Meiner Meinung
nach hatte der Lehrer keine Ahnung, wie schwer
die tägliche Herausforderung für mich war. Er hat
Englisch seit seinem zehnten Lebensjahr gelernt.

In der Klasse war ein Schüler aus Rußland. Er

hieß Ivan und war erst 16 Jahre alt. Er hat erst seit
sechs Monaten Deutsch gelernt. Ivan war ein
Lieblingsschüler, weil er immer die unregelmäßi-
gen Präpositionen gewußt hat!

Vielleicht ist der Vergleich lächerlich, aber ich

würde ein besserer Lehrer für den Lernenden in
seiner Midlife Crisis sein als dieser tüchtige Leh-
rer. Ich weiß ganz genau, wie peinlich meine Feh-
ler für mich waren und sind, wie schwer die ver-
dammten Präpositionen sein können. Aber er und
die meisten Lehrer haben das vergessen. Viel-
leicht glaubt der Leser, daß meine Lösung zu
komisch ist, aber ich bin ernst: Alle Lehrer über
40 Jahre sollen entweder eine neue Sprache wie
Koreanisch oder einen Sport wie Karate lernen!
Französisch oder Ping-Pong zählt nicht!

Sowohl Ivan als auch Herr Brady können die

Mittel- und Oberstufe leisten. Beide brauchen
etwas Lob. Als Lehrer hätte ich zum Beispiel den
großen Wortschatz des amerikanischen Mummel-
greises gelobt. Und der Alte hat schon die gesam-
melten Werke von Nietzsche gelesen! Im Gegen-
teil dazu dachte Ivan, daß Nietzsche ein Nazi
war! Meiner Meinung nach sollte der Inhalt (nicht
nur die Form der Sprache) in der Mittelstufe und

in der Oberstufe genauso gewertet werden. Der
erwachsene Lerner ist kein schlechterer, sondern
eine andere Art Lerner.

Der Buchstabe

und der Geist

Sprachenlernen ist kein Wettbewerbssport.

Wenn der schnelle Ivan das Vorbild ist, wird die
amerikanische Schnecke deprimiert. Ermutigung
und Entmutigung sind absolut zentral im Unter-
richt. Klar? Kann jemand das bezweifeln?

Wenn die Abwesenheit von Fehlern das

Muster ist, vergehen der Inhalt und der Geist.
Wenn korrektes Deutsch das Ideal ist, bekommt
Beamtendeutsch den Büchnerpreis.

Als Lehrer weiß ich, warum der Buchstabe

und nicht der Geist betont wird. Grammatik ist
meistens schwarz-weiß, aber Inhalt und Nuancen
sind immer grau. Das erste ist relativ leicht zu leh-
ren, aber niemand weiß genau, wie man das
Zweite lehren kann. Doch eine Sache ist klar: in
der Oberstufe tötet der Buchstabe, aber der Geist
macht lebendig.

Schreiben: Besondere

Anforderungen!

Schreiben ist schwer zu lernen und schwer zu

unterrichten, ich weiß. Die zwei grundlegenden
Regeln sind: täglich lesen und täglich schreiben.
Meine Vorschläge umfassen: ein Tagebuch, eine
Seite pro Tag. Solches Schreiben soll spontan und
schnell geschehen, ohne viel Aufmerksamkeit für
die Kleinigkeiten wie Rechtschreibung, Satzzei-
chen usw.

Ich habe gelernt, auf deutsch zu schreiben,

indem ich viel geschrieben habe. Ich habe viele
Brieffreunde (Eine Anzeige in der Zeitung ist der
Trick!), und ich schreibe ein Tagebuch.

Die Sprache ist auch

ein Fenster

Deutsch ist manchmal wirklich „The Awful

German Language“, besonders wenn ein Anfän-
ger im mittleren Alter ist. Manchmal habe ich
eine phantastische Stunde, wenn ich plötzlich
weit und breit sehen kann, z. B. heute morgen
habe ich das Gedicht „An die Parzen“ von Fried-
rich Hölderlin gelesen (es beginnt: Nur einen
Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!). Unerwartet habe
ich da gedacht, die deutsche Sprache ist doch
nicht zu schrecklich, sondern ein Fenster zu einer
anderen Landschaft, und zwar zu einer anderen
menschlichen Landschaft.

15

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Saw Puay Lim, Journalistin bei der
„South China Morning Post“, hat
Deutschkurse in Singapur, München,
Berlin und Hongkong besucht. Und zu
ihrer Überraschung sogar die Zentrale
Mittelstufenprüfung mit „gut“ bestan-
den. Aber sie hat Deutschlehrern eini-
ges zu sagen.

Freiburg, 20. Dezember 1992. Jetzt bin ich in

der Mittelstufe I. Wir machen viel Grammatik und
Textwiedergabe. Zum Beispiel: Wenn doch nur
mehr Arbeitsplätze hätten geschaffen werden
können. – Panik!!! Manchmal meine ich, vielleicht
ist die Struktur des Gehirnes der Deutschen komi-
scher und komplizierter, als ich dachte. Aber viel-
leicht ist es nur das Gehirn von Deutschlehrern
und Lehrbuchautoren? Die scheinen zu glauben,
wir lernen Deutsch, weil wir Richard Wagner oder
Richard Weizsäcker im Original hören wollen.
Aber nein! Wir sind viel bescheidener (oder ehr-
geiziger?).

Vor ein paar Jahren kam ich am Flughafen

München an, und als Mandelauge* war ich natür-
lich automatisch prostitutionsverdächtig. Also
warten, bis ein paar hundert andere Passagiere
abgefertigt sind. Dann meine Reise den Beamten
der Paß- und Zollkontrolle gegenüber rechtferti-
gen. In der Situation stammelte ich ziemlich rum*
und wurde dann mit erhobenem Zeigefinger* und
ausnahmsweise mal für einen Monat in das schö-
ne Deutschland gelassen. In einer ähnlichen
Situation konnte ich den Immigration Officer in
San Francisco mit einer kleinen witzigen Bemer-
kung entwaffnen und zum Lächeln bringen*. Aber
glauben Sie, der Mann hätte mich verstanden,
wenn ich gesagt hätte: „Wenn doch nur weniger
Vorurteile in Ihr Gehirn hätten gepflanzt werden
können!“?

Warum meine Mittelstufen-Kolleginnen und

ich in Hongkong eigentlich angefangen haben,
Deutsch zu lernen? Ja, glauben Sie denn*, das
wissen wir noch? Wenn wir zum 128stenmal
gefragt werden, sagen wir natürlich als höfliche
Chinesen immer, was die Lehrer und die Frage-
bogen hören wollen: „Wir interessieren uns für
Deutschland!“ – „Wir möchten die deutsche Kul-
tur verstehen!“ – „Wir möchten in Deutschland
studieren!“ – „Ich kann das für meinen Beruf brau-
chen!“ (Das stimmt sogar manchmal.) Die wirkli-
chen Gründe behalten wir lieber für uns* – ent-
weder weil sie uns nicht klar sind, oder weil wir
glauben, die Lehrer finden sie zu banal.

Natürlich ist Deutsch nützlich, wenn wir rei-

sen. Und man weiß nie, wofür es irgendwann mal
gut sein könnte*. Wir möchten uns selbst mal wie-
der freiwillig zeigen, daß wir etwas können. Wei-

termachen, was wir sowieso schon lange ge-
macht haben. Nicht vergessen, wofür wir schon so
viel investiert haben. Mit unserer Freizeit etwas
Nützliches anfangen*, das respektabler ist als
Töpfern oder am Strand liegen. Und ehrlich ge-
sagt* manchmal einfach einen legitimen Grund
haben, zwei Abende pro Woche aus der Wohnung
oder von der Familie wegzubleiben, neue Freun-
de kennenzulernen und alte zu treffen.

Aber warum dann gerade* Deutsch? Manche

Kollegen haben sich vor Deutsch schon mit Ara-
bisch, Russisch, Suaheli oder Hebräisch beschäf-
tigt! – „Eigentlich wollte ich mich für einen Japa-
nischkurs einschreiben. Aber der war schon voll.
Da kam ich an einem Schild
Goethe-Institut vor-
bei* und dachte, warum eigentlich nicht?*“ Und
jetzt lernt er im vierten Jahr ...

Und nun sind wir selbst mit unseren nicht

akzeptablen Gründen bis zum Zertifikat Deutsch
als Fremdsprache gekommen – und möchten wei-
terlernen. (Irgendwas müssen unsere Lehrer rich-
tig gemacht haben!*) Und was müssen wir da oft
schlucken*? Einen Salat von abstraktem Vokabu-
lar, komplexen und nutzlosen Strukturen. Und
grammatische Fehler korrigieren die Lehrer nicht
mehr. Das ist kommunikativ, oder so*. Aber in
Deutschland werde ich eher respektiert und höfli-
cher behandelt, wenn ich mich grammatisch kor-
rekt ausdrücke. Das ist mir im Moment wichtiger*
als das zweite Passiv des Konjunktivs im dritten
Futur des Plusquamperfekts.

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16

DER

OSTEN

IST ROT

ODER: MITTELSTUFEN-LAMENTO

von Saw Puay Lim

Warum wir

Deutsch lernen?

Ja, glauben Sie

denn*, das

wissen wir noch?

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Wir hätten lieber mehr Hör- und Sprech-Trai-

ning – dann könnten wir uns flüssiger ausdrücken.
Wir möchten lieber mehr Alltagsvokabular ler-
nen. Wir möchten komisch und sarkastisch sein
können, aggressiv und höflich, wann wir wollen.
Ich weiß, ich weiß – die meisten Bücher und Kur-
se sind für „junge Akademiker“ (18 –24) – aber
was ist mit uns* – weder besonders jung noch be-
sonders akademisch? In unserer Gruppe z.B. ha-

ben wir Sekretärinnen, Beamte, Angestellte, Bör-
senmaklerinnen, Geschäftsfrauen, Managerin-
nen. Und unser Durchschnittsalter liegt über 30.

Da soll uns mit der Sprache deutsche „Kultur“

beigebracht werden*. Hmmm.* Wissen Sie, wie
viele Leute aufgehört haben, Deutsch zu lernen,
weil sie Filme von Wenders und Faßbinder sehen
mußten? Normale Fernsehshows würden uns bes-
ser unterhalten. Natürlich kriegen wir auch offizi-
elle „Deutschlandkunde“. Hmmm. Wissen Sie,
wie egal es uns ist, wie viele Bundesländer es
gibt, und wie der Bundespräsident heißt? Aber
wenn wir Demonstranten sehen, die in Halle Eier
werfen, lernen wir etwas über Deutschland!

Es gibt auch Leute, die eine Sprache lernen,

ohne mehr über das Land dieser Sprache wissen
zu wollen. Das ist mit Englisch hier auch so. Aber
machen Sie uns ruhig* neugierig! Übrigens: Wir
wissen sicher auch so mehr über Deutschland als
ein normaler Deutscher über China und die Chi-
nesen weiß! Und selbst wenn einige von uns
zuerst nur Hitler und Neuschwanstein kannten –
das heißt noch lange nicht*, daß wir jetzt von
Grünen und von Feministinnen hören wollen, wie
schmutzig und unterdrückt wir sind! Indirekt.

Und „Literatur“ muß natürlich auch sein*!

Hmmm. Wissen Sie, wie tödlich die weinerlich-
moralisierende deutsche Empfindsamkeit für uns
Großstädter* sein kann? Wie wäre es mit* Tex-
ten, mit denen wir verstehen, wie ein NORMALER
Mensch in Deutschland denkt? Wir haben alle
lange genug in der Schule unter Literatur gelit-
ten*. Deshalb sind wir sehr irritiert, wenn wir
merken, daß wir am Ende der Stunde genau bei
der moralischen Schlußfolgerung ankommen, die
der Lehrer geplant hatte. Sind Sie überrascht,
wenn wir glauben, Sie nehmen uns nicht ernst*?

Manchmal meinen wir, die Bücher wollen uns

erziehen wie Sekundarschüler. Dann fühlen wir

uns wie jemand, der in ein Reisebüro geht und
einen Strandurlaub in Bali buchen möchte. Und
der Verkäufer sagt: „Sollten Sie sich nicht besser
die Eremitage in Sankt Petersburg ansehen?“
Aber wissen Sie, Deutschlernen ist keine kulturel-
le Mission, das ist ein Hobby. Wenn wir zum
Deutschkurs gehen, haben wir schon neun Stun-
den im Büro gesessen und uns über den Kursver-
fall des Dollars, verspätete Lieferungen und das

kaputte Faxgerät geärgert.Glauben Sie
wirklich, wir wollen uns danach noch
über die negativen Auswirkungen des
Individualverkehrs, den Hunger in der
Welt, oder ein Gedicht über den Tod
den Kopf zerbrechen*?

WIR entscheiden, DASS wir lernen.

Können WIR nicht auch entscheiden,
WAS wir lernen?! Anstatt deutsche

Gedanken zu imitieren, möchten wir unsere eige-
nen auf deutsch ausdrücken. Die kommen aus
unserem alltäglichen Leben und den Sachen, mit
denen wir uns da beschäftigen.

Darf ich auch noch ein bißchen über Sie, die

Lehrer, meckern*? Ich habe selbst ein paar Jahre
als Sekundarschullehrerin gearbeitet und kenne
die Versuchung, auch Erwachsene wie Schüler zu
behandeln. Jetzt merke ich als Schülerin, wie
dumm ich mich dann oft fühle. Aber wir wissen
beruflich auch eine ganze Menge*. Dinge, die Sie
nicht wissen! Bitte respektieren Sie uns, und
behandeln Sie uns nicht so herablassend-freund-
lich! (Übrigens: Warum werden wir im Klassen-
raum geduzt? In Deutschland höre ich das „Du“
nur für Kinder und Hunde. Und Ausländer.)

Sie arbeiten in einer Service-Industrie. Soll da

nicht der Kunde König sein*? Statt dessen glau-
ben besonders deutsche Deutschlehrer, sie sind
Intellektuelle, die geistigen Kindern großzügig
helfen. Manchmal erinnert mich das an die alten
China-Missionare, die mit Schreibunterricht Reli-
gion verbreiten wollten. O.k., heute sind Ihre Wer-
te natürlich postkolonial und liberal, aber...

In der Mittelstufe lernen wir jetzt als Hobby

weiter und haben den ursprünglichen Grund,
Deutsch zu lernen, meistens schon vergessen.
Jetzt zählen Stil und Inhalt des Unterrichts: Wir
machen weiter, solange der Kurs uns Spaß macht.

Die Klavierlehrerin rechts von mir: „Deutsch-

lernen ist zu einem Teil meines Lebens gewor-
den. Mir wird das Herz schwer*, wenn ich aufhö-
re, Deutsch zu lernen.“ Der Finanzbeamte links:
„Wenn ich heirate, höre ich auf!“

17

SAUER!

Anmerkung:

*Wenn Sie sich gefragt haben,
wofür all die Sternlein* stehen -
Ausdrücke, die ich hier in der
Mittelstufe gelernt habe! Dar-
über können Sie im nächsten
Artikel lesen. Wenn das doch
nur schon früher hätte arran-
giert werden können!

Wissen Sie,

wie viele Leute

aufgehört

haben, Deutsch

zu lernen, weil

sie Filme von

Wenders und

Faßbinder sehen

mußten?

Deutschlernen

ist keine kulturelle

Mission, das ist ein

Hobby.

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Seit zwei Jahren läuft am Goethe-Institut in Hon-
gkong ein Experiment.

Das haben wir uns überlegt:

Erst ZDaF (Zertifikat Deutsch als Fremdspra-
che), dann ZMP (Zentrale Mittelstufenprüfung),
vielleicht PNDS (Prüfung zum Nachweis deut-
scher Sprachkenntnisse), dann kleines Sprach-
dipl....

Moment! Wirklich? Was ist denn, wenn man

nach der ZDaF-Prüfung einfach normal Deutsch
sprechen lernen möchte? Ohne in Deutschland

studieren zu wollen?
Ohne da zu leben?
Ohne sich besonders
„intellektuell“ zu füh-
len? Dann können die
Bücher und Pro-
gramme für Fortge-
schrittene ganz schön
frustrierend sein!
Links die Motivati-
onskurve, die unsere
Mittelstufen-Teilneh-
mer noch vor ein
paar Jahren gezeich-
net haben!

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„Zhu Pingman lernte das Drachentöten

bei Zhi Liyi. Dafür brauchte er die

tausend Geldstücke, die er von zu Hause

mitgebracht hatte, völlig auf.

Nach drei Jahren beherrschte er diese

Kunst - aber es ergab sich nie die

Gelegenheit, sie unter Beweis zu stellen.“

Und nach drei Jahren Extensivkurs
machten Kwan Suk Li und ihre Kollegin-
nen im Goethe-Institut in Hongkong das
Zertifikat Deutsch als Fremdsprache.
Und wollten weiterlernen:

Anmerkung:

Der Titel, die Kalligraphie und die

Idee für den Vergleich stam-
men aus:

Hans-Werner Hess: Die Kunst des

Drachentötens. Zur Situati-
on von Deutsch als Fremd-
sprache in der Volksrepu-
blik China. München: iudici-
um 1992.

Drachentöten

für Erwachsene

Ein neues Kurssystem für die Mittelstufe

Von Martin Bode

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Woran liegt’s?

1. Je mehr man kann, desto besser sollte man

sich fühlen. Statt dessen schwindet das
Erfolgsgefühl der frühen Jahre, weil die Fort-
schritte immer kleiner werden, und man sie
manchmal kaum noch wahrnimmt.

„Ich hoffe, daß mein Deutsch nicht schlechter wird.

Mehr Fortschritte sind ganz schwer.“

Mögliche Lösung: überschaubare Teilziele
setzen und regelmäßig überprüfen, das eige-
ne Lernen bewußter organisieren.

2. Das Buch/Der Kurs ist irgendwann zu Ende.

Bleibt dann nur noch irgendein unverbindli-
cher „Konversationsklub“?

„Man kann hier Deutsch fast gar nicht im Alltags-

leben benutzen.“

Mögliche Lösung: flexibles, aber überschau-
bares Programm und Material, das ständig
erneuert wird.

3. Themen von Mittelstufenbüchern sind oft

verschult, können nicht aktuell sein, zielen
auf Uni-Studenten.

„Bitte kein Buch mehr benutzen! Nicht interessant!“

Mögliche Lösung: authentisches/aktuelles
Material sammeln.

4. Die Lernenden haben kein attraktives forma-

les Ziel.

„Die Mittelstufenprüfung ist schwer und nicht inter-

essant.“

Mögliche Lösung: Die Lernenden setzen sich
ihre Ziele selbst.

5. Erwachsene Lernende finden sich immer

noch in der Rolle des Sprach-Babys.

„Ich will nicht immer Schüler bleiben.“

Mögliche Lösung: Lerner- und Lehrerrollen
neu definieren.

Ein Mittelstufenkurs kann also bei uns in

Hongkong nicht mehr einfach „angeboten“ wer-
den. Er muß von Lernern und Lehrer gemein-
sam geplant und dann vom Lehrer organisiert
werden. Erwachsene im Fortgeschrittenenun-
terricht können selbst entscheiden – über The-
men, Fertigkeiten, Schwerpunkte, Ziele, Arbeits-

intensität, Tests. So kommen sie aus der Rolle
des Kind-Schülers heraus, fühlen sich ernstge-
nommen. Mit verstärktem Selbstbewußtsein
und realistischen Zielen wächst die Motivation.
Und erhöhte Motivation bedeutet höhere Effizi-
enz beim Lernen. Und die Kurve geht wieder
nach oben!

Daher unser System:

Während bis zum Zertifikat ein Buchprogramm
der rote Faden sein kann, an dem sich Lerner
und Lehrer orientieren, müssen es jetzt die Ler-
nenden sein, nach denen sich Ziele, Material
und Tätigkeiten richten.

Wir haben im Mittelstufenbereich zwei

Arbeitsgruppen (leicht verschiedenen Ni-
veaus), die über einen längeren Zeitraum
zusammenarbeiten. In jedem Semester wird in
einer Gruppe neues Material eingesetzt. Wenn
es dort „ankommt“, wird es später auch der
anderen Gruppe zur Wahl vorgelegt.

Anschließend legen wir das Material beisei-

te, bis sich eine Gruppe durch neu hinzugekom-
mene Teilnehmer so verändert hat, daß es für
sie wieder neu ist. Dann kann man es erneut ein-
setzen. (Wenn es nicht schon veraltet ist!)

Das Programm erneuert sich also ständig, und
das System ist nach „oben“ nicht begrenzt.

Die Materialsammlung soll aus Texten, Bil-

dern, Liedern und Video-Aufnahmen bestehen,
die für den deutschen Normalverbraucher
geschrieben, getextet, gemalt wurden. Sie dür-
fen nicht so aussehen, als ob sie speziell für
Sprachlernende produziert worden wären.

Die Rolle, die Fernsehen und Video im Alltag

spielen, muß auch der Sprachkurs reflektieren,
sonst ist er zu weit von der (Medien-)Wirklich-
keit entfernt.

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Selbstbestimmte Priorität:

Über ein selbst gewähltes

Thema sprechen. Foto: Bode

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Tendenz der Materialien (aber nicht aus-

schließlich!): unterhaltsam bis humorvoll, posi-
tiv bis optimistisch, anregend bis provozierend.

Themen mit Personen-Bezug. Themen, die

Emotionen ansprechen. Themen, zu denen man
auch ohne Vorkenntnisse etwas sagen kann, zu
denen Meinungen möglich sind.

Die Sprache sollte nicht zu schwer sein. Aus

Texten, die in einem der Umgangssprache
nahen Stil geschrieben sind, läßt sich mehr
aktiv Verwendbares lernen (z.B. eher Illustrier-
ten- als Zeitungsartikel, eher Quiz oder Krimi als
Nachrichten).

Die Texte sind am besten kurz, klar geglie-

dert oder leicht segmentierbar, illustriert und
grafisch attraktiv.

Wichtig: Auch fotokopierte Texte müssen so

authentisch wie möglich aussehen. (Grafisches
Umfeld eines Textes mitkopieren, zu Liedtexten
Kassettenhülle oder ein Foto des Sängers etc.)
Das Medium ist hier die Botschaft: “Sie haben
es mit normalem deutschem Leben zu tun. Das
können Sie! Sie werden als Erwachsener ernst-
genommen!”

Die Aufgaben des Lehrers? Er muß die Mate-

rialsammlung organisieren, zu jedem Kurs einen
Themen-Katalog zur Auswahl vorlegen, zu den
gewählten Themen Material aufbereiten, die
Arbeit mit dem Material organisieren. Er muß
die Teilnehmer beraten, wie sie die gewählten
Fertigkeiten am besten üben können, auf
Wunsch ihre Leistung bewerten, zum Kursende
die Auswertung organisieren.

Die Teilnehmer besprechen und entscheiden

zu Kursbeginn gemeinsam, welche Themen sie
behandeln wollen und welche Fertigkeiten sie
trainieren möchten. Jeder legt darüber hinaus
fest, welche individuellen Ziele er sich setzt,
und wo und wie er getestet werden möchte.
Daneben macht jeder sich bewußt, welcher Ler-
nertyp er primär ist, und wie intensiv er in die-
sem Kurs arbeiten kann.

So organisieren wir

einen Kurs:

1. Gemeinsame Planung

Am Anfang jedes Semesters steht eine gemein-
same Planungsbesprechung. Zeitplan und Rah-
menstruktur des Kurses liegen dann schon fest.
Der Lehrer hat mehrere Fragebögen zur Pla-
nung und Orientierung vorbereitet. Sie werden
an alle verteilt. (Siehe Abb. 1 – 8 ab Seite 22.)

Auch die praktischen Schritte der Lernorga-

nisation werden zu Beginn geklärt. Die Teilneh-
mer müssen - fast noch mehr als früher - das
Gefühl haben, daß der Lehrer genau weiß, was
er tut.

In der ersten Stunde findet die gemeinsame

Planung und Themenwahl statt (siehe Abb. 1
und Abb. 2).
Am Ende der Besprechung haben Lehrer und
Lernende eine Übersicht darüber, was gelernt
werden soll, und unter welchen Voraussetzun-
gen sie arbeiten.

Jeder Kurs dauert 10 Wochen (2 x 90 Minu-

ten pro Woche). Ein Thema sollte nicht länger
als zwei bis drei Abende behandelt werden, da
es sonst langweilig wird. Überschaubares
behält man besser; wer etwas verpaßt, kann bei
der nächsten Themenreihe leicht wieder ein-
steigen.

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P R A K T I S C H E T I P S

1.

Wer ein solches teilnehmerorientiertes Kurssystem aufbauen will, muß
zunächst mit einer längeren Experimentierphase rechnen. Es ist oft

nicht möglich, brauchbare Themenvorschläge von den Kursteilnehmern
selbst zu bekommen. Wir haben deshalb zunächst selbst spekuliert, welche
Themen am meisten interessieren könnten. Am Ende des Kurses haben wir
dann eine Umfrage gemacht, um herauszubekommen, welche Themen und
Texte am besten angekommen waren. Dabei schälten sich im Laufe der Zeit
bestimmte Themenbereiche heraus, die wir schließlich zum Planungs-
rahmen gemacht haben. Inzwischen haben wir eine Reserve von ca. 40
Reihen.

Man muß allerdings darauf gefaßt sein, daß viele gesammelte

Materialien wieder aussortiert werden müssen, bevor sie überhaupt im
Kurs eingesetzt werden können, oder daß sich bei der Arbeit im Kurs
zeigt, daß das Thema doch nicht ankommt.

2.

Der Übergang vom buchgesteuerten zum teilnehmergesteuerten
Kursmodell kann nur allmählich sein. Während der Aufbauzeit sind

die Materialreserven noch gering, und die Teilnehmer haben noch wenig
Möglichkeiten auszuwählen.

Man kann die Teilnehmer jedoch mit Hilfe von Unterrichtsgesprächen

über verschiedene Lernwege langsam an die Idee heranführen, mehr und
mehr Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen.

3.

Wir besorgen unser Lehrmaterial selbst! Bei Deutschlandbesuchen am
Kiosk nebenan, mit Hilfe von Freunden in Deutschland. Die besten

Texte findet man in Zeitschriften wie „Brigitte“, ”Freundin“, in Magazinen
wie „max“ und „P.M.“ und in Heften, die man an der Kasse des Super-
marktes mitnimmt, z. B. „Meine Familie und ich“ und ähnliches.

Auf Reisen sollte man die deutschen Bahnhofs- und Flughafen-

buchhandlungen mit den Augen der Kursteilnehmer durchforsten und im
Kaufhaus die Video-Abteilung nicht vergessen!

Ideal ist es, wenn man einen Lehrer-Partner in Deutschland hat, der

versteht, was man braucht und der den Auslandskollegen gerne versorgt.
Wenn die Teilnehmer selbst anfangen, Texte oder Kassetten mitzubringen,
ist der Kurs auf dem richtigen Weg!

4.

Ein letzter Tip: Erkundigen Sie sich nach den Urheberrechtsgesetzen
des Landes, in dem Sie unterrichten. Ist es erlaubt, Artikel für Lerner-

gruppen in Sprachkursen zu kopieren? Können Sie Fernseh-Mitschnitte im
Unterricht legal einsetzen?

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Wir haben also Zeit für ca. acht Reihen. Zwei

sind der Wahl des Lehrers überlassen, damit er
aktuelluelle Themen auswählen kann. Für sechs
Reihen wählen die Teilnehmer selbst Themen
aus dem vom Lehrer vorgegebenen Katalog. Der
Katalog muß auch Angaben über die Medien
enthalten, damit die Teilnehmer beurteilen
können, welche Fertigkeiten angesprochen wer-
den.

Ausführlich über die gemeinsame Lernpla-

nung diskutieren! Gibt es einen authentischeren
Sprechanlaß im Sprachunterricht?! Danach
stimmen alle ab und halten das Ergebnis fest.

2. Die individuelle Planung

Der individuellen Kursplanung dienen die Fra-
gebögen 3 bis 7. Fragebogen 3 wird das Deck-
blatt der Teilnehmer-Materialsammlung. Er soll
den Teilnehmern jederzeit einen Überblick über
die Arbeit und die Lernfortschritte ermöglichen
und nach und nach ausgefüllt werden.

Auf den Fragebögen 5, 6 und 7 soll jeder Teil-

nehmer (a) seine Prioritäten für den Kurs fest-
schreiben und (b) sich noch einmal klarma-
chen, unter welchen Voraussetzungen er lernt -
sei es in Partner-Interviews, sei es im Klassen-
gespräch.

Um herauszubekommen, welche Fertigkei-

ten in einem bestimmten Kurs am wichtigsten
sind, werden entsprechend der Prioritätenliste
der Teilnehmer Punkte auf ein Plakat geklebt
(siehe Abb. 9). Genauso wird es mit den Lerner-
typen gemacht.

Jeder Teilnehmer wird schließlich dazu auf-

gefordert, sich - über die gemeinsamen Kurszie-
le hinaus - überschaubare, konkret definierte
und überprüfbare Teilziele zu setzen. Wie diese
überprüft werden sollen, kann jeder selbst
wählen (siehe Abb. 8). Auf diese Weise erstellt
jeder seine eigene Erfolgsbilanz.

3. „Vertrag mit dem Lehrer“

Mit dem Ziel der Selbst-Disziplinierung wird mit
dem Lehrer ein “Vertrag” abgeschlossen (siehe
Abb. 6). Der Teilnehmer setzt seine Prioritäten
fest und schätzt selbst ab, wieviel Zeit er fürs
Deutschlernen investieren kann. Mit diesen
Informationen kann der Lehrer im Kurs besser
auf den einzelnen eingehen.

Diese Arbeit kann zwei Abende in Anspruch

nehmen. Lohnt sich das überhaupt? Es lohnt
sich auf jeden Fall! Ganz abgesehen davon, daß
sich die Gemüter bei dieser Aktivität immer
enorm sprachproduktiv erhitzen: Wer das Wie
und Warum seines Sprachlernens klar vor
Augen sieht, und das Was und Wie (mit)wählt,
lernt motivierter und effizienter.

21

So gehen wir

im Unterricht vor:

Sinn und Zweck jeder Unterrichtsaktivität wird
davor (oder danach) deutlich gemacht. Es emp-
fiehlt sich, vor Beginn der Stunde Verlaufsplan
und Unterrichtsziel anzuschreiben.

„Meine ideale Stunde: 20 Min. über ein Thema spre-

chen - 15 Min. hören (einen Text) - 10 Min. Vokabular

oder Ausdruck wiederholen - 20 Min. neues Vokabu-

lar, neue Ausdrücke lernen (im Text) - 15 Min. ein

Buch lesen (einen Teil jedesmal) - 10 Min. Video

sehen.“

• Hörverstehen/Leseverstehen: Schwierigkei-

ten/Verstehenstechniken werden bewußt
gemacht; wir gehen zügig und selektiv vor;

Material und Themen selbst

auswählen

Foto: Bode

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eine Zeitgrenze wird gegeben; es werden
immer nur Textteile erarbeitet. LV: Mehrere
Gruppen bearbeiten verschiedene Textteile
(oder Texte) und präsentieren sie dann den
anderen. Wenn die Klasse schon einige Erfah-
rung hat, können die Teilnehmer selbst
HV/LV-Fragen stellen und Aufgaben vorschla-
gen.

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

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„Hören und Sprechen machen wir im Unterricht.

Lesen und Schreiben können wir zu Hause!“

• Vokabular: Redewendungen, die helfen, sich

zu einem bestimmten Thema zu äußern und
auch in anderen Zusammenhängen nützlich
sind, werden ausgewählt: (Der Lehrer schlägt

10 – 15 Redewen-
dungen vor, die Teil-
nehmer wählen
davon

7 – 9, die sie

lernen wollen und
die später dann
auch geprüft wer-
den.)

• Sprechen: Phasen

für Kommunikation
und den Austausch
von Ideen werden
von Phasen mit
Kontrolle und Kor-
rektur getrennt.
Dabei können Teil-
nehmer oft die Leh-
rerrolle überneh-
men.

„Ich lerne am besten in

einer Gruppe. Dann hat

man mehr Motivation.“

So werten wir

den Kurs aus:

Für Erwachsene, die
ihren Kurs selbst mit-
organisieren, ist ein
Test zum Kursende
keine Drohung, son-
dern eine Gelegenheit
zur Erfolgs-Informati-
on und zur Bestands-
aufnahme.

In der gemeinsa-

men Auswertung wird
zunächst der Kurs als
Ganzes besprochen:
Die Teilnehmer disku-
tieren, was ihnen an
den einzelnen The-
menreihen gefallen und
was sie irritiert hat.

Dann werden die

Redewendungen und
Wörter, die die Teil-
nehmer im Laufe des

Abb. 1: Gemeinsame

Kursplanung

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

23

Kurses ausgewählt haben, wiederholt. Die Rede-
wendungen werden zu Hause geschrieben und
in der Klasse besprochen. Eine „Note“ ist nicht
nötig.

„Wir sind keine Kinder und können alleine erkennen,

ob wir Fortschritte gemacht haben.“

Dieser Test kann

auch - wenn sie das
gerne möchten - von
den Teilnehmern
selbst angefertigt wer-
den. Gemeinsam wird
besprochen, wie er
aussehen soll, und je
eine Hälfte der Klasse
bereitet Fragen für die
andere Hälfte vor.

„Ich kann auch das

Niveau meiner Kollegin

beurteilen und ihr Rat-

schläge geben.“

Ob und in welchen

Bereichen sie zum
Kursende beurteilt
werden wollen, kön-
nen die Kursteilneh-
mer selbst entschei-
den. Sie müssen den
Lehrer nur rechtzeitig
darüber informieren,
ob sie ein Informa-
tionsgespräch oder
einen „regelrechten“
mündlichen Test möch-
ten. Dabei sollte der
Lehrer den Teilneh-
mern nicht nur ihre
Stärken z. B. beim
Sprechen, beim Wort-
schatz usw. deutlich
machen, sondern auch
auf Fortschritte bei
den Lerntechniken ein-
gehen.

Eine Warnung zum

Schluß: Während wir
nach und nach dieses
System einführten,
wurden unsere Mittel-
stufenklassen immer
größer. Früher blieben
nach der Zertifikat-
sprüfung schon bald
70% der Teilnehmer

aus. Heute lernen 70% nach der Prüfung weiter:
Sie haben immer noch Lust, das Drachentöten
zu lernen! Und wenn sie dann eines Tages im
Flughafen München wirklich mal einem Dra-
chen begegnen...

Abb. 2: Themen zur Auswahl

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

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MATERIAL

Basis ist eine Sammlung von authentischen und aktuellen
Materialien, die die Lehrerin anlegt und aufbereitet.
Themenkreise:
1. Deutschlandinformation
2. Honkong/China – Deutschland
3. Praktische Informationen
4. Sprachen lernen
5. Unterhaltung
6. Literatur
Die Teilnehmerinnen organisieren Planungsblätter, Texte,
Arbeitsblätter, Idiomatiklisten, Hausaufgaben,
Wiederholungstexte in einem Ordner.

KURSFORM

Nach der Zertifikatsprüfung bilden die Kursteilnehmerinnen - je
nach Niveau – zwei Arbeitsgruppen, die über mehrere
Semester zusammenbleiben. Es gibt also keinen „Aufstieg“ in
einem System. Statt dessen planen und beurteilen die Lernenden
ihren Fortschritt selbst. Der Kurs folgt keinem Buch (das man

bald „durch“ hätte), sondern die Teilnehmerinnen stellen ihr
Programm zusammen, indem sie zu Beginn jeden Kurses aus
einem Angebot an Unterrichtsmaterialien auswählen.

DURCHFÜHRUNG DES KURSES

Die Gruppe bestimmt immer wieder neu, welche Fertigkeiten
besonders geübt werden sollen und mit welchem Material aus
den vorgegebenen Themenkreisen gearbeitet werden soll.
Zusätzlich zu den gemeinsam gewählten Lernzielen soll jede
Teilnehmerin individulle Lernziele mit der Lehrerin vereinbaren.

AUSWERTUNG

Am Ende des Kurses wird gemeinsam Bilanz gezogen: Was
haben wir gelernt? In welcher Richtung (Fertigkeiten und
Themen) wollen wir weiterarbeiten?
Daneben stellt jede Teilnehmerin in einer Kombination aus
Selbstbeurteilung und Beurteilung durch die Lehrerin fest,
welche Fortschritte sie gemacht hat und was ihr im nächsten
Kurs am wichtigsten ist.

Hongkonger Mittelstufenmodell – Kurzfassung

Abb. 3: Individuelle

Kursplanung: Prioritäten

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

25

Abb. 5: Individuelle Kursplanung: Ziele

Abb. 4: Individuelle Kursplanung: Or

ganisation

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

D

E U T S C H U N T E R R I C H T M I T

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R W A C H S E N E N

26

Abb. 6: „V

er

trag mit dem Lehr

er“

Abb. 7: W

elcher Ler

ner

typ bin ich?

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

27

Abb. 8: Das Geler

nte überprüfen

Abb. 9: Die T

eilnehmer kleben für ihr

e Prioritäten Punkte auf ein Plakat. So entsteht ein Klassenpr

ofil der

Prioritäten.

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Jeder Klassenunterricht muß sich an
den Wünschen und Problemen aller
KursteilnehmerInnen orientieren. Wie
Lehrkräfte zusätzlich zu ihrer Rolle als
Kursleiter zum individuellen Lernbera-
ter werden können und was das
bedeutet, zeigt der folgende Bericht.

Solche oder ähnliche Ratschläge zwischen

Tür und Angel geben so manche LehrerInnen
ihren KursteilnehmerInnen mit auf den Weg.

Meist nach Unterrichtsschluß oder in den

Pausen suchen Lernende Rat bei ExpertInnen,
weil sie glauben, alleine nicht mehr weiterzu-
kommen. Im oder direkt nach dem Unterricht
bleibt jedoch wenig Zeit für persönliche
Gespräche über Lernprobleme, für Reflexionen
über Lernen oder Lernexperimente, die helfen
könnten, Lernwege zu überdenken, zu variieren
und damit eventuell Lernprobleme zu lösen.

Wir haben im Goethe-Institut Freiburg und

im Eurozentrum Köln

1

versucht, Raum zu schaf-

fen für ratsuchende FremdsprachenlernerIn-
nen. Innerhalb der Selbstlernzentren (Medio-
theken) dieser Institute bieten wir Lernberatun-
gen an, um auf die individuellen Lernprobleme
unserer TeilnehmerInnen eingehen zu können.

Lernberatung heißt hier nicht Ratschläge

erteilen, sondern gemeinsame Reflexion über
Fremdsprachenlernen, über individuelle Lern-
wege und Lernprobleme. Übergeordnetes Ziel
der Beratung ist es, die Fremdsprachenlernen-
den mit ihrer individuellen Lernproblematik
nicht allein zu lassen und sie zugleich zu selb-
ständigem Lernen zu ermutigen.

Das Selbstlernzentrum

Jeder Unterrichtende wünscht sich eine homo-
gene Klasse. Doch in jedem Sprachkurs finden
sich die unterschiedlichsten Lernstile, Lernge-
schichten, Lernhaltungen, Motivationen, Ziele,
usw. . Der Klassenunterricht kann auf diese
Heterogenität nicht in vollem Umfang eingehen.
Die Selbstlernzentren (Mediotheken) bieten
neben Printmaterialien (Bücher, Arbeitsblätter,
Zeitschriften) unterschiedliche moderne Me-
dien (Videorekorder, Computer, Sprachlabor,
Kassettenrekorder) und erweitern so das Kurs-
angebot.

2

Die Studenten haben dadurch eine

Vielzahl an Zugängen zum Sprachenlernen,
unter denen sie ganz nach ihren individuellen
Interessen und Dispositionen wählen können.
Die SprachkursbesucherInnen können hier das
im Kurs Gelernte wiederholen, vertiefen oder
erweitern.

3

Das Selbstlernzentrum ist somit ein

wichtiger institutioneller Faktor, der dazu bei-
tragen kann, die Effizienz des Sprachkurses zu
erhöhen.

Erfahrungsgemäß garantiert jedoch das

bloße Angebot zum individuellen Lernen kei-
neswegs schon einen Lernerfolg. Denn autono-
me LernerInnen, die ein Selbstlernzentrum
effektiv zu nutzen wissen, gibt es nur selten!
Deshalb werden unterstützende individuelle
Lernberatungen gerade hier dringlich. Die Auf-
gabe der MediothekarInnen besteht daher nicht
nur in Organisation, Verwaltung und didakti-
scher Aufbereitung des Selbststudienmaterials,
sondern bedeutet zu 50 % Information, Lernbe-
ratung und Lernbegleitung.

4

Es ist durchaus

nicht selbstverständlich, daß diese Zeit auch
wirklich für Lernberatung zur Verfügung steht.
Oft wird bei der konkreten Schul- und Kurspla-
nung immer noch davon ausgegangen, daß
Lernmaschinen, gutes Selbstlernmaterial und
Katalogsysteme Beratungs- und Betreuungsper-
sonal ersetzen könnten.

D

E U T S C H U N T E R R I C H T M I T

E

R W A C H S E N E N

28

Lernberatung:

Anleitung zu

selbständigem

Lernen

Ein Bericht aus dem Selbstlernzentrum

Von Rainer Hofmann

und Petra Schulze-Lefert

„Grammatik ist nicht so wichtig!
Sie müssen sprechen, sprechen!“

„Sie haben Angst zu sprechen?!
Nur Mut, irgendwann klappt’s schon!“

„Übersetzen Sie nicht immer!
Sie können den Text auch so verstehen!“

„Vokabeln müssen Sie einfach lernen!“

„Wiederholen Sie noch einmal die Grammatik!“

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Organisation der

Lernberatung

Die folgende Darstellung der Lernberatungen
basiert auf unserer persönlichen Tätigkeit in
der Mediothek. Seit etwa zwei Jahren sind wir
bemüht, unsere Arbeit, die sich bislang weitest-
gehend auf Materialvorschläge und kleine Tips
für das Individualstudium beschränkte, auszu-
bauen und reflektierter anzugehen.

5

Wir wollen

hier keine allgemeingültigen Regeln formulie-
ren, etwa im Sinne einer Methodik. Es geht uns
vielmehr darum, anhand einzelner Beispiele
mögliche Wege aufzuzeigen.

Eine Lernberatung kann nicht zwischen Tür

und Angel erfolgen, sondern muß für BeraterIn-
nen und Ratsuchende in einem klaren Rahmen
stehen. Wir haben versucht, uns innerhalb der
Mediotheken eine kleine ‘Beratungsecke’ einzu-
richten, in der wir mit den TeilnehmerInnen
ungestört reden können. Nach einiger Zeit sind
wir dazu übergegangen, mit den Mediotheks-
besucherInnen Beratungstermine zu vereinba-
ren. Für ein Gespräch reservieren wir in der
Regel 30 bis maximal 40 Minuten. Zu Kursbe-
ginn, wenn die Nachfrage besonders hoch ist,
entstehen oft Wartezeiten von 2–3 Tagen. Da die
KursteilnehmerInnen auch vor einer solchen
Beratung die Mediothek nutzen können, ist die-
se Wartezeit kein Problem.

6

Wir dokumentieren in etwa den Verlauf eines

jeden Beratungsgesprächs, was sich insbeson-
dere für die weitere Betreuung als nützlich
erwiesen hat. Leitfaden für die meisten
Gespräche ist ein Beratungsfragebogen, den wir
gemeinsam mit den TeilnehmerInnen durchge-
hen. Wir haben jedoch festgestellt, daß wir
durch diesen Fragebogen das Gespräch oft zu
stark vorstrukturieren. Außerdem ist bei dieser
relativ schematischen Frage-Antwort-Situation
der Gesprächsanteil der Beratenden häufig zu
hoch. Zur Zeit versuchen wir, durch eine mög-
lichst offene Gesprächsführung den Ratsuchen-
den so viel Zeit wie möglich zu geben, ihre Pro-
bleme und ihre Wünsche darzustellen.

Grundlagen der Lernberatung

„Jeder hat eine andere Art und Weise zu lernen,
jeder hat unterschiedliche Wünsche, Interessen
und Probleme. Deshalb können wir in der Lern-
beratung keine Patentlösungen verteilen. Wir
können zusammen überlegen, wie Sie besser
lernen können. Wir können Ihnen nur Vorschlä-
ge machen. Sie müssen dann experimentieren
und überprüfen, ob Ihnen die Ideen und Vor-
schläge auch wirklich helfen.“

So oder so ähnlich umschreiben wir unser

Beratungsangebot zu Kursbeginn. Wir verwen-
den viel Zeit darauf, den Lernenden zu erklären,
was Beratung heißt, wie sie aussehen kann und
welchen Zweck sie hat. Zunächst fordern wir
unsere TeilnehmerInnen auf, ihre Erwartungen,
Interessen und Wünsche bezüglich des Sprach-
kurses immer wieder mit dem Klassenpro-
gramm zu vergleichen und ermutigen sie, alles
„Unerfüllte” individuell in der Mediothek zu
erarbeiten. Wir bieten
ihnen an, gemeinsam einen
auf sie persönlich zuge-
schnittenen Lernplan für
ihre Arbeit in der Mediothek
zu erstellen.

Viele LehrerInnen emp-

fehlen KursbesucherInnen
mit speziellen Wünschen
oder Lernproblemen eine
Beratung in der Mediothek.

7

Die TeilnehmerInnen sollten
aber möglichst freiwillig in die
Beratung kommen. Vorausset-
zung ist, daß sie sich eines spezifischen Defizits,
eines speziellen Interesses oder Wunsches
bewußt werden.

Rolle der Beratenden

Die Lernenden müssen Vertrauen zum Bera-
tungspersonal
bekommen, damit sie den Mut
haben, zu fragen und ihre individuellen Lern-
probleme anzusprechen. Gefordert werden des-
halb von guten BeraterInnen:
• Akzeptanz: Emotionale Wärme, Akzeptieren

und Achten der Ratsuchenden.

• Empathie: Einfühlendes Verstehen, auch

bezüglich irrationaler und widersprüchlicher
Äußerungen.

29

Die Lernberatung

braucht einen klar

en

Rahmen: einen Or

t, wo

man ungestör

t reden

kann, und Zeit für

ein

echtes Gespräch.

Blick in die Mediothek

im Goethe-Institut

Freiburg: Arbeit an

Computer, Video und mit

Selbstlernmaterialien

Foto: Hofmann

background image

• Kongruenz: Ehrlichkeit; ‘Echtheit’ im Verhal-

ten der Beratenden; Möglichkeit, die eigenen
Gefühle gegenüber dem Ratsuchenden anzu-
sprechen.

8

Gefragt ist hier nicht der „Stoffvermittler“,

sondern ein Studien(be)rat(er)

9

: Wo Lehre-

rInnen strukturieren, geben Beratende Anre-

gungen. Während Lehre-

rInnen im Interesse der

Gruppe arbeiten, suchen

Beratende individuelle

Lösungen für die Lern-

probleme einzelner. Leh-

rerInnen müssen in

einer bestimmten Zeit

grundlegende Kenntnis-

se vermitteln und die Klasse (Lern-

gruppe) zusammenhalten, Beratende sollen
Zeit für den einen Fragenden haben. LehrerIn-
nen müssen bewerten, Beratende geben Stu-
dentInnen Kriterien zur Eigenbewertung an die
Hand. Umfassende Kenntnisse über das verfüg-
bare Selbststudienmaterial und fundierte fach-
liche Kenntnisse über Fremdsprachenerwerb
stellen hierbei die sachliche Basis für die Bera-
tenden dar.

Lernberatung: Nur

Information zu Sachfragen?

Die meisten KursteilnehmerInnen nutzen die
Mediothek als Hausaufgabensaal und gebrau-
chen Medien und Materialien zur Vertiefung,
Erweiterung oder Festigung des bereits im Kurs
Gelernten. Dementsprechend sind Wünsche
und Fragen punktuell auf technisch-organisato-
rische Hilfen und einzelne Materialien ausge-
richtet. Diesen Wünschen können wir schnell
entgegenkommen. Wir verweisen auf entspre-
chende Materialien und geben kleine Tips zur
Bearbeitung. Die Beratung beschränkt sich hier
zunächst auf reine Information, so wie es dem
Service einer „normalen“ Bibliothek ent-
spricht.

10

Doch bieten wir den TeilnehmerInnen auch

bei gezielten „Sachfragen“ immer weitere Hilfe
an, ermutigen sie wiederzu-

kommen, wenn die reinen Informationen nicht
ausreichen. Niemand darf das Gefühl haben,
einfach nur abgefertigt zu werden. (Was jedoch
bisweilen bei der Menge der Nachfragen und
Wünsche schwer zu erfüllen ist.)

Oft fragen wir später einfach noch einmal

nach oder beobachten die TeilnehmerInnen bei
ihrer Arbeit und bieten ihnen an, sich bei Bedarf
an uns zu wenden. Die meisten gewinnen so Ver-
trauen zu uns, wissen, daß wir uns um sie küm-
mern, uns Zeit nehmen und ihnen helfen wollen.

Denn oft steckt hinter Sachfragen zum

Deutschlernen oder zum Lernmaterial etwas
ganz anderes. Folgendes Beispiel soll dies erläu-
tern:

„Ich möchte besser sprechen! Haben Sie

Sprachlaborübungen?“ Torben könnten wir
natürlich einfach eine Reihe von Kassetten zum
Sprachtraining empfehlen. Erfahrungsgemäß ist
es aber sinnvoller, mit ihm zusammen vorher
genauer zu überlegen, ob er nun Phonetik-, Into-
nations- oder gar grammatische Drillübungen
braucht. Bei dieser Analyse stellt sich heraus,
daß nicht das fachliche Problem, sondern ein
eher persönlicher Aspekt Torben zu seiner Bit-
te veranlaßt hat. Vergleicht er sich mit seiner
Gruppe, dann findet er, daß die anderen schnel-
ler antworten, flüssiger sprechen und deshalb
besser zu verstehen scheinen. Dieser Vergleich
entmutigt ihn. Immerhin konnte Torben sein
Problem in zwar recht langsamem, aber den-
noch sehr gut verständlichem Deutsch
erklären. Mit einem Hinweis genau darauf ver-
suchen wir, ihm ein positives Feedback zu
geben. Möglicherweise stellt sich heraus, daß
Torben auch in seiner Muttersprache nicht sehr
redegewandt und redefreudig ist. Kleine Ermu-
tigungen und Tips, sich beispielsweise auf das
nächste Diskussionsthema in der Klasse vorzu-
bereiten oder den Lehrer zu bitten, ihm mehr
Zeit zum Antworten zu geben, können eventuell
hier neben Materialzuweisungen Hilfen sein.

Für Gespräche dieser Art gibt es für Bera-

tende keine festen Regeln. Sie müssen direkt auf
ein Anliegen reagieren. Es bedeutet besondere
„Zuwendung“, wenn man sich auf bisher
gern als

D

E U T S C H U N T E R R I C H T M I T

E

R W A C H S E N E N

30

Vertrauen spielt bei

der Lernberatung eine

wichtige Rolle

.

background image

Lernberatung im

Eurozentrum Köln.

Fotos: Regina Bermes/laif

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

nebensächlich behandelte Faktoren einläßt, die
aber wesentlich den Lernprozeß bestimmen:
Angst in der Gruppe oder vor den LehrerInnen,
Zeitprobleme, Prüfungsstreß, Erwartungszwän-
ge (z. B. durch Arbeitgeber oder Eltern), Selbst-
über- oder -unterschätzung, Heimweh oder
Angst vor der anderen Kultur.

Lernberatung:

Individuelle „Nachhilfe“?

Viele KursbesucherInnen kommen in die Medi-
othek und bitten um Erklärungen und Hilfen
zum Unterrichtsstoff. Wir gehen auf diese Wün-
sche ein, auch wenn wir oft das Gefühl haben,
damit quasi in Einzelnachhilfe nachzuarbeiten,
was im Unterricht liegengeblieben ist. Uns
erscheint es wichtig, innerhalb der Sprachinsti-
tution Ansprechpartner zu sein, die außerhalb
des Lehr- und Prüfungsbetriebs stehen und
trotzdem fachkompetent sind. Die Hemmung,
uns als ‘neutrale’ Personen um Hilfe zu bitten,
ist oft weitaus geringer. Somit werden Fragen,
Wünsche und Probleme an uns herangetragen,
die in der Klasse oft nicht zur Sprache kommen.
Indem wir versuchen, den TeilnehmerInnen hier
entgegenzukommen, treten wir in Konkurrenz
zum Unterricht oder laufen teilweise Gefahr,
Aufgaben von LehrerInnen zu übernehmen.

Eine klare Grenze zwischen Unterrichtsbe-

langen und Beratung in der Mediothek zu zie-
hen fällt schwer. Nur im konkreten Einzelfall
läßt sich entscheiden, welche Lernprobleme
sich in der Klasse nicht lösen lassen und folg-
lich einer individuellen lernprozeßbegleitenden
Hilfe bedürfen, in welchen Situationen wir die
Lehrenden in Beratungsgespräche einbeziehen
müssen oder wann wir Ratsuchende auf die
LehrerInnen zurückverweisen müssen.

Allein aus zeitlichen Gründen können wir

nicht jedem individuelle Nachhilfe geben. Aber
nicht nur deshalb muß Beratung, insbesondere
bei Fragen zum Unterrichtsstoff, ‘Hilfe zur
Selbsthilfe’ bedeuten!

11

Wege zu

eigenständigerem Lernen

Typische Fragen, die sich auf den Unterrichts-
stoff beziehen, betreffen häufig die Grammatik:
„Könnten Sie mir die indirekte Rede noch ein-
mal erklären?“ Bei unserer Antwort versuchen
wir, uns nicht auf Erklärungen und Wiederho-
lungen zu beschränken. Oft hilft schon der Hin-
weis auf eine Erklärung in einem anderen Buch,
ein anderer Blickwinkel also.

Meistens verfahren wir folgendermaßen: wir

gehen geduldig jeden Schritt mit dem Fragen-
den durch, um herauszu-
finden, was er/sie nicht
verstanden hat. Es gilt ein-
zugrenzen, welcher Teil
der indirekten Rede
Schwierigkeiten bereitet:
Verbformen, Personalpro-
nomen, Tempus, Konjunktiv
I Ersatzformen oder der Gebrauch? Das heißt,
wir versuchen mit dem Fragenden ein Gesamt-
problem in seine Einzelaspekte zu zerlegen und
dementsprechend gezielte Erklärungen zu
geben. Diese können durch eigenständige Übun-
gen vertieft werden. Unser Ziel ist dabei, über
die Klärung des sachlichen Problems hinaus
den Ratsuchenden individuell an das Ent-
wickeln einer eigenen Lernstrategie heranzu-
führen. Im Idealfall wird der Teilnehmer so
durch das Wechselspiel von Information, Lern-
begleitung und individueller Arbeit befähigt,
wieder den Anschluß im Unterricht zu bekom-
men.

Ebenso häufig äußern TeilnehmerInnen bei-

spielsweise, daß sie sich bei den im Unterricht
dargebotenen Hörverständnisübungen überfor-
dert fühlen, weil sie „nicht alles“ verstehen. Oft
wird im Beratungsgespräch klar, daß sich die
Lernenden damit aus der Sicht des Lehrenden
und seiner Unterrichtsintention das „falsche“
Ziel setzen - und in der Konsequenz auch nicht
erfolgreich sein können.

31

Lernberatung

ist „Hilfe zur

Selbsthilfe.“

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Erklärungen zu Sinn, Zweck und Zielen des
selektiven Hörens können hier hilfreich sein.
Diese Verstehensstrategie wird verdeutlicht
und durch den Hinweis ergänzt, daß sie über
den Unterricht hinaus auf die Fähigkeit zu
schnellerer Verständigung abzielt. Der Ratsu-
chende kann so zumindest eine positivere
Selbsteinschätzung treffen („Ich muß nicht alles
verstehen können“). Möglicherweise sind diese
Erklärungen auch Anstoß genug, sich auf eine
für ihn neue Hörverstehenstechnik einzulassen.

Das Durchschaubarmachen von Zielen, Vor-

gehensweisen und Bewertungsmaßstäben ist
wichtigstes Gebot für eine lernerzentrierte
Beratung. Ziel ist es, daß die Lernenden die
Grammatik oder den Text verstehen und wis-
sen, welche Einzelschritte ihnen beim Verste-
hen helfen können. Sie sollen für ihr weiteres

Lernen der Fremdspra-

che verwertbare Hin-

weise erhalten, mit

denen sie bei nächster

Gelegenheit einen für

sie merklichen Lerner-

folg haben können.

Lernberatung:

Individuelle Lernpläne

Da das Kursangebot des Eurozentrums und
eines Goethe-Instituts in der Regel keine fach-
sprachlichen Kurse umfaßt, bieten die Medio-
theken KursbesucherInnen mit fachspezifi-
schen Interessen die Möglichkeit, diese selb-
ständig zu erarbeiten. Gerade hier ist
autonomes Lernen erforderlich und verlangt in
besonderem Maße beratende Unterstützung.
Besonders KursteilnehmerInnen, die Deutsch
für ihren Beruf, für die Schule oder Universität
brauchen, bitten um einen individuellen Lern-
plan für ihre Arbeit in der Mediothek. Sie wollen
neben dem Unterricht ihre Deutschkenntnisse
in den für sie spezifischen und relevanten Berei-
chen erweitern.

Wir beschränken uns auch hier nicht auf rei-

ne Zuweisung fachsprachlicher Materialien. In
einem gemeinsamen Gespräch versuchen wir,
folgende Fragen zu klären:
• Wo und wann müssen Sie nach dem Kurs

Deutsch sprechen, hören, lesen und schrei-
ben?

• Mit welchen Personen? Und in welchen Situa-

tionen?

• Welche dieser Situationen sind besonders

wichtig?

• Was können Sie schon ganz gut? Wo fühlen

Sie sich unsicher? Warum? Wo liegen Ihre
größten Schwierigkeiten?

• Was möchten Sie hier in Deutschland und in

der Mediothek besonders intensiv trainie-
ren?

• Wie möchten Sie arbeiten? Mit welchen

Methoden, Medien können Sie besonders gut
arbeiten?

• Wie viele Stunden möchten Sie pro Tag

neben dem Unterricht hier in der Mediothek
arbeiten?

12

Die meisten Ratsuchenden können ihre Ziele

und Motivationen genau darlegen. Als „bran-
chenfremde“ BeraterInnen sind wir gezwungen,
die Arbeitsabläufe detailliert zu erfragen, was
den TeilnehmerInnen wiederum hilft, ihre kom-
plexen beruflichen, schulischen oder univer-
sitären Anforderungen in Einzelaspekte zu „zer-
legen“. In der Regel können auch alle recht
schnell und eindeutig Prioritäten für ihr Arbeits-
programm setzen. Sie wissen sehr genau, wo
ihre Defizite und Stärken liegen.

Die Entscheidung, mit welchen Methoden

sie sich ihren „Stoff“ erarbeiten wollen, ist
jedoch für die meisten ein großes Problem. Die
allermeisten sind durch einen Fremdsprachen-
unterricht geprägt, der in erster Linie aus Regel-
lernen, Vokabelpauken und Übersetzungsübun-
gen bestand. In der Beratung versuchen wir
deshalb, auch die Lerngeschichte genauer zu
reflektieren, um den TeilnehmerInnen zu helfen,
die Gründe für schulische Erfolgs- und Mißer-
folgserlebnisse beim Fremdsprachenlernen zu
erkennen. Wir versuchen, sie zu ermutigen, an
positiv erlebte Lernerfahrungen anzuknüpfen
und die Wiederholung von negativen Mustern
zu vermeiden, alte ineffektive Lerngewohnhei-
ten abzulegen und neue Lernwege auszuprobie-
ren. So verweisen wir auch darauf, daß der
Unterricht in der Klasse in der Regel bereits
eine Vielfalt an neuen Methoden und unter-
schiedlichen Wegen bietet. Diese Erfahrungen
kann jeder für sich individuell auswerten und
für die selbständige Arbeit in der Mediothek
umsetzen.

Kaum jemand hat klare Vorstellungen über

seine Lernorganisation. Hilfsmittel wie Wörter-
bücher, Lexika oder Grammatiken sind in der
Regel allen TeilnehmerInnen bekannt, doch wis-
sen sie nicht immer richtig damit umzugehen.
In diversen Beratungsgesprächen hat sich auch
gezeigt, daß viele unrealistische Vorstellungen
darüber haben, wieviel sie in der ihnen zur Ver-

D

E U T S C H U N T E R R I C H T M I T

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32

Eine gute Lernber

atung

macht Lernpr

ozesse

transparent und

Lernziele verständlich.

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

fügung stehenden Zeit erarbeiten können. Oft
sind zu hohe Ansprüche an den eigenen Zeit-
aufwand verantwortlich für schnelle Frustration
und enttäuschte Erwartungen.

Mit Hilfe der oben genannten Fragen erstel-

len wir schließlich einen Lernplan mit diversen
Materialangeboten, methodischen Tips und
Vorschlägen zur zeitlichen Einteilung der
Arbeit. Wir bitten die TeilnehmerInnen, ein
Arbeitsprotokoll anzufertigen, in dem sie mög-
lichst präzise festhalten, wie lange sie für die
Bearbeitung brauchen und welche Schwierig-
keiten oder Lernerfolge sie hatten. Dieses
Arbeitsprotokoll ist dann Grundlage für weitere
Besprechungen, in denen dann gemeinsam
nach anderen Lernwegen oder auch nach neuen
Materialien gesucht werden kann.

Diese Lernpläne sind kein festes Programm,

das der Lernende in vereinbarter Zeit zu durch-
laufen hat und dessen Durchführung wir über-
wachen. Sie sollen lediglich eine kleine Orien-
tierungshilfe bei der Auswahl der Materialien
und der Arbeitsorganisation sein. Und sie sollen
erreichbare Ziele formulieren helfen, die zu
Erfolgserlebnissen führen. Das Beratungsge-
spräch möchte einen Reflexionsprozeß in Gang
setzen, der die wichtigsten Aspekte des Fremd-
sprachenlernens und dessen Organisation
betrifft.

Fazit

Die Lernberatung hat in den letzten Jahren eine
immer bedeutendere Rolle in unseren Instituten
eingenommen. Mediothek und Beratung sind
wichtige Hilfen bei der Verwirklichung individu-
eller Lerninteressen, wodurch die Effizienz der
Sprachkurse gesteigert wird.

Allerdings fühlen wir uns als BeraterInnen

insbesondere auf der Ebene der Gesprächs-
technik in Beratungsgesprächen noch unsicher.
Wir wissen oft nicht, welche Gesprächsführung
für TeilnehmerInnen aus verschiedenen Kultur-
kreisen eher fördernd oder blockierend ist.
Mangelnde Deutschkenntnisse der Ratsuchen-
den sind ein weiteres Problem. Bei Anfängern,
deren Sprache wir nicht sprechen, muß sich die
Beratung leider nur zu oft auf einfache Material-
zuweisungen beschränken.

Lernberatung als Brücke zwischen Unter-

richt und Individualstudium erschöpft sich
nicht in einfachen Hinweisen auf Lernmateriali-
en, sondern umfaßt ein aktives Zugehen auf die
TeilnehmerInnen – wie hier wohl deutlich wur-
de. Mit Hilfe der Lernberatung können in opti-
maler Weise die individuellen Bedürfnisse eines
Fremdsprachenlerners in ein sinnvolles Pro-

gramm für eigen-
ständiges Lernen
neben dem Klassen-
unterricht einbezo-
gen werden.

Anmerkungen:

1 Das Eurozentrum Köln ist

eine Schule für Deutsch
als Fremdsprache der
„Stiftung der Europäi-
schen Bildungszentren“,
Zürich (Eurocentres).

2 In den Mediotheken der Goethe-Institute gibt es keine Sprachla-

bors, sondern spezielle Arbeitsplätze zum Hören von Ton-
kassetten: Darüber hinaus werden bei Bedarf Walkmen aus-
gegeben.

3 Das in der Mediothek angebotene Material ist zu etwa 40 % mit

im Unterricht benutztem Lehrmaterial identisch.

4 Die Mediotheken werden von einer hauptamtlichen pädagogi-

schen Mitarbeiterin (40, bzw. 38,5 Wochenstunden) und
einer administrativen Kraft (20 Wochenstunden) betreut.

5 Für die MediothekarInnen des Goethe-Instituts fanden zu den

Themen ‘Beratungssituation, Beratungstechniken und Lern-
techniken’ mehrere Fortbildungsseminare statt.

6 Eine erste „technische“ Einweisung erhalten alle TeilnehmerIn-

nen jeweils zu Kursbeginn mit ihrer Klasse.

7 Im Eurozentrum Köln wurde bereits vor Jahren versucht, den

Austausch zwischen Lernberatung und Unterricht zu ver-
stärken. Entsprechendes wurde im letzten Jahr am Goethe-
Institut Freiburg eingeführt. Die LehrerInnen konnten zur
Information der MediothekarInnen auf einem vorbereiteten
Blatt Angaben über die Studenten machen, die sie in die
Mediothek schickten. Als übereinstimmendes Resultat kann
man festhalten, daß insgesamt wenig Gebrauch von dieser
Möglichkeit gemacht wurde. Abgesehen davon nahm diese
Vorinformation den TeilnehmerInnen die Möglichkeit zur
„Selbstexploration“ und verleitete BeraterInnen dazu, das
Beratungsgespräch in eine vorgegebene Richtung zu lenken.
Bewährt hat sich hingegen am Eurozentrum folgendes
Modell: Zu Beginn des Sprachkurses erhalten die Kursbesu-
cherInnen in ihren Klassen Fragebögen, in denen sie Aus-
kunft geben können über ihre speziellen Wünsche, Interes-
sen, Stärken und Defizite. Diese Informationen sind für die
Lehrenden zunächst Grundlage für ihre Kursplanung und
bilden dann später den Ausgangspunkt für mögliche Bera-
tungsgespräche in der Mediothek. Einen anderen Weg ver-
sucht man neuerdings in Freiburg zu gehen, indem die jewei-
ligen MediothekarInnen zusammen mit den Klassenlehre-
rInnen eine Unterrichtsstunde zu Lernerfahrungen und
Lernerwartungen gestalten.

8 Bachmair, S. u. a.: Beraten will gelernt sein. Weinheim, 4. Aufl.

1989, S. 29 ff.

9 Schulze-Lefert, Petra/Weiland, Karl: Der halbautonome Lernweg.

In: Müller, Martin u. a. (Hrsg.): Autonomes und partner-
schaftliches Lernen. Berlin, München: Langenscheidt 1989,
S. 134 ff.

10 Geeignetes Material ist zunächst die Voraussetzung. Es muß

grundsätzlich Lösungen zu den angebotenen Übungen ent-
halten (was in den meisten modernen Lehr- und Übungs-
büchern verwirklicht ist). Bei Hörtexten sollte neben den
korrekten Antworten eine Transkription vorliegen (auch,
wenn dadurch manche LernerIn aus dem Hören ein intensi-
ves Leseverstehen macht). Schwierig wird die Lernkontrol-
le im Bereich der Textproduktion: die Texte können nur
individuell korrigiert werden (was aber eher ein organisato-
risches Problem ist).

11 Hier wird deutlich, daß Beratung zwischen Unterricht und

Selbstlernbereich eine Mittlerrolle einnimmt.

12 Teile dieses Fragenkatalogs sind auch immer wieder Bestand-

teil anderer, nicht fachsprachlich orientierter Beratungsge-
spräche.

33

Die Lernberatung kann

helfen, alte, ine

ffektive

Lerngewohnheiten ab

-

zulegen und neue Lern

-

wege auszupr

obieren.

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

G

erade im Einzelunterricht, der die alltäg-
liche Form der Kommunikation zwischen

zwei Personen nachbildet, können die Grund-
prinzipien des Fremdsprachenerwerbs reali-
siert werden: Authentizität, Lernerzentriert-
heit, Hinführung zu autonomem Lernen usw.
sind hier in idealer Weise gegeben. Leider sieht
die Realität oft anders aus: Es gibt kaum Lehr-
material oder Veröffentlichungen, die auf die
Besonderheiten des Einzelunterrichts eingehen
und dem Dozenten Hilfen und Anregungen bie-
ten könnten. Die folgenden Ausführungen beru-
hen auf Gesprächen mit Kollegen und Deutsch-
lernenden aus dem In- und Ausland sowie auf
langjähriger eigener Erfahrung.

1. Rahmenbedingungen

Die großen Vorteile des Einzelunterrichts lie-
gen sicherlich darin, daß in viel stärkerem
Maße als im Gruppenunterricht auf die indivi-
duellen Lernerfahrungen, den Arbeitsstil und
Arbeitsrhythmus sowie auf die konkreten Ziele
des Teilnehmers eingegangen werden kann.
Der Unterrichtsablauf kann immer wieder aufs
Neue gemeinsam geplant und individuell
gestaltet werden, der Lernfortschritt wird lau-
fend überprüft. Für ein Gelingen des Einzelun-
terrichts ist allerdings die Motivation des Teil-
nehmers ebenso entscheidend wie im Grup-
penunterricht.

Es macht einen großen Unterschied aus, ob der
Teilnehmer:

von seiner Firma/seinem Chef geschickt wur-
de oder aus eigener Initiative einen Kurs
besucht;

die Sprache unmittelbar oder erst später in
einer beruflichen Situation anwenden muß;

den teuren Einzelkurs als eine Belobigung
durch seine Firma versteht oder sich eher
unter Erfolgszwang sieht;

selbst die Kosten für den Kurs tragen muß
und/oder einen Teil seiner Freizeit opfert;

im Kurs einen Ausgleich zu seiner Arbeitssi-
tuation sieht, oder ob er für ihn genauso
anstrengend ist;

generell Probleme im Umgang mit Menschen
hat oder eher ein offener Typ ist.

Die Verschiedenartigkeit der Berufe, aus

denen die Teilnehmer kommen, die Verschie-
denartigkeit der Zielsetzungen und der erwar-
teten (Fach-)Sprache ist immens groß. Dazu
kommt: Die Teilnehmer sind Fachleute im eige-
nen Arbeitsgebiet und haben oft sehr genaue,
aber vielfach nicht realisierbare Vorstellungen,
Erwartungen, Ziele. Der erlebte Gegensatz zwi-
schen einerseits „Fachmann oder Fachfrau im
eigenen Arbeitsgebiet“ und andererseits
„Sprachlerner“ – und das heißt oft auch Anfän-
ger – sein, führt häufig zu Identitätskonflikten,
und zwar besonders dann, wenn sich der Erfolg
beim Sprachlernen nicht in der gewünschten
Schnelligkeit einstellt. In vielen Fällen ist die

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Anmerkungen und Vorschläge aus der Praxis

Von Ulrich Hornig

Daß Einzelunterricht in der Fremdsprache bei Erwachsenen immer beliebter wird, zeigt die wachsen-
de Nachfrage. Das gilt besonders für berufsbegleitende Kurse, denn hier werden die Kursteilnehmer
ihren individuellen sprachlichen und zeitlichen Bedürfnissen entsprechend betreut. Aufgrund
langjähriger Erfahrung im Einzelunterricht beschreibt Ulrich Hornig spezifische Aspekte dieses Unter-
richts und gibt praktische Hinweise zur Organisation solcher Kurse.

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Motivation extrinsisch: Das Interesse an der
neuen Sprache beruht auf der Tatsache, daß
Sprachkenntnisse für den beruflichen Erfolg
notwendig sind und/oder vom Arbeitgeber
erwartet werden.

Der überwiegende Anteil der Teilnehmer

wird im Grundstufenbereich unterrichtet,
wobei fachbezogene Umgangssprache und das
Training von berufsrelevanten Situationen im
Mittelpunkt stehen. Es müssen also zunächst
Möglichkeiten gefunden werden, die konkrete,
individuelle berufliche Situation des Teilneh-
mers festzustellen, um die didaktische und
methodische Kursplanung und -gestaltung dar-
auf abzustimmen. Dieser Prozeß der Abstim-
mung sollte in einem ständigen Austausch mit
dem Teilnehmer vor, während, am Ende und
nach dem Kurs geschehen.

2. Bedarfsanalyse

Instrumente der Bedarfsanalyse sind ein

Frage-

bogen, der schon vor Kursbeginn eingesetzt
wird, und ein Bedarfsgespräch. Während der
Fragebogen all das abklären soll, was dem
Kursleiter zur Planung des Kurses dient, (wich-
tige Fragen zu Biographie, Lernhintergrund,
Lernerfahrungen, -voraussetzungen, Zielen
usw.), können im Bedarfsgespräch, das am
ersten Kurstag geführt werden sollte, detaillier-
tere Fragen bezüglich der individuellen Wün-
sche für den Kursverlauf geklärt werden. Hier

sollte auch der Dozent über seine Vorstellun-
gen sprechen und die notwendige Vertrauens-
basis für die Zusammenarbeit schaffen.

Neben den üblichen persönlichen Daten

kann der Fragebogen auch über folgende Fra-
gen Aufschluß geben:

In welchem Bereich ist die Firma bzw. der
Kursteilnehmer tätig? Was ist seine Position
innerhalb der Firma?

Welche Form des Unterrichts (intensiv,
berufsbegleitend, vormittags, am Arbeits-
platz ...) wird gewünscht?

Wieviel Zeit steht außerhalb des Unterrichts
für die Spracharbeit zur Verfügung?

Wann, wie, wo, mit welchen Materialien wur-
de zuletzt Deutsch gelernt?

Warum besteht gerade jetzt der Wunsch
oder die Notwendigkeit, Deutsch zu lernen?

Wie oft und in welchen Bereichen braucht
der Teilnehmer Deutsch? Mit welchen Perso-
nen muß er Deutsch sprechen? Was muß er
auf deutsch können?

Welche anderen Fremdsprachen spricht er?

Was stand beim bisherigen Sprachenlernen
im Vordergrund (z. B. Wortschatzlernen?
Grammatik? Sprechen in Alltagssituatio-
nen?)
Diese Frage ist wichtig, da man besonders
bei kurzen Intensivkursen nur bedingt
erwarten kann, daß ein Teilnehmer sein
Lernverhalten völlig umstellt. Zwar wird der
Dozent als Fachmann für das Sprachenler-

35

Im Einzelunterricht sind

Lehrende und Lernende ganz

besonders aufeinander

angewiesen.

Foto: Hornig

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

nen akzeptiert, aber dem Teilnehmer darf
keine Methode aufgezwungen werden. Wei-
tere Befragungen über den Kursverlauf, die
Erwartungen, Einschätzungen und Beurtei-
lungen des Teilnehmers sollten bei Intensiv-
kursen etwa in der Mitte und am Ende statt-
finden, bei berufsbegleitenden Kursen in
regelmäßigen Abständen.

3. Einstufungstest

Ein standardisierter Einstufungstest sollte bei
Nichtanfängern möglichst vor Kursbeginn,
unter Umständen auch am ersten Kurstag bear-
beitet werden. Besonders im Grundstufenbe-
reich sollte sich der Test an der Progression
von gängigen Lehrbüchern orientieren. Dabei
ist zu überlegen, ob und wieweit eine Anpas-
sung bereits vorliegender Tests an das eventu-
ell vom Teilnehmer benutzte Material durchge-
führt werden kann oder muß. Mit einem sol-
chen Test können passive grammatische
Kenntnisse, Lesekompetenz und eingeschränkt
auch die Schreibfertigkeit überprüft werden. Es
ist darüber hinaus sinnvoll, sich schon vor
Kursbeginn Informationen über die Sprechfer-
tigkeit des Teilnehmers zu beschaffen. Man
könnte ihn z. B. um Zusendung einer bespro-
chenen Kassette bitten oder ein Telefonge-
spräch mit ihm vereinbaren.

4. Kursplanung

Liegen alle Informationen vor, kann – wenn
irgend möglich gemeinsam mit dem Teilneh-
mer, aber auf jeden Fall für ihn begründet und
einsichtig – die möglichst schriftliche Kurspla-
nung erfolgen. Diese umfaßt Inhalte, methodi-
sche Fragen, Lehrmaterial, Medien und Ziele
des Kurses. Der Lehrer sollte den Kursteilneh-
mer auf jeden Fall auf unrealistische Vorstellun-
gen und Ziele hinweisen. Das verhindert Fru-
strationen – nicht nur beim Teilnehmer -, die
sich in der Folge negativ auf den Erfolg und die
Beurteilung des Kurses auswirken würden. Die
Kursplanung sollte einen Zeitraum von ca.
30 – 40 Unterrichtsstunden umfassen. Sie darf
nicht zu einem Zwangskorsett werden, soll
aber der Transparenz und der Überprüfbarkeit
des Kursverlaufs durch den Teilnehmer und
den Dozenten dienen. Änderungen aus aktuel-
lem Anlaß, Korrekturen und Modifikationen
aufgrund eines veränderten Rahmens oder die
Vorbereitung konkreter Situationen müssen
immer möglich sein. Es sollte auch selbstver-
ständlich sein, daß sich Dozent und Teilnehmer
vor jeder Sitzung Klarheit über die an diesem
Tag zu erreichenden Ziele verschaffen.

5. Materialien

Obwohl die Progression und die Reihenfolge
der Kapitel eines bestimmten Lehrbuchs im
Einzelunterricht sicherlich nicht exakt einge-
halten werden und viel individuell gestaltetes
Zusatzmaterial verwendet werden muß, sollte
– vor allem im Anfängerunterricht – der Teil-
nehmer ein „festes” Lehrmaterial erhalten.
Denn ein Buch oder Reader gibt ihm mehr
Sicherheit und Übersicht, und die Möglichkeit,
auch außerhalb bzw. nach Abschluß des Kur-
ses weiterzuarbeiten.

Ein Argument von Teilnehmern ist auch

häufig, daß sie mit der Kursgebühr auch für
Unterrichtsmaterial bezahlt haben. Bei selbst-
erstellten Materialien ist nicht nur auf wirklich
geeignete Inhalte, sondern auch auf eine
ansprechende Gestaltung (Layout, saubere
Kopien usw.) zu achten. Ob firmeneigenes
Material eingesetzt wird, sollte auf jeden Fall
mit dem Teilnehmer besprochen werden, da
dies nicht in jedem Fall seinen Interessen ent-
spricht. Häufig empfindet ein Teilnehmer sei-
nen Kurs als besonders angenehm, weil er ihn
von seiner Alltagsroutine in eine „firmenfreie
Zone” versetzt.

Ideal ist es, wenn dem Teilnehmer am Ende

des Kurses neben einem „festen” noch sein
individuelles Kursmaterial zur Verfügung steht.
Dies kann u.a. aus Arbeitsblättern, Arbeitskar-
ten, Hör- und Videokassetten sowie Empfehlun-
gen für die Weiterarbeit bestehen.

6. Was man alles

machen kann

Selbstverständlich können im Einzelunterricht
alle verfügbaren Medien eingesetzt werden.
Medien- und Methodenwechsel sind gerade
hier unabdingbar, um Ermüdungsphasen oder
Motivationseinbrüche auffangen zu können. Im
folgenden sollen nun noch einige methodische
Hinweise gegeben werden, die sich speziell auf
die Situation des Einzelunterrichts beziehen.

Gespräche:

Der Teilnehmer hat am nächsten Tag ein wich-
tiges Gespräch mit seinem Vorgesetzten. Als
Vorbereitung wird ein Dialog erarbeitet. Ver-
schiedene Redemittel werden, auch schriftlich,
zur Verfügung gestellt. Eventuell erfolgt ein Rol-
lenspiel.

Rollenspiele:

In den meisten Rollenspielen sollte der Teilneh-
mer seine wirkliche Rolle einnehmen. Sind auf-
grund der vorgegebenen Situation (Verhand-

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

lung, Konferenz...) mehr als zwei Personen
beteiligt, kann der Dozent mehrere Rollen über-
nehmen. In bestimmten Situationen, z. B. „Tele-
fonieren“, sollte man sich um eine möglichst
„authentische“ Gestaltung bemühen (z. B.: Der
Dozent telefoniert aus einem anderen Zimmer
mit dem Teilnehmer.)

Arbeits- und Übungsblätter:

Individuell erstellte, auf den Teilnehmer zuge-
schnittene Arbeitsblätter sollten regelmäßig
verwendet werden. Sie können u. a. dazu die-
nen, Freiräume zu schaffen und Lernfortschrit-
te zu kontrollieren.

Einsatz von Karten:

Der Einsatz von individuell gestalteten Arbeits-
karten (DIN A 5 oder kleiner), die auch in den
Besitz des Teilnehmers übergehen, hat sich
immer wieder als positiv und motivationsstei-
gernd erwiesen. Sie können natürlich auch
zweisprachig sein. Hier einige Vorschläge:

Übungsformen wie

„lautes Lesen”, Gram-
matikdrills, Diktate,
Einsatz von sugge-
stopädischen Elemen-
ten, Musik, Besuch
von Firmen, Museen
usw. steht nichts entgegen. Eine Beschreibung
aller Möglichkeiten würde den Umfang dieses
Artikels sprengen. Ich verweise deswegen auf
das Buch von Peter Wilberg, „One to one“
(Klett Verlag), dem weitere Anregungen und
Ideen zu entnehmen sind.

Freiräume:

Wichtig für die Gestaltung des Einzelunter-
richts ist die Tatsache, daß scheinbar weder
Teilnehmer noch Dozent während des Kurses
einen Freiraum und Ausweichsmöglichkeiten
besitzen. Sie sind zu zweit in einem Raum und
arbeiten ausschließlich miteinander. Aber auch
hier bietet der Einzelunterricht seine ihm eige-
nen Möglichkeiten:

Pausen und Erholungsphasen können bei
Bedarf sofort und individuell gestaltet wer-
den.

Stillarbeits- und Selbstlernphasen, sogar
Momente des Schweigens können gemein-
sam mit dem Teilnehmer beschlossen wer-

den – und darüber hinaus: warum sollte der
Dozent immer im Raum sein?

Außersprachliche Aktivitäten können jeder-
zeit eingeplant werden: aufstehen, sich
bewegen, die Plätze und eventuell den Raum
wechseln ...

Entscheidungen für „außerschulische“ Un-
ternehmungen können spontan getroffen
werden.

Nicht jede Minute des Unterrichts muß

gefüllt sein! Das ist besonders wichtig, da per-
sönliche Freiräume und eigene Aktivitäten
grundsätzliche Voraussetzungen jeden Lernens
sind. Niemand kann sich ununterbrochen nur
auf eine andere Person konzentrieren und nie-
mand, auch nicht der Teilnehmer, erwartet das.

7. Zum Schluß noch zwei

Punkte, die man nicht

vergessen sollte:

Das Selbstverständnis der Teilnehmer

Viele Teilnehmer, besonders ältere Personen
oder Personen mit höheren Positionen in ihrer
Firma, wählen Einzelunterricht nicht nur des-
halb, weil sie Zeit, Umfang, Intensität usw. flexi-
bel gestalten wollen oder müssen. Ein Grund ist

auch, daß sie in einer Gruppe vor
anderen Teilnehmern ihre Proble-
me, Unzulänglichkeiten oder
Schwierigkeiten eingestehen
müßten. Im Einzelunterricht
haben sie dagegen nur den Dozen-
ten vor sich. Auf der anderen Sei-
te bewirkt jedoch das Lernen in

einem solchen Schutzraum, daß viele Teilneh-
mer Experimente, Rollenspiele usw. mitma-
chen, bei denen sie im Gruppenunterricht viel-
leicht gehemmt wären.

Verhältnis Teilnehmer – Dozent

In keiner Unterrichtsform ist die Beziehung zwi-
schen Teilnehmer und Dozent so eng, wissen
die Beteiligten soviel – auch Außerschulisches
– voneinander wie beim Einzelunterricht. Kar-
rierepläne, Informationen über die Firma, per-
sönliche Veränderungen – all dies kann zum
Bestandteil des Sprachkurses gehören. Trotz-
dem muß stets deutlich sein, daß es sich um
eine berufliche Beziehung handelt, in der Dis-
kretion, aber auch eine gewisse Distanz selbst-
verständlich sind.

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Vorderseite
Graphiken, Tabellen
Sätze
Abkürzungen
Typische individuelle Fehler

Rückseite
Versprachlichung
Aussprache-, Intonationsangaben
Auflösung
Korrektur

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Im Jahre 2025 werden laut
demographischen Erhebungen der
UNO in Europa 138 Millionen
Menschen zwischen 60 und 80 Jahren
alt sein. Das sind 48 Prozent mehr als
1990. Die Zahl aktiver und rüstiger
Senioren, die Zeit und Interesse haben,
persönliche Kompetenz in unter-
schiedlichsten Bereichen zu erwerben,
aufzufrischen oder zu vertiefen, wird
in den nächsten Jahrzehnten erheblich
zunehmen. Eine gutsituierte, finanziell
abgesicherte Mittelschicht wird in
Italien, und das gilt sicherlich auch für
andere industrialisierte Staaten
Europas, zunehmend mobiler. Der
Reisewunsch ist denn auch der am
häufigsten genannte Grund für die
Teilnahme an einem Sprachkurs.

„Università per la terza età“

Das Pult eine Stufe erhöht, davor kleine Schul-
bänke, streng in Reihen gegliedert, frontal auf
die graue Schiefertafel ausgerichtet, darüber
ein sehr irdisches Madonnenbild und ein Kruzi-
fix, links die Landkarte des römischen Reiches
in seiner größten Ausdehnung, Tod Trajans
117 n. Chr, rechts Italia Antica, zur Zeit des
Augustus. Sie sind in keinem Film von 1939,
auch nicht in Heinz Rühmanns legendärer „Feu-
erzangenbowle“! Wir befinden uns in den mu-
sealen Räumen eines römischen Lyzeums im
Jahr 1993, in dem sich an Nachmittagen lärmen-
de Schüler in schwarzen Kitteln mit den Teil-
nehmer/inne/n der „Università per la terza età“
mischen.

Wer von den Senior/inn/en fühlte sich da

nicht an seine eigene Schulzeit erinnert? Nicht
nur räumliche Parallelen lassen sich aufzeigen,
Erwachsene mit langer Lebenserfahrung, für
die Schule längst etwas Anekdotisches hat,
nehmen ungebrochen oder aber mit einer soli-
den Selbstironie wieder die Rolle des Schülers
an – fingerschnipsend „Frau Lehrerin, ich weiß
die Antwort“ in den Klassenraum rufend. Ob
erlitten oder geliebt, die Sehnsucht, die Schul-
zeit aufleben zu lassen, wieder Kind (jung) sein
zu wollen, scheint eine unbewußte Motivation
zu sein, die Erwachsene erneut auf die Schul-
bank zieht.

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Mit
zurück
auf die
Schulbank

Im Alter
Deutsch lernen

Von Helena Dalhoff

60

Senioren und

Seniorinnen:

dankbar,

zerstreut,

motiviert,

langsam,

kenntnisreich,

ungeduldig,

interessiert,

liebenswürdig …

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Die Tatsache, daß kindliche Verhaltensmu-

ster und Rollen so häufig das Unterrichtsge-
schehen prägen, veranlassen mich zu folgen-
den Fragen. Ist der verschulte Erwachsenenun-
terricht heute noch angemessen? Oder müssen
wir den Unterricht so gestalten, daß Erwachse-
ne schulische Grunderfahrungen ausagieren
können? Was veranlaßt Akademiker in einem
begeisterten „Goethe-Kurs“ Schwalben zu
basteln, Knöllchen zu werfen und allzu ernste
Aufgaben ins Absurde zu ziehen? Es genügt die
eigene Teilnahme an Lehrerfortbildungsveran-
staltungen, um selbst die leise Neigung zu ver-
spüren, aus Trotz zu widersprechen oder eine
banale Übung zu karikieren – das kindliche
Vergnügen am Unsinn sollte man den Teilneh-
mer/inne/n zugestehen, da es auch Ausdruck
einer entspannten Lernatmosphäre ist.

Eine Volkshochschule wie in Deutschland,

Angelpunkt der allgemeinen Erwachsenenbil-
dung und im Sprachbereich auch Seismograph
für aktuelle Urlaubsziele, existiert in Italien
nicht, ebenso wenig ein Seniorenstudium an
der Universität. Dagegen gibt es in den meisten
nord- und mittelitalienischen Großstädten die
‘Universität des dritten Alters’ vielleicht besser
mit Seniorenhochschule zu übersetzen, da das
Niveau gemeinhin nicht universitären Anforde-
rungen entspricht. Diese Hochschule vermit-
telt Bildungsinhalte künstlerischer, juristisch-

ökonomischer und humanistischer Art. Über
den allgemeinen Bildungskanon hinaus werden
auch Kurse angeboten, die speziell auf diese Al-
tersgruppe ausgerichtet sind (Motorik,
Ernährungslehre, Medizin und Geschichte, z. B.
die Geschichte berühmter Schlachten). „Un po
di tutto“ – ein bißchen von allem – wünscht
sich eine ältere Frau vom Deutschkurs, das
könnte auch programmatisch für das Angebot
der Seniorenhochschule gelten. Die gemeinnüt-
zige Einrichtung finanziert sich hauptsächlich
durch Studiengebühren (bisher jährlich 350
DM pro Person). Die Teilnehmer/ innen können
aus dem Gesamtangebot drei Fächer wählen.
Studierende, die sich für Deutsch entscheiden,
wählen häufig noch eine weitere Sprache,
meist Englisch oder Französisch.

Die Gruppe

Insgesamt fünfzig Personen nehmen an dem
dreijährigen Deutschkurs der Seniorenhoch-
schule teil. Auffallend ist die hohe Einschrei-
bungsquote im ersten Jahr, die im zweiten
erheblich zurückgeht. Anfänger, die keinerlei
Vorinformationen über die deutsche Sprache
und ihre Lernanforderungen besitzen, wech-
seln das Fach meist schon in den ersten
Wochen. Sie sehen sich mit einem fremden und
komplexen Regelsystem konfrontiert, das
ihnen unerlernbar scheint bzw. ihnen zu wenig

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Fotos: Dalhoff

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

unmittelbare Erfolgserlebnisse bietet (trotz
langsamer Progression).

Die Teilnehmer/innen, im Alter zwischen 52

und 78 Jahren, sind, von Ausnahmen abgese-
hen, pensioniert; ungefähr die Hälfte ist verhei-
ratet. 80 Prozent sind Frauen. Mittlere oder
höhere Schulausbildung, z.T. mit Universitäts-
abschluß, ist die Regel; die Hälfte der Senioren
hat Schulkenntnisse des Französischen und
Englischen; fast alle haben irgendwann einmal
eine Fremdsprache erlernt. Diese Angaben
geben eher Auskunft über den Bildungsgrad
der Studierenden als über ihre tatsächlichen
Fremdsprachenkenntnisse, bedenkt man, daß
ihre Schulzeit im Durchschnitt über vierzig Jah-
re zurückliegt.

Ein Drittel der Pensionäre hatte drei bis fünf

Jahre Deutschunterricht in der Schule. Kennt-
nisse aus dieser Zeit sind noch rudimentär vor-
handen, jedoch meist nicht unmittelbar abruf-
bar. Sie können weder direkt in einfachen All-

tagsdialogen angewandt werden, noch zur
Regelfindung dienen. (Man bedenke, daß dieser
Unterricht in den 30er Jahren stattfand!) Es
zeigt sich aber, daß Pensionäre mit Schulkennt-
nissen des Deutschen im zweiten und dritten
Jahr an der Seniorenhochschule mehrheitlich
vertreten waren. Das legt den Schluß nahe, daß
die in der Jugend erworbenen Deutschkennt-
nisse, wenn sie im Alter wieder aufgenommen
werden, den Lernprozeß entlasten oder unter-
stützen und zu einer längerfristigen Lernbereit-
schaft beitragen.

Die vormals ausgeübte Tätigkeit ist ein wei-

terer Indikator, der die Lernbereitschaft und
Ausdauer im Fremdsprachenerwerb positiv
beeinflußt. Die meisten Teilnehmer/innen, die
auch am Ende den Kurs noch besuchen, kom-
men aus schreibenden Berufen (Buchhalter,
Sekretärinnen, Bankbeamte, Anwälte, Ange-
stellte im mittleren und gehobenen Dienst). Das
sprichwörtliche „Sitzfleisch“- die Leistung, sich
lange und beharrlich mit einem Gegenstand
‘sitzend’ zu beschäftigen – favorisiert auf Dauer
den Lernerfolg. Ehemalige Lehrerinnen bilden
mit einem Drittel der Teilnehmer/innen die
stärkste Berufsgruppe, Hausfrauen sind die
Ausnahme; die Anmeldungen an der Senioren-
hochschule erfolgen meist kurz nach der Pen-
sionierung.

Warum gerade Deutsch?

Kontakt zu Freunden, mit denen sie Deutsch
sprechen könnten, haben nur einige, Verwand-
te im deutschsprachigen Ausland ebenfalls nur
wenige. Als Hauptmotivation geben die Teilneh-
mer/innen die Lust zu reisen an. Eine Lust, die
sich scheinbar auf die Zukunft projiziert. Zwar
war fast jeder/e Pensionär/in schon irgend-
wann einmal in Deutschland, Österreich oder
der Schweiz, doch nur drei Personen geben an,
häufiger im deutschsprachigen Ausland gewe-
sen zu sein (in Norditalien wird das anders
sein). Hinter der Absicht zu reisen, verbirgt
sich der Wunsch nach einer Gegenwelt zum All-
tag, die Kontakt, Geselligkeit, Vergnügen, Wohl-
ergehen, Gesundheit und neue Erlebnisse ver-
spricht.

Ein weiterer, vielfach genannter Grund ist

die Lust, Sprachen in ihrer Struktur zu erfassen
und zu beherrschen, ohne dabei einen spezifi-
schen Nutzwert vor Augen zu haben. Dabei ist
die Wahl der deutschen Sprache oft an ein
humanistisches Bildungsideal gekoppelt, spezi-
ell an deutsche Geistesgrößen aus Musik, Lite-
ratur und Philosophie. Diese Leitbilder haben
Identifikationscharakter und weisen auf Sympa-

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Verkehrte Welt

• der Lehrer ist halb so alt wie die Schüler
• die Schüler möchten jünger sein
• die Schüler haben ein erfahrungsreiches Leben hinter sich
• der Lehrer weiß noch nicht so richtig, wo es lang geht
• die Schüler möchten gute Schüler sein
• sie kaufen die Bücher sofort
• sie möchten immer dran kommen
• sie hängen dem Lehrer an den Lippen und glauben fast alles
• sie fragen immer nach, wenn sie etwas nicht verstehen
• sie wollen für alles Gründe, Erklärungen und Gesetzmäßigkeiten
• sie wollen alles ganz genau wissen und Termine lang im voraus
• sie nehmen alles gleich ernst
• sie wollen die Sprache im Kästchen
• sie lieben keine Wortspielereien
• sie sehen nur in ihre eigenen Bücher
• sie lesen den Dialog am liebsten allein

• sie wollen immer eine Antwort geben
• sie wollen mehr Unterrichtsstunden und mehr Hausaufgaben

• sie vergessen ihre Aufgaben nie, höchstens mal ihre Brille
• sie wollen unbedingt die Fehler in ihrer Prüfung sehen
• sie nehmen ihre Sache ernst
• sie tadeln sich selbst
• sie erwarten die Zurechtweisung, die Rüge, den Drill – der ausbleibt
• sie schätzen die entspannte Atmosphäre und rufen nach Disziplin
• sie bringen kleine Aufmerksamkeiten mit
• sie erwarten Lob für ihren Eifer
• sie wollen das Jahr wiederholen statt weiterzumachen
• sie wollen ein Gruppenphoto der Klasse
• sie wollen zum Abschluß zusammen eine Pizza essen gehen
• sie wollen sich persönlich verabschieden
• sie wollen Schule spielen und Schüler bleiben

H.D.

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

thie für bestimmte ‘deutsche’ Werthaltungen.
Eine Lektüre ihrer Werke ist in den Grundkur-
sen jedoch auszuschließen.

Das allgemeine Interesse gilt denn auch vor-

nehmlich landeskundlichen Themen mit prakti-
schem und konkretem Bezug zur eigenen
Lebenswelt oder zur eigenen Geschichte. Alles
wird begrüßt und interessiert aufgenommen,
ob Alltägliches, Kurioses, Anekdotisches, z. B.
das Thema: „Alltägliches im Kulturvergleich –
kleiner Unterschied – große Mißverständnisse“
– (Warum wollen Deutsche Cappuccino mit
Sahne? Warum denken deutsche Kellner, Italie-
ner wollten im Lokal an Getränken sparen,
wenn sie eine Karaffe Leitungswasser bestel-
len? etc.) Viele dieser Themen ergeben sich
spontan aus dem Unterrichtsgeschehen und
haben oft etwas Flüchtiges. Es sind persönliche
Beobachtungen, die nicht weiter vertieft wer-
den. Die Neugierde für Privates ist sehr ausge-
prägt, auch die Anteilnahme an Problemen
(Krankheiten, familiären Dramen, privaten Bür-
den) anderer Teilnehmer/innen.

Lehrer und Lehrerinnen werden in diesen

menschlichen Bezug mit eingeschlossen. Unbe-
fangen kommentieren sie auch Haarschnitt und
Kleidung der Lehrerin, bekunden offen Sympa-
thie und Antipathien. Sie nehmen kein Blatt vor
den Mund; eine Antwort in der ersten Stunde: B
wie Buchenwald, verschlug mir fast die Spra-
che, hätte ich doch lieber an B wie Beckenbau-
er oder Bonn angeknüpft. Ich hatte vergessen,
daß die jüngere deutsche Geschichte für die
Teilnehmer/innen erlebte Geschichte war und
ist. Ich fragte nach ersten Kontakten zur deut-
schen Sprache: 1943 mit deutschen Soldaten;
ich spielte das Lied aus dem Film der blaue
Engel „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe einge-
stellt“ von Marlene Dietrich; ein Herr erinnerte
sich, den Film mit 16 Jahren in Paris gesehen zu
haben, eine andere Frau kommentierte, daß
das wohl kein Seniorenthema sei.

Vergangenheit und Gegenwart treffen über-

all aufeinander. Sie hätten so viel zu erzählen,
so viel mitzuteilen, wenn irgendjemand die
Bereitschaft und das Verständnis aufbrächte,
auch den Wiederholungen zuzuhören. Hier
geht es nicht um die Schwierigkeit, geeignete
„Sprechanlässe“ zu finden. Es bedarf jedoch
einer entspannten Lernatmosphäre, um dem
Bedürfnis nach Mitteilung und Austausch zu
entsprechen. Allein, die Fremdsprache reicht
nicht aus. Dort, wo es an Deutschkenntnissen
mangelt, eröffnen Gespräche in der Mutterspra-
che eine menschliche Dimension, in der sich
das Verhältnis Lehrende – Lernende umkehrt;
eine äußerst bereichernde Erfahrung.

Schwerpunkte

Mündliche Kommunikation hat im Fremdspra-
chenunterricht für ältere Leute eindeutig Präfe-
renz. Deutsch schreiben zu können wird
gemeinhin nicht als Bedürfnis formuliert; die
schriftliche Kompetenz kann wesentlich durch
Hausaufgaben abgedeckt werden. Hörverste-
hen und kommunikative Interaktionen müssen
im Unterrichtsgeschehen einen besonders
großen Raum einnehmen. Dem stark ausge-
prägten Bedürfnis nach Begegnungen müssen
letztlich Lehrende und Institutionen entspre-
chen, indem sie private oder institutionelle
Kontakte im eigenen Land und in deutschspra-
chigen Ländern anbieten und fördern. (Volks-
hochschulen, Seniorenvereinigungen, Freund-
schaftsgesellschaften, Goethe – Institute etc.)
Leseverstehen ist ein weiterer Punkt, der den
Pensionären wichtig ist. Hier kommt es darauf
an, Lesestrategien zu vermitteln, die die Selb-
ständigkeit der Teilnehmer/innen fördern. Text-
büchern und Easy Readers, speziell für diese

41

Beispiel für eine zu wenig

eingegrenzte Aufgabe: In

eine Kunstpostkarte eigener

Wahl sollten die deutschen

Bezeichnungen für die

Körperteile eingetragen

werden. Bei der Lösung der

Aufgabe wurde hier nicht

zwischen Wichtigem und

Unwichtigem unterschieden.

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Altersgruppe, sollte mehr Platz im Angebot der
Fachverlage eingeräumt werden.

An die Lehrer/innen

Kennen Sie sich gut aus in deutscher und italie-
nischer Geschichte, Sprachgeschichte, Kunst-
geschichte, Musikgeschichte, kennen Sie
Details des zweiten Weltkrieges, die Wieskir-
che, Wagner-Opern, Bach-Kantaten, Oberam-
mergau, die Romantische Straße etc.? Können
Sie sich über landeskundliche, kulturelle und
zeitgeschichtliche Themen anregend unterhal-
ten? Das ist kein Persönlichkeitstest, das sind
Themen, auf die ältere Leute Sie ansprechen.
Aber der Unterricht mit Senioren verlangt von
der Lehrerin noch mehr: Geduld, Verständnis
und starke Nerven, wenn sie sich auf einen
kommunikativen Unterrichtsstil einläßt. Das
Sozialverhalten in der Gruppe ist wenig ausge-
prägt. Jede/r Teilnehmer/in verlangt gesonder-
te Aufmerksamkeit, Zuwendung und Anerken-
nung, und macht sie dem anderen durch skru-
pelloses Unterbrechen streitig. Die Fähigkeit
und Bereitschaft zuzuhören und von den ande-
ren Teilnehmer/inne/n zu lernen, ist anfänglich
gering.

Die Zusammenarbeit wird zum Teil brüsk

verweigert oder nur zögernd aufgenommen,
dort wo der Bezug nur zur Lehrerin als einzig
akzeptierter Autoritätsperson gesucht wird.
Sachkompetenz, Souveränität in der Vermitt-
lung und Sicherheit im Auftreten sind die
Voraussetzungen für den Lernerfolg, da die
Lehrperson häufig durch Zwischenfragen
unterbrochen, durch Nebensächlichkeiten
abgelenkt und zu Exkursen veranlaßt oder ver-
leitet wird.

Aufgewachsen sind die Erwachsenen mit

dem Frontalunterricht, einer starren und rigi-
den Unterrichtsform, und einem auf die Schrift-
sprache fixierten Grammtikunterricht. Heute
erwarten sie unwillkürlich eine Wiederholung
‘dieses Traumas’, wünschen sich andererseits
aber nichts sehnlicher, als endlich kommunizie-
ren zu können. Lehrende müssen hier die Ver-
bindung von traditionellen Lehrmethoden und
moderner Fremdsprachendidaktik herstellen.
Klare Signale und Rituale müssen den Unter-
richtsablauf strukturieren, da der gemeinsame
Unterricht sonst zur Selbstbedienung bzw. zur
privaten Fragestunde einzelner wird.

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Aufgabe: Beschreiben Sie einen ganz normalen Tag in Ihrem

Leben!

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Die verbreitete Vorstellung, jedes Wort

erfassen zu müssen, jedes grammatikalische
Phänomen erklärt zu bekommen, ohne die
Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unter-
scheiden, verstellt oft den Blick auf den kontex-
tuellen Zusammenhang. Der Wunsch, die Welt
in ihren Formeln und Gesetzmäßigkeiten voll-
ständig zu begreifen, Ordnung zu schaffen,
scheint einem besonders ausgeprägten Bedürf-
nis älterer Leute zu entsprechen. Für den
Spracherwerb bedarf es deshalb einer rigoro-
sen didaktischen Reduktion, bei der nichts
explizit als bekannt vorausgesetzt werden darf,
eines behutsamen Vorgehens, in einem sich
langsam entwickelnden Unterrichtsgeschehen
mit diversen Übungsvariationen und vielen
deskriptiven Einschüben. Einfache Beispiele
der sprachgeschichtlichen Entwicklung der
deutschen Sprache in Verbindung mit gramma-
tikalischen Regeln (die Magd, das Mädchen)
sollten für ein bewußtes Verständnis und bes-
seres Erinnern genutzt werden. Wiederholte
Fragen, warum dieser oder jener Artikel masku-
lin oder feminin sei, sollte man mit einem
freundlichen Achselzucken beantworten. Pazi-
enza – Geduld bei der Häufung gleicher und
ähnlicher Fragen.

Das Alter

Sie hören weniger zu und sie hören tatsächlich
weniger, sie sehen auch schlechter, sie verges-
sen Gelerntes auch öfter und lernen offensicht-
lich langsamer. Ihr körperliches Wohlbefinden
ist größeren Schwankungen unterworfen. Die
Teilnehmer/innen sprechen diese Defizite
selbst an. Damit umzugehen ist auch die Aufga-
be des Lehrenden. Häufigere Lernzielüberprü-
fungen, möglichst groß geschriebene Tafelbil-
der, der Gebrauch des Overheadprojektors,
Arbeitsblätter mit Lösungen können Lernhilfen
bieten. Mündliche Korrekturen sollte man ver-
meiden, da sie von der gesamten Gruppe nicht
erfaßt werden. Motivierend sind Problemstel-
lungen, bei denen der Lehrer Schüleräußerun-
gen aufnimmt.

Zu guter Letzt:

Hausaufgaben und

Lehrwerke

Ich kenne keine Lerngruppe, in der eine so
große Lernbereitschaft besteht wie bei den
Senior/inn/en. Kenntnisse, Erfahrungen, Zeit
und Interesse, die aktiviert werden wollen, sind
vorhanden. Entscheidende Bedeutung kommt
vor allem bei großen Gruppen und wenigen
Unterrichtsstunden den Hausaufgaben zu. Eine

genaue Planung, ein eindeutiger Arbeitsauftrag
und seine schriftliche Fixierung für die Lernen-
den sind entscheidend für den Lernfortschritt.
Während Einsetzübungen vollständig ausge-
füllt werden, liegt die Reaktion bei zu allgemein
formulierten Arbeitsaufträgen bei nur zehn Pro-
zent. Persönliche Besprechung der Hausaufga-
ben, Bestätigung und Lob durch die Lehrper-
son werden unbedingt erwartet.

Für den Unterricht mit Senioren eignen sich

traditionell gegliederte Lehrwerke. Zweispra-
chige Unterrichtswerke erleichtern den selb-
ständigen Umgang. Dabei sollte der Lehrer für
den Unterricht jedoch verstärkt kommunikati-
ve Übungen bereitstellen. Bei der Wahl eines
eher kommunikativ ausgerichteten Lehrwerkes
empfiehlt es sich, den Lernenden eine deskrip-
tive Grammatik, vorzugsweise in der Mutter-
sprache, anzubieten. Alle Lehrwerke sollten
einen umfangreichen Übungsteil, der selbstän-
dig zu bewältigen ist, und einen Lösungsschüs-
sel enthalten. Lehrwerke mit einer steilen Pro-
gression erfordern die Bereitstellung von
zusätzlichem Übungsmaterial. Die Lernenden
werden es zu schätzen wissen: „Das sind sehr
gute, einfache und moderne Methoden des
Unterrichts, und man lernt mit Leichtigkeit.“

43

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Wie war es in der Schule? –

Wie ist es heute?

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

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as Know-How des bekannten Schweizer
Dramatikers Friedrich Dürrenmatt wäre
wünschenswert, um den Fremdspra-

chenunterricht dramatischer und damit span-
nender zu machen ...

Seit etlichen Jahren versuche ich – als Aus-

und Fortbilder von Fremdsprachenlehrern,
aber auch als Sprachlehrer in multikulturellen
Kursen für Deutsch als Fremdsprache – eine
Brücke zu schlagen zwischen dem Bereich Dra-
ma und dem Bereich Fremdsprachenunter-
richt. Mit der Erforschung meiner eigenen Lehr-
praxis ziele ich auf die Entwicklung eines ganz-
heitlich orientierten Methodenkonzepts unter
der Bezeichnung dramapädagogischer Fremd-
sprachenunterricht. Die Bezeichnung verweist
auf die Dramapädagogik, die in Großbritannien
(wo es ein eigenständiges Schulfach Drama
gibt!) als eine erziehungswissenschaftliche Teil-
disziplin gilt. Von der britischen Dramapädago-
gik (vgl. z.B. Bolton 1979; 1984; Wagner 1979)
lasse ich mich inspirieren, um Unterrichtsme-
thoden zu entwickeln, mit denen Lernfaktoren
ins Spiel gebracht werden können, die in der
fachdidaktischen Diskussion leicht aus der
Wahrnehmung geraten: (senso)motorische,
ästhetische, emotionelle, empathische.

Die bewußte Berücksichtigung solcher Fak-

toren – so meine These – ermöglicht besonders
intensive und nachhaltig wirksame Erfahrun-
gen mit der fremden Sprache, Literatur und
Kultur.

Die theoretischen Grundlagen eines dra-

mapädagogischen Fremdsprachenunterrichts
sollen in diesem Beitrag nicht weiter themati-
siert werden – ich verweise auf Butterfield
(1989), Hawkins (1991), Schewe/Shaw (1993),
Schewe (1993b) bzw. auch auf Brandi et al.
(1989) als Befürworter eines Deutschlernens
ohne Lehrbuch – doch die Kernidee ist enthal-
ten in der Darstellung links.

Dramapädagogischer Fremdsprachenunter-

richt zielt in erster Linie auf eine Inszenierung
von Fremdsprache
durch Lehrende und Lernen-
de. An einer Inszenierung – im theatralen Sinne
– sind maßgeblich mit ihrem jeweiligen profes-
sionellen Know-how beteiligt:

D

E U T S C H U N T E R R I C H T M I T

E

R W A C H S E N E N

44

Lehren und Lernen mit Kopf,

Dramapädagogische Fremdsprachenpraxis

Von Manfred Schewe

„Wenn ich zwei Menschen zeige, die zusammen Kaffee
trinken und über das Wetter, über die Politik oder die
Mode reden, sie können dies noch so geistreich tun, so ist
dies noch keine dramatische Situation und noch kein
dramatischer Dialog. Es muß etwas hinzukommen, das
ihre Rede so besonders, dramatisch, doppelbödig macht.
Wenn der Zuschauer etwa weiß, daß in der einen Kaffee-
tasse Gift vorhanden ist, oder gar in beiden, so daß ein
Gespräch zweier Giftmischer herauskommt, wird durch
diesen Kunstgriff das Kaffeetrinken zu einer drama-
tischen Situation, aus der heraus, auf deren Boden sich
die Möglichkeit des dramatischen Dialogs ergibt ... Ohne
den Zusatz einer besonderen Spannung, einer beson-
deren Situation gibt es keinen dramatischen Dialog.“

(Friedrich Dürrenmatt)

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AutorIn

Inszenierungsvorlage

SchauspielerIn

Inszenierungsmedium

RegisseurIn

Inszenierungskonzept

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

E

der Dramatiker:

er erarbeitet eine

Inszenierungs-

vorlage, d. h. er entwickelt einen dramatischen
Handlungskontext, indem er ein Theaterstück
schreibt (sein Interesse gilt primär dem literarisch
überzeugenden Text);

E

der Regisseur:

er entwirft ein

Inszenierungskon-

zept, d.h. er arbeitet an Ideen, mit deren Hilfe eine
Vorlage dreidimensional so umgesetzt wird, daß
die Zuschauer eine besondere Erfahrung machen
(sein Interesse gilt primär der Wirkung des drama-
tischen Geschehens im Bühnen

raum);

E

der Schauspieler:

er ist das leibhaftige

Inszenie-

rungsmedium. Er wendet „schauspielerische Me-
thoden“ an, um seine gesamten (körperlichen) Aus-
drucksmöglichkeiten optimal auszuschöpfen, so
daß das Handeln in der Fiktion für ihn selber wie
auch für die Zuschauer eine reale Qualität an-
nimmt.

Im dramapädagogischen Fremdsprachen-
unterricht nutzen Lehrende und Lernende
bis zu dem Grade, der ihnen möglich ist,
das methodische Know - how von Dramati-
kern, Regisseuren und Schauspielern zur
Inszenierung sprachlicher, literarischer und
(inter)kultureller Lernprozesse.

Die ganzheitliche Orientierung eines dra-

mapädagogischen Methodenkonzepts spiegelt
sich in der Formel des bekannten Schweizer
Pädagogen Pestalozzi (1746-1827), der in sei-
nen Schriften leidenschaftlich für ein „Lernen
mit Kopf, Herz und Hand“ argumentiert. Um zu
betonen, daß die körperliche Bewegung eine
große Rolle spielt und auch die Lehrperson alle
ihr zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittel
einsetzen sollte, wird Pestalozzis Formel wie
folgt erweitert und damit zur Leitmaxime:

Im dramapädagogischen Fremdsprachen-
unterricht wird mit Kopf, Herz, Hand und
Fuß gelernt und gelehrt!

Meine ersten Erfahrungen mit dra-

mapädagogischen Methoden habe ich
gemacht, als ich während meiner DAAD-Lekto-
renzeit (1982-1987) an der irischen Universität

Cork sprachpraktische Lehrveranstaltungen
für das erste bis dritte Studienjahr anbot. Mei-
ne damalige These, daß dramapädagogische
Methoden dem Fremdsprachenunterricht in
kulturell homogenen Lernergruppen neue
Impulse geben können, fand eine Bestätigung,
als ich später an einer deutschen Universität
„dramapädagogische Unterrichtsvorhaben“
betreute, die Lehramtstudierende im Englisch-
unterricht an Hauptschulen und Gymnasien
durchführten.

Grundsätzlich können dramapädagogische

Methoden auf allen Lernstufen und in allen Ziel-
gruppen angewendet werden. Eine erfolgreiche
Anwendung setzt natürlich voraus, daß diese
Methoden in ihrer Wechselwirkung mit den Zie-
len und Inhalten des Unterrichts für die jeweili-
ge Zielgruppe reflektiert werden.

Unterrichtsphasen

Für alle Zielgruppen, mit denen ich gearbeitet
habe, ob kulturell homogene oder multikultu-
relle Gruppen, war die dramapädagogische
Arbeitsweise neu. Aus diesem Grunde ging es
mir jeweils in der Phase A der gemeinsamen
Arbeit darum, die Teilnehmer für diese neue
Arbeitsweise zu sensibilisieren. Zu diesem
Zweck führte ich Interaktionsspiele und isolier-
te Übungen durch, die darauf abzielten,
• sich gegenseitig besser kennenzulernen;
• eine entspannte Atmosphäre zu schaffen und
• eine erste Ahnung zu vermitteln von einem

Lernen und Lehren mit Kopf, Herz, Hand und
Fuß.

In dieser Sensibilisierungsphase versuchte

ich, die Teilnehmer behutsam an das Handeln
in vorgestellten Situationen zu gewöhnen. Sie
sollten sich aus „erstarrten Lernhaltungen“ gra-
duell lösen und zu freier(er) Bewegung im
Raum ermutigt werden.

Nach dieser Gewöhnungsphase schloß sich

Phase B an, in der ich erreichen wollte, daß die
Lernenden über einen längeren Zeitraum in der
Fiktion handelten und diese als geltende Rea-
lität akzeptierten. Mein Anspruch in dieser Pha-

45

Herz, Hand und Fuß:

in multikulturellen Deutschkursen

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

se war es, über Interaktionsspiele und isolierte
Übungen hinauszugehen und einen zielgerich-
teten, in sich stimmigen Handlungskontext auf-
zubauen. Das Handeln in der Fiktion sollte kon-
textualisiert
werden (Kontextualisierungsphase),
und dabei sollten die Teilnehmer die Fähigkeit
entwickeln, sich über einen längeren Zeitraum
mit einer fiktiven Situation und einer fiktiven
Figur zu identifizieren.

Eine Phase C kam in Betracht, wenn eine Teil-
nehmergruppe über einen längeren Zeitraum
dramapädagogisch gearbeitet hatte und/oder
die Zusammensetzung der Teilnehmergruppe
eine Intensivierung der Arbeit erlaubte. In die-
ser Intensivierungsphase ging es mir darum,
eine stärkere (Lern-)Spannung zu erzeugen,
indem ich die Teilnehmer mit unerwarteten
und herausfordernden Situationen konfrontier-
te. Mit Hilfe entsprechender Inszenierungstech-
niken sollte das Handeln in der Fiktion – im Sin-
ne des Dramatischen – zugespitzt werden.

Ich beschränke mich im folgenden auf eine Dar-
stellung der Sensibilisierungsphase, wobei ich
mich auf Unterrichtserfahrungen in einem mul-
tikulturellen Deutsch als Fremdsprache-Kurs
für ausländische Studienbewerber an der Carl
von Ossietzky Universität Oldenburg beziehen
werde.

Die spezifische Zielgruppe

Die Teilnehmer, mit denen ich dramapädago-
gisch arbeitete, besuchten einen Kurs, der auf
die Prüfung zum Nachweis deutscher Sprach-
kenntnisse (PNdS) vorbereitete. Sprachkennt-
nisse, die den Anforderungen dieser Prüfung
entsprechen, müssen nachgewiesen werden,

um an einer deutschen Universität studieren zu
können. Die Aufnahme eines Studiums in
Deutschland ist das Ziel der meisten Teilneh-
mer.

Die Teilnehmer kommen aus verschieden-

sten Teilen der Welt. In einem Kurs mit zwanzig
Personen können bis zu fünfzehn verschiedene
Nationalitäten vertreten sein. Für einen dra-
mapädagogischen Unterricht, in dem die Arbeit
in Gruppen einen hohen Stellenwert hat, bringt
das Vorteile: der Student aus dem Sudan kann
sich nicht in seiner Muttersprache mit der
Kursteilnehmerin aus Italien unterhalten; beide
sind gezwungen, sich auf deutsch zu verständi-
gen.

Die kulturelle Heterogenität bedeutet weiter-

hin, daß die Teilnehmer unterschiedliche Sozia-
lisations- und Bildungssysteme durchlaufen
haben und daher unterschiedliche Lernhaltun-
gen
mitbringen. Beispielsweise ist für Lernende
aus fernöstlichen Ländern, die Deutsch als
Fremdsprache frontal, mit dem Schwerpunkt
auf Grammatik, vermittelt bekommen haben,
der dramapädagogische Unterricht zunächst
etwas sehr Ungewohntes. Sie müssen aufste-
hen, sich im Raum umherbewegen und dabei
die fremde Sprache anwenden. Die Lehrperson
braucht daher eine besondere Sensibilität, um
rezeptive in produktive Lernhaltungen zu über-
führen. Aber nicht nur kulturell ist die Teilneh-
mergruppe heterogen, sondern auch in bezug
auf die Sprachkenntnisse. Bei vielen Teilneh-
mern sind vor allem massive Probleme in der
mündlichen Kommunikation zu registrieren. Sie
haben bei Eintritt in den Kurs Artikulations-
schwächen und Sprechhemmungen.

Die folgenden Beispiele vermitteln einen

Eindruck von den ersten Schritten in einem
dramapädagogischen Deutsch als Fremdspra-
che-Kurs an einer deutschen Universität.

Die Welt als Strandball

Zu Beginn des Kurses war mir wichtig:
a) Die Teilnehmer sollen sich mit Vornamen

kennenlernen.

b) Sie sollen etwas über die Herkunftskulturen

ihrer Mitlernenden in Erfahrung bringen.

c) Sie sollen dabei bereits „körperlich ein wenig

aktiviert“ werden.

Zu diesem Zweck hatte ich mir einen

großen aufblasbaren „Strandball“ besorgt;
nicht irgendeinen, sondern einen Globus-Strand-
ball,
auf dem die Länder dieser Erde mit ihren
Haupt- bzw. Großstädten recht deutlich zu
sehen waren.

D

E U T S C H U N T E R R I C H T M I T

E

R W A C H S E N E N

46

links: Soodabeh (Iran);

Mitte: Eva (Spanien); rechts:

Niambh (Irland)

Foto: Schewe

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Ich konstruierte folgende Handlungsabfol-

ge, die zwischen der Ich- und Du-Form wechselt
(L. = Lehrer/in):

1. Alle Teilnehmer sitzen auf ihren Stühlen in einem

großzügigen Kreis;

2. L. nimmt den Globus-Strandball, nennt den

eigenen

Vornamen und wirft dann den Ball dem Teilnehmer
A zu. Teilnehmer A sagt daraufhin seinen Vorna-
men, wirft den Ball Teilnehmer D zu usf., bis jede/r
einmal an der Reihe war;

3. L. wirft den Ball einem Teilnehmer F zu und sagt den

Vornamen des Ballbesitzers. Teilnehmer F wirft den
Ball Teilnehmer K zu und nennt dann Ks Vornamen
usf., bis jede/r einmal an der Reihe war;

4. wie unter 2., doch dieses Mal

Vorname plus Her-

kunftsland (Beispiel: „Manfred. Ich komme aus
Deutschland”);

5. wie unter 3., doch dieses Mal

Vorname plus Her-

kunftsland;

6. wie unter 2., doch dieses Mal wird der

Vorname,

das Herkunftsland und die Hauptstadt des Her-
kunftslandes genannt. (Beispiel: Manfred. Ich kom-
me aus Deutschland. Die Hauptstadt meines Landes
ist Berlin;

7. wie unter 3., doch dieses Mal wird der

Vorname,

das Herkunftsland und die Hauptstadt des Landes
genannt, aus dem der

andere Teilnehmer kommt.

(Beispiel: Haluk. Du kommst aus der Türkei. Die
Hauptstadt deines Landes ist Ankara.)

8. wie unter 2., doch dieses Mal werden genannt:

das

eigene Herkunftsland und mindestens zwei Länder,
die an das eigene Land angrenzen;

9. wie unter 3., doch dieses Mal werden genannt:

das

Herkunftsland des anderen Teilnehmers und minde-
stens zwei Länder, die an sein Herkunftsland
angrenzen. (Beispiel: Du kommst aus Ungarn. Dein
Land grenzt an die Slowakei und Österreich.)

Diese Handlungssequenz habe ich auch in national

homogenen Gruppen durchgeführt. Anstatt des
Herkunftslandes der Teilnehmer wurde ihr

Traum-

land zur Handlungsbasis, wobei sie u.a. in einem
der Schritte die besondere Attraktion ihres Traum-
landes zu beschreiben hatten.

Nachreflexionen zu dieser
Einführungsstunde:

In der Handlungsabfolge ist eine graduell
ansteigende Spannung angelegt. Sie resultiert
daraus, daß man a) das Gedächtnis anstrengen
muß und b) Allgemeinbildung unter Beweis
stellen muß.

Wenn jemand stockte, leisteten die anderen

Kursteilnehmer Erinnerungshilfe (soziales Ler-
nen!). Zudem war der Globus-Strandball prä-
sent und konnte vom jeweiligen Teilnehmer zur
Vergewisserung – quasi als „Nachschlagemög-
lichkeit“ – herangezogen werden. Sich an die-
sem runden Requisit festhalten zu können, gab
den Teilnehmern zwar eine gewisse Sicherheit,

doch für manche blieb es eine Herausforde-
rung, sich die Ruhe zur Konzentration auf den
Globus zu nehmen (die anderen warteten!).
Aber genau dies wird im dramapädagogischen
Fremdsprachenunterricht „kultiviert“: auf
(richtige) Information warten können; akzeptie-
ren, daß Lernhandlungen Zeit brauchen.

Diese von mir konstruierte Handlungsabfol-

ge ist eine gute Vorübung für dramapädagogi-
sche Unterrichtsarbeit, denn sie enthält drama-
tische Elemente
, beispielsweise:

E

Spannung: Wer wirft mir den Ball zu? Kann
ich mich erinnern? Weiß ich das?

E

Überraschung: Oh! Jetzt hab ich den Ball. Daß
die Türkei an den Irak grenzt, überrascht
mich, das wußte ich ja gar nicht.

E

Symbolisierung: Der Globus-Strandball reprä-
sentiert die Länder dieser Erde.

Die Handlungsabfolge bringt eine erste

Dynamik in die Lernergruppe, weckt auf seiten
der Lernenden die Neugier auf kulturelle Anders-
artigkeit
und etabliert von vorneherein eine kul-
turelle Gleichrangigkeit
; hinzu kommt natürlich
ihr allgemeinbildender Wert. Die Ausführung
der Handlungen bewirkt weiterhin, daß

E

das multikulturelle Potential der Lernergruppe
allen Beteiligten besonders deutlich wird;

E

den Lernenden bewußt wird, wie ethnozen-
trisch der eigene Blick auf die Welt
ist bzw. wie
begrenzt das eigene (geographische) Wissen
über andere Kulturen ist;

E

die Lernenden einander besser kennenler-
nen, womit eine Voraussetzung geschaffen
wird für eine soziale Lehr-/Lernatmosphäre.

(Im nachhinein ist mir bewußt, wie sehr ich

darauf achtete, selber entspannt zu sein und
wie sehr ich bemüht war zu betonen, daß es
weiter kein Problem sei, wenn jemand nicht
spontan bzw. nicht richtig zu antworten wisse).

Die interkulturelle Skala

Das Spezifische der Lernergruppe – die kultu-
relle Heterogenität – war Anlaß für die folgende
Handlungssequenz, mit der ich

E

einen genuinen Sprechanlaß schaffte, indem
ich bei der natürlichen Neugier auf die Her-
kunft des anderen ansetzte;

E

alle Teilnehmer dazu brachte, sich vor der
Gruppe im Raum zu bewegen
;

E

auf eine entspannte Lehr-/Lernatmosphäre
hinarbeitete, indem die Lerner persönlich
mehr voneinander erfuhren.

Ich besorgte mir aus dem Druckzentrum der

örtlichen Tagespresse eine Rolle mit etlichen
Metern unbedruckten Zeitungspapiers. Von

47

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

dieser Rolle schnitt ich die Länge ab, mit der
mein Unterrichtsraum diagonal ausgelegt wer-
den konnte. An ein Ende dieser „Papierbahn“
schrieb ich das Kürzel „D“ für Deutschland, an
das andere Ende das Kürzel „HL“ für das jewei-
lige Herkunftsland der Teilnehmer. In die Mitte
dieser Bahn zeichnete ich einen fetten Punkt.
Von diesem Punkt führten Markierungen von 1
bis 10 in einer Richtung zum Herkunftsland
(HL) und in der entgegengesetzten Richtung
zum Buchstaben D als Symbol für das Land, in
dem die Studierenden sich bereits seit etlichen
Monaten oder Jahren aufhielten und für einen
(un)bestimmten Zeitraum weiter bleiben wür-
den.

Die Studierenden im Stuhlkreis sind ver-

wundert, als ich meine “interkulturelle Skala”
ausrolle. Ich lasse zunächst die papierne Über-
raschung wirken, bevor ich mich auf den Mittel-
punkt der Skala stelle, erkläre, auffordere und
demonstriere(!):

„Vor euch liegt eine Skala. „D“ steht für das Land, in

dem ihr euch jetzt, manche schon länger, aufhal-
tet; „HL“ steht für euer Herkunftsland, das Land,
aus dem ihr kommt. Jede/r von euch hat eine
besondere Beziehung zu ihrem/seinem Her-
kunftsland, und inzwischen hat auch jede/r von
euch eine besondere Beziehung zu Deutschland.

Nun kann es sein, daß jemand von euch besonders

negative Erfahrungen in Deutschland gemacht
hat. In diesem Falle bleibt sie/er auf der Zahl 1
oder 2 stehen. Sind die Erfahrungen aber bisher
sehr positiv gewesen, stellt sie/er sich auf 9 oder
10. Niedrige Zahlen drücken eher eine proble-
matische Beziehung zum jeweiligen Land aus,
hohe Zahlen eher eine harmonische. Und natür-
lich gibt es viele Möglichkeiten dazwischen.

Ihr habt jetzt ein paar Minuten Zeit, um euch für eine

Zahl zu entscheiden, auf die ihr euch links (D)
bzw. rechts (HL) stellen werdet. Nach einer Weile
werde ich euch reihum auffordern, vom Mittel-
punkt aus zu der jeweiligen Zahl zu gehen, dort
stehen zu bleiben und vor der Gruppe zu
erklären, warum ihr euch für diesen Punkt auf der
Skala entschieden habt. Ihr könnt der Person in
der Mitte, nachdem sie ihre Gründe erläutert hat,
Fragen stellen, falls etwas unklar geblieben ist
oder ihr gerne präzisere Informationen hättet.”

Unsere Videoaufzeichnung zeigt, daß alle

Teilnehmer bereitwillig mitmachen und das
Geschehen konzentriert verfolgen. Denn jede/r
ist offensichtlich gespannt darauf, warum bei-
spielsweise H. sich links auf die Zahl 9 stellt
und rechts auf die Zahl 3. Was gefällt ihm so an
Deutschland, und warum hat er eine solch kriti-
sche Einstellung gegenüber seinem Herkunfts-
land? Während die Teilnehmer sich zwischen

den Punkten der Skala hin- und herbewegen,
sprechen sie über ihre unterschiedlichen Bezie-
hungen zum Herkunfts- bzw. „Gastland“.

Miriamme aus den USA z. B. hat Probleme

mit der deutschen Vergangenheit; Abdel aus
Palästina leidet an Kontaktmangel in Nord-
deutschland; Mariola aus Polen hat – trotz der
Vorurteile, die sie mitbrachte – ganz tolle Leute
in Deutschland getroffen; Soodabeh aus dem
Iran findet die Leute in Deutschland kalt; für
Niambh aus Irland ist das Alltagsleben in
Deutschland schneller als in Irland; Charmaine
aus England hält die Deutschen für noch reser-
vierter als die Briten; Liz aus Südafrika findet
ihre deutsche Gastfamilie sehr nett; Fari aus
dem Iran ist dankbar für die Selbständigkeit,
die er in seiner Deutschlandzeit erlangt hat,
und für Bakri aus dem Sudan ist der deutsche
Winter eine unnötige Herausforderung ...

Indem die Studierenden ihre persönlichen

Erfahrungen schildern, bringen sie unmittelbar
Emotionen ins Spiel.

Farah z. B. macht die Trennung von ihrem

geliebten Land, die sie in Kauf nahm, um ihren
Kindern bessere Lebensperspektiven zu
ermöglichen, sehr zu schaffen; während eine
andere, jüngere Studentin die temporäre
Lösung von ihrem Herkunftsland als große
Befreiung empfindet. Das Spektrum zwischen
Weh- und Frohmut ist in dieser multikulturellen
Lernergruppe groß. – Auf der interkulturellen
Skala können die Lerner ihren Standpunkt
orten und dabei ihren Gefühlen Ausdruck ver-
leihen.

Standbilder

Standbilder kennt jede/r, z.B. von der Fotogra-
fie. Ein Foto ließe sich beschreiben als ein Bild,
auf dem Personen in einer bestimmten Körper-
haltung, Gestik und Mimik stehengeblieben
sind. Oder die Videotechnik: Ein Druck auf den
Knopf der Fernbedienung und die spannende
Handlung bleibt in einem besonderen Moment
stehen.

Standbilder, die besondere Körperhaltun-

gen bzw. Handlungssituationen zeigen, können
im Fremdsprachenunterricht von den Lernen-
den nachgestellt bzw. gebaut werden. Dazu
wird das wichtigste Unterrichtsmittel eingesetzt:
der eigene Körper mit seinen vielfältigen Aus-
drucksmöglichkeiten
. Die Körpersprache bzw.
die aus dem Körper wachsende Sprache wird
zum Fokuspunkt des Unterrichts.

Mit Standbildern können (vorgestellte)

Handlungen zwischen Menschen angehalten
und damit zum Thema gemacht werden; und
auch Haltungen, die Menschen zu anderen Men-
schen, Dingen oder Themen einnehmen. Stand-

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background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

bilder lassen sich vergleichen mit Skulpturen,
die von Bildhauern geformt werden. Der Künst-
ler haut so lange auf seinen Block aus Marmor-
stein, bis die Figur bzw. die Figurengruppe sei-
nen Vorstellungen entspricht. Im Unterricht
werden einzelne Kursteilnehmer zu Bildhauern,
und andere werden zum Rohmaterial, mit dem
Bildhauer arbeiten. Das bedeutet z.B.: Ein Teil-
nehmer steht als lebloser Block vor dem bild-
hauenden Teilnehmer. Dieser nun verändert
die Körperhaltung seines Gegenübers – er
schiebt beispielsweise einen Fuß nach vorn,
nimmt dessen Hände und verschränkt sie mit-
einander, bewirkt durch eine Kopfdrehung eine
andere Blickrichtung etc. – und tut dies so sorg-
fältig und so lange, bis die Körperhaltung das
ausdrückt, was dem bildhauenden Teilnehmer
vorschwebte. Wenn die Kursteilnehmer in die-
ser Weise Standbilder bauen, sollte der Lehrer
darauf achten, daß sie ein Gespür für Details
entwickeln. Beispielsweise ist von Bedeutung,
in welchem Abstand die Figuren zueinander
stehen; ob und wie die Figuren sich anschauen;
ob einem Gegenstand bzw. welchem Gegen-
stand besondere Beachtung geschenkt wird; ob
ein Arm angewinkelt ist etc..

Aber bevor die Kursteilnehmer einander

formen, bietet sich folgende Vorübung an, die
noch kein gegenseitiges Anfassen erfordert,
sondern zunächst einmal das bewegungslose
Verharren in einer bestimmten Körperhaltung,
Gestik und Mimik.

(L. = Lehrer/in; Tn. = Teilnehmer)
1. L. und Tn. stehen in einem großzügigen Kreis.
2. L. geht in die Kreismitte und nimmt eine „gefrorene

Körperhaltung“ ein (nimmt die Pose einer Person
ein, die eine Kamera vor sich hält und anscheinend
etwas fotografiert), verharrt eine kurze Weile in
dieser Haltung und geht dann in den Kreis zurück.

3. L. läßt die Tn. Vermutungen über das stille Bild

anstellen und erklärt danach kurz die Merkmale
eines Standbilds.

4. L. kündigt an, daß er wieder in den Kreis gehen und

die gleiche Körperhaltung einnehmen wird; eine
Person aus der Gruppe, die eine Idee hat, soll dann
eine Körperhaltung einnehmen, die die vom L. ein-
genommene Haltung bildlich ergänzt.
(Damit diese Übung fremdsprachlichen Ertrag
bringt, weist L. darauf hin, daß eine Reihe von
Standbildern folgen wird und jeweils die Person
links von der Person, die in die Mitte geht, kommen-
tieren soll, was sie sieht.)

5. L. geht in die Mitte und nimmt nochmals das schon

gezeigte Standbild ein.

6. Tn. links vom L. kommentiert das (Lehrer-)Standbild.
7. L. fordert dazu auf, das von ihm gezeigte Standbild

zu erweitern.

8. Ein freiwilliger Tn. geht in die Mitte und nimmt eine

„gefrorene Körperhaltung“ ein (z.B. als posieren-
des Fotomodell).

9. Tn. links von freiwilliger Person kommentiert das

„stille Zweier-Bild“.

10. L. bittet freiwillige Person, mit ein wenig Geduld in

der Haltung weiter zu verharren, während L. aus
der Mitte in den Stehkreis zurückgeht und dazu
auffordert, das Standbild von Tn. 1 zu erweitern.

11. Eine (zweite) freiwillige Person geht in die Mitte,

nimmt ebenfalls eine „gefrorene Körperhaltung“
ein und stellt sich auf diese Weise zu dem Stand-
bild von Tn. 1 in Beziehung.

12. Tn. links von (zweiter) freiwilliger Person kommen-

tiert das „stille Zweier-Bild“.

13. Tn. 1 verläßt den Kreis und ein anderer Kursteil-

nehmer ergänzt das Standbild der zweiten freiwilli-
gen Person.

14. Tn. links vom Kursteilnehmer kommentiert das

„stille Zweier-Bild“.

Dieser Ablauf wird beibehalten bis zu dem

Zeitpunkt, an dem L. das Gefühl hat, daß den
Teilnehmern komplexere Standbilder zugemu-
tet werden können. An diesem Punkt entschei-
det L., daß zwei Tn. (A und B) in der Kreismitte
in ihrer jeweiligen Haltung verharren und jetzt
eine freiwillige dritte Person (C) sich dazu in
Beziehung stellt (wobei die Person links davon
wiederum kommentiert.).

Die Person A verläßt dann den Kreis,

während die Person B und C im Standbild ver-
bleiben; eine neue freiwillige Person (D) kommt
dann wieder hinzu, so daß ein weiteres, „stilles
Dreier-Bild“ entsteht (die Person links von die-
ser kommentiert wieder.).

Nach einigen „stillen Dreier-Bildern“ können

noch komplexere Formen probiert werden, d.h.
drei oder vier oder fünf und mehr Personen
stellen sich in der Kreismitte zueinander in
Beziehung (eine neue Person kommt jeweils
hinzu und erweitert das Standbild, das zum
Schluß in einer „stillen Massenszene“ enden
kann).

Die Inszenierungsform Standbild ist in der

Regel neu für die Kursteilnehmer. Das erklärt,
warum einzelne Teilnehmer eine „gefrorene
Körperhaltung“ nicht durchhalten können und
immer wieder in die Bewegung drängen. Vor
anderen eine Körperhaltung einzunehmen und
diese wirken zu lassen, stellt eine Anforderung
dar, an die sie sich erst gewöhnen müssen. Wel-
che Standbilder jeweils entstehen, ist nicht vor-
hersehbar. Es entstehen sowohl ernste Bilder
(Beispiel: ein iranischer Student richtet eine
Pistole auf den amerikanischen Studenten), als
auch lustige (Beispiel: ein Teilnehmer verkör-

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background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

pert einen Hund, der gegen einen imaginären
Baum pinkelt).

Spaß und ein hoher Grad an Bewegung und

Interaktion charakterisieren diese Übung, in
der körperliche Darstellungen zu Sprechanläs-
sen
werden. Die Bilder, die entstehen, geben
nicht selten Rätsel auf, so daß eine Versprachli-
chung notwendig ist, um sich über den Sinn der
sinnlichen Gestaltung zu verständigen. Damit
diese Versprachlichung reibungslos und ohne
wiederholte Aufforderung durch den Lehrer
erfolgt, muß er das Handeln der Teilnehmer
entsprechend inszenieren . Die kommentieren-
de Person macht jeweils ein Deutungsangebot,
das von den anderen Kursteilnehmern akzep-
tiert oder modifiziert werden kann.

Die beschriebene Handlungsabfolge ebnet

den Weg zu einer bewußte(re)n Formung von
Standbildern in Kleingruppen. Wie man ein
Standbild baut, ist für die Kursteilnehmer rela-
tiv leicht und schnell erlernbar. Die Aufgabe,
ein Standbild zu bauen, ist überschaubar und
gibt den Teilnehmern Sicherheit, da sie auf ein
sichtbares Produkt hinarbeiten. Je mehr ihre
methodische Kompetenz im Laufe des Kurses
zunimmt, desto sorgfältiger, präziser und in
sich schlüssiger werden die Standbilder sein.

Die folgende Aufgabe für eine Gruppenar-

beit (3 bis 7 Teilnehmer pro Gruppe; Zeit: 30
Minuten) ist eine Fortsetzung der Unterrichts-
arbeit, die mit der “interkulturellen Skala”
begonnen wurde. Die Kursteilnehmer inszenie-
ren in Form von Standbildern Erfahrungen, die
sie in der fremden Kultur gemacht haben.

BEISPIEL:

In eurer Kleingruppe sollt ihr eine Skulptur anfertigen,
die eine Figur bzw. eine Figurengruppe zeigt. Diese
Skulptur soll den anderen Kursteilnehmern ein Gefühl
davon vermitteln, wie Deutschland als fremde Kultur
auf euch wirkt.
Dazu übernehmt ihr als Gruppe zwei Funktionen:
a) die Funktion von Bildhauern und
b) die Funktion des Materials, mit dem Bildhauer

arbeiten.

Geht in fünf Schritten vor:
1. Jede/r von euch überlegt still für sich und macht

sich Notizen zu folgenden Fragen:

– Wie empfinde ich das Leben in Deutschland (welche

Aspekte dieses Lebens sind für mich positiv, welche
negativ)?

– Welche Wirkung haben bestimmte Erfahrungen in

dieser fremden Kultur auf mich gehabt?

– Wie könnten meine Erfahrungen und die damit ein-

hergehenden Gefühle in der Form einer Skulptur,
also als „sprechendes Bild“ dargestellt werden?

2. Tauscht euch in eurer Arbeitsgruppe darüber aus,

welche Gedanken euch zu den Fragen unter Punkt
1. gekommen sind.

3. Einigt euch auf die Wirkung, die eure Skulptur auf

die Betrachter haben sollte.

4. Klärt untereinander, wie ihr die Skulptur formen

müßt, damit die von euch beabsichtigte Wirkung
erreicht wird. (Erinnert euch daran, daß alle Details
– z.B. ein Stirnrunzeln – bedeutungsvoll sein kön-
nen!)

5. Einer von euch ist Bildhauer und übernimmt die For-

mung der Figuren. Er/Sie koordiniert und korrigiert
evtl. deren Körperhaltung, Gestik und Mimik, bis
das Gesamtbild den Vorstellungen eurer Gruppe
entspricht. Der Bildhauer hat außerdem die Aufga-
be, den betrachtenden Kursteilnehmern die Skulp-
tur zu erklären.

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Ein Ausländer geht freundlich und mit offenen Armen auf einen
„Deutschen“ zu. Seine warme Geste wird mit formeller Kühle
erwidert.

Bei diesem Bild wird mir als Deutschem beschämend deutlich,

wie abweisend unsere ausländischen Studenten die deutsche Gesell-
schaft erfahren.

Links: Fari (Iran); rechts: Bakri (Sudan)

Foto: Schewe

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Bei der Planung ihrer Skulpturen leisten die

Kursteilnehmer intensive Spracharbeit, indem
sie – auf deutsch – über ihre persönlichen
Erfahrungen sprechen und darüber, wie die
Essenz ihrer Erfahrungen in der Form eines
Standbildes sinnlich gestaltet werden kann.
Weitere Spracharbeit erfolgt, wenn eine Grup-
pe ihr Standbild zeigt und die Betrachter die
Wirkung beschreiben, die das Bild auf sie hat
und diese mit der (von der Gruppe) intendier-
ten
Wirkung in Beziehung setzt.

Anhand von drei Fotos aus meinem Unter-

richt (links, unten und nächste Seite) möchte

ich hier zeigen, daß Standbilder sich hervorra-
gend dazu eignen, mit einfachsten Mitteln eine
Aussage von hoher Bedeutungsdichte zu
machen.

Meine Beispiele demonstrieren, daß im

dramapädagogischen Fremdsprachenunter-
richt nichtsprachliche Symbolisierungsformen,
z. B. Standbilder, einen hohen Stellenwert ein-
nehmen. Über den Weg solcher „sinnlich-prä-
sentativer Unterrichtsformen“ gelingt es, zu
Persönlichkeitsschichten vorzudringen, die im
Fremdsprachenunterricht eher selten erreicht
werden: Wenn ein Deutschlernender nicht

51

Nachdem Haluk und Francis ihr Standbild gezeigt haben,
formulieren die anderen Kursteilnehmer, wie das Bild auf
sie gewirkt hat:

Mariola (Polen): Der Ausländer fühlt sich niedriger. Im sozialen

Status ist er ... wie heißt das? ...

niedriger als der Deutsche in

diesem Moment. Francis war der Ausländer. Er war ganz unsi-
cher, keine Selbstsicherheit hat er gehabt ... oder kein Selbstge-
fühl, meine ich. Haluk hat gezeigt: Das ist für Ausländer. Hast
du das nicht gelesen?

Bakri (Sudan): Ich denke, den Druck, den die Deutschen selber

haben, geben sie weiter an die Ausländer; den Druck, den sie
im Leben haben, in ihrer Familie, bei ihrer Arbeit. Die Person,
die da oben steht, hat Druck von irgendwo und gibt ihn weiter
an die Ausländer.

Mariola (Polen): Haluk fühlt sich ganz sicher. Man kann sagen: er

ist zu Hause. Er will das betonen: „Ich bin doch hier zu Hause,
und ich habe mehr Rechte als du!“ Er will damit zeigen, nicht
wahr, daß er mehr Rechte hat als der andere?

Als ich den Kursteilnehmern die Gelegenheit gebe, an die
Figuren im Standbild Fragen zu stellen, möchte Pari (Iran)
gerne wissen, was „der Zettel“ in der Hand von Haluk
bedeutete. Daraufhin antworten die beiden Standbild-
Figuren:

Haluk (Türkei): Wir haben versucht zu zeigen: Die Deutschen

haben immer Gesetze ... das ist schwer zu sagen ... Gesetze,
mit denen sie den Ausländern etwas diktieren können.

Francis (Indien): Der Zettel war ein Symbol für alle Formen von

Macht. Sie haben Kapital, ökonomische Macht, einen hohen
Lebensstandard. Sie meinen, sie haben alles. Sie meinen, sie
müßten unbedingt die anderen belehren. Deswegen tut er so
(Francis macht Haluks rigorose Zeige-Geste nach): „Ich weiß
alles.“

Haluk: Niemand hat gesagt, warum ich höher bin als er. Der Stuhl

bedeutet etwas anderes: Ich bin nicht körperlich größer als er,
und ich habe auch keine höhere Kultur als er. Der Stuhl zeigt:
Ich habe die Industrialisierungsstufe erreicht, bin eine Stufe wei-
ter, bin auf einer europäischen Entwicklungsstufe. Deshalb bin
ich größer und höher als er.

links: Francis (Indien); rechts: Haluk (Türkei)

Foto: Schewe

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

direkt aussprechen muß, wie und was er emp-
findet, sondern seine innere Bewegung symbo-
lisch präsentieren kann, wächst seine Bereit-
schaft zur Mitteilung, deren Direktheits-, Ver-
dichtungs- oder Verschlüsselungsgrad er
selber bestimmt. Dies wiederum regt, wie in
den Beispielen gezeigt, die anderen Teilnehmer
zu intensivem, gemeinsamem sprachlichen und
sozialen Lernen an.

Literaturverzeichnis:

Bolton, G.: Towards a Theory of Drama in Education. Harlow:

Longman 1979.

Bolton, G.: Drama as Education. An Argument for placing Drama at

the Centre of the Curriculum. Harlow: Longman 1984.

Brandi, M./Dommel, H./Sprenger, M.: Deutsch ohne Lehrbuch. In:

Müller, Bernd-Dietrich (Hrsg.): Anders lernen im Fremd-
sprachenunterricht. Experimente aus der Praxis. Berlin
u.a.: Langenscheidt 1989.

Butterfield, T.: Drama through Language through Drama. Banbury:

Kemble Press 1989.

Hawkins, B.: Back to Back. Drama Techniques and Second Langua-

ge Acquisition. DIE NEUEREN SPRACHEN 90/1991,119-136.

Schewe, M.: Wie kann das „dramatische Defizit“ gängiger Übungs-

formen in Deutsch als Fremdsprache-Lehrwerken behoben
werden? Argumente für eine bewußte(re) Inszenierung
fremdsprachlicher Lernprozesse. In: Armin Wolff (Hrsg.):
Deutsch als Fremdsprache im europäischen Binnenmarkt.
Vorträge und Materialien der 18. Jahrestagung Deutsch als
Fremdsprache. Regensburg: Fachverband Deutsch als
Fremdsprache 1993 a, 219-251.

Schewe, M.: Fremdsprache inszenieren. Zur Fundierung einer dra-

mapädagogischen Lehr- und Lernpraxis. Oldenburg: Carl
von Ossietzky Universität (Diss.) 1993 b

Schewe, M./Shaw, P. (Eds.): Towards Drama as a Method in the

Foreign Language Classroom. Frankfurt et al.: Peter Lang
1993.

Wagner, B.-J.: Dorothy Heathcote: Drama as a Learning Medium.

London: Hutchinson 1979.

D

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52

Zum Standbild von Miriamme (USA), Bakri (Sudan) und
Fari (Iran) äußern sich die Betrachter wie folgt:

Francis: Ich denke, wir sehen eine Person, die geformt wird in einer

Familie oder in einer Gesellschaft. Die Person, die in der Mitte
gestanden hat, hat sehr viel Einfluß von diesen beiden Personen
bekommen. Sie war froh. Das Strahlen von dieser Person ist
eine Reflektion von dem, was sie von den anderen beiden Per-
sonen bekommen hat. Ich glaube, dieser Lebenslauf ist ein
Kreis.

Mariola: Sie fühlte sich ganz wohl in ihrem Kreis. Das konnte man

merken, sie war ganz zufrieden mit diesen Bekannten oder
Freunden.

Auf meine Nachfrage hin bestätigt Miriamme, daß die Hal-
tung der Personen, die sie mit ihren Armen umschließen,
Sicherheit und Schutz bedeutet. Und sie ergänzt: „Sie
haben etwas gemeinsam. Sie haben mich.“

In diesem Standbild verdichten sich die positiven

Erfahrungen, die Miriamme als au-pair Mädchen in einer
deutschen Familie machte.

links: Fari (Iran); Mitte: Miriamme (USA);

rechts: Bakri (Sudan).

Foto: Schewe

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Lehrwerke und
Unterrichts-
materialien:

Einen umfassenden und
aktuellen Überblick zu
den wichtigsten Arbeits-
mitteln für Deutschleh-
rer mit Kurzkommenta-
ren, Bezugsquellen und
Preisen bietet die jähr-

lich neu aufgelegte Publikation:

Goethe-Institut (Hrsg.):

Arbeits-

mittel für den Deutschunter-
richt an Ausländer
. Berlin u.
München: Langenscheidt 1993.

Eine Einführung in den aktuel-
len Stand der Lehrwerkfor-
schung findet sich in:

Kast, Bernd/Neuner, Gerhard
(Hrsg.): Zur Analyse, Begut-
achtung und Entwicklung von
Lehrwerken für den fremd-
sprachlichen Deutschunter-
richt
. Berlin u. München: Lan-
genscheidt, 1993.

Als Einzelaspekte der Lehr-
werkanalyse werden in dem
Sammelband u.a. Landeskunde,
Fertigkeiten, Wortschatzarbeit,
Grammatik, Aussprache, Bilder
und Interkulturelle Kommuni-
kation behandelt. Außerdem
werden Rezensionen und Erfah-
rungsberichte zu den wichtig-
sten Deutsch als Fremdspra-
che-Lehrwerken ausgewertet
und Hinweise zur Einführung
neuer Lehrwerke gegeben.

Fachdidaktik:

Bianchi, Mary/Busch, Brita/
Sommet, Pierre: Partnerschaft-
liches Lernen im Fremdspra-
chenunterricht
. Einführung für
Kursleiter an Volkshochschu-
len. Frankfurt/M.: Päd.Arbeits-
stelle des DVV, 2.Auflage 1987.

Eine leicht lesbare Einführung
in die wichtigsten Aspekte des
Fremdsprachenunterrichts mit
Erwachsenen an Volkshoch-
schulen.

Neuner, Gerhard/Hunfeld, Hans:
Methoden des fremdsprachli-
chen Deutschunterrichts
. Eine
Einführung. Berlin und Mün-
chen: Langenscheidt, 1993.

Das für ein Fernstudium konzi-
pierte Studien- und Arbeits-
buch bietet eine praxisnahe
Einführung in die wichtigsten
Methoden und Lehrwerke des
Deutschunterrichts für Schüler
wie auch für Erwachsene.

Quetz, Jürgen/Bolton, Sibylle/
Lauerbach, Gerda: Fremdspra-
chen für Erwachsene
. Eine Ein-
führung in die Didaktik und
Methodik des Fremdsprachen-
unterrichts in der Erwachsenen-
bildung. Berlin: Cornelsen 1980.

Dieser aus der Unterrichtspra-
xis hervorgegangene Band
dokumentiert auf umfassende
Weise die oft weiterhin gültigen
fachdidaktischen Erfahrungen
Ende der 70er Jahre.

Manfred Schewe: Fremdspra-
che inszenieren.
Zur Fundie-
rung einer dramapädagogi-
schen Lehr- und Lernpraxis.
Zentrum für pädagogische
Berufspraxis Carl von Ossietz-
ky Universität Oldenburg. 1993.

Methoden, die sich aus drama-
tischen Kunstformen ableiten
lassen, ermöglichen einen
künstlerisch orientierten
Zugang zum fremdsprachlichen
Unterricht. Kreativität und
Ästhetisches werden freige-
setzt, kognitives und emotiona-
les Lernen werden miteinander
verknüpft. Das Buch beschreibt,
wie das im Unterricht verwirk-
licht werden kann.

Lernstrategien und
selbständiges Lernen:

FREMDSPRACHE DEUTSCH,
Heft 8/1993: Lernstrategien.
Hrsg. von Peter Bimmel.

Das Heft bietet lerntheoreti-
sche Begründungen und eine
Vielzahl praktischer Anwen-
dungsformen von „Hausaufga-
ben“ bis zu „Gedächtnisstüt-
zen“ für Lernstrategien, die für
Erwachsene genauso wie für
Jugendliche anwendbar sind.

Kleinschroth, Robert: Spra-
chen lernen. Der Schlüssel zur
richtigen Technik
. Reinbek:
Rowohlt 1992.

Mit dem zentralen Hinweis auf
die Eigenverantwortung der
Lernenden zeigt das Buch Lehr-

kräften und interes-
sierten Sprachenler-
nern, wie man eine
Sprache neu erwer-
ben, verschüttetes
Wissen freilegen und
Sprachkenntnisse
vervollkommnen
kann. Die wichtigsten
Erkenntnisse über
Sprachenlernen wer-
den anschaulich dar-

gestellt und durch viele Bei-
spiele, auch aus dem Englischen
und Französischen, ergänzt.

Müller, Martin u.a. (Hrsg.):
Autonomes und partnerschaft-
liches Lernen. Modelle und
Beispiele aus dem Fremdspra-
chenunterricht
. Berlin u. Mün-
chen: Langenscheidt 1989.

Erfahrungsberichte aus ver-
schiedenen Ländern über An-
spruch und Möglichkeiten des
autonomen Lernens in Schule,
Universität, freien Lerngruppen
und Selbstlernzentren.

Übergreifende Aspekte
der Erwachsenenbildung:

Christ, Herbert: Der Fremd-
sprachenlehrer in der Weiter-
bildung. Eine empirische
Untersuchung
. Tübingen: Narr
1990.

Eine detaillierte Beschreibung
der Arbeitsbedingungen und
des Selbstverständnisses von
Fremdsprachenlehrern in den
verschiedenen Tätigkeitsfel-
dern der Weiterbildung.

Themenhefte von
Fachzeitschriften:

Dohmen, Günther (Hrsg.): The-
ma: Wie lernen Erwachsene?
Themenheft von UNTERRICHTS-
WISSENSCHAFT
, Heft 3/1975.

Schröder, Konrad (Hrsg.):
Außerschulisches Fremdspra-
chenlernen und Fremdspra-
chenbedarf
. Themenheft von
DIE NEUEREN SPRACHEN, Heft
1/1983.

Bibliographien:

Pädagogische Arbeitsstelle des
Deutschen Volkshochschul-Ver-
bands: Bibliographie zur
Erwachsenenbildung im deut-
schen Sprachgebiet
.

In jährlichen Nachlieferungen
werden unter der Rubrik
„Sprachunterricht“ auch Veröf-
fentlichungen zum fremd-
sprachlichen Unterricht aus
der Erwachsenenbildung doku-
mentiert und durch Stichwör-
ter inhaltlich beschrieben.

Raasch, Albert/Burkhardt,
Livia/Sick, Christine: Fremd-
sprachen für Erwachsene
.
Bibliographische Hinweise.
Langues étrangères pour adul-
tes. Références bibliographi-
ques. Saarbrücken: Universität
des Saarlands 1989.

Umfassende Bibliographie zu
Büchern und Aufsätzen aus
den Jahren 1982-87 in Deutsch
und Französisch.

Landeskundliche Mate-
rialien zur eigenen Fort-
bildung und Ergänzung
der Lehrwerke:

Die Zeitschrift PZ/WIR IN
EUROPA
bietet vielseitiges Bild-
und Textmaterial zu aktuellen
Themen der politischen Bil-
dung und kann kostenlos be-
stellt werden: PZ-Leserservice,
Universum Verlagsanstalt, Post-
fach 5720, 65175 Wiesbaden.

Die Bundeszentrale für Politi-
sche Bildung, Postfach 2325,
53013 Bonn, versendet auf
schriftliche Anforderung das
Verzeichnis ihrer Publikationen
für die gesellschaftspolitische
Bildungsarbeit, aus dem Zeit-
schriften, Arbeitshefte und
Bücher kostenlos bestellt wer-
den können.

MANFRED EWEL

53

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

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In Ihrem „Plädoyer für mehr
Zwischenmenschlichkeit“ macht sich
Cristina Diaz Gedanken um eine
typische Begleiterscheinung des frei-
willigen Lernens von Erwachsenen,
das Wegbleiben von Kursteilnehmern.
Dieses Phänomen können Lehrende
nur bedingt beeinflussen: wenn der
Teilnehmer nicht mehr zum Kurs er-
scheint, kann man ihn nicht mehr nach
den Gründen fragen. Viele Gründe
liegen sicher in den Lebensumständen
der Teilnehmer, aber auch im Unter-
richt gibt es Chancen, dem Kursabbruch
entgegenzuwirken.

Susana ist Jurastudentin, nebenbei

vier Stunden Arbeit in einem Büro.
Abends besucht sie einen Deutschkurs.
Heute mal wieder zu spät. Unauffällig
reiht sie sich in die dialogische Sprechü-
bung zur Situation „einkaufen gehen“
ein.

Am nächsten Tag kommt sie etwas

früher, hat noch gerade Zeit, ihre Mit-

schüler zu fragen, worum es in dem Text
geht, den sie hätte zu Hause lesen sollen.

In der Woche darauf muß Susana

zweimal fehlen. Dann sieht man sie nur
noch ab und zu. Im Monat darauf ist sie
eine der vielen „Abgegangenen“...

Ja, sagen wir uns, Schülerschwund ist

unvermeidlich. Aber Kursabbrecher bleiben
trotzdem die große Sorge von Lehrern und
Sprachabteilungsleitern.

Als Erklärungen hören wir die schon

bekannten Formeln: „Erwachsene unterschät-
zen die nötige Zeit für das Sprachenlernen...“,
„Sicherlich war der Unterricht dieses Lehrers
zu langweilig...“, „Bei Zeitmangel ist alles ande-
re wichtiger als das freiwillige Deutschler-
nen...“, „Da die Schüler oft keine schnellen
Ergebnisse sehen, verlieren sie den Mut...“
usw. Meines Erachtens wird damit das Problem
nur sehr einseitig beschrieben.

Pabla ist Ärztin. Sie arbeitet 8 bis 10

Stunden pro Tag: Hospital, Praxis, und,
und, und... Ab und zu fällt ihr Wachdienst
auf den Kurstag. Für die Aufsicht ihres
kleines Sohnes während ihrer Arbeits-
und Lernzeit hängt sie von anderen ab. -
Lehrerprognose: „Diese Schülerin hat es
schwer. Wahrscheinlich schnell ein Fall
für die negativen Zahlen der Schülerstati-
stik.“ – Aber siehe da: Pabla bleibt und
erreicht sogar durchschnittliche Leistun-
gen. – Gründe: Sie bringt die Zeit zum
Lernen auf, ihre Motivation ist hoch, sie
ist sprachbegabter als andere, die Unter-
richtsmethode „liegt“ ihr ...

Es ist sicherlich nützlich, sich als Lehrer die

Frage zu stellen, was eigentlich bei Erwachse-
nen für das Wegbleiben ausschlaggebend ist.
Nur: Einfache Antworten gibt es auf komplizier-
te Fragen nicht.

Erwachsene bleiben bei der Stange, wenn

Ihnen etwas gefällt. Also, Spaß will der Mensch
haben!. Sicher ist es notwendig, sich das “Wie”
der Unterrichtsstunde sorgfältig zu überlegen.
Noch wichtiger erscheint mir aber die Berück-
sichtigung der emotionalen Aspekte des Unter-
richtsgeschehens.

Es geht um eine Einstellung, die viel Finger-

spitzengefühl und Einfühlungsvermögen erfor-
dert - nämlich jede Art von Ernstnehmen des

Die Arbeit läuft

uns nicht davon! –

Aber wie steht’s

mit unseren

Kursteilnehmern?

Überlegungen zum Teilnehmerschwund

Von Cristina Diaz

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

55

Gefühlslebens unserer Mitmenschen. Es gibt
nämlich nicht eine Susana oder eine Pabla
außerhalb des Unterrichts und eine im Unter-
richt – jetzt als Schülerin. Derselbe Mensch
kommt mit seinen Sorgen und Freuden, Schwie-
rigkeiten und Begabungen, mit seinen Erwar-
tungen und Widersprüchen in eine Klasse zu
Mitmenschen, die zwar das allgemeine Lernziel
teilen, aber meistens verschiedenartige Inter-
essen haben und unterschiedliche Lebenser-
fahrungen mit sich bringen.

Wenn der Unterricht das gemeinsame

Reden und Tun vernachlässigt, dann geschieht
es sehr leicht, daß man an den Menschen „vor-
beiunterrichtet“. Hinter der Bereitschaft der
Erwachsenen, sich in einer Gruppe als Perso-
nen zu begegnen, steckt unser aller Bedürfnis
nach Liebe, Wärme und Geborgenheit. Auch
die Anerkennung in der Gruppe – per Zufall nun
die Deutsch-Lerngruppe – wird auf unbewußte
und ungeahnt starke Weise gesucht.

Die Gefahr, in lediglich effiziente Unter-

richtsbahnen zu geraten und den „seriösen“
Erwachsenen als geselliges Wesen und Homo
Ludens zu vergessen, ist nicht zu unterschät-
zen. Wir arbeiten ja mit den denkenden Köpfen
der Menschen – aber was ist, wenn das Herz
nicht mitschlagen darf?

Die Sorge um das Wegbleiben eines

Schülers oder einer Schülerin sollten wir nicht
auf später schieben; wenn das Wegbleiben
schon passiert ist, ist es zu spät. Vielleicht kann
ich meine Sorgen und vorbeugenden Überle-
gungen mit den Kollegen und sogar den
Schülern teilen?

Hier ein paar Fragen zum Überdenken nach

dem Unterricht:

• Was oder wer stand heute im Mittelpunkt

des Unterrichtsgeschehens? Die Grammatik?
Das Thema? Vielleicht nur ich als Lehrer?
Wieviel Zeit hat der einzelne gehabt, sich zu
profilieren, von sich persönlich etwas mitzu-
teilen?

• Haben wir heute wenigstens einmal gemein-

sam im Unterricht über etwas gelacht?

• Habe ich etwas Besonderes bei jemandem

bemerkt? Bin ich auf einzelne Verhaltenswei-
sen aufmerksam geworden? Was hätte wohl
die stille Susana oder der zurückhaltende
Pedro sagen wollen? Hat der Fleißige seine
Extraübung vorzeigen können?

• Wen habe ich heute vermißt? Oder ist mir

diejenige, die gefehlt hat, nur durch die
Lücke auf der Anwesenheitsliste aufgefallen?

Maßnahmen gegen das Wegbleiben

von Kursteilnehmern

1.

Informieren Sie sich schon vor Kursbeginn über den persönlichen
Hintergrund und die Motivation Ihrer Kursteilnehmer. Ein Fragebogen bei

der Anmeldung bzw. Einschreibeberatung kann dafür sehr nützlich sein.

2.

Richten Sie von Anfang an Ihr Augenmerk genauso auf die Entstehung
eines förderlichen Gruppenklimas wie auf das Fortschreiten des

Lernprozesses. Jeder Kursteilnehmer, jede Kursteilnehmerin sollte aus der
anfänglichen Anonymität herauswachsen und durch gemeinsames Lernen
seinen/ihren Platz in der Gruppe finden können.

3.

Planen Sie bereits in der ersten oder zweiten Stunde eine Phase ein, in
der möglichst viel über die Erwartungen der Kursteilnehmer und über

Ihre eigene Planung für den Kurs zur Sprache kommt.

4.

Wenn die Kursteilnehmer an gemeinsame Unterrichtsbesprechungen
gewöhnt sind, verteilen Sie ab und zu Zettel oder Kärtchen mit der

Aufschrift: „Was mir am Kurs gefällt:...“ und „Was ich mir für den weiteren
Kursverlauf noch wünsche...“, und werten Sie die Ergebnisse in einer
späteren Stunde gemeinsam aus.

5.

Sehen Sie erreichbare Zwischenziele vor: Auch Erwachsene brauchen
Bestätigung! Versuchen Sie dabei, Prüfungsformen einzusetzen, die

möglichst wenig Streß auslösen. Sprechen Sie mit den Kursteilnehmern
darüber, welche Arten von Tests sie ablegen wollen.

6.

Reden Sie auch einmal über Lernschwierigkeiten, Hausaufgaben und
selbständiges Lernen. Versuchen Sie im Unterricht, denjenigen

Kursteilnehmern zu helfen, die kaum Zeit für das häusliche Lernen haben,
und leiten Sie andere zu sinnvollen selbständigen Übungen an.

7.

Gegen Ende des Unterrichts können Sie durch einen kurzen Ausblick auf
die kommende Stunde das Interesse am weiteren Verlauf verstärken.

Dabei können Sie auch fragen, ob beim nächsten Mal vielleicht jemand nicht
dabeisein kann. So erfahren Sie zum einen mehr über die Belastungen von
einzelnen und zum anderen können Sie ihnen vielleicht Hilfestellungen für
das selbständige Nacharbeiten der Stunde geben.

8.

Zu guter Letzt: Nichts wirkt so erfolgreich gegen den Kursabbruch wie
guter Unterricht: Transparenz des Unterrichtsverlaufs, ein

partnerschaftliches Verhältnis des Kursleiters zu den Lernenden, das Gefühl,
in der Lerngruppe willkommen zu sein, Eigenverantwortung, Humor und
Anregung. - Die Erfahrung, etwas Nützliches auf angenehme Weise gelernt
zu haben, schafft Erfolgserlebnisse und die Motivation, sich weiterhin mit der
Fremdsprache zu beschäftigen.

(Erweitert nach Gruber, 1986, M.E.)

Literaturverzeichnis:

Gruber, Chr: Über das Problem

des Wegbleibens von Teil-
nehmern. In: Müller, K. R.:
Kurs- und Seminargestal-
tung. Ein Handbuch für
Dozentinnen und Kurslei-
ter. München: Hueber
2.Aufl. 1986, 122-134.

Geißler, K. A.: Anfangssituationen.

Was man tun und besser
lassen sollte. Weinheim:
Beltz1991.

• Bin ich nach der Stunde „abgeschafft“, oder

habe ich die Arbeit mit der Gruppe als eine
Möglichkeit aufgefaßt, eine kurze Teilzeit
des Lebens, nämlich die Unterrichtszeit zu
genießen?

Denn: Ist es nicht auch ein Ziel des Deutsch-

unterrichts, Menschen zusammenzuführen und
nicht abstrakte, sondern konkrete Zwischen-
menschlichkeit im Klassenraum zu prakti-
zieren?

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Auf den ersten Blick scheinen die
Unterschiede zwischen der schwedi-
schen und der deutschen Art zu kom-
munizieren klein zu sein. Erfahrungen
in der Kommunikation zwischen
Schweden und Deutschen zeigen
jedoch, daß es immer wieder zu typi-
schen Mißverständnissen kommt. Im
folgenden Beitrag zeigen Lehrer aus
Schwedens größter Organisation für
Erwachsenenbildung, wie sie das
Bewußtsein für interkulturelle Unter-
schiede und das Gesprächsverhalten
in interkulturellen Kontaktsituationen
schulen.

Nicht nur in der europäischen Gemein-

schaft werden Kontakte und Zusammenarbeit
zwischen Menschen verschiedener Kulturen
immer häufiger. Dabei kann es leicht zu Mißver-
ständnissen kommen. Die Vermittlung interkul-
tureller Aspekte ist ein wichtiges Lernziel des
kommunikativen Sprachunterrichts, weil da-
durch eine bessere Verständigung zwischen
den Gesprächspartnern erreicht werden kann.
Unser Unterricht umfaßt daher nicht nur
sprachliche, sondern auch nichtsprachliche
Aspekte wie z.B.:
• Welchen Abstand habe ich zu meinem

Gesprächspartner?

• Welche Körpersprache verwende ich?
• Wie direkt sage ich meine Meinung?

„Fehler”, die in diesem Bereich gemacht

werden, werden vom muttersprachlichen Ge-

sprächspartner oft nicht als kulturelle Unter-
schiede erkannt. So entstehen Mißverständ-
nisse. Die Kommunikation scheitert, ohne daß
die Gesprächspartner überhaupt bemerken
warum.

Welche interkulturellen Unterschiede im

Unterricht behandelt werden müssen, hängt
natürlich von den jeweiligen Sprachen und Kul-
turen ab. Im folgenden geben wir einige konkre-
te Beispiele aus unserer Arbeit. Einige unserer
Unterrichtsverfahren lassen sich sicher auch
auf den Deutschunterricht mit Erwachsenen
anderer Muttersprachen übertragen.

Typische deutsch-schwedische

Mißverständnisse

Zwei typische deutsch-schwedische Mißver-
ständnisse betreffen die Art, wie Gesprächs-
partner in einer Unterhaltung aufeinander ein-
gehen:

1. In Schweden ist es eine Regel, daß man

den Gesprächspartner zu Ende sprechen läßt
(„låta någon prata till punkt“). Dabei entsteht
oft am Ende eines Gesprächsbeitrags eine Pau-
se von einer guten Sekunde. Deutschsprachige
Partner werden von Schweden oft als aggressiv
und dominant empfunden, wenn sie die entste-
hende Pause benutzen, um selbst zu Wort zu
kommen.

2. Zeichen des Zuhörens und Dabeiseins wie

z.B. „Mhm“, „Ja,“ „Richtig“, Kopfnicken oder
Augenkontakt werden in Schweden wesentlich
weniger verwendet. Höfliches schwedisches
Sprechverhalten, d. h. schweigendes Zuhören
und sehr wenige non-verbale Signale, wird
jedoch vom deutschsprachigen Partner oft als

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56

Unterrichtsverfahren und Inhalte

Von Wolfgang Baat, Thomas Lüthi, Kerstin Namuth-Finnilä

Interkulturelle
Unterschiede in
Gesprächs-
situationen

DEUTSCHE

UND

SCHWEDEN:

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

mangelndes Interesse oder Nichtverstehen
gedeutet.

Bei der Arbeit im Unterricht gilt es zu-

nächst, unterschiedliches Verhalten bewußtzu-
machen und die Einstellung der Lernenden,
daß die Verhaltensmuster des eigenen Landes
„die richtigen und natürlichen“ sind und „dem
gesunden Menschenverstand“ entsprechen, zu
überwinden. Danach kann man das deutsche
Gesprächsverhalten so üben, daß es sinnvoll
verwendet werden kann.

Bewußtes und unbewußtes

Lernen

Wir wechseln zwischen Lern- und Arbeitspha-
sen ab, bei denen die Bewußtmachung eine
unterschiedliche Rolle spielt.

Bewußtes Lernen erfolgt unter anderem

durch:
Introspektion/„Nabelschau“: Wir bitten die

Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ihr eige-
nes Verhalten zu definieren, z.B. mit der Fra-
ge, was ihrer Meinung nach Kennzeichen
gelungener oder nicht gelungener Kommuni-
kation sind. Dann wird die Frage aufgewor-
fen, ob diese Kriterien für Kommunikation
an sich gelten oder typisch schwedisch sind.

Beobachten: Die Teilnehmer beobachten

Gespräche in der Muttersprache bzw. in der
Fremdsprache, z.B. Szenen aus einem Video
und stellen Merkmale fest, die ihnen an der
Unterhaltung auffallen.

Vergleichen: Wir stellen Material aus der

Mutter- und der Zielsprache gegenüber und
lassen die Teilnehmer Vergleiche ziehen,
z.B.: Wie hält man das Gespräch in Gang?
Wie ermutigt man den Partner zum Weiter-
sprechen? Wie signalisiert man das Ende
eines Gesprächsbeitrags?

1

(Teilweise) unbewußtes Lernen geschieht

durch:
Die Lehrperson: Sie bietet durch ihr eigenes

Verhalten und ihre eigenen Reaktionen ein
Modell an, mit dem die Teilnehmer Erfahrun-
gen mit dem deutschen Sprechverhalten
machen und an dem sie ihr eigenes Sprech-
verhalten formen können. Bis zu welchem
Grad letzteres dann geschieht, wird individu-
ell unterschiedlich sein.

Einen deutschsprachigen Kontext: Wir stellen

von Anfang an den ganzen Unterricht in
einen deutschsprachigen Zusammenhang:
es wird so wenig Schwedisch wie möglich
gesprochen, und der Lehrer regt die Teilneh-
mer zu deutschem Gesprächsverhalten an.

Für unsere Arbeit setzen wir drei sprachli-

che Stufen an:
1. Stufe: unter der Ebene des Zertifikats Deutsch

als Fremdsprache;

2. Stufe: auf der Ebene des Zertifikats;
3. Stufe: über der Ebene des Zertifikats.

Für jede Stufe werden wir im folgenden Bei-

spiele zu Lerninhalten sowie methodische Vor-
schläge bringen.

Die erste Stufe:

Hier kann man auf die typischsten Unterschie-
de zwischen deutschem und schwedischem
Gesprächsverhalten hinweisen. Dazu gehört
z.B. das schwedische „Du“ im Gegensatz zum
deutschen „Du/Sie”“. Allgemein verbreitete Auf-
fassungen „Wie verhält sich ein typischer Deut-
scher?“ können auf deutsch oder auf schwe-
disch diskutiert werden. Auf dieser Stufe wer-
den auch interaktive Elemente wie „hm“, „Ja?“
oder „ ... , ne?“ besprochen.

Die deutsche Anrede

1. Umfrage: Was unterscheidet die deutsche

und die schwedische Anrede?

2. Ein einfacher Text, z.B. eine Todesanzeige,

auf der alle Titel aufgeführt sind (Professor,
Dr., Dr. h.c.), wird bearbeitet.

3. Kurzer Videoausschnitt, z.B. Loriots „Die

Herren im Bad“

2

, wo sich die beiden Herren

trotz der intimen Situation formell korrekt
ansprechen. (Natürlich muß den Teilneh-
mern hier deutlich gemacht werden, daß es
sich um eine satirische Darstellung handelt).

In Deutschland gilt:
• Die Anrede mit dem Familiennamen, z. B.

Herr Müller/Frau Meier, ist unter nicht näher
bekannten erwachsenen Personen die
Norm. Der Übergang zum „Du“ kann bei
näherer Bekanntschaft erfolgen, muß aber
gemeinsam „beschlossen“ werden.

• Ein akademischer Titel ist in Deutschland

etwas, das man sich verdient hat und auf das
man „mit Recht stolz ist“; deshalb werden
habilitierte Professoren und Promovierte
mit dem Titel angeredet (Herr Prof. Schmidt,
Frau Dr. Schulz), während die Schweden dies
als Angeberei werten. (Allerdings ist die
Anrede mit dem Titel in Deutschland kein
Muß. Auch gibt es viele, vor allem jüngere
Leute, die für sich selbst keinen Wert darauf
legen.)

• Die Unterscheidung „Du / Sie“ entspricht oft

auch der Unterscheidung Privat- bzw.
Berufsleben.

Zum Einüben dienen uns kurze Dialoge und

Rollenspiele. Die praktische Anwendung erfolgt
in der „deutschen“ Realität des Klassenzim-

57

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

mers, wo wir Wert auf die korrekte Anrede
legen.

Die deutsche Intonation

1. Kurze deutsche und schwedische Textaus-

schnitte werden angehört und auf einer Ska-
la von 1 - 5 nach Klang und Akzent (hart -
weich), Tempo (schnell - ruhig), usw. einge-
stuft.

2. Deutsche und schwedische Fragen werden

angehört und verglichen. Das Steigen und
Fallen der Stimmhöhe wird als Kurve festge-
halten. (Zeichnen oder Handbewegung).

3. Ein Teilnehmer liest einen schwedischen

Text mit „deutschem Akzent“ vor. Die ande-
ren kommentieren, wieso das „deutsch“
klingt. Z.B.: Die deutsche Sprache wird von
Schweden als hart und schnell empfunden,
da das Deutsche keine melodischen Akzente
kennt (vgl.: „singende“ schwedische Aus-
sprache).

4. Um den deutschen Akzent zu üben, können

die Teilnehmer während des Lesens den
Rhythmus auf den Tisch klopfen oder bei
Fragen die Stimmhöhe mit Handbewegungen
markieren. Auch später kann der Lehrer
Intonationsfehler einfach dadurch korrigie-
ren, daß er den korrekten Rhythmus oder
die korrekte Stimmhöhe mit Handbewegun-
gen andeutet.

„Den språkliga pausen“

3

Die sprachliche Pause

Der Informationstext im Kasten unten kann im
Unterricht behandelt oder als Hausaufgabe
gegeben werden. Auf dieser Stufe verwenden
wir noch den schwedischen Text, haben ihn
hier aber zum besseren Verständnis übersetzt.

Die beiden Systeme funktionieren natürlich

ausgezeichnet in den jeweiligen Ländern, aber
was passiert, wenn ein Schwede und ein Deut-
scher sich unterhalten wollen?

Der Deutsche wartet die sprachliche Reakti-

on des Schweden (nach der Pause) nicht ab,
sondern denkt: Hat er mich nicht verstanden?
(und wiederholt das Gesagte) oder: Will er nicht
antworten?
(aus taktischen Gründen?) oder:
Kann er nicht antworten? (aus Intelligenzgrün-
den?). In dieser Situation fühlt sich der Deut-
sche unwohl, er versucht, den Schweden zu
einer Antwort zu provozieren und erntet höch-
stens ein höfliches Lächeln, da der Schwede
seinerseits ja darauf wartet, daß der Deutsche
mal eine Pause macht, um ihn zu Wort kommen
zu lassen. Ein interkultureller Teufelskreis!

Die zweite Stufe:

Auf dieser Stufe, die dem Niveau der Zertifikats-
prüfung entspricht, werden die sprachlichen
Mittel erweitert und vertieft, z.B. mit Redewen-
dungen, die dazu dienen, die eigene Meinung
auszudrücken, Kritik anzubringen u.s.w..

Unterrichtsformen für die Arbeit mit
Redewendungen

Redewendungen bewerten: Die Teilnehmer

erhalten eine Liste mit Redewendungen zum
Thema „Die eigene Meinung ausdrücken”
und bewerten die einzelnen Redewendun-
gen auf einer Skala von „vorsichtig formu-
liert“(1) bis zu „knallhart“(5).

Redewendungen anwenden: Die Teilnehmer

suchen sich aus der obigen Liste einen oder
zwei Ausdrücke für jede Kategorie aus, die
ihrem Sprachgebrauch und ihrer Persönlich-

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Wenn ein Schwede spricht, darf er immer „bis zum Punkt“
sprechen, ein Ausdruck der schwedischen Höflichkeit.
Zwischen den Sätzen entsteht eine kleine Pause:

S1: „Ich war in der Van-Gogh Ausstellung.” (Kleine Pause)
S2: „Ja, ich auch, war ganz toll.“ (Kleine Pause)
S1: „Haben Sie das eine Bild gesehen, das mit den Blumen?“

S1 ________>. __________>.

S2 _________>.

Die meisten Nicht-Schweden kennen diese Pause nicht,
sondern beginnen direkt zu sprechen, wenn der Beitrag des
Gesprächspartners zu Ende geht. Das kann dazu führen, daß
während einer kurzen Gesprächsphase mehrere Personen
gleichzeitig sprechen (für schwedische Ohren ein totales
Durcheinander von Stimmen):

D1: „Ich war in der Van-Gogh

/Ausstellung/.“

D2: „/Ja, ich auch /, /war ganz toll/.“
D1: „ /Hm?/ /Ja! Haben Sie das/ eine Bild gesehen,

das mit den Blumen?“

(“/... /” = überlappendes Sprechen)

D1 _________>. ________>.

D2

__________>. ______>.

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

keit entsprechen, und wenden sie in einer
anschließenden Diskussion an.

In den Übungs- und Anwendungsphasen

arbeiten wir auf konkrete Sprechsituationen
hin:
• Isolierte Teile eines Gesprächsverlaufs wer-

den in Kleingruppen eingeübt, z. B.: „Wie
komme ich in einer Diskussion zu Wort?“,
„Wie unterbreche ich im richtigen Moment?“
Ein Teilnehmer äußert sich zu einem Thema,
z. B. „Hamburg ist die kulturell bedeutendste
Stadt in Deutschland“
, und die anderen Teil-
nehmer reagieren zustimmend oder ableh-
nend.
Der Lehrer kann dabei mit Handzeichen das
Diskusssionverhalten (Pausen, „Kampf“ um
die Sprechzeit usw.) steuern.

• Die eingeübten Teile werden in größere

Situationen eingebaut. Die Teilnehmer
bekommen Rollenkarten mit Aufgaben. Die
Palette der situativen Vorgaben reicht von
relativ einfachen Situationen wie „um Aus-
kunft bitten“ bis zu komplexeren Rollenspie-
len, wie z. B. ”Mieterversammlung“

4

, bei der

die Rollen teilweise widersprüchliche Inter-
essen, die zu Konflikten führen, vertreten.

Gutes Material für diese Stufe bieten die Videos
von Loriot.

Die dritte Stufe:

In Kursen über dem Zertifikatsniveau geht es
verstärkt um Fragen von Register und Stil, um
Gesprächskonventionen sowie um kulturelles
Hintergrundwissen.

Hier bietet sich ein weites Feld von Arbeits-

formen und -materialien:
Authentisches Printmaterial: Wir verwenden

Material aus deutschen Zeitungen und Maga-
zinen usw. (z.B. Artikel über die Mentalität
verschiedener Völker);

Videos: Für die Arbeit mit ganzen Spielfilmen

gibt es eine ausgezeichnete Handreichung
des Goethe-Instituts

5

, die auch interkultu-

relle Aspekte aufgreift;

Authentische Aufzeichnungen (Tonkasseten,

Videos), anhand derer Register, Stil und
Gesprächsverhalten beobachtet und ausge-
wertet werden können;

Fragebögen: Die Teilnehmer werden gebeten,

zu verschiedenen Aussagen und Fragen Stel-
lung zu nehmen. Als Beispiel kann hier der
nebenstehende Fragebogen zur Interkul-
turellen Kommunikation dienen;

6

• Die Teilnehmer erarbeiten eigenes Material

(z.B. für Vorträge);

59

FRAGEBOGEN:

Interkulturelle Kommunikation

bei Geschäftsverhandlungen

(Ausschnitt))

Bitte gehen Sie zu zweit oder zu dritt die einzelnen Fragen durch, und
wählen Sie diejenigen Punkte aus, wo Sie die markantesten Unterschiede
zwischen Ihrem Land und dem der Zielsprache sehen.

1. Zeit

• Wie wichtig ist es, daß eine Sitzung zur angegebenen Zeit beginnt?

• Wie schnell geht man zur Tagesordnung über?

• Wie lange dauert eine Sitzung/Besprechung/Konferenz?

2. Der Rahmen

• Wer wird zur Sitzung eingeladen?

• Wie wird die Sitzung einberufen? (Wer lädt ein, welche Unterlagen

werden der Einladung beigefügt?)

• Wie gut bereitet man sich vor?

• Was ist das Ziel der Sitzung (Meinungsaustausch, Konsens, Überzeugen

der Gegenpartei, Beschlüsse)?

• Wird ein Protokoll geführt und wenn ja, wie, und an wen wird es

geschickt?

• Wie genau hält man sich an die Tagesordnung?

• Wie wichtig ist die Sitzordnung?

• Welche Rolle spielt die Sitzhaltung (aufrecht, zurückgelehnt, mit aufge-

stützten Ellenbogen)?

• Wie sollten die Unterlagen aussehen /eigene Unterlagen und

Präsentationsmaterial?

• Darf im Konferenzraum geraucht werden?

• Gibt es (Kaffee-) Pausen?

3. Verhalten der Teilnehmer

• Wer leitet die Sitzung und wie?

• Wer spricht zuerst?

• Wie wird das Wort ergriffen bzw. verteidigt?

• Muß der Vorgesetzte sprechen, auch wenn er sachlich nichts

beizutragen hat?

• Wie direkt werden Meinungsverschiedenheiten angesprochen?

• Wie aggressiv werden Standpunkte verteidigt?

• Ist ein „Ja“ ein „Ja“ und ein „Nein“ ein „Nein“?

• Wie ist der Ton zwischen Kollegen in einer formellen Sitzung (werden

Duzkollegen gesiezt?)?

(entworfen von Kerstin Namuth, Thomas Lüthi 1993)

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Assoziogramme: Lehrer und Teilnehmer tra-

gen gemeinsam Redewendungen für be-
stimmte Situationen zusammen.

• Konsequent deutsches Sprechverhalten üben:

Elemente, die in der schwedischen Sprache
weniger ausgeprägt sind – fehlende Pausen
zwischen den einzelnen Beiträgen, schnelles
Wahrnehmen von Sprechmöglichkeiten, Ver-
handeln um Sprechzeit etc. – werden so lan-
ge geübt, bis sie ein natürlicher Bestandteil
des Unterrichts sind. Hier kann man mit
Gesprächsvorgaben wie z. B. auf dem neben-
stehenden Arbeitsblatt

7

„Small Talk“ arbeiten.

Rollenspiele und Simulationen zu Zielvorga-

ben, die über Verhandlungen und Zusam-
menarbeit erreicht werden müssen. Unvor-
hergesehene, zusätzliche Schwierigkeiten
können eingebaut werden.

Da Simulationen recht lang dauern können,
kann der Lehrer bei Bedarf unterbrechen,
um Tips und Kommentare zu geben. Je nach-
dem können auch spezifische Redemittel,
z. B. „Wie weicht man unangenehmen Fragen
aus?“
noch einmal aufgegriffen werden.

• Organisierte Kontakte mit deutschen Spre-

chern. Gastvorträge, Besuch von deutschen
Veranstaltungen, Besuche in Deutschland,
etc.

Die Arbeit mit interkulturellen Unterschieden
wird im Sprachunterricht immer wichtiger und
eröffnet ein vielschichtiges und faszinierendes
Unterrichtsfeld. Nach unserer Erfahrung sind
die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dafür
sehr leicht zu motivieren. Auch der Lehrer/die
Lehrerin gewinnt ständig neue Eindrücke, und
alle haben jede Menge Spaß.

Literaturverzeichnis:

1 Michael McCarthy: Discourse Analysis for Language Teachers,

Cambridge: CUP 1991.

2 Loriot: Loriots Bibliothek, Herren im Bad. Radio Bremen 1984.
3 Baat, W.: Schweden-Fehler. Göteborg: Folkuniversitetet 1987.
4 Baat, W.: Mieterversammlung. Göteborg: Folkuniversitetet 1989.
5 Bechtold, G./ Gericke - Schönhagen, D.: Spielfilme im Unterricht.

München: Goethe-Institut 1991.

6 Namuth, K./ Lüthi, Th.: ICC-Kursleiterfortbildung „Deutsch im

Beruf“. Erscheint Anfang 1994 (adapt. Finlay A./ Hughes G./
Jore, M./ Köster, A./ Lüthi, Th./ Namuth, K./ Schmid, A.: ICC-
Teacher-Training English for Business Purposes )

7 Lüthi, Th.: Deutsch für internationale Kontakte. Göteborg: Folk-

universitetet 1992.

Sprecher 1

Sprecher 2

Sprecher 3

D

E U T S C H U N T E R R I C H T M I T

E

R W A C H S E N E N

60

Machen Sie eine
Bemerkung über das
Wetter.

Arbeitsblatt: „Small Talk“

„Letzes Jahr war das
Wetter besser/
schlechter.“

Beantworten Sie die
Frage, und bitten Sie
Sprecher 2 um seine
Meinung.

Ja, Sie finden es ganz
interessant.

Nein, Sie haben aber
schon viel davon
gehört.

Fragen Sie Sprecher
1, was er von der
Preisentwicklung hält.

Stimmen Sie zu, und
geben Sie ein Beispiel
für ein Produkt, das
auch stark im Preis
gestiegen ist.

Sie finden auch, daß
alles immer teurer
wird.

Beantworten Sie die
Frage, und fragen Sie
Ihre Partner, ob sie
das neue Buch über
Marketing in
Deutschland schon
gelesen haben.

Geben Sie ein
Beispiel für ein
Produkt, das stark im
Preis gestiegen ist.

Stimmen Sie zu, und
fügen Sie hinzu, daß
zur Zeit alles teurer
wird.

OFFENES ENDE

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

61

Erwachsenenbildung,
Weiterbildung, Fortbil-
dung, Andragogik

Im deutschen Sprachraum
werden verschiedene Be-
griffe für die Bildungsar-
beit mit Erwachsenen ver-
wendet, die nicht immer
leicht voneinander abzu-
grenzen sind: So bezieht
sich der Begriff Erwachse-
nenbildung
seit den 50er
Jahren auf organisierte
Lernprozesse für Erwach-
sene, was im wörtlichen
Sinn z. B. auch auf Abend-
kurse zur Erlangung von
Schulabschlüssen oder Stu-
dien an Universitäten an-
gewendet werden kann.

Als Abgrenzung zur

Erstausbildung und zum
Lernen in formalen Bil-
dungsinstitutionen

werden

seit den 70er Jahren die
Begriffe Fort- und Weiter-
bildung
benutzt. Sie be-
zeichnen einen Lernpro-
zeß, der nach dem Ab-
schluß der Ausbildung
und nach Aufnahme einer
Berufstätigkeit im Sinne
des Konzepts vom lebens-
langen Lernen
stattfindet.
Dabei zielt Weiterbildung
meist auf neue berufsbe-
zogene Qualifizierungen,
während Fortbildung eher
die Aktualisierung vor-
handener Qualifikationen
meint, z. B. in Form einer
betriebsinternen Fortbil-
dung.

Die allgemeine Er-

wachsenenbildung (etwa
in Volkshochschulen) be-
schäftigt sich mit allen
Aspekten des individuellen
und gesellschaftlichen Le-
bens von Erwachsenen
und wird sehr unterschied-
lich, teils kommunal
(Volkshochschulen) teils
in privaten Einrichtungen
organisiert. Die wissen-
schaftliche Beschäftigung

mit dem Lernen von Er-
wachsenen und die Ausbil-
dung für diesen Bereich
wird in Abgrenzung zur
Pädagogik, die sich ja tra-
ditionell mit dem Lernen
von Kindern beschäftigt,
auch Andragogik genannt.

Literaturhinweise:

Johannes Weinberg: Einführung in

das Studium der Erwachsenen-
bildung. Bad Heilbrunn: Klink-
hardt 1989.

Erhard Meueler: Erwachsene lernen:

Beschreibung, Anstöße, Erfah-
rungen. Stuttgart: Klett-Cotta
2.Auflage 1986.

Baukastensystem,
Zertifikat, Kontakt-
schwelle

Der Einführung eines stan-
dardisierten Systems von
Kursstufen auch für
Deutsch als Fremdsprache
seit Anfang der 70er Jahre
gingen verschiedene Ent-
wicklungen und Absichten
voraus: Zum einen sollten
Lernfortschritte und Zwi-
schenziele
für die Kursteil-
nehmer klarer werden. Die
entsprechenden Prüfun-
gen sollten durch ihre Stel-
lung in diesem Baukasten-
system
sowie durch ihre
nationale und internatio-
nale Verbreitung eine ver-

läßliche Einschätzung der
Sprachkenntnisse, etwa für
fremdsprachliche Anforde-
rungen am Arbeitsplatz
ermöglichen.

Der Erarbeitung von

Stoffkatalogen

und

Zertifi-

katen für Erwachsene la-
gen europäische und na-
tionale Untersuchungen zu
den individuellen Bedürf-
nissen der Lerner sowie
Überlegungen zum gesell-
schaftlichen Fremdspra-
chenbedarf zugrunde.

Listen zum Wortschatz,

zu den benötigten sprach-
lichen Mitteln für den Be-
such im Zielland, zur Pro-
gression oder auch die
Unterscheidung in Verste-
hens- und Verständigungs-
fähigkeit wie z. B. in der
vom Europarat entwik-
kelten „Kontaktschwelle
Deutsch“
haben den Unter-
richt für Lehrende und Ler-
nende seitdem interessan-
ter und realitätsnäher ge-
macht.

Die „Kontaktschwelle“

und Sprachenzertifikate
wie das „Zertifikat Deutsch
als Fremdsprache“
sind
als Stoffkataloge bzw. Prü-
fungen von Unterrichtspla-

nern und Teilnehmern
weitgehend akzeptiert
worden, so daß sie schnell
normierende Kraft ausü-
ben konnten: Fast überall
werden Lehrwerke und
Kursangebote, Prüfungen
und Unterrichtsinhalte in
der Grundstufe vor dem
Hintergrund der Anforde-
rungen für das Zertifikat
Deutsch als Fremdsprache
gestaltet.

Allerdings gibt es auch

Kritik an dieser Entwick-
lung. Sie weist auf den Wi-
derspruch zwischen einer
Verschulung des Lernens
und dem Anspruch an frei-
willige, individualisierte
Lernprozesse bei Erwach-
senen hin. Die Festschrei-
bung der formalen und
thematischen Lernziele so-
wie der Prüfungsformen
stehen der Einbeziehung
von interkulturellen und
selbstverantworteten Lern-
inhalten tendenziell entge-
gen. Auch hat die interna-
tionale Verbreitung von
Lehrwerken, die in erster
Linie für die Situation des
Lernens in Deutschland ge-
staltet wurden, didakti-
sche Probleme der Über-
tragung auf den Unterricht
mit Lernenden gebracht,
die in ihrem Heimatland
und mit entsprechend an-
derer Perspektive Deutsch
lernen.

Literaturhinweise:

Deutscher Volkshochschul-Verband/

Goethe-Institut (Hrsg.): Das
Zertifikat Deutsch als Fremd-
sprache. Frankfurt, 5. Auflage
1992.

Baldegger, Markus/Müller, Martin/

Schneider, Günther: Kontakt-
schwelle Deutsch als Fremd-
sprache. Berlin u. München:
Langenscheidt 1981.

M

ANFRED

E

WEL

Wichtige Begriffe, kurz gefaßt

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

A

Woher können

Lehrkräfte Mate-

rialien beziehen?

Neben den kommerziellen
Verlagen veröffentlichen fol-
gende Institutionen Fachlite-
ratur zum Deutschunter-
richt mit Erwachsenen bzw.
Materialien für den Unter-
richt:

Deutsche Welle
Abt. Hörerpost
50588 Köln:
Wer im Ausland wohnt und
sich für den Radiosprach-
kurs „Deutsch - warum
nicht?“ interessiert, kann
kostenlos die Begleitbücher
in verschiedenen Sprachfas-
sungen zum Selbststudium
anfordern.

Goethe-Institut
Postfach 190419
80604 München:
Verzeichnis der Materialien
des Goethe-Instituts bei
Abt.40, Herrn Nelson, bestel-
len.

Inter Nationes
Kennedyallee 91-103
53175 Bonn:
Nur Institutionen mit
Deutschunterricht im Aus-
land können die Medien aus
dem Katalog der audiovisu-
ellen Medien beziehen.

Pädagogische Arbeitsstelle
des DVV
Holzhausenstr.21
60322 Frankfurt/M:
Liste der Publikationen zur
Erwachsenenbildung anfor-
dern.

Der Aufbaustudiengang
Sprachandragogik
Universität Mainz
Postfach 3980
55099 Mainz
gibt die Reihe „Berichte und
Beiträge zur Wissenschaftli-
chen Weiterbildung” mit
Anregungen zu vielen Aspek-
ten des Sprachunterrichts
für Erwachsene heraus.

B

Wer organisiert

Fortbildungskurse

für Deutschlehrer/

innen in der Erwach-

senenbildung?

Deutsch-französisches
Jugendwerk / DFJW
Rhöndorfer Str.23
53604 Bad Honnef
Tel.: 02224/1808-0
Fax: 02224/1808-52

Kursinhalte:

Fachdidaktik, Methodik,
aktuelle Landeskunde

Zielgruppen:

Lehrkräfte, die in Frank-
reich Deutsch unterrich-
ten

Kurstermine:

Verschiedene Kurse im
Jahr; je nach Thema ein
bis drei Wochen

Kursorte:

Verschiedene Städte in
Deutschland oder Frank-
reich

Jährliche Kursübersicht an-
fordern

* * *

Goethe-Institut Berlin
Hardenbergstr.7
10623 Berlin
Tel.: 030/31 584-0
Fax: 030/312 42 25

Kursinhalte:

Sprache und Landeskun-
de, kulturelle Szene Ber-
lins

Zielgruppen:

Deutschlehrer/innen aus
den Ländern der EG mit
Sprachkenntnissen ent-
sprechend der Mittel-
stufe III

Kurstermine:

Verschiedene Kurse für
je zwei Wochen im Som-
mer

Anmeldung:

Nur über das Goethe-
Institut Berlin

Für diese Kurse können

Sie Stipendien bei Ihrer
nationalen LINGUA-Agentur
beantragen.

* * *

Goethe-Institut, Ref.52
Postfach 190419
80604 München
Tel.: 089/159 21-0
Fax: 089/159 21-450

Kursinhalte:

Fachdidaktik, Methodik,
erlebte Landeskunde,
Fortbildungsdidaktik, In-
terkulturelles Lernen, In-
terkulturelle Germanistik

Zielgruppen:

Lehrkräfte, Lehrerfort-
bildnerInnen und andere
Multiplikatoren im fremd-
sprachigen Ausland

Kurstermine:

Mehr als hundert Kurse
pro Jahr; je nach Thema
ein bis drei Wochen

Kursorte:

Verschiedene Städte in
ganz Deutschland

Bewerbung:

Nur über Goethe-Institu-
te im Ausland; dort jähr-
liche Kursübersicht an-

D

E U T S C H U N T E R R I C H T M I T

E

R W A C H S E N E N

62

Adr

essen, Infos zur Lehr

er

for

tbildung

Die Vielfalt der Erwachsenenbildung in der
Bundesrepublik Deutschland macht es nicht
leicht, sich Übersicht und Orientierung zu
verschaffen. In der folgenden Aufstellung finden
Sie einige nützliche Adressen und Informationen
für die Fortbildung von Lehrkräften.

background image

fordern. Keine Direktbe-
werbung bei Ref.52!

* * *

Eurozentrum Köln
Sedanstr. 31/33
50668 Köln
Tel.: 0221/720831
Fax: 0221/720919

Kursinhalte:

Sprachunterricht,
Methodik, Didaktik, CALL
(Computer Assisted Lan-
guage Learning), Landes-
kunde, Literatur

Zielgruppen:

Lehrer/innen, die im Aus-
land Deutsch unterrichten

Kurstermin:

1994: 11.7. – 30.7.

Kursort: Köln

Jährliche Übersicht anfor-
dern; Spezialkurse auf An-
frage

* * *

Internationaler
Arbeitskreis Sonnenberg
Postfach 2654
38016 Braunschweig
Tel.: 0531/49242
Fax: 0531/42512

Kursinhalte:

Internationale Tagungen
zur Erwachsenenbildung,
zu gesellschaftspoliti-
schen und fachdidakti-
schen Themen; Seminare
zur aktuellen Landes-
kunde

Zielgruppen:

Lehrkräfte und Fachdi-
daktiker

Kurstermine:

Verschiedene Tagungen
im Jahr; je nach Thema
mehrere Tage bis zu zwei
Wochen

Kursort:

Haus Sonnenberg im
Oberharz

Aktuelles Jahresprogramm
anfordern.

Pädagogische Arbeitsstelle
des DVV
Holzhausenstr.21
60322 Frankfurt/M.
Tel.: 069/154005-47
Fax: 069/154005-38

Kursinhalte:

Fachdidaktik, Entwick-
lung von Unterrichtsma-
terialien, Interkulturelles
Lernen im Tandem

Zielgruppen:

Fremdsprachenlehrer/in-
nen in der Erwachsenen-
bildung im In- und Aus-
land, Lehrerfortbildner/
innen

Kurstermine:

Zwei Wochen im Sommer

Kursorte:

Verschiedene Städte

Info zu Stipendien und jähr-
liche Kursübersicht anfor-
dern.

Darüber hinaus bieten

die Volkshochschulverbän-
de der einzelnen Bundeslän-
der Kurse in verschiedenen
Städten zur Einführung und
Fortbildung für Lehrkräfte
an Volkshochschulen an.

* * *

Sprachinstitut Tübingen
Eugenstr.71
72072 Tübingen
Tel.: 07071/9354-0
Fax: 07071/38457

Kursinhalte:

Fachdidaktik, Neurobio-
logie und Sprache, Inter-
aktion im Unterricht,
aktuelle Landeskunde,
Hören und Sprechen

Zielgruppen:

Lehrkräfte und Lehrer-
studenten

Kurstermine:

Verschiedene Kurse im
Jahr; je nach Thema
mehrere Tage bis zu zwei
Wochen

Kursorte:

Tübingen oder München

Aktuelles Jahresprogramm
anfordern.

* * *

Folgende Universitäten ver-
anstalten 1994 spezielle Kur-
se für Deutschlehrer/innen:
• Humboldt-Universität Ber-

lin:
21.07.–10.08.: Landeskun-
de und deutsche Sprache

• Technische Universität

Chemnitz:

14.08.–04.09.:

Fachkommu-

nikation
• Technische Universität

Dresden:
01.08.–21.08.: Fachkom-
munikation

• Universität Leipzig, Her-

der-Institut:
12.07.–31.07.: Deutsch als
Fremdsprache in Theorie
und Praxis

Das Herder-Institut Leipzig
bietet zusätzlich einen Lan-
deskundekurs an:
08.05.–15.05.: Thema: Sach-
sen – ein Bundesland im
Osten Deutschlands verän-
dert sein Gesicht.
Info: Herder-Institut der Uni-
versität Leipzig, Kursbüro,
Lumumbastr. 4, D-04105 Leip-
zig. Tel.: 03 41/5 63 20, Fax:
03 41/29 24 35

* * *

Deutschlehrer sind auch

in den Sommerkursen der
folgenden Universitäten will-
kommen, die sich mit litera-
tur- und kulturkundlichen
Themen an einen breiteren
Teilnehmerkreis wenden:
• Friedrich-Schiller-Univer-

sität Jena

• Institut für internationale

Kommunikation und Kul-
turarbeit Bayreuth

• Heinrich-Heine-Universi-

tät Düsseldorf

• Pädagogische Hochschule

Erfurt

• Albert-Ludwigs-Univer-

sität Freiburg

• Universität Trier
• Eberhard-Karls-Univer-

sität Tübingen

Nähere Informationen und
Adressen sowie Hinweise
auf weitere Kurse für Studie-
rende des Deutschen als
Fremdsprache finden Sie in
der DAAD-Broschüre „Som-
merkurse in der Bundesre-
publik Deutschland“, zu
beziehen beim DAAD, Ken-
nedyallee 50, D-53175 Bonn.

63

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

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Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93

Denk mal! – Denkmale

Denkmal: Erinnerung – Mah-
nung – Ärgernis …

… so lautete das Thema des
13. Schülerwettbewerbs Deut-
sche Geschichte um den Preis

des Bundespräsidenten 1992.
Die 11559 Teilnehmer unter-
suchten alles, was die Erinne-
rung an Historisches und
Gegenwärtiges wachhält: ver-
fallen(d)e Industrieanlagen und
Abbruchhäuser, Hexensteine,
jüdische Friedhöfe, Brunnenfi-
guren, Gefallenen-Gedenkstei-
ne, Standbilder, Wegekreuze,
Schiffswracks, Grenzzäune,
Burgen, Brücken Türme ... ,
aber auch viele veritable „Hel-
dendenkmäler“ und deren
wechselvolle Geschichte. Das
Heft SPUREN SUCHEN, 7. Jg./

1993 dokumentiert einige der
eingesandten Arbeiten mit zahl-
reichen Abbildungen, darunter
z. B. auch das Projekt, das dem
Hermannsdenkmal im Teuto-
burger Wald gewidmet ist.

Das Heft kann gegen eine
Gebühr von DM 3,– bei
„Schülerwettbewerb Deutsche
Geschichte“ Körberstiftung,
Kampchaussee 10, D-21033
Hamburg bestellt werden.

Sie interessieren sich für

Deutsch als Fremd-
sprache in der Schweiz
oder in Österreich?

Hier die Adresse des „Arbeits-
kreis DaF in der Schweiz“:

Postfach 317, CH-82026 Zürich,
Tel.: 01/2412233.

Der Arbeitskreis gibt eine Bro-
schüre heraus mit Fachbeiträ-
gen und Tagungsberichten
sowie regelmäßigen Hinweisen
auf Veranstaltungen zur Lehrer-
fortbildung in der Schweiz.

Und die Adresse des Vereins
Österreichischer Lehrerver-
band Deutsch als Fremdspra-
che (ÖDaF):

ÖDaF, Ludo Hartmannplatz 7,
A-1160 Wien.

Der Verein gibt die Broschüre
„ÖDaF Mitteilungen“ heraus mit
Fachartikeln und Informationen
über Deutsch als Fremdspra-
che in Österreich.

D

E U T S C H U N T E R R I C H T M I T

E

R W A C H S E N E N

64

20.02.–26.02.

Internationale Sonnenberg-Tagung:

Sonnenberg

Was ist schwierig im Unterricht Deutsch
als Fremdsprache?
Info: Internationaler Arbeitskreis
Sonnenberg, Postfach 2654,
D-38016 Braunschweig.

24.02.–26.02.

18. Arbeitstagung des ’Arbeitskreis der

Bochum

Sprachenzentren, Sprachlehrinstitute und
Fremdspracheninstitute’ (AKS):
Interkulturelle Dimensionen der Fremd-
sprachenkompetenz.
Info: Clearing-Stelle des AKS,
Ruhruniversität Bochum, D -44780
Bochum.

28.03.– 01.04.

4. Kongreß der Fédération Internationale

Hamburg

des Professeurs des Langues Vivantes
(FIPLV) und des FMF: Die Sektion Deutsch
als Fremdsprache im FMF veranstaltet
ein eigenes Programm.
Info: Prof. Hans-Jürgen Krumm, Am Tie
20, D-21075 Hamburg.

11.04.–14.04.

2. Internationale Konferenz über

Plymouth/England “Language Awareness”.

Info: Rod Bolitho/Tony Wright, INTEC,
College of St Mark and St John, Denford
Road, Plymouth PL6 8BH, UK.

19.07.–23.07

Blickwinkel.

3. internationaler Kongreß

Düsseldorf

der Gesellschaft für interkulturelle
Germanistik. Info: Dr. Gerhard Stötzel,
Germanistisches Seminar, Universität,
Universitätsstr. 1, D-40225 Düsseldorf.

08.08.–13.08.

Kongreß der Deutschlehrer in Ost- und

Beijing/China

Südostasien: Deutsch in und für Asien.
Info: Claus Ohrt, Angen, S-56034
Visingsö, Schweden.

22.08.–26.08.

6. Internationale Konferenz über

York/England

Funktionale Grammatik.
Info: Dr. J Connoly, Department of
Computer Studies, Loughborough
University of Technology, Loughborough,
Leicestershire, UK.

Sommer 94

ICC-Multiplikatorenseminar: Deutsch als
Fremdsprache für Erwachsene.
Info: Pädagogische Arbeitsstelle des DVV,
Holzhausenstr.21, D-60322 Frankfurt/M.

Was Sie schon immer über Deutsch als Fremd-
sprache in der Bundesrepublik Deutschland
wissen wollten ...

Sie finden es in der Sondernummer von FREMDSPRACHE
DEUTSCH
, die zur X. Internationalen Deutschlehrertagung
erschienen ist: Institutionen, Zeitschriften, Jahrbücher, wich-
tige Neuerscheinungen, empfehlenswerte Jugendbücher,
Verlagsadressen, Informationen über das Studium in den
deutschsprachigen Ländern usw. usf. Das Heft (Bestellnum-
mer 675518) kann gegen eine Schutzgebühr von DM 8,–
bestellt werden bei: Foto +Medien Vertrieb, Gutenbergstr. 11,
D-82205 Gilching.

T E R M I N E 1 9 9 4

background image

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93

65

Fremdsprache Deutsch Sondernummer ’93/II

Wolfgang Baat

Folkuniversitetet

Vasagatan 21

Box 3059

SV 400 10 Göteborg

SCHWEDEN

Deutschlehrer bei Folkuniversitetet;

Autor von Materialien für Deutsch als

Fremdsprache; Lehrerfortbildung;

Leiter des „Self Access Centre“ in

Göteborg.

Martin Bode

Goethe-Institut

G. P. O. Box 5531

HONGKONG

Deutschlehrer am Goethe-Institut Hong-

kong; Schwerpunkte: Lehrerfortbil-

dung, authentische Materialien im

Unterricht.

Dr. Don Brady

Department of English

Kutztown University

Kutztown

Pennsylvania 19530

USA

Professor für Englisch; Schwerpunkte:

Vergleichende Literatur, Kreatives

Schreiben; lernt seit 1988 Deutsch.

Helena Dalhoff

Via A. Musa, 9 int. 6

I-00161 Rom

ITALIEN

Deutschlehrerin am Goethe-Institut

Rom; Lehraufträge an den Universitä-

ten Rom und Bonn.

Cristina Diaz

Goethe-Institut

Moròn 265

5500 Mendoza

ARGENTINIEN

Deutschlehrerin am Goethe-Institut

Mendoza; Lehrauftrag an der „Univer-

sidad Nacional de Cuyo“; tätig in der

Lehrerfortbildung.

Manfred Ewel

Goethe-Institut München

Helene-Weber-Allee 1

D-80637 München

Dozent am Goethe-Institut München;

tätig in der Lehreraus- und -fortbil-

dung.

Rainer Hofmann

Goethe-Institut Freiburg

Wilhelmstr. 17

D-79098 Freiburg

Deutschlehrer am Goethe-Institut Frei-

burg; Betreuung der Mediothek.

Ulrich Hornig

did • deutsch-institut Frankfurt

Großer Hasenpfad 1

D-60598 Frankfurt/Main

Leiter des did-Instituts in Frankfurt;

Pädagogischer Leiter der

Gesamtorganisation; Kursplanung und

Lehrmaterialien.

Kerstin Namuth-Finnilä

Folkuniversitetet

Vasagatan 21

Box 3059

SV- 400 10 Göteborg

SCHWEDEN

Deutschlehrerin bei Folkuniversitetet;

Materialen für Deutsch als Fremdspra-

che; Lehrerfortbildung.

Saw Puay Lim

Goethe-Institut

G.P.O. Box 5531

HONGKONG

Ehemalige Englischlehrerin; jetzt Jour-

nalistin in Hongkong.

Thomas Lüthi

Folkuniversitetet

Vasagatan 21

Box 3059

SV-400 10 Göteborg

SCHWEDEN

Deutschlehrer bei Folkuniversitetet; Au-

tor von Materialien „Deutsch für inter-

nationale Kontakte“; tätig in der Lehr-

erfortbildung.

Dr. Manfred Schewe

Carl von Ossietzky Universität

Fachbereich 11/Literatur- und

Sprachwissenschaften

Ammerländer Heerstr. 114

D-26129 Oldenburg

Lehrbeauftragter für Theorie und Pra-

xis dramapädagogischen Lehrens und

Lernens am FB 11 der Universität Ol-

denburg.

Petra Schulze-Lefert

Eurozentrum Köln

Sedanstr. 31–33

D-50668 Köln

Deutschlehrerin am Eurozentrum Köln;

Leitung der Mediothek; Schwerpunkte:

Selbstudienberatung, moderne Medien,

CALL (Computer Assisted Language

Learning)

Fremdsprache Deutsch

Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts

herausgegeben vom
Vorstand des Goethe-Instituts
und
Hans-Jürgen Krumm
Gerhard Neuner
Hans-Eberhard Piepho

im Verlag Klett Edition Deutsch, München

Schriftleitung: Elisabeth Lattaro, Ref. 41 Goethe-Institut

Redaktionsbeirat des Goethe-Instituts: Klaus Fischer,
Bernd Kast, Hendrik Kloninger, Karl-Heinz Osterloh

Korrespondierendes Mitglied: Diethelm Kaminski (Zentralstelle für das
Auslandsschulwesen)

Verantwortlicher Themenheftherausgeber: Manfred Ewel

Redaktion: Eva-Maria Jenkins
Satz und Gestaltung: Hans-Werner Klein
Anzeigenleitung: Verlag Klett Edition Deutsch

Druck: Ludwig Auer GmbH, Donauwörth

Umschlagfoto Goethe-Institut

Themen der nächsten Hefte:

Manuskriptabgabe: Erscheint:

Heft 10: Aufgaben und Übungsgeschehen 1.9.1993

Frühjahr 1994

Heft 11: Literatur im Anfängerunterricht 1.3.1994

Herbst 1994

Heft 12: Ausspracheschulung

1.9.1994

Frühjahr 1995

Heft 13: Schwierigkeiten im Unterricht

1.3.1995

Herbst 1995

Sondernummer 1994: Neue Wege in der Deutschlehrerausbildung

1.4.1994

Ende 1994

Sondernummer 1995: Lerntheorie, Unterrichtstheorie, Spracherwerbstheorie

Für

Fremdsprache Deutsch gibt es zwei verschiedene Jahresabonnements:

Abonnement 1 umfaßt zwei reguläre Hefte pro Jahr zum Preis von DM 23,80
zuzüglich Versandkosten.
Abonnement 2 umfaßt die beiden regulären Hefte wie in Abonnement 1. Dazu ein
ebenfalls jährlich erscheinendes Sonderheft. Es kostet DM 37,80 zuzüglich
Versandkosten.
Die Hefte können auch einzeln bestellt werden. Einzelhefte kosten DM 14,80
zuzüglich Versandkosten.
© Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Auch
unverlangt eingesandte Manuskripte werden sorgfältig geprüft. Unverlangt
eingesandte Bücher werden nicht zurückgeschickt.

Die als Arbeitsblatt oder Material bezeichneten Unterrichtsmittel dürfen bis zur
Klassen- bzw. Kursstärke vervielfältig werden.

Adresse der Schriftleitung: Dr. Elisabeth Lattaro, Goethe-Institut, Referat 41,
Postfach 190 419, D-8 0604 München (Tel.: 0 89/159 21-295;
Telefax 0 89/159 21-523)

Verlagsadresse: Klett Edition Deutsch GmbH, Kühbachstraße 11,
D-81543 München, (Tel.: 0 89/62 30 84-0; Telefax 089/65 02 56)

Bestelladresse für Einzelhefte: Ernst Klett Verlag für Wissen und Bildung, Abt. AW,
Postfach 10 60 16, D-70049 Stuttgart

Bestelladresse für Abonnements: Ludwig Auer, Postfach 1152,
D-86601 Donauwörth
ISBN 3-12-675519-4

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