Zweijährige
Kinder brauchen noch keine lange Geschichten, da sie sich noch nicht
lange konzentrieren können. Kleine Erzählungen und Reime sind für
dieses Alter genau das Richtige.
Ich erzähle so eine kleine
Geschichte über eine längere Zeit hinweg, denn gerade die Kleinen
brauchen diese ständige Wiederholung, die ihnen Sicherheit gibt.
Die
Schafe
Die
kleinenWichtelmänner
Zwack
der Zwerg
Trippeltrappel
Pinkepank
der Zwerg
Übers
Brücklein ziehn die Schafe, Schritt für Schritt, schon halb im
Schlafe.
Eins und zwei und drei und viere, fünf und sechs und
sieben Tiere.
Immer neue, viele, viele, erst im Stall sind sie
am Ziele.
Erst im Stalle ruhn die Schafe und ich zähl sie halb
im Schlafe....
Frag mich nicht mehr nach den Schafen, denn nun
bin ich eingeschlafen.
von Hedwig Diestel
Wir
sind die kleine Wichtelmännchen und kommen bei der Nacht.
Wenn
alle Leute schlafen, wenn niemand mehr wacht.
Und ist einer müde
und geht es einem schlecht,
dann kommen wir gelaufen und helfen
ihm erst recht.
Wir kochen und backen, das Brennholz wir
hacken.
Am Brunnen wir pumpen, wir waschen und rumpeln.
Wir
hobeln die Tische mit lautem Gezische.
Die Bretter wir sägen,
die Späne wir fegen.
Die fliegen hinaus und sauber ist´s
Haus.
Und ehe noch die Sonne kommt und eh du noch erwachst,
so
sind wir schon verschwunden und die Arbeit ist gemacht.
von B. Zahlingen
Zwack
der Zwerg zog eine Zwiebel, tief im Walde, wo er wohnte.
Und zur
frohen Frühlingsfeier, sprang draus blau ein Blümchen auf.
Zwack
der Zwerg rief her den Hasen, hurtig aus dem Moosverstecke
"
Laufe Lampe sag es allen, das mein kleines Blümlein blüht."
Und
die Lerche in den Lüften und der Maulwurf moosvermummelt
und
der Hirsch aus sichrem Horte, Rehlein rasch und rennbegierig.
Alle
nahen , alle neigen ihre Näschen, ihre Augen
blaues Blümchen
anzublicken, das zur Frühlingsfeier blüht.
Trippeltrappel,
aus dem Berge, kommen die geschwinden Zwerge.
Halten fest ihr
Silbersäckchen und es klngt ihr
Zauberglöckchen.
Klinglinglinglingling....
Trippeltrappel
in dem Berge, hämmern die geschwinden Zwerge
Gold und Silber
für ihr Säckchen und es klingt ihr
Zauberglöckchen.
Klinglinglinglingling....
Trippeltrappel,
in dem Berge, schlafen nun die müden Zwerge.
In den grauen
Nebelröckchen, träumen sie von
Zauberglöckchen.
Klinglinglinglingling....
von
Hedwig Diestel
( Beim Zauberglöckchen kann mit einem kleinen
Glöckchen läuten.)
Horch
was keucht da übern Berg,
das ist Pinkepank der Zwerg.
Hinterm
Dornbusch steht er still, weil er sich verschnaufen will.
Lüftet
den Sack und klingend rollt
Silber Edelstein und Gold.
Merkt
er aber das du lugst,
heimlich durch die Büsche guckst,
packt
er schläunigst wieder ein, Silber Gold und Edelstein.
Schleppt
sein Säcklein in das Haus
in die dunkle Felsenklaus.
Mit diesem Alter können die Kleinen sich schon auf längere Erzählungen konzentrieren. Die Geschichten sollten einfach sein und viele Wiederholungen enthalten.
Schnecke
und Häschen
Klumpedump
und Schnickelschnack
Vom
Büblein das überall mit hin genommen werden wollte
Schnecke
sitzt vor ihrem Haus, ruht sich aus.
Kommt ein Häslein
angesprungen, hat die Ohren hoch geschwungen.
Ruckt und zuckt
mit seinem Schwänzchen, Schnecke komm zu einem Tänzchen.
Schnecke
gibt ihm den Bescheid, Frühling ist nicht Tanzenszeit.
Müde,
müde sind die Glieder, komme du im Sommer wieder.
Und das
Häschen hüpft davon, freut sich auf den Sommer schon.
Als der
Sommer kommt ins Land, sitzt die Schnecke unverwandt,
unbewegt
vor ihrem Haus, ruht sich aus.
Kommt ein Häslein angesprungen,
hat die Ohren hoch geschwungen.
Ruckt und zuckt mit seinem
Schwänzchen,
Schnecke komm zu einem Tänzchen.
Schnecke
gibt ihm den Bescheid, Sommer ist nicht Tanzenszeit.
Müde, müde
sind die Glieder, komme du im Winter wieder.
Und das Häschen
hüpft davon, freut sich auf den Winter schon.
Als der Winter
kommt ins Land, sitzt die Schnecke unverwandt,
unbewegt vor
ihrem Haus, ruht sich aus.
Kommt ein Häslein angesprungen, hat
die Ohren hoch geschwungen.
Ruckt und zuckt mit seinem
Schwänzchen,
Schnecke komm zu einem Tänzchen.
Schnecke
gibt ihm den Bescheid, Winter ist nicht Tanzenszeit.
Müde, müde
sind die Glieder, komme du im Frühling wieder.
Und das Häschen
hüpft davon, freut sich auf den Frühling schon.
Als der
nächste Frühling kam, Häschen sich ein Häschen nahm.
Beide
sind die fortgesprungen, mit den Ohren hochgeschwungen.
Rucken ,
zucken mit dem Schwänzchen, tanzen ein vergnügtes Tänzchen.
Und
die Schnecke sitzt vorm Haus, ruht und ruht und ruht sich aus.
von Hedwig Diestel
Klumpedump
und Schnickelschnack, gehen auf die Reise,
schleichen mit dem
Silbersack auf den Zehen leise.
Denn es wohnt in diesem Wald,
ach der Riese Ungestalt.
Klumpedump und Schnickelschnack, gehn
auf leisen Sohlen,
sonst wird sie mit Sack und Pack , gleich der
Riese holen.
Eben schnarcht er das es kracht, schnell vorbei eh
er erwacht.
Klumpedump und Schnickelschnack scheinen fast zu
schweben.
Mit dem Säckchen huckepack, laufen sie ums
Leben.
Eben gähnt mit lautem Ton, tief im Wald der Riese
schon.
Klumpedump und Schnickelschnack stehen vor dem
Berge.
Rasch hinein mit Sack und Pack, schlüpfen unsere
Zwerge.
Und der Riese mit Gebrumm, sucht im ganzen Wald
herum.
Tapst und grapst mit grober Hand, nach Gestrüpp und
Wurzeln.
Rüttelt an der Bergeswand das die Steine
purzeln.
Sucht mit Krach und Knick und Knack, Klumpedump und
Schnickelschnack.
Steckt den dicken Zottelkopf, in die
Felsenritze.
Stolpert, fäält der plumpe Tropf, auf die
Nasenspitze.
Ei verflixtes Zwergenpack, Klumpedump und
Schnickelschnack.
Mit Gehumpel und Gebrumm, wandert er von
dannen.
Reibt die Nase, schaut nicht um, stapft durch dunkle
Tannen.
Sicher sind mit ihrem Sack, Klumpedump und
Schnickelschnack.
von Hedwig Diestel
Denkt
das Büblein ist einmal spazieren gegangen im Wiesental.
Da ward
es müd gar sehr und sagt: " Ich kann nicht mehr. Wenn nur
jemand käme und mich mitnähme."
Da ist ein Bächlein
geflossen kommen und hat das Büblein mitgenommen.
Das Büblein
hat sich auf´s Bächlein gesetzt und hat gesagt: " So gefällts
mir jetzt."
Aber was meinst du?. Das Bächlein war kalt,
das hat das Büblein gespürt gar bald.
Es hat gefroren gar
sehr, es sagt: "Ich kann nicht mehr. Wenn nur jemand käme und
mich mitnähme."
Da ist das Schifflein geschwommen kommen
und hat das Büblein mitgenommen.
Das Büblein hat sich auf´s
Schifflein gesetzt und hat gesagt: " Das gefällt mir
jetzt."
Aber siehst du, das schifflein war zu schmal, das
Büblein denkt da fall ich mal.
Da fürcht es sich gar sehr und
sagt: "Ich kann nicht mehr. Wenn nur jemand käme und mich
mitnähme."
Da ist die Schnecke gekrochen kommen und hat
das Büblein mitgenommen.
Das Büblein hat sich ins
Schneckenhaus gesetzt und hat gesagt . " Das gefällt mir
jetzt."
Aber denk. Die Schnecke war kein Gaul, sie war im
Kriechen gar zu faul.
Dem Büblein ging es langsam zu sehr. Es
sagt.: "Ich kann nicht mehr. Wenn nur jemand käme und mich
mitnähme."
Da ist der Reiter geritten gekommen, der hat
das Büblein mitgenommen.
Das Büblein hat sich hinten aufs
pferd gesetzt und hat gesagt: " So gefällt es mir jetzt."
Aber
gib acht. Das ging wie der Wind, es ging dem Büblein gar zu
geschwind.
Es hopst drauf hin und her und schreit: "Ich
kann nicht mehr. Wenn nur jemand käme und mich mitnähme."
Da
ist ein Baum ihm in Haar gekommen und hat das Büblein
mitgenommen.
er hats gehängt an einen Ast gar hoch, dort hängt
das Büblein und zappelt noch.
Und als es wieder herunter kam,
ging es spazieren im Wiesental.
von Friedrich Rückert
Es
war ein junges Mietzekätzchen, mit silberweißen Tatze-Tätzchen.
Das
wollte gern spazieren gehn und sich die schöne Welt ansehn.
Den
Weg entlang und durch das Gras, wie schön ist das.
So war das
Kätzchen lange aus. Am Abend kehrt´s zurück nach Haus.
Denn
Mietzekätzchen hungert sehr, oh weh sein Bäuchlein, das ist
leer.
Gleich springt´s zu seiner Schüssel hin, oh je kein
Tröpfchen Milch ist drin.
Gibt es heute nichts zu fressen?
Hat´s die Bäuerin gar vergessen?
Es läuft zum Hähnchen, das
pickt und peckt. Mietzekätzchen fragt: " Was ist es was dir so
gut schmeckt?"
Ich habe goldene Körnerlein, nimm auch
davon, die schmecken fein.
Das Kätzchen macht ein lang Gesicht.
Körner, nein die mag es nicht.
Es läuft zum Häschen, das
nascht und leckt.
" Was ist es was dir so gut schmeckt?"
"Hab frischen Klee, den mag ich sehr, nimm auch davon,
komm setzt dich her.
Das Kätzchen macht ein lang Gesicht.
Frischen Klee,den mag es nicht.
Es läuft zum Schäflein, das
schmatzt und schleckt. " Was ist es was dir so gut schmeckt?"
"
Ich habe frisch gemähtes Gras. Nimm auch davon, hm gut schmeckt
das."
Das Kätzchen macht ein lang Gesicht, frisches Gras
das mag es nicht.
Das Mietzekätzchen heult so sehr, da kommt
die große Katz daher.
" Mietzekätzchen sage an, hat
jemand dir ein Leid getan?"
Da klagt das junge
Mietzekätzchen, mit silberweißen Tatze- Tätzchen.
" Alle
haben was zu essen, nur ich, ich wurde ganz vergessen."
"
Komm du sollst nicht länger murren, wir gehn zur Bäuerin hin und
schnurren."
" Miau, miau", machts vor dem Haus.
Die Bäuerin kommt zur Tür hinaus.
Da streichen die zwei um die
Bäuerin herum. Sie mautzen und schnurren um und um.
Die Bäuerin
ruft die Kätzlein her, " Ich sehe doch euch hungert´s
sehr.
Schaut ihr sollt nun auch was haben. Dürft an der
frischen Milch euch laben."
Frische Milch ,ei ,die wird
schmecken. Seht nur wie die beiden schlecken.
Sie wackeln mit
ihren Schwänzelein und schlafen bald zufrieden ein.
König Drosselbart
[Ein
Märchen der Gebrüder Grimm]
Ein König hatte eine Tochter, die
war über alle Maßen schön, aber dabei so stolz und übermütig,
dass ihr kein Freier gut genug war. Sie
wies einen nach dem andern ab und trieb noch dazu Spott mit ihnen.
Einmal ließ der König ein großes Fest anstellen und ladete dazu aus der Nähe und Ferne die heiratslustigen Männer ein. Sie wurden alle in eine Reihe nach Rang und Stand geordnet: erst kamen die Könige, dann die Herzöge, die Fürsten, Grafen und Freiherrn, zuletzt die Edelleute. Nun ward die Königstochter durch die Reihen geführt, aber an jedem hatte sie etwas auszusetzen. Der eine war ihr zu dick: »Das Weinfass!« sprach sie. Der andere zu lang: »Lang und schwank hat keinen Gang.« Der dritte zu kurz: »Kurz und dick hat kein Geschick.« Der vierte war zu blass: »Der bleiche Tod!« Der fünfte zu rot: »Der Zinshahn!« Der sechste war nicht gerad genug: »Grünes Holz, hinter'm Ofen getrocknet!« Und so hatte sie an jedem etwas auszusetzen, besonders aber machte sie sich über einen guten König lustig, der ganz oben stand und dem das Kinn ein wenig krumm gewachsen war. »Ei«, rief sie und lachte, »der hat ein Kinn, wie die Drossel einen Schnabel!« Und seit der Zeit bekam er den Namen Drosselbart. Der alte König aber, als er sah, dass seine Tochter nichts tat, als über die Leute spotten, und alle Freier, die da versammelt waren, verschmähte, ward er zornig und schwur, sie sollte den ersten besten Bettler zum Manne nehmen, der vor seine Tür käme.
Ein paar Tage darauf hub ein Spielmann an, unter dem Fenster zu singen, um damit ein geringes Almosen zu verdienen. Als es der König hörte, sprach er: »Lasst ihn heraufkommen.« Da trat der Spielmann in seinen schmutzigen, verlumpten Kleidern herein, sang vor dem König und seiner Tochter und bat, als er fertig war, um eine milde Gabe. Der König sprach: »Dein Gesang hat mir so gefallen, dass ich dir meine Tochter zur Frau geben will.« Die Königstochter erschrak, aber der König sagte: »Ich habe den Eid getan, dich dem erstbesten Bettelmann zu geben, den will ich auch halten.« Es half keine Einrede, der Pfarrer ward geholt, und sie musste sich gleich mit dem Spielmann trauen lassen. Als das geschehen war, sprach der König: »Nun schickt sich's nicht, dass du als ein Bettelweib noch länger in meinem Schloss bleibst, du kannst nun mit deinem Manne fortziehen.«
Der
Bettelmann führte sie an der Hand hinaus, und sie musste mit ihm zu
Fuß fortgehen. Als sie in einen großen Wald kamen, da fragte
sie:
»Ach, wem gehört der schöne Wald?«
»Der
gehört dem König Drosselbart;
Hättst du'n genommen, so wäre
er dein.«
»Ich
arme Jungfer zart,
Ach, hätt ich genommen den König
Drosselbart!«
Da
kamen sie über eine Wiese, da fragte sie wieder:
»Wem gehört
die schöne grüne Wiese?«
»Sie
gehört dem König Drosselbart;
Hättst du'n genommen, so wär
sie dein.«
»Ich
arme Jungfer zart,
Ach, hätt ich genommen den König
Drosselbart!«
Dann
kamen sie durch eine große Stadt, da fragte sie wieder:
»Wem
gehört diese schöne große Stadt?«
»Sie
gehört dem König Drosselbart;
Hättst du'n genommen, so wär
sie dein. «
»Ich
arme Jungfer zart,
Ach, hätt ich genommen den König
Drosselbart!«
»Es gefällt mir gar nicht«, sprach der Spielmann, »dass du dir immer einen andern zum Manne wünschest. Bin ich dir nicht genug?« Endlich kamen sie an ein ganz kleines Häuschen, da sprach sie:
»Ach,
Gott, was ist das Haus so klein!
Wem mag das elende winzige
Häuschen sein?«
Der Spielmann antwortete: »Das ist mein und dein Haus, wo wir zusammen wohnen.« Sie musste sich bücken, damit sie zu der niedrigen Tür hineinkam. »Wo sind die Diener?« sprach die Königstochter. »Was, Diener?« antwortete der Bettelmann, »du musst selber tun, was du willst getan haben. Mach nur gleich Feuer an und stell Wasser auf, dass du mir mein Essen kochst; ich bin ganz müde.« Die Königstochter verstand aber nichts vom Feueranmachen und Kochen, und der Bettelmann musste selber mit Hand anlegen, dass es noch so leidlich ging. Als sie die schmale Kost verzehrt hatten, legten sie sich zu Bett. Aber am Morgen trieb er sie schon ganz früh heraus, weil sie das Haus besorgen sollte. Ein paar Tage lebten sie auf diese Art schlecht und recht und zehrten ihren Vorrat auf. Da sprach der Mann: »Frau, so geht's nicht länger, dass wir hier zehren und nichts verdienen. Du sollst Körbe flechten!« Er ging aus, schnitt Weiden und brachte sie heim. Da fing sie an zu flechten, aber die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. »Ich sehe, das geht nicht«, sprach der Mann, »spinn lieber, vielleicht kannst du das besser.« Sie setzte sich hin und versuchte zu spinnen, aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Finger, dass das Blut daran herunterlief. »Siehst du«, sprach der Mann, »du taugst zu keiner Arbeit, mit dir bin ich schlimm angekommen. Nun will ich's versuchen und einen Handel mit Töpfen und irdenem Geschirr anfangen. Du sollst dich auf den Markt setzen und die Ware feilhalten. Ach, dachte sie, wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich kommen und sehen mich da sitzen und feilhalten, wie werden sie mich verspotten! Aber es half nichts, sie musste sich fügen, wenn sie nicht Hungers sterben wollten. Das erstemal ging's gut, denn die Leute kauften der Frau, weil sie schön war, gerne ihre Ware ab und bezahlten, was sie forderte; ja, viele gaben ihr das Geld und ließen ihr die Töpfe noch dazu. Nun lebten sie von dem Erworbenen, solange es dauerte, da handelte der Mann wieder eine Menge neues Geschirr ein. Sie setzte sich damit an eine Ecke des Marktes und stellte es um sich und hielt feil. Da kam plötzlich ein trunkener Husar dahergejagt und ritt geradezu in die Töpfe hinein, dass alles in tausend Scherben zersprang. Sie fing an zu weinen und wusste vor Angst nicht, was sie anfangen sollte. »Ach, wie wird mir's ergehen!« rief sie, »was wird mein Mann dazu sagen!« Sie lief heim und erzählte ihm das Unglück. »Wer setzt sich auch an die Ecke des Marktes mit irdenem Geschirr?« sprach der Mann, »lass nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen. Da bin ich in unseres Königs Schloss gewesen und habe gefragt, ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten, und sie haben mir versprochen, sie wollten dich dazu nehmen; dafür bekommst du freies Essen.«
Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, musste dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit tun. Sie machte sich in beiden Taschen ein Töpfchen fest, darin brachte sie nach Haus, was ihr von dem Übriggebliebenen zuteil ward, und davon nährten sie sich. Es trug sich zu, dass die Hochzeit des ältesten Königssohnes sollte gefeiert werden. Da ging die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saaltüre und wollte zusehen. Als nun die Lichter angezündet waren und immer einer schöner als der andere hereintrat und alles voll Pracht und Herrlichkeit war, dachte sie mit betrübtem Herzen an ihr Schicksal und verwünschte den Stolz und Übermut, der sie erniedrigt und in so große Armut gestürzt hatte. Von den köstlichen Speisen, die da ein- und ausgetragen wurden und von welchen der Geruch zu ihr aufstieg, warfen ihr Diener manchmal ein paar Brocken zu, die tat sie in ihr Töpfchen und wollte sie Heim tragen. Auf einmal trat der Königssohn herein, war in Samt und Seide gekleidet und hatte goldene Ketten um den Hals. Und als er die schöne Frau in der Türe stehen sah, ergriff er sie bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie weigerte sich und erschrak, denn sie sah, dass es der König Drosselbart war, der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte. Ihr Sträuben half nichts, er zog sie in den Saal. Da zerriss das Band, an welchem die Taschen hingen, und die Töpfe fielen heraus, dass die Suppe floss und die Brocken umhersprangen. Und wie das die Leute sahen, entstand ein allgemeines Gelächter und Spotten, und sie war so beschämt, dass sie sich lieber tausend Klafter unter die Erde gewünscht hätte. Sie sprang zur Türe hinaus und wollte entfliehen, aber auf der Treppe holte sie ein Mann ein und brachte sie zurück. Und wie sie ihn ansah, war es wieder der König Drosselbart. Er sprach ihr freundlich zu: »Fürchte dich nicht, ich und der Spielmann, der mit dir in dem elenden Häuschen gewohnt hat, sind eins. Dir zuliebe habe ich mich verstellt, und der Husar, der dir die Töpfe entzweigeritten hat, bin ich auch gewesen. Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beugen und dich für deinen Hochmut zu strafen, womit du mich verspottet hast.« Da weinte sie bitterlich und sagte: »Ich habe großes Unrecht gehabt und bin nicht wert, deine Frau zu sein.« Er aber sprach: »Tröste dich! Die bösen Tage sind vorüber, jetzt wollen wir unsere Hochzeit feiern.« Da kamen die Kammerfrauen und taten ihr die prächtigsten Kleider an, und ihr Vater kam und der ganze Hof und wünschten ihr Glück zu ihrer Vermählung mit dem König Drosselbart, und die rechte Freude fing jetzt erst an. Ich wollte, du und ich, wir wären auch dabei gewesen.
Es
regnet und regnet und regnet. Es regnet morgens und mittags und
abends – und es hat gestern schon geregnet und vorgestern und am
Tag davor auch.
„Dann wird ´s morgen bestimmt auch regnen“,
denkt der kleine Bär, trottet mit hängendem Kopf durch den Wald und
versucht die Tropfen, die von seiner Nase langsam nach unten
platschen, mit der Zunge aufzufangen.
„Wer weiß, ob es
die Sonne überhaupt noch gibt“, brummt er. „Die Wolken nagen
schon oben an den Bäumen herum, wahrscheinlich haben sie die Sonne
längst aufgegessen.“
„Ach, kleiner Bär“, tröstet ihn
der Dachs, „mach dir mal keine Sorgen. Die Sonne war immer da und
sie wird auch immer bleiben, genau wie dein Freund, der Mond. Setz
dich ein bisschen zu mir in die Höhle, dann erzähle ich dir eine
Sonnengeschichte.“
„Das ist gut“, sagt der kleine
Bär und schüttelt sich den Regen aus dem Pelz. „Bestimmt wird mir
schön warm, wenn ich eine Sonnengeschichte höre.“
„Na,
ja“, sagt der Dachs, „meine Sonnengeschichte ist eigentlich keine
richtige Sonnengeschichte. Sie handelt von sieben schwarzen Raben,
einem finsteren Tal mit schwarzen Bergen ringsherum, einer grauen
Regenwolke und einem Trauerkloß, der dort unter der grauen Wolke in
diesem Tal wohnt. Längst hat er vergessen, wie es einmal war, an
einem Vogelzwitschersonnentag in seinem Tal, bevor die graue Wolke
kam, aufzuwachen. Vielleicht war sie ja schon immer da und ich habe
die Sonne nur geträumt, denkt er manchmal und die Raben krächzen im
Chor: ‚Genau, so ist es. Die Sonne ist nur ein greller Traum, der
die Augen verdirbt und die ganze Laune.’
Der Trauerkloß
weiß nicht so genau, ob die Raben Recht haben. Meistens hört er gar
nicht hin, wenn sie krächzen und schimpfen. Er tüftelt lieber an
seinen Maschinen rum und wenn es nichts zu tüfteln gibt, erfindet er
einfach eine neue.
Überall
im finsteren Tal stehen sie rum, seine Maschinen. Es gibt Windmühlen,
die elektrisches Licht machen, Regenwassermühlen, die Radau machen,
Dampfmaschinen, Rattermaschinen, dumpfe Dröhnmaschinen und schrille
Quietschmaschinen. Mehrere Blinkmaschinen hat er auch erfunden, eine
Kartoffelschälmaschine, eine Kartoffelstampfmaschine und eine
Kartoffelkochmaschine.
Der Trauerkloß tüftelt und erfindet den
ganzen Tag und abends setzt er sich in seine Stube und wartet auf die
Raben, die mit ihm essen und trinken und sagen, dass sie seine
Freunde sind.
So geht es Tag für Tag und Jahr für Jahr.
Die Sonne wäre in dieser Geschichte wohl nie vorgekommen, wenn nicht
eines Tages ein kleiner gelber Vogel in das Tal gekommen wäre. Er
kam nicht geflogen wie die Raben oder andere Vögel. Er fiel einfach
eines abends vom Himmel. Ist wohl eingeschlafen auf der langen Reise
in den Süden, weil er noch klein ist und weil es seine erste große
Reise ist mit den anderen gelben Vögeln. Jedes Jahr, wenn die Tage
kürzer und kälter werden, brechen sie auf um die Sonne zu suchen.
Deshalb nennt man sie Sonnenvögel. Sie fliegen so lange, bis sie ein
warmes Plätzchen gefunden haben auf einer Insel im Süden, die
Honolulu heißt – oder Sansibar oder ganz anders.
,Du
schaffst das schon’, haben die großen gelben Vögel am Morgen zu
dem Kleinen gesagt. Und der hat den ganzen Tag seine Flügel rauf und
runter bewegt.
Ich schaff das schon, hat er gedacht. Aber am
Abend ist er so müde geworden, dass er einfach vergessen hat die
Flügel zu bewegen. Natürlich fällt so ein kleiner Vogel dann
einfach runter vom Himmel. Fällt und fällt – und fällt dem
Trauerkloß genau in die Arme. Was soll der nun machen, mit so einem
Vogel im Arm? Mit Maschinen und Erfindungen, da kennt er sich aus,
mit schwarzen Raben auch, aber mit so einem kleinen Vogel?
Der
Trauerkloß legt ihn in sein Bett, kocht ihm eine Kartoffelsuppe und
lässt die Windmühlen schneller laufen, damit die elektrische Lampe
die Stube wärmt.
Die Raben kichern und krächzen, als sie am
Abend zu Besuch kommen und den Kleinen unter der Bettdecke entdecken.
Sie essen und trinken und schütteln ihre schwarzen Köpfe.
,Der
ist morgen wieder weg’, krächzen sie, ,das ist ein Sonnenvogel.
Sobald der sich satt und rund gegessen und in deinem Bett ausgeruht
hat, fliegt er weiter. Du wirst schon sehen.’
,Psst’, sagt
der Trauerkloß, ,wenn ihr so laut seid, kann ich nicht hören, ob er
noch atmet. Es geht ihm nämlich überhaupt nicht gut.’
,Es
geht ihm überhaupt nicht gut, es geht ihm überhaupt nicht gut’,
krächzen die Raben im Chor.
Der
Trauerkloß sagt gar nichts. Er wartet, bis die Raben weg sind, rückt
seinen Stuhl vor das Bett und hört zu, wie der kleine gelbe Vogel im
Schlaf atmet. ,Schade, dass du morgen wieder wegmusst’, sagt er
leise, ,aber ich weiß auch, dass du mit den anderen gelben Vögeln
die Sonne suchst. Wie jedes Jahr, wenn der Winter kommt. Ich habe
euch schon oft gesehen, da oben in der Luft, hinter der grauen
Wolke.’ Dann schläft auch der Trauerkloß ein.
Als er
am nächsten Morgen aufwacht, hüpft der kleine Vogel schon in der
Stube herum. ,Ich weiß, du musst dich beeilen’, sagt der
Trauerkloß, ,komm, iss noch ein bisschen Kartoffelsuppe mit mir –
dann bringe ich dich nach draußen.’
Aber als sie dann draußen
bei den Maschinen sind und der Trauerkloß schon wieder an seine
Erfindungen denkt, fliegt er nicht einfach weg, der kleine Vogel. Er
hüpft auf den Maschinen rum, fliegt ein Stückchen nach hier und ein
Stückchen nach da und kommt dann doch wieder zurück.
,Ja, so
was aber auch’, brummt der Trauerkloß. ,Vielleicht stimmt ´s ja
gar nicht, was die Raben immer krächzen. Vielleicht gefallen dir ja
sogar meine Maschinen. Wenn du willst, erfinde ich sogar eine neue –
extra für dich.’
Der Trauerkloß schraubt und sägt, feilt
und bohrt und hat am Abend eine Zwitschermaschine erfunden. Die
piepst und trillert und kann sogar ein kleines Liedchen pfeifen. Der
kleine Vogel legt den Kopf schräg auf die Seite, hört zu und es
scheint ihm zu gefallen.
,Pass nur auf mit deinem gelben
Sonnenvogel’, krächzen die Raben am Abend, ,dass er dir nicht den
Kopf verdreht. Eine Maschine, die zwitschert wie ein Vögelchen, hat
man so was schon gesehen? Eine Krächzmaschine hast du noch nie
erfunden und unseren Kartoffelbrei hast du wohl auch
vergessen.’
‚Ach, lasst mich doch in Ruhe’, brummt der
Trauerkloß. ,Ich bin jetzt müde vom vielen Erfinden, außerdem
wohnt der kleine gelbe Vogel jetzt auch hier. Er braucht noch etwas
Ruhe, da könntet ihr wohl ein bisschen leiser krächzen.’
,Er
braucht noch etwas Ruhe, er braucht noch etwas Ruhe’, krächzen die
Raben im Chor, schütteln die Köpfe und fliegen weg.
In
dieser Nacht schläft der Trauerkloß wieder in seinem Bett. Der
gelbe Vogel sitzt auf der Stuhllehne, steckt den Kopf in die Federn
und schläft auch.
Vielleicht träumt er von der Sonne, denkt
der Trauerkloß und träumt einen Erfindertraum: Von einer Maschine
zur anderen sind Drähte gespannt, an denen Glühbirnen hängen.
Siebenhundert Glühbirnen sind es insgesamt, die von dreißig
Windmühlen angetrieben werden. Sie leuchten so hell wie die Sonne
oder vielleicht sogar noch etwas heller. Der kleine gelbe Vogel
fliegt zwischen ihnen herum und singt mit der Zwitschermaschine um
die Wette.
Am Morgen steht der Trauerkloß so früh auf
wie noch nie. Spannt hier einen Draht und sucht überall nach
Glühbirnen. Der kleine Vogel hüpft immer hinter ihm her und der
Trauerkloß erzählt ihm, wie er sich das vorstellt mit der neuen
Erfindung.
,Geschafft’, seufzt er, als sich die Windmühlen
drehen und die Glühbirnen leuchten. Natürlich sind es nicht so
viele wie in seinem Traum, aber sie leuchten so hell, dass die Raben
vor lauter Schreck wild durcheinander flattern, als sie ihren
abendlichen Besuch machen.
,So hell wie die Sonne da
hinter der grauen Wolke’, krächzen sie, ,so hell können deine
Lampen doch nicht leuchten. Vertrödele deine Zeit nur mit diesem
Taugenichts, der setzt dir nur Flausen in den Kopf!’
,Verflixt
und zugenäht!’, schreit der Trauerkloß. ,Jetzt ist aber Schluss
mit dem Gemecker. Wenn sie nicht hell genug sind, meine Lampen, dann
fliegen wir eben dahin, wo die Sonne scheint. Über den Finsterwald
und über den schwarzen Berg, durch die graue Wolke fliegen wir, der
Sonnenvogel und ich. Ihr werdet schon sehen.’
,Wie
willst du denn fliegen?’, schimpfen die Raben noch, aber der
Trauerkloß hört sie gar nicht mehr. Er baut die Windmühlen
auseinander, schraubt die Wassermühle ab. Das Dach von seinem Haus,
die Bettdecke – alles braucht er für seine Erfindung. Er baut die
ganze Nacht und schraubt und hämmert.
Dann am Morgen, als es
ein bisschen hell wird im finsteren Tal, ist es so weit. Da hat der
Trauerkloß doch tatsächlich eine richtige Flugmaschine erfunden.
Der Sonnenvogel hüpft nach hinten, der Trauerkloß gibt der Maschine
einen Schubs und schwingt sich nach vorne hinter das Steuerrad. Die
Windräder drehen sich vor den Bettdeckenflügeln, die Wasserräder
holpern über den Boden, das Ungetüm rumpelt und pumpelt durch das
Tal auf die schwarzen Berge zu, hebt ab und dann fliegen sie doch
tatsächlich los. Der kleine gelbe Vogel und der Trauerkloß schweben
über den schwarzen Berg, segeln durch die graue Wolke und dann ist
sie da, die Sonne. Der Trauerkloß muss mit den Augen blinzeln, so
hell ist sie. Der Wind pfeift ihm um die Ohren und er dreht sich um
zum Sonnenvogel und lacht, lacht so laut, dass es wahrscheinlich
sogar die schwarzen Raben gehört haben, wenn sie nicht gerade wieder
zetern und krächzen. Der Wind trägt die Flugmaschine noch weiter
weg vom finsteren Tal, immer weiter der Sonne entgegen. Und wer weiß,
vielleicht finden die beiden ja sogar die Insel mit den anderen
Sonnenvögeln, aber sie wissen ja noch nicht mal, wie diese Insel
heißt, und deshalb ist diese Geschichte wohl jetzt zu Ende.“
Der
alte Dachs, der schon eine ganz heisere Stimme vom vielen Erzählen
hat, reckt und streckt sich und der kleine Bär überlegt.
„Ich
weiß, wie die Inseln heißen!“, ruft er. „Eine heißt Honolulu
und die andere heißt Sansibar. Erzählst du jetzt weiter?“
„Ach,
kleiner Bär“ , sagt der alte Dachs, „ich weiß es doch selber
nicht so genau. Der, von dem ich diese Geschichte habe, behauptet,
dass die Sonnenvögel den Trauerkloß zu ihrem König gemacht haben,
weil er Wasserräder und Windmühlen für sie erfunden hat. Das mit
dem König glaube ich nicht so ganz, aber bestimmt geht es ihm gut,
dem Trauerkloß, und ich bin froh, dass aus der Geschichte doch noch
eine Sonnengeschichte geworden ist.“
„Ich auch“, ruft der
kleine Bär. „Mir ist gar nicht mehr kalt jetzt und der Regen ist
mir auch egal.“
„Nein, nein,
nein“, denkt der kleine Bär, „so kann ich wohl auch nicht
einschlafen!“
Er versucht es noch einmal auf dem Rücken –
dann auf dem Bauch – mit Kissen oben und Kissen unten. Er lutscht
sogar an seiner Pfote – es geht nicht. So kann der kleine Bär
nicht einschlafen! Nicht ohne seinen Freund, den Mond. Nicht wenn es
so dunkel ist.
Wenn doch bloß der Mond endlich käme,
denkt er. Ohne ihn ist es sooo dunkel ...
Der kleine Bär setzt
sich vor seine Höhle und versucht die Sterne zu zählen.
„Warum
bist du traurig?“, fragt die Eule Mira Mara und setzt sich zu ihm.
„Ach,“ sagt er, „ich bin nicht traurig, aber ich kann
einfach nicht einschlafen und es ist so langweilig, im Bett zu
liegen, wenn der Mond mir keine Geschichte erzählt. Er
hat gar keine Zeit mehr für mich.“
„Ich hätte schon
Zeit für dich“, sagt die Eule. „Wer schläft denn schon mitten
in der Nacht? Komm lass uns selber eine Geschichte erleben. Wir
besuchen Znarf und seine Freunde, die schlafen ganz bestimmt nicht.“
Dann fliegt sie rüber in den Finsterwald. „Warte doch!“,
ruft der kleine Bär und läuft mitten in die Nacht hinein.
„Na,
da bist du ja endlich“, kichert die Eule. „Setz dich doch zu uns,
Znarf und die anderen haben mit dem Mitternachtsessen extra auf uns
gewartet.“ Der kleine Bär schaut sich um. Aber er sieht nur Zweige
und Blätter und Nacht um sich herum. Wo sollten der Znarf und seine
Freunde denn sein? „Wo seid ihr denn?“, ruft er.
„Hier
oben“, ruft einer von unten und die Eule muss wieder kichern, weil
so ein kleiner Bär sich nicht auskennt in der Nacht und nicht weiß,
dass für Znarf und seine Freunde alles falsch herum ist.
Oben
ist unten, die Nacht ist der Tag und der Znarf heißt Franz, nur
falsch herum eben. „So ist das“, sagt die Eule, nachdem sie
dem kleinen Bären alles erklärt hat. „Du musst dich nur mit den
Füßen an den Ast hängen, dann sieht alles ganz anders aus.“
Der
kleine Bär hängt sich mit dem Kopf nach unten an den Baum, sieht
neben sich den Znarf und unten den Mond und oben die Erde. Weiter
hinten sieht er den Baum mit seiner Höhle. Die Höhle ist oben und
die Blätter sind unten.
„He du“, stupst ihn der Znarf von
der Seite an. „Träumen gilt nicht!“, sagt er, „träumen kannst
du am Tag, wenn alle schlafen.“
Dann bringt der Koch das
Mitternachtsessen. Zuerst den Pudding, dann die Kartoffeln und zum
Schluss die Suppe. Alles falsch herum natürlich, weil richtig rum ja
falsch herum ist oder andersrum. Oder?
Der kleine Bär
weiß es auch nicht mehr so genau und er denkt lieber gar nicht
darüber nach, weil ihm sonst wahrscheinlich schwindelig wird.
„Sag
mal, wie heißt du?“, fragt der Znarf.
„Bär“, sagt der
kleine Bär und Znarf sagt „Räb – das ist ein schöner Name.
Dann kannst du bestimmt auch eine schöne Geschichte erzählen. Aber
sie muss hinten anfangen, vergiss das nicht.
Da erzählt
der kleine Bär die Geschichte von Hans im Glück: wie der einen
Stein gegen eine Gans, die Gans gegen ein Pferd und das Pferd gegen
eine Kuh und die Kuh gegen einen ganzen Batzen Gold eingetauscht hat.
„Einmal war es“, so hört die Geschichte auf. „Uaahh“, gähnt
der kleine Bär. Dann sieht er, dass alle um ihn herum längst
eingeschlafen sind und am Horizont fällt die Sonne schon langsam in
den Himmel und der Mond steigt in die Erde. Ich muss schnell nach
Hause zurück, denkt er, dann kann ich dem Mond noch meine Geschichte
erzählen.
Er läuft rückwärts zu seinem Baum zurück, aber
als er ankam, hat die Sonne längst alles hell gemacht und sein
Freund, der Mond, ist schlafen gegangen. „Uaahh“, gähnt der
kleine Bär schon wieder, „jetzt kann ich ganz bestimmt schlafen.
Heute Abend, da werde ich dem Mond meine Geschichte erzählen.