George Grosz
Ein kleines Ja und ein großes Nein (Auszug)
Nach dem ersten Weltkrieg glich Berlin einer grauen, steinernen Leiche. Die Häuser hatten Risse. Stuck und Farbe waren abgebröckelt, und in den toten, ungeputzten Augen der Fensterhöhlen sah man, wo man nach denen ausgeschaut hatte, die nie wiederkehren, die Spuren geronnener Tränen.
Es waren wilde Jahre. Ich nahm am Leben teil, stürzte mich hinein und kam sofort mit Kräften in Berührung, die aus dem absoluten Nichts herauswollten. Viele meiner Freunde fanden wie ich keine Lösung im nur Negativen, im Grimm des Betrogenwordenseins und in der Verneinung aller bisherigen Werte.
Bald war ich Hals über Kopf im politischen Fahrwasser. Ich hielt Reden, nicht aus irgendeiner Überzeugung, sondern weil überall zu jeder Tageszeit Streitende herumstanden und ich aus meinen bisherigen Erfahrungen noch nichts gelernt hatte. Meine Reden war ein dummes, nachgeplappertes Aufklärungsgeschwätz, aber wenn es einem wie Honigseim vom Maul troff, konnte man so tun, als sei man ergriffen. Und oft ergriff einen der eigene Quatsch ja wirklich, rein durch das Geräusch, das Gezische, Gezwitschere und Gebrülle, das da aus einem herausfuhr.
Die Bewegung, in die ich geraten, beeinflußte mich so stark, daß ich alle Kunst, die sich nicht dem politischen Kampf als Waffe zur Verfügung stellte, für sinnlos hielt. Meine Kunst jedenfalls sollte Gewehr sein und Säbel; die Zeichenfedern erklärte ich für leere Strohhalme, solange sie nicht am Kampf für die Freiheit teilnähmen.