Felbermayr, Daniela Ways of Life 02 Lifethieves

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Ways of Life 2

Lifethieves

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Ways of Life – Lifethieves
1. Auflage
© 2014 by Daniela Felbermayr
Text und Titel: Daniela Felbermayr
Korrektorat: S.W. Korrekturen e.U.
Titelbild: Depositphotos/Cokacoka
Umschlaggestaltung: Daniela Felbermayr

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1

Einige von Sidneys Kollegen kamen ihm ent-
gegen, als er aus dem Lift stieg und den Gang
zwischen den Glasbüros entlangging, der zu
ihrem ganz am Ende führte. Beiläufig be-
grüßte er die, die er kannte, ebenso wie er
denjenigen, die er noch nie gesehen hatte,
zunickte. Eine kühle Brise, die die Klimaan-
lage des Bürogebäudes verbreitete, kühlte
sein Gesicht. Es fühlte sich gut an, wenn man
bedachte, dass da draußen in Manhattan
sechsunddreißig Grad im Schatten waren
und die Hitze die Stadt fest im Griff hatte. Er
fand, dass die angenehme Kühle gemeinsam
mit dem hellen Teppich ausgelegten Flur
ziemlich stimmig war.

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Eine dickliche Dame mittleren Alters in einer
schwarzen Hose, einer gestreiften Bluse und
roten Locken, die aussahen, als hätte sie ihre
Finger am Morgen in eine Steckdose
gesteckt, die er noch nie zuvor gesehen hatte,
begrüßte ihn mit: „Hallo, Dr. Williams!“
Er verzog die Lippen zu einem kurzen, aufge-
setzten Lächeln und nickte ihr freundlich zu.
Dann bog er rechts um die Ecke und
marschierte auf Sidneys Büro zu.

Der Flügel, in dem ihr Büro lag, war heller
als der Flur, den er gerade eben durchquert
hatte. Von allen Seiten her strömte durch
großzügige Glasflächen das helle Tageslicht.
Das Foyer des Flügels war mit edlen hellbei-
gen Ledermöbeln als Wartebereich und jeder
Menge Pflanzen ausgestattet. In der Ecke
neben dem Wartebereich gab es einen Wass-
erspender und einen Ständer, der mit eini-
gen Zeitschriften – hauptsächlich handelte

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es sich dabei um fachspezifische, juristische
Blätter – bestückt war.

Etwas

weiter

hinten

ging

eine

der

sandgestrahlten und somit undurchsichtig
gemachten Glastüren auf und ein Mann in
einem schwarzen Anzug und mit rosaroter
Krawatte kam den Gang entlang auf Luke zu.
Er hielt einen Stapel Papiere in der Hand
und las konzentriert darin.

Luke ging auf Sidneys Büro zu und öffnete
die Tür, ohne anzuklopfen. Sidney war jetzt
seit fünf Wochen zur Juniorpartnerin der
Kanzlei befördert worden und hatte das neue
Büro vor vier Wochen bezogen, doch auf-
grund der vielen Fälle, die sie momentan zu
bearbeiten hatte, hatte sie noch keine Zeit
gehabt, eine Sekretärin zu suchen, sodass
das Vorzimmer, durch das er kam, wenn er
in ihr Büro wollte, leer stand.

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„Sir, kann ich Ihnen helfen?“
Im ersten Moment erschrak er, als er die
Frau sah, die in Sidneys Vorzimmer am
Schreibtisch saß, ihn anlächelte und wohl
gerade etwas abgetippt hatte. Sie stand auf,
kam eiligen Schrittes um ihren Schreibtisch
herum und streckte ihm von weitem
schwungvoll ihre Hand entgegen. Luke
blickte sie verwirrt an. Die Frau wirkte ir-
gendwie merkwürdig auf ihn. Sie war etwa
einen Meter und sechzig groß, etwas pum-
melig und trug eine schwarze Nadelstreif-
hose und einen Rollkragenpullover, obwohl
es draußen fast vierzig Grad hatte. Ihr Haar
war blond und zu einem straffen Pfer-
deschwanz zusammengebunden, sie trug
eine Brille mit einem etwas dickeren,
schwarzen Gestell und ihre Zähne waren für
seinen Geschmack etwas zu dunkelgelb. Ver-
mutlich war sie starke Raucherin oder trank
Kaffee in Massen. Oder sie war schlicht und

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einfach zu faul, sich regelmäßig die Zähne zu
putzen.
„Ich … ich möchte zu meiner Frau, Sidney
Williams. Ist sie nicht hier?“
Er schüttelte kurz ihre Hand und zog sie
dann gleich wieder zurück. Hatte Sidney ver-
gessen, ihm zu sagen, dass sie bereits eine
Sekretärin eingestellt hatte? Oder dass sie
noch einmal Büro getauscht hatte? Das kon-
nte er sich nicht vorstellen. Am Vorabend
hatten sie beide unten am See ihres Hauses
gesessen, eine Flasche Wein getrunken und
sich unterhalten, und Sidney hatte erwähnt,
dass sie bislang noch nicht einmal Zeit ge-
funden hatte, die Bewerbungen zu sichten,
die für die Stelle als Sekretärin hereingekom-
men waren. Sie hatte erzählt, dass sie noch
nicht einmal wusste, ob sie eine Sekretärin
einstellen sollte, die jünger oder älter als sie
war, und sie hatte erwähnt, dass sie bei ein-
er, die älter war als sie selbst, wahrscheinlich
viel zu großen Respekt hatte, um derjenigen

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Aufgaben aufzutragen. Luke hatte in diesem
Moment gedacht, was für eine wunderbare
Frau er doch geheiratet hatte, als sie in der
lauen Sommernacht bei Kerzenschein unter
freiem Himmel am See saßen und ihr Ge-
spräch nur vom Zirpen der Grillen unter-
brochen wurde.

„Oh, Mrs. Williams ist in ihrem Büro – sie
hat gerade noch eine Telefonkonferenz.
Möchten Sie vielleicht dort vorne Platz neh-
men, bis sie fertig ist? Es kann nicht mehr
lange dauern. Darf ich Ihnen vielleicht einst-
weilen eine Tasse Kaffee bringen? Oder ein
Glas Wasser?“
„Nein, nichts, danke“, sagte Luke, während
er auf einem der drei ebenfalls hellbeigen
Leder-Loungesessel Platz nahm, die im
linken Bereich neben der Eingangstür ge-
meinsam mit einem kleinen Tischchen
standen, auf dem wiederum juristische
Fachzeitschriften platziert waren. Die Frau

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war wieder zurück zu ihrem Schreibtisch
gegangen und hämmerte wie irre in die
Tasten. Luke fragte sich, was sie da wohl tip-
pen mochte.

Um nicht in ein Gespräch mit der Sekretärin
verwickelt zu werden, nahm er eine der
Zeitschriften vom Stapel und las einen
Artikel über ein Gerichtsurteil, welcher sich
mit einem Immobilienbetrug innerhalb eines
engen

Verwandtschaftsverhältnisses

be-

fasste, und tat sich schwer, all die jur-
istischen Fachbegriffe einzuordnen und zu
interpretieren. Er bemerkte gar nicht, dass
ihn die Sekretärin über den Rand ihres Bild-
schirmes hinweg verstohlen beobachtete.
Und er bemerkte auch nicht, dass sie nur
wahllos irgendwelche Buchstaben in ihre
Tastatur klopfte, die überhaupt keinen Sinn
ergaben.

„Mrs. Williams, Ihr Mann ist hier!“

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Luke wurde aus seiner Konzentration geris-
sen, als die Sekretärin zu sprechen begann.
Er blickte kurz zu dem Schreibtisch hinüber,
wo sie nun einen schwarzen Telefonhörer an
ihren Kopf gedrückt hielt und ein breites
Lächeln aufgesetzt hatte, das ihre gelben
Zähne in voller Pracht zur Geltung brachte.
Während sie sprach, malte sie mit ihrem Ku-
gelschreiber Linien auf ihre Schreibt-
ischunterlage. Irgendetwas an ihr kam ihm
seltsam vor. Vielleicht dieser über-drüber-
nette

Tonfall,

der

in

ihrer

Stimme

mitschwang, und das extrabreite, aufgesetzte
Grinsen.
„Ihre Frau kommt in wenigen Minuten“,
sagte sie dann, immer noch freundlich
lächelnd, in seine Richtung, nachdem sie den
Hörer wieder aufgelegt hatte.
„Vielen Dank“, entgegnete Luke.
Sie lächelte ihn höflich an und widmete sich
dann wieder dem Brief, den sie wohl gerade
tippte.

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„Hey, du bist früh dran!“
Die Tür, die in Sidneys eigentliches Büro
führte, öffnete sich und seine Frau trat
heraus. Sie war knapp einen Meter und
siebzig groß, schlank und ihr langes, dunkles
Haar fiel wie reine Seide über ihre Schultern.
Ihr heller Teint wirkte frisch und ihre blauen
Augen sprühten vor Energie. Sie trug ein
schwarzes Etuikleid, das sich elegant um
ihren Körper schmiegte, und schwarze
Pumps.

Er klappte die Zeitschrift zu und legte sie
wieder zurück auf den kleinen Tisch vor sich.
Dann stand er auf, ging auf Sidney zu und
küsste sie kurz.
„Na ja, was soll ich sagen … du hast mir ge-
fehlt.“ Luke grinste sie an.
„Schleimer.“ Sydney lächelte zurück.

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Luke fiel auf, dass die Sekretärin sie beide
beobachtete, doch schon im nächsten Mo-
ment stellte Sidney sie ihm vor.
„Übrigens, Schatz, das hier ist Sylvia Patlock.
Du solltest dich mit ihr gut stellen, denn sie
alleine wird in Zukunft darüber entscheiden,
wer zu mir durchgelassen wird und wer
nicht!“
Die Sekretärin stand auf und reckte Luke
noch einmal die Hand entgegen.
„Das ging ja schnell“, meinte er nur, als er sie
noch einmal belanglos schüttelte. Etwas an
dieser Sekretärin gefiel ihm nicht, doch Sid-
ney schien ganz begeistert von ihr zu sein.
„Sylvia, ich werde in etwa eineinhalb Stun-
den wieder zurück sein“, sagte Sidney,
während sie auf die Bürotüre zuging.
Luke folgte ihr.
„Ich wünsche Ihnen beiden eine schöne Mit-
tagspause“, rief Sylvia hinterher, bevor sie
ins Foyer hinaustraten.

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„Hattest du gestern nicht erwähnt, dass du
doch nicht einmal Gelegenheit hattest, die
Bewerbungen durchzusehen?“, fragte Luke
skeptisch, als sie wenige Minuten später bei
„Diego’s“, ihrem Lieblingsrestaurant auf der
Terrasse saßen und ihren Lunch genossen.
„Ja, das war schon eine merkwürdige Sache“,
begann Sidney, während sie einen großen
Schluck Eistee trank.
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, woher sie
kommt. Sie ist keine der Bewerberinnen, die
sich schriftlich um die Stelle bemüht hatten.
Sie ist heute Morgen plötzlich in meinem
Büro aufgetaucht und meinte, sie suche drin-
gend einen Job und wollte lieber persönlich
vorbeikommen, als eine Bewerbung per Post
zu schicken, weil sie der Meinung sei, dass
sie mit den anderen Bewerbern auf dem
Papier nicht mithalten kann. Sie ist in der
achten Klasse kurz vor dem Abschluss
abgegangen und war nicht auf dem College.
Sie ist gerade erst geschieden worden und

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nach Manhattan gekommen. Ihr Mann war
eines dieser Arschlöcher, das sie betrogen
und geschlagen hat. Sie weiß weder, wo sie
hinsoll, noch, was sie machen soll, und sie
hat eigentlich ganz gute Referenzen!“
„Sagtest du nicht eben, sie war noch nicht
einmal auf dem College?“
„Ja, aber sie hatte zwei Jobs. Einmal bei
einem renommierten Steuerberater und ein-
mal bei einem Immobilienmakler, der inter-
national Geschäfte macht und sich auf Lux-
usimmobilien spezialisiert hat. Sie hat mir
ihre Dienstzeugnisse vorgelegt und ihre
ehemaligen Arbeitgeber loben sie in den
höchsten Tönen. Außerdem habe ich mit der
Personalchefin des Immobilienmaklers ge-
sprochen, die Sylvia ebenfalls in den höch-
sten Tönen gelobt und sehr bedauert hat,
dass sie das Unternehmen verlassen hat. Ein
Collegeabschluss sagt nicht immer etwas
über die Fähigkeiten von jemandem aus.
Übrigens wurde sie von den Kunden des

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Immobilienmaklers als die freundlichste und
zuvorkommendste Sekretärin beschrieben,
die viele jemals kennengelernt haben.“
Sidney nahm eine Gabel Salat von ihrem
Teller auf.
„Und warum hat sie ihre beiden letzten An-
stellungen verloren, wenn sie dort doch so
beliebt war?“
„Vermutlich

wollte

sie

etwas

anderes

machen“, meinte Sidney unbedarft, „außer-
dem waren diese Jobs nicht in New York. Sie
hat vorher in – ich glaube – Seattle gelebt,
oder so!“
„Ich weiß nicht“, murmelte Luke und nahm
einen Bissen seines Putenbrust-Sandwiches.
„Was ist denn los mit dir?“ Sidney blickte ihn
an.
„Ich … ich weiß es eben nicht. Ich finde sie
merkwürdig. Ich hatte ein merkwürdiges Ge-
fühl in ihrer Gegenwart!“
„Ein merkwürdiges Gefühl“, wiederholte
Sidney.

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„Ich weiß selbst, wie bescheuert das klingt.“
„Vielleicht ist sie eine deiner Verflossenen
und du kannst dich nur nicht mehr genau an
sie erinnern“, witzelte Sidney mit ihrem
kleinen Seitenhieb auf Lukes unzählige
Frauenbekanntschaften, die er vor ihrer Bez-
iehung gepflegt hatte.
„Das, meine süße kleine Ehefrau, wage ich zu
bezweifeln. Ich finde sie nicht attraktiv, und
ich kann mir nicht vorstellen, dass sie früher
einmal gut ausgesehen hat. Außerdem
strahlt sie etwas Merkwürdiges aus. Irgend-
wie erinnert sie mich an die Figur, die Kathy
Bates in Misery spielte.“
„Sylvia ist in Ordnung. Sie ist mir eine
wahnsinnig große Hilfe“, versuchte Sidney
Lukes Bedenken zu zerstreuen.
„Sie arbeitet seit gerade einmal vier Stunden
für dich“, lächelte er.
„Ja, und in diesen vier Stunden war sie sehr
produktiv“, entgegnete Sidney und blitzte
ihn mit ihren Augen an.

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„Ich liebe dich, Prinzessin“, sagte Luke plötz-
lich ernst, „sei bitte vorsichtig, was diese
Sylvia betrifft!“
Er war fasziniert von seiner Frau, die jeman-
dem einfach einen Job gab, weil dieser Je-
mand sich in einer Notsituation befand.
„Schatz, ich versichere dir, dass es keinen
Grund gibt, Sylvia zu misstrauen“, sagte Sid-
ney und nahm über den Tisch Lukes Hand.
„Aber natürlich verspreche ich dir, vorsichtig
zu sein – das bin ich ohnehin, und das weißt
du doch auch, oder?“
„Ja klar. Vermutlich hab ich heut auch nur
einen merkwürdigen Tag“, gab Luke klein
bei.
Er wollte Sidney nicht beunruhigen und
hatte selbst keine Erklärung dafür, warum er
sich in Gegenwart von Sylvia Patlock so
merkwürdig gefühlt hatte.

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Luke begleitete seine Frau bis vor ihr Büro.
Dort blieb er stehen, zog sie an sich heran,
küsste sie kurz und sah sie eine Weile an.
„Wie stehen meine Chancen, dich dazu zu
überreden, sie zu feuern?“, fragte er
unverblümt.
„Gleich null“, antwortete Sidney und sah ihn
unverwandt an.
„Was ist denn nur los mit dir?“
„Ich weiß es auch nicht. Irgendetwas an ihr
ist seltsam, Baby. Mehr als seltsam. Sie hat
mich so komisch angesehen, als ich vorhin
reingekommen bin!“
„Sie hat dich komisch angesehen?“
Sidney schüttelte kurz den Kopf.
„Könnte daran liegen, dass du ein verdammt
gutaussehender Typ bist!“
Sie lächelte verschmitzt.
„Und du weißt ja, was man über verheiratete
Männer sagt – sie sind noch reizvoller als
Singles!“
Luke lachte kurz.

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„Vielleicht leide ich ja wirklich an Paranoia“,
sagte er dann, mehr um seine Frau zu ber-
uhigen, als dass er es wirklich meinte.
Sidney lächelte ihr zauberhaftes Lächeln, das
er selbst nach zwei Jahren Ehe immer noch
so wunderbar fand.
„Wir sehen uns dann heute Abend. Wie spät
wird es bei dir in etwa werden?“
„Nicht später als sechs“, sagte er, während er
im Hinterkopf seine Praxistermine sortierte.
„Nichts Großartiges los heute und OP steht
auch keine an!“
„Wunderbar. Dann bis heute Abend. Wir
können uns ja dann um deine Paranoia
kümmern!“
Sie küsste ihn noch einmal und verschwand
dann durch die Tür in ihr Büro.
Er blieb noch eine Weile stehen und wäre ihr
am liebsten nachgegangen. Ihm war unwohl
dabei, zu wissen, dass Sidney in einem Raum
mit dieser Sylvia saß, die ihm durch und
durch seltsam erschien. Eigentlich war das

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alles verrückt. Sylvia Patlock hatte doch gar
nichts gemacht. Ganz im Gegenteil: Sie war
höflich, zuvorkommend und korrekt, hatte
sich verhalten, wie man es von einer guten
Sekretärin erwartet. Sie hatte ihn weder an-
gebaggert noch war sie frech oder irgendwie
rüde gewesen. Sidney hatte Recht, sie wirkte
wie eine sehr gute Sekretärin. Allerdings war
da noch etwas anderes.
„Vielleicht leide ich ja doch an Paranoia“,
sagte er leise zu sich selbst und machte sich
dann auf den Weg zurück in die Praxis.

„Hallo, Sylvia, da bin ich wieder“, sagte Sid-
ney, als sie durch die Tür trat.
Sylvia war gerade dabei, einen Stoß Akten zu
sortieren, und sah auf, als sie angesprochen
wurde. Sie lächelte, nahm einen kleinen,
quadratischen Zettel, der neben ihrem Com-
puter lag, und begann, Sidney über die An-
rufe zu informieren, die sie darauf notiert
hatte.

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„Mrs. Welsh hat ihren Termin um dreißig
Minuten nach hinten verlegt, da ihr Babysit-
ter so spät dran war. Da nichts in Ihrem Ter-
minkalender eingetragen war, habe ich ihr
gesagt, dass das in Ordnung geht, und den
Termin verschoben. Richter Dorrington hat
angerufen und ersucht um Rückruf in der
Angelegenheit Farnsworth, das Vorstands-
meeting mit den Partnern wurde für Don-
nerstag früh um neun festgesetzt und Mrs.
Rodriguez möchte ebenfalls zurückgerufen
werden. Ich konnte ihren Namen allerdings
nicht in der Datenbank finden!“
„Das ist schon okay, Mrs. Rodriguez ist
meine beste Freundin Gloria, ich rufe sie
später an. Geben Sie mir bitte in fünfzehn
Minuten Richter Dorrington, damit ich mir
vorher noch den Fall ansehen kann!“
„Alles klar!“
Sylvia zerknüllte das kleine Stück Papier und
warf es in den Papierkorb, der sich links
neben ihrem Tisch befand.

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„Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Mrs.
Williams?“
„Nein, das war’s, vielen Dank“, sagte Sidney
und ging weiter in ihr Büro.
Sie hängte ihre Tasche an dem Kleider-
ständer hinter der Tür auf und setzte sich in
den Sessel. Sylvia hatte ihr den Aktenordner
mit dem Fall Farnsworth schon auf den
Tisch gelegt und die entsprechende Stelle,
die der Richter besprechen wollte, mit einem
neongrünen Post-it markiert. Sie war ein
Volltreffer. Sidney konnte nicht verstehen,
warum Luke so merkwürdig auf sie reagierte.
Normalerweise hatte er weder Vorurteile
noch ging ihm jemand so gegen den Strich –
schon gar nicht in dem Ausmaß, wie Sylvia
es tat. Vielleicht hatten die beiden einmal
was miteinander, schoss es Sidney durch den
Kopf, während sie Glorias Nummer wählte.
Bei dem Gedanken musste sie schmunzeln.
Einerseits, weil sie Lukes Reaktion dann ver-
stehen konnte, und andererseits, weil die

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Idee Schwachsinn war. Sidney kannte die
Frauen, mit denen Luke sich vor ihrer Zeit
verabredet hatte, und Sylvia war mit ihrer
kleinen Größe, der Untersetztheit, den gel-
ben Zähnen und dem nicht gerade sexy
wirkenden Auftreten genau das Gegenteil
seines ehemaligen Beuteschemas.

„Seit wann hast du eine Sekretärin?“, war die
erste Frage, die Gloria ihr stellte, als sie das
Gespräch annahm.
„Seit heute Morgen, war eine lustige
Geschichte, ich erzähl sie dir am Freitag!“
„Das heißt, Freitagabend ist gebongt? Erst
Essen im Chantillys und dann Kino?“
„Ja, das ist gebongt!“
Sidney stieg ins Internet ein und surfte zur
Seite des Movieplexx NY, ihrem Stammkino.
„Lass uns gleich die Karten reservieren, ich
bin grad im Internet!“

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Sie bemerkte gar nicht, dass während ihres
Telefonates mit Gloria das kleine Lichtchen
an ihrem Telefon leuchtete, das anzeigte,
dass eine Sprechverbindung zu dem Apparat
im Vorzimmer hergestellt war. Nachdem
Sylvia die Uhrzeit, den Ort und den Film
mitgehört hatte, den Sidney, Luke und ihre
Freunde drei Tage später im Kino ansehen
wollten, erlosch das Lichtchen.

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„Oh Gott, ich habe den ganzen Tag auf dich
gewartet“, schwärmte Luke, als der Oberkell-
ner im Chantillys ein Mediumsteak mit
kleinen Kartoffeln und grünen Bohnen vor
ihm abstellte.
„Da habt ihrs – nach zwei Ehejahren fährt er
auf ein Steak mehr ab als auf mich“, spielte
Sidney die Genervte.
Luke legte sein Messer und seine Gabel bei-
seite, beugte sich zu Sidney hinüber und gab
ihr einen leidenschaftlichen Kuss.
„Glaub mir, Prinzessin, ich fahre auf nichts
und niemanden mehr ab als auf dich“, sagte
er dann und blickte ihr in die Augen.
„Was war das nun für eine merkwürdige
Geschichte, die du mir wegen deiner
Sekretärin erzählen wolltest?“, griff Gloria

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das Thema wieder auf, das Sidney drei Tage
zuvor angeschnitten hatte.
„Ach, ja, richtig. Na ja, so komisch war die
Geschichte gar nicht. Sylvia ist einfach eines
Morgens in meinem Büro aufgetaucht und
meinte, sie sei auf der Suche nach einem
Job. Ich hatte irgendwie Mitleid mit ihr. Sie
hat keinen Collegeabschluss, ist gerade
geschieden worden, wohnt in einem kleinen
Appartement in Brooklyn ... der klassische
Fall von jemandem, den man des Mitleids
wegen einstellt. Ich dachte, selbst wenn sie
nur zwei Wochen für mich arbeitet, dann hat
sie wenigstens ein bisschen Geld verdient,
das sie weiterbringt. Allerdings habe ich
mich getäuscht, sie hat mächtig was drauf.
Sie ist die beste Sekretärin, die ich kenne. Ich
meine, die Firma hat mir ja schon ab und zu
jemanden zur Seite gestellt, wenn ich einen
größeren Fall zu bearbeiten hatte, aber sie
alle können Sylvia nicht annähernd das
Wasser reichen!“

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„Klingt großartig“, sagte Gloria, während sie
einen Bissen Salat auf ihre Gabel spießte.
„Ich finde sie gruselig“, schaltete Luke sich
ein.
Sidney rollte mit den Augen.
„Gruselig? Wieso?“, fragte Eric und sah Luke
an.
„Ich weiß es im Grunde auch nicht“, antwor-
tete er, trank einen Schluck Wein und sah
Eric dann an.
„Irgendwas an dieser Frau stimmt nicht,
wenn du mich fragst. Sie kam mir von der er-
sten Sekunde an eigenartig vor. Sie hat mich
auch so komisch angesehen!“
„Er denkt, sie sei ein Psycho“, meinte Sidney.
„Dabei ist sie wirklich ein Goldstück!“
„Na ja, wenn du möchtest, kann ich ihren
Namen mal durch unsere Datenbank laufen
lassen“, bot Eric an, der als Officer am CSU
ausgedehntere Möglichkeiten hatte, an In-
formationen

über

Menschen

heranzukommen.

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„Das wär eine Möglichkeit“, meinte Luke.
„Luke, wir können und werden meiner
Sekretärin nicht einfach hinterherspionier-
en, weil du sie merkwürdig findest“, meinte
Sidney.
„Schon mal was von Datenschutz gehört?“
„Ach, so schlimm ist das auch wieder nicht“,
meinte Eric.
„Ich meine, du könntest sie genauso gut goo-
geln und würdest vermutlich dieselben Infos
über sie ausgraben, bis auf die Anzahl ihrer
Strafzettel fürs Falschparken!“
„Wir werden Sylvia weder googeln noch
durch den CSU-Computer laufen lassen,
damit das klar ist“, sagte Sidney mit einem
Lächeln auf den Lippen.
Sie fand es schön, dass ihr Mann sich um sie
sorgte und dass der Mann ihrer besten Fre-
undin seine Hilfe anbot. Allerdings war sie
sicher, dass es nichts gab, was an Sylvia ge-
fährlich war. Sie wollte sie auf keinen Fall als
Sekretärin verlieren.

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Nachdem sie gegessen hatten, fuhren die
beiden Pärchen vom Chantillys weiter zum
Movieplexx in der 72. Straße. In der Vorhalle
tummelten sich jede Menge Menschen, wie
es für einen Freitagabend üblich war. Vor
den Kassen hatten sich bereits lange Schlan-
gen gebildet, die beinahe bis zum Eingang
reichten.
„Na klasse“, sagte Gloria, „sieht so aus, als
hätten nicht nur wir heute Abend die Idee
gehabt, ins Kino zu gehen!“
„Stimmt“, antwortete Sidney und kramte in
ihrer Gucci-Handtasche herum. Dann zog sie
vier Tickets heraus.
„Daher war es eine gute Idee, die Karten on-
line zu kaufen und auszudrucken!“
Sie verteilte die Tickets an ihren Mann und
ihre Freunde. Luke nahm ihre Hand und die
vier gingen vorbei an den Schlangen in Rich-
tung Snackbar.

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„Okay, was wollt ihr ...“ begann Eric, als er
just unterbrochen wurde.
„Mrs. Williams, hey. So eine Überraschung!“
Neben Sidney war plötzlich jemand auf-
getaucht. Sylvia. Sie trug dieselbe Hose, die
sie getragen hatte, als Luke Sidney vor drei
Tagen zum Lunch abgeholt hatte. Wieder
hatte sie auch einen Rollkragenpullover –
diesmal in einem Weiß, das definitiv nicht
mehr das frischeste war – an. Ihr Haar war
genauso wie jeden Tag zu einem straffen
Zopf zusammengebunden, und sie trug die
dicke Hornbrille, die sie ebenfalls vor drei
Tagen auf der Nase gehabt hatte. Sie wirkte
überhaupt nicht wie jemand, der einen
gemütlichen Abend im Kino verbringen woll-
te, sondern eher wie jemand, der eine Bande
Zweitklässler in der Bibliothek bändigen
sollte.
„Sylvia, was machen Sie denn hier!“, rief Sid-
ney überrascht, als ihre Sekretärin neben ihr
auftauchte.

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Sie war gespannt, was Gloria und Eric von
ihr halten würden. Vielleicht schafften es die
beiden, Luke davon zu überzeugen, dass
Sylvia keine messerschwingende Irre war,
die ihr an den Kragen wollte.
„Ich war mit meiner besten Freundin hier im
Kino verabredet, aber sie hat mich eben an-
gerufen und abgesagt – ihr Babysitter sitzt
am College fest und kann nicht kommen.
Und so kurzfristig konnte sie keinen Ersatz
besorgen!“
„Oh, das tut mir leid“, sagte Sidney.
Die Situation war etwas merkwürdig. Sidney
überlegte kurz, Sylvia zu fragen, ob sie sich
ihnen anschließen wollte, doch dann würde
Luke vermutlich übellaunig werden. Er
blickte schon jetzt, wo Sidney noch nichts
von ihrer Idee gesagt hatte, genervt drein
und Eric musterte Sylvia. Gloria wirkte als
Einzige entspannt. Diesen Umstand griff
Sidney auf.

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„Sylvia, das hier ist meine beste Freundin
Gloria Rodriguez, Sie haben ja schon mit ihr
telefoniert. Das ist ihr Mann Eric, und mein-
en Mann Luke kennen Sie ja schon!“
Die Sekretärin grüßte Sidneys Freunde und
ihren Mann und stand dann wieder reglos
da. Nach einer Weile sagte sie: „Ich sollte jet-
zt wohl besser gehen, der letzte Bus zu mir
nach Hause fährt in zehn Minuten! Ich hatte
mich echt auf diesen Abend heute gefreut.
Aber da kann man wohl nichts machen.
Ihnen allen noch einen schönen Abend.“
Sie wirkte geknickt.
„Wenn der letzte Bus nach Hause in zehn
Minuten hier losfährt, wie hätten Sie dann
nach dem Film nach Hause kommen
wollen?“, fragte Luke.
Die Skepsis Sylvia und ihrer Aussage ge-
genüber lag in seiner Stimme.
„Meine Freundin hat ein Auto“, erklärte sie
ihm unbedarft.

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„Na ja, ich wünsche Ihnen dann noch einen
schönen Abend!“
Sie wandte sich ab, blieb aber nach zwei Sch-
ritten wieder stehen.
„Ich habe die beiden Karten schon gekauft“,
sagte sie und streckte sie Sidney entgegen.
Wenn Sie sie gebrauchen können ...!“
„Danke Sylvia, wir haben unsere auch
schon“, entgegnete Sidney.
Gloria lugte auf Sylvias Karten.
„Hey, Sie sehen sich ja denselben Film an
wie wir“, stellte sie fest.
„So? Sie sehen sich also auch den neuen
Tom-Cruise-Streifen an? Ich bin ein echter
Fan von Tom. Hab alle Filme gesehen und
als DVDs zu Hause. Wissen Sie, ich bin ein
riesiger Filmfan, bevor meine Ehe in die
Brüche ging …“, sie machte eine kleine
Pause, „… hatte ich eine sehr umfangreiche
DVD-Sammlung mit einer Menge kleiner
Schätze dabei. Daher war der Abend heute ja
auch sowas Besonderes für mich, der neue

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Tom Cruise im Kino, das wär schon eine
nette Abwechslung zu all dem Mist gewesen,
der mir in letzter Zeit widerfahren ist. Ich
hätte mich einfach gefreut, einmal wieder et-
was Normalität in meinem Leben zu haben.
Nach der Scheidung und dem Umzug war
alles etwas durcheinander!“
„Was halten Sie davon, wenn Sie sich den
Film mit uns ansehen?“, meinte Gloria. Sie
wandte sich an die anderen: „Das ist doch für
euch okay?“
Luke blickte sie böse an.
„Ich finde, das ist eine großartige Idee“,
stimmte auch Sidney mit ein.
Sie dachte wieder einmal an die scheinbar
magische Verbindung, die sie und Gloria un-
tereinander hatten. Seit der Highschool kan-
nten die beiden sich und seither hatten sie
oft auch dieselben Gedanken. Vermutlich ein
Umstand, der sich mit der Zeit zwischen be-
sten Freundinnen einfach entwickelte. Sid-
ney hatte bemerkt, dass Luke nicht gerade

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begeistert von der Idee war, dass Sylvia mit
ins Kino kam. Aber vielleicht würde er seine
Skepsis ablegen, wenn er etwas Zeit mit ihr
verbrachte und feststellte, dass sie weder ge-
fährlich noch verrückt war.
„Nein, ich kann mich doch nicht aufdrän-
gen“, sagte Sylvia, doch in ihrer Stimme lag
nicht sehr viel Überzeugung. Vermutlich
wollte sie nur noch einmal die Bestätigung
dafür haben, dass sie mitkommen sollte.
„Wie nett von Ihnen“, sagte Luke, „wenn Sie
sich beeilen, schaffen Sie’s sogar noch zum
Bus.“
„Sie drängen sich überhaupt nicht auf“,
wehrte Sidney ab.
„Kommen Sie mit, Tom Cruise wartet
schon!“
Luke sah Sidney entgeistert an.
„Schatz, kommst du mal bitte mit“, sagte er
dann und zog sie zur Seite.

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„Was soll das – warum geht die jetzt mit uns
ins Kino?“
Luke war außer sich.
„Luke, sie geht mit uns ins Kino. Sie zieht
nicht bei uns ein. Ich weiß überhaupt nicht,
was mit dir los ist.“
„Merkst du denn nicht, dass mit ihr etwas
nicht stimmt?“
„Nein, merke ich nicht!“
Sidney war sauer.
„Ich verstehe überhaupt nicht, warum du
hier so herumspinnst. Sie hat dir doch gar
nichts getan. Du findest sie komisch? Ich
finde die Typen, mit denen wir oft essen ge-
hen, weil sie Kunden oder Geschäftspartner
von dir sind, auch komisch, aber deshalb
würde

ich

sie

noch

lange

nicht

so

anbiedern!“
„Sidney“, lenkte Luke ein.
„Ich liebe dich. Ich weiß auch nicht, was mit
mir los ist. Ich finde sie eben einfach selt-
sam! Lass Eric sie wenigstens überprüfen.“

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Er zog sie an sich heran und küsste sie.
„Nein! Sie ist völlig okay“, versicherte Sidney
noch einmal und küsste Luke zurück.
„Gib ihr eine Chance!“
„Ich steh echt verdammt unter deinem
Schuh“, schmunzelte er und sah ihr in die
Augen. „Aber dass eins klar ist: Begeistert
bin ich nicht von der Tatsache, mit dieser
Person einen Abend zu verbringen. Und es
ist seltsam, dass sie plötzlich an dem Abend
hier auftaucht, an dem wir hier sind!“
Dann küsste er sie noch einmal, nahm ihre
Hand und sie gingen zu den anderen zurück.

„Hey, Eric, was meinst du, wollen wir über
die Snackbar herfallen?“, sagte Luke, als sie
neben den anderen zum Stehen gekommen
waren.
„Nichts lieber als das. Ich weiß zwar nicht,
warum, aber ich sterbe vor Hunger, obwohl
ich vor einer Stunde ein Steak verdrückt
habe“, sagte Eric.

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Die beiden Männer verschwanden in Rich-
tung Snackbar und ließen die Frauen allein
zurück.

„Mann, diese Sekretärin … irgendetwas stim-
mt nicht mit ihr“, sagte Eric, als er und Luke
sich in der Schlange vor der Snackbar anges-
tellt hatten.
Luke schlug Eric freundschaftlich auf die
Schulter.
„Danke Mann, wenigstens einer, der das so
sieht wie ich. Ich hatte das Gefühl von An-
fang an, schon als ich sie das erste Mal gese-
hen habe. Es war, als würde ich in Sidneys
Büro kommen und etwas wäre anders.
Dunkler, gefährlicher ... so verrückt das auch
klingt!“
„Nein, es klingt nicht verrückt. Sie wirkt
zwar offen, nett und freundlich, aber etwas
ist nicht in Ordnung mit ihr“, bestätigte Eric.
„Ich habe vor Jahren einmal ein Seminar in
Sachen

Profiling

und

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Persönlichkeitsausprägung

gemacht,

sie

haben uns Profile von Mördern und Gewalt-
verbrechern gezeigt, die nach außen hin die
netten Typen von nebenan waren. Sie alle
waren furchtbar offen, hilfsbereit und nett.
Das waren Leute, denen man, ohne weiter
darüber nachzudenken, seine Kinder anver-
traut hätte. Denk doch bloß mal zum Beispiel
an Ted Bundy. Alles Leute, mit denen man
sich gern umgibt, von denen man meint, sie
könnten keiner Fliege was zuleide tun!“
„Wie Sylvia“, ergänzte Luke.
„Wie Sylvia“, bestätigte Eric.
„Wir sollten sie vielleicht doch durch euren
Computer laufen lassen!“
„Auf jeden Fall!“

„So, da sind wir wieder!“
Luke und Eric kamen, beladen wie zwei
Lastesel, von der Snackbar wieder zurück.
Sie hatten Softdrinks, zwei Eimer voll Pop-
corn, Schokolinsen und Gummibärchen

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gekauft. „Und für meine Prinzessin natürlich
das Wichtigste an einem Kinoabend!“
Luke holte eine Schale Nachos hinter seinem
Rücken hervor!
„Mein Traummann“, scherzte Sidney und
steckte einen Nacho in den Mund.
„Ich wusste ja, warum ich dich geheiratet
habe!“
Sie funkelte ihren Mann aus ihren blauen
Augen an.
„Ach, wenn ich Ihnen so zusehe, werde ich
wegen

meiner

Scheidung

fast

etwas

wehmütig“, meldete sich Sylvia zu Wort.
„Sie sind geschieden?“, fragte Gloria.
„Ja, seit zwei Monaten. Es ... es klingt so ver-
rückt, zu sagen, dass ich geschieden bin, weil
mein Exmann derjenige war, mit dem ich
den Rest meines Lebens verbringen wollte.
Ich habe uns schon in der Rente auf unserer
Veranda sitzen und selbstgemachten Eistee
schlürfen sehen, uns abends beim Bingo
gesehen, uns die goldene Hochzeit feiern

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gesehen. Aber ... es kommt eben oft anders,
als man denkt!“
Sie sah zu Boden.
„Ja, man hat leider keine Garantie dafür“,
sagte Gloria.
„Wissen Sie, ich hätte mir nie im Leben träu-
men lassen, dass mein Mann ... mein Ex-
Mann mir das Leben einmal so zur Hölle
macht. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt
noch einmal jemanden lieben, mich ihm
öffnen kann, nach allem, was passiert ist!“
Sylvia hatte schon öfter Andeutungen
darüber gemacht, dass ihre Ehe die Hölle auf
Erden gewesen sein musste, doch Sidney
wollte bislang nicht nachfragen. Sie wollte
nicht, dass Sylvia sich mit Dingen ausein-
andersetzen musste, die ihr zu schaffen
machten, und überdies ging es sie auch
nichts an. Doch jetzt, da sie nicht im Büro,
sondern im Kino waren, siegte die Neugier.
„Sie haben schon öfter erwähnt, dass Ihr Ex-
mann Sie schlecht behandelt hat. Ich hoffe

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doch, er hat Sie nicht ... geschlagen ...?“,
fragte sie.
„Geschlagen nicht. Okay, nur drei Mal, aber
es war nicht schlimm, nur ein paar blaue
Flecke und einmal eine ausgerenkte Schul-
ter. Das Schlimmere war, dass er mich im-
mer und immer wieder betrogen hat. Er
hatte an jeder Ecke der Stadt eine Andere.
Hat unser Geld durchgebracht und Schulden
angehäuft. Ich habe mir dann noch einen
Nachtjob gesucht, um unsere finanzielle
Situation halbwegs unter Kontrolle zu haben,
doch es hat nicht gereicht. Es gab Tage, da
hatte ich noch nicht einmal genug, um mir
etwas Anständiges zu essen zu kaufen. Ich
habe mich tagelang von Nudeln und Kartof-
feln ernährt, und manchmal waren da Tage,
da gab es gar nichts. Aber ich dachte immer,
dass es irgendwann wieder aufwärts gehen
wird. Daher habe ich auch immer an das
Gute in meinem Mann – meinem Ex-Mann
– geglaubt. Eines Abends kam er dann nach

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Hause, hatte eine abgehalfterte Schnepfe im
Schlepptau und meinte, ich solle meinen
Kram packen und verschwinden. Er stopfte
ein paar meiner Klamotten in eine Reis-
etasche, warf meine Zahnbürste dazu und
setzte mich vor die Tür. Ich hatte nichts
mehr, außer dieser Tasche. Beim Hinausge-
hen hat er mir noch eine Jacke nachgewor-
fen, in der glücklicherweise mein letzter Ge-
haltsscheck steckte. Damit hab ich mich
dann auf den Weg nach New York gemacht.
Ich wollte ganz von vorn anfangen und mein
Leben neu orientieren. Und da bin ich auf
dem besten Weg!“
„Oh Sylvia, das ist ja schrecklich“, sagte
Gloria und wirkte ganz betroffen.
„Ich bin ja der Meinung, dass zum Scheitern
einer Beziehung immer zwei gehören“, be-
merkte Luke nüchtern.
Sidney kniff ihn kurz in die Seite. Sie fand
Sylvias Geschichte einfach schrecklich.

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„Da haben Sie sicher recht, Mr. Williams“,
entgegnete sie, „ich hätte mehr tun können.
Ich hätte meinem Mann eine bessere
Ehefrau sein sollen. Ich hätte meine Jobs
flexibler gestalten und mir vielleicht noch
einen dritten suchen sollen. Irgendwie hät-
ten wir es dann vielleicht geschafft. Aber …
ich war einfach zu schwach. Ich war am Ende
mit meinen Kräften!“
„Mein

Mann

meint

das

nicht

so“,

entschuldigte Sidney sich für Luke.
„Schon okay“, entgegnete Sylvia, „ich sehe
das genauso wie er. Und ich liege fast jede
Nacht wach und überlege, was ich hätte
besser machen können ...!“
Sie senkte traurig ihren Blick.
„Okay, wir sollten jetzt langsam reingehen“,
sagte Sidney, um die Situation etwas zu
entschärfen. Sie nahm Luke an der Hand
und zog ihn Richtung Kinosaal.
„Das war ja eben ganz großes Kino“, flüsterte
Eric ihm zu, als sie in ihren Sitzen im

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Kinosaal Platz nahmen. Mit einem merkwür-
digen Gefühl im Bauch nahm er wahr, dass
Gloria, die neben Sylvia saß, sich angeregt
mit ihr unterhielt.

„Ich hoffe, wir waren ein halbwegs akzepta-
bler Ersatz für den Kinoabend mit Ihrer Fre-
undin“, sagte Sidney, nachdem die Gruppe
nach dem Film im Foyer des Kinos stehen
geblieben war.
„Es war ein wunderbarer Abend“, entgegnete
Sylvia, „vielen herzlichen Dank, dass ich
mich Ihnen anschließen durfte!“
„Ja, wir sollten uns jetzt auf den Heimweg
machen“, drängte Luke. Er konnte Sylvia im-
mer noch nichts abgewinnen.
„Wie kommen Sie jetzt nach Hause?“, erkun-
digte sich Sidney.
„Immerhin wollten Sie ja mit Ihrer Freundin
fahren, weil es um diese Zeit keinen Bus
mehr gibt!“

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„Ich nehme die U-Bahn und laufe den Rest“,
meinte Sylvia.
„Die U-Bahn und den Rest laufen? In Brook-
lyn? Das ist zu gefährlich“, stellte Sidney fest.
„Wir könnten Sie nach Hause bringen!“
„Schatz, ich muss heute noch einige Dinge
aufarbeiten“, meinte Luke.
Nach dem Abend mit Sidneys verschrobener
Sekretärin konnte er sich einen netteren
Ausklang vorstellen, als sie auch noch nach
Hause zu fahren.
„Ist schon in Ordnung, Mrs. Williams, es ist
ja nicht das erste Mal. Ich muss auch gar
nicht weit laufen“, versicherte Sylvia, verab-
schiedete sich und ging aus dem Kino.

„Mein Gott, Luke, hätten wir Sylvia nicht
nach Hause fahren können?“, sagte Sidney,
als die vier im Auto saßen und auf dem Weg
nach Long Island waren.

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„Es hat mir schon gereicht, dass ich einen
Abend mit ihr im Kino verbringen musste“,
antwortete Luke.
„Die Frau verbirgt irgendetwas, Eric sieht
das genauso wie ich!“
„Du findest sie tatsächlich auch seltsam?“,
fragte Gloria.
„Na ja, sie ist schon eigen“, meinte Eric. „Al-
lein die Tatsache, wie sie über ihren Exmann
spricht. Es wirkt fast einstudiert, so emo-
tionslos, und dabei ist sie ja angeblich so bet-
roffen und enttäuscht, dass ihre Ehe in die
Binsen gegangen ist. Es wirkt, als wäre sie
eine Siebenjährige, die beim Schulfest ein
Gedicht aufsagen muss!“
„Ich fand nicht, dass sie emotionslos gewirkt
hat“, sagte Sidney.
„Ich glaube, es ist nicht einfach, mit all dem
klarzukommen, was sie durchgemacht hat.
Dass sie da nicht wie ein Entertainer auf
einem Kreuzfahrtschiff wirkt, sollte klar
sein!“

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„Ich finde sie auch nett“, sagte Gloria.
„Sie wird uns übrigens Sonntag besuchen
und sich einen Schwung meiner Groschen-
romane holen. Sie liest sie genauso gerne wie
ich, aber nachdem ihr Ex sie ohne Alles auf
die Straße gesetzt hat, hat sie nun keinen
Lesestoff mehr. Ich habe ihr gesagt, sie kann
die beiden Kisten haben, die am Speicher
stehen!“
„Gloria“, rief Eric, „du hast sie zu uns nach
Hause eingeladen?“
„Fängst du jetzt also auch damit an?“, fragte
Gloria.
„Jungs, ich weiß nicht, in was ihr euch da
verrannt habt, aber Sylvia ist weder gefähr-
lich noch psychopathisch. Okay, sie ist viel-
leicht ein bisschen schräg, was ihren
Kleidungsstil betrifft, und sie ist einer dieser
Menschen, die einfach irrsinnig präsent sind,
aber mit ihr ist alles in Ordnung!“
„Stimmt, die Klamotten. Wir haben Früh-
sommer und sie läuft in Rollkragenpullover

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und Blazer herum. Wo es draußen über
dreißig Grad heiß ist“, sagte Luke.
„Vielleicht ... friert sie einfach ständig“, ver-
suchte Sidney den Gedanken zu entschärfen.
„Schatz, wir hatten heute vierunddreißig
Grad, noch nicht einmal ein Pinguin würde
heute frieren!“
„Vielleicht hat sie Narben“, meinte Eric.
„Narben?“
Gloria sah ihn unverwandt an.
„Na ja, es gibt Leute, die sich Narben zufü-
gen, sich derer schämen und dann eben
ständig in langärmeligen Klamotten herum-
laufen. Vielleicht war sie mal in eine Rauferei
verwickelt oder so. Oder sie hat sich geritzt,
nach der Scheidung eventuell. Es könnten
natürlich auch Tattoos sein, derer sie sich
schämt!“
„Vielleicht denkt sie, sie würde ihren Job
verlieren, wenn sie tätowiert ist“, sagte
Gloria.

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„Na ja, die Partner würden vermutlich je-
manden vorziehen, der nicht aussieht, als
wäre er gerade aus dem Knast gekommen“,
meinte Sidney und konnte sich gut vorstel-
len, dass Tätowierungen der Grund für Sylvi-
as seltsamen Kleidungsstil waren.
Wenn Sylvia tatsächlich an Hals und Armen
voll tätowiert war, würden Klienten und
Partner mit Sicherheit einen seltsamen
Eindruck von ihr bekommen.
„Hey, was haltet ihr davon, wenn ihr Son-
ntag auch zu uns rüberkommt?“, meinte
Gloria nach einer Weile.
„Wir könnten ein Barbecue veranstalten, ein
paar Drinks schlürfen, und ihr Jungs könntet
euch davon überzeugen, dass Sidneys
Sekretärin weder eine Vampirin noch eine
Psychokillerin ist!“
„Das mit dem Barbecue finde ich gut, aber
dass diese Sylvia daran teilnimmt, schmeckt
mir ehrlich gesagt nicht wirklich“, meinte
Eric, „zumindest so lange, bis ich sie

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überprüft habe. Lad sie doch fürs nächste
Wochenende ein, wenn sie sauber ist!“
„Nein, sie kommt dieses Wochenende“, ent-
gegnete Gloria, „und du wirst deine Paranoia
sofort ablegen. Sylvia ist nett, wenn ihr
Jungs ihr ein bisschen offener entgegentre-
ten würdet, dann würdet ihr das auch
erkennen und euch nicht verhalten wie zwei
Idioten!“

Nachdem Sidney und Luke ihre Freunde an
deren Haus abgesetzt hatten, waren sie weit-
er zu sich nach Hause gefahren. Die Fahrt
war größtenteils stumm verlaufen. Luke
hatte immer noch ein merkwürdiges Gefühl
bei Sylvia, wusste aber, dass es sinnlos war,
mit Sidney darüber zu streiten. Irgendwie
sah seine Frau diese Person in einem ganz
anderen Licht, als er selber es tat.

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3

Nachdem Luke geduscht hatte, war er erneut
nach unten gegangen, um die Alarmanlage
noch einmal zu überprüfen. Seit am Tage
ihrer Hochzeit Sidneys verrückter Exfreund
in ihr Haus eingestiegen war und Luke an-
geschossen hatte, legten sie großen Wert da-
rauf, dass die Anlage immer dann aktiviert
war, wenn sie außer Haus waren und nachts
schliefen. Er hatte noch ein Glas Wasser in
der Küche getrunken, und sein Blick war auf
die Hütte gefallen, die gegenüber ihrem
Grundstück lag und ebenfalls noch in ihrem
Eigentum war. Er hatte sich daran erinnert,
wie damals Sidneys Exfreund eine ganze
Weile in dieser Hütte gelebt und von dort
aus seinen Plan, Luke und Sidney zu töten,
geschmiedet hatte. Er kniff die Augen
zusammen und versuchte zu erkennen, ob er

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dort drüben irgendetwas ausmachen konnte.
Doch die Hütte lag im Dunkeln und war so
verlassen, wie sie nur sein konnte. Er schüt-
telte den Kopf und schalt sich, seine verrück-
ten Gedanken abzuschütteln. Nur weil ein
Verrückter dort drüben vor mehr als zwei
Jahren sein Lager aufgeschlagen hatte, hieß
das nicht, dass Sidneys Sekretärin das auch
getan hatte – die vermutlich noch nicht ein-
mal verrückt, sondern ganz normal war.

Er goss den Rest Wasser in den Ausguss,
wischte seine Hände an seinen Jogginghosen
ab und ging dann hinauf ins Schlafzimmer.
Das Fenster war geöffnet und der Vorhang
wehte sanft in der abendlichen Brise. Sidney
war nicht im Schlafzimmer. Luke überkam
ein merkwürdiges Gefühl. Er sah noch ein-
mal hinaus auf den Flur, doch auch dort war
alles still. In seinem Kopf spielte sich ein
Horrorfilm ab. Was, wenn Sylvia durch das
Fenster

eingestiegen

war

und

Sidney

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gekidnappt hatte? Sie konnte ... Die Tür zum
Badezimmer, das an das Hauptschlafzimmer
angeschlossen war, war offen und es brannte
Licht. Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als er
Sidney in einem hellrosafarbenen dünnen
Nachthemd vor dem Spiegel stehen sah. Sie
war gerade dabei, irgendeine Creme auf ihr
Gesicht aufzutragen.

Er trat von hinten an sie heran und küsste
ihren Hals. Seine Hände suchten ihren Weg
nach vorne über ihren Bauch hinauf zu ihren
Brüsten. Als er die beiden straffen Hügel
berührte und sie drückte, stöhnte er auf. Sid-
ney drehte sich um, schlang ihre Arme um
ihn und küsste ihn leidenschaftlich. Luke
hob Sidney auf den Waschtisch, während sie
seine Jogginghose herunterstreifte.

„Ich hätte nie gedacht, dass Liebe so intensiv
sein kann“, sagte Luke.

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Nachdem sie sich geliebt hatten, hatten sie
noch einmal eine Dusche genommen und
waren dann ins Bett gegangen. Er sah Sidney
an, die auf dem Bauch lag, während er mit
den

Fingern

sanft

ihre

Wirbelsäule

nachzeichnete.
„Ich würde sterben, wenn dir etwas
geschieht!“
Sidney drehte sich um und kletterte auf ihn.
Sie sah ihm tief in die Augen, während er
unter ihr lag und ihren Blick erwiderte.
„Ich hätte mir das auch nie träumen lassen“,
sagte sie und ein wohliger Schauer durchfuhr
sie. Sie erinnerte sich zurück an die erste
Begegnung mit Luke, als er ihr splitterfaser-
nackt in seinem Appartement in Uptown ge-
genüberstand, und ein Lächeln huschte über
ihr Gesicht.
„Was ist?“, fragte er und strich ihr sanft eine
Strähne aus dem Gesicht.

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„Ich habe gerade daran gedacht, wie wir uns
das erste Mal begegnet sind und wie sich das
alles entwickelt hat“, sagte sie.
„Oh ja, wir hatten nicht gerade die besten
Karten“, lächelte Luke und strich sanft Sid-
neys Oberarme auf und ab, „ein sexbesessen-
er Playboy und eine biedere Anwältin!“
„Hey, das ‚bieder‘ verbitte ich mir aber“,
lachte Sidney und küsste Luke.
Er schloss seine Arme um seine Frau und
drückte sie fester an sich, ehe der Kuss in die
Unendlichkeit zu versiegen schien.

Sylvia Patlock verzog das Gesicht. Sie wollte
würgen, besann sich dann aber eines Besser-
en. Es wäre äußerst kontraproduktiv, wenn
sie jetzt einen Mucks von sich geben würde.
Sie würden sie bestimmt bemerken, die Pol-
izei rufen und dann wäre ihr ganzer Plan zu-
nichtegemacht.

Außerdem

war

die

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Knutscherei, die sie gerade mit ansehen
musste, um einiges harmloser als das Her-
umgevögel zuvor im Badezimmer. Sie hatte
sich ganz kurzfristig dazu entschlossen, bei
Sidney und Luke einzusteigen und die Situ-
ation zu sondieren, als sie mitbekommen
hatte, dass die beiden erst Gloria und Eric
nach Hause fahren mussten. Sie hatte sich
ein Taxi besorgt und dem Fahrer zwanzig
Dollar extra bezahlt, damit er auf die Tube
drückte. Und sie hatte Glück: Als das Taxi
vor dem großen Haus am Ende der Pinecrest
Avenue hielt, lag es noch im Dunkeln. Für je-
manden wie Sylvia Patlock war es ein Leicht-
es, die Alarmanlage zu umgehen und in das
Haus einzusteigen. Sie lachte kurz bei dem
Gedanken, dass Menschen sich tatsächlich
sicher fühlten, nur weil ein Haufen sinnloser
Kabel und Drähte, verpackt in ein nettes
Kunststoffgehäuse, in das man einen Code
tippen musste, ihr Haus „bewachte“. Nach-
dem sie sich kurz und vorsichtig im Dunkeln

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umgesehen hatte, hatte sie gehört, wie der
Wagen in der Garage geparkt wurde und war
dann schnurstracks ins Schlafzimmer ge-
huscht, um sich dort im Wandschrank zu
verstecken. Erst als sie darin war und im Un-
tergeschoß schon Stimmen hören konnte,
war ihr klar geworden, wie verrückt es war,
sich ausgerechnet im Schlafzimmerschrank
zu verstecken, doch es war ein relativ großer
Schrank und sie fand hinter einer mannsho-
hen Kiste, in der offensichtlich weiteres
Bettzeug aufbewahrt wurde, ein gutes Ver-
steck, sollten Sidney oder Luke ihn an
diesem Abend noch öffnen. Den Schrank
würde sie dann erst am nächsten Morgen
wieder verlassen, etwa dann, wenn die
beiden – was sie hoffte – wieder eine ge-
meinsame Dusche nehmen würden oder
aber sonst wie das Haus verlassen würden.
Und obwohl es im Wandschrank stickig, heiß
und ungemütlich war, so fühlte sie sich doch
gut. Immerhin war sie in der Nähe von Luke

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Williams. Dem Mann, dem sie schon seit ihr-
er ersten Begegnung vor sechs Jahren, als sie
ihn auf einer Veranstaltung hatte sprechen
hören, und ihn anschließend um ein Auto-
gramm gebeten hatte, verfallen war.

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4

„Sylvia, schön, dass Sie kommen konnten!“
Gloria begrüßte Sidneys Sekretärin, als sie,
pünktlich wie die Maurer, vor der Tür stand.
„Vielen Dank für die Einladung“, bedankte
sich Sylvia und drückte Gloria eine große
und zwei kleine, runde Schüsseln in die
Hand.
„Ich habe Kartoffelsalat gemacht und zwei
Saucen, einmal Curry und einmal French
Dressing!“
„Klasse, dann haben wir wenigstens etwas
Selbstgemachtes“, lachte Gloria, als sie die
Schüsseln entgegennahm, „Sidney und ich
sind nämlich Koch-Nieten. Entweder wir be-
stellen Zeug beim Caterer oder wir nehmen
den Fertigkram aus dem Supermarkt!“

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„Ich hoffe, Sie haben sich meinetwegen nicht
zu viel Mühe gemacht“, sagte Sylvia, als
Gloria sie nach draußen führte.
„Aber nein, wir freuen uns, dass Sie da sind.
Und ein gutes Barbecue macht uns höch-
stens ebenso viel Freude, ist aber bestimmt
keine Mühe!“
Sie stellte die Schüsseln auf den Tisch neben
dem Grill, an dem Eric und Luke sich gerade
zu schaffen machten.
„Hallo, Mr. Rodriguez, hallo Dr. Williams“,
sagte Sylvia und streckte den Männern die
Hand zur Begrüßung hin, die relativ kühl
ausfiel.
„Sylvia, hallo“, sagte Sidney.
Sie war gerade aus der rückwärtigen Ver-
anda des Hauses getreten und hielt ein Tab-
lett mit zwei Bier und drei Cocktails in der
Hand.
„Ich hoffe, Sie mögen einen Cosmopolitan!“
„Oh ja, danke“, sagte Sylvia und nahm eines
der Gläser in die Hand.

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Mit der anderen nahm sie eine Flasche
Heineken und reichte sie Luke.
„Dr. Williams, das ist bestimmt für Sie“,
sagte sie und lächelte Luke verliebt an.
„Danke“, sagte Luke, nahm das Bier und
wandte sich wieder dem Fleisch zu, das auf
dem Grill brutzelte. Sidney entging nicht,
dass Sylvia offenbar etwas für ihren Mann
übrighatte. Die Art, wie sie ausgerechnet ihm
das Bier überreicht und ihn dabei angesehen
hatte, sprach Bände. Vermutlich fühlte Luke
sich deshalb in ihrer Gegenwart nicht gerade
wohl. Sie hatte ihm Signale gesandt, mit den-
en er nichts mehr anfangen konnte, und
steckte sie deshalb in die Schublade
„verrückt“.

„So, Vorsicht, heiß und fettig“, sagte Eric, als
er eine große Platte mit allerlei Gegrilltem in
die Mitte des Tisches stellte. Rundherum
waren Gedecke platziert worden.

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„Ich hab einen Bärenhunger“, sagte Luke
und nahm auf einem der Stühle Platz.
„Dr. Williams, es stört Sie doch nicht, wenn
ich neben Ihnen sitze, oder?“, sagte Sylvia,
die sich auf den Stuhl neben Luke stürzte,
nachdem er Platz genommen hatte.
„Ähm ...“, sagte Luke und blickte hilfe-
suchend zu Sidney.
Den ganzen Nachmittag über hatte Sylvia
versucht, Luke anzubaggern, und sich dabei
noch nicht einmal die Mühe gemacht, das
Ganze vor Sidney zu verbergen. Sie war ihm,
während er und Eric das Fleisch und die
Würstchen gegrillt hatten, kaum von der
Seite gewichen, hatte ihn wegen seines Jobs
ausgefragt und versucht, wahnsinnig in-
teressant für ihn zu sein, indem sie wieder
von ihrem Faible für Filme anfing und dam-
it, dass sie früher einmal Rocksängerin wer-
den wollte und sogar das eine oder andere
Engagement gehabt hatte.

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„Welches Stück Fleisch darf ich Ihnen ser-
vieren, Dr. Williams?“, sagte Sylvia, beugte
sich weit zu Luke hinüber und sah ihm in die
Augen.
„Mögen Sie lieber ein festes, saftiges Steak
oder ein knackiges Würstchen?“
„Vielen Dank, aber ich kann mir mein Essen
schon selber nehmen“, sagte Luke und ver-
suchte, halbwegs höflich zu sein. Mahnend
blickte er zu Sidney.
„Ach, verzeihen Sie“, säuselte Sylvia, „aber
ich bin einfach die geborene Hausfrau. Ich
liebe es, meinen Mann zu verwöhnen und
ihm

jeden

Wunsch

von

den

Augen

abzulesen. Meine frühere Schwiegermutter
hat mir immer gesagt, dass sie sich für ihren
Sohn keine bessere Frau hätte vorstellen
können. Welcher Mann wünscht sich denn
keine Frau, die ihm warmes Essen serviert,
den Haushalt managt und ihm ein schönes
Zuhause zaubert?“

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„Tja, blöd nur, dass Sie jetzt geschieden
sind“, sagte Luke und sah wieder zu Sidney.
Sie sah ihn fragend an. Auch ihr kam die
Situation mit Sylvia merkwürdig vor, allerd-
ings vermochte sie nicht zu sagen, ob Sylvia
einfach eine ungeschickte Flirterin war oder
aber ob sie die Seitenhiebe gegen sie und
Gloria gezielt hatte fallen lassen.
„Ich habe damals ja alle Zeitungsartikel über
Ihre Hochzeit verschlungen“, sagte Sylvia
dann an Sidney gewandt, „ich habe sie mir
alle ausgeschnitten und aufgehoben und
hoffe seither, dass ich eines Tages auch so
einen Volltreffer landen werde!“
„Danke schön.“ Sidney grinste in Lukes
Richtung.
„Hat es damals eigentlich sofort klick
gemacht bei Ihnen beiden?“, fragte sie dann
weiter.
„Na ja, eigentlich ...“, begann Sidney.
„Ja, bei mir hat es sofort klick gemacht“, un-
terbrach Luke.

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„Ich habe Sidney gesehen und wusste, dass
sie all das ist, was ich jemals haben will!“
„Danke Liebling“, sagte Sidney.
„Ich muss mich bedanken. Dafür, dass es
dich gibt und dass du mich liebst!“
„Und Sie, Gloria, Eric, wie lang sind Sie
schon zusammen?“, wollte Sylvia wissen.
„Etwas mehr als zwei Jahre“, beantwortete
Gloria, „wir haben uns damals über das In-
ternet kennengelernt, eine Ewigkeit gechat-
tet und uns doch niemals getroffen. Ich
dachte sogar schon, Eric sei einer dieser
fetten, alten Kerle, die sich einen Spaß draus
machen, Frauen im Internet kennenzulernen
und die sich nie mit einem treffen, weil an-
sonsten ja ihre Tarnung auffliegt. Als wir uns
dann zum ersten Mal gesehen haben, hat es
aber ebenfalls sofort klick gemacht.“
„Das ist schön“, sagte Sylvia.
„Und wie lange sind Sie verheiratet?“

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„Unser

erster

Hochzeitstag

ist

am

vierzehnten August“, schoss Eric wie aus der
Pistole.
„Wow, da hat sich jemand gerade ein paar
Bonuspunkte verdient“, lachte Gloria, als
Eric mit seinem Datum ins Schwarze traf.

„Und, findet ihr sie immer noch ganz nor-
mal?“, fragte Eric, als Sylvia sich verab-
schiedet hatte.
Sidney und Gloria hatten sie zur Tür geb-
racht, während die beiden Männer eine
Flasche Wein geöffnet hatten.
„Zugegeben, sie war etwas merkwürdig
heute“, gestand Sidney sich ein.
„Merkwürdig? Die Alte ist mir nicht von der
Pelle gerückt“, beschwerte sich Luke.
„Sie stinkt übrigens wie ein Nilpferd, man
sollte ihr nahelegen, dass es etwas gibt, das
Zahnbürste und Deo heißt!“
Die anderen lachten.

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„Ich fand es wirklich seltsam, dass sie uns so
genau über unsere Beziehungen ausgefragt
hat“, sagte Eric dann.
„Finde ich nicht seltsam“, widersprach Glor-
ia, „sie wollte es eben wissen, sie war neu-
gierig, so sind wir Frauen nunmal!“
„Jedenfalls bin ich froh, dass sie weg ist. Und
ich wäre dankbar, wenn ich sie für die näch-
ste Zeit nicht sehen müsste“, sagte Luke.
Er zog Sidney an sich heran und küsste sie
kurz.
„Frauen wie diese Sylvia zeigen einem erst
richtig auf, was für Glück man mit seiner
Frau hat.“

4

Die Wochen und Monate zogen ins Land,
ohne dass es eine neuerliche Begegnung mit
Sylvia gab. Mit der Zeit verloren auch Luke
und Eric das Interesse daran, die Frau zu
durchleuchten, und irgendwann war sie

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nicht mehr als die Sekretärin, die Sidney hin
und wieder erwähnte, wenn sie etwas aus
dem Büro erzählte.

Sidney und Gloria hatten es sich zur Ge-
wohnheit gemacht, jedes Jahr im Oktober
für ein Wochenende in ein Spa irgendwo am
Land zu fahren. In jenem Jahr war ihre Wahl
auf das Equinox in Vermont gefallen, ein
Fünf-Sterne-Resort, das die Frau des Senior-
partners in der Kanzlei Sidney empfohlen
hatte und das – laut der wirklich eindrucks-
vollen Website – einen außerordentlichen
Eindruck machte. Das Resort lag am Rande
eines Waldes und war inmitten von Feldern
und Hügeln eingebettet, sodass man sich wie
im Nirgendwo fühlte, wo jemand das
Paradies hatte auferstehen lassen.

Sidney sehnte sich schon seit Wochen nach
ein bisschen Ruhe und Abgeschiedenheit.

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Die vergangenen Wochen in der Kanzlei war-
en ein Eierlauf gewesen. Es war wie in einem
Taubenschlag zugegangen und sie hatte
kaum noch Zeit für sich selbst gehabt.
Gerade in diesen stressigen Zeiten hatte sie
Sylvia erst recht schätzen gelernt. Die
Sekretärin war ihr wirklich eine große Hilfe
gewesen, sie bereitete Schriftsätze vor, legte
ihr Akten, Aussagen und andere Unterlagen
genauso vor, wie Sidney sie brauchte, und
war ein wandelnder Terminkalender. Sidney
hatte für Sylvia einen dicken Weihnachtsbo-
nus sowie eine kräftige Gehaltserhöhung für
das kommende Jahr mit den Partnern ausge-
handelt und lobte sie in den höchsten Tönen.

In den vergangenen Wochen und Monaten
hatte Sylvia Patlock sich zwei weitere Male in
das Haus der Williams eingeschlichen. Ein-
mal hatte sie den Abend und die Nacht in der
kleinen Besenkammer unterhalb der Treppe
verbringen müssen, da Sidney und Luke just

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in dem Moment nach Hause gekommen war-
en, als sie gerade eingestiegen war. Es ergab
sich für sie keine Möglichkeit mehr, aus der
Kammer hinauf ins erste Stockwerk zu
gelangen, sodass sie beschloss, unver-
richteter Dinge zurück nach Brooklyn zu
fahren, nachdem die beiden zu Bett gegan-
gen waren. Das zweite Mal hatte sie einen
ganzen Tag im Hause verbracht. Sidney hatte
ihr erzählt, dass sie und Luke übers Wochen-
ende zu Lukes Eltern fahren würden, um
dort den siebzigsten Geburtstag von Lukes
Vater zu feiern. Diesen Umstand hatte Sylvia
genutzt, um wieder in das Haus einzusteigen
und sich genauer darin umzusehen. Sie blät-
terte in Sidneys alten Tagebüchern, die sie in
ihrem Arbeitszimmer in der untersten
Schreibtischschublade fand, sah sich Fotos
an, die in unzähligen Alben in einem
Schrank in der Eingangshalle gelagert waren,
las Lukes E-Mails und zog eines seiner Hem-
den an, während sie das Haus durchsuchte.

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Im Schlafzimmer schob sie Schublade für
Schublade der Kommode heraus, wühlte in
Unterwäsche, Pyjamas und Nachthemden
und schlief für eineinhalb Stunden in Sid-
neys und Lukes Bett. Im Wohnzimmer sah
sie für eine Stunde fern und stellte sich vor,
sie würde in diesem Haus mit Luke leben, sie
würde Mrs. Williams sein. Es war einfach für
sie, sich das vorzustellen, schließlich dachte
sie jede freie Minute daran und war sich
auch völlig sicher, dass sie eine bessere Mrs.
Williams abgeben würde, als Sidney das
jemals tat. Und wenn alles glatt lief, dann
würde sie in wenigen Monaten als die neue
Frau an Lukes Seite bekannt werden.

Kurz bevor sie das Haus verließ, fiel ihr Blick
auf eine Kommode im Wohnzimmer, deren
Inhalt sie noch nicht kannte. Langsam schob
sie die oberste Schublade auf und ihr offen-
barte sich ein Sammelsurium von Hochzeits-
souvenirs. Das blaue Strumpfband, das

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Plastik-Ehepaar der Hochzeitstorte, Na-
menskärtchen, eine CD mit den Songs, die
bei der Zeremonie gespielt worden waren,
Tischdeko und unzählige weitere Klein-
igkeiten waren dort zu finden. Unter ander-
em auch ein Foto von Sidney und Luke, das
vermutlich kurz nach der Trauung aufgen-
ommen worden war. Es zeigte die beiden
freudestrahlend auf, sich in den Armen lie-
gend inmitten von unzähligen Gästen.
Hinter ihnen der Brautbogen, unter dem
noch der Reverend stand, der die beiden
getraut hatte. Sylvia sah das Foto eine Weile
hypnotisch an und vor ihrem geistigen Auge
verwandelte sich Sidneys Gesicht in ihr
eigenes.

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5

Luke starrte Sidney an, während sie am
Tisch in der Küche saßen und frühstückten.
Die Herbstsonne tauchte den Raum in
helles, warmes Licht und schenkte ihm eine
noch heimeligere Atmosphäre, als es das
Haus an sich ohnehin schon tat. Draußen
spiegelte sie sich im See und machte das
Haus abermals zu einem perfekten Ort.
„Was ist los?“, fragte Sidney, als sie Lukes
Blick bemerkte.
„Ich muss mir dein Gesicht einprägen, im-
merhin bist du gleich für vier Tage weg!“
„Verrückter!“
Sie strich mit ihrer linken Hand sanft über
sein Gesicht wie über das eines kleinen
Jungen.
„Stimmt, verrückt nach dir!“

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Er nahm ihre Hand und hielt sie sanft in
seiner.

Von

draußen

hörten

sie

Motorengeräusche.
„Das werden Gloria und Eric sein“, sagte Sid-
ney und stand auf.
Luke tat es ihr gleich und zog sie an sich. Er
sah ihr in die Augen und küsste sie.
„Vergiss nicht, mich anzurufen, wenn ihr an-
gekommen seid“, sagte er.
„Natürlich.“ Sie küsste ihn und ihr wurde et-
was wehmütig zumute. Obwohl sie schon
über zwei Jahre verheiratet waren, war der
„Abschiedsschmerz“, auch wenn es sich um
ein Wellnesswochenende in einem Luxusspa
handelte, immer noch enorm. Ihre Augen
füllten sich mit Tränen, die sie rasch
fortwischte.
„Und was werdet ihr Jungs heute so
treiben?“
„Wir werden eine Runde Tennis spielen, an-
schließend etwas essen gehen und uns

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abends ein, zwei gute Filme und ein paar Bi-
er genehmigen!“
Er strich eine Strähne aus ihrem Gesicht, sah
ihr in die Augen und sagte: „Ich liebe dich,
Sidney!“
„Ich liebe dich auch!“
Noch ein Kuss.
Luke nahm Sidneys Tasche und trug sie zum
Ausgang. Eric hatte gerade den Motor aus-
gemacht und Gloria stieg aus dem Wagen.
„Hallo“, begrüßte sie Sidney und Luke.
Eric umarmte erst Sidney freundschaftlich,
klopfte Luke dann auf die Schulter, während
sie sich die Hände schüttelten.
Luke hievte Sidneys Reisetasche in den Kof-
ferraum von Erics Audi und schloss ihn
dann. Die Frauen würden mit Erics Auto
fahren, Luke hatte vor, ihn nach ihrem Män-
nerabend nach Hause zu fahren. Die Männer
verabschiedeten sich von ihren Frauen,
winkten ihnen hinterher, als sie die Pincrest
Avenue hinauffuhren und machten sich

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schließlich auf den Weg zum Sportzentrum,
um ihre Runde Tennis zu absolvieren.

„Hier sind Ihre Zimmerkarten, wir hoffen,
dass Ihr Zimmer zu Ihrer vollsten Zufrieden-
heit ist, und sind natürlich für all Ihre
Belange jederzeit für Sie erreichbar!“
Die Rezeptionistin im Equinox schenkte Sid-
ney und Gloria ein strahlendes Lächeln und
reichte ihnen zwei Umschläge mit den
Schlüsselkarten. Von links kam ein Page auf
die beiden Frauen zu und lud ihr Gepäck auf
einen Trolley.
„Vielen Dank“, sagte Sidney und nahm eine
Schlüsselkarte entgegen. Gloria griff die an-
dere. Dann drehten die beiden Frauen sich
um, um dem Pagen zu den Aufzügen zu fol-
gen, und standen plötzlich vor Sylvia
Patlock.

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„Okay, wir haben die Quadrilogie von Stirb
Langsam, wir haben zwei Tüten voll fettigem
Kram von McDonalds, wir haben Bier in
Massen und Knabberzeug, unserem Männe-
rabend steht also nichts mehr im Wege“,
sagte Luke.

Er und Eric hatten den Vormittag bei einer
Partie Tennis verbracht und anschließend im
Restaurant des Sportzentrums ein paar
Sandwiches gegessen. Dann hatten sie sich
ein Amateurspiel im Madison Square Garden
angesehen, zu dem Eric von einem Kollegen
Karten erhalten hatte, waren danach bei
McDonalds und in der Videothek vorbeige-
fahren und wollten ihren ersten Abend als
Strohwitwer mit ungesundem Essen und Ac-
tionfilmen ausklingen lassen.

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„Es ist schon fast sechs, hätten die Mädels
nicht längst anrufen sollen?“, meinte Eric,
während sein Blick auf die Uhr auf dem
Blue-Ray-Player fiel, der im TV-Rack im
Hause der Williams stand.
Luke sah ebenfalls auf die Uhr.
„Ja, ich habe vorhin schon daran gedacht,
dass sie sich längst hätten melden müssen“,
meinte er, „laut Google Maps dauert die
Fahrt ins Spa etwa sechs Stunden. Vermut-
lich haben sie irgendwo angehalten, um was
zu essen, und sich einfach verquatscht – du
kennst die beiden ja!“
„Ja, du hast recht“, sagte Eric und griff sich
eine Tüte Pommes und zwei Big Mac.
Im selben Augenblick klingelte Lukes
Handy.
„Wenn man vom Teufel spricht ...“, lächelte
er, als er Sidneys Namen auf dem Display
las. Er nahm das Gespräch an.
„Hey, Prinzessin!“
„Hey, na, alles klar bei euch?“

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Luke war froh, Sidneys Stimme zu hören.
„Ja, wir waren gerade dabei, uns übers
Abendessen zu stürzen. Und bei euch? Hat-
tet ihr eine ruhige Fahrt?“
„Ja, hatten wir. Es war kaum Verkehr und
die Straßenverhältnisse waren okay. Das
Hotel ist einfach der Hammer, Mrs. Wilder
hat nicht übertrieben, als sie es empfohlen
hat. Wir haben gerade eben unseren Beauty-
plan für die nächsten beiden Tage gebucht.
Vermutlich werde ich am Sonntag so strah-
len, dass du mich kaum wiedererkennst!“
„Prinzessin, würdest du noch mehr strahlen,
würden wir dich dem Elektrizitätswerk als
Konkurrenz anbieten“, lachte Luke.
„Du fehlst mir, Süße!“
„Du mir auch“, sagte Sidney und nahm sich
vor, in den nächsten Wochen einmal mit
Luke hierherzukommen.
„Ach ja, übrigens, rate mal, wer noch hier ist!
Sylvia!“
Lukes Magen krampfte sich zusammen.

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„Was!“, rief er etwas zu laut aus, sodass Eric
ihn fragend ansah.
„Ja, wir waren auch ganz schön überrascht,
als sie plötzlich an der Rezeption hinter uns
stand. Vermutlich hat sie gehört, wie ich
mich mit Mrs. Wilder über das Spa unterhal-
ten hatte, und wollte es auch ausprobieren!“
„Das ist verrückt. Warum bucht sie gerade
das Wochenende, an dem ihr beide dort
seid? Und wie kann sie sich das überhaupt
leisten? Hat sie sich seinerzeit nicht beim
Barbecue beklagt, dass sie ständig knapp bei
Kasse ist und das Leben in New York so
teuer sei?“
Luke war außer sich und lief aufgebracht auf
und ab.
„Ach, ich weiß auch nicht“, sagte Sidney und
setzte sich auf das Bett in ihrem luxuriösen
Zimmer, „gut möglich, dass sie einfach An-
schluss sucht. Sie hat wohl nicht viele
Freunde!“

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„Wundert mich gar nicht, wer will schon mit
einer befreundet sein, die die Tochter der
verrückten Kuh aus Misery sein könnte!“
Sidney kicherte.
„Du übertreibst! Und was hast du eigentlich
ständig mit diesem Misery-Film?“
„Sidney, Schatz ... ich finde diese Sylvia im-
mer noch höchst eigenartig. Dass sie euch
jetzt auch noch nachgereist ist, schlägt dem
Fass den Boden aus!“
„Es muss ja gar nicht sein, dass sie uns
nachgereist ist ...!“
„Ach ja, es war alles ein großer Zufall. Sie ist
zufällig genau an dem Wochenende in
diesem Luxusspa, das sie sich eigentlich gar
nicht leisten kann, an dem du und Gloria
auch dort seid!“
„Reg dich wieder ab“, beruhigte Sidney ihn.
„Das Spa ist riesengroß, wir werden sie ver-
mutlich gar nicht mehr zu Gesicht bekom-
men. Und am Montag werde ich versuchen,
ihr

auf

den

Zahn

zu

fühlen,

um

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rauszubekommen, warum sie an dem
Wochenende hier gebucht hat, an dem wir
auch hier waren!“
„Wenn Eric und ich jetzt losfahren würden,
wären wir gegen Mitternacht da“, sagte
Luke. In seiner Magengegend hatte sich ein
merkwürdiges Gefühl ausgebreitet.
„Luke, wir sind keine kleinen Kinder mehr,
wir können alleine hierbleiben, auch wenn
meine – zugegeben etwas verschrobene –
Sekretärin hier ist!“
„Mir ist nicht wohl bei der Sache“, sagte
Luke

und

wäre

am

liebsten

sofort

losgefahren.
„Ich hätte dir nichts davon sagen sollen“,
sagte Sidney und bereute, ihn eingeweiht zu
haben. Sie selbst fand es mittlerweile ja auch
ein kleines bisschen eigenartig, dass Sylvia
plötzlich in demselben Spa auftauchte, in
dem sie selbst eingebucht war, doch in Anbe-
tracht der Tatsache, dass sie sich in einer
großen Anlage, die Platz für mehrere

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hundert Gäste bot, befanden, war die
Chance, Sylvia noch einmal zu begegnen,
wirklich verschwindend gering. Und vermut-
lich war die Sache ohnehin nur ein Missver-
ständnis. Vielleicht versuchte Sylvia ja auch,
Anschluss an Sidney und Gloria zu bekom-
men, und stellte sich dabei etwas un-
geschickt an.
„Ich mache mir nur Sorgen um euch, Prin-
zessin. Mir wäre es nach wie vor am liebsten,
du würdest sie feuern und sie würde aus
deinem Leben verschwinden!“
„Wir gehen jetzt runter zum Abendessen.
Wir hören uns, okay?“
„Alles klar. Ich liebe dich, Sidney!“
„Ich liebe dich auch. Bis dann!“

„Was ist los, sind die beiden im Hotel?“,
fragte Eric, als Luke mit besorgtem Gesicht-
sausdruck ins Wohnzimmer kam.
Während er telefoniert hatte, war er
aufgeregt vom Wohnzimmer in die Küche,

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wieder

zurück

ins

Wohnzimmer

und

abermals in die Küche marschiert.
„Ja. Sie sind gut im Hotel angekommen, aber
diese verrückte Sylvia ist auch dort!“
„Was!“, rief Eric in genau demselben Ton, in
dem Luke vor wenigen Minuten seinen
Unglauben zum Ausdruck gebracht hatte.
„Ja. Sie ist dort. An genau dem Wochenende,
an dem unsere Frauen dort gebucht haben,
in genau dem Hotel. Aus tausenden von
Wellnesshotels in den ganzen Vereinigten
Staaten hat sie sich exakt das ausgesucht,
das unsere Frauen ausgewählt haben – an
exakt dem Wochenende, an dem die beiden
dort sind!“
„Mir gefällt das nicht“, sagte Eric.
Luke hatte neben ihm auf der Couch Platz
genommen. Er hatte den Kopf in den Nacken
gelegt und fuhr sich mit den Händen durchs
Haar.

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„Wie lange dauert es, bis man eine Person
mit eurem Computer am CSU überprüft?“,
fragte er dann.
„Etwa einunddreißig Minuten“, sagte Eric,
„dreißig Minuten für die Fahrt von hier in
die Zentrale und eine Minute, um ihren Na-
men zu checken!“

Die beiden Männer standen auf, nahmen
sich jeder einen Burger und fuhren nach
Manhattan zur Zentrale des CSU.

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Der Speisesaal des Equinox war ein
geschmackvoll eingerichteter, großer Raum,
den Sidney sich gut auch als Ballsaal hätte
vorstellen können. An den Fenstern hingen
schwere Vorhänge, es gab unzählige kleine,
runde Tische und im linken Bereich ein un-
glaublich großes Buffet, an dem sich bereits
einige Gäste zu schaffen machten und Vor-
räte auf ihre Teller schaufelten, als würden
sie sich für eine Hungersnot rüsten. Jede
Menge Kellner wuselten durch die Tische,
versorgten ihre Gäste mit Wein oder Wasser,
legten neue Gedecke auf oder begleiteten neu
angekommene Gäste an ihre Tische. Sidney
und Gloria wussten, dass sich ihr Tisch im
Bereich A (dem oberen, linken Viertel des
Speisesaales) befand und die Tischnummer
die 176 trug. Die beiden Frauen gingen den

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Saal entlang, zwischen den Tischen durch
und hielten Ausschau nach der 176, die sie
relativ rasch fanden. Es saß ein Pärchen mit-
tleren Alters an dem Tisch, das sich gerade
angeregt über den Wein zu unterhalten schi-
en, den der männliche Part der beiden trank.

Sidney sah noch einmal auf die Zim-
merkarte, auf deren Rückseite weitere Infos,
unter anderem auch die Tischnummer im
Speisesaal und die Zeiten, an denen der
Speisesaal geöffnet war, vermerkt waren.
Unverkennbar, die 176. Das Pärchen am
Tisch sah Sidney und Gloria fragend an.
„Können wir Ihnen helfen?“, fragte der
Mann und stellte sein Rotweinglas ab.
„Ich fürchte, hier liegt eine Verwechslung
vor“, begann Sidney, „wir haben ebenfalls die
176 zugeteilt ...“
„Ma’am“, sagte plötzlich jemand neben ihr.
Eine der Kellnerinnen war auf den Tisch
zugekommen und hatte ein iPad in der

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Hand, auf der jede Menge Kästchen mit Zah-
len – vermutlich die Tischordnung – auf-
schienen, „es hat eine Änderung gegeben, Sie
werden an Tisch 354 speisen, erlauben Sie
mir, Sie an diesen Tisch zu bringen?“
„Kein

Problem“,

antwortete

Sidney,

entschuldigte sich für die Störung bei dem
Pärchen und wünschte ihnen noch einen
schönen Abend. Die Kellnerin ging voran
und Sidney und Gloria folgten ihr quer durch
den Speisesaal.

„Bitte entschuldigen Sie die Umstände, dass
wir Ihnen nicht gleich einen Tisch zugew-
iesen haben, an dem Sie gemeinsam mit
ihren Freundinnen essen können“, sagte die
Kellnerin, als sie vor einem gemütlichen,
runden Vierertisch Halt gemacht hatten. Sid-
ney und Gloria sahen sich an, als sie erkan-
nten, dass an dem neuen Tisch Sylvia Patlock
gemeinsam

mit

ihrer

Freundin,

einer

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dünnen Bohnenstange mit strubbeligem,
blondem Haar, saßen.

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Das Hauptgebäude der CSU lag in der zwei-
undachtzigsten

Straße

in

einem

neu

errichteten Hochhaus. Nachdem Eric und
Luke den Wagen in der Tiefgarage geparkt
hatten und mit dem Lift nach oben gefahren
waren, zog Eric eine Magnetkarte aus seinem
Portemonnaie und verschaffte ihnen Zutritt
zum Gebäude. Sie fanden sich in einer
spartanisch

eingerichteten

Eingangshalle

wieder, deren Boden mit dunkelgrauen
Kacheln ausgelegt war. Direkt vor ihnen be-
fand sich eine überdimensionale Landes-
flagge und das zugehörige Abzeichen des
CSU. An der linken Seite des Gebäudes gab
es einige Schalter, an denen sich vermutlich
Besucher – oder wer auch immer – an-
melden konnten. Alle Schalter bis auf einen
waren geschlossen, hinter dem zweiten

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Schalter, demjenigen, der geöffnet war, saß
ein dicker Afroamerikaner in Polizeiuniform,
der sich gerade einen Donut gönnte.
„Hi, Steve“, sagte Eric im Vorbeigehen und
der Schwarze grüßte zurück.
Eric und Luke gingen zu den Aufzügen, die
sich die ganze Nordseite des Gebäudes
entlangzogen, und fuhren ins achtund-
dreißigste Stockwerk.

Die Gänge waren mit schwachem Licht
beleuchtet, und als die Männer aus dem Lift
traten, ging ein weiteres, helleres Licht an.
Eric führte Luke durch einen schmalen
Gang, der links und rechts von Türen
gesäumt wurde, und hielt ziemlich weit hin-
ten links an einer Tür an. Er scannte seinen
linken Zeigefinger an dem dafür vorgesehen-
en Scanner rechts neben der Tür, woraufhin
sich diese mit einem leisen Klicken öffnete.

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Erics Büro war mit einem grauen Teppich
ausgelegt. Im rechten Bereich neben der Tür
fand sich ein ordentlich aufgeräumter
Schreibtisch mit einigen Akten und einem
Laptop. Hinter der Tür gab es eine kleine
Garderobe, daneben einen Aktenschrank.
Auf Erics Schreibtisch fanden sich noch ein
Foto von Gloria und eine Modell-Corvette.
„Setz dich doch“, sagte Eric und schob einen
der beiden Stühle neben seinen Schreibt-
ischsessel, die vor dem Tisch standen. Die
Männer nahmen Platz und Eric fuhr den
Computer hoch. Er loggte sich in ein Pro-
gramm ein, das Luke nicht kannte, gab ein-
ige Codes und Passwörter ein und bald
öffnete sich ein schwarzes, grün eingerah-
mtes Fenster. In der Mitte des Bildschirms
stand nun das Wort „Name“, daneben
blinkte ein Eingabezeichen.
„Okay, dann wollen wir mal sehen, welche
Leichen unsere Freundin im Keller hat“,
sagte Eric und tippte „Patlock, Sylvia“ in den

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Computer, der die Eingabe mit „... suche ...“
quittierte. Kurz darauf warf er eine Liste mit
siebenundzwanzig Datensätzen aus.
„Okay, ich grenze die Suche jetzt ein – wir
werfen alle raus, die jünger als fünfundzwan-
zig und älter als neununddreißig sind“, sagte
Eric und tippte die 25 und die 39 in zwei
Spalten. Die Datensätze reduzierten sich von
siebenundzwanzig auf achtzehn.
„Jetzt filtern wir die heraus, die in New York
gemeldet sind“, erklärte Eric, tippte in das
Feld „Bundesstaat“ „NY“ ein und wieder
suchte der Computer. Diesmal filterte er zwei
Treffer heraus. Eine Sylvia Patlock lebte in
New Jersey, die zweite in Brooklyn.
„Bingo“, sagte Eric, als er auf den zweiten
Datensatz klickte, der Computer mit „... ver-
arbeite ...“ antwortete und sich kurz darauf
ein neues Fenster öffnete.
„Sylvia Patlock, geboren am 02. Juni 1978 in
Wisconsin, Tochter von Earl und Shawna
Patlock, in die Grundschule und die

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Highschool in Wisconsin gegangen, Ein-
wohnerin von New York seit dem 09. Mai –
also einen Tag, bevor sie bei Sidney die Stelle
als Sekretärin angenommen hat“, las Eric
vor.
„Ist das alles?“, fragte Luke. „Viel klüger als
vorher sind wir jetzt allerdings auch nicht!“
„Normalerweise müsste der gesamte Leben-
slauf hier hinterlegt sein“, sagte Eric und
klickte auf einen Button, der bekannt gab,
wie viele Strafzettel auf Sylvia Patlock aus-
gestellt waren – es waren zwölf.
„Es gibt ein Loch von achtzehn Jahren“, rief
Eric aus, „der letzte Eintrag ist vom 12. Juni
1996, vorzeitiger Austritt aus der West Wis-
consin High. Drei Monate später gibt es hier
einen Eintrag, dass die Meldeadresse – die
bei ihren Eltern – nicht mehr gültig ist und
dass sie unbekannt verzogen sei. Dann
scheint sie wie vom Erdboden verschluckt
worden zu sein! Der nächste Eintrag nach
1996 ist der vom 09. Mai, als sie sich am

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Einwohnermeldeamt mit der Adresse in
Brooklyn gemeldet hat!“
„Müsste sie bei der Meldung in New York
nicht die zuletzt gültige Wohnadresse bekan-
nt geben?“, fragte Luke.
„Eigentlich schon, aber sie haben neuerdings
Terminals am Einwohnermeldeamt, wo man
die Meldung selbst vornehmen kann. Wenn
die Adresse dort falsch eingegeben wird,
meist handelt es sich dabei um Tippfehler,
wird sie einfach herausgelöscht und der Bür-
ger wird dazu aufgefordert, eine Korrektur
vornehmen zu lassen, bei einem Mitarbeiter
des Meldeamtes diesmal – dafür ist ein Zeit-
fenster

von

bis

zu

zehn

Monaten

vorgesehen!“
„Zehn Monate“, rief Luke.
„Tja, die Mühlen der Stadtverwaltung mah-
len langsam“, sagte Eric.
Ihm war die Problematik bezüglich der Zeit,
die für die Meldung vorgesehen war, bekan-
nt. Er hatte schon mehr als einen Fall

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gehabt, bei dem eine gesuchte Person auf
diese Art und Weise untergetaucht war.
„Allerdings kommt es wirklich nicht oft vor,
dass jemand geschlagene fünfzehn Jahre aus
seinem Leben streicht. Irgendetwas läuft
hier gewaltig schief!“
„Was ist mit dem Namen, den sie nach ihrer
Eheschließung trug? Oder meinst du, hat sie
ihren Namen nach der Hochzeit beibehal-
ten?

Oder

hat

ihr

Ehemann

ihn

angenommen?“
„Also eigentlich müsste hier ein Datum der
Eheschließung hinterlegt sein, wenn sie
wirklich jemals verheiratet war, aber ich
glaube generell, dass hier jemand absichtlich
einige Daten hat unter den Rost fallen
lassen. Ich weiß noch nicht, wie sie das an-
gestellt hat und warum, aber ich bin mir
sicher, es ist kein Zufall, dass gerade hier so
viele Daten fehlen.“

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Lukes Blick fiel auf die Highschool, die
Sylvia Patlock besucht hatte. Die West Wis-
consin High.
„Vielleicht können wir jemanden befragen,
der mit ihr zur Schule gegangen ist“, sagte er
dann.
„Die meisten Highschools haben ihre Jahr-
bücher, auch die der ehemaligen, mittler-
weile online, von daher sollte es nicht schwer
sein, jemanden zu finden, der mit ihr in der-
selben Klasse war!“
„Gute Idee“, sagte Eric und googelte die West
Wisconsin High.

„Volltreffer“, sagte er, nachdem er die
Homepage geöffnet hatte und es tatsächlich
einen Button mit „Onlinejahrbücher“ gab.
Die Jahrgänge waren der Reihe nach sortiert
und jemand hatte sich tatsächlich die Mühe
gemacht, jede einzelne Jahrbuchseite ein-
zuscannen und dort abzulegen.

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Eric scrollte zum Schuljahr 1996 und klickte
auf den länglichen Button, nachdem er ihn
gefunden hatte.
„Verrückt, dass sie einen Monat vor dem Ab-
schluss ausgetreten ist“, warf Luke ein, „ich
meine, was war so wichtig, dass sie den
Highschoolabschluss sausen lässt? Es wären
doch nur mehr drei Wochen gewesen, und
gerade die Mädchen arbeiten vom ersten Tag
an auf diesen einen Abend hin.“
„Stimmt, das ist wirklich merkwürdig“, be-
stätigte Eric.
Mittlerweile hatte sich eine weiße Seite mit
den Namenslisten der Schüler des Jahrgangs
1996 geöffnet. Untereinander waren etwa
achtzig Namen gelistet. Eric scrollte hinunter
bis er bei P zwischen Pacock, Angela und
Parry, Davon, Patlock, Sylvia, fand. Er
klickte auf den Namen und kurz darauf
öffnete sich eine neue Seite. Im oberen
linken Bereich erschien ein großes Farbfoto,
das Sylvia mit achtzehn Jahren zeigte. Sie

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trug eine Cheerleader-Uniform und hielt ein-
en einzelnen Pompon in die Höhe.
„Bingo“, sagte Eric, als er neben ihrem Na-
men „vorzeitig ausgetreten“ las.
Der kurze Lebenslauf, der auf der Seite zu
finden war, gab an, dass Sylvia bei der Schul-
band sang, Cheerleader war und dass sie sich
für Musik und Schauspiel interessierte. „Ge-
meinsam mit ihrer besten Freundin Casey
McLean leitet sie die Theatergruppe“ – war
da noch zu lesen.
„Casey McLean“, flüsterte Eric, betätigte die
„Zurück“-Taste auf dem Computer und stud-
ierte wieder die Namensliste.
„Hier ist sie ja“, sagte er, klickte auf Caseys
Namen und sah sich die Informationen über
die junge Frau genauer an.
Dann tippte er den Namen in das Programm
auf seinem Computer, der kurz darauf In-
formationen über sie ausspuckte.
„Okay, hier haben wir’s ja“, murmelte er,
nachdem die Daten auf dem Computer

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angezeigt wurden. „Vor allem fehlt hier nicht
die Hälfte!“

Aus den Infos ging hervor, dass Casey Crys-
tal McLean nach der West Wisconsin High
für ein Jahr an der WCU studiert hatte, dann
aber abbrach. Sie war mit Derek Loyer ver-
heiratet, hatte ihren Mädchennamen behal-
ten und arbeitete in einer Bar namens Mile
High in Wisconsin.
„Aufregend“, sagte Luke, als er den Leben-
slauf der Frau ansah, „aber diese Bar hat
bestimmt noch geöffnet, wenn wir dort an-
rufen,

könnten

wir

sie

noch

heute

ausquetschen!“

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„Sylvia?“
Sidney wusste im ersten Moment nicht, was
sie sagen sollte, als die Kellnerin ihr und
Gloria einen neuen Tisch zugewiesen hatte,
den sie mit ihrer Sekretärin und deren be-
sten Freundin teilen sollten. Für gewöhnlich
hätte Sidney es nett gefunden, zufällig je-
manden aus New York hier in Vermont zu
treffen, sich ein klein wenig zu unterhalten
und vielleicht einen Drink an der Bar zu neh-
men, doch die Sache mit Sylvia war
merkwürdig. Ihr Magen hatte sich zusam-
mengezogen, als sie gesehen hatte, wer ihre
Tischkollegen waren. Und dass sie jetzt auch
noch ihren Zweiertisch gegen einen gemein-
samen Tisch mit Sylvia und ihrer Freundin
eintauschen mussten, konnte kein Zufall
sein. Niemand im Hotel wusste, dass Sidney

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und Sylvia Kollegen waren, also musste
Sylvia selbst dafür gesorgt haben, dass die
Tische getauscht wurden.

„Hallo, Sidney, Gloria, was für ein schöner
Zufall.“ Sylvia grinste mit ihrem Mund voller
gelber Zähne.
„Ich hoffe, es ist für Sie in Ordnung, dass wir
an der Rezeption gebeten hatten, unsere
beiden Zweiertische zu einem Vierertisch
zusammenzulegen. Ich dachte, wenn wir uns
hier schon zufällig begegnen, können wir
auch gemeinsam essen!“
„Ja, nett“, sagte Sidney und warf Gloria ein-
en alles sagenden Blick zu. Die beiden
Frauen nahmen Platz und Gloria studierte
die Speisekarte.
„Übrigens, das ist meine Freundin, Nookie“,
redete Sylvia munter weiter und Sidney hatte
ein merkwürdiges Gefühl bei ihr. Sie fragte
sich, warum sie nicht schon viel früher be-
merkt

hatte,

wie

beängstigend

Sylvia

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eigentlich tatsächlich wirkte. Luke hatte die
ganze Zeit über recht gehabt, sie war gruselig
und wirkte psychopathisch. Sie grinste zwar
unentwegt, war freundlich und nett, aber
ihre Augen schienen tot und kalt zu sein.
Würde man den Rest ihres Gesichts abdeck-
en und nur die Augen betrachten, wären sie
sogar furchteinflößend.

„Eigentlich heiße ich Nelly, aber als Bunny
und ich vor sieben Jahren Urlaub in Florida
machten, haben wir uns diese beiden Spitz-
namen ausgedacht, um die Männer dort zu
verwirren“, sagte Nookie alias Nelly.
Sidney nickte mit dem Kopf und versuchte,
der Logik des soeben Gehörten zu folgen. Ein
Kellner kam an den Tisch und nahm die
Getränkebestellung auf. Sidney und Gloria
bestellten ein Glas Cabernet Sauvignon,
Sylvia fragte, ob es auch Champagner gab.
„Ma’am, wir empfehlen zu unserer Speise-
folge Wein aus unserer Karte, Champagner

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wäre die ideale Begleitung zum Dessert“, an-
twortete der Kellner.
„Papperlapapp“, sagte Sylvia, „bringen Sie
mir und Nookie ein Glas Champagner. Aber
ein großes. Kennen Sie den Spruch nicht?“
„Mit Verlaub, Ma’am, welchen Spruch?“,
fragte der Kellner.
Sidney bemerkte, dass auch er sich bei dem
Gespräch unwohl fühlte.
„Na ja, Sekt für die Huren, Champagner für
mich“, rief Sylvia so laut aus, dass sich einige
Tischnachbarn

ärgerlich

nach

ihr

umdrehten!
„Ich bringe Ihnen Champagner“, sagte der
Kellner und eilte davon.
„Sie haben den Wink also verstanden“, rief
Sylvia ihm hinterher und entblößte eine
Reihe ihrer gelben Zähne.
„Nookie und ich haben vorhin darüber
diskutiert, dass alle hier so schick angezogen
sind. Wissen Sie, wir haben nichts dabei,
außer die Klamotten, die wir gerade am Leib

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tragen, und einen Bikini. Aber ich habe
Nookie auch gesagt, wenn man so scharf
aussieht wie wir, muss man sich nicht extra
schick machen. Das ist was für die hässlichen
Hühner unter uns, nicht?“
Gloria rollte mit den Augen und nahm einen
großen Schluck Wein.
„Sylvia, wie kommt es, dass Sie gerade an
dem Wochenende hier in diesem Spa sind,
an dem ich auch hier bin?“, fragte Sidney
unverblümt.
Sie wollte nun endlich wissen, was Sache
war, und konnte es nicht erwarten, welche
Erklärung Sylvia auf Lager hatte.
„Hm, ich habe Anfang der Woche mit Mrs.
Wilder gesprochen, sie hat mir von diesem
Spa erzählt und davon, dass Sie und Gloria
hier Urlaub machen werden. Da dachte ich,
wenn Sie beide ein Mädlswochenende
machen, machen Nookie und ich auch eins,
hab gebucht und zack, hier sind wir!“
Wieder das Lächeln und die gelben Zähne.

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„Und zu viert haben wir sicherlich viel mehr
Spaß, meinen Sie nicht auch?“

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10

Es klingelte elf Mal, ehe das Telefon in der
Mile High Bar in Wisconsin abgenommen
wurde, und zwischenzeitlich war Luke gar
nicht mehr sicher, ob es die Bar überhaupt
noch gab und ihre Spur zu Sylvias Vergan-
genheit nicht doch im Sand verlief.

„Mile High Wisconsin“, meldete sich eine
nicht sehr motiviert klingende Frauen-
stimme. Im Hintergrund war Geplapper von
Menschen und Musik zu hören. Luke hoffte,
dass es Casey McLean war oder zumindest,
dass sie an diesem Tag Dienst hatte.
„Hallo, mein Name ist Luke Williams, ich
würde gerne mit Mrs. Casey McLean
sprechen“, sagte er.
„Das scheint dein Glückstag zu sein,
Schätzchen, du hast sie am Rohr!“

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Die Frauenstimme krächzte etwas. Offenbar
war Casey eine starke Raucherin. Luke hatte
das Bild einer Mittdreißigerin im Kopf, die
viel älter aussah, als sie tatsächlich war, von
hagerer Statur mit blonder Dauerwelle, die
am Ansatz dunkel nachwuchs.
„Mrs. McLean, ich ... ich möchte Ihnen ein-
ige Fragen zu einer gemeinsamen Bekannten
stellen“, sprach Luke weiter.
Sie hatten die Freisprechfunktion des Tele-
fons aktiviert und Eric saß, mit Block und
Stift bewaffnet, neben Luke und hörte mit.
„Sind Sie ein Cop oder sowas?“, fragte Casey,
„ich will mit euch Kerlen nichts zu tun
haben!“
„Nein, nein, Mrs. McLean, ich bin kein Cop.
Ich ... hören Sie, meine Frau ist Anwältin in
New York und hat seit kurzem eine neue
Sekretärin, die mir ... nun, die Sie gut
kennen sollten. Ihr Name ist Sylvia Patlock!“
Am anderen Ende der Leitung blieb es still.
„Mrs. McLean?“

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„Ich bin noch da!“
Wieder Stille.
„Mrs. McLean, ich wäre Ihnen wirklich sehr
dankbar, wenn Sie mir helfen könnten!“
„Wobei helfen? Sylvia ist die Sekretärin Ihrer
Frau, na und?“
„Es gibt Grund zur Annahme, dass Miss Pat-
lock etwas anderes verfolgt, als nur einen
Job als Sekretärin auszuüben“, sagte Luke.
„Ich denke, es gibt da etwas, was sie ver-
heimlicht. Sie verbirgt etwas!“
„Ich habe Sylvia seit achtzehn Jahren nicht
mehr gesehen, wie sollte ausgerechnet ich
Ihnen helfen können?“
„Nun, das ist es ja gerade. Es scheint, als
gäbe es in ihrem Leben ein Loch von
achtzehn Jahren. Wir wissen, dass Sylvia
vorzeitig die Highschool abgebrochen hat,
aber warum hat sie das getan? Und wo war
sie die vergangenen Jahre? Hatte sie Grund,
um unterzutauchen?“

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„Ich denke nicht, dass ich mich mit Ihnen
unterhalten sollte“, sagte Casey und machte
Anstalten, aufzulegen.
„Nein, bleiben Sie, einen Moment noch“, rief
Luke.
Sein Herz klopfte wie verrückt. Irgendetwas
musste es geben, das Casey verschweigen
wollte.
„Mrs. McLean, Sylvia Patlock arbeitet als
Sekretärin für meine Frau und ich finde sie
etwas ... eigenartig, um nicht zu sagen ge-
fährlich. Ich weiß, dass es nicht die feine Art
ist, jemandem hinterherzuspionieren, aber
mittlerweile besteht der dringende Verdacht,
dass sie etwas im Schilde führt. Sie ist mein-
er Frau und ihrer besten Freundin sogar in
ein Hotel nachgereist – Gott allein weiß,
warum. Wenn Sie mir jetzt sagen, dass Sylvia
einfach nur kontaktfreudig ist und ich nichts
zu befürchten habe, dann lege ich auf und
wünsche Ihnen einen schönen Abend. Aber
wenn es da irgendetwas gibt, das meine Frau

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in Gefahr bringen könnte, etwas, das Sie wis-
sen, dann müssen Sie mir das jetzt sagen!“
Casey schien eine Weile zu überlegen.
„Hey, Ralph“, rief sie dann, „ich hab hinten
im Lager was zu tun, übernimm hier mal!“
Luke hörte, wie eine Tür zugeschlagen
wurde. Der Lärm, den die Stimmen und die
Musik im Hintergrund verursacht hatten,
verstummte.

„Ich habe Sylvia schon seit der Schule nicht
mehr gesehen. Sie war ... sie wurde in der
Schule als ‚gefährlich‘ bezeichnet, man wollte
sich nicht mit ihr anlegen, und diejenigen,
die es doch taten, bereuten es bitter. Sie
hatte einige Schlägereien, wegen Klein-
igkeiten, wurde ein paarmal zum Nachsitzen
verdonnert und ein-, zweimal für eine Woche
suspendiert. Hat hie und da was geklaut, ein
bisschen Dope vercheckt und so ... alles, was
man als Kleinkriminelle eben so macht. Im
letzten Jahr kam ein Mädchen neu in unsere

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Klasse, ihr Name war Julie Westcook. Sie
war hübsch, intelligent, beliebt und witzig.
Und sie war Sylvia ein Dorn im Auge. Als
Julie sich dann auch noch mit Ted Avery ver-
abredete, dem Typen, mit dem Sylvia selbst
gern zum Abschlussball gegangen wäre,
eskalierte die Situation. Eines Tages kam
Julie nicht mehr zum Unterricht und sie galt
als vermisst. Sylvia verhielt sich merkwürdig,
merkwürdiger als sonst, und irgendwann
sagte man sich, dass sie vermutlich etwas mit
dem Verschwinden von Julie zu tun hatte –
Sie wissen ja, Schulhofgequatsche, dem
niemand Glauben schenkt und das vermut-
lich

auch

nie

bis

zu

den

Cops

durchgedrungen ist. Ich meine, zum einen
war der Gedanke, dass Sylvia Julie ermordet
hatte, so absurd und irreal, dass ihn ohnehin
niemand glaubte, und auf der anderen Seite
hatten die Leute wohl auch Angst. Das Ger-
ücht, Sylvia hätte Julie umgebracht, hielt
sich verdammt hartnäckig am Schulhof, hat

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es aber nie zu einem der Lehrer, dem Direkt-
or oder gar zur Polizei geschafft, zu groß war
die Angst der Mitschüler vor Sylvia. Der
Gedanke dahinter war eben, wenn sie Julie
wirklich umgebracht hatte, dann würde sie
vermutlich auch nicht davor zurückschreck-
en, jemanden zu töten, der sie bei den Cops
anschwärzte. Und wenn sie es nicht getan
hatte, dafür aber mit den Cops Probleme
bekam, weil sie jemand angeschwärzt hatte,
blühte demjenigen vermutlich so einiges.“
Luke hörte, wie Casey an einer Zigarette zog
und dann den Rauch auspustete.
„Zwei Tage später kam auch Sylvia nicht
mehr zur Schule. Ich bin am Nachmittag bei
ihren Eltern vorbeigegangen, um sie zu be-
suchen und ihr die Hausaufgaben mitzubrin-
gen, aber ihre Eltern sagten mir, Sylvia sei
weggezogen. Von einem Tag zum anderen
war sie weg. Sie hat mir nichts gesagt, dabei
war ich ihre beste Freundin. Von einem Tag
zum

nächsten

war

sie verschwunden.

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Offiziell hieß es, sie war nach Seattle zu ihrer
Großmutter gefahren, die einen Schlaganfall
hatte, um sie zu betreuen, aber das glaube
ich nicht. Es gab weder eine Adresse, unter
der ich sie erreichen konnte, noch eine Tele-
fonnummer. Ihre Eltern sind dann ebenfalls
weggezogen, aber danach krähte kein Hahn.
Ihr Vater war Alkoholiker und die Mutter
eine unangenehme Zeitgenossin. Der Apfel
fällt wohl nicht weit vom Stamm, was?“
Sie lachte bitter.
„Niemand aus der Stadt hatte viel Kontakt
mit den Patlocks, als sie weg waren, waren
sie eben weg. Vor zwei Jahren dann hat
Sylvia mich auf Facebook wiedergefunden.
Sie hat mir einfach eine Nachricht ges-
chrieben, als wäre nie etwas passiert. Da hieß
sie aber nicht mehr Patlock sondern Flew-
man. Sie erzählte mir, sie sei jetzt verheirat-
et, würde in Arkansas leben und mit ihrem
Mann in einem Riesenhaus wohnen, das sie
von seinem Großvater geerbt hatten. Sie

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meinte, wenn ich mal in der Nähe bin, sollte
ich mich melden, um sie zu besuchen, aber
keine zwei Monate später war ihr Facebook-
Account gelöscht. Der von ihrem Mann war
noch da, ich erinnere mich, dass das ein echt
gutaussehender Typ gewesen ist. Wirkte
sympathisch.“
Eric notierte Namen, Daten und Orte auf
einem Blatt Papier.
„Der Name des Mannes“, flüsterte er Luke
dann zu.
„Mrs. McLean, wissen Sie zufällig noch, wie
der Mann von Sylvia Patlock hieß?“
„Patrick Flewman“, sagte Casey.
„Sind Sie sicher?“ Luke kam es merkwürdig
vor, dass Casey den Namen so aus der Pistole
geschossen geliefert hatte.
„Ja, da bin ich mir sicher, ich habe ihren
Mann gegoogelt und herausgefunden, dass
er früher mal Model war. Ich hab mich
gewundert, warum sich einer wie der aus-
gerechnet eine wie Sylvia aufgerissen hat. Ich

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meine, sie war früher nicht gerade die Gep-
flegteste, rauchte Kette, hielt wenig vom
Zähneputzen und so ... aber sie war jemand,
der überall schnell Anschluss fand, der
wusste, wie er mit Menschen in Kontakt
kommt und wie er Dinge angehen muss,
damit sie so laufen, wie sie sollen.“
Eric notierte den Namen – Patrick Flewman,
Arkansas.
„Ich danke Ihnen, Mrs. McLean“, sagte Luke,
„Sie haben mir sehr geholfen!“
„Mr. ... Williams, richtig?“
„Ja?“
„Hören Sie, Sylvia war früher gefährlich.
Man hat Julie Westcook zwei Wochen,
nachdem sie verschwunden war, in einem
Tümpel in einem Waldstück gefunden. Sie
war dort angeschwemmt worden. Offenbar
wurde sie erwürgt, was aber nie jemand be-
stätigen konnte. Wie denn auch, bei einer
Leiche,

die

wochenlang

im

Wasser

getrieben hatte. Und genau deshalb konnte

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man auch keine Fingerabdrücke mehr sich-
erstellen. Um die Identifizierung der Leiche
schwieriger zu machen, waren ihr die
Fingerkuppen abgehackt worden. Man hat
sie nie gefunden. Es ist hier so etwas wie ein
offenes Geheimnis, dass Sylvia Patlock Julie
umgebracht hat. Es passt einfach alles viel zu
gut zusammen. Sylvia hasst Julie, Julie ver-
abredet sich mit Sylvias Schwarm, Julie ver-
schwindet, stirbt, plötzlich ist auch Sylvia
weg und taucht nicht mehr auf. Seien Sie
vorsichtig,

Sylvia

Patlock

ist

nicht

zimperlich!“
„Danke, Mrs. McLean.“
Luke legte auf.
Eric hatte inzwischen Patrick Flewman in
sein System eingegeben und die Daten gefil-
tert. Diesmal schien das Glück auf ihrer Seite
zu sein. Es gab zwar weit mehr Patrick Flew-
mans, als es Sylvia Patlocks gab, allerdings
gab es nur einen Patrick Flewman, der 1984
geboren war, eine Zeit lang in Arkansas

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gelebt hatte und mit einer Sylvia Patlock,
Meldeadresse

unbekannt,

verheiratet

gewesen war. Aus dem CSU-Programm ging
hervor, dass die Ehe im März 2010
geschieden worden war und Patrick seit Mai
2010 im Lake Forest Trailerpark in Delaware
lebte.

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11

„Ladys, Nookie und ich werden uns jetzt auf
unser Zimmer zurückziehen, morgen früh
geht’s mit den Beautybehandlungen los“,
krähte Sylvia.
Dann tatschte sie Sidneys Schulter und fügte
hinzu: „Obwohl wir das gar nicht nötig
hätten!“
Wieder ein gelbzähniges Grinsen. Nookie
stand ohne ein Wort zu sagen auf und folgte
Sylvia aus dem Speisesaal.

Sidney und Gloria blickten sich stumm an
und sagten kein Wort. Während des Ge-
spräches an diesem Abend hatte Nookie Sid-
ney an jemanden erinnert, den sie kannte,
allerdings kam sie eine ganze Weile nicht
dahinter.

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„Wir sollten an der Rezeption darum bitten,
wieder einen Zweiertisch zu bekommen“,
brach sie das Schweigen, „noch so einen
Abend halte ich kein zweites Mal aus!“
„Du sagst es“, begann Gloria, „aber glaubst
du nicht, dass sie dann sauer werden? Lang-
sam glaube ich, die Jungs hatten Recht. Ich
meine, Sylvia ist vermutlich keine kettensä-
genschwingende Psychopathin, aber sie ist
auch jemand, mit dem ich nicht unbedingt
meine Freizeit verbringen will. Ich kann mir
gut vorstellen, dass sie nicht gerade
begeistert sind, wenn wir um einen Einzelt-
isch bitten. Gut möglich, dass sie sich per-
sönlich beleidigt fühlen.“
„Ich finde sie schon etwas psychopathisch“,
entgegnete Sidney.
„Wir sollten uns nicht von ihr ins Bockshorn
jagen lassen und nur, weil sie sauer werden
könnte, den ganzen Urlaub mit ihr verbring-
en. Wir bitten um einen eigenen Tisch und
werden ihr ganz unverblümt sagen, dass wir

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es zwar nett von ihnen finden, mit uns essen
zu wollen, aber dass sie verstehen müssen,
dass das unser Relaxurlaub ist und wir für
uns bleiben möchten. Ist dir übrigens aufge-
fallen, wie oft sie von sich behauptet hat,
dass sie ja so über-drüber-toll aussieht? Als
wäre es ihr Mantra, das sie sich ständig
vorsagen muss. Und diese Nookie … ich weiß
nicht, ich glaube, mit der hatte ich schon ein-
mal zu tun.“
„Mit Nookie? Hat sie nicht behauptet, sie
komme aus Seattle wie Sylvias Großeltern?
Was hättest du mit der denn zu schaffen
gehabt?“
„Ich weiß es nicht. Ich habe nur irgendwie
das Gefühl, als wäre dies nicht unsere erste
Begegnung.“

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Luke und Eric hatten die Adresse des Trail-
erparks, in dem Patrick Flewman lebte, aus-
findig gemacht und sie gemeinsam mit einer
Routenbeschreibung

ausgedruckt.

Lukes

Audi hatte zwar ein Navi, doch sie waren sich
nicht sicher, ob dieses sie auch in die entle-
gensten Winkel Delawares lotsen würde.
Außerdem hatte Eric einen Großteil der
Berichte über den Mord an Julie Westcook
ausgedruckt. Wie Casey McLean erzählt
hatte, war der Fall nie geklärt und irgend-
wann zu den Akten gelegt worden. Das Mäd-
chen war tot und offenbar war es niemand
gewesen. Das FBI hatte nicht einen einzigen
Hinweis und offenbar waren auch nie ir-
gendwelche Hinweise in Bezug auf Sylvia
Patlock überprüft worden. Das Alibi, das ihr
ihre Eltern boten, die kranke Großmutter,
war offensichtlich wasserdicht und es

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handelte sich lediglich um einen blöden Zu-
fall, dass Sylvia genau zu dem Zeitpunkt ver-
schwand, als Julie Westcook getötet worden
war. Eric erwähnte Luke gegenüber, dass er,
nachdem die Sache mit Sylvia geklärt war,
sich des Falls noch einmal annehmen würde.
Doch im Moment waren Sidney und Gloria
einfach wichtiger.

Die Männer hatten beschlossen, am näch-
sten Tag frühmorgens loszufahren und Pat-
rick Flewman ausfindig zu machen. Er würde
ihnen Rede und Antwort stehen und sie
würden sehen, ob Sylvia wirklich gefährlich
oder einfach nur lästig war.

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Sidney und Gloria hatten ihren Wunsch, in
den kommenden Tagen wieder alleine zu es-
sen, an der Rezeption deponiert. Die Rezep-
tionistin hatte ihnen versprochen, dass sie
ihre neue Tischnummer am nächsten Mor-
gen vor dem Frühstück erhalten würden und
dass sie für den Rest ihres Aufenthaltes
wieder einen Zweiertisch zugeteilt bekom-
men würden.
„Sylvia wird möglicherweise sauer sein,
wenn sie erfährt, dass wir lieber zu zweit es-
sen“, sagte Gloria grinsend, als sie an ihrem
Zimmer angekommen waren.
„Dann hat Sylvia eben Pech gehabt“, sagte
Sidney.
Sie fand es mehr als dreist, dass ihre
Sekretärin sich einfach so in dem Hotel, in
dem sie Urlaub machte, eingemietet hatte
und dann auch noch einfach so aus einem

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Zweier- einen Vierertisch machte. Sie hatte
sich den ganzen Abend über selbstbe-
weihräuchert, von sich erzählt und alle an-
deren als nicht gut genug abgetan. Sie hatte
sich eine halbe Stunde über eine andere
Sekretärin in der Firma beklagt, die sie für
zu fett und zu hässlich und ohnehin inkom-
petent hielt.
„Außerdem werde ich am Montag ein ernstes
Gespräch mit ihr führen. Das, was sie sich
dieses Wochenende geleistet hat, ist nicht in
Ordnung!“
„Willst du sie feuern?“
„Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass ich sie
keinesfalls länger für mich arbeiten lassen
werde. Vielleicht werde ich sie nicht gerade
feuern, aber ... in der Firma wird ständig ir-
gendwo irgendeine Sekretärin gesucht. Viel-
leicht sollte sie für jemand anderen arbeiten
als für mich!“

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„Luke wird ein Stoßgebet zum Himmel
schicken, wenn du ihm das erzählst“,
schmunzelte Gloria.
„Ich habe ihm gegenüber sogar ein schlecht-
es Gewissen“, sagte Sidney.
„Immerhin war er von Anfang an skeptisch
ihr gegenüber.“
„Na ja, aber wer konnte das denn wissen? Zu
Anfang war sie ganz nett. Ich hätte mir im
Leben nicht träumen lassen, dass sie so eine
… freakige Seite an sich hat. Eigentlich hat
sie noch immer nichts Schlimmes getan. Es
ist nicht verboten, sich in dem Hotel eine
Auszeit zu gönnen, in dem auch die Vorge-
setzte Urlaub macht!“
„Du weißt schon, wie ich das meine!“
„Ja, klar!“

Sidney öffnete die Zimmertüre und die
beiden traten ein. Das Zimmer war frisch
aufgeräumt und nur die beiden Reisetaschen
lagen am Fußboden neben den Betten.

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„Mal sehen, ob das Pay-TV ein paar Block-
buster im Angebot hat“, sagte Gloria und
nahm die Liste, die neben dem Fernseher
lag. Sidney schlüpfte aus ihren Schuhen und
ging zu ihrem Bett, wo sie zuvor ihr Handy
zum Aufladen abgelegt hatte. Doch das Tele-
fon war verschwunden, sie fand nur das
Ladekabel, das noch an die Steckdose an-
geschlossen war. Sie überlegte. Hatte sie das
Telefon etwa, bevor sie zum Essen gegangen
waren, abgezogen und in den Safe gelegt?
Nein, das hatte sie bestimmt nicht getan. Sie
erinnerte sich, dass der Balken, der die Bat-
teriekapazität anzeigte, bereits im roten
Bereich gewesen war und bestimmt bereits
abgestunken wäre, hätte sie das Handy
eingeschlossen. Sie holte ihre Handtasche
und wühlte darin herum, konnte aber auch
dort kein Handy finden.
„Was suchst du?“, fragte Gloria, der aufge-
fallen war, dass Sidney das halbe Zimmer auf
den Kopf stellte.

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„Mein Handy“, sagte Sidney, „ich wollte
Luke noch kurz anrufen!“
„Hattest du das nicht vorhin zum Aufladen
angesteckt?“, fragte Gloria, die immer noch
ins Pay-TV-Programm vertieft war.
„Ja, aber jetzt ist es nicht mehr da!“
Gloria sah auf.
„Meinst du, eines der Zimmermädchen hat
es geklaut?“
„Nein, das glaub ich nicht“, sagte Sidney.
„Vermutlich liegt es nur irgendwo ... Viel-
leicht hab ich es zu den anderen Sachen in
den Safe getan!“
Sie ging zu dem Zimmersafe, der sich in der
Innenseite des Wandschranks befand, und
tippte die vierstellige Zahlenkombination in
das Feld. Sidney und Gloria hatten, bevor sie
zum Abendessen gegangen waren, ihre
Portemonnaies und ihre Personalausweise
im Safe abgelegt. Als Sidney jetzt die Tür auf-
schob und in den dunklen Schacht hinein-
sah, war der Safe leer. Kein Handy, kein

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Personalausweis

und

auch

keine

Portemonnaies.
„Gloria, wir haben hier ein kleines Prob-
lemchen“, sagte Sidney leise.

„Ach du Scheiße, wo ist denn unser Zeug
abgeblieben?“
Gloria blickte ebenso wie Sidney in den leer-
en Safe.
„Wir sollten der Rezeption Bescheid sagen.
Entweder war jemand in unserem Zimmer
oder die Zimmermädchen sind Langfinger“,
sagte Sidney, ging zum Telefon und wollte an
der Rezeption anrufen. Doch auch das Zim-
mertelefon war tot.
„Das hat jemand herausgezogen!“
Sidney hielt die abgerissene Schnur des Tele-
fons hoch, die sie unter der Kabelleiste her-
vorgezogen hatte. Jemand hatte das Kabel
mit roher Gewalt aus der Wand gerissen.
„Das gefällt mir ganz und gar nicht“, sagte
Gloria.

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„Mir auch nicht“, sagte Sidney.
„Lass uns unseren Kram packen und nach
Hause fahren. Die Sache mit den geklauten
Handys, dem Geld und den Ausweisen
können wir auch noch von New York aus re-
geln. Dort scheint es sicherer zu sein als
hier!“
Sie hatte ein mulmiges Gefühl in ihrer Ma-
gengegend, fühlte sich im Zimmer unsicher
und wollte nichts wie raus.

Die beiden Frauen packten die paar Dinge,
die sie im Laufe der letzten Stunden im Zim-
mer

verteilt

hatten,

wieder

in

ihre

Reisetaschen.
„Bloß gut, dass wir noch nicht viel ausge-
packt haben. Wenn wir gleich losfahren, sind
wir in den frühen Morgenstunden zu Hause!
Wir können uns mit dem Fahren abwechseln
und an einem Trucker-Diner Halt machen,
wo sie superstarken Kaffee verkaufen!“

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Sidney öffnete die Tür zum Badezimmer, um
ihre Zahnbürste, die Duschsachen und ihr
Schminkzeug zu holen.
„Klingt gut“, sagte Gloria und zog eilig den
Reißverschluss ihrer Reisetasche zu.

Der Bewegungsmelder, der im Badezimmer
so lange Licht gab, solange er eine Bewegung
wahrnahm, tauchte den Raum in helles
Licht. Im nächsten Moment sprang jemand
auf Sidney zu und schlug ihr mit etwas
Hartem gegen den Kopf. Sie kippte hintüber
und sah aus dem Augenwinkel, dass sich
eine zweite Person im Bad hinter der Dusche
versteckt haben musste. Die erste Person
sprang über Sidney hinweg und schlug Glor-
ia ebenfalls k. o. Bevor Sidneys Angreiferin
sich über sie beugte und sie mit einem mit
Äther befeuchteten Lappen endgültig aus-
knockte, sah Sidney nach links, wo Gloria zu
Boden gegangen war. Über ihr stand Sylvia
Patlock, die sie ebenfalls mit Äther betäubte.

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Der nächste Morgen begann für Luke und
Eric in aller Herrgottsfrühe um halb sieben.
Die Männer hatten sich vorgenommen, Pat-
rick Flewman einen Besuch abzustatten und
ein für alle Mal zu klären, was mit Sylvia Pat-
lock nicht stimmte. Sie hatten an einem
kleinen Diner am Highway angehalten, um
ihr Frühstück einzunehmen, und wollten
dann in einem durch nach Delaware fahren.
Sie hatten darauf verzichtet, ihre Frauen
davon zu unterrichten, dass sie sich auf die
Suche nach dem Exmann von Sylvia Patlock
machten, um sie nicht zu beunruhigen.
Stattdessen hatten sie den beiden SMS-Na-
chrichten gesendet, in denen sie vorgaben,
einen Angelausflug zu machen. Nicht aus-
zudenken, wie sie vor Sidney und Gloria
dastehen würden, wenn das alles nur ein

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schreckliches Missverständnis wäre. Sicher,
Casey McLean hatte ihnen erzählt, dass
Sylvia in Wisconsin verdächtigt wurde, ihre
Schulkameradin ermordet zu haben, doch
Casey McLean war eine Kellnerin in einer
Bar, die an jenem Abend vermutlich etwas zu
viel getrunken hatte und die nicht gerade
den Eindruck gemacht hatte, als würde sie
Luke und Eric wirklich weiterhelfen wollen.
Es war gut möglich, dass sie ihnen einfach
nur einen Bären aufgebunden hatte. Ihnen
würde wohler sein, wenn sie Gewissheit
darüber hatten, wer Sylvia Patlock wirklich
war und was mit ihr nicht stimmte.

Sie hatten ihr Mittagessen in Philadelphia
eingenommen und fuhren kurz nach zwölf
aus Delaware hinaus in Richtung des Trailer-
parks, in dem Patrick Flewman leben sollte.

Der Park lag weit außerhalb der Stadt auf
sandigem Gelände, das früher einmal ein

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Sportplatz gewesen war. Als die Stadtverwal-
tung allerdings eine neue Sportanlage direkt
im Zentrum baute, geriet der Sportplatz
außerhalb der Stadt mehr und mehr in Ver-
gessenheit und wurde von den Trail-
erbesitzern in Beschlag genommen, bis die
Stadtverwaltung das Gelände offiziell als
Trailerpark deklariert hatte. Jetzt reihte sich
auf kleinen, mit Draht abgesteckten Parzel-
len ein Trailer neben dem anderen, der eine
adrett mit kleiner Terrasse und Vorgarten,
der andere ein alter Blechhaufen mit Müll
vor der Haustüre.

Luke parkte seinen Wagen in gewissem Ab-
stand zu den ersten Trailern. Die Männer
stiegen aus und unmittelbar danach piepte
die Alarmanlage des Wagens, die ihre Bereit-
schaft damit ankündigte.
„Na, Angst um deinen Wagen?“, scherzte
Eric, doch eigentlich war ihm nicht nach
Scherzen zumute. Er hatte das Gefühl, dass

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sie an diesem Tag noch etwas Großes er-
fahren würden. Sie hatten zwar im Auto
darüber gesprochen, dass alles immer noch
nur ein großes Missverständnis sein konnte,
doch daran glaubte er nicht. Sylvia Patlock
war ihm von Anfang an suspekt gewesen. Es
wäre ein wahnsinnig großer, dummer Zufall,
wenn ausgerechnet sie nur ein nettes, aber
etwas aufdringliches Mädchen gewesen
wäre.
„Der Wagen ist vollkaskoversichert“, antwor-
tete Luke, „ich würde nur gerne wieder
zurück nach Hause kommen. Ich bin mir
nicht sicher, ob ich hier ohne Auto in der
Pampa sein möchte!“

Die Männer gingen den staubigen Weg zwis-
chen den Trailern hindurch.
„Ich schätze, dass wir nicht nach Hausnum-
mern suchen müssen“, sagte Luke.
„Es wird uns wohl nichts anderes übrig
bleiben, als einen Anwohner zu fragen“,

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entgegnete Eric und hielt auf einen großen,
weiß-braunen Wohnwagen zu, der aussah
wie ein übergroßer VW-Bus aus den Sechzi-
gerjahren. Der Bus war einer der wenigen,
der keine kleine Veranda davor hatte. Es gab
lediglich ein verrostetes Eisengestell, das als
Stufe dienen sollte. Eric klopfte an die Tür
und die Männer warteten.
„Ich hoffe bloß, dass keiner von diesen Ker-
len hier auf uns schießt“, sagte Luke.
„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde,
dass hier draußen kaum jemand eine Knarre
unterm Kopfkissen hat“, sagte Eric.
„Das beruhigt mich ungemein, Mann!“

Die Tür wurde geöffnet und ein schmutziger
Mann mittleren Alters trat heraus.
„Wer sind Sie?“, fragte er unfreundlich.
„Mein Name ist Eric Rodriguez, das ist Luke
Williams“, übernahm Eric das Wort.
„Wir sind auf der Suche nach einem Ihrer
Nachbarn, Patrick Flewman!“

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„Sind Sie Cops?“
Der schmutzige Mann kniff die Augen
zusammen. Sein Haar war etwas länger,
stark ergraut und stand in alle Richtungen
von seinem Kopf ab, als wäre er gerade erst
aus dem Bett gefallen. Er hatte einen Dreit-
agebart, der vermutlich schon an die zehn
Tage lang wuchs, trug zerschlissene Jeans
und ein gelbes Unterhemd, das früher ein-
mal weiß gewesen sein musste.
„Nein, wir sind ... Freunde von früher“, log
Eric.
„Ihr seht aber nicht wie Freunde von ihm
aus“, sagte der Mann skeptisch, „habt ihr
Knarren dabei?“
„Natürlich nicht!“
„Hat Pat was angestellt?“
„Nein, wir wollen uns nur kurz mit ihm un-
terhalten. Wir waren gerade in der Gegend
und haben erfahren, dass er neuerdings hier
wohnen soll“, ließ Eric nicht locker.

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„Der letzte Trailer auf der linken Seite in
Reihe vier“, sagte der Mann und sah die
beiden misstrauisch an.
„Danke Sir“, sagte Luke und sie gingen den
Mittelweg weiter entlang.
„He“, rief der Mann ihnen nach, als sie einige
Schritte gegangen waren. Sie blieben stehen
und drehten sich noch einmal um.
„Sollte da hinten irgendwas nicht in Ord-
nung sein, ich hab ne Knarre“, sagte der
Mann. Eric und Luke gingen weiter und war-
en sich sicher, dass der Typ auch nicht davor
zurückschrecken würde, seine Knarre auch
zu benutzen.

Nach wenigen weiteren Trailern kamen sie
an eine kleine Kreuzung, an deren Rand ver-
witterte Blechschilder an einem dünnen
Holzstab angebracht waren.
Reihe 4, 6 und 8 waren an dem Pfeil mar-
kiert, der nach links zeigte, Reihe 1 und 3 be-
fanden sich rechts.

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Luke und Eric bogen nach links ab und
fanden sich wenige Meter neuerlich auf einer
„Kreuzung“.
„Sie sind organisiert wie eine bewachte
Wohnanlage“, grinste Luke, als er einen
weiteren Holzstab entdeckte, auf dem ein
Blechpfeil angebracht war, der die Aufschrift
„Reihe 4“ trug.
„Dann muss es dort hinten sein“, meinte
Eric.
Die beiden Männer schritten Reihe vier
entlang. Die Trailer hier sahen ein klein
wenig schmucker aus als die ganz am Anfang
des Trailerparks. Die Parzellen für die ein-
zelnen Wohnwagen waren etwas länger und
breiter, die Wägen selbst waren großteils
sauber und viele davon hatten Blumenkästen
an ihren kleinen Fenstern.

Vor dem letzten Wohnwagen stand ein alter,
verbeulter Buick. Direkt vor dem Wagen war
ein Briefkasten aufgestellt worden, der

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ebenfalls schon ein paar Jährchen auf dem
Buckel hatte und dessen Klappe fehlte, so-
dass man von außen in ein dunkles Loch sah.
„Bingo“, sagte Luke, als er das verwitterte
Namensschild auf dem Postkasten las – Pat-
rick Flewman.
„Na, dann wollen wir mal!“
Eric klopfte an die Tür, doch nichts rührte
sich. Er klopfte noch einmal und versuchte,
durch eines der Fenster ins Innere zu sehen.
„Ist wohl nicht zuhause“, meinte Luke.
„Verdammte Scheiße“, fluchte Eric.
„Wir sind den ganzen Tag lang durch die Ge-
gend gefahren, damit der Typ nicht zuhause
ist?“
„Wir könnten zurück in die Stadt fahren und
später wiederkommen“, schlug Luke vor, „vi-
elleicht ist er bei der Arbeit, oder ...“
„Kann ich Ihnen helfen?“

Hinter ihnen war ein Mann aufgetaucht. Of-
fenbar musste er hinter seinem Wohnwagen

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gearbeitet haben. Er hatte eine Plastikwanne
mit feuchter Wäsche unter dem rechten Arm
und eine monströse gelbe Plastikgießkanne
in der linken Hand.
Luke und Eric hatten zwar haarklein darüber
gesprochen, wer Sylvia sein konnte, welche
Informationen sie von Patrick brauchten und
wie sie dann gegen Sylvia vorgehen konnten,
doch was sie Patrick sagen würden, warum
sie hier waren, darüber hatten sie sich keine
Gedanken gemacht.
„Ähm ... ja ... wir ... wir haben uns ver-
fahren“, sagte Luke.
Ihm war einfach nichts Besseres eingefallen,
als dass sie vom Weg abgekommen waren.
Der Mann – Patrick – stellte seine Wäs-
chewanne neben dem Trailer ab. Er zog eine
verbeulte Blechwanne unter dem Trailer her-
vor und goss das Wasser aus der Gießkanne
hinein.
„Hier raus verirrt sich selten jemand, wo
wollen Sie denn hin?“

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Eric sah Luke genauso neugierig an wie Pat-
rick, der immer noch Wasser in die Wanne
goss.
„Wir ... wir wollen zu den College-Play-offs,
die finden doch heute statt, richtig?“
Er hoffte von Herzen, dass er das Datum des
Play-off-Spiels der College-Football-Liga, die
in Delaware stattfanden, heute Morgen im
Diner richtig gelesen hatte.
Patrick sah ihn an. Dann begann er zu
lächeln.
„Richtig, die sind heute, aber bestimmt nicht
hier draußen!“
Er stellte die Gießkanne ab und kam auf die
beiden zu. Er wirkte von vornherein nett und
offen.
„Können Sie uns eventuell den Weg
erklären?“, fuhr Luke fort.
„Klar, kann ich machen. Also, Sie fahren jetzt
einfach die Straße zurück, die Sie gekommen
sind, nach etwa zwanzig Minuten kommen
Sie durch Wohnsiedlungen und dann in den

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Schulbezirk. An der Highschool, das ist ein
relativ großes Backsteingebäude, biegen Sie
links ab und fahren nochmal etwa fünf Mei-
len, dann kommt das Stadion. Ist kaum zu
übersehen!“
„Danke, Sie haben uns sehr geholfen“, sagte
Eric.
Verzweifelt suchte er nach einer Möglichkeit,
Patrick noch etwas weiter festzunageln.
„Hey, da fällt mir etwas ein“, sagte Patrick.
Die beiden Männer sahen erst sich und dann
ihn an.
„Ich habe noch einen Gutschein für einen
Eimer Popcorn und ein Sixpack Heineken.
Wenn Sie wollen, können Sie den haben!“
„Ach, das ist doch nicht nötig“, wehrte Luke
ab.
„Doch, das ist nötig. Der Gutschein läuft
Ende Oktober ab und bis dahin komme ich
bestimmt nicht mehr raus ins Stadion. Wäre
doch schade, wenn er verfällt. Warten Sie
kurz!“

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Patrick lief die anscheinend selbstgezim-
merte kleine Holztreppe auf seine kleine
Holzveranda hoch und öffnete die Tür.
„Toll, wir bekommen also einen Gutschein
für Popcorn und Bier für ein Spiel, das wir
noch nicht einmal sehen“, grinste Eric.
„Mir ist auf die Schnelle nichts anderes
eingefallen“, sagte Luke.
„Allerdings wird er uns gleich den Gutschein
in die Hand drücken und das war’s dann“,
meinte Eric.
„Ich weiß“, antwortete Luke.
„Ruf beim Stadion an, und sieh zu, ob du
drei Karten reservieren kannst. Ich hab eine
Idee!“
Eric sah ihn fragend an, holte dann aber sein
Handy aus der Hosentasche und suchte über
das

Internet

die

Telefonnummer

des

Delaware Stadions heraus. Dann wählte er
die Nummer und entfernte sich ein paar Sch-
ritte von Luke.

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Kurze Zeit später kam Patrick mit einem
zerknitterten Streifen Papier wieder heraus.
Er reichte ihn Luke.
„Er sieht leider schon ein bisschen mitgen-
ommen aus, ich habe ihn beim Rausgehen
aus dem Stadion gefunden und gedacht, ich
nehme ihn mit“, sagte er fast entschuldigend.
„Das ist wirklich nicht nötig“, sagte Luke.
Er hatte Mitleid mit dem sympathischen
Mann und konnte sich nicht vorstellen, dass
er einmal mit Sylvia, die völlig anders war als
er, verheiratet gewesen war. Überhaupt fand
Luke, dass Patrick nicht der typische Trailer-
parkbewohner war. Er war nett und höflich,
wirkte gepflegt und sein Trailer war sauber,
hatte Blumenkästen vor den Fenstern und
eine hübsche kleine Veranda vor dem
Eingang.
„Besser, Sie haben ihn, als dass er verfällt,
meinen Sie nicht?“, sagte Patrick und reichte
ihm den Gutschein.

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Luke blickte über Patricks Schulter zu Eric,
der gerade sein Handy einsteckte und zurück
zu den beiden Männern kam. Er nickte Luke
zu und streckte den Daumen in die Höhe. Er
hatte also noch drei Karten bekommen.
„Haben Sie heute Abend schon etwas vor?“,
fragte Luke, als Eric wieder zu ihnen
aufgeschlossen hatte.
Patrick sah ihn an.
„Nicht viel mehr als die Abende zuvor auch.
Ich werde vermutlich ein paar Bierchen kip-
pen und mir im Radio die Übertragung der
Play-offs anhören!“
„Hätten Sie vielleicht Lust, das Spiel mit uns
anzusehen? Wir waren eigentlich mit unser-
em Freund Ray verabredet, doch er hat uns
eben gerade abgesagt. Seine Schwiegermut-
ter wurde von einem Auto angefahren und
seine Frau musste zu ihr, sodass niemand
auf ihren Sohn aufpasst. Wir haben also eine
Karte übrig – praktisch im Gegenzug zum
Gutschein?“

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„Ähm ... ich weiß nicht ... ich ...“
Patrick überlegte eine Weile und Lukes Herz
begann zu pochen. Wenn er jetzt absagte,
dann wusste er nicht, wie sie sonst an die In-
formationen über Sylvia kommen sollten.
„Warum eigentlich nicht“, sagte er dann und
grinste.
„Klasse, es wäre eine Schande gewesen, die
Karte verfallen zu lassen“, sagte Eric, der
begeistert von Lukes Lügengebäude war.
„Gut, dann sollen wir uns am Stadion tref-
fen? Oder wollen Sie gleich mit uns rein in
die Stadt fahren?“
„Was halten Sie davon, wenn wir die Zeit
hier totschlagen? Meine Mutter war gestern
hier und hat einen Kuchen mitgebracht, der
aufgegessen werden sollte, bevor er hart
wird. Ich meine, wenn Sie der Trailer nicht
stört!“
„Klar, gerne“, sagten Eric und Luke wie aus
einem Mund.

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Patrick sah die beiden etwas verwirrt an.
Dann trat er seine Stufen hinauf und öffnete
die Tür zum Trailer.
„Übrigens, mein Name ist Patrick“, sagte er,
während er durch die Eingangstür ging.

Die Innenausstattung des Trailers passte
noch weniger zu einem Trailerparkbe-
wohner, als die Außenansicht es tat. Innen
duftete es frisch und sauber, es war aufger-
äumt und auf dem kleinen Tisch, der vor
einer beige-geblümten Couch stand, befand
sich eine bauchige Blumenvase mit frischen
Sommerblumen, die offensichtlich auf der
Wiese hinter dem Park gepflückt worden
waren. Rechts neben dem Eingang war eine
Garderobenleiste angebracht, auf der sich
drei unterschiedlich warme Jacken be-
fanden. Links nahm der Wohnbereich des
Trailers etwas weniger als die Hälfte der ges-
amten Länge für sich ein. Vor dem Fenster

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die geblümte Couch, welche von zwei Sesseln
in demselben Muster flankiert wurde. Mittig
der kleine, hellbraune Tisch mit den Blumen.
Direkt links neben der Tür stand eine kleine
Kommode mit einem ebenso kleinen schwar-
zen Röhrenfernseher darauf. In der Mitte
des etwa zehn Meter langen und zweieinhalb
Meter breiten Raumes befand sich als
optische Trennung eine selbstgemachte Bar,
die dem hellbraunen Holz des Wohnzim-
mertisches nachempfunden war. Darauf la-
gen einige Zeitschriften, ein altes Handy und
ein Radiogerät mit Kassettenfunktion aus
den Achtzigern. Hinter der Bar befand sich
eine kleine Küche, die zweifellos aus ein-
zelnen Komponenten, wahrscheinlich vom
Sperrmüll, zusammengetragen worden war-
en. Der Kühlschrank hatte einige Roststellen
und einen abgebrochenen Griff und dem
Herd fehlte eine Platte und ein Drehknopf an
der Vorderseite. Das obere Küchenkästchen
war weiß, das untere eichenfarben und

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darauf standen ein leicht verbeulter Toaster
und eine Kaffeemaschine, in der Spüle
fristete eine einzelne Tasse ihr Dasein. Und
obwohl die Dinge allesamt vermutlich mehr-
ere Tage im Freien gestanden, und hier und
dort einen kleinen Makel hatten, waren sie
sauber und gepflegt. Rechts neben der Küche
gab es eine schmale Falttür, die ins Schlafzi-
mmer, einen winzigen Raum, der mit grünen
Vorhängen abgedunkelt war, führte. Luke
konnte ein ordentlich gemachtes Einzelbett
mit nicht zueinanderpassender Bettwäsche
und eine kleine Kommode entdecken, die
Patrick wohl als Kleiderschrank diente.

„Ich ... lebe hier eigentlich nur vorüberge-
hend“, sagte Patrick fast entschuldigend, als
Luke und Eric in den Trailer traten, „mir
ging es in den vergangenen Monaten nicht so
gut, aber ich weiß, dass dieser Trailer hier
nicht mein letztes Zuhause sein wird!“

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„Es ist sehr nett hier. Das kleine Apparte-
ment, das ich als Student bewohnt habe, hat
viel schlimmer ausgesehen“, sagte Luke
lächelnd.

Patrick öffnete den Kühlschrank, in dem
kein Licht brannte, und holte drei Dosen
Northstar Bier heraus. Er reichte den Män-
nern jeweils eine Dose und bedeutete ihnen,
auf der Couch Platz zu nehmen.

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15

Ungefähr zu derselben Zeit, als Luke und
Eric an jenem Morgen nach Delaware auf-
brachen, erwachte Sidney. Sie fröstelte und
fragte sich in der ersten Sekunde ihres Er-
wachens, seit wann Gloria unter die Pinguine
gegangen war und die Klimaanlage in der
Nacht anließ. Für gewöhnlich fror Gloria im-
mer genauso schnell wie sie selbst, wenn
nicht sogar etwas schneller. Sie fühlte eine
Gänsehaut auf ihrem rechten Oberarm und
wollte sich die Decke bis unters Kinn ziehen
und dann noch eine Weile schlafen, immer-
hin hatte sie für diesen Tag ein straffes Well-
nessprogramm geplant und befand sich im
Urlaub. Sie wollte nach der Decke greifen
und konnte nicht. Im selben Moment, als sie
realisierte, dass ihre Hände hinter ihrem
Rücken

gefesselt

waren,

schoss

ein

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stechender Schmerz durch ihren Kopf und
ihr wurde übel. Dann fiel ihr alles wieder ein.
Sie und Gloria hatten am Vorabend
beschlossen, abzureisen, weil jemand in ihr
Zimmer eingestiegen war und Handys,
Portemonnaies und andere persönliche
Dinge gestohlen hatte. Dann erinnerte sie
sich, wie sie ins Bad gegangen war und sich
jemand auf sie gestürzt hatte. Sylvia Patlock.

Sidney versuchte sich aufzusetzen, was ledig-
lich bewirkte, dass die Kopfschmerzen und
die Übelkeit stärker wurden. Sie befand sich
in einem dunklen, feuchten und kalten
Raum, vermutlich einem Keller. Gegenüber
drang wenig Licht von einem kleinen, vergit-
terten Fenster herein. Der Raum war übersät
mit schwarzen Spinnweben, Staub und
Dreck. Vermutlich würde aus diesem Raum
niemals ein gemütlicher Hobbykeller wer-
den. Sidney hatte keine Ahnung, wem das
Haus, in dem sich der Keller befand, gehörte,

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und wie sie hier herauskommen sollten. Sie
sah nach rechts und entdeckte Gloria, die
ebenfalls gefesselt neben ihr lag. Sie stupste
sie mit ihrem Fuß an und kurze Zeit später
regte sie sich.
„Gloria ... Gloria, wach auf“, sagte Sidney in
einem etwas lauteren Flüsterton.
Gloria schlug die Augen auf und setzte sich
ruckartig auf.
„Scheiße, ich hab Kopfschmerzen“, sagte sie,
und versuchte, an ihren Kopf zu greifen.
„Was zur Hölle ...!“, rief sie, als sie ihre Fes-
seln bemerkte.
„Pst ... sei leise“, sagte Sidney, „nicht dass je-
mand mitbekommt, dass wir wach sind!“
„Wo sind wir?“, flüsterte Gloria.
Ihre Augen blickten sich ängstlich um.
„Das weiß ich nicht. Alles, woran ich mich
erinnere, ist ...“
„Sylvia“, vollendete Gloria Sidneys Satz.
„Sie und ihre verrückte Freundin haben uns
in

unserem

Zimmer

k. o.

geschlagen.

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Allerdings habe ich keinen Schimmer, ob das
gestern, vorgestern, vor einer Woche oder
vor ein paar Stunden war. Sie werden es
dann wohl auch gewesen sein, die unsere
Sachen geklaut haben!“
„Ja, das denke ich auch“, sagte Sidney.
„Wir müssen zusehen, dass wir irgendwie
hier wegkommen“, sagte Gloria und Sidney
bemerkte einen Anflug von Panik.
„Könnte schwierig werden. Es gibt nur dieses
eine Fenster da drüben, und ich denke, keine
von uns beiden passt da durch, selbst wenn
es uns irgendwie gelingen würde, uns von
den Fesseln zu befreien und das Fenster mit-
samt dem Gitterrahmen zu entfernen!“
„Scheiße. Was machen wir denn jetzt?“

Sidney und Gloria sahen sich im Raum um,
entdeckten aber keine Möglichkeit, wie sie
zumindest die Kabelbinder, mit denen sie ge-
fesselt waren und die mittlerweile begannen,
in

das

Fleisch

ihrer

Armgelenke

zu

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schneiden,

entfernen

konnten.

Sidneys

Hände fühlten sich bereits taub an, was kein
Wunder war, immerhin musste sie die ganze
Zeit über gefesselt gewesen sein.

„Dieser Scheiß hier ist wie in Saw“, rief Sid-
ney aufgebracht und erinnerte sich an den
Horrorfilm, der vor einigen Jahren die Kinos
erobert hatte und dessen DVD-Box – der
Blockbuster hatte es auf sechs Fortsetzungen
gebracht – sich auch in ihrem Filmregal
befand.
„Dort waren zwei Typen in einem verlassen-
en Keller eingesperrt und haben sich am
Ende gegenseitig umgebracht!“
„Tolle Aussichten“, seufzte Gloria.
„Eric und Luke werden uns bestimmt
suchen“, sagte Sidney.
„Vielleicht noch nicht heute, weil sie ja wis-
sen, dass wir den ganzen Tag über in Be-
handlungen sind. Aber wenn sie bis heute

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Abend, spätestens morgen nichts von uns
hören, dann ...“
Den Gedanken, dass es „morgen“ bereits zu
spät sein könnte, behielt sie für sich.

Von außen drangen leise Stimmen herein.
Stimmen, die ziemlich gut gelaunt wirkten.
„Wir könnten im Sommer Doppelhochzeit
feiern, was meinst du?“, sagte eine der
Stimmen.
„Meinst du wirklich, dass sie gleich heiraten
wollen?“
Die andere Stimme wirkte etwas gedämpfter.
„Nicht gleich, aber irgendwann mal. Männer
wie sie sind nicht fürs Zusammenleben ge-
boren. Die brauchen repräsentative, starke
Frauen an ihrer Seite. Frauen wie uns,
Puppe!“

„Los, leg dich wieder hin“, flüsterte Sidney
und wurde nun selbst leicht panisch, „wir
tun so, als wären wir noch nicht aufgewacht,

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vielleicht verschafft uns das etwas mehr
Zeit!“
Sie war einfach noch nicht bereit, sich Sylvia
und dem, was sie offensichtlich geplant
hatte, zu stellen. Die beiden Frauen ließen
sich wieder auf die Seite fallen, in fast diesel-
ben Positionen, in denen sie aufgewacht war-
en, und schlossen die Augen.

Kurz darauf wurde ein Schlüssel ins Schloss
gesteckt und die Tür aufgestoßen. Sylvia und
Nookie kamen herein, und das Gekicher, das
sie noch vor der Tür von sich gegeben hatten,
verstummte.
„Die sind ja immer noch nicht bei Bewusst-
sein“, sagte Sylvia.
Sie ging auf die beiden leblosen Körper, die
in der Ecke des Kellers lagen, zu, und stieß
Sidney mit ihrem Fuß an der Hüfte an. Ob-
wohl

sie

ein

stechender

Schmerz

durchzuckte, rührte sie sich nicht. Sie hielt

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die Augen geschlossen und hoffte, dass
niemand ihr Herz hämmern hörte.
„Wie viel von dem Zeug haben wir ihnen
denn verabreicht?“, fragte Sylvia schroff.
„Sind die etwa schon tot?“
„Nein, sie können gar nicht tot sein – sieh
nur, sie atmen beide, ihre Brustkörbe heben
und senken sich. Vermutlich haben wir sie
nur ordentlich ausgeknockt!“
„Ja, sie leben … noch“, sagte Sylvia in einem
verschwörerischen Ton.
„Meinst

du

wirklich,

dass

wir

das

durchziehen sollten?“
Nookie wirkte verunsichert.
„Ich meine, wir könnten jetzt noch einen
Rückzieher machen. Wir könnten sie irgend-
wo draußen aussetzen und verschwinden!“

Eine kleine Pause. Sidney und Gloria hörten,
wie Absätze sich auf dem staubigen Unter-
grund drehten. Offensichtlich hatte Sylvia
sich zu Nookie umgedreht.

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„Hör mal. Wir haben diese Sache seit über
zwei Jahren geplant. Seit dieser verschissene
erste Artikel darüber erschienen ist. Ich
weiß, wie meine Zukunft aussieht, und ich
weiß auch, was ich dafür zu tun habe. Ich
werde nicht weiter als kleines Nichts am
Rande der Armutsgrenze vor mich hinve-
getieren, wenn ich das Leben führen könnte,
das für mich vorgesehen ist. Und du auch
nicht. Oder willst du für den Rest deines
Lebens im Büro dieses Kurierdienstes
arbeiten?“
Sylvia schrie fast.
„Nein, natürlich nicht. Aber ... müssen wir
sie denn wirklich ...?“
„Was willst du denn sonst tun?“ Sylvia wurde
immer lauter und lauter. „Denkst du, diese
beiden Schlampen hier überlassen uns die
Kerle aus reiner Nächstenliebe? Glaubst du
wirklich, sie lassen sich sang- und klanglos
scheiden und tragen ihren Männern auch
noch

auf,

dass

du

und

ich

ihre

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Nachfolgerinnen werden? So läuft das nicht,
Schätzchen. Wenn man etwas haben will,
dann muss man sich dafür hin und wieder
auch die Hände schmutzig machen. Wenn du
jetzt noch aussteigen willst, dann verpiss
dich. Aber dann solltest du dich besser in
Acht nehmen. Immerhin bist du die Einzige,
die von meinem Plan weiß.“
„Schon okay, Sylvia. Ich glaube, meine Ner-
ven liegen einfach nur blank“, entschuldigte
sich Nookie.
„Kann ich verstehen, Puppe“, sagte Sylvia,
diesmal in demselben schleimigen Ton, den
sie immer draufhatte, wenn sie im Büro war.
„Ich hab dir doch erzählt, wie ich drauf war,
als ich es das erste Mal gemacht habe. Ich
habe auch gedacht, ich schaffe es nicht, doch
ich habe es geschafft. Und weißt du, wenn
man bedenkt, wie viele Menschen in
sinnlosen Kriegen und bei Terroranschlägen
sterben, dann sind zwei ... doch wirklich eine
lächerlich kleine Zahl, oder?!“

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„Ja, du hast Recht!“
„Und nun komm. Wir gehen hoch, trinken
was und genehmigen uns zur Beruhigung ein
paar Zigaretten. Und wenn die beiden da
dann irgendwann wieder bei sich sind, dann
fängt der Spaß erst richtig an!“

Als die Tür wieder ins Schloss fiel, warteten
Sidney und Gloria noch eine Weile, bevor sie
es wagten, sich zu bewegen.
„Was zur Hölle haben sie vor?“, flüsterte
Gloria schließlich.
„Was immer es auch ist, ich denke, es könnte
für uns beide böse enden!“
Sidney hatte sich wieder aufgesetzt und
suchte wie verrückt nach irgendetwas, mit
dem sie ihre Fesseln lösen konnte.
„Hast du gehört, was sie gesagt haben?
Haben sie tatsächlich vor, uns aus dem Weg
zu räumen und sich dann Eric und Luke zu
schnappen?“

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Sidney lief es kalt den Rücken hinunter, als
Gloria „aus dem Weg räumen“ sagte. Aber
sie hatte Recht. Sylvia Patlock hatte sie beide
entführt und hatte vor, sie vermutlich
umzubringen, damit sie selbst und ihre Fre-
undin Nookie sich an Eric und Luke ran-
machen konnten. Eigentlich irrsinnig. Sid-
ney wusste genau, dass weder Eric noch
Luke an Frauen wie Sylvia und Nookie in-
teressiert waren und schon gar nicht, wenn
ihren Frauen etwas zugestoßen war. Luke
hatte Sylvia von Anfang an gehasst, und sie
war sich sicher, dass auch die Sympathie der
Männer Nookie gegenüber sich in Grenzen
halten würde.
Mittlerweile wusste Sidney auch wieder,
warum Nookie ihr so bekannt vorgekommen
war, als sie sich kennengelernt hatten. Nicht
Nookie als Person, sondern ihre Stimme war
es, die Sidney bereits einmal gehört hatte.
Und zwar, als sie seinerzeit Sylvias Referen-
zen bei dem Immobilienmakler überprüft

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hatte. Sylvia musste ihr Nookies Nummer
gegeben haben, damit diese kräftig die Wer-
betrommel für ihre Freundin rühren und ihr
letztlich den Job verschaffen konnte.

„Was sollen wir jetzt machen?“, fragte
Gloria.
„Wir sind ihnen ja praktisch ausgeliefert!“
„Wir müssen irgendwie versuchen, die Fes-
seln loszubekommen“, sagte Sidney und zer-
rte an den Kabelbindern, die sich keinen Mil-
limeter dehnten, sich dafür aber noch einmal
tiefer in ihre Armgelenke gruben. Sie spürte
einen scharfen Schmerz und kurz darauf ein
kleines Rinnsal aus Blut, das ihr Armgelenk
hinablief.
Gloria sah sich um.
„Hier liegt auch nichts rum, womit wir die
Fesseln aufbekommen, nichts als Dreck und
Staub!“

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Sidney ließ ihre Augen noch einmal durch
den dunklen Raum gleiten, doch es schien
tatsächlich nichts zu geben, mit dem sie die
Fesseln aufschneiden konnten. Auf ihrer
Stirn hatte sich etwas Schweiß gebildet und
ihr Arm schmerzte, dort wo das kleine Blut-
rinnsal gerade dabei war, eine saftige Fleis-
chwunde zu werden, als der Kabelbinder sich
hineindrückte und einen Schmerz auslöste,
der ihr bis dahin unbekannt war. Der Raum
war völlig leer. Die einzigen Gegenstände im
Raum waren alte Heizungsrohre und eine
gekachelte Ecke vorne links, wo früher offen-
bar einmal ein Waschbecken gewesen war.
Sidney starrte die Kacheln an, richtete sich
auf und schickte ein Stoßgebet zum Himmel.
Sie versuchte, auf die Beine zu kommen, und
taumelte einige Schritte vorwärts. Ihr war
schwindelig und sie hoffte inständig, nur ja
nicht hinzufallen. Zum einen hätte sie
dadurch die Aufmerksamkeit von Sylvia und
Nookie auf sich gezogen und zum anderen

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hätte sie sich eine weitere Verletzung
zuziehen können, auf die sie nicht scharf
war.
„Was ist, hast du was gefunden?“
Gloria richtete sich auf und sah in die Rich-
tung, in die Sidney taumelte.
„Ich ... diese Kacheln dort hinten ...“
Sidney war beinahe an dem Waschbecken
angekommen. Die letzte kleine, schmutzige
Kachel in der Ecke war ausgebrochen. Es
klebte nur noch etwas mehr als die Hälfte an
der Wand, spitz ausgebrochen.
„Welche?“
Gloria war nun ebenfalls aufgestanden und
hinter Sidney aufgetaucht.
„Diese dort“, sagte Sidney, was jedoch kaum
Sinn machte, da sie nicht auf die kaputte
Kachel zeigen konnte, „die ganz in der Ecke,
sie ist ausgebrochen. Wenn wir es irgendwie
schaffen, sie herunterzubekommen, dann
könnten wir damit vielleicht die Kabelbinder
durchtrennen!“

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„Du weißt aber schon, wie fest Kachelkleber
hält, oder?“, meinte Gloria skeptisch.
„Ja, das weiß ich“, antwortete Sidney, „nur
ist das die einzige Möglichkeit, die wir
haben. Entweder wir versuchen, diese ver-
dammte Kachel abzubekommen, oder wir
warten, bis die Verrückten da oben zurück-
kommen und Gott weiß was mit uns
machen!“

Sidney trat mit dem Fuß gegen die Kachel
und spürte, dass sie nicht ganz so fest klebte
wie jene, die sie zu Hause im Badezimmer
hatte. Klar, die Kacheln hier waren vermut-
lich steinalt und nicht erst seit gestern der
Feuchtigkeit ausgesetzt. Sie erinnerte sich
daran, wie einmal in ihrem Appartement in
Manhattan – damals war sie noch mit Rick
zusammen gewesen – eine Kachel im Badez-
immer abgegangen war. Seinerzeit war of-
fenbar irgendwo in der Wand Feuchtigkeit
gewesen und über kurz oder lang hatten

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sämtliche Wandkacheln nur noch am seiden-
en Faden gehangen. Damals war es ein
Leichtes gewesen, sie von der Wand zu
bekommen. Wenn die Kacheln in ihrem
teuren Stadtappartement damals schon so
leicht von der Wand gefallen waren, dann
müssten diese hier doch … Sie trat noch ein-
mal dagegen und noch einmal, dennoch hielt
die Kachel bombenfest. Sidney trat ein weit-
eres

Mal

danach,

verlor

fast

das

Gleichgewicht und schaffte es gerade noch,
sich an die Mauer fallen zu lassen, um nicht
der Länge nach auf den Boden zu klatschen.
Atemlos sah sie sich um und suchte nach et-
was, das sie gegen die Kachel schmettern
konnte. Sie fand jedoch nichts.
„Funktioniert es?“, fragte Gloria.
„Nein, sie ist zwar locker, geht aber über-
haupt nicht ab!“
Gloria war zum Fenster gegangen und
sprang daran hoch, um zu sehen, was
draußen

war,

ob

es

irgendeinen

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Anhaltspunkt gab, wo sie sein konnten, oder
gar jemand, der sie aus ihrer misslichen Lage
befreien konnte, sah aber nichts weiter als
verwildertes Gras und Bäume.
„Das hier muss ein Privathaus sein“, sagte
sie, während Sidney wieder begonnen hatte,
gegen die Kachel zu treten. Sie ließ ihren
Blick über das Zimmer schweifen, konnte
aber nichts finden, womit ihre Freundin die
Kachel abbekommen konnte. Ihr Blick traf
die High Heels, die Sidney am Abend zuvor
angehabt hatte, und sie wunderte sich, dass
Sylvia und Nookie die Schuhe nicht weggen-
ommen hatten. Immerhin hatten sie spitze
Mörderabsätze und konnten gut als Waffe
eingesetzt werden. Oder als Stemmeisen, um
eine kaputte Kachel abzubekommen.
„Sidney, warte“, rief Gloria und lief auf die
Schuhe zu.
Sidney hörte auf, die Kachel zu bearbeiten,
und sah in Glorias Richtung.
„Was ist?“

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„Physikkurs Mr. Hackles in der Highschool –
Hebelwirkung!“
„Was?“
Sidney verstand gar nichts.
„Hier liegen deine High Heels rum. Vielleicht
gelingt es uns, die Kachel mit den Stöckeln
abzubekommen!“
„Du bist ein Genie“, rief Sidney, lief hinüber
zu ihrer Freundin und fragte sich irrwitziger-
weise, ob das Prinzip der Hebelwirkung in
diesem Fall wirklich zuträfe.

Es war schwieriger als gedacht, die Schuhe
mit den gefesselten Händen aufzunehmen,
und noch schwieriger war es, sie an der
richtigen Stelle anzusetzen. Die Stöckel war-
en zwar spitz, doch sie waren weder ein
Schraubenzieher noch ein Spatel, mit dem
die Kachel in Sekunden abgegangen wäre.

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„Ich glaube, wir schaffen es nicht“, sagte
Gloria, nachdem sie abwechselnd versucht
hatten, die Kachel abzubekommen.
„Sie ist noch nicht einmal ein bisschen
lockerer geworden!“
„Ja, sieht wohl so aus!“
Resigniert legte Sidney den Schuh weg und
lehnte sich an die kühle Wand. Nach einer
Weile nahm sie ihn wieder auf und werkelte
weiter.
Es ist aber die einzige Möglichkeit, die wir
haben, hier zu entkommen. Wir müssen ein-
fach versuchen, diese verdammte Kachel
abzubekommen. Es ist die einzige Chance!“
Vor einer Weile war ihr zwar durch den Kopf
gegangen, dass die Schuhe ebenfalls als
Waffe eingesetzt werden könnten, doch mit
hinter dem Körper gefesselten Händen hätte
selbst eine 357er Magnum nicht viel genützt.

Während Sidney weiter an der Kachel
werkelte, lief Gloria den Raum noch einmal

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ab. Vielleicht gab es ja doch irgendwo
Werkzeug, das sich zum Kachellösen besser
eignete als High Heels von Jimmy Choo.
„Oh Gott ... Gloria, ich habs“, rief Sidney
plötzlich aufgeregt.
Gloria wandte sich um und sah, wie das
kleine, unregelmäßig gezackte Rechteck von
der Wand plumpste.
Sidney hob mühselig die Kachel auf.
„Komm mal her und gib mir Anweisungen,
wie ich schneiden soll“, sagte sie zu Gloria.

Der Rest war ebenso wenig Kinderspiel, wie
es eines gewesen war, die Kachel abzu-
machen. Sidney hatte zwar nicht damit
gerechnet, dass die Kabelbinder sich in fünf
Minuten auftrennen ließen, doch dass es so
schwer werden würde, hätte sie ebenfalls
nicht vermutet. Dort, wo ihre Finger die
Kachel, die mittlerweile nur mehr eine Sch-
erbe war, berührten, war sie messerscharf.
Mehrmals hatte sie sich bereits in Sidneys

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Finger gebohrt. Ihre Hände fühlten sich
feucht vor Blut und Schweiß an, dort, wo die
Scherbe in bereits bestehende Wunden
schnitt, brannten ihre Hände höllisch. Dort,
wo die Scherbe die Kabelbinder berührte,
war sie weich wie eine Feder. Schweiß rann
Sidneys Stirn wie Sturzbäche herab, als sie
verzweifelt versuchte, die Kabelbinder zu
durchtrennen. Nach einer gefühlten Ewigkeit
hörte sie ein „Flopp“. Dann ein befreiendes
Gefühl. Sie zog ihre Hände hinter dem Rück-
en hervor und war im ersten Moment
schockiert über deren Anblick. Beide Hände
waren übersät mit Schnitten und Rissen,
Blut quoll aus den tieferen Schnitten hervor
und der Kabelbinder steckte noch in ihrem
Fleisch am Handgelenk, dort, wo er sich vor
einer ganzen Weile hineingegraben hatte.
Während sie Gloria befreite, schickte sie ein
Stoßgebet zum Himmel, dass Sylvia lediglich
Kabelbinder und keine Ketten oder Hand-
schellen benutzt hatte, um sie zu fesseln.

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„Was machen wir jetzt?“, fragte Gloria und
in ihrer Stimme lag etwas Hoffnung. Sie
wirkte nicht mehr ganz so resigniert wie
noch kurz zuvor. „Sie werden sicher bald
wieder zurückkommen, immerhin sind sie
bereits eine ganze Weile weg!“
Die beiden Frauen kauerten in einer Ecke
hinter

einem

Heizungsrohr,

beide

schwitzten, als hätten sie gerade erst einen
Marathon beendet. Sidney hatte ihre Hände
in die Weste eingewickelt, die sie am Vo-
rabend getragen hatte, und kämpfte gegen
den höllischen Schmerz an, den die Risse
und Schnitte ebenso wie der Schmutz, der in
all ihre Wunden gelangt war, verursachten.
„Stimmt. Wir müssen uns etwas überlegen“,
sagte sie.
Ihr Blick fiel nach oben.

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16

Das Spiel war gut besucht und Eric hatte
trotz des großen Andrangs relativ gute Plätze
bekommen. Die drei Männer saßen nahe am
Spielfeld, hatten sich mit Hot Dogs und
Nachos eingedeckt und teilten sich das Six-
pack von Patricks Gutschein. Als Patrick sich
entschuldigt hatte und zu den Toiletten
gegangen war, rückte Luke auf Patricks Sitz,
um sich mit Eric zu besprechen.
„Bislang haben wir noch nicht viel aus ihm
herausgebracht“, sagte Luke und sah auf Pat-
ricks Sitzplatz.
„Ich weiß. Und das Spiel ist fast rum. Wenn
wir bei der Heimfahrt nichts erfahren, dann
sieht’s düster aus!“
„Vielleicht sollten wir einfach mit der
Wahrheit rausrücken“, meinte Luke und

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warf einen Blick aufs Spielfeld, auf dem sich
momentan nicht viel tat.
„Daran hab ich auch schon gedacht“, antwor-
tete Eric und folgte Lukes Blick, „aber das
sollten wir wirklich nur dann tun, wenn wir
sonst keinen Weg sehen, ihn zum Sprechen
zu bewegen. Vielleicht rückt er ja von selber
mit der Sprache raus, meinst du nicht? Als
wir heute Nachmittag in seinem Trailer war-
en, hatte ich das Gefühl, dass er sich das
alles von der Seele reden will, was ihm auf
dem Herzen liegt. Und dass es da auch ein-
iges gibt, was vielleicht mit dieser Sylvia zu
tun hat!“
„Hallo, Jungs.“ Patrick war wieder da.
Luke rutschte zurück auf seinen Platz und
die Männer verfolgten das Spiel weiter.

Die Rückfahrt vom Stadion zum Trailerpark
verlief ruhig. Luke und Eric waren von Kilo-
meter zu Kilometer unruhiger geworden, da
Patrick zwar dieses und jenes erzählt, doch

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bislang nichts, was mit Sylvia zu tun hatte,
auch nur angedeutet hatte.

Luke hielt es nicht mehr länger aus. Er fuhr
die dunkle Hauptstraße entlang, die von der
Straßenbeleuchtung nur spärlich erhellt
wurde und die kaum befahren schien,
während er mit seinen Fingern auf das Len-
krad klopfte. Seine Gedanken waren bei Sid-
ney. Er hoffte, dass es ihr gut ging, dass sie
ihren Wellnesstag genossen hatte und er ihr
irgendwann einmal von diesem verrückten
Tag erzählen konnte, an dem Eric und er
quer durchs Land gefahren waren, um den
Exmann

ihrer

Sekretärin

auszufragen.

Während des Spiels hatte er daran gedacht,
sie kurz anzurufen und zu fragen, ob alles in
Ordnung war, doch dann erinnerte er sich,
dass sie von ihrem stressigen Spaprogramm
erzählt hatte, und wollte sie nicht stören. Er
machte sich keine Sorgen, weil sie sich von
selbst noch nicht gemeldet hatte. Wenn sie

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und Gloria ihre Wellnessurlaube genossen,
waren sie in eine andere Welt abgedriftet
und meldeten sich oft einen Tag lang nicht.
Er war sich auch gar nicht sicher, ob es eine
gute Idee gewesen wäre, sie anzurufen, da er
vermutlich von ihrem Besuch bei Patrick
Flewman erzählt hätte und sie weder aufre-
gen noch verärgern wollte. Vermutlich hatte
sich die Sache mit Sylvia im Hotel gelegt.
Hätte es Probleme gegeben, so hätten die
Frauen ihm und Eric bestimmt Bescheid
gesagt. Das Hotel war ja schließlich groß
genug, sodass man nicht zwangsläufig dazu
genötigt war, mit jedem einzelnen Gast Kon-
takt zu haben. Dennoch brodelte es in ihm.
Er wollte unbedingt wissen, was es mit Sylvia
auf sich hatte.

„Patrick? Darf ich dich etwas Persönliches
fragen?“, begann er.
Er hielt den Blick weiter streng auf die
Straße gerichtet.

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„Klar, Mann“, sagte Patrick, der im Fond des
Wagens saß.
Er richtete sich auf und sein Kopf erschien
zwischen Luke und Eric. Seine Hände stützte
er auf den beiden Vordersitzen ab.
„Du bist nicht gerade der Prototyp eines
Trailerparkbewohners. Wie kommt es, dass
jemand wie du dort landet?“
Patrick blieb eine Weile still und folgte dem
Verlauf der Straße mit den Augen. Dann sen-
kte er den Blick und begann zu reden.
„Du hast Recht. Wisst ihr, das alles war
niemals geplant gewesen. Mein Leben ist
einfach ab einem gewissen Zeitpunkt in die
vollkommen falsche Richtung abgedriftet.
Ich will euch nicht mit meiner Lebens-
geschichte langweilen und ich will auch nicht
wie einer dieser sich selbst bemitleidenden
Kerle rüberkommen, aber ich sage nur, dass
ich niemals hätte heiraten sollen. Die
Scheidung hat mir das Kreuz gebrochen!“

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„Es gibt viele Männer, die geschieden wer-
den, aber die landen nicht alle in einem
Trailerpark“, sagte Eric.
Er wollte Patrick etwas aus der Reserve
locken.
„Diese anderen Männer waren aber nicht mit
meiner Exfrau verheiratet“, sagte Patrick
leise.
„Was hat sie gemacht?“, stocherte Luke.
„Das ist eine lange, verworrene Geschichte“,
meinte Patrick und wollte immer noch nicht
wirklich mit der Sprache herausrücken.
„So wie ich das sehe, fahren wir noch eine
ganze Weile diese Straße entlang und im Ra-
dio läuft nichts – also erzähl, wenn du
möchtest. Manchmal tut es gut, einem
Außenstehenden sein Herz auszuschütten!“
Patrick schwieg wieder eine Weile und sah
zu Boden. Seit seiner Scheidung hatte
niemand ihn nach seiner Geschichte gefragt.
Niemand wollte seine Sicht der Dinge hören
und interessierte sich dafür, wie es ihm ging,

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bis auf diese beiden Kerle, die wie aus dem
Nichts aufgetaucht waren, ihn zu einem Spiel
mitgenommen hatten und jetzt auch noch
seine privaten Seelenklempner sein wollten.

Luke und Eric wechselten einen verzweifel-
ten Blick. Es sah nicht so aus, als würde Pat-
rick auspacken, aber durch sein Schweigen
verstärkte sich ihre Annahme, dass er etwas
Bedeutendes in Bezug auf Sylvia zu sagen
hatte.

Patrick hatte sich zurück an seinen Sitz
gelehnt und war still. Nach etwa fünf
Minuten tauchte sein Kopf wieder zwischen
den beiden Vordersitzen auf.

„Wisst ihr, bis vor acht Jahren war mein
Leben genau so, wie ich es mir vorgestellt
hatte. Ich habe 2005 nach dem Tod meines
Großvaters dessen Haus in Conway, Arkan-
sas geerbt, dazu ein klein wenig Geld, das er

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auf der Bank gehabt hatte. Ich war der ein-
zige von all seinen Enkeln, der regelmäßig
mit ihm Kontakt hatte, bin ihn alle paar
Wochen mal ein Wochenende lang besuchen
gefahren, hab ihn einmal die Woche an-
gerufen. Er mochte mich und darum hat er
mich in seinem Testament als Alleinerben
eingesetzt. Nach seinem Tod bin ich also von
Seattle, wo ich bei meinen Eltern lebte, nach
Arkansas, habe mir einen Job als Mechanik-
er in einer Autowerkstatt gesucht und bin in
das Haus meines Großvaters gezogen. Ich
habe dort die zwei wohl schönsten Jahre
meines Lebens verbracht. Ich hatte mir ein-
en alten 67er Ford Mustang auf einem
Schrottplatz für ein Butterbrot gekauft und
hatte vor, ihn zu restaurieren. Ich hatte dam-
als keine Freundin, aber mal hier und mal
dort eine Bekanntschaft. Ich habe mein
Leben in vollen Zügen genossen und dachte,
es würde ewig so weitergehen. Ich war so
verdammt glücklich und hätte mir niemals

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träumen lassen, dass ich einmal so abstürzen
werde, wie ich es getan habe. Und dann kam
alles anders. Ich erinnere mich noch genau
an den Tag, an dem ich sie kennengelernt
habe. Ich war mit meinem Kumpel Ronnie
auf eine Partie Tennis verabredet und wollte
mir beim Nachhausefahren noch ein paar
Red Bulls von der Tankstelle in der Nähe
meines Hauses mitnehmen. Für diesen
Abend hatte ich mir vorgenommen, noch et-
was am Mustang zu basteln, fern zu sehen
und früh schlafen zu gehen. Ich bin also in
den Tankstellenshop und hab die Red Bulls
geholt. Im Shop stand ein Mädchen, das ich
nicht kannte und das einfach wunderschön
aussah. Blonde, lange Haare, schlank, sport-
lich. Ihr Gesicht wirkte nicht so unbeschwert
wie die Gesichter von jungen Frauen es für
gewöhnlich tun, sie sah so ... so weise aus, als
hätte sie schon eine Menge durchgemacht,
Mann, sie sah interessant aus und hätte den
Blick eines jeden Kerls auf sich gezogen. Sie

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trug enge Jeans, braune Stiefel und ein
schwarzes Top und sie unterhielt sich
angeregt mit dem Tankwart, einem schmieri-
gen fetten Kerl, der stank wie ein Nilpferd.
Ich weiß noch, dass ich mich fragte, was sie
von ihm will, hab bezahlt und bin dann raus.
Ich hatte gerade meine Red Bulls auf dem
Fahrersitz abgelegt, als plötzlich jemand
hinter mir stand. Das Mädchen aus dem
Shop. Sie sagte, sie würde normalerweise
nicht einfach so fremde Typen anquatschen,
aber sie sei gerade vor zwei Tagen in Conway
angekommen, weil sie hier zu arbeiten an-
fangen wollte, und da sie niemanden kannte,
allerdings furchtbar gerne redete, musste sie
nun einfach fremde Menschen anquatschen.
Ich hab das lustig gefunden, und wir haben
gequatscht. Sie erzählte mir, dass sie aus
Wisconsin war, aber in den letzten Jahren
mal hier und mal dort gelebt hatte, weil sie
was von der Welt sehen wollte. Nun habe sie
erfahren, dass ein Steuerberater hier in

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Conway eine Sekretärin suchte, daher habe
sie sich auf die Stelle beworben und sie
bekommen. Sie hätte sogar schon eine
Wohnung gehabt, aber es dürfte etwas
schiefgelaufen sein, sodass der Vermieter sie
doppelt vermietet hatte und der zweite Mi-
eter bereits in der Wohnung lebte. Sie wohne
derzeit im Hotel, sagte sie mir, und sei nun
auf der Suche nach einer dauerhaften Bleibe,
ob ich etwas wüsste. Wir haben uns etwa
zwei Stunden an dieser Tankstelle unterhal-
ten, über unsere Hobbys, die Musik und was
wir uns vom Leben wünschen. Ich habe ihr
auch von meinem Mustang erzählt und sie
war Feuer und Flamme dafür. Sie erzählte
mir, ihr Vater habe in Wisconsin ebenfalls
ein Faible für alte Autos gehabt und sie habe
bei der Restauration des einen oder anderen
mitgeholfen. Dann fragte sie, ob sie sich
meinen Mustang mal ansehen könnte, und
ich sagte, ja. Ich habe ihr vorgeschlagen,
dass sie ihn sich doch gleich anschauen

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könnte, wir sind zu mir gefahren und haben
etwas am Auto geschraubt. Sie war der helle
Wahnsinn. Sie war diese Mischung aus
Traumfrau und Kumpel, eine Frau, wie man
sie vermutlich nur einmal im Leben kennen
lernt und von der man eigentlich immer
hofft, dass sie einem über den Weg läuft. Wir
haben also am Auto geschraubt, an-
schließend habe ich den alten Grill angewor-
fen, und während ich das Fleisch zubereitet
habe, hat sie einen Salat und Saucen geza-
ubert, als wären wir schon ewig zusammen.
Es hat einfach gefunkt, es hat von der ersten
Sekunde an gepasst zwischen uns beiden.
Und es war klar, dass wir im Bett landeten
und sie die Nacht bei mir verbrachte. Am
Tag darauf hielt ich es für eine gute Idee, sie
zu fragen, ob sie bei mir wohnen wollte, im-
merhin hatte ich ein großes Haus und genü-
gend Platz. Freunde hatte ich auch kaum,
nur eine Handvoll Bekannte, die aber selber
alle verheiratet waren und nur selten von

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sich hören ließen. Also zog sie bei mir ein.
Ein halbes Jahr später haben wir geheiratet
und ab diesem Zeitpunkt hat sich alles
verändert.“

Patrick machte eine kleine Pause. Luke war
aufgeregt. Bisher hatte Patrick noch nicht
direkt von Sylvia gesprochen. Die Frau, die
er meinte, konnte jede sein. Vielleicht lagen
sie völlig daneben und dieser Patrick war gar
nicht der richtige Patrick.
„Und was ist dann geschehen?“, fragte er, als
Patrick keine Anstalten machte, von selber
weiterzuerzählen.
„Angefangen hat es mit dem Ehevertrag“,
sprach er weiter.
„Sylvia wollte unbedingt, dass wir einen
Ehevertrag machen, weil sie meinte, sie
würde mich meinetwegen heiraten und nicht
wegen des Hauses oder des Geldes. Also ist
sie zu einem Notar gefahren, den sie über
ihren Job kennengelernt hatte, und hat einen

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aufsetzen lassen. Sie gab mir damals einen
Entwurf, ich habe meinen Chef gebeten, ihn
durchzusehen, weil er der Einzige war, den
ich kannte, der etwas Ahnung von solchen
Rechtsangelegenheiten hat, und er meinte,
der Vertrag sei in Ordnung. Es war der ganz
normale Kram, von wegen, bei einer Tren-
nung bekommt jeder das, was er in die Ehe
mit eingebracht hat, und das, was man
während der Ehe gemeinsam kauft oder an-
schafft, wird zu gleichen Teilen auf die Ehep-
artner aufgeteilt, es sei denn, sie finden ein
anderes Übereinkommen. Nachdem ich ihr
gesagt hatte, dass der Vertrag für mich so in
Ordnung sei, hat sie drei Ausfertigungen
davon erstellen lassen, einen für mich, einen
für sie und einen für den Notar, und ich habe
sie alle unterschrieben. Dummerweise habe
ich damals nicht alle drei Verträge durchge-
lesen, sondern nur den einen, den sie mir
gegeben hat. Sonst wäre mir aufgefallen,
dass nur zwei der drei Verträge identisch

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waren. Nämlich derjenige, den ich hatte, und
derjenige, den der Notar hatte. Sie muss die
Verträge irgendwann einmal ausgetauscht
haben, denn ich weiß noch, dass ich mein
Exemplar vor der Unterschrift noch einmal
überflogen habe, als sie es mir vorgelegt hat.
Die beiden Verträge, die offiziellen, besagten,
dass im Falle einer Scheidung Sylvia fün-
fundsiebzig Prozent meines gesamten Ver-
mögens zustehen würden. Und, dass ich ihr
für jeden angefangenen Monat, den wir ge-
meinsam gelebt hatten, nachträglich fünf-
hundert Dollar an Haushaltsgeld zu bezahlen
hätte, als Abgeltung für den Haushalt, fürs
Wäschewaschen, Kochen und all sowas. Sie
hat diese Verträge vom Notar beglaubigen
lassen und den, den ich gelesen habe,
vernichtet.

Die erste Zeit nach unserer Hochzeit lief ei-
gentlich alles so wie zu Anfang unserer Bez-
iehung. Wir hatten beschlossen, das Haus zu

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renovieren, daher habe ich einen Kredit bei
der Bank aufgenommen. Sylvia hatte immer
größere Pläne für das Haus, wollte es nicht
nur ein klein wenig renovieren, sondern
komplett umgestalten und sogar anbauen,
sodass ich eine etwas größere Finanzspritze
benötigte und einen Kredit in der Höhe von
zweihunderttausend

Dollar

aufnehmen

musste.“

Luke zuckte jedes Mal zusammen, wenn Pat-
rick den Namen „Sylvia“ erwähnte, hörte
dann aber wieder gespannt zu.

„Wir haben also das Haus komplett
umgestaltet, es ausgebaut, aufgestockt und
die Inneneinrichtung völlig ausgetauscht.
Für mich war das okay, ich dachte, ich kön-
nte schon etwas investieren, immerhin woll-
ten wir in diesem Haus ja alt werden, unsere
Kinder darin aufziehen und darin unseren
Lebensabend verbringen. Und ich hatte

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einen guten Job, verdiente nicht schlecht, so-
dass die Raten für den Kredit leistbar waren.
Tja ... und dann kam plötzlich alles anders.
Sie hat ein paar Typen kennengelernt, mit
denen sie rumgehangen hat. Hat angefan-
gen, mich mit einem dieser Typen zu betrü-
gen, und natürlich hing dann bald der
Haussegen schief. Ich denke, zu Anfang hat
sie sogar noch versucht, die Kurve zu krie-
gen, aber sie ist ein Miststück, das das Wort
Anstand nicht kennt und nur an sich selber
denkt. Irgendwann hat sie begonnen, es
praktisch darauf anzulegen, dass ich sie er-
wische, hat E-Mails am Computer offen
gelassen, hat erotisches Massageöl zu den
Treffen mit ihrem ‚Kumpel‘ mitgenommen
und meinte, sie würde es statt Deo benutzen,
weil sie vom Deo zu schwitzen begann, all
solcher Schwachsinn. Etwa eineinhalb Jahre
nach

unserer

Hochzeit

habe

ich

die

Scheidung eingereicht. Als die Papiere unter-
schrieben waren, erhielt ich dann Post von

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ihrem Anwalt, der mich aufforderte, dem
Ehevertrag gemäß meinen Verpflichtungen
nachzukommen und sie auszubezahlen. Sie
wollte nicht das Haus, sie wollte das Geld.
Der Wert des Hauses war auf vierhundert-
fünfzigtausend Dollar geschätzt worden, also
standen

ihr

dreihundertsiebenund-

dreißigtausend Dollar zu. Wir haben zudem
fünfundzwanzig Monate zusammengewohnt,
daher schuldete ich ihr laut dem Vertrag
dafür zwölftausendfünfhundert Dollar.

Anfangs habe ich noch versucht, den Ehever-
trag anzufechten, doch ich hatte ja beide
Versionen – die für uns als Eheleute, und die
des Notars – unterzeichnet, und ich konnte
es mir auch nicht länger leisten, einen An-
walt zu bezahlen. Es blieb mir also nichts an-
deres übrig, als das Haus zu verkaufen. Ich
habe es aus einer Notlage heraus getan, da
Sylvia das Geld innerhalb eines Monats
haben wollte, sodass ich keine Zeit hatte,

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einen Käufer zu finden, der mir das zahlte,
was ich verlangte. Für jede weitere Woche,
die ich sie nicht ausbezahlt hätte, waren laut
Ehevertrag zehn Prozent der Gesamtsumme
fällig, also habe ich das Haus so schnell wie
möglich losgeschlagen. Ich habe dreihun-
dertsiebenundvierzigtausend Dollar für das
Haus bekommen, es war gerade Wirtschaft-
skrise und niemand hatte genug Kohle, um
sich Luxusimmobilien zu leisten. Ich musste
das erste Angebot einfach annehmen und
habe es getan. Das gesamte Geld ging
postwendend auf Sylvias Konto. Aus meiner
eigenen Tasche musste ich noch dreitausend
Dollar bezahlen, da ich ihr dreihundertfün-
fzigtausend schuldete. Ich hatte dann immer
noch den Bankkredit zu bezahlen, aber kein
Dach mehr über dem Kopf. Habe angefan-
gen, zu trinken, hab bei diesem und jenem
Kumpel geschlafen und bin schneller, als ich
Piep sagen konnte, abgerutscht. Job ver-
loren, zu trinken begonnen. Der Bankkredit

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wurde fällig gestellt, aber was will man je-
mandem nehmen, der nichts mehr hat?
Mein Vater war damals Bürge für den Kredit,
also wurde mein Elternhaus zwangsver-
steigert. Sylvia hat somit nicht nur mein
Leben, sondern auch das meiner Eltern ru-
iniert. Sie haben ihr Haus und ihre Existenz
verloren, leben jetzt in Delaware in einer
kleinen Mietwohnung. Wisst ihr, für mich ist
der Trailer ein Aufstieg. Ich habe wieder ein
Dach über dem Kopf, kann mir das Fernse-
hen leisten, und ich weiß, dass ich irgend-
wann aus diesem Park rauskomme. Ich
arbeite derzeit in einer Aluminiumfabrik in
Delaware als Aushilfe, wenn mal jemand
krank ist oder Urlaub nimmt. Der Vorarbeit-
er sagte, ich sei der Nächste, der fest anges-
tellt wird, sobald es eine freie Stelle gibt. Das
kann nicht mehr lange dauern. Dann werde
ich zusehen, dass ich aus dem Trailer
rauskomme, eine Wohnung finde und viel-
leicht noch einmal von vorne anfange!“

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Luke und Eric sagten nichts. Patricks
Geschichte war furchtbar und die Männer
hatten Mitleid mit dem armen Kerl auf der
Rückbank. Diese Sylvia, von der Patrick
erzählt hatte, war ein Miststück, doch ob es
Sylvia Patlock war, diese Gewissheit hatten
sie noch nicht. Luke setzte alles auf eine
Karte.
„Patrick“, sagte er.
„Meine Frau Sidney ist Anwältin in New
York. Sie wurde vor einiger Zeit zur Partner-
in befördert und hat seit etwa drei Monaten
eine Sekretärin, die mir und Eric etwas ...
merkwürdig

vorkommt.

Unsere

beiden

Frauen sind an diesem Wochenende zu
einem Wellness-Trip nach Vermont ge-
fahren, und diese Sekretärin tauchte plötz-
lich auch dort auf. Es scheint so, als wäre sie
immer dort, wo unsere Frauen sind.“
Patrick sah etwas verwirrt aus.

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„Oh – sieht aus, als hätten sie ein Stalkerin“,
sagte er.
Vermutlich verstand er die Überleitung von
seiner Geschichte zu der von Luke nicht.
„Patrick, die Sekretärin meiner Frau heißt
Sylvia Patlock“, sagte Luke.

Patrick riss die Augen auf. Erst wirkte er, als
wäre er schockiert, dann sank er wieder
zurück in den Sitz.
„Dann habt ihr euch also gar nicht verirrt“,
sagte er dann.
Die Männer auf den Vordersitzen seufzten.
„Nein, Patrick, um ehrlich zu sein, haben wir
gezielt nach dir gesucht“, sagte Eric, „es war
die einzige Möglichkeit, wie wir etwas über
Sylvia herausfinden konnten, nachdem sie
plötzlich in dem Spa aufgetaucht war, in dem
unsere Frauen ebenfalls abgestiegen sind!“
„Vermutlich ist sie nur auf der Suche nach
neuen Freundinnen“, sagte Patrick, ohne auf
Erics Erklärung einzugehen.

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„Nein Patrick, das ist sie nicht. Ihr ganzes
Auftreten, das, was sie sagt, wie sie sich gibt,
man benimmt sich nicht so, wenn man auf
der Suche nach neuen Bekanntschaften ist“,
sagte Luke.
„Warum feuert deine Frau Sylvia nicht ein-
fach?“, fragte Patrick.
„Ich habe ihr nichts anderes geraten, seit ich
sie das erste Mal gesehen habe“, antwortete
Luke und erinnerte sich an die vielen Male,
die er Sidney bekniet hatte, Sylvia zu kündi-
gen. Mittlerweile dachte er, dass es vermut-
lich unklug war, sie zu feuern. Wer weiß,
wozu diese Frau fähig war. Der Mord in Wis-
consin war ihr zwar nie nachgewiesen
worden, aber er schien so etwas wie ein of-
fenes Geheimnis zu sein.
„Patrick, sagt dir der Name Julie Westcook
etwas?“
Jetzt schaltete sich Eric ein. Er sah im Rück-
spiegel in Patricks Augen und konnte kurz
das Aufflammen von Angst erkennen.

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„Woher wisst ihr davon?“, fragte Patrick fast
aufgebracht.
„Ich bin beim CSU, da hat man die eine oder
andere Möglichkeit“, sagte Eric.
„Ihr seid also doch Cops!“
Patrick schrie und wirkte hysterisch.
„Ich wusste, dass ihr Cops seid. Ich hatte mit
dem Mord nichts am Hut. Ich habe sie noch
nicht einmal gekannt, als sie sie umgebracht
hat. Ich will sofort aussteigen!“
„Ich bin kein Cop“, sagte Luke und ver-
suchte, so ruhig wie möglich zu klingen.
„Ich bin plastischer Chirurg. Nur Eric ist
Cop, und auch er ist nicht hinter dir her. Es
geht lediglich um Sylvia Patlock. Wir haben
ihre Daten durch den Computer des CSU
laufen lassen und sind dabei auf einige
Ungereimtheiten gestoßen. Wir wollten diese
Angelegenheit nun endgültig klären. Wir
wollen wissen, was es mit Sylvia auf sich hat
und ob sie eine Gefahr für meine Frau
darstellt,

wenn

sie

mit

ihr

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zusammenarbeitet. Ob sie nun wirklich ge-
fährlich ist oder ob wir paranoid sind. Nach-
dem du aber soeben zugegeben hast, dass sie
Julie Westcook getötet hat, denke ich, haben
wir jetzt wohl ein Problem!“
„Nein. Ich habe gar nichts zugegeben. Ich
sage nichts mehr ohne meinen Anwalt!“
Patrick war außer sich.
„Hör zu, Kumpel.“ Eric drehte sich auf dem
Vordersitz etwas um, um Patrick anzusehen.
„Dir wird nichts geschehen, wenn du uns jet-
zt die Wahrheit erzählst. Vorrangig werden
wir zusehen, dass wir unsere Frauen aus
dem Spa, in dem sie sich jetzt gerade mit
Sylvia befinden, wegholen. Dann wird das
FBI sich um deine Exfrau kümmern. Du
wirst vor Gericht eine Aussage machen
müssen. Wenn du es geschickt anstellst,
kannst du vielleicht sogar den ehemaligen
Ehevertrag anfechten und deine Kohle
zurückbekommen. Zumindest, was davon
noch

übrig

ist.

Jemand,

der

eine

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Mitschülerin umbringt, ist auch leicht ver-
dächtig, einen Ehevertrag zu fälschen. Und
wenn sie wegen Mordes verurteilt wird,
kommt es auf Dokumentenfälschung auch
nicht an!“
Patrick wirkte unschlüssig und saß wie ein
Häufchen Elend auf der Rückbank. Luke em-
pfand Mitleid für ihn.
„Ich ... ich kann es euch nicht erzählen“,
sagte er.
„Warum nicht?“, rief Luke etwas zu laut.
„Weil ... weil ...“ Patrick stotterte.
„Sylvia hat eine Menge Freunde, die nicht
sehr glücklich darüber sein werden, wenn sie
in den Knast kommt“, sagte er dann leise.
„Es gibt die Möglichkeit einer anonymen
Aussage“, sagte Eric.
„Der Richter und die Staatsanwälte können
deine Aussage abseits der Öffentlichkeit
aufnehmen!“
„Was würde das denn schon ändern?“, sagte
Patrick verdrossen, „sie werden wissen, dass

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ich es war. Oder denkt ihr, sie hat das ganz
oben auf ihrem Lebenslauf stehen!“
Eric fuhr härtere Bandagen auf.
„Patrick, dir ist doch hoffentlich klar, dass
das hier kein Gefallen ist, um den wir dich
bitten. Solltest du die Aussage verweigern,
dann kann der Staatsanwalt dich dazu verpf-
lichten, eine Aussage zu machen. Und selbst
wenn du dann abstreitest, etwas über den
Mord zu wissen, dann können Luke und ich
immer noch gegen dich aussagen!“
„Dann erpresst ihr mich also“, rief Patrick
aufgebracht.
„Niemand erpresst dich“, sagte Eric und ver-
suchte, ihn zu beschwichtigen, „aber es geht
darum, dass du uns vielleicht bei etwas weit-
erhelfen könntest, was unsere Ehefrauen be-
trifft. Du musst uns sagen, was es mit Sylvia
auf sich hat. Du musst uns sagen, was du
weißt, Patrick. Das hier ist keine Sache der
Freiwilligkeit. Es geht hier auch nicht um
einen Gefallen. Allerdings fällt es unter den

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Tatbestand der Vorenthaltung von Informa-
tionen, wenn du uns nicht sagst, was du
weißt!“
„Patrick, ich verspreche dir, alles zu tun, was
in meiner Macht steht, damit dir nichts
passiert, wenn du auspackst“, sagte Luke.
„Es ist mir auch völlig egal, was Sylvia getan
hat. Mir geht es einzig und allein um meine
Frau. Ich befürchte, dass sie in Gefahr ist,
wenn Sylvia weiterhin für sie arbeitet. Ich
bitte dich von ganzem Herzen, uns zu erzäh-
len, was du weißt!“
„Ich weiß sowieso nicht, was es euch bringt,
wenn ich euch erzähle, was ich weiß“, sagte
Patrick trotzig.
„Wenn sie euren Mädchen was antun wollen
würde, hätte sie es vermutlich längst getan.
Immerhin arbeitet sie doch schon eine Weile
für deine Frau, nicht?“
„Das ist richtig. Aber vielleicht hat sie ... ihre
Strategie geändert“, sagte Luke.
Er versuchte, Patrick bei Laune zu halten.

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„Weißt du denn, wie sie damals vorgegangen
ist?“

Patrick blieb eine Weile still und der Wagen
fuhr den Freeway entlang. Sie würden nicht
mehr lang brauchen, bis sie am Trailerpark
angelangt waren. Dann wäre es vermutlich
nicht mehr ganz so einfach, ihn zum Reden
zu bringen. Im schlimmsten Falle könnte er
sie sogar seines Grundstücks – seiner Trail-
erparzelle – verweisen. Patrick war immer
noch still. Luke und Eric dachten, sie würden
die

Informationen

nicht

aus

ihm

herausbekommen.

„Sie hat es ganz schnell gemacht“, sagte er
nach einer Weile, die sich für Luke wie eine
Ewigkeit anfühlte.
Als Patrick zu sprechen begann, machte
Lukes Herz einen Sprung. Es war wohl das
erste Mal in seinem Leben, dass ihm jemand

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von einem realen Mord berichtete. Aus Pat-
rick brach ein Schwall des Redens heraus.
„Dieses Mädchen war an jenem Jahr neu auf
die Schule gekommen und hatte sich an den
Typen herangemacht, den Sylvia toll fand.
Sylvia wollte mit ihm zum Abschlussball,
aber er dürfte sie wegen dieser Julie ab-
blitzen lassen haben. Sie hat mir erzählt,
dass sie es gar nicht wirklich geplant hatte.
Also, sie umzubringen. Sie wollte sie eigent-
lich nur zur Rede stellen und sie einsch-
üchtern, als sie einige Tage vor dem Schul-
ball zu der Videothek ging, in der Julie bis elf
Uhr abends arbeitete. Sie war allein in dem
Laden und musste nach Ladenschluss alles
abschließen. Sylvia hatte sich vorher Zugang
durch den Hintereingang verschafft und sich
in dem Lager versteckt, in dem die alten
DVDs und die Ersatzhüllen für die Filme auf-
bewahrt wurden. Sie sagte, sie wusste auch
nicht, warum sie im Lager hinten auf Julie
wartete.

Vermutlich

wollte

sie

sie

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erschrecken. Um keine Fingerabdrücke zu
hinterlassen, hatte sie Lederhandschuhe an-
gezogen, die ihr am Ende vermutlich auch
dazu verholfen haben, ungeschoren dav-
onzukommen, da man nirgendwo Spuren
fand. Sie sagte mir später mehrfach, sie woll-
te sie nur etwas einschüchtern, versuchen,
sie davon abzubringen, mit dem Typen aus-
zugehen, doch als sie aus ihrem Versteck
kam und diese Macht fühlte, die sie Julie ge-
genüber hatte, ist es einfach über sie gekom-
men. Sie hat sie erst beschimpft und belei-
digt, wollte sie dazu bringen, das Date abzus-
agen, was ihr schließlich auch gelang. Julie
versprach ihr unter Betteln und Flehen, ihr
nichts zu tun, dem Kerl einen Korb zu geben
und sich vom Schulball fernzuhalten. Dann
machte Sylvia den Fehler, auf Julie zuzuge-
hen und ihr eine Ohrfeige zu geben. Sie
erzählte mir, sie geriet in Rage, aus einer
Ohrfeige wurde eine zweite, eine dritte. Sch-
ließlich nahm sie einen Besenstiel und ihre

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Beine zu Hilfe, trat und schlug auf Julie ein,
wie es nur ging. Als Julie zu Boden fiel,
stürzte Sylvia sich auf sie und schlug ihr mit
den Fäusten ins Gesicht. Und dann … geriet
die Sache endgültig aus dem Ruder. Der Typ,
dem

die

Videothek

gehörte,

war

leidenschaftlicher Bowler und hatte seine al-
ten Kugeln ebenfalls im Videolager unterge-
bracht. Sylvia sagte, sie war von Sinnen,
fühlte sich, als wäre das alles gar nicht real,
und ihr Blick sei auf eine große, hellblaue
Bowlingkugel gefallen. Außerdem wurde ihr
in diesem Moment bewusst, dass es kein
Zurück mehr gab. Wenn sie Julie davonkom-
men lassen würde, dann würde sie mit Sich-
erheit in den Knast gehen. Sie holte eine der
Bowlingkugeln aus dem Regal und meinte,
sie habe sie eine ganze Weile betrachtet, be-
vor sie ihre endgültige Entscheidung gefällt
hatte. Julie lag blutüberströmt vor ihr und
regte sich ein kleines bisschen, als Sylvia klar
wurde, dass das, was sie vorhatte, ihr ganzes

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Leben von Grund auf verändern würde. Sie
hob die Kugel auf und über ihren Kopf. Dann
trat sie Julie mit dem Fuß in die Seite, weil
sie wollte, dass sie sie ansah. Sylvia sagte, in
diesem Augenblick sah sie nichts als nackte
Angst in Julies Augen, sie weinte, flehte und
wimmerte. Aber vermutlich wusste sie
längst, dass es vorbei war. Sylvia schlug Julie
mit der Bowlingkugel den Schädel ein. Als
Julie tot war, packte Sylvia die Leiche in drei
von diesen riesengroßen Müllbeuteln, die
man in die großen Tonnen gibt. Sie räumte
das Lager auf, wischte sogar den Boden und
wusch im Duschraum den Mop mit dem Blut
sauber und tauschte ihn gegen einen neuen
aus, den sie im Lager gefunden hatte. Dann
holte sie ihren Wagen, fuhr zurück zur
Videothek und lud Julies Leiche ein. Sie
schloss den Laden ab und fuhr mit Julie an
irgendeinen Fluss, an dessen Namen sie sich
nicht mehr erinnern konnte, als sie mir die
Geschichte erzählte. Kurz bevor sie sie an

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einer Klippe ins Wasser warf, schnitt sie ihr
mit einer Gartenschere, die sie aus dem Ger-
äteschuppen ihrer Eltern hatte mitgehen
lassen, die Fingerspitzen ab, um Julies Iden-
tifikation zu erschweren. Das Zahnprofil war
ja ohnehin schon unbrauchbar. Sie warf also
die Leiche in den Fluss und fuhr dann zwei
Stunden mit dem Auto durch die Gegend,
um den Müllbeutel und die Fingerspitzen zu
entsorgen. Als sie auf dem Rückweg nach
Hause war, wurde ihr klar, dass sie aus Wis-
consin raus musste. Sie sagte, sie hätte sich
niemals vorstellen können, wie einfach es
war, jemanden zu töten und die Leiche zu
‚entsorgen‘. Während sie das getan hatte, hat
sie sich kaum Gedanken um die Zukunft
gemacht, es war, als würde sie von jemand
Fremdes gesteuert, der die ganze Szene von
außen betrachtete. Sie sagte, sie hatte noch
nicht einmal ein schlechtes Gewissen wegen
dem, was sie mit Julie gemacht hatte. Das
Einzige, was ihr immer und immer wieder

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durch den Kopf ging, war, dass nichts mehr
so sein würde, wie es war und dass sie ihre
Haut retten musste. Wäre sie in Wisconsin
geblieben, hätte man sie früher oder später
bestimmt zu der Sache befragt. Wenige Stun-
den später war sie weg, trampte durch die
USA, lebte mal hier und mal dort. Den Rest
kennt ihr anscheinend!“

Patrick vergrub sein Gesicht in seinen
Händen. Luke war sich nicht sicher, ob Pat-
rick weinte, doch ihm selbst war zum Heu-
len. Dass Sidneys Sekretärin nicht ganz dicht
war, war ihm von der ersten Sekunde an klar
gewesen. Dass sie eine kaltblütige Mörderin
war, die in diesem Moment mit seiner Frau
in einem Hotel war, diese Tatsache machte
ihn fast wahnsinnig.

Eric war mittlerweile ganz in seinem Ele-
ment als Cop.

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„Warum hat sie dir diese Geschichte eigent-
lich erzählt?“, fragte er den Mann im hinter-
en Bereich des Fahrzeuges.
„Ich habe es damals als Liebesbeweis gese-
hen“, sagte Patrick.
Mittlerweile klang seine Stimme gefestigter.
Er schien nicht mehr so ängstlich, wie er es
noch kurz zuvor gewesen war. Er klang bei-
nahe, als würde er eine Anekdote von früher
zum Besten geben.
„Wir haben einmal darüber gesprochen, was
das Schlimmste war, das wir jemals getan
hatten. Ich habe ihr erzählt, dass ich einmal
betrunken auf den Wagen eines Kerls an ein-
er Bar aufgefahren bin und Fahrerflucht
begangen habe, und da meinte sie, es gebe
etwas in ihrem Leben, aber sie könne es mir
nicht sagen, weil es eben wirklich etwas
Furchtbares war. Sie beteuerte in einem
durch, dass sie nicht mehr derselbe Mensch
sei wie damals, dass das alles einmal aus ihr
herausmusste und dass sie es mir erzählen

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wollte, doch dass sie Angst habe, ich würde
sie dann abweisen. Ich dachte, sie hätte viel-
leicht mal ein Auto geklaut oder irgendwo
eingebrochen, vielleicht eine Frau verprügelt
oder so. Ich sagte ihr, es gebe nichts, das so
schlimm wäre, dass ich sie auch nur ein
Fünkchen weniger lieben könnte, als ich es
zu dem Zeitpunkt tat, und dass ich, egal was
sie gemacht hatte, hinter ihr stehen würde.
Und wisst ihr was, es war die Wahrheit. Ich
habe sie geliebt, wie ich noch nie jemanden
geliebt habe, es gab nichts, was diese Liebe
zu ihr in irgendeiner Form hätte ab-
schwächen können. Dann erzählte sie mir
die Geschichte. Und irgendwann, wir waren
längst getrennt und der Scheidungstermin
stand schon fest, ließ sie mich wissen, dass
sie wüsste, wen sie zur Rede stellen müsste,
sollte jemals die Julie-Westcook-Geschichte
wieder aufwärmen. Und dass ein paar ihrer
‚Jungs‘ – sie nannte die Kerle, mit denen sie
sich herumtrieb, immer ihre ‚Jungs‘ –

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Bescheid wüssten und ich auf derselben
Müllkippe

enden

würde

wie

Julies

Fingerkuppen, würde ich jemals jemandem
davon erzählen!“
„Patrick, kannst du dir vorstellen, dass es ir-
gendetwas gibt, was Sidney und Gloria
haben, was Sylvia möchte?“, fragte Eric
eindringlich.
Die ganze Geschichte klang so grauenvoll,
dass er sich nichts sehnlicher wünschte, als
Gloria in seine Arme schließen zu können
und die Gewissheit zu haben, dass sie und
Sidney in Sicherheit waren.
„Ich weiß es nicht“, sagte Patrick. „Ich habe
sie seit über einem Jahr nicht mehr zu sehen
bekommen, aber was sollen die zwei denn
schon haben, was sie will? Sylvia bekommt
auch so, was sie möchte, ohne dass sie an-
deren etwas ...“ Er schwieg einige Sekunden,
bevor er weitersprach. Seine Augen wurden
groß und langsam formten seine Lippen den
Satz.

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„Ich glaube, ich weiß, was Sylvia möchte.“
„Was?!“, wollte Eric wissen.
„Ihn!“
Er zeigte auf Luke.

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17

„Da passen wir nie durch“, sagte Gloria, als
sie und Sidney den Belüftungsschacht etwas
näher unter die Lupe genommen hatten, den
Sidney entdeckt hatte, als ihr Blick nach
oben gegangen war.
Der Schacht war schmutzig, rostig und ver-
dammt eng, aber gleichzeitig auch die ein-
zige Chance, die sie möglicherweise hatten,
um diesem Keller entfliehen zu können. Da
der Kellerraum selbst kaum zwei Meter hoch
war, war es für die beiden Frauen ein Leicht-
es gewesen, an den Schacht heranzukom-
men. Das Gitter war wie ein Blatt Papier von
einem Schreibblock abgegangen und der
Schacht hatte vielleicht einen Durchmesser
von einem guten Meter, vermutlich weniger.
„Natürlich passen wir da durch“, wider-
sprach Sidney, „wir haben auch gar keine

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andere Wahl, als es zu versuchen. Oder willst
du

warten,

bis

die

zwei

Verrückten

zurückkommen!“
„Was meinst du, wo er hinführt?“, fragte
Gloria.
„Das werden wir gleich wissen!“

Sidney nahm etwas Anlauf und sprang auf
die Öffnung zu. Ihr Oberkörper verschwand
mit dem Hechtsprung im Schacht, dessen
Öffnung wie das gierige Maul eines Raubti-
eres aussah, ihre Beine hingen an der Wand
herunter und sämtliche Luft wurde aus ihren
Lungen gepresst, als sie gegen die Wand
knallte. Sie hoffte, dass sie nicht zu großen
Lärm machte, während sich ihre Lungen mit
Staub und Schmutz füllten.
„Alles klar da drin?“
Gloria war hinter Sidney getreten und ver-
suchte, etwas erkennen zu können.

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„Nicht gerade das Hawaii Hilton. Aber es ist
größer, als ich dachte. Ich klettere ein Stück
weiter vor, dann kommst du nach!“
Panik machte sich in Sidney breit. Sylvia und
Nookie waren schon vor einer ganzen Weile
verschwunden, und es konnte nicht mehr
lange dauern, bis die beiden zurückkamen.
Wenn sie und Gloria bis dahin den Schacht
nicht hinter sich gelassen hätten, dann
würde es übel für sie beide aussehen. Sie zog
ihre Füße in die Öffnung und Gloria konnte
hören, wie sie das Rohr entlang kroch.
„Bist du aus dem Weg?“, fragte Gloria nach
einer Weile.
„Ich denke schon!“
Sidneys Stimme hallte wie in einem großen,
dumpfen Saal. Gloria nahm ebenso Anlauf,
wie Sidney es zuvor getan hatte, und tauchte
ebenfalls in das Rohr ein. Sie hustete, als sie
ihre Beine in den Schacht zog und die
stickige Luft dort drin einatmete.

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Im Schneckentempo bewegten sich die
beiden Frauen vorwärts. Im Schacht war es
furchtbar heiß und der Schweiß lief ihnen in
Strömen die Körper entlang. Die Tatsache,
dass sie nicht wussten, wo sie herauskom-
men würden, machte die Situation noch
bedrückender. Im besten Falle würde der
Schacht nach draußen führen, vielleicht
hinter das Haus, sodass sie nur davonlaufen
und sich durch den Wald zur nächsten
Straße durchschlagen mussten, ohne von
den beiden Wahnsinnigen aufgegabelt zu
werden. Der Schacht machte eine Rechtsbie-
gung, nachdem sie eine Weile gekrochen
waren, und führte dann in einer Steigung
nach oben.
„Hier geht’s hoch“, informierte Sidney ihre
Freundin.
„Nicht dein Ernst“, war von Gloria zu
vernehmen.
„Leider doch. Ich schätze, der Schacht führt
nach oben in die Wohnräume!“

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„Dann ist das unsere einzige Möglichkeit“,
sagte Gloria.

Sidney spreizte ihre Füße gegen das Blech
des Schachtes und schob sich nach vor. Der
Schacht war zwar schmal, aber um sich darin
hoch zu hangeln, war er zu breit. Sie erin-
nerte sich an die Schulzeit und daran, dass
sie immer schon eine Niete darin gewesen
war, Seile, Rohre oder was auch immer
hochzuklettern. Dass ihr Leben einmal dav-
on abhängen konnte, irgendwo hochzuklet-
tern, hätte sie sich niemals träumen lassen.
Es kostete die beiden Frauen unendliche An-
strengung, sich die Steigung Zentimeter für
Zentimeter hochzuschieben, und als sie es
endlich geschafft hatten, konnten sie nicht
sagen, ob sie eine halbe Stunde, einen Tag
oder eine Million Jahre dafür gebraucht hat-
ten. Dafür wurden ihre Anstrengungen be-
lohnt. Nach einer weiteren Biegung – dies-
mal nach links – drang helles Tageslicht in

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den Schacht. Sidneys Herz begann zu klop-
fen, als sie sich am Ausgang wähnten. Adren-
alin durchfloss ihren Körper und für wenige
Augenblicke war sie sich sicher, sie würden
aus den Fängen von Sylvia und Nookie en-
tkommen können.

Die beiden hielten sich im Hintergrund, um
nicht zufällig entdeckt zu werden. Sie hatten
keine Ahnung, was sie tun sollten. Sidneys
erster Reflex war, das Gitter nach außen zu
drücken und aus dem Schacht zu klettern.
Ihr war heiß, sie schwitzte und sie wollte
endlich raus aus diesem Horrorhaus. Das
große Glück, gleich im Garten zu landen, war
ihnen verwehrt geblieben, doch wenn For-
tuna ihnen zumindest ein kleines bisschen
freundlich gestimmt war, konnten sie viel-
leicht auch so aus dem Haus türmen. Sidney
bereute, ihre Stöckelschuhe nicht mitgeb-
racht zu haben, als Waffe, um sich gegen
Sylvia und Nookie zu verteidigen, hätten die

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sich perfekt geeignet. Sie sah sich um. Ei-
gentlich war die restliche Flucht ein Leichtes.
Sie mussten nur versuchen, möglichst ger-
äuschlos aus dem Schacht zu kommen, sich
aus dem Haus zu schleichen und dann
laufen, so schnell ihre Beine sie trugen. Doch
was, wenn Sylvia und Nookie ausgerechnet
in dem Raum waren, in den der Schacht
führte, wenn sie und Gloria aus dessen
Öffnung stiegen? Sidney reckte den Hals und
versuchte, erkennen zu können, in welchem
Raum sich das Schachtende befand. Es sah
aus wie ein kleines Wohnzimmer. Rechts von
der Schachtöffnung gab es ein viereckiges
Fenster, das zwar klein, aber im Vergleich
zum Fenster im Keller riesengroß war.
Neben dem Schacht rechts vernahm Sidney
Geräusche – offenbar ein Fernseher. Direkt
gegenüber gab es eine verblichene, beige-
farbene Couch, auf der eine rote fusselige
Decke lag. Vor der Couch stand ein Tisch mit
zwei Weingläsern und einer billigen Flasche

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Chardonnay vom Discounter. Weder Sylvia
noch Nookie waren zu sehen.

„Gloria?“
Sidney neigte den Kopf nach hinten und ver-
suchte, so leise wie möglich zu sein, obwohl
sich selbst das Atmen anhörte, als würde ein
Kampfjet starten.
„Ja?“
Gloria flüsterte ebenfalls.
„Da vorne ist ein Gitter, das in einen Raum
führt. Wir sollten zusehen, dass wir hier
rauskommen und das Haus verlassen
können. Kannst du irgendwas aus dem
Keller hören?“
Gloria lauschte nach hinten.
„Gar nichts“, flüsterte sie nach einer Weile.
Sidney wusste nicht, was sie tun sollte. Sie
konnten hier nicht sitzen bleiben. Es war nur
eine Frage der Zeit, bis Sylvia und Nookie sie
hier finden würden. Entweder würden sie
das Gitter im Keller entdecken, das die

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beiden abgemacht hatten, oder sie würden
sie hier drin hören. Offenbar war der Raum,
der vor dem Lüftungsschacht lag, das
Wohnzimmer. Eine weitere Möglichkeit
wäre, zu warten, bis es Nacht wurde. Irgend-
wann mussten die beiden schlafen. Wenn sie
das nicht gerade im Wohnzimmer taten, war
das vermutlich die beste Gelegenheit, aus
dem Schacht zu klettern. Doch wenn Sylvia
und Nookie in der nächsten Zeit in den
Keller gingen, würden sie ohnehin wissen,
wo ihre Gefangenen sich versteckt hielten,
und dieses Risiko wollte Sidney nicht einge-
hen, obwohl es vermutlich die beste Idee
gewesen wäre, einfach so lange im Schacht
auszuharren, bis die beiden Kidnapperinnen
endgültig der Schlaf übermannte.

Sidney war so in Gedanken versunken, dass
sie gar nicht merkte, wie Gloria an ihrem
Fuß zupfte.

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„Sie kommen in den Keller, sie kommen in
den Keller“, flüsterte sie voller Panik, „los,
wir müssen nach vorne!“
Sidney lauschte angestrengt und hörte von
weit

hinten,

wie

die

Kellertüre

aufgeschlossen wurde. Sie konnte auch Sylvi-
as Stimme vernehmen, die erst irgendetwas
sagte und dann in Schreien anschwoll.
„Los komm, ich breche das Gitter durch und
wir hauen ab“, flüsterte Sidney, robbte nach
vor und warf sich mit voller Wucht gegen das
Gitter. Sie prallte davon ab. Dieses Gitter
schien um ein Vielfaches stabiler als das im
Keller.
„Mach schon, sie haben uns erwischt“, rief
Gloria.
Sidney warf sich noch einmal mit aller Kraft
gegen das Gitter, das jetzt etwas nachgab. An
der oberen Kante hatte es sich bereits ein
Stück von der Wand gelöst. Sie warf sich
noch einmal dagegen. Und noch einmal und
noch einmal. Endlich brach das Gitter

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gemeinsam mit einigen Stücken Putz von der
Wand und fiel krachend zu Boden. Sidney
rutschte hinaus wie ein Kind, das eine
Wasserrutsche herunterkam, fiel auf den
Boden und stieß sich die Schulter. Sie rap-
pelte sich auf und half Gloria aus dem
Schacht. Im ersten Moment war sie unend-
lich erleichtert. Ein Stein in der Größe des
Mount Everest fiel ihr vom Herzen, doch
dann wurde ihr klar, dass sie noch nicht in
Sicherheit waren. Sie mussten den Weg aus
dem Haus hinaus finden und dann zusehen,
dass sie irgendwie Hilfe holen konnten. Und
Sylvia und Nookie wussten bereits, dass sie
geflohen waren.

„Wohin sollen wir jetzt?“, fragte Gloria und
sah sich um.
„Wir müssen so schnell wie möglich hier
raus“, sagte Sidney und lief in Richtung
Wohnzimmertür. Die Tür führte in einen
schmalen Flur, der mit grünem Linoleum

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ausgelegt war. Gegenüber und links gab es
weitere Zimmer, rechts führte eine Holz-
stiege ins Erdgeschoss des Hauses.
„Los, da runter. Vielleicht haben wir Glück“,
flüsterte Sidney und sie und Gloria liefen die
Stufen hinab.

Auf der gegenüberliegenden Seite am Fuße
der Treppen war eine Eingangstür. Sidney
griff nach der Klinke und dachte für eine
tausendstel Sekunde, dass sie den Großteil
ihrer Flucht geschafft hatten.
„Sidney, Vorsicht“, schrie Gloria plötzlich.
Sidney drehte sich um und sah, wie Sylvia
auf sie zugestürmt kam.

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18

Luke vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
Sie waren mittlerweile am Trailerpark an-
gekommen und gemeinsam mit Patrick aus-
gestiegen. Er hatte nicht damit gerechnet,
überhaupt noch einmal in die Nähe des
Trailers zu kommen, doch nachdem sie den
Wagen auf dem sandigen Parkplatz abges-
tellt hatten, hatte Patrick sie noch gefragt, ob
sie ein weiteres Bier trinken wollten, und
nach allem, was sie während der Fahrt vom
Stadion zurück zum Trailer erfahren hatten,
war ein Bier das Mindeste, was sie braucht-
en. Außerdem mussten sie ihre Frauen an-
rufen und sie bitten, das Hotel umgehend zu
verlassen. Eric wollte das CSU einschalten,
damit man Sylvia festnahm.

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Patrick hatte sie auf seine kleine, selbstgezi-
mmerte Veranda geführt, auf der vier weiße
Plastikstühle und ein brauner Plastiktisch
standen – Mobiliar, das bereits bessere Tage
erlebt hatte. Er hatte die Blechwanne unter
dem Trailer hervorgezogen, in der er für
gewöhnlich seine Wäsche reinigte, und etwas
Wasser in eine Plastiktüte gefüllt, bevor er
die sechs Bier, die er am Vormittag, als er auf
Luke und Eric traf, dort zum Kühlen gelagert
hatte, dazu warf. Er kam mit der Tüte die
Veranda hoch, hängte sie an einen Nagel,
den er anscheinend extra für diese Tüte dort
angebracht hatte, holte wieder drei Bier-
dosen heraus und gab je eine Eric und Luke.
Seine eigene stellte er auf dem Tisch ab und
verschwand dann im Trailer. Nach einer
Weile kam er mit einem Karton wieder
heraus, der mit Geschenkpapier, welches
Blumenmuster zeigte, eingeschlagen war.

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„Okay Patrick, jetzt nochmal ganz von vorn.
Was weißt du?“, fragte Eric, während er die
Dose öffnete und einen Schluck Bier nahm.
Luke öffnete seine Dose ebenfalls und leerte
sie zur Hälfte mit dem ersten Schluck.
Patrick stellte den Karton auf den Tisch, set-
zte sich und nahm den Deckel ab. Im spär-
lichen Licht einer Campinglampe, die er über
der Hintertür des Trailers angebracht hatte
und die nun auf den Tisch schien, sahen die
Männer in den Karton. Darin befand sich ein
Sammelsurium, wie nur eine Frau es zusam-
mentragen

konnte.

Kleine

Schlüsselan-

hänger, Glückwunschkarten, ein, zwei Lip-
gloss, kleine Plüschtiere, ein Mini-Gedicht-
band und mehrere Frauenzeitschriften.

Patrick ließ alles bis auf die Magazine außer
Acht. Er hob den Stapel heraus, breitete ihn
auf dem Tisch aus und blätterte eines der
Magazine durch. Dann schlug er eine Seite
auf und legte sie vor Luke und Eric auf den

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Tisch, bevor er mit dem nächsten Magazin
ebenso verfuhr. Schließlich lagen nach einer
Weile neun verschiedene Frauenzeitschriften
auf dem Campingtisch, die sich allesamt um
ein Thema drehten. Dr. Luke Williams, der
Womanizer, Dr. Luke Williams, der seiner
Verlobten einen Heiratsantrag bei der Weih-
nachtsparty

einer

Rechtsanwaltskanzlei

macht, die große Vorbereitung der Hochzeit
von Dr. Luke Williams und seiner Sidney
und schließlich vier Magazine, deren Artikel
zum Teil mehrere Seiten lang über die
Hochzeit von Sidney und Luke Williams
berichteten.
„Sie sagte immer, sie würde dich eines Tages
heiraten. Als wir uns kennenlernten, meinte
sie, du seist der einzige Typ, für den sie mich
sofort verlassen würde. Anfangs fand ich das
witzig, ich meine, irgendwie hat doch jeder
ein Idol, von dem er mal sagt, dass er sofort
mit ihm oder ihr in die Kiste steigen würde.
Du warst das für Sylvia und das war okay für

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mich. Eines Tages kam ich von der Arbeit
nach Hause und sie war sauer. Sie sagte
kaum ein Wort, schnauzte mich an und
meinte dann, sie hasse ihr Leben und unsere
Beziehung. Später hörte ich sie bei einem
Telefonat mit ihrer besten Freundin darüber
reden, dass sie dich offenbar wieder einmal
gegoogelt und dabei Fotos von dir und dein-
er Freundin gefunden hatte. Das ging ihr
damals wirklich nahe. Sie benahm sich wie
jemand, der von seinem Partner betrogen
worden war, aber irgendwann hat sie sich
wieder beruhigt. Schlimm wurde es dann, als
sie von deiner Verlobung hörte. Sie sam-
melte jeden noch so kleinen Schnipsel, den
sie über diese Hochzeit finden konnte, und
klebte ihn in ein Notizbuch. Sie begann, eine
imaginäre Hochzeit zu planen, hörte Songs
für die Feier und stellte Menüfolgen zusam-
men. Sie drehte völlig durch, kaufte sich ein
Hochzeitskleid und schrie mich an, dass sie
eigentlich diejenige sein sollte, die du

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heiratest. In ihrem Wutanfall hat sie das
Kleid dann in tausend Stücke zerfetzt und es
in eine Kiste verpackt. Sie wollte dir das
Kleid schicken, aber ich habe sie davon ab-
bringen können. An dem Tag, an dem du ge-
heiratet hast, war sie nicht ansprechbar. Sie
war von dir besessen. Sie hat sich betrunken
und ist den ganzen Tag über nicht aus dem
Schlafzimmer gekommen. So ging das einige
Tage. Meine Mutter riet mir damals, mir
durch den Kopf gehen zu lassen, mich von
ihr zu trennen, weil diese ‚Gefühle‘, die sie
für dich hatte, weit über das Schwärmen für
jemanden hinausgingen. Aber, so schnell,
wie dieses Tief gekommen war, war es auch
wieder verschwunden. Etwa drei Tage nach
eurer Hochzeit war alles so, als wäre nie et-
was geschehen. Sie war zwar betroffen, weil
dieser Verrückte dich am Tag deiner
Hochzeit niedergeschossen hatte, doch sie
war sonst wieder ganz die Alte. Sie verfolgte
zwar immer noch, wenn etwas über dich in

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Magazinen stand, aber sie war nie wieder so
verrückt, wie sie es zu Zeiten vor und
während deiner Hochzeit war!“

Ungläubig starrte Luke auf die Magazine.
Dass er vor seiner Ehe kein Kind von
Traurigkeit gewesen war, war ihm bewusst.
Doch dass seine Zeit als Lebemann, der sich
gerne in der Öffentlichkeit präsentierte und
sein

Privatleben

der

Boulevardpresse

verkaufte, seine Frau einmal gefährden kön-
nte, war einfach zu viel für ihn.
„Ich rufe sie jetzt an“, sagte er und zog sein
Handy aus der Hosentasche.
Er wusste zwar, dass Sidney und Gloria
höchstwahrscheinlich bei einer Massage
oder einer Kosmetikbehandlung waren oder
sich den einen oder anderen Cocktail gön-
nten und dass Sidney ihr Handy vermutlich
gar nicht bei sich hatte, doch er wollte im
Falle eines Falles bei der Rezeption anrufen
und sofort mit seiner Frau sprechen.

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Wie vermutet war Sidney nicht zu erreichen,
was aber nicht daran lag, dass sie das Tele-
fon ausgeschaltet oder nicht bei sich hatte,
sondern daran, dass Luke sich in einer Ge-
gend befand, in der es schwer war, eine
Handyverbindung aufzubauen.
„Abends ist es hier so gut wie unmöglich, das
Handy zu benutzen“, sagte Patrick, „ich weiß
nicht, woran es liegt, aber abends funk-
tioniert es einfach nicht. Tagsüber kann es
sein, dass man eine Verbindung zustande
bekommt, aber abends … keine Chance.“
„Gibt es eine andere Möglichkeit, hier zu
telefonieren?“, fragte Luke.
„Dort vorne ist eine Telefonzelle. Ich weiß
aber nicht, ob sie funktioniert. Manchmal
läuft sie, manchmal nicht und die Stadtver-
waltung ist ziemlich nachlässig, was das Re-
parieren betrifft. Vermutlich denken sie,
dass der Abschaum hier draußen ohnehin
niemanden hat, den er anrufen könnte.“

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Luke eilte zu dem Münzfernsprecher, der in
Sichtweite von Patricks Trailer stand, riss im
Laufen Kleingeld aus seinen Hosen und
suchte auf seinem Handy die Telefonnum-
mer von Sidneys Hotel. Er würde direkt bei
der Rezeption anrufen und nach ihr verlan-
gen. Bestimmt waren sie und Gloria bereits
zum Essen gegangen und hatten ihre Handys
gar nicht dabei.

„Willkommen im Equinox Hotel and Spa, Sie
sprechen mit Chelsea, was kann ich für Sie
tun?“
„Guten Abend, mein Name ist Luke Willi-
ams. Meine Frau ist dieses Wochenende bei
Ihnen zu Gast und hat ihr Handy wohl nicht
aufgeladen. Ich möchte gerne mit ihr
sprechen!“
„Gerne, Sir. Wie ist denn der Name Ihrer
Frau?“
„Sidney Williams.“

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„Einen kurzen Augenblick bitte, ich checke
den Aktivitätenplan Ihrer Frau für heute und
werde

Sie

dann

umgehend

mit

ihr

verbinden!“
„Vielen Dank!“
Er hörte, wie Chelsea etwas in ihren Com-
puter tippte, und beruhigte sich ein wenig.
Vermutlich hatte Sidney wirklich vergessen,
den Akku ihres Handys aufzuladen. Und
Gloria auch. Wahrscheinlich saßen sie
gerade an der Cocktailbar, genossen einen
Cosmopolitan

und

ließen

ihre

Seele

baumeln.
„Mr. Williams?“
Das war wieder Chelsea.
„Ja?“
„Es tut mir leid, aber ich fürchte, Ihre Frau
ist schon seit gestern Abend nicht mehr Gast
in unserem Hause!“
Was?“

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Luke schrie in den Hörer, sodass Eric und
Patrick aufschraken und Chelsea ebenfalls
schockiert wirkte.
„Sie und Mrs. Rodriguez haben gestern
Nacht online ausgecheckt. Als Bemerkung
steht hier ‚persönliche Gründe‘.“
Luke machte sich nicht mehr die Mühe, sich
zu verabschieden, sondern beendete das
Gespräch.
„Was ist los?“, fragte Eric, der nun ebenso
aufgeregt war wie Luke.
„Sie haben gestern Nacht ausgecheckt – on-
line“, sagte Luke.
„Was? Das kann doch nicht möglich sein!“,
sagte Eric und lief wie ein nervöser Tiger auf
und ab.
„Sie haben auch nicht selber ausgecheckt, es
war sicher diese Schlampe“, schrie Luke.
Er war außer sich, er war den Tränen nah
und so wütend, dass er am liebsten den Tisch
über

die

Veranda

geschleudert

hätte.

Während er und Eric durch die Gegend

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gefahren waren und sich mit Patrick ein
Spiel angesehen hatten, waren ihre Frauen
die ganze Zeit über in den Fängen dieser
Verrückten gewesen.

Eric hatte in der Zwischenzeit sein Handy
gezückt und eine Nummer gewählt.
„Ich rufe sofort in der Zentrale an und gebe
eine Vermisstenanzeige auf. Sie sollen eine
Einheit ins Hotel schicken und dort nach
Spuren suchen. Wir fahren da hin. Patrick,
du kommst auch mich!“
„Was? Nein, ich kann nicht ...“, begann
Patrick.
„Das war keine Frage, Patrick“, sagte Luke
und wirkte bedrohlich.
Patrick schien dies auch bemerkt zu haben.
Er lief in den Trailer und kam kurz darauf
mit einer Jacke und einer Mütze der Mets
zurück.

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Als Sidney wieder zu sich kam, war sie an
einen Stuhl gefesselt. Sie befanden sich
wieder im Wohnzimmer im ersten Stock. Ihr
Kopf schmerzte jetzt noch mehr, und ihr Ma-
gen fühlte sich an, als hätte er mehrere
Schläge erhalten. Ihr war so übel, dass sie
sich fast übergeben musste, und so schwind-
lig, dass sie drohte, jede Minute wegzukip-
pen. Neben sich konnte sie Gloria erkennen,
die ebenfalls gefesselt war.

„Sieh mal einer an, die Prinzessinnen sind
wach“, sagte plötzlich jemand unmittelbar
vor ihr. Dann wurde ihr Kopf brutal an den
Haaren hochgerissen, bis sie in Sylvias Au-
gen blickte, die sie jetzt irrwitzigerweise an
die Augen eines Schweines erinnerten. Sylvia
sah furchtbar aus. Um ihre Augen hatten

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sich tiefe Falten in die Haut gegraben, ihr
Atem stank nach einer Mischung aus Tabak
und Alkohol und ihre Zähne waren gelb und
schief. Sidney war vorher nie aufgefallen, wie
eigenartig, wie bedrohlich Sylvia aussah. Sie
war gerade eineinhalb Jahre älter als Sidney
selbst und sah aus, als wäre sie Anfang fün-
fzig. Über ihrem Gesicht hatten sich einige
Altersflecken verteilt, die mit den gelben
Zähnen um die Wette leuchteten. Ihr Haar
war dünn, wie es in einem straffen Zopf an
ihren Kopf gebunden war, und die Brille
wirkte viel zu knorrig für das merkwürdige
Gesicht.
„Was wollen sie, Sylvia?“, fragte Sidney und
versuchte die Angst, die sich in ihr breit
gemacht hatte, zu verbergen.
„Wisst ihr, ihr dürft das alles nicht persön-
lich nehmen“, sagte Sylvia mit einem fiesen
Grinsen und setzte sich auf den Tisch, der
den beiden Stühlen, auf denen Sidney und
Gloria gefesselt waren, gegenüberstand. Ihr

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Gesäß und ihre Oberschenkel schienen in die
Breite zu explodieren, als sie sich auf die Tis-
chplatte niederließ.
„Eigentlich seid ihr beide nett. Ich meine,
wer stellt schon jemanden nur aufgrund der
Mitleidsmasche ein. Sie haben mir ein ganz
schönes Gehalt geboten und es war kein
Problem, mal ein, zwei Tage frei zu bekom-
men, also, dieser Job wäre so etwas wie eine
Lebensstellung für mich gewesen. Dummer-
weise haben Sie etwas, das ich schon immer
wollte ... daher dieses ...“, sie suchte nach
dem richtigen Wort, „… Arrangement hier!“
„Ich habe etwas, das Sie wollen?“
Sidney stellte sich dumm. Dass Sylvia und
Nookie hinter Luke und Eric her waren,
hatte sie einige Stunden zuvor schon im
Keller mitbekommen.
Sylvia sah sie eine Weile aus ihren Sch-
weineaugen an.
„Ja. Ich will deinen Mann“, sagte sie dann in
etwa demselben Tonfall, als hätte sie gerade

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bekannt gegeben, dass sie einen neuen Tisch
von Pottery Barn haben wollte.
„Sie wollen ... Luke? Und Sie denken, Sie
bekommen ihn, wenn Sie mich hier
festhalten?“
„Nein, das denke ich nicht“, sagte sie, zog
eine Zigarette aus der Packung, die neben
ihren massigen Oberschenkeln auf dem
Tisch lag, und steckte sie sich an.
„Ich werde dich nicht hier festhalten, meine
Liebe – ich werde dich loswerden. Dann bi-
ete ich deinem Mann die tröstenden Arme,
die für ihn da sind, wenn er über den Tod
seiner Frau hinwegkommen muss, und
plötzlich, ohne dass er sich’s versieht, wird
aus dieser Freundschaft ... Liebe!“
Sidney glaubte ihren Ohren nicht zu trauen.
Sylvias „Plan“ glich den Spinnereien eines
verrückten Teenagers auf Droge.
„Was macht Gloria dann hier?“, fragte Sid-
ney und war mit einem Mal hellwach.

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„Ach, das ist nur eine nette Draufgabe“, sagte
Sylvia, während sie ein weiteres Mal an der
Zigarette zog. Sie blies den Rauch in Sidneys
und Glorias Richtung und beide Frauen so-
gen den grausigen Geschmack, eine Mis-
chung aus Tabak und Sylvias dreckigem
Atem, unfreiwillig ein.
„Zum einen haben wir gar keine andere
Wahl, als sie auch zu entsorgen, immerhin
wäre sie eine Kronzeugin, würden wir sie
freilassen. Sie würde uns bestimmt verraten.
Sie kennt alle Details, also muss sie auch ins
Gras beißen. Eric wird dann aber auch etwas
Trost nötig haben, und das wird dann Nook-
ies Part werden! Außerdem habe ich ja selbst
erlebt, wie erfrischend es ist, wenn zwei be-
ste Freundinnen zwei Kerle heiraten, die
ebenfalls miteinander befreundet sind.“
Selbstgerecht grinste sie ihrer Freundin zu.
In Sidney stieg Wut auf. Wut darüber, dass
sie so dumm gewesen war und Sylvia über-
haupt eingestellt hatte, dass sie nicht auf

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Luke gehört hatte, der ihr von Anfang an
skeptisch gegenüberstand, Wut darüber,
dass Sylvia offenbar dachte, mit diesem
geistesgestörten Plan ihren Mann und Eric
für sich gewinnen zu können, und Wut
darüber, dass sie und Gloria vermutlich
wirklich sterben mussten, wenn nicht bald
ein Wunder geschah.
„Du denkst doch nicht ernsthaft, dass dieser
idiotische Plan aufgeht?“, sagte sie deshalb
in dunklem Ton und ließ auch das höfliche
„Sie“ weg.
„Weder Luke noch Eric werden auch nur ein
Wort mit euch reden. Luke hasst dich und er
und Eric halten dich für gestört. Sie meinten,
ich solle dich feuern, und wollten keine freie
Minute mit dir verbringen. Das Barbecue bei
Eric und Gloria war für die beiden schlim-
mer als eine Wurzelbehandlung. Hast du
übrigens gesehen, mit welchen Kalibern von
Frauen Luke sich abgibt? Denkst du wirk-
lich, er würde eine kleine, fette, hässliche,

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faltige Kuh mit gelben Zähnen und dem
Atem eines besoffenen Nilpferds auch nur
mit der Kneifzange anfassen?“

Sylvia wurde rasend. Sie warf die Zigarette
beiseite, sprang vom Tisch und stürzte sich
auf Sidney. Sie schlug ihre Fäuste in Sidneys
Magen, ihren Bauch, in ihr Gesicht.
„Ich bring dich jetzt gleich um, du Sch-
lampe“, schrie sie und Spuckefetzen klebten
an ihrem knallroten Gesicht.
„Ich schlag dir deine Visage ein!“
Nookie packte Sylvia und zog sie zurück.
„Hör auf, Bunny“, sagte sie und hatte wohl
Mühe, sie festzuhalten.
„Du weißt doch – wir müssen vorsichtig sein,
wegen der Fingerabdrücke! Das würde un-
seren Plan zunichtemachen!“
Sylvia atmete, als wäre sie gerade einen
Marathon gelaufen. Ihr Gesicht war immer
noch krebsrot, als würde sie kurz vor einem

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Herzanfall stehen, und Sidney wünschte sich
in jenem Moment nichts sehnlicher.
„Dein Tod wird furchtbar sein, du Mist-
stück“, fauchte sie in Sidneys Richtung.
Im nächsten Moment erklang dumpf der
Song „Take a Bow“ von Madonna. Sylvia dre-
hte sich abrupt um.
„Was ist das?“, fragte sie.
Nookie holte Sidneys iPhone aus ihrer
Hosentasche.
„Grandma“, sagte sie und hielt das Display in
Sylvias Richtung.
„Heute schon das sechste Mal.“
Sylvia überlegte.
„Wir sollten sie abheben lassen. Das würde
uns etwas Sicherheit verschaffen“, sagte sie
fragend in Nookies Richtung.
„Meinst du? Aber was, wenn sie uns verrät?“
„Was will sie denn machen? Sie weiß nicht,
wo genau wir sind, und wenn sie irgendetwas
sagt, was uns in Bedrängnis bringen könnte,
sind sie beide sofort tot. Ich will nur

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sichergehen, dass diese verrückte Großmut-
ter nicht die Polizei ruft oder was. Ich meine,
was ist, wenn sie herausfinden, dass die zwei
abgängig sind?“
„Denkst du nicht, dass die beiden Kerle das
längst bemerkt haben?“, fragte Nookie.
Daran hatte Sylvia noch nicht gedacht. Es
wäre von Vorteil gewesen, wenn sie von
einem der Handys eine SMS losgeschickt
hätten. Hatten sie aber nicht gemacht.
„Haben die Typen schon angerufen?“, fragte
sie.
Nookie sah die Anrufliste auf dem iPhone
durch.
„Nö, nur sechsmal Grandma und eine SMS
von Mom, die einen schönen Aufenthalt
wünscht! Allerdings ist der Empfang hier
auch nicht der Beste, und es passiert alle na-
selang mal, dass er komplett weg ist. Wenn
die Kerle zu diesem Zeitpunkt angerufen
haben, dann wissen wir das nicht.“
„Und das von der anderen?“

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Nookie holte ein zweites Handy aus ihrer
Hosentasche – Glorias.
„Hier auch nichts. Eine SMS von einer
gewissen Karen, die schreibt: ‚Hallo Sch-
westerherz, sammelt bitte viele Eindrücke
vom Spa, möchte im November dort eben-
falls eine Auszeit nehmen‘, und ein Anruf in
Abwesenheit von Dad. Sonst nichts!“
„Sieht so aus, als würden sich eure Männer
nicht viel aus euch machen“, grinste Sylvia
hämisch in die Richtung von Sidney und
Gloria.
„Wir haben ihnen gesagt, dass wir heute den
ganzen Tag über mit Spaterminen zu sind“,
versuchte Gloria sich zu rechtfertigen.
„Take a Bow“ war verstummt. Sylvia über-
legte eine Weile, nahm das Handy dann
Nookie aus der Hand und sagte zu Sidney:
„Du wirst jetzt deine Großmutter anrufen.
Wir schalten die Freisprecheinrichtung an
und du wirst ihr sagen, dass das Spa ganz toll
ist und dass alles in bester Ordnung ist.

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Wenn du auch nur eine krumme Tour ver-
suchst, blase ich Gloria vor deinen Augen die
Rübe weg und dann bist du dran, ist das
klar?“
Sie zog eine 9-Millimeter Smith & Wesson
hervor, von der Sidney sich sicher war, dass
sie sie nicht auf legalem Weg erstanden
hatte, und zielte damit auf Gloria.
„Schon gut“, sagte Sidney.
Sie wollte der verrückten Sylvia so wenig An-
griffsfläche wie möglich bieten und sah
ohnehin keine Möglichkeit, bei dem Telefon-
at mit ihrer Großmutter um Hilfe zu bitten.
„Dann wollen wir mal. Nooks, wähle ihre
Großmutter an, stell auf Lautsprecher und
halt ihr das Telefon hin. Und wie gesagt,
keine krummen Dinger!“
Nookie hielt ihr wenige Sekunden später das
Telefon vor die Nase. Es klingelte einmal,
zweimal und dreimal und dann meldete sich
ihre Großmutter.

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„Hi, Grandma“, sagte Sidney und war über-
rascht, wie gefestigt sie klang.
Sie

würde

keine

Mühe

haben,

ihrer

Großmutter etwas vorzuspielen.
„Sidney, Kind. Gott sei Dank. Ich habe mir
schon Sorgen um euch gemacht. Ich habe es
bestimmt drei Mal bei dir versucht!“
„Sechsmal“, beschwichtigte sie Sidney.
Es fühlte sich gut an, in dieser verrückten,
ausweglosen Situation etwas Realität zu
spüren.
„Wie gefällt es euch in Vermont? Ist das
Wetter schön?“
„Es ist einfach großartig, Grandma, genau so,
wie wir es uns vorgestellt hatten!“
„Das ist schön, Kind. Ihr lasst es euch gut ge-
hen, ja?“
„Aber natürlich. Wir hatten heute einen gan-
zen Tag voller Wellnessanwendungen und
strahlen wie Göttinnen!“

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„Das habt ihr euch auch verdient. Und wie
ist das Hotel? Ist es in etwa so, wie die Frau
deines Chefs es beschrieben hat?“
„Ja, es ist großartig“, sagte Sidney.
„Weißt du, es erinnert mich ein wenig an den
Urlaub, den wir 1986 im Ferienhaus von
Onkel Vince gemacht haben. Das Hotel ist
ganz genau so wie das Ferienhaus damals ...
Erinnerst du dich? Einfach toll!“
„Aber ... Sidney, das Haus von Onkel Vince
damals war ...“
„Grandma, ich muss jetzt auflegen, wir
haben

noch

eine

Hot-Stone-Massage

gebucht“, fiel Sidney ihrer Großmutter ins
Wort, „ich melde mich morgen nochmal bei
dir, okay? Machs gut!“
Nookie drückte auf den Button, der das Ge-
spräch beendete, und über Sidney legte sich
ein dumpfer Schatten. So wie es aussah, war
dies wohl das letzte Gespräch, das sie mit
ihrer Großmutter geführt hatte. Ein Morgen
würde es für sie wohl nicht mehr geben.

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„Du hättest Talent als Schauspielerin“, sagte
Sylvia, „dumm nur, dass du nicht mehr die
Möglichkeit haben wirst, einen Kurs am
Community-College zu belegen!“
Sie lachte ihr dämliches Lachen.
„Wir sollten sie wieder nach unten schaffen,
Bunny“, meldete Nookie sich zu Wort, „der
Pizzaservice wird gleich da sein, wir haben
vor fünfundzwanzig Minuten bestellt! Wir
sollten nichts riskieren!“
„Gut, ich hab schon ordentlich Kohldampf“,
sagte Sylvia und wandte sich an Sidney und
Gloria.
„Dann wollen wir diese beiden hässlichen
Schweine mal zurück in den Keller bringen
... oder ... noch besser, bringen wir sie gleich
in den OP. Dann können wir später sofort
mit dem Spaß beginnen!“
„OP?“, fragte Gloria.
Ihr und Sidney lief gleichzeitig eine Gänse-
haut den Rücken hinunter.

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Sylvias dämlicher Grinser wurde zu einem
bösartigen Lachen.
„Ja, ihr habt richtig gehört – in den OP.
Wisst ihr, Leichen zu entsorgen ist ein kom-
pliziertes Unterfangen. Am besten eignet
sich eine Entsorgung unterschiedlicher Teile.
Aus diesem Grund werden wir euch,
nachdem ihr tot seid, in Stücke teilen und
hier und dort was von euch entsorgen. Ihr
könnt euch dann aussuchen, ob ihr lieber in
dem Bundesstaat spuken wollt, wo euer Kopf
ist, oder dort, wo eure Beine sind ... oder die
Finger ... je nachdem, wie es euch beliebt!“

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20

Die Fahrt nach Vermont sollte mit dem Auto
etwa neuneinhalb Stunden dauern. Vermut-
lich würden sie es in sieben Stunden schaf-
fen, da Luke auf die Tube drückte und sich
nicht annähernd an die Geschwindigkeitsbe-
grenzungen hielt. Während der Fahrt hatte
Eric Sidney und Gloria bei seiner Diensts-
telle als vermisst gemeldet und die Informa-
tionen, die Patrick ihnen gegeben hatte,
weiter ans CSU geleitet. Das CSU versprach,
eine Einheit mit dem Hubschrauber nach
Vermont zu schicken und mit der Polizei
dort vor Ort zusammenzuarbeiten, machte
Eric jedoch nicht viel Hoffnung, die Frauen
bald zu finden. Immerhin waren die Inform-
ationen mehr als dürftig und wenig stich-
haltig und die beiden waren schon fast vier-
undzwanzig Stunden verschwunden. In

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dieser Zeit hätte alles Mögliche passieren
können und üblicherweise – das wusste auch
Eric – wurden Entführungsopfer, wenn ihr
Tod von vornherein geplant war, in den er-
sten zwölf Stunden nach ihrer Entführung
getötet.

Die Männer waren während der Fahrt still.
Nachdem sie die ersten paar Stunden wie
Wasserfälle gesprochen hatten, Patrick aus-
gequetscht und Überlegungen angestellt hat-
ten, wo Sidney und Gloria sich aufhalten
konnten, war ihnen die Lust am Reden ver-
gangen, nachdem Eric mitgeteilt worden
war, dass die Aussichten düster standen, die
Frauen zu finden. Der Teamleiter des CSU-
Teams hatte ihm zwar versichert, dass sie
alles in ihrer Macht Stehende tun würden,
doch, so sagte er ihm, war ihm ja selber klar,
wie die Chancen standen, jemanden lebend
zu finden, der in den Fängen einer hys-
terischen Killerin war. Sobald sie in Vermont

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angekommen waren, wollte auch Eric sich an
der Suche aktiv beteiligen. Mit dem Hubs-
chrauber wollte er nicht mitfliegen. Es hätte
zu viel Zeit gekostet, auf ihn zu warten.
Außerdem wollte er mit Luke im Wagen
nachkommen. Vielleicht gab es ein kleines
Detail, das Patrick bei seinen Schilderungen
vergessen hatte und das ihm später noch ein-
fiel, das er dann direkt an das CSU-Team
weitergeben konnte.

Die Stille wurde plötzlich von lautem Ringen
unterbrochen. Auf dem Display des Autora-
dios stand „Eingehender Anruf – Ellen
Ashcroft“.
„Das ist Sidneys Großmutter“, sagte Luke,
während er das Gespräch annahm.
„Hallo, Ellen“, sagte er und war aufgeregt.
Vielleicht hatte ihre Großmutter Sidney
erreicht.
„Luke, was ist mit Sidney los?“, fiel die Frau
mit der Tür ins Haus.

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„Hast du sie gesprochen?“
Luke drehte die Lautstärke etwas an.
„Ich habe vor einigen Minuten mit mir tele-
foniert. Ich hatte es heute mehrmals ver-
sucht, doch ich habe sie nicht erreicht.
Vorhin hat sie mich zurückgerufen!“
Eric und Luke sahen sich an. Lukes Herz
hämmerte, während Ellen weitersprach.
„Ich habe sie gefragt, wie es ihr und Gloria
geht und ob sie ihren Wellnessurlaub
genießen, und sie sagte ja. Dann habe ich ge-
fragt, ob das Hotel so ist, wie sie es sich
vorgestellt haben, und da sagte sie, es erin-
nere sie an das Ferienhaus meines Bruders,
in dem wir in den Achtzigern einmal Urlaub
gemacht haben!“
Luke verstand nicht, was Ellen damit sagen
wollte, doch sie klärte ihn kurz darauf auf.
„Dieses Spa sollte doch ein unglaubliches
Luxushotel sein, nicht?“, sagte die alte Frau
am Telefon, „doch das Ferienhaus, das mein
Bruder in den Achtzigerjahren gekauft hatte,

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war eine alte, verfallene Hütte mitten im
Wald, ohne Strom, ohne fließend Wasser,
ohne eine Toilette. Wir wollten damals dort
für zwei Wochen bleiben, sind aber nach drei
Tagen wieder abgereist! Was ist mit meiner
Enkeltochter,

Luke?“,

sagte

sie

dann

unverblümt.
Luke seufzte. Er wusste nicht, ob er Ellen die
Wahrheit sagen sollte. Immerhin war sie
Ende siebzig und steigerte sich in Dinge im-
mer viel zu sehr hinein. Andererseits hatte
sie soeben einen großartigen Hinweis auf
den Verbleib der beiden Frauen abgegeben,
und es stand ihr zu, die Wahrheit zu
erfahren.
„Ellen, die Sache ist die“, begann Luke, „du
darfst dich jetzt nicht aufregen und überre-
agieren, aber wir glauben, dass Sidney und
Gloria von einer Verrückten entführt wur-
den. Es ist bereits ein CSU-Team unterwegs
nach Vermont und Eric und ich fahren eben-
falls hin. Ich glaube, dass der Tipp mit der

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Hütte in den Bergen, den du uns eben
gegeben hast, ausschlaggebend dafür sein
könnte, dass wir sie schnell finden“, log er.
Er verschwieg Ellen, dass die CSU eigentlich
nicht sehr zielsicher war, was das Auffinden
von Sidney und Gloria betraf. Doch er
musste sich selbst sagen, dass die ganze
Geschichte gut ausging, und die Tatsache,
dass Ellen vor einigen Minuten noch mit Sid-
ney telefoniert hatte, bedeutete zumindest,
dass sie und Gloria noch am Leben waren.
„Mein Gott, sie wurden entführt?“
Ellen schrie fast und wirkte panisch. Damit
hatte Luke gerechnet.
„Ich weiß, die Situation ist furchtbar“, sagte
er und musste sich zusammennehmen. Im-
merhin war er selbst auch nicht gerade in
lockerer Stimmung. Aber die alte Dame jetzt
noch mehr aufzuregen, als sie es ohnehin
schon war, stand nicht zur Debatte.
„Sollen wir nach Vermont fliegen und bei der
Suche helfen?“

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Luke hörte Tränen in Ellens Stimme, die
bald anfing, bitterlich zu weinen.
„Nein, das ist nicht nötig. Die CSU hat ihr
bestes Team abgestellt. Sie werden die
beiden bestimmt schnell finden. Sobald ich
etwas weiß, melde ich mich wieder bei dir“,
sagte er und beendete das Gespräch, ohne
eine Reaktion der alten Dame abzuwarten.

„Lyman? Hier ist nochmal Rodriguez. Check-
en Sie bitte alle Häuser, Hütten, Blockhäuser
oder Sonstiges in Vermont, die man mieten
kann und die in der Nähe eines Waldes,
eines Sees oder in den Bergen sind“, sagte
Eric.
Er hatte, gleich nachdem der Tipp mit dem
Haus im Wald eingegangen war, die Diensts-
telle benachrichtigt.
„Ich will jeden einzelnen Vermieter, und
wenn es nur ein Klohäuschen ist, das er zu
vermieten hat. Checkt jedes noch so un-
scheinbare Objekt, checkt, ob es gerade

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vermietet ist und wer es für wie lange gemi-
etet hat. Haltet mich auf dem Laufenden –
ich will in zehn Minuten die ersten Infos!“
Er legte auf.

Die nächsten zehn Minuten schienen sich
endlos hinzuziehen.
„Patrick, was ist mit dir, hast du vielleicht
eine Idee, wo Sylvia sich versteckt halten
könnte? Gibt es irgendeine Verbindung von
ihr nach Vermont? Ein Onkel, eine Freundin,
irgendjemand, der ihr die Möglichkeit bietet,
ein Haus ... oder eine Hütte kurzfristig zu be-
nutzen?“, wandte Eric sich an Patrick, der im
Fond des Wagens saß und keinen Ton sagte,
während der Wagen über den Highway
brauste. Der Mann überlegte eine Weile,
sagte dann jedoch: „Nein, zumindest in der
Zeit, in der wir zusammen waren, hat sie nie
jemanden in Vermont erwähnt. Ich denke
nicht, dass sie dort jemanden kennt!“

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„Gut, wenn das stimmt, dann haben wir
bessere Chancen, sie zu finden“, sagte Eric.
„Es wäre viel schwieriger gewesen, alle mög-
lichen Leute durchzukämmen, die dort oben
in den Wäldern Liegenschaften besitzen, als
nur die zu checken, die Häuser oder Hütten
vermieten!“

Im nächsten Moment klingelte Erics Handy.
Er nahm das Gespräch entgegen und drückte
auf die Lautsprechertaste. Eine raue Män-
nerstimme war am Apparat, die sich als Ly-
man vorstellte.
„War ein Kinderspiel, Mann“, sagte er, „wir
haben sie. Es war der vierte Vermieter von
Ferienhäusern in Vermont, bei dem sie sich
unter dem kreativen Namen Livia Welfnam
eingemietet hat. Ich weiß nicht, was mit
diesen verrückten Freaks los ist, dass sie
ständig Anagramme ihrer eigenen Namen
verwenden, für die krummen Dinge, die sie
planen. Kommt mir fast so vor, als wäre das

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ein Modetrend, seit es in Das Schweigen der
Lämmer
vorgekommen ist. Auf jeden Fall
haben wir jetzt die ungefähre Lage des
Hauses, es ist ziemlich abgelegen und es
führt nur irgendein Trampelpfad von einem
Waldweg dorthin. Dem Vermieter hat sie
erzählt, sie würde ihrem Verlobten dort oben
einen Heiratsantrag machen wollen, daran
erinnerte er sich, weil er ein Gentleman der
alten Schule ist und absolut nicht verstehen
kann, warum eine Frau einem Kerl einen An-
trag macht. Auf jeden Fall ist das Team in
Vermont auf dem Weg dorthin. Hoffentlich
sind die Frauen wirklich dort. Und ... hof-
fentlich ist es noch nicht zu spät!“
Luke wurde bleich, als Lyman den letzten
Satz sagte. Als könnte Eric Lukes Gedanken
lesen, fragte er im nächsten Moment: „Wann
haben meine Frau und Sidney Williams im
Spa ausgecheckt?“
Lyman war einen Moment still und man
konnte Papier rascheln hören.

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„Das war um vierunddreißig Minuten nach
elf“, sagte er dann.
„Also sind sie fast einen Tag in ihrer Gewalt“,
murmelte Eric.
„Vermutlich etwas länger“, sagte Lyman,
„wir gehen davon aus, dass sie sie erst in ihre
Gewalt gebracht und dann ausgecheckt
haben!“
„Schick mir die Daten der Hütte auf mein
Handy“, sagte Eric.
Er wollte sich nicht länger damit ausein-
andersetzen, dass Sidney und Gloria schon
eine ganze Weile in der Gewalt von Sylvia
waren und es normalerweise die Norm war,
seine Opfer so schnell wie möglich zu beseiti-
gen, wenn man sie nicht als Geisel heranzog.
„Wir sind auf dem Weg und werden in spä-
testens einer Stunde in Vermont sein!“

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Etwa zur selben Zeit, als Luke und Eric noch
eine Stunde von Vermont entfernt waren, ka-
men Sidney und Gloria zu sich. Sylvia und
Nookie

hatten

ihnen

offenbar

ein

Narkosemittel verabreicht. Zumindest fühlte
es sich nicht so an, als hätten sie ihnen eins
über die Rübe gezogen.

Der Raum, in dem sie sich jetzt befanden,
war ein anderer als der Kellerraum, aus dem
sie am Nachmittag geflohen waren. Jetzt be-
fanden sie sich in einem weiß ausgekachel-
ten, quadratischen Raum, der hell erleuchtet
war. Es musste sich um einen Waschkeller
handeln, denn an einer Seite des Raumes
waren eine Waschmaschine, ein Trockner
und ein Wäschegitter der Reihe nach aufges-
tellt. Die Frauen waren auf Massageliegen

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festgeschnallt, wie man sie in billigen On-
lineshops bestellen konnte. Ihre Arme und
Beine waren mit Ledergürteln fixiert.

„Gloria, bist du wach?“, flüsterte Sidney,
nachdem sie zu sich gekommen war.
„Ja“, sagte Gloria resigniert.
„Kannst du dich irgendwie befreien?“
Gloria zerrte an den Gurten, doch sie war
ebenso festgeschnallt wie Sidney.
„Nein, kein Stück“, keuchte sie.
Die Frauen blieben eine Weile still liegen
und sprachen kein Wort. Ihnen beiden war
mit einem Mal klar geworden, dass es jetzt
wohl zu Ende ging. Hatten sie sich in dem
anderen Kellerraum befreien können, hatten
sie die Möglichkeit gehabt, sich zur Wehr zu
setzen, so waren sie ihren Peinigern jetzt völ-
lig ausgeliefert. Sidney war überrascht
darüber, wie ruhig und sachlich sie über das
Thema – über ihren nahenden Tod –
nachdenken konnte. Bislang hatte sie immer

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tunlichst vermieden, sich mit ihrem eigenen
Hinscheiden

auseinanderzusetzen,

hatte

keinen Gedanken daran verschwendet, wie
es wohl war, wenn sie starb, hatte all diese
Themen aus ihrem Kopf verbannt, doch jetzt
war sie ruhig und gefasst.
„Hast du eine Idee, wie wir hier rauskom-
men?“, fragte Gloria nach einer Weile.
„Nicht die Spur“, antwortete Sidney.
„Sie werden uns fertigmachen“, sagte Gloria.
„Ja, das befürchte ich auch.“
Wieder waren sie eine Weile still. Beide
dachten angestrengt nach, doch es gab keine
Möglichkeit des Entkommens. Wenn nicht
ein Wunder geschah, würden sie hier auf
diesen billigen Massagetischen sterben. Sid-
ney versuchte herauszufinden, wie spät es
war, doch sie hatte keine Idee, wie lange sie
weggetreten waren. Es musste irgendwann
in der Nacht sein, denn bevor Sylvia und
Nookie sie hierher geschafft hatten, hatten
sie etwas von Abendessen gesagt. Außerdem

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zeigte das kleine Fenster, das ebenso mit
einem Gitterrahmen versehen war wie das
Fenster aus dem Kellerraum, aus dem sie ge-
flohen waren, nichts als schwarze Nacht, als
Sidney hinsah. Ein seltsames Gefühl der
Ruhe hatte sich über Sidney ausgebreitet
und als ihr der Gedanke durch den Kopf
huschte,

dass

sie

den

nächsten

Sonnenaufgang wahrscheinlich nicht mehr
überleben würde, wurde sie etwas wehmütig.
Aber weder panisch noch ängstlich. Sie war
völlig ruhig und gefasst.

Keine zehn Minuten später hörten sie und
Gloria Rumoren im Treppenhaus. Die Tür
wurde geöffnet und Nookie kam, bepackt mit
jeder Menge merkwürdiger Gerätschaften, in
den Raum. Sie hatte offensichtlich mehr
getrunken, als gut für sie war, und das
machte Sidney noch mehr Angst. Wenn sie
nur irgendwie eine Hand frei bekommen
könnte, dann wäre der Zustand der beiden

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Wahnsinnigen zu ihrem Vorteil. Doch so fix-
iert und festgeschnallt wie sie war, würde die
Tortur, die ihr und Gloria nun bevorstand,
noch schlimmer werden, als sie es gewesen
wäre, wenn Sylvia und Nookie nüchtern
gewesen wären.

Nookie trug einen Werkzeugkoffer aus
schwerem, blauem Metall herein und stellte
ihn neben der Waschmaschine auf dem
Boden ab. Dann verschwand sie wieder aus
dem Kellerraum und kam kurze Zeit später
mit Malerfolie, Handtüchern und einer
großen Rolle dicker, schwarzer Folie wieder
herein. Sidney malte sich aus, wofür diese
Utensilien wohl benutzt werden würden, und
fragte sich, wo Sylvia war, als Nookie erneut
alleine aus dem Raum trat. Kurze Zeit später
kam sie wieder zurück. Dieses Mal hatte sie
einen CD-Player mit, den sie auf dem Trock-
ner abstellte und ihn einschaltete. Wenige
Sekunden später erklang Melissa Etheridges

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„Bring me some Water“. Nookie begann, so-
weit ihre Alkoholisierung es zuließ, im Takt
mitzuwippen und zu klatschen. Als der Re-
frain gesungen wurde, schwang plötzlich die
Türe auf und Sylvia sprang – ebenso wacke-
lig wie ihre Freundin – herein. Sie sah
lächerlich aus. Sie trug eines dieser La-
texkostüme, die man im Sexshop kaufen
konnte,

die

eine

übertriebene

Krankenschwester darstellte. Das Kostüm
bestand aus einem viel zu kurzen Kleid, auf
dessen Front ein großes, rotes Kreuz gemalt
war. Das Kleid bedeckte mit Müh und Not
Sylvias viel zu großen Hintern. Ihre
massigen Schenkel, die darunter her-
vorlugten, waren über und über mit Cellulitis
bedeckt und steckten in einer weißen Netz-
strumpfhose. Dazu trug sie braune, nicht
zum restlichen Outfit passende Stiefel. Ihr
Haar hatte sie wie immer zu einem straffen
Pferdeschwanz zusammengebunden, und auf
dem

Kopf

trug

sie

eine

kleine

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Krankenschwesternmütze, auf der ebenfalls
ein rotes Kreuz abgebildet war. Sie sah al-
bern aus. Wie eine abgehalfterte Nutte, die
versuchte,

drittklassige

Kundschaft

aufzugabeln.
„Meine Damen und Herren, applaudieren
Sie für die große Chirurgin“, lallte Nookie
und klatschte in die Hände, während Sylvia
zu dem Melissa-Etheridge-Song tanzte, um
sich selbst drehte und sich in den Ovationen,
die sie sich ganz offensichtlich einbildete,
aalte.

Nachdem der Song verklungen war, torkelte
Sylvia auf die beiden Massageliegen zu und
stellte sich so dazwischen, dass Gloria auf
ihrer linken und Sidney auf ihrer rechten
Seite waren.
„Oh, seht euch nur mal diese armen beiden
Opfer an“, säuselte sie in demselben Ton,
den sie so oft Klienten entgegengebracht
hatte, um sie zu beschwichtigen.

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„Aber keine Sorge, Dr. Bunny ist hier und
wird das alles wieder in Ordnung bringen.
Ihr beide seid doch beste Freundinnen,
sowas wie Schwestern, die immer alles
zusammen machen. Was haltet ihr davon,
wenn wir euer Aussehen auch angleichen?
Dr. Bunny macht das sehr gerne. Ich denke
da an eine glibberige, rote Masse in euren
Gesichtern, die dann auch noch eure Haare
bedeckt. So schlagen wir zwei Fliegen mit
einer Klappe und ihr bekommt dieselbe
Haarfarbe. Ladys, wenn ich mit euch fertig
bin, würden euch nicht einmal mehr eure
Männer wiedererkennen. Oder eure Mütter.
Zu schade, dass euch niemand mehr sehen
wird!“
Die gelben Zähne wurden wieder sichtbar.
„Nookie, bring mir das Werkzeug“, sagte sie
dann

zu

ihrer

Freundin,

die

den

Werkzeugkoffer aufhob und ihn zu Sylvia
trug.

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„Womit wollen wir wohl anfangen?“, fragte
Sylvia, während sie in der Kiste kramte. Sie
warf einen Hammer, einen Schlagbohrer und
mehrere Schraubenschlüssel auf den Boden.
Dann drehte sie sich abrupt und für ihren
Zustand ziemlich schnell um und ließ ihre
Faust gegen Sidneys Gesicht krachen.
Gerade rechtzeitig drehte Sidney ihren Kopf
reflexartig nach rechts, sodass die Faust
neben ihr in die hölzerne Kopfstütze der
Massageliege krachte. Sylvia hielt ihre
lädierte Faust fest und funkelte Sidney voller
Hass an. Sidney konnte sehen, wie ihre Au-
gen feucht geworden waren. Der Schlag
musste verdammt wehgetan haben, so
enorm, wie der Aufprall der Faust neben ihr-
em Kopf gewesen war, und sie war froh, ihn
nicht abbekommen zu haben. Gleichzeitig
gab ihr Sylvias Fehlschlag unglaublichen
Auftrieb. In einer Sekunde war ihr klar ge-
worden, dass sie wohl keine große Chance
hatten, hier lebend rauszukommen, und in

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all der Trauer und Hoffnungslosigkeit hatte
sich in ihr der Gedanke manifestiert, dass sie
keinesfalls ohne ihren Stolz sterben wollte.
Sylvia konnte ihr alles nehmen. Ihr Leben,
ihren Job, ihr Ansehen, aber ihren Stolz
bekam sie nicht. Ein unglaubliches Hochge-
fühl breitete sich in ihr aus.

„Du zielst wie eine blinde Bordsteinsch-
walbe“, sagte sie so laut sie konnte.
Gloria drehte ihren Kopf ruckartig zur Seite
und sah ihre beste Freundin an, als hätte
diese den Verstand verloren. Nookie hob den
Kopf. Sie war gerade damit beschäftigt
gewesen, die Malerfolie um die beiden Mas-
sagetische auszubreiten. Sylvia blickte ver-
wirrt drein, so als hätte sie nicht verstanden,
was Sidney soeben zu ihr gesagt hatte.
„Was hast du gesagt?“, zischte sie.
„Ich sagte ...“ Sidney machte eine kurze
Pause, „dass du genauso zielst wie eine be-
soffene Bordsteinschwalbe. Und wenn ich

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mir dich so ansehe, bist du das auch. Eine
fette, hässliche, besoffene Bordsteinsch-
walbe, die in ihrem Leben nichts erreicht
hat!“
„Du dreckige Schlampe“, schrie Sylvia und
begann, Sidney in den Magen, gegen den
Brustkorb und ins Gesicht zu treten. Wie
Kanonenkugeln hagelten ihre Schläge auf
Sidneys Körper ein. Sie hielt kurz inne und
bewaffnete

sich

mit

zwei

großen

Schraubenschlüsseln, die sie kurz zuvor
achtlos auf den Boden hatte fallen lassen.
Dann ließ sie diese gegen Sidneys Kopf und
ihre Schultern krachen. Noch nie zuvor hatte
Sidney so große Schmerzen auf einmal
gespürt, doch diese Kraft, die zuvor auf-
getaucht war, wurde gleichzeitig immer
stärker und stärker und ließ sie den Schmerz
ertragen. Sylvia rammte beide Fäuste in Sid-
neys Lunge, aus der daraufhin die Luft en-
twich. Sidney wurde schwarz vor Augen, ihr
war übel und sie war kurz davor, sich

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übergeben zu müssen, doch wieder war diese
Kraft in ihr stärker. Sie hätte niemals
gedacht, dass es so eine innere Stärke wirk-
lich gab. Sylvia war wie eine Furie und
drosch weiter auf Sidney ein, als gäbe es kein
Morgen.
„Hör endlich auf damit, du verrücktes Stück
Scheiße“, schrie Gloria plötzlich.
Sie ertrug es nicht länger, mit anzusehen,
wie ihre beste Freundin halb totgeschlagen
wurde. Sylvia hielt inne. Ihr Gesicht war pu-
terrot, Schweiß hatte sich auf ihrer Stirn fest-
gesetzt und ihr Haar hing ihr wirr vom Kopf.
Der Gestank, der von ihr ausging, eine Mis-
chung aus altem und neuem Schweiß, Alko-
hol, vergorenem Essen und abgestandenem
Tabak war grauenhaft.
„Oh, das nenn ich wahre Freundschaft“,
keuchte Sylvia, „du willst deine Ration wohl
auch gleich abbekommen, was?“
Wenige Sekunden später begann Sylvia, auf
Gloria einzuschlagen, wie sie es zuvor bei

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Sidney gemacht hatte. Es schien so, als wäre
diese Kraft, die über Sidney gekommen war,
auch über Gloria gekommen, denn auch sie
ertrug die Tortur, die ihre Peinigerin ihr
zuteilwerden ließ, ohne ein Wort.

Sidneys Kopf brummte und schmerzte, doch
die Wut, die sie Sylvia gegenüber empfand,
war stärker.
„Du schlägst sogar wie eine besoffene Bord-
steinschwalbe“, sagte sie und versuchte, ihre
Benommenheit

zu

unterdrücken.

Ihre

Stimme klang geschwächt und leise, doch
Sylvia hatte sie gehört. Sie fühlte sich wie in
einer anderen Welt, wie im Traum. Wieder
hielt Sylvia inne.
„Okay“, sagte sie dann.
„Jetzt bringe ich dich um!“
Sie befahl Nookie, einen weiteren Koffer her-
anzubringen, den Sidney vorhin nicht be-
merkt hatte. Nookie öffnete den Koffer und
holte

verschiedenes

Operationsbesteck

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heraus. Sylvia griff sich ein Skalpell und dre-
hte es vor Sidneys Augen hin und her. Es war
ein großes Skalpell, vermutlich groß genug,
um einen Elefanten zu operieren.
„Ich werde dich jetzt aufschneiden, du Sch-
lampe“, sagte Sylvia in zischendem Ton.
„Dann werde ich deine Eingeweide heraus-
reißen und zuletzt dein Herz. Danach werde
ich dich zerstückeln und dich in alle Teile des
Landes verteilen. Dann mache ich dasselbe
mit dem Stück Dreck da drüben!“
Sie zeigte auf Gloria.

Sidney war gefasst auf ihren Tod. Sie hatte
Angst davor, wie sie sterben würde, aber ihr
war klar, dass es in wenigen Minuten vorbei
war, dass dieser Schmerz, der sich in ihrem
Körper ausgebreitet hatte und den sie unter
Qualen versuchte, zu unterdrücken, bald
vorbei war. In einer halben Stunde, vielleicht
sogar etwas früher, war alles vorbei. Selbst
wenn die Schmerzen, die sie gleich fühlen

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würde, horrend sein würden, wenn sie alles
übertreffen würden, was sie jemals gefühlt
hatte, war es in einer Stunde vermutlich
vorbei. Eine tiefe Trauer legte sich jetzt über
sie, und sie hatte Mühe, nicht in Tränen aus-
zubrechen. Sie dachte daran, dass sie zwis-
chen Halloween und Thanksgiving mit Luke
zu ihren Eltern hätten fliegen wollen. Und
dass sie ihren Mann und ihre Familie nie
wiedersehen würde. Dass sie nie wieder mor-
gens in ihrem Bett aufwachen würde, die
Sonnenstrahlen hereinscheinen würden und
neben ihr würde Luke liegen. Sie würde nie
wieder einen dieser wundervollen Sommert-
age erleben, an denen man aufwachte und
alles perfekt war. An denen man auf der Ter-
rasse oder unten am See frühstückte, in die
Stadt zum Shoppen fuhr und abends mit
Freunden ein Barbecue veranstaltete. Aber
sie war gleichzeitig auch dankbar, dass sie
das alles fast dreiunddreißig Jahre lang er-
leben

durfte.

Sie

hatte

in

ihren

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dreiunddreißig Jahren mehr Glück gehabt
als andere Menschen in einhundert. Sie war
dankbar dafür, eine liebevolle Familie, wun-
derbare Freunde und einen Ehemann wie
aus dem Bilderbuch zu haben. Sie hoffte,
dass Luke nach ihr wieder eine Frau lieben
würde. Er sollte nicht alleine alt werden.

Sylvia hatte nun noch ein zweites Skalpell in
die Hand genommen. Sie hob beide Skalpelle
über den Kopf und hieb sie dann gegen die
Brustkörbe von Sidney und Gloria. Den
beiden Frauen wurde etwa im selben Augen-
blick schwarz vor Augen.

„Bunny? Bunny, warte. Ich höre jemanden!“

Sylvia hatte die beiden Skalpelle herunter-
sausen lassen und Sidney und Gloria
geschnitten. Die Klingen waren zuerst nur
wenige

Zentimeter

durch

die

Haut

gedrungen, aber beide waren weggekippt.

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Blut quoll aus ihren Körpern hervor, färbte
ihre Leiber rot und Sylvia zog ihren Schnitt
weiter nach unten. Sie wollte die beiden aus-
weiden. Sie war wieder in dieselbe Rage
gelangt wie damals bei Julie Westcook. Jetzt
war sie ihrer Sinne nicht mehr Herr, diese
unendliche Macht hatte sich über sie gelegt
wie ein Schleier, diese Macht, die ihr sagte,
dass sie allein darüber bestimmte, wer lebte
und wer starb. Sie drückte die Klingen
gleichzeitig etwas fester in die Körper,
begann,

das

Fleisch

förmlich

aufzuschneiden, und genoss den Anblick des
Blutes, das immer weiter und immer stärker
aus den beiden Körpern strömte. Erst jetzt
bemerkte Sylvia, dass Sidney sowie auch
Gloria das Bewusstsein verloren hatten.
Auch egal. Es wäre zwar schön gewesen,
wenn sie etwas von ihren Qualen mitbekom-
men hätten, aber so würden sie wenigstens
nicht schreien und eventuell von jemandem
gehört werden. Es konnte gut möglich sein,

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dass hier in der Nähe Jäger, Camper oder
sonst jemand sein Unwesen trieb.
„Was?“
Sie hielt inne.
„Da draußen ist eben ein Auto herange-
fahren“, sagte Nookie.
Sie wirkte nervös.
„Quatsch, da ist kein Auto rangefahren. Wer
sollte denn hier herauskommen? Du hast
einfach zu viel gesoffen!“
„Nein, ich bin mir sicher, dass ...“
Im nächsten Moment war ein Geräusch zu
vernehmen, das im Entferntesten dem
Zuschlagen einer Autotür glich. Sylvias
Gesicht wurde bleich und sah schockiert aus.
In jenem Moment musste ihr klar geworden
sein, dass jetzt alles aus war.
„Geh rauf und sieh nach, wer das ist. Wim-
mel sie ab. Vermutlich hat sich jemand in
dieser gottverdammten Scheißwildnis hier
verirrt!“

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Nookie verschwand aus dem Raum. Sylvia
war nervös geworden und tigerte im Raum
auf und ab, blickte ab und zu auf die beiden
verblutenden Körper auf den Massageliegen.
Zwei Blutpfützen hatten sich unter den Lie-
gen gebildet und waren gerade dabei, zu ein-
er einzigen, großen zu verschmelzen. Früher
als erwartet, kam Nookie zurück. Ihr Gesicht
war kreidebleich, und sie sah aus, als müsse
sie sich gleich übergeben.
„Da draußen ... sind vier Polizeiautos“, stot-
terte sie.
„Was?“
Sylvias Stimme klang hell und schrill.
„Vier. Sie sind gerade ausgestiegen. Sie wer-
den

gleich

klopfen.

Wir

müssen

verschwinden!“
Die nackte Panik hatte sich in Nookie
ausgebreitet.
„Gib mir die Pistole, ich will das hier zu Ende
bringen!“

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Sylvia sah auf die beiden leblosen Körper vor
ihr. Sie war sich gar nicht mehr sicher, ob
Sidney und Gloria überhaupt noch lebten, sie
atmeten nicht mehr und sahen beide ziem-
lich bedient aus. Vermutlich waren sie längst
tot. Oder starben bald. Immerhin musste
Sylvia ihnen jede Menge innere Blutungen
zugefügt haben, und die lange Schnittwunde,
die sich jeweils vom Brustkorb hinunter bis
zum Bauchnabel zog, aus der Blut in Massen
strömte, tat ihr Übriges. Aber ihr war den-
noch wohler, wenn sie ihnen beiden noch
eine Kugel in den Kopf jagen und die Sache
endgültig zu Ende bringen konnte. Wenn sie
wider Erwarten doch noch lebten und
aufwachten, dann würde es für Sylvia brenz-
lig. Sie hatte sich zwar schon einen Plan
zurechtgelegt, doch sie wollte dennoch auf
Nummer sicher gehen.
„D-die Pistole liegt oben im Wohnzimmer“,
stotterte Nookie.

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„Warum liegt sie im Wohnzimmer?“, zischte
Sylvia bedrohlich und kam torkelnd auf
Nookie zu.
„Du hast vorhin gesagt, ich soll sie oben
lassen, da wir sie nicht brauchen, weil wir sie
leiden lassen!“
„Ach, und du warst so blöd und kamst nicht
auf die Idee, dass wir sie vielleicht doch
brauchen können? Diese Scheißpistole wiegt
ja drei Tonnen, die kann man nicht kurz ein-
stecken und mitbringen!“
„Es tut mir leid“, stotterte Nookie und senkte
ihren Blick.
„Aber ich glaube, die beiden sind sowieso
schon tot!“
„Glaubst du also, was“, giftete Sylvia und gab
Nookie eine schallende Ohrfeige.
„Hast du wenigstens daran gedacht, die
Handschuhe zu tragen?“
„Ja!“
„Gut. Dann hoffen wir, dass die beiden Sch-
lampen tot sind. Wenn sie es nicht sind, sage

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ich, du hast mich zu all dem hier gezwungen.
Immerhin ist es deine Schuld, dass wir uns
nicht absichern können. Komm, wir hauen
jetzt ab. Lass alles liegen und stehen, und wir
sehen zu, dass wir Land gewinnen!“
„Aber Sylvia, da draußen sind vier Polizeiwa-
gen. Die haben das Haus bestimmt umstellt.
Wir können nicht einfach durch die Vorder-
tür rausgehen!“
„Dann klettern wir eben hinten durch das
Klofenster. Dort wird schon keiner stehen.
Ich hab sie noch nicht einmal klopfen gehört,
also werden sie die Bude schon nicht ums-
tellt haben. Mach schon, beeil dich!“
Nookie stand wie angewurzelt.
„Und dann? Was machen wir dann?“
Sie schien den Verstand zu verlieren.
„Wir hauen ab, fahren in die nächste Stadt,
mieten einen Wagen, fahren dann runter in
den Süden, mieten einen anderen Wagen.
Wir färben und schneiden unsere Haare, tra-
gen Kontaktlinsen und hauen ab nach

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Mexiko. Dort können wir uns falsche Pässe
und all solchen Kram besorgen.“
Nookie sah auf, und ihr Blick wirkte etwas
wacher, als hätte sie tatsächlich Vertrauen in
das, was Sylvia ihr erzählt hatte.

Die beiden Frauen stiegen leise die Treppen
hinauf und huschten den Gang entlang zur
Toilette. Sylvia rannte die Treppen in den er-
sten Stock hoch und holte ihre 9-Millimeter.
Sie hierzulassen, würde die Cops sofort auf
ihre Fährte führen.
Als sie den kleinen, dunklen Raum betraten,
hörten sie jemanden rabiat an die Tür
klopfen.
„Hallo? Hier ist die Polizei. Öffnen Sie sofort
die Tür“, rief eine laute Männerstimme.
Sylvia und Nookie legten einen Zahn zu.
Flink und gleichzeitig leise öffneten sie das
Fenster, kletterten über die Toilette hinaus
ins Freie und duckten sich an der Haus-
mauer, um nicht gesehen zu werden.

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Sylvia wurde von einer Welle Adrenalin
durchflutet. Keiner der Cops war bis hier
hinten gekommen. Wenn sie jetzt die zwan-
zig Meter den Garten durchquerte und dann
im Wald Unterschlupf suchte, dann hatte sie
es ein zweites Mal geschafft, ungeschoren
davonzukommen.

Sie

hatte

vermutlich

gerade eben zwei Menschen getötet und ihr
würde wieder nichts passieren. Weil sie eben
ein Glückskind war. Ihr würde einfach alles
gelingen. Ein Lächeln zeichnete sich auf
ihren schmalen Lippen ab und ihre gelben
Zähne wurden sichtbar. Im nächsten Mo-
ment fiel ihr ein, dass sie Luke vermutlich
abschreiben musste. Auch egal, es gab an-
dere reiche Typen. Vielleicht sollte sie sich
überhaupt gleich einen richtig reichen Kerl
angeln, keinen Arzt, der zwar ein bisschen
Kohle hatte, aber von „steinreich“ weit ent-
fernt war. Sie war ein Glückskind, sie würde
es sogar schaffen, dass Bill Gates sich

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scheiden ließ und sein Leben mit ihr ver-
brachte. Sie grinste wieder, und ein kleiner
Teil ihres Gehirns überlegte tatsächlich, wie
hoch das Vermögen von Bill Gates wohl war.
Aber zuerst musste sie aus dem Garten in
den Wald hinaus. Nookie wirkte wieder pan-
isch und nervös. Aus dem Inneren des
Hauses hörte man nun Schritte. Türen wur-
den aufgestoßen, die Lichter gingen an.

„Los komm!“ Sylvia zog Nookie einige Meter
in den Garten.
Rechts von ihr nahm sie eine Bewegung
wahr. Zwei Polizisten bogen um die Ecke
und sahen Sylvia direkt an. Einer von ihnen
zog seine Waffe und richtete sie auf sie.
„Bleiben Sie stehen und nehmen Sie die
Hände hoch“, rief er ihr zu.
Sylvia blieb wie angewurzelt stehen.
„Ich will verdammt noch mal ihre Hände se-
hen!“, schrie der Cop sie an.

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Hinter ihm tauchten zwei weitere auf, die
ihre Waffen ebenfalls auf sie und Nookie
richteten. Was sollte sie jetzt tun? Sie über-
legte. Mit der Waffe war sie nicht wirklich
gut. Sie hatte zwar hin und wieder mit ein
paar Kumpels geschossen, doch getroffen
hatte sie nicht oft. Allerdings hatte sie jetzt
gar keine andere Wahl, als ihr Glück zu ver-
suchen. Sie war ein Glückskind, schoss es ihr
durch den Kopf, jetzt würde sie treffen.
Wenn sie die einen der Cops umnietete, best-
and immer noch eine kleine Chance, zu en-
tkommen. Wenn sie jetzt aber die Hände
hochnahm, würden sie sie wegen zweifachen
Mordes festnehmen und sie würde den Rest
ihres Lebens hinter schwedischen Gardinen
verbringen. Langsam zog sie die 9-Milli-
meter aus dem Gürtel, den sie sich umge-
bunden hatte, und entsicherte sie. Dann
richtete sie diese auf die Gruppe von Cops,
die vor ihr stand.

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„Hände hoch, Ma’am, oder ich schieße“, rief
einer von ihnen.
Sie überlegte. Sie musste zuerst schießen. Sie
musste versuchen, einen von ihnen zu tref-
fen, dann das Überraschungsmoment aus-
nutzen und türmen. Dann würde sie die fün-
fzehn Meter zum Zaun sprinten, in den Wald
flüchten und von vorne anfangen.
„Nehmen Sie die Waffe runter“, rief der Pol-
izist, doch die letzten beiden Worte verstand
sie schon nicht mehr. Sie hatte abgefeuert,
doch noch nicht einmal annähernd getroffen.
Die Kugel ging in einen Baum, der etwa vier
Meter links von den Cops stand.

Im nächsten Moment wurde das Feuer auf
Sylvia eröffnet, doch dieses Mal war ihr Re-
flex schnell genug. Sie packte Nookie, die wie
bestellt und nicht abgeholt neben ihr stand,
und schob sie wie einen Schutzschild vor sich
selbst. Nookie wusste gar nicht, wie ihr
geschah, als die ersten Kugeln ihre Brust

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durchbohrten und ihre Lungen explodieren
ließen. Ihr letzter Blick galt ihrer besten Fre-
undin, von der sie nicht verstehen konnte,
warum sie das getan hatte, was sie gerade
tat. Dann überflutete sie eine tiefe, warme
Dunkelheit.

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22

War der Rauchmelder angegangen? Dieses
ständige Piepen war nervig und sie wachte
davon auf. Ihre Augen schienen zugeklebt zu
sein, so schwer war es, die Lider zu öffnen.
In der Sekunde, in der sie aus dem Traum in
die Realität zurückkam, als helles Tageslicht
in ihre Augen drang, durchfuhr sie ein Sch-
merz, der ihren ganzen Körper in Besitz gen-
ommen zu haben schien. Alles um sie herum
war verschwommen, doch bald erkannte sie,
dass es nicht der Rauchmelder gewesen war,
der ständig piepte. Sie befand sich nicht
mehr in ihrem gemütlichen Zimmer im
Equinox, sondern in einem anderen Raum.
Der Raum hatte blaue Wände und links be-
fand sich ein großes Fenster, das aber
geschlossen war. Gegenüber ihres Bettes gab
es eine helle Tür, die ebenfalls wie das

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Fenster geschlossen war. Am Fuß des Bettes
stand ein metallener Wagen mit diversen
medizinischen Geräten, Tupfern und einem
Stethoskop darauf. Neben ihr stand ein
Herzmonitor. Es war diese Maschine, die
ihren Herzschlag aufzeichnete, die direkt
links neben ihrem Bett stand und auf deren
Display ein grüner Strich verrückt auf und ab
tanzte, die auch das Geräusch ausschickte.
Jeder einzelne Knochen ihres Körpers
schmerzte, als steckten Messer darin. Ihre
Muskeln taten weh, als hätte sie einen Mara-
thon absolviert, ohne davor auch nur einmal
zu trainieren, und sie konnte sich kaum be-
wegen. Sie fühlte sich benommen und über-
legte, warum sie plötzlich in einem Kranken-
haus war.

Bruchstückhafte Erinnerungsfetzen huscht-
en durch ihre Gedanken. Der Morgen, als sie
und Gloria nach Vermont gefahren waren
und sie sich von Luke verabschiedet hatte,

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das Zimmer, das zu ihrer vollsten Zufrieden-
heit war, und der luxuriöse Spabereich mit
den gemütlichen Liegen, auf denen sie den
ersten Nachmittag lesend verbracht hatten.
Das leckere Abendessen in dem edlen Ball-
saal, und dann brach plötzlich die Erinner-
ung in dunkler Gewissheit wie ein Alptraum
über sie herein. Ihr fiel alles wieder ein.
Sylvia, dieser seltsame OP-Saal und wie sie
wie verrückt auf sie und Gloria einged-
roschen hatte. Sidney drehte ihren Kopf und
wieder fuhr dieser irre Schmerz quer durch
ihren Kopf. Das Bett neben ihr war leer. Eine
panische Angst überkam sie. Was war mit
Gloria? Sie erinnerte sich, dass Sylvia erst
sie, dann Gloria und dann wieder sie in die
Mangel genommen hatte, erinnerte sich an
die beiden Skalpelle, die Sylvia in ihre Körp-
er gejagt hatte, und an den Schmerz, der
schließlich von tiefer Dunkelheit abgelöst
worden war. Wie viel Gloria wirklich ab-
bekommen hatte, wusste sie nicht.

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Die Tür ging auf und Luke kam herein. Er
hatte einen braunen Plastikbecher in der
Hand, der Kaffee enthielt. Sidneys Herz
begann vor Freude zu rasen, als sie ihren
Mann in der Tür sah. Sie hatte in dem Keller
damit abgeschlossen, ihn jemals wiederzuse-
hen. Sie war sich sicher, in diesem Haus zu
sterben, und alles, was sie noch hatte, waren
die Erinnerungen an Luke. Als er bemerkte,
dass Sidney wach war, stellte er den Becher
auf dem kleinen Wandvorsprung neben der
Tür ab, sodass etwas Kaffee überschwappte.
Er sprang fast durch den Raum und setzte
sich sanft aufs Bett neben seine Frau.
„Gott, du bist wach“, sagte er.
Er strich sanft eine Haarsträhne aus ihrem
Gesicht und küsste ihre Stirn, die über und
über mit Blutergüssen und Striemen bedeckt
war. Tränen liefen seine Wangen hinunter
und in seinem Blick lag nichts als Liebe.

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„Großer Gott, ich bin so dankbar, dass du
wach bist. Ich liebe dich.“
Er hielt sie in seinen Armen.

„Wo ... ist Gloria?“, fragte Sidney.
Ihre Stimme klang krächzend und das
Sprechen tat weh. Ihr Hals fühlte sich an, als
hätte sie sich die Seele aus dem Leib gebrüllt,
doch ihr fiel ein, dass sie kein einziges Mal
geschrien hatte. Das war mitunter etwas
gewesen, was Sylvia so rasend gemacht
hatte, dass sie und Gloria trotz der Tatsache,
dass sie dem Tod ins Auge sahen, so ruhig
geblieben waren.
„Sie ist im Nebenzimmer.“
Luke strich sanft über Sidneys Gesicht.
„Sie hat es nicht ganz so schlimm erwischt
wie dich und sie hat uns bereits alles erzählt.
Oh mein Gott, ich bin so glücklich, dass du
endlich wach bist!“
„Was ist mit ... ihr?“, fragte Sidney nach ein-
er Weile.

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Sie brachte es noch nicht übers Herz, den
Namen auszusprechen.
Luke atmete einmal tief durch. Er war sich
nicht sicher, ob er Sidney erzählen sollte,
was an jenem Abend noch passiert war, aber
er kannte seine Frau und wusste, dass sie
keine Ruhe geben würde, solange er ihr nicht
erzählte, was mit Sylvia passiert war.
„Ich denke, das kann noch etwas warten,
Süße“, versuchte er es trotzdem.
„Nein, kann es nicht. Ich will es wissen!“
Sie versuchte ein Lächeln, das Lukes Herz
zum Schmelzen brachte.
Er seufzte.
„Sie haben sie verhaftet. Als die Cops an dem
Haus ankamen, in das sie euch verschleppt
hatte, wollten sie durch den Garten in den
Wald fliehen. Zwei Polizisten haben sie ges-
tellt, daraufhin hat sie das Feuer eröffnet. Als
die Cops zurückschossen, hat sie ihre Fre-
undin als Schutzschild benutzt. Sie wurde
getötet. Sylvia hat dann alles auf eine Karte

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gesetzt und wollte abhauen. Sie hat es nicht
geschafft. Sie wurde von drei Kugeln getrof-
fen und verwundet, wegen Mordes an einer
Schülerin ihrer ehemaligen Highschool und
zweifachen versuchten Mordes verhaftet.
Vermutlich wird ihr auch noch zur Last
gelegt, dass ihre Freundin ihretwegen ster-
ben musste. In diesem Leben wird sie wohl
nicht mehr aus dem Gefängnis freikommen!“
„Wie...“, Sidneys Stimme klang schwach und
sie musste sich etwas anstrengen, um die
Worte herauszubekommen, die ihr auf der
Zunge lagen, „wie habt ihr uns gefunden?“
Sie versuchte, sich aufzusetzen.
Luke lächelte sie liebevoll an.
„Weißt du Baby, das haben wir deiner
Großmutter zu verdanken. Offenbar hattest
du ihr, als ihr miteinander telefoniert habt,
von einem Haus im Wald erzählt, in dem ihr
einmal Ferien gemacht habt.“
Sidney versuchte, ein Lächeln zustande zu
bringen.

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„Die alte Ferienhütte meines Großonkels“,
sagte sie.
„Genau. Deine Großmutter hat mich an-
gerufen und mir von eurem Telefonat erzählt
– und dabei erwähnt, dass du von dem Haus
gesprochen hast, in dem ihr damals gewesen
seid, weil dich das Hotel so sehr daran erin-
nert, was aber gar nicht möglich war, weil
das Haus alt, verfallen und klein war und in
keinster Weise mit einem Luxushotel hätte
verglichen werden können.
Sidney sah Luke an. In ihrem Bauch entfal-
tete sich ein Gefühl, das ihr nur allzu bekan-
nt war. Ein Gefühl, das sich immer in ihr
ausbreitete, wenn sie in der Nähe ihres
Mannes war. Es war ein Gefühl der vollkom-
menen Glückseligkeit, ein warmes, weiches,
wunderbares Gefühl, das sie niemandem
würde beschreiben können, der es nicht
selbst einmal erlebt hatte. Sie war überglück-
lich, dass sie überlebt hatte.

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„Es ist also vorbei“, sagte Sidney nach eini-
gen Augenblicken erschöpft.
„Ja, es ist vorbei“, sagte Luke.

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EPILOG

Draußen fielen die weißen Schneeflocken wie
ein Heer vom Himmel, das die Welt einneh-
men wollte. Die Gehwege waren schon mit
pudrigem Weiß bedeckt und es war kalt ge-
worden. Wie jedes Jahr hatte der Winter mit
voller Härte zugeschlagen und die Menschen
getroffen, als wäre es ihr erster Winter.

Als Luke das Kanzleigebäude betrat, traf ihn
ein warmer Lufthauch, der sich angenehm
auf seiner kältegepeinigten Haut anfühlte.
Diese Jahreszeit war es, in der er sich
eingestehen musste, dass er eher in wärmer-
en Gefilden zuhause war. Würde es nach ihm
gehen, würde er die kalte Jahreszeit in L.A.
oder in Miami verbringen, doch Sidney liebte
die kalten New Yorker Winter und war ein
richtiger Weihnachtsjunkie. Sie hatte ihm
eindeutig klargemacht, dass sie niemals im

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Leben eine Palme schmücken und Weih-
nachten am Strand verbringen würde, und
wenn er ehrlich war, gefiel ihm ihr Weih-
nachtstick. Mittlerweile hatte er sich sogar
schon etwas davon anstecken lassen.

Ein Mitarbeiter des Facility Managements
war gerade dabei, eine riesengroße Tanne in
der Empfangshalle zu schmücken. Er schien
nicht gerade glücklich darüber zu sein.

Luke winkte der dicklichen, älteren Dame zu,
die hinter dem Empfangspult saß und gerade
ein Telefonat entgegennahm, fuhr mit dem
Lift in Sidneys Stockwerk und ging den Gang
entlang zu ihrem Büro. Er freute sich auf das
Weihnachtsfest mit seiner Frau. Sie hatten
Sidneys und seine Familie über die Feiertage
eingeladen, und es würde das schönste Fest
werden, das er seit langem erlebte – wenn
auch das anstrengendste. Einige von Sidneys
Kollegen gingen an ihm vorbei, er wurde

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gegrüßt und grüßte zurück, bog um die Ecke
und öffnete Sidneys Büro.

„Sir, kann ich Ihnen helfen?“
Luke erschrak, als er die Tür öffnete und
Sylvia vor sich stehen sah. Sie stand auf, kam
um den Tisch herum und streckte ihm ihre
Hand entgegen. Mit aufgerissenen Augen
starrte Luke sie an.

„Pünktlich wie die Maurer.“
Sidney kam aus ihrem Büro, ging auf Luke
zu und küsste ihn auf die Wange. Die
Sekretärin hatte ihre Hand immer noch zum
Gruß entgegengestreckt und sah Luke fra-
gend an, man erkannte, dass ihr leicht un-
wohl war.
„Schatz,

das

ist

Annie,

meine

neue

Sekretärin!“
Luke schloss kurz die Augen und öffnete sie
dann wieder. Vor ihm stand eine pummelige
Frau mit blondem, kurzem Haar, das leicht

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ergraut war. Sie trug ein stimmiges, dunkel-
blaues Kostüm, war dezent geschminkt und
duftete nach einem Parfum, das ihm bekannt
vorkam. Vermutlich verwendete es seine
Mutter.
Jetzt streckte er seine Hand ebenfalls aus
und begrüßte die Frau.
„Es freut mich sehr, Dr. Williams“, sagte
Annie.
„Annie

kommt

von

Classic

Personal,

unserem Stamm-Headhunter. Sie hat eine
unglaubliche Laufbahn hinter sich, und ich
bin wirklich froh, dass sie sich entschieden
hat, für mich zu arbeiten“, sagte Sidney.
„Mrs. Williams, es ist mir eine Freude, für
Sie zu arbeiten. Die meisten Arbeitgeber
waren ja wegen meines Alters etwas ...
zurückhaltend!“
Annie schien das Thema etwas unangenehm
zu sein.

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„Ich habe das Gefühl, dass du dich richtig
entschieden hast, Schatz“, sagte Luke zu
seiner Frau.
„Und Sie, Annie, sagen mir am besten später,
welche Art von Schokolade und Pralinen Sie
am liebsten mögen, immerhin sind Sie jetzt
die alleinige Verantwortliche darüber, wer zu
meiner Frau durch darf und wer nicht!“
Annie lächelte herzlich.

Draußen im Flur nahm Luke seine Frau in
den Arm. Sie gingen gemeinsam zum Lift
und fuhren hinunter ins Erdgeschoss. Seit
der Sache mit Sylvia, so kam es Luke vor,
liebte er Sidney noch mehr als zuvor, obwohl
er das kaum für möglich gehalten hatte.
Diese paar Stunden, in denen er sich mit
dem Gedanken auseinandersetzen musste,
dass er seine Frau vielleicht nie wieder sehen
würde, hatten ihn geradezu verrückt nach ihr
gemacht.
„Na, was sagst du zu Annie?“, fragte Sidney.

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„Ich finde sie klasse“, antwortete Luke.
Er war sich nicht sicher, ober er ihr von
seinem Vorfall vorhin erzählen sollte, als er
dachte, Sylvia gegenüberzustehen. Es war
wie ein Déjà-vu gewesen, als er die Türe
geöffnet und damit gerechnet hatte, dass der
Platz am Schreibtisch in Sidneys Vorzimmer
frei war, doch jemand dahinter saß und auf-
blickte, als er eintrat. Wie im Frühling, als
Sylvia in ihrer beider Leben getreten war. Er
entschied sich, es nicht zu tun.
„Ich habe heute übrigens das rechtskräftige
Urteil gegen ... Sylvia zugestellt bekommen“,
schnitt Sidney das Thema an, als sie Hand in
Hand die Straße entlanggingen und Schnee-
flocken um sie herumtanzten.
„Und?“
Er drückte ihre Hand unmerklich.
„Lebenslänglich ohne Chance auf vorzeitige
Entlassung in Santa Cabija, drunten in Flor-
ida. Das ist das Pendant zu San Quentin für
weibliche Insassen“, sagte Sidney.

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„Sie konnten ihr den Mord an diesem Mäd-
chen aus Wisconsin nachweisen, obwohl sie
noch versucht hatte, eine Mitschülerin na-
mens Crystal McLean zu beschuldigen, doch
das war ein sinnloser Strohhalm, an den sie
sich klammerte. Ihr Exmann war der
Kronzeuge und hat ausgepackt, was er
wusste.“
„Das ist beruhigend“, sagte Luke und zog
seine Frau an sich.
Er war froh, dass Sidney – und auch Gloria –
über den Vorfall in Vermont so schnell hin-
weggekommen waren. Aus seiner eigenen
Erfahrung mit Rick wusste er, wie schwer es
war, nach einer solchen Erfahrung wieder
zurück in sein Leben zu finden. Er wusste,
dass es schwierig war, Menschen nahe an
sich heranzulassen, nicht hinter jeder
Hausecke und bei jeder schnelleren Bewe-
gung eines anderen einen potentiellen
neuern Anschlag auf das eigene Wohl zu se-
hen. Sidney und Gloria hatten sich wacker

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geschlagen. In ihrer Zeit im Krankenhaus
hatten sie einige Stunden bei einem Thera-
peuten, der aber rasch zu der Ansicht gelangt
war, dass die beiden keine weiteren Sitzun-
gen notwendig hatten und ihnen für alle
Fälle seine Karte in die Hand drückte. Luke
fand, die beiden Frauen hatten sich selber
und gegenseitig therapiert. Sie hatten oft
Stunden entweder bei den Williams' oder
den Rodriguez' bei einer Tasse Tee zusam-
mengesessen und das erlebte verarbeitet.
Sidney hatte nach dem Vorfall mit Sylvia nur
zwei Wochen gebraucht, bis sie sich wieder
soweit in der Lage fühlte, um ins Büro zu ge-
hen – was ihr letztlich wohl ebenfalls ge-
holfen hatte, schnell wieder in ihr altes
Leben zurückzufinden. Jetzt, etwa drei Mon-
ate später war alles wieder wie es früher
gewesen war.

Das heißt – nicht alles war so wie vorher. An
Sidneys zweitem Tag Zuhause hatten sie eine

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Abbruchfirma bestellt die die Hütte am See
einreißen und dem Erdboden gleichmachen
sollte. Sie und Luke hatten dabei zugesehen,
wie die Wände der Hütte einstürzten, wie ein
Bagger das Dach demolierte und am Ende
nur noch ein Haufen Schutt und Müll
übriggeblieben war. Sie hatten sich lange
darüber unterhalten, was aus dem Platz wer-
den sollte, in dem soviel von ihrem Unglück
seinen Lauf genommen hatte und hatten sich
dazu entschieden, dieses Thema anzugehen,
wenn etwas Gras über die Sache gewachsen
war.

Luke dachte an Patrick, der einen großen
Teil dazu beigetragen hatte, dass sie Sidney
und Gloria damals aus Sylvias Fängen be-
freien konnten und der beim Prozess gegen
seine Exfrau ausgesagt und sie somit schwer
belastet hatte. Aus den Männern waren so
etwas wie Freunde geworden. Sie telefonier-
ten hin und wieder und erst vor einer Woche

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hatte Patrick Luke freudestrahlend erzählt,
dass er endlich eine Festanstellung in der
Aluminiumfabrik bekommen hatte.

An

jenem Tag hatte er zudem den Mietvertrag
für ein kleines Appartement in der Innen-
stadt unterzeichnet und Luke fast geheim-
nisvoll anvertraut, dass seine Nachbarin von
gegenüber ihn zum Abendessen eingeladen
hatte. Luke freute sich für Patrick und war
froh, dass das Leben auch für ihn wieder ber-
gauf zu gehen schien.
Sie betraten Andrew’s Diner in der zweiund-
neunzigsten Straße, wo Eric und Gloria
schon auf sie warteten.

Traun, 28.09.2014

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Ebenfalls von Daniela Felbermayr erhältlich:

Wenn er etwas will, so bekommt er es auch.
Das ist die Lebenseinstellung des attraktiven
Womanizers Luke Williams, der nicht nur
verdammt gut aussieht, sondern auch – als

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plastischer Chirurg – der Traum so mancher
Frau ist und üblicherweise keine Probleme
hat, seine Angebeteten reihenweise ins Bett
zu bekommen. Doch an Sidney Ashcroft, der
smarten Anwältin, die Luke angeheuert hat,
um einer verrückten Stalkerin Herr zu wer-
den, beißt er sich zunächst die Zähne aus,
obwohl Sidney so ganz anders ist, als die
Frauen, mit denen Luke sich für gewöhnlich
verabredet.
Als aus den beiden schließlich doch ein Paar
wird, löst dies ungeahnte Reaktionen aus,
denn es gibt jemanden, der bis zum Äußer-
sten gehen würde, um diese Verbindung zu
verhindern.
Chick-Thrill vom Feinsten. Mit "Ways of Life
- An Deiner Seite" beschreitet Daniela Fel-
bermayr erstmals Thriller-Gefilde. Der
Spagat

zwischen

romantischer

Liebesgeschichte und fesselndem Thriller
gelingt ihr dabei perfekt. "Ways of Life - An

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Deiner Seite", das ist Gänsehaut pur - vom
ersten bis zum letzten Wort.

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Dear Robin – auf Irrwegen ins Herz

Beziehung? Nein Danke! Das ist das Mantra
von Robin Gellar, promovierte Psychologin
und Briefkastentante beim She-Magazine in
Manhattan. Ihren Leserinnen zu raten, un-
glückselige Beziehungen zu beenden, damit

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hat Robin überhaupt keine Probleme, bis
eines Tages der attraktive Cop Ryan in der
Redaktion auftaucht und ihr die Hölle heiß
macht, immerhin hat sie auch seiner Verlob-
ten Linda zur Trennung geraten. Ryan
möchte Linda unbedingt zurückgewinnen
und überredet Robin, ihm dabei behilflich zu
sein, ohne dass sie ahnt, auf welch turbu-
lente Angelegenheit sie sich dabei einlässt.
Aus Ryan und Robin werden schnell Freunde
und plötzlich beginnt Robin, über ihre
ablehnende Haltung Beziehungen gegenüber
ernsthaft nachzudenken. Doch der verliebte
Ryan hat nur Augen für seine Linda…oder?

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Die Schriftstellerin Summer Kennedy glaubt
die Chance ihres Lebens an Land gezogen zu
haben, als sie einwilligt, eine Biografie über
den Extremsportler Colin Riley zu verfassen.
Dass Colin der Ruf eines machohaften Wo-
manizers vorauseilt, stört die toughe Sum-
mer dabei ebensowenig, wie all die Spitzen,

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die er ihr gegenüber fallen lässt, als er er-
fährt, dass sie eigentlich Liebesromane, aber
keine Biografien schreibt. Trotz aller Widrig-
keiten stellen Summer und Colin bald fest,
dass sie – obwohl sie aus völlig verschieden-
en Welten kommen – mehr gemeinsam
haben, als zu Anfang gedacht. Doch da sind
dann auch noch Summers Freund Dale,
Colins

dauerhaft

wechselnde

Partner-

schaften und eine Nachricht, die die Beiden
völlig aus der Bahn wirft.

Love Extreme ist als eBook und als Taschen-
buch erhältlich!

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Samantha Hamilton ist auf dem Weg, eine
Märchenhochzeit zu feiern. Auf einem
großen Weingut in Virginia, mit einem
liebenden,

wunderbaren

Ehemann

aus

gutem Hause und der Aussicht auf das große
Glück. Dumm nur, dass es nicht Sams

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Hochzeit ist, zu der sie reist, sondern die ihr-
er besten Freundin Holly.
Als das Brautpaar in Spe wenige Tage vor der
Hochzeit kalte Füße bekommt, spurlos ver-
schwindet und einige Tage Bedenkzeit erbit-
tet, muss, um einen Skandal in der Gesell-
schaft zu verhindern, ein Alibibrautpaar her,
sodass Sam, zuvor noch notorischer Single,
plötzlich einen dicken Verlobungsring am
Finger und einen absoluten Traummann an
ihrer Seite findet. Es dauert nicht lange, bis
zwischen Sam und dem attraktiven Woman-
zier Jack die Funken nur so sprühen und
feststeht, dass ihre Zuneigung füreinander
nicht nur Schauspielerei ist. Doch dann holt
Jack seine Vergangenheit ein und droht, das
frischgebackene Glück zu zerstören

„Bride on Time – die geborgte Braut“ ist ex-
klusiv auf Amazon als eBook und als
Taschenbuch erhältlich!

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Die

New

Yorker Anwältin Victoria Williams arbeitet
am Fall ihres Lebens, der ihr einen ordent-
lichen Sprung auf der Karriereleiter ver-
schaffen und sie zur Partnerin ihrer Anwalt-
skanzlei machen soll. Als ob sie dadurch
nicht schon gestresst genug wäre, zieht in

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das Appartement nebenan der attraktive
Arzt Dr. Mark Turner ein, der ihr Herz zwar
höher schlagen lässt, doch ihr auch den let-
zten Nerv raubt. Er feiert wilde Parties,
leichte Mädchen gehen bei ihm ein und aus
und er provoziert sie obendrein bei jeder
Gelegenheit.
Als Vicky dann auch noch ausgerechnet mit
ihm bei ihrem aktuellen Fall zusammen-
arbeiten soll und die beiden von der Kanzlei
dazu nach Los Angeles geschickt werden,
fällt sie aus allen Wolken und kann ihr
Unglück kaum fassen.
In L.A. kommen sich die beiden jedoch
schnell näher und erkennen, dass der erste
Eindruck oftmals trügt, dass vieles nur Fas-
sade ist, und was wahre Liebe bedeutet.
Doch dann kommt alles ganz anders...

„Ein Mistkerl zum Verlieben“ ist exklusiv auf
Amazon als eBook und als Taschenbuch bei
erhältlich!

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Die Schriftstellerin Taylor Willows nimmt
sich nach der Trennung von ihrem Freund
eine Auszeit bei ihren Eltern in Kalifornien,
um mit der Vergangenheit abzuschließen,
ohne zu ahnen, dass diese wie versessen

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darauf sind, sie mit dem Sohn der neuen
Nachbarin zu verkuppeln, der so ganz
nebenbei der begehrteste Junggeselle Holly-
woods ist.
Nachdem der charmante Dylan Taylor erst
Interesse vorheuchelt, sie ihn dann aber
dabei ertappt, wie er sich abfällig über sie
äußert, ist für sie der Ofen aus und Dylan -
trotz seines Hollywoodbonus und seines un-
widerstehlichen Charmes - Geschichte, bis
die beiden sich auf einem Flug wieder über
den Weg laufen und zu allem Überfluss in
einem kleinen Nest in Nebraska stranden.
Abgeschnitten vom Rest der Welt kommen
sie sich rasch näher - und stehen gleich vor
einem ganzen Haufen neuer Probleme. Allen
voran Jenes: der Hollywoodstar und der
Bücherwurm von nebenan - das geht doch
gar nicht, oder?
"Hollywood und Bücherwurm - die ideale
Strandlektüre, die den Lesern ein Lächeln

325/330

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auf die Lippen zaubert und das Herz
erwärmt"

„Hollywood & Bücherwurm“ ist exklusiv auf
Amazon als eBook und als Taschenbuch
erhältlich!

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Was, wenn das Schicksal dir eine zweite
Chance schenkt?

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Scarlett Holloway lebt in New York. In ihrem
Beruf als Ärztin erfolgreich, ist ihre Bez-
iehung gerade zum Scheitern verurteilt, als
sie bei ihrer verpatzten Geburtstagsparty den
attraktiven - und ebenfalls vergebenen -
Staatsanwalt Charlie kennen lernt.
Sie ahnt nicht, welch besondere Rolle Charlie
in ihrem Leben einnehmen wird - und
welche er schon lange darin spielt!

„Bis wir uns Wiedersehen“ ist exklusiv auf
Amazon als eBook erhältlich

328/330

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Mehr gefällig? Besuchen Sie die Homepage
von Daniela Felbermayr, informieren Sie
sich über Neuigkeiten und Veröffentlichung-
stermine und schmökern Sie in Leseproben
zu neuen Büchern und nehmen Sie an
Gewinnspielen teil.

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