Endkampf an der Spree BERLIN 1945

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GÖTTERDÄMMERUNG–BERLIN1945

„победа!“–SIEG–dasroteBannerder12.Gardearmeeflatterteindem
aufkommendenWindaufdemgeradeerobertendeutschenKampfstand.

SergejMarkowhattedasBannerindieErdegerammt.DasMG42dampfte
noch,derLaufwarglühendheiß.3-4LäufelageninderStellung.Die
Deutschenhattenerbittertgekämpft,bisdieRotarmistensiebuchstäblichin
ihremKampfstandbajonettierthatten.

AberwasfüreinPreis–vorderStellunglagenandie70toteSowjetsoldaten.

Docheswarnochnichtvorbei.MorgenwürdensiezumSturmaufden
Reichstagansetzen.Siewussten,dass2000fanatischeSS-MännerHitlers
letzteStellungverteidigenwürden.EswarendiePrätorianerdesFührers,
dereninBlutgeschriebenerSchwur„SiegoderTod“lautete.

EineswussteMarkowabergewiss–esgabkeinenZweifel,werdenSieg
davontragenwürde.DannreckteerdieFaustindenHimmelundschrieaus
vollerKehle„победа!“...

(Pobeda!-„NotizenausdemGroßenVaterländischenKrieg“1945)

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BERLINENDEAPRIL1945...

DieReichshauptstadtliegtimSterben.DiedeutschenVerteidigersind
ebensowieAdolfHitlerdemTodegeweiht.StalinwilldieRoteFahneum
jedenPreisam1.MaifeiertagaufdemReichstagsehen.

AlsdierussischenArmeenindieStadteindringen,entstehteinChaos
ohnegleichen.ZehntausendeverlierenaufbeidenSeiteninerbitterten
KämpfenihrLeben.DochwährendHitlerseinemLebeneinEndebereitet,
versuchendieletztenWehrmachtseinheitennachseinemTodausder
eingekesseltenStadtauszubrechen...

ANMERKUNGDESAUTORS

DasvorliegendeWerkbeschreibtineinerNarrativefiktional,abermit
höchstmöglicherAuthentizitätdiedramatischenEreignissedesApril/Mai
1945währendderSchlachtumBerlin.OriginaleKampfberichtebeider
SeitenundlokaleAugenzeugenberichteergebenineinerNarrative
wirklichkeitsgetreueinBildjenerTage,indenenderToddasLeben
beherrschte.

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Mai1945–300000Zivilistenund80000eingekesselteSoldatender9.
ArmeebrechenbeiHalbenachWestendurch...

„DieArmeesahnurmehrnoch2Aufgabenundzwar:

1. Die9.Armeeaufzunehmen,mitderinzwischendurchGen.Kdo.

XX.A.K.Funkverbindunghergestelltwordenwar(...)

EswardemAOKundallenunterstelltenTruppenklar,dassdieseAufgabe,
dienocheinmehrtägigesHaltendergewonnenenLinienbedingte,das
LetztevonOffizierundMannerforderte.DiesesOpferwurdeaberals
kameradschaftlichePflichtselbstverständlichinKaufgenommenundvon
denjungenSoldateninbeispiellosemHeldentumgetragen!

(Kampfbericht12.Armee(Armee„Wenck“)/OberstReichhelm/NARAB-
606)

Titelbild:Bundesarchiv,Bild183-J14931/Rottensteiner/CC-BY-SA3.0/
Lizenz:https://commons.wikimedia.org/Änderung:Bildverkleinert/
Farblichbearbeitet

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Inhalt

Prolog„Berlin1945–demUnterganggeweiht!“

„OperationSeraglio“–DieFluchtder„Goldfasane“

„Berlinwirdeingekesselt“–DerEndkampfumBerlinbeginnt

„DivisionMüncheberg“-ErbitterteKämpfeamLandwehrkanal

„победа!-Sieg!“-SturmaufdenReichstag

„Wirhaltennoch24Stunden“–DasEndeallerIllusionenim
Führerbunker

„DasEnde“–HitlerbegehtSelbstmord

FinaleamReichstag

„AusbruchnachDöberitz“vomFlakturmZoo

GejagtvonderRotenArmee–DasEndeim„Teufelsbruch“bei
Nauen

„BrückenkopfTangermünde“–DieArmeeWenckhältdieElblinie

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„ZukeinemZeitpunktwarjemalseinzusammenhängender,umfassender
PlanfürdieVerteidigungBerlinsvorbereitetworden.Esexistierteallein
diestureEntschlossenheitHitlersdieReichshauptstadtzuverteidigen.Die
Bedingungenwarenso,dasserniemalseinenGedankenandieVerteidigung
derStadtverschwendete,biseszuspätfüreinesolchePlanungwar.

Diesbedeutete,dassdieStadtverteidigungdurcheineUnmengean
Improvisationengekennzeichnetwar.Daswiederumverursachteeintotales
Chaos,indemderDruckdesFeindes,dasorganisatorischeWirrwarrauf
derdeutschenSeiteundderkatastrophaleMangelanRessourcenund
MenscheneinedesaströseMischungergaben.“

(GeneraloberstFranzHalder/NARAP-136)

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Prolog„Berlin1945–demUnterganggeweiht!“

DieLage:EndeApril1945gibteskeinenZweifelmehr,dassBerlineine
sterbendeStadtist.ZwartreffendieeindringendenrussischenTruppen
aufzumTeilfanatischenWiderstand,aberdasResultatdesungleichen
Ringensstehtfest.TrotzdrakonischerMassnahmenderSS,dieunzählige
„Deserteure“hinrichtet,istesnurnocheineFragevonTagen,bisdasEnde
kommenwürde.

WereinDeserteurist,bestimmendiefanatischenSS-Männerdabeinach
Belieben.IndieserverzweifeltenAtmosphäremachtsichnunbeivielen
Berlinernsoetwaswieeine„vergnügliche“Endzeitstimmungbreit.
Alkohol-undMorphiumVorrätewerdengeplündert,teilweisefinden
OrgienundSaufgelagestatt.JeweiterdieSowjetsindasStadtzentrum
vordringen,destomehrkollabiertdieDisziplin...

KampfberichtVerteidigungvonBerlin/NARAP-136/OberstWillemer

„DierussischenKommandeurenutzenLückeninderFrontdurchstarke
motorisierteundgepanzerteTruppenfüreinenschnellenVormarschaus.
KorrekterweiseschienensiedieGefahrfürihreFlankenalsgering
anzusehenundPanzereinheitendrangenkühnbisindenNordenSpandaus
vor.DerVormarschaufBerlinselberwarjedochvorsichtigundzögerlich.
Eswaroffenbar,dassdieRussendieVerteidigungsstellungenunddieZahl
dersiebesetzendenTruppenüberschätzten.DieArmeegruppe„Weichsel“
erwartete,dassdieerstenrussischenPanzerdieReichskanzleischonam22.
Aprilerreichenwürden(...)

TrotzderVerteidigungsanstrengungeninBerlinwardieStadtam22.April
beinahehilflosgegeneinenkraftvollenStoßvonSüden,Nordostenoder

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Norden.Entlangdesfast60KilometerlangenVerteidigungsringsderStadt
(ohnedieWestfront,dienochnichtangegriffenwordenwar)undinden
PositioneninnerhalbdesStadtringsderEisenbahnwurdendieStellungen
fastausschließlichvomVolkssturmundanderenEinheitenmitgeringem
Kampfwertbesetzt.NurdasRegierungsviertelwurde–natürlich–von
EinheitenderSSgehalten.“

HausdesRundfunks/Charlottenburg-Wilmersdorf/29.April1945

IchnahmdieMeldungvondemgrimmigschauendenSS-Mannentgegenund
salutierte.Draußenwaresetwasruhigergeworden.Esschien,alswennsich
dieRussenlangsamaufden„Feierabend“vorbereiteten.Ichverließden
EingangsbereichdesFührerbunkers.DasGrollenderrussischenArtillerie
erfülltedieLuft,dieAtmosphärewargespenstisch.

MeinZielwares,dieempfangeneNachrichtnochrechtzeitigindasHausdes
Rundfunkszubekommen,bevorderGroßdeutscheRundfunkseineletzte
MeldungdesTagesverlas.WasdasSchriftstückbeinhaltete,konnteichnur
ahnen.Abereswarehwahrscheinlich,dassdieEreignisseinder
ReichshauptstadtschoninnerhalbwenigerStundendenInhalt,obrichtigoder
geschönt,wiederobsoletmachenwürden.

Eswarengut4KilometerbiszurMasurenallee,wodasFunkhausseinenSitz
hatte.ImmerhinkonnteicheinenGutteilderStreckedurchdenTiergarten
zurücklegen,dereinegewisseDeckungbot.Eswarbezeichnendfürdienun
komplettkollabierendeSituationinderStadt,dassMeldungenquasiperKurier
zumFunkhausgebrachtwerdenmussten.

IchgriffinmeineUniformtasche.MeinDokument,dassmichalsMelder
auswies,wardasvielleichtwichtigsteSchriftstück,dassichjebeimirgetragen
hatte.DiefliegendenKommandosderSSkanntenkeineGnade.Jeder,derauch

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nurimGeringstenimVerdachtstand,einDeserteurzusein,wurdeohnemit
derWimperzuzuckenaufgeknüpft.SelbstmitdemvonderSS
gegengezeichnetenPassfühlteichmichunwohl.

Eigentlichwarursprünglichvorgesehen,dasseinKübelwagenfürmich
bereitstehensollte,umdieMeldungzuüberbringen.AberbeimEmpfangwar
mirmitgeteiltworden,dasseskeinenSpritmehrgabundichentwederzuFuss
oderperFahrraddieseAufgabeerledigenmusste.Sohattemanmich
stehengelassen.InErmangelungeinesFahrradesmachteichmichauf.

Ichzuckteimmerwiederzusammen.EswareineunheimlicheAtmosphäre.Der
massiveBeschussderrussischenArtilleriehatteaufgehört,sodassjedeetwa
halbeMinutelediglicheineGranateirgendwoaufderStrasseoderineinem
derHäuserentlangderKantstrasse,durchdieichmichbewegte,einschlug.Ein
FussmarschdurchBerlinwarimwahrstenSinnedesWorteszueinerPartie
„RussischenRoulettes“geworden.DieGranaten,dieSS-derTodlauerte
überall.

NacheinerStundehatteichdasFunkhauserreicht.VonSüdwestenher,ich
vermuteteausSchmargendorf,warKampflärmzuhören.Soweitesmir
bekanntwar,versuchtenunsereTruppenverzweifelteinenRückzugswegnach
Westenoffenzuhalten,obwohldieskeinerwagteoffenauszusprechen.

AmFunkhauseingetroffenwunderteichmich.EsgabwederSicherungenim
EingangsbereichdesgroßenBacksteinbausnocheinenEmpfangoderetwas
Ähnliches.Zwischen2PfeilerngingicheinekleineTreppeherauf.Die
GlaseinsätzeindenTürenwarenzerborsten.ÜberalllagzersplittertesGlas.Ich
schrittdenlangenFlurentlang–demGanzenhafteteetwasUnheimlichesan.
PlötzlichflogeineTürauf.EinMannineinerArbeitskluft,wohlein
Tontechniker,wieichvermutete,torkeltegeradezuauseinemRaumheraus.Es
waroffensichtlich,dassersturzbetrunkenwar.

ErstolpertemirdirektindieArme.

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„HeilHitler,Soldat!BaldsinddieRussenda!DanngibtesnurnochWodka.
Prosit!“,lalltederMann.

IchstießihnetwasunsanftbeiSeiteundertorkelteweiterdenGangentlang.
Waswarhierlos?

IchöffnetediezugeknallteTürzudemRaum.Wasichsahentsetztemich.In
demRaumstankesnachSchnaps,BierundErbrochenem.5Männerhingenauf
Sesseln.BeizweivonihnensassenjungeFrauenaufdemSchoss.Beidewaren
barbusig,eineFraupraktischkomplettnackt.EinerderOffizierebefummelte
dieFrauineindeutigerAbsicht,siehattedieHandinseinerHose.Dieandere
Frau,nichtvielälterals18JahrenachmeinerEinschätzung,lachtelautauf,als
siemichsah.

„ImmerhereinspaziertderHerrSoldat!Wirfeierngeradeeinwenig...“.Dann
brachsieinschallendesGelächteraus.NunbrachauchderMann,denicherst
jetztalsSS-Soldatenerkannte,indasgleicheGelächteraus.Ichwusstenicht,
wasichtunsollte.

DieswardertotaleZusammenbruchjeglicherDisziplin.Wennesnocheines
Beweisesgebrauchthätte,dassesendgültigvorbeiwar–hierwarer.“

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„OperationSeraglio“–DieFluchtder„Goldfasane“

DieLage:Am22.April1945wirdoffenbar,dassdiezueinem
EntsatzangriffangetretenenTruppendesSS-ObergruppenführersSteiner
steckengebliebensind.HitlerbekommteinenTobsuchtanfall,wirft
GeneralitätundWehrmachtVersagenvorundgibtseinenEntschluss
bekannt,biszumbitterenEndeinBerlinzuverbleiben.SeinerEntourage
undseinenMitarbeiternstellterfrei,sichausBerlinindieAlpenfestungzu
retten,solangediesnochmöglichist.

InderOperation„Seraglio“werden10JunkersJu-52bereitgestellt,um
nichtnurdiesePersonen,sondernauchHitlersPapiereinverschiedenen
Kistenauszufliegen.VonderFeigheitundBevorzugungderBonzenund
ihrenMitarbeiternentsetzt,kommtesdaraufhinzuTumultenbeidem
Flughafenpersonal,alsdiesesichzudenFlugzeugenbegeben...

KampfberichtVerteidigungvonBerlin/NARAP-136/OberstWillemer

„AlsderrussischeDurchbruchaufBernauüberWriezenalsjederzeit
bevorstehendschien,stiegendieBedenkenderHeeresgruppeWeichsel
bezüglichdersüdlichenFlankeder3.Panzerarmee.Maßnahmen,umdie
KanallinievonEberswaldenachOranienburgzuschützenwarenbereits
ausgeführtworden.AlsesdenRussengelangam22.AprildieHavelzu
überqueren,bedeutetedies,dassdieMöglichkeiteinesDurchstoßesin
RichtungMecklenburgoderHamburgunddamiteineBedrohungfürden
RückenderArmeegruppeentstand.DieeinzigemöglicheGegenmassnahme
bestanddarineinenlokalenGegenangriffvomFinowkanalnachSüdenin
dieFlankederrussischenSpitzenzustarten.

AmselbenTag,dem22.April,befahldieArmeegruppedemSS

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ObergruppenführerSteinereinesolcheAttackedurchzuführenundstellte
ihmhierfürsiebenimprovisierteBataillonezuVerfügung.Diesegemischten
Einheitenwarennichtvordem24.Aprilangriffsbereit.DieAttacke
überraschteeinigerussischeSicherheitsdetachementsundkonnteohne
Unterbrechungungefähr10KilometerbisZehlendorfundKlosterfelde
vordringen.

DieRussenwarfendaraufhinstärkereKräfteindenKampfunddrückten
dieangreifendenEinheitenwiederhinterdenFinowkanalzurück.“

FlughafenGatow/22.April1945

Die3JunkersJu-52kameninlangsamerGeschwindigkeitmitsüdwestlichem
Kurshereingeflogen.DerHimmelwarzumGlückbedeckt,dierussischen
JägerhatteneineRuhepauseeingelegt.ErstMinutenvorherwardie
BodenmannschaftmitdemZuschaufelneinesBombenkratersfertiggeworden,
deneineinzelnesrussischesSchlachtflugzeugnureinehalbeStundevorherin
dieRollbahngebombthatte.

AbernochwarensienichtendgültigamEnde.MehrereSalvenausder2cm-
FlakamRandederRollbahnhattendieseltsamerweisealleinefliegende
Sturmovikgetroffen.

ZwarwarauchdenDeutschenbekannt,wierobustdiesowjetischeMaschine
war,aberdielangeRauchfahnesprachdafür,dasssieschwergetroffenworden
war.

Die„TanteJu“setzteauf.DasFahrwerkdererstenMaschineschlackerteetwas.
DiedeutscheLuftwaffewarwiealleWaffengattungenspürbaramEndeihrer
Kräfte.Wartungenwurdennurnochnotdürftigdurchgeführt,dasMaterialwar
komplettverschlissen.

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SofortrolltedieTransportmaschinehintereinenschonschwerdurchden
BeschusszugerichtetenFlugzeughangar.EinpaarTarnnetzewurdenvonschon
wartendenSoldatendesBodenpersonalsnotdürftigüberdieJunkersgespannt,
umwenigsteneinMinimumanTarnungzugewährleisten.

„Siesindda.Wirsindjetztvollzählig“,sagteMajorSalzmann,derdie
OperationSeraglioleitensollte.Insgesamtwaren10JunkersJu52fürdie
Unternehmungvorgesehen.Ursprünglichwäreauchder„Führer“AdolfHitler
unterdenPassagiereninRichtungderAlpengewesen.AberseinEntschluss
waresinBerlinzubleiben.

IneinemschäbigenFlughafengebäude,dasehereinemSchuppenähnelte,
sassenfast40Personen.NebendenMitarbeiternderReichskanzleihattensich
einigeHonoratiorenderBerlinerGesellschafteingefunden.Ihreauchim
fünftenKriegsjahrnochwohlgepflegteGarderobestachimdreckigenGrau
derBodenmannschaftenundFlaksoldatendesFlugplatzesheraus.

Eineetwa50jährigeFrauimblauenKostüm,beschwertesichständig.
BesondersschiendieEhefraueineshohenNSDAP-Mitgliedeszunerven,dass
mitihrerMaschineaucheinigeSchwerverwundeteausdernunpraktisch
bereitseingekesseltenStadtausgeflogenwerdensollten.DieSoldatenkonnte
sichkaumbeherrschen,abernochhieltdiebrüchigeHierarchie.

„MeineDamenundHerren,wirsindjetztbereit.2Maschinensindfür
Transportgüterbestimmt.Wirwerdenin10Minutenstarten.Ummehr
Verwundetemitnehmenzukönnen,könnenwirjeweilsnureinGepäckstück
perPersonakzeptieren,umdieManövrierfähigkeitenderJunkersauchbei
einemJägerangriffzugewährleisten“,sagtederMajorSalzmann.

„Dasgibt’sdochnicht!“,sprudelteesausFrauvonMehtal,derenStänkereien
allenAnwesendenaufdieNervenging,heraus.Wiedereinmalwarendieim
RaumbefindlichenSoldatenkurzdavorihreinpaarmarkigeWorte
entgegenzuschleudern.AberSalzmannschütteltemitdemKopfundgabihnen

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einZeichen,daswohlbedeutete,dassesesnichtwertwar,wegendieserFrau
auszurasten.

ImBerlindesApril1945gabesgenugSS-Einheiten,umschonwegeneiner
KleinigkeitmitdemVorwurfdesDefätismusdazustehen.Undwasdas
bedeutete,wusstenalleSoldateninderReichshauptstadt...

NacheinerkurzenDiskussionlenktesieschließlichein.Dannmachtesichdie
ersteGruppezudererstenJu-52aufdemRollfeldauf.Salzmanngingvoran.
AufdemBetondesFlugfeldeslagenausgeschütteteKoffer.Überallflogen
StrümpfeundsonstigeKleidungsstückeimWindüberdennacktenBoden.4
MännerderFlakstandenmitverschlossenenArmenanderMaschine.

„Wasisthierlos?“,brüllteSalzmann.

EinWachtmeisterderFlaktrathervor.Erwarsichtlicherregt:

„KeineAhnung,wasdapassiertist,HerrMajor.Wirwarendamitbeschäftigt
zuhelfen,dassdieschwerverwundetenKameradenanBordderMaschinen
kommen.Männer,dienichtfeigedavongelaufensind,alsesernstwurde.Da
konntenwirunsleidernichtumdieUnterwäschederDamenkümmern...“

Salzmanndrehtesichum.FrauvomMehtalundihrMann,einfettleibiger
NSDAP-Bonze,standendort.DerMajorkonnteessichnichtverkneifenein
Grinsenaufzusetzen.AberoffensichtlichwolltenauchdieBeidennichtnoch
eineEskalationprovozieren.OhneeinWortzusagen,bücktesichder
„Goldfasan“,wieeseinerderSpitznamenfürdieParteimitgliederwar,
herunterundsammelteeinigederKleidungsstückeauf.

„Gut,weitermachen“,sagtederMajor.

Dannwurdendieknapp50PersonenausderReichskanzleiverteilt.20Minuten

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späterhobendieJunkersab.AllebisaufeineMaschineerreichtenMünchen.
EineJunkers–ausgerechnetdiemitdenMaterialienAdolfHitlers–stürzteab.
DasEhepaarvonMehtalwaraberinSicherheit...

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„Berlinwirdeingekesselt“–DerEndkampfumBerlinbeginnt

DieLage:NachdemDurchbruchderrussischenArmeenanderOder
kollabiertderdeutscheWiderstandnachundnach.Unaufhaltsamrücken
dieSowjetarmeenaufdieReichshauptstadtBerlinzu.VonallenSeiten
erfolgenjetztdieerstenAngriffegegendieAußenbezirkederStadt,die
bereitsnachkurzerZeitvondenSowjetarmeenbeiPotsdamumschlossen
wird.

DochdasengbebauteGebietmitvielenKanälenundWasserläufenbietet
denVerteidigernunzähligenatürlichgeeigneteAbwehrpositionen.Das
gesamteStadtgebietistdarüberhinaussoriesig,dasssichimmerwieder
LückensowohlbeiderdeutschenAbwehralsauchbeidenrussischen
Angreifernauftun.DiesführtzuvielenmerkwürdigenSituationenund
überraschendenZusammentreffen,bildetaberauchimVerlaufderSchlacht
dieGrundlagefürdieHoffnungetlicherVersuche,ausderStadtin
RichtungWestenauszubrechen.

Am23.AprilschlagendieerstenrussischenArtilleriegranatenimBereich
derReichskanzleieinundmachenAdolfHitlerundseinerverbliebenen
Entourageendgültigklar,wiedramatischdieSituationist.DieinderStadt
befindlichenTruppensindeinheillosesSammelsurium.Nebenfanatischen
SS-Einheiten,darunterauchdie11.SS-Panzergrenadierdivision
„Nordland“,dieunteranderemmiteinemGroßteildänischerFreiwilliger
bestücktist,gibtesvieleweitereEinheitenmitextremunterschiedlichem
Kampfwert.

DiewichtigsteEinheitistdasLVI.Panzerkorps,demdiverseDivisionen
unterstelltsindunddasnochdeninsichgeschlossenstenVerbanddarstellt.
DarüberhinausgibtesunzähligeVolkssturmverbände,HJ,Flakund
sonstigeEinheiten,dieaberimRegelfalldenAnforderungendesmodernen
Kriegesnichtgewachsensind.Insgesamtstehenetwa60000Mannzur
VerteidigungBerlinsbereit.IndenTagennachdem23.Aprilrückendie

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RusseninRichtungStadtmittevor.ImNordteilderStadtistesdie12.
RussischeGardearmee,dieüberPankowaufdasRegierungsviertel
vorrückt.DerBereichrundumdenFlakturmHumboltshainwirdvonder
schwerangeschlagenen9.Fallschirmjägerdivisionverteidigt.Der
Häuserkampfisterbittert...

TruppendesLVI.Panzerkorps

18.Panzer-Grenadier-Division/Kampfwert:angeschlagen,aber
kampffähig
20.Panzer-Grenadier-Division/Kampfwert:abgekämpft,schwach
Division"Müncheberg"/Kampfwert:gut,hoheEinsatzbereitschaft
9.Fallschirmjäger-Division/Kampfwert:nurnochbedingt
kampffähig
SS-Division"Nordland"/Kampfwert:durchschnittlich

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KampfberichtVerteidigungvonBerlin/NARAP-136/OberstWillemer

„ImLaufederschwerenKämpfewurdendiedeutschenTruppenbisaufden
Eisenbahnringunddahinterzurückgeworfen.Am30.Aprilhieltendie
VerteidigernurnochdenRegierungssektor,dieunmittelbareUmgebung
desTiergartensundeinenStreifen,dersichvomZoosektorbiswestlichzur
Havelausdehnte.DieRussennutzeneineplanvolleundmethodische
ProzedurfürihrenAngriff.BombardierungenundschweresArtillerie-und
MörserfeuergingenjederneuenAttackevoraus.

DieInfanteriewurdedurchPanzer–einzelnoderinGruppen–undvon
PionierenmitFlammenwerfernundSprengmittelbegleitet.DerVormarsch
warlangsam–StrassefürStrasse,HausfürHaus.DieInfanterienutzejede
GelegenheitdurchHinterhöfe,Unterführungen,U-Bahn-Tunnelund
KanalisationeninunsereStellungenzuinfiltrieren.Dadurchwurdenviele
Verteidigungspositionenvonhintenoderobenausgeschaltet.“

Berlin-Pankow/25.April1945/12.Gardekorps

WiederrauschenzweiSturmoviksüberdieRuinenvonBerlin-Pankowin
RichtungStadtmitte.DieandieHauseingängegeschmiegtenRotarmisten
schauendeninlediglich150MeternHöhefliegendenMaschinennach.Die
rotenSterneaufdenTragflächensindtrotzderlangsameinsetzenden
Dämmerunggutzuerkennen.DieroteLuftwaffebeherrschtnachBeliebenden
HimmelüberdemTrümmerhaufen,dersichBerlinnennt.EinenGegner
brauchensienichtmehrzufürchten.DiedeutscheLuftwaffeexistiertpraktisch
nichtmehr.Ja,esgibtimgesamtenBereichderHauptstadtauchkaumnoch
einenFliegerhorst,derindeutscherHandist.

DerrussischeLeutnanthebtseinenArmundschwingtihnineinergroßen

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bogenförmigenGestenachvorne.Schongehtesweiterfürdierussische
Kompanie,diedenAngriffdurchdieGreifswalderStrassehierimNorden
Berlinsanführt.AmTagezuvorhattensieeineSchulungerhalten,wiesiesich
imHäuserkampfzuverhaltenhatten.AberwiesooftwarenTheorieundPraxis
eindiametralerUnterschied.AmSchlimmstenwardieUngewissheitbeidem
VordringendurchdieRuinenlandschaft.Eswarunmöglichzuwissen,wannein
ScharfschützegeradedieKugelmitdemeigenenNamenlud.

MaximPoltawskijnimmtseinGewehrhochundbegibtsichausseiner
Deckung.AufderStrasseliegendieschwelendenWrackszweierdeutscher
Schützenpanzer.Esscheintfastso,alswennsiealsHindernissebewusstdort
platziertwordenwaren,aberdiesistwahrscheinlichnichtderFall.

DieDunkelheitsetztlangsamein,währendsichGrüppchenvon5-8Soldaten
langsamvorwärtsbewegen.DerBefehlistes,Widerstandzulokalisierenund
auchHinterhöfeundGärtensowieKanalschächtenachDeutschenzu
durchsuchen.

DieRussenhattenbeimEindringenindieStadtschnellbemerkt,dassPanzer
undgepanzerteFahrzeugeindenHäuserschluchtenderStadteineleichteBeute
dergutgetarntenPanzerbekämpfungstruppsderDeutschenwurden.Zwar
variiertedieKampfkraftundGeschicklichkeitderdeutschenSoldaten,aberdie
TaktikschiendenmeisteninFleischundBlutübergegangenzusein.

MeistwurdenderFührungspanzerundeinPanzerinderMitteeinerKolonne
mitderPanzerfausterledigtunddamitdieBewegungsfähigkeitvonmanchmal
10–15Panzerausgeschaltet.

DienunzwischendenbeidenabgeschossenenPanzernbefindlichenFahrzeuge
wurdendaraufhinnachundnachmitweiterenAngriffenmitderPanzerfaust
oderwohlplatziertenPAK-Geschützenzerstört.

ErstalsdieVerlusteeinfastunerträglichesAusmaßerreichthatten,ändertedie

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russischeArmeeführungdieTaktikundließerstdieInfanterievorrücken,um
PanzerfallenschonimVorausauszumachenundzueliminieren.DerEinsatz
vonFlammenwerferTruppswarhierbeieinegroßeHilfe,diehartnäckigen
undgutverschanztenVerteidigerausihrenKampfständenbuchstäblich
herauszubrennen.

PoltawskijbeobachtetwiezweiseinerKameradenaufdemBürgersteig,der
mitdenTrümmerndesvorausgegangenenArtilleriebeschussesübersätwar,
vorangehen.DasieMaschinenpistolenbeisichhaben,könnensieschnellmit
großerFeuerkraftaufplötzlichauftauchendenWiderstandreagieren.

EinerderRotarmistennähertsicheinemFahrzeugwrack.Esistein
Personenwagen,derbereitsvölligausgebranntist.Dochkaumhatersich
hinterdasWrackbegebenpassiertes.MiteinemdumpfenKnallgehteineMine
unterihmhoch!

„Arrrhgg“,derSchreidesMannesistmarkerschütternd.Poltawskijsiehtsofort
denblutigenBeinstumpfdesSoldaten.DieMinehatihmeinenFuss
weggerissen.AberauchseinKopfblutetstark.NacheinigenweiterenSchreien
wirdderSoldatruhigundbewegtsichnichtmehr.Obertotist?Poltawskij
weiß,dasssieihmnichthelfenkönnen.SiehabenkeinenSanitäterindem
vorderstenSturmtruppdabei.AufderanderenStrassenseitesehensieden
Leutnant.Erwinktwieder.

„Nachvorne!Davai!“,brüllterausvollerKehle.

DerKriegistunerbittlich.StalinwilldieStadtsoschnellwiemöglichsein
Eigennennen.EsistkeineZeit,sichumeinenVerwundetenzukümmern.

DochdieExplosionderMinescheintdieDeutschenaufdierussischen
Vorhutenaufmerksamgemachtzuhaben.PlötzlichschlagenaufderStrasse
Mörsergranatenein.

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„Verdammt!Herunter!“,brülltFeldwebelAndreiOstrapenko.Überall
detonierenjetztdieGranaten.Poltawskijdrücktsichindennächstbesten
HäusereingangeinesfastvölligausgebranntenHauses.Ostrapenkospringt
ebenfallsdortinDeckung.Dannwirdesheftig.

WildesMG-FeuerschlägtdenSoldatenentgegen,derFunkenflugderindas
MetallderaufderStrassestehendenFahrzeugwrackseinschlagendenMG-
KugelnistdeutlichsichtbarundwirktfastsowieeinkleinesFeuerwerk.

AufderanderenStrassenseitesindjetztSchreiezuhören.Poltawskijschaut
reflexhafthinüber.EineMörsergranateistmittenindievorgehendeTruppedes
Leutnantseingeschlagen.

„WosinddieverdammtenDeutschen?“,sagtderFeldwebelmitsichtlich
erregterStimme.IndereinbrechendenDunkelheitistderVerteidigermassiv
imVorteil.HalbaufdemBodenliegendhältPoltawskijseinMosin-Nagant
GewehrhochundtastetmitseinenBlickendenHäuserblockaufderanderen
Seiteab.

AbererkanngenausowieOstrapenkonichtserkennen.DieWiderstandsnester
undScharfschützennagelndierussischenSoldatenfest.DieGranatwerfer
habenihrFeuerjetzteingestellt,abereinzelneSchüssepeitschendurchdie
Strasse.

„Scharfschützen“,meintOstrapenkolakonisch.Esistoffensichtlich,dasses
keinenSinnmachtweiterindereinbrechendenDunkelheitvorzurücken.Sie
würdenbiszumMorgenwartenmüssen,bisdieSelbstfahrhaubitzennach
vornerückenkönnen.DieDeutschenhabendenrussischenVormarscherst
einmalaufhaltenkönnen.

***

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ImKompaniegefechtsstandeinerEinheitder9.Fallschirmjägerdivision,der
sichetwassüdlichdesS-BahnbahnhofsWeißenseebefand,läutetdas
Feldtelefon.

„Endlich,daswirddieDivisionsein“,rauntLeutnantWernerzuUnteroffizier
ZerbstundnimmtdenHörerab.EsistinderTatdieDivision,dieihren
HauptgefechtsstanddirektamFlakturmHumboltshainhat.

„LeutnantWerner,wieschautesbeiIhnenaus?“,fragteinerderStabsoffiziere.

„DerRussehatsichjetztersteinmalzurRuhegebettet.Bisheristnureinrelativ
schwacherVorstoßdieKniprodestrasseherunterdurchgeführtworden.Noch
haltenwirdenRing“,erwidertderLeutnant.DieKniprodestrassewurdedurch
denS-Bahn-Ringunterbrochen.

EineBrücke,diebereitsvonderWehrmachtgesprengtwordenwar,führte
überdieGleisederBahn.DieswardieLinie,dieunbedingtzuhaltenwar.Die
KompaniehattesichdirektandersüdlichenBegrenzungderBahnlinie
eingegraben.Abernochhattensienichteingreifenmüssen.EineAlarmeinheit
hattedieRussennocheinStückweitvorderBrückeaufgehalten.Lediglichdie
wenigenGranatwerferderFallschirmjägerhattenFeuerunterstützunggegeben.

„Gut,wirdenken,dassderRussemorgenfrühPanzernachziehenwird.Sie
müssendieBahnlinieunbedingthalten.“

„Jawohl,wirhalten!“,sprichtderLeutnantindasTelefon,alswennesinseiner
Handliegenwürde,denzuerwartendenAnsturmderRotarmistenaufzuhalten.
Seine„Kompanie“bestehtnochaus40Mann.

ZerbstnimmtdemLeutnantdenHörerabundlegtihnauf.

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„SchusterundGrabbertsindgeradezurückgekommen.Dabrautsicheiniges
zusammen.InWeißenseestehenwohlandie150Panzer.Morgenhabenwir
einigesanFeuerzauberzuerwarten“,sagtderUnteroffizier.

LeutnantWernersetztsichohneetwaszusagenaufdenStuhl,derindem
notdürftighergerichtetenGefechtsstanddieeinzigeSitzgelegenheitdarstellt.
DiebeidenSpäherhabennurbestätigt,wasallewissen.DieÜbermachtder
Russenistdermaßenübermächtig,dassalleskeinenSinnmehrmacht.Seitdie
9.FallschirmjägerdivisioninderOderschlachtfastzerschlagenwordenwar,
stehenihreResteimnördlichenVerteidigungsabschnittderReichshauptstadt.

ImmerhinistdieAusrüstungderverbleibendenTruppenrelativgut.Auchan
Munitionmangeltesnicht,nachdemsiedurchZufallTagezuvoraufein
verschlossenesWehrmachtsdepotgestoßenwaren.Dochdieehemaligen
MännerderLuftwaffe,dieerstimDezemberimRahmenderDivision
aufgestelltwordenwaren,mangeltestrotzeineshohenEinsatzwillensan
erfahrenenTruppenführern.AberdaswareinSchicksal,dasssiemitsovielen
DivisionenderWehrmachtimJahre1945teilt.

6Stundenspäter

LeutnantWernerliegtaufderkleinenPritsche.EristineinenunruhigenSchlaf
gefallen.AberdieNachtistrelativruhig.ZwaristdasDröhnenderArtillerie
mittlerweileeinpermanentesHintergrundgeräusch,aberdieRussenaufder
NordseitederBahngleiseverhaltensichinderNachtruhig.

AlleEinheitenimVerteidigungsbereichsindgewarntworden,dassdieRussen
inderNachtInfiltrationsaktionendurchdieKanalisationdurchführenwürden,
aberbisheristdiesnochnichtimBereichder9.Fallschirmjägerdivision
festgestelltworden.

PlötzlichwachtWernerauf.DasHämmernvonAbschüssenschwerer

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Geschützeistzuhören.

ZerbstkommtindenRaum.„DassindunsereBatterienimFlakturm“,erklärt
derUnteroffizier,ohnedasWernerihnüberhauptgefragthätte.Schonam
VortagwareneinzelneFlakgeschützedesgewaltigenBunkerkolossesinAktion
getreten.SoweitesZerbstbekanntist,stehenaufdenPlattformendesBunkers
8FlakgeschützedesKalibers12,8cm.DieFlaktürmesindwederdurch
FlugzeugenochdurchArtilleriewirklichzubekämpfen,sodassdie4über
BerlinverteiltenTürmewichtigeEckpfeilerinderVerteidigungskonzeption
derReichshauptstadtdarstellen.

Wernernickt.Draußenwiresschonetwasheller.DerTagbrichtan.Nach
allem,wasderLeutnantweiß,wirdeskeinguterTagwerden.

DieEinheitnenntnocheinPanzerabwehrgeschützihrEigen.Die4Kanoniere
derFallschirm-Panzerjägerabteilung9habendas7,6cm-Geschützineiner
HausruineentlangderBahnstreckeinStellunggebracht.

Ironischerweiseisteseineumdesigniertesowjetische„Ratsch-Bumm“,dienun
als7,6-cm-Feldkanone269(r)indeutschenDienstensteht.DiePakwarzu
HundertendendeutschenTruppenbeiihremAngriffaufdieSowjetunionindie
HändegefallenundwarbeidenSoldatensehrbeliebt.

SelbstinNordafrikahattesieindenHändenvonRommelsTruppenden
EngländerndasFürchtengelehrt.Trotzdemwarsiesymptomatischfürdie
AusrüstungssituationderWehrmacht.EsgabunzähligeverschiedeneMusteran
Beutewaffen.BesondersnachdemSeitenwechselItalienswareineriesige
MengeanitalienischenWaffendemdeutschenHeerzugeflossen.Eswarder
AlptraumeinesjedenQuartiermeisters.SpezielldieMunitionsversorgungwar
einerheblichesProblem.

WernererinnertsichandievielkolportierteGeschichteeiner
FallschirmjägereinheitinderNormandie,diefestgestellthatte,dassdie

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geliefertenMörsergranatenzukleinfürihrenMörserwaren.Erstalssiedie
GeschossemitallerleiTuchumwickelthatten,warendieMörserdoch
einsatzfähig.AberdieRatsch-BummwareineErfolgsgeschichte.Dasdeutsche
HeerhattesogarMunitionnachproduzierenlassen,sodasssiepraktischeine
deutschePanzerabwehrkanonegewordenwar.

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7:00Uhrmorgens-Wachablösung.Zerbstkommtmit3Soldateninden
Gefechtsstand.ErübergibteineLeuchtpistoleanWerner.

„Nochallesruhig,dieLeuchtpistolehabeichvergessenimKampfstandzu
übergeben“,sagtersichtlicherschöpft.DieMüdigkeitderNachtwachesteckt
ihmindenKnochen.

WernerstecktdieLeuchtpistoleein,nimmtseinenStahlhelmundmachtsich
auf.DasWetterüberBerlinistdurchwachsen.Immerwiedernieseltesein
wenigausdenWolken.VonWestenausRichtungWeddingistdasheftige
DröhnenderArtilleriezuhören.AberimBereichderzerstörten
BahnüberführungistnochnichtsvondenRussenzusehen.Schonbaldhater
sichdurchdieTrümmerzueinemMG-Kampfstanddurchgeschlagen.

„Kameraden,wiesiehtesaus?WasmachtderIwan?“

ObergefreiterWarnitzhustetleicht:„Nüschtviel.Bisheristesruhig.Der
Volkssturmistaberabgezogenworden.MussirgendwoeinLochstopfen.Das
heißtdieFrontlinieverläuftjetzthier.“

„Gut,gut,dannschauenwirmal,wannunsereFreundeauftauchen“,erwidert
Werner.ErschautaufdieMunitionsbehälterfürdasMG42.6derBehälter
stehendort.Außerdemliegen3PanzerfäusteundmehrereStielhandgranaten
bereitzumdirektenEinsatz.DieGruppenwurdenachdrücklichvor
Infiltrationsversuchengewarnt.AberinderStellunghieristallesvorbildlich,
denktWerner.

„WiehabtihrdieEntfernungeingestellt?“,fragternach.

„Auf400isteseingestellt.DamitdeckenwirgenaudieZugängevonden
BrückentrümmernaufdieBahngleiseab.“Wernernickt.Allesistperfekt.

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Nach20Minutenistimmernochnichtspassiert,alsplötzlichdasRöhren
schwererPanzermotorenzuhörenist.DasunverkennbareGeräuschvon
rasselndenKettenerfülltdieLuft.

„Franz,esistsoweit!“Die4FallschirmjägerindemKampfstandrichtenihre
BlickejetztwieHabichteaufdieandereSeitederBahnstrecke.Sieallewissen,
wenndieMotorenderSowjetpanzerschonindieserLautstärkezuhörensind,
müssenjedenMomentdieerstenStoßtruppsderrussischenInfanterie
auftauchen.

DanneineBewegungamHanggegenüber.AndergesprengtenÜberführung
stehen2SoldateninbraunenUniformen.VorsichtigtastensiesichMeterum
Metervor.Immerwiederduckensiesichundschauensichangstvollum.

„Feuerhalten!“,rauntWernerzudemSchützenamMG.Dernicktnur.Das
vereinbarteSignal,umdasFeuerauferkannteZielezueröffnen,isteineweiße
Leuchtkugel.DerLeutnantnimmtdiePistoleindieHand.Rechtsundlinkssind
dieweiterengetarntenMG-StändederKompanie,diekaummehrhalbe
Sollstärkebesitzt.

InzwischensinddieerstenRussendenkleinenHangzudenBahngleisen
heruntermarschiert.EsrückenimmermehrInfanteristennach.Überallim
BereichderBrückentrümmersindjetztRotarmistenzusehen.Wernerweiß,
dassernichtlängerwartendarf.ErhebtdieLeuchtpistole.DieMännerandem
MG42schauensichschonimmerwiederum.DieSpannungist
nervenaufreibend.ImmerhinistderFeindlediglich300Meterentfernt.

DannrecktWernerdenArmhochundfeuertdieLeuchtkugelinden
wolkenverhangenenHimmelüberBerlin.

„Feuer!“,sagtermithoherBestimmtheitinderStimmezuseinenMännern.
WährenddieLeuchtkugelineinemBogendurchdieLuftfliegtundlangsam

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verlöscht,ratterndiedeutschenMGslos.VonallenKampfständensindjetztdie
kurzentypischenFeuerstößederMG42zuhören.EsistinInferno.

DieerstenRussengehenzuBoden,weitereversuchenverzweifeltwiederden
Hangheraufzukommen.Instinktivversuchensiezufliehen,anstattsichhinter
denSchotterderGleisezuwerfenundsowenigstenseinwenigDeckungzu
bekommen.DieisteinfürchterlicherFehler.

Nachnichteinmal2MinutenistdasblutigeSchauspielvorüber.Nurdie
WenigstenderRussenhabenesgeschafftzuentkommen.Wernerzähltetwa20
lebloseKörper.

DochistwenigZeitdurchzuatmen.DasDröhnenderPanzerkettenwirdimmer
lauter.Eswarnochnichtvorbei.ImGegenteil,derKampffängtgeradeerst
an...

***

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„IchwerdedenverdammtenFaschisteneineLehrstundeerteilen“,brülltMajor
Artyomov.SoebenistderMeldereingetroffenundhatberichtet,dassdieersten
beidenSpähtrupps„aufgerieben“wurdenundderAngriffstockte.

„LosRachinsky,schickenSiedieschwerenBrummernachvorne.Wirwerden
unsbestimmtnichtvoneinpaarMaschinengewehrenbeeindruckenlassen.“

„Jawohl,Major.DieSU-76stehenschonanderBrücke.Wirwerdenden
Widerstandeliminieren“,erwiderteOberleutnantNovikov.

„Gut,machenSieschnell.GenosseStalinhatunseinenengenZeitplangesetzt.“

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30Minutenspäter...

„Panzergranateladen!“,brülltLeutnantWerner.Überallschlagenjetztdie
GranatenderanstürmendenrussischenGardistenein.DiesesMalgibteskeinen
Zweifelmehr–dieRoteArmeewirddurchbrechen,kostees,waseswolle!Es
gibtkeinerleiRücksichtaufVerlustemehr.WildbollertdieFlakinden
BetonschlachtschiffenderBerlinerFlaktürme.DierussischeArtilleriefeuert
mitallemwassiehat,aberdiemeterdickenMauernkönnenauchvonden
großkalibrigstenSowjetgranatennurangekratztwerden,wasdieWutder
Russennurnochanstachelt.

GäbeesdieseFeuerunterstützungnicht,wärendiedünnen
Verteidigungsstellungender9.FallschirmjägerdivisionunddesVolkssturms
schonlängstdurchbrochen.

DochauchsobefindetsichWernersKompanieineinerverzweifeltenSituation.

„Entfernung150Meter–russischesSturmgeschütz–Feuer!“,schreitder
KompaniechefausvollerKehle.DieGranatekrachtausderPAKundtrifftden
SU-76,aberesistnichterkennbar,obderTreffertödlichwar.Esmachtaber
auchkeinenUnterschied.RechtsundlinksstürmenmitlautenGebrüll
Rotarmistenhervor.EssindwohlHunderte.

DiewenigendeutschenMG-KampfständefeuernwievonSinnenindie
anstürmendenWellenvonsowjetischenSoldaten.DieKolbenderMG42
drückensichindieSchulternderSchützen.DieLäufebeginnenzuglühen.
ImmernäherkommendieSowjets,dieüberdiegefallenenKörperihrer
Kameradensteigenmüssen.

JetztheisstesNervenbehalten.EinefastunmöglicheAufgabe–denglühend
heißenLaufdesMG42herauszunehmenundzuwechseln,währendsichdie
Russenbisauf50,60Metergenäherthaben.

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GarbeaufGarbeschmettertdenSowjetsentgegen,aberschonhabendieersten
RusseneinenKampfstanderreicht.MitihrenBajonettenmachensiedie
Deutschennieder.

WernersiehtwieeinKampfstandnachdemanderenvondenRussenüberrannt
wird.PlötzlichhörtereinirrsinnighohesPfeifen.Erschautnachoben...ober
dengellend-lautenEinschlagderMörsergranatenochhörte,spieltkeineRolle
mehr.LeutnantWernerunddiePak-MannschaftliegenSekundenspäterzerfetzt
inderStellung.

EinRotarmistkommtheran.VorsichtighälterseinePPSh-41vorsichund
sondiertdiezerstörteStellung.AbererbrauchtsichkeineSorgenmehrzu
machen.HinterihmkommteinFahnenträgermiteinerSowjetfahne.

ErstelltsichaufdenErdwallderStellungundschwenktdieFahne.

DeraufgestickteTextdesrotenBannersfasstdenKampfzusammen:

„побед а!“–SIEG–dasroteBannerderGardearmeeflattertindem
aufkommendenWindaufdemgeradeerobertendeutschenKampfstand.

SergejMarkowhatdasBannerindieErdegerammt.DasMG42dampftnoch,
derLaufistglühendheiß.3-4LäufeliegeninderStellung.DieDeutschen
habenerbittertgekämpft,bisdieRotarmistensiebuchstäblichinihrem
Kampfstandbajonettierthatten.

AberwasfüreinPreis–vorderStellungliegenandie70toteSowjetsoldaten.

Dochesistnochnichtvorbei.MorgenwürdensiezumSturmaufden
Reichstagansetzen.Siewissen,dass2000fanatischeSS-MännerHitlersletzte
Stellungverteidigenwürden.EssinddiePrätorianerdesFührers,dereninBlut

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geschriebenerSchwur„SiegoderTod“lautet.

EinesweißMarkowabergewiss–esgibtkeinenZweifel,werdenSieg
davontragenwürde.DannreckterdieFaustindenHimmelundschreitaus
vollerKehle„побед а!“...

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ErbitterteKämpfeamLandwehrkanal

29.April1945/LandwehrkanalNäheMöckernbrücke

DieLage:NachhartenKämpfenstehendieRussenimSüdteilBerlins
entlangdesUfersdesLandwehrkanals.AmnördlichenUferhabendie
DeutscheneinLabyrinthanPanzerabwehrwaffenundverdeckten
Stellungenerrichtet,umÜbersatzversucheüberdenKanalabzuwehren.
DenRussengegenüberstehendieEinheitendesLVI.Panzerkorps,dem
einzigennochmilitärischadäquatenVerbandinBerlin.

ZwargelingtesimmerwiedereinzelnenGruppenüberdenKanalaufdie
Nordseitezukommen,aberdieRotarmistenwerdendurchmassives
Abwehrfeuerfestgenagelt.UmdenDurchbruchzuerzwingen,greifendie
RussenmitmassivenKräftendieimmernochstehendeMöckernbrückean...

KampfberichtVerteidigungvonBerlin/NARAP-136/OberstWillemer

„Am17.und18.AprilgelangesdemFeindtiefindieLinieneinzubrechen
unddiedeutscheVerteidigunggegenüberdemBrückenkopfbegann
schwächerzuwerden.DasNachziehenvonReservenwarverzögert.Am18.
Aprilwurdedie18.PanzergrenadierdivisionindenKampfgeworfen.Ihr
folgtediePanzergrenadierdivision„Nordland“undTeileder
Panzergrenadierdivision„Nederland“.InderFolgekonntekeinwirksamer
Gegenangriffmehrdurchgeführtwerden.DasLVI.Panzerkorps,dasdie
KräfteöstlichBerlinsbefehligte,konntenichtsweitertun,alsden
russischenVormarschzuverzögernundeinenstufenweisenRückzug

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durchzuführen.

Der(russische)AngriffskeilzwischenForstundGubendrückteinden
leerenRaumvor.DieMassederAngriffsformationenindiesemSektor
schwenktenachNordeneinundbedrohtedenRückender9.Armee.Dies
bedeuteteeinehoheGefahrfürBerlinaussüdlicherRichtung.Umdieser
BedrohungHerrzuwerdenwurdedienochinAufstellungbefindliche
Division„Jahn“durchdasArmeeoberkommandoaufeinem40Kilometer
langenFrontabschnittbeiderseitsBarutheingesetzt.Dieswardie
sogenannte„ArmeegruppeSpree“.

Am20.AprilbrachendieRussendurchdieseschwacheVerteidigungslinie
beiBaruthunderreichtenZossenam21.Aprilsowiedensüdlichen
PerimeterBerlinsam22.April.TeilederDivisionJahnzogensichauf
Potsdamzurück.“

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29.April/LandwehrkanalNäheMöckernbrücke/28.Gardekorps/79.
GardeInfanterieDivision

Serschant(Feldwebel)Anjukowschautaufdiebehelfsmäßig
zusammengeschustertenFlöße.SeinSturmtruppbestehtaus12Mann.Es
scheint,alswennallesbereitist.Jetztgiltesnurnochabzuwarten,bisdie
ArtillerieunddieMörserdasFeuereröffnen.DerLandwehrkanal,densie
wiedereinmalversuchenwürdenzuüberqueren,istetwa30Meterentfernt.
PlötzlicherscheintLeutnantChernovinderStellung.

WobeidasWort„Stellung“einenziemlichenEuphemismusdarstellt.Inder
völligzertrümmertenStadtgibteskeineStellungenimSinneeinerklaren
Frontlinie.JederHinterhof,jedesnochhalbwegsintakteMauerstückwirdals
Deckunggenutzt.Keiner,obDeutscheroderRusse,weiss,obnichtimnächsten
MomentderFeindauseinemKanalschachtoderauseinemKellerloch
hervorkriechtunddasFeuereröffnet.

DerKampfumBerlinwarineintotalesChaosentartet,derHäuserkampfeine
dergrauenerregendstenKampfräume.Flammenwerfer,Handgranatenund
NahkämpfemitGrabendolchundBajonettenhabenwederdiemeisten
DeutschennochdieRussendurchstehenmüssen.Berlinbedeutetnochmalseine
unfassbareSteigerungderGewaltfürdieMännerbeiderSeiten.

„DasRegimentwill,dassderAngriffumPunkt16:00Uhrlosgeht.5Minuten
davorwerdenunsereMörserNebelfeuern.SindihreMännerbereit?“

DerLeutnantschautAnjukowscharfan.EswarkeinGeheimnis,dassChernov
vonderKPabgestelltwordenwar,um„Sonderaufgaben“durchzuführen.Diese
bestandendarin,jeglichesNachlassenderDisziplinimKampf,besondersaber
FeigheitundDrückebergertumaufzuspürenund„geeigneteMassnahmen“zu
ergreifen.

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Einmalhatteermitbekommen,dasseinerdieserParteimitgliederbeimAnblick
von3vonderSSalsvermeintlicheFeiglingeaufgeknüpftenDeutschennur
lapidarmeinte:„Sosolltenwiresauchmachen.“

AberesistkeineZeitsichdarüberGedankenzumachen.SeineEinheitist
bereit.

„Jawohl,wirsindbereit!“,erwidertderFeldwebel.Dannverdrücktsich
ChernovwiederundgehtgeducktübereinenTrümmerhaufenzudemnächsten
Stoßtrupp.

10MinutenspäteristdieSpannungzumGreifennahe.AusRichtungOstenist
lauterKampflärmzuhören.AnjukowkenntzwarnichtdieDetailsdes
gesamtenAngriffsimBereichder8.Gardearmee,abererweiß,dassdie
benachbartenEinheitenimmerwiederversuchen,dienochintakten,aber
vermintenMöckernburg-undPotsdamerBrückezunehmen.Aberbisher
habendieDeutschensichuntererbittertenWiderstandindenHäusernam
NorduferdesLandwehrkanalsgehalten.

DieHäuserschluchtenBerlinsbietendenVerteidigernderReichshauptstadt
unzähligeVersteckeundDeckungsmöglichkeiten.Besondersharttrifftesdie
vorrückendenPanzer,derenBekanntschaftmitdenhierimHäuserkampfmit
dramatischerWirkungeingesetztenPanzerfäustenoftmalsineinDesaster
ausartet.AberauchdieInfanteriehatnichtvielzulachen.Dieständig
ratterndenMGsderDeutschensindeinePestundvieleRotarmistenfallenden
verstecktenKampfständenzumOpfer.

DannkrachendieerstenNebelgranatenindenUferbereichdes
Landwehrkanals.Esistdeutlichzusehen,wiedermilchigeNebellangsam
hochsteigtundeineschützendeTarnkappeüberdenganzenKanallegt.

Nunistessoweit.DieRotarmistenkommengeducktausihrenVersteckenund
schreitenschnellmitdenFlößenaufihrenSchulternzudenUferndesKanals.

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ÜberallschepperndieumgehängtenMaschinenpistolen.

Anjukowsagtnichts.ObwohlsiedasersteMaleineFlussÜberquerungin
dieserFormabsolvieren,scheintderStoßtruppfastperfekteingespielt.Schon
stehensieamWasserdesKanals.EinekleineschrägeSteinmauerführtindie
trübenFlutendesGewässers,aufdemallerleitreibt.Holzlatten,Eimer,ein
SchuhundauchdieLeicheeinesgefallenenDeutschen.NachderKörperfülle
desMannestaxiertAnjukowdenleblosenKörperalseinenVolkssturmmann
ein.AberesspielteauchnichtdiegeringsteRolle.

DerAngriffgehtleisevorsich.Dassonstübliche„Hurräh“ertöntdieseMal
nicht.Allewissen,dassdieDeutschenaufderanderenSeitedesKanalsnur
daraufwarten,dieangreifendenRussenauszumachen.Manwillihnenesnicht
zuleichtmachen.

DochkaumsinddieerstenFlößeinsWassergelassen,gehtderFeuerzauber
los.ZurRechtenvonAnjukowsTrupphateinFlossmit8Rotarmistenbereits
dieKanalmitteerreicht,alsFeuerstößeausdemnebligenNichtsihre
grauenhafteArbeitaufnehmen.DasBrrrp-BrrrpderdeutschenMG42zerreißt
dieLuft.

SchreiendfallendieVerwundeteninsWasser,währenddietödlichGetroffenen
wiegefällteBaumstämmekollabierenundstummzurSeiteindenKanal
wegkippen.SiesitzenaufdenFlößenohneetwasmachenzukönnen.Esistein
Schlachtfest,beidemdieDeutschennochnichteinmaldenFeindsehenmüssen.

Anjukowsieht,wiedieLuftüberdemKanalvonLeuchtspurgeschossen
durchteiltwird.DererfahreneSoldatrealisiertsofort,dassdieDeutschensich
überschneidendeFeuerzoneneingeteilthabenundsoeingrauenhaftes
Kreuzfeuerentsteht.

OffensichtlichistderBereichvorabeingemessenworden.Imnichtganz
dichtenNebelzischteinGeschosshagelausdenRuinenmitdenversteckten

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Deutschen.DasBrrrp-BrrrpdergefürchtetendeutschenMG42istjetztvon
überallherzuhören.AufderKaimauerentlangdesKanalstreffenKugelnin
flacherBahnaufdenSteinboden,spritzenfunkenstiebendwiederhochund
verursachenQuerschläger,diesomanchemInfanteristenzumVerhängnis
werden.

„Halt!“,brülltAnjukow,alsseineMännergeradeaufdasFlosssteigenwollen.
Inzwischenhatesbereits3Flößeschwererwischtundsietreibenohnenoch
irgendeinenSoldatenaufdem„Deck“führerlosindemKanal.Trotzaller
AngstvorStalinsParteisoldatenrennenschonvielederrussischeSoldaten
rechtsundlinkszurückinihreStellungen,ohneüberhauptzuversuchenaufdie
Wasserflächezukommen.Esistoffensichtlich,dassesunmöglichist,dem
Feuerhagelzuentkommen.

„Loszurück!“,herrschtAnjukowseineMänneran,dieihnangstvoll
anschauen.Siewissen,dassesihnennichtsnützenwird,wennsiespäter
vorbringen,derFeldwebelhättedenAngriffabgebrochen.Solltensieals
Deserteureangesehenwerden,würden10JahreSibiriennocheinegeringe
Strafesein.

DochdieAngstvordenjetztüberallimKanaleinschlagendendeutschen
MörsergranatenunddenMG-FeuerstößenistgrößeralsdieAngstvorden
eigenenAufpassern.

SienehmenihrePPSh-41Maschinenpistolenundlaufenzurückinihre
Deckung.InzwischenhabenauchdieDeutschendasFeuermerklichreduziert.

AnjukowblicktaufdenKanal,überdemsichderNebeljetztlangsam,aber
stetiglichtet.Wasersiehterschüttertihn.3FlößeundmehrereFloßsäcke
treibenherrenlosaufdemWasser.OhnezuzählentaxierterdieimKanal
treibendenLeichenaufmindestens20.DasWasseristblutrotgefärbt...

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NorduferLandwehrkanal/HöheGerichtsgebäudeMöckernstrasse

LeutnantWerninghocktnebender7,5cmPAK,diemitTarnnetzenperfekt
abgedecktzwischendemausgebranntenGebäudedesAmtsgerichtsunddem
UferderLandwehrkanalszwischenzweiSchutthaufeneingegrabenist.

WerningnimmtseineFeldflaschenundversuchteinenSchluckzutrinken,aber
außereinpaarTropfenkommtnichtsmehrausderFlascheheraus.

„Verdammt,dashatmirgeradenochgefehlt“,murmeltderSoldat.Aufdem
Südufer,fastgenauaufderAuffahrtderBrücke,brennteinrussischerT34
lichterloh.Esistgerademal15Minutenher,dassderinzwischendritteAngriff
vondenMännernder„Müncheberg“abgeschlagenwurde.

DochauchdieeigenenVerlustewarenhoch.Diefastselbstmörderischen
Angriffedes„Iwans“hatteneineunglaublicheWucht.DochdieFronthieram
Norduferhieltnoch.Besondersdiebeideneingegrabenenmächtigen
Königstigerbeherrschenmitihrenmachtvollen8,8cm-Kanonendengesamten
BereichimVorfeldderBrücke.

SeitdieDivisionsichnachBerlinzurückgezogenhatte,standsieinharten
Nahkampfgefechten.DochderKampfausgangwarabsehbar.JedenTag,jede
StundefielenSoldatenderEinheit.JederverloreneoderwegenSpritmangel
aufgegebenePanzerbedeuteteeineempfindlicheSchwächungderVerteidiger.
Allewussten,dassesnurnocheineFragevonTagenwar.

ManchmalkonntesichWerningselbernichterklären,warumernichteinfach
abhaute.WegausBerlin,wegausdieserverlorenenSchlacht.

DiePAK-Mannschaftistkomplettabgekämpft.DieKameradenHansenund
WawryczeksitzenapathischineinerMauernischeundknabbernaneinem

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StücktrockenemBrot.

SiemüssenhaushaltenmitihrerMunition.WiedereinmalzähltderLeutnant
diegoldglänzendenGranaten.Essindnoch7Stück.Derversprochene
Nachschubistnochnichteingetroffen.Nichtnurerzweifelt,oberjeeintreffen
wird.

PlötzlichtutsichetwasamanderenEndederBrücke.Wiederfauchen
MörsergranatendurchdieLuftundschlagenrundumdasnördliche
Brückenuferein.

„Männer,esgehtwiederlos.DerRussestartetdennächstenAngriff“,sagt
WerningmiteinergewissenResignationinderStimme.DieMännergreifen
ihreStahlhelme,diesiekurzzeitigabgelegthattenundbegebensichindie
jeweiligeKampfpositionanderPanzerabwehrkanone.

DasDröhnenderPanzerkettenwirdzuerstnochvondemLärmder
einschlagendenGranatenübertönt,dochdannistdasKreischender
Stahlkolosseunüberhörbar.NochimmerzucktWerningbeimdemtypischen
Geräuschzusammen.DasmetallischeKlirrenderKettenlässtihnimmer
wiederanjenenSeptemberinAachendenken,alsermitseinerEinheitin
einemheftigenAbwehrkampfgegendieAmerikanerstandundernachder
ZerstörungseinerPAKzusammengekauerthintereinemSchutthaufen
mitansehenmusste,wieeinShermanüberseinegefallenenKameradenrollte
undsiebiszurUnkenntlichkeitzerdrückthatte.

NachseinerVerwundungwarernachBrandenburgineinLazarettgekommen,
aberdannimRahmeneinerAuskämmaktionzur„Müncheberg“gekommen.
ObesseineehemaligeEinheitimWestenüberhauptnochgab?Werwusstedies
schonindiesenTagen?

ManchesMalverfluchteerdenTag,alsihndieamerikanischeKugelinden

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Oberarmtraf.DieswarschließlichdieKugelgewesen,dieihninletzter
KonsequenzhiernachBerlinverschlagenhatte.

SchonsinddieerstenPanzer,dieausdenmitTrümmernübersätenStrassen
hervorlugen,aufdemWegzurBrücke.NochhaltendiebeidenKönigstigerzur
RechtendasFeuer.Esistklar,dasssieabwartenwollen,bisdieT34erstauf
dieBrückefahren,bevorsieihreGranatenloslassen.

„Schaumal,Hans!“,sagtplötzlichWawryczek.„DerFührungspanzersteht
schoninFlammen.“Werningschautauf.InderTatrollteinlichterlohin
FlammenstehenderPanzerüberdieBrücke.

„Denhatesschonerwischt!KeineGranateverschwenden.Derrolltnurnoch
aus“,ruftderGeschützführerseinenMännernzu.AuchdieKönigstigerunddie
anderenMännerderMünchebergmitihrenPanzerfäustenund„Ofenrohren“
haltendasFeuerzurück.

MiteinergewissenFaszinationbeobachtetdiePAK-BesatzungdasSchauspiel,
bisihrdieganzeSacheschließlichetwasseltsamvorkommt.DerPanzer
„verhält“sichnichtwieeinPanzer,derjedenMomentstehenbleibtund
ausbrenntoderdurchdieimInnerengelagerteMunitionzerrissenwird.Erhält
seinelangsameGeschwindigkeitstetigbei.

ImnächstenMomenthältderrussischeStahlkolossunddrehtseinenTurm!
SchonfauchteineGranateausdemRohrundrauschtineineHäuserwand,von
derWerningweiß,dasseinPanzerbekämpfungstruppdahintereinen
Kampfstandeingerichtethat.

„Verdammt!DasisteineFinte!DerRusseistvolleinsatzfähig“,brülltder
Obergefreite.EineGranatenachderanderenkrachtjetztausdemT34.Der
PanzeristzuweitindenRückraumderdeutschenKampfständegekommen.

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„Geschützdrehen!“,brülltWerning,aberschonwirderdernächsten
Hiobsbotschaftgewahr.WeitererussischeKampfpanzerrasselnnuninhoher
GeschwindigkeitüberdieMöckernbrücke.Offensichtlichwaresdenzuvor
angreifendenInfanteristendochgelungen,dieHauptspurderSandsteinbrücke
vondengelegtenMinenzubefreien.

EsmachtkeinenSinnzuversuchen,diePAKzudrehen,umdenimRückraum
stehendenT34zubeschießen.Siekönnennurhoffen,dasssicheinerder
KameradenmitderPanzerfaustdemPanzerannimmt.

„ErsterPanzeraufderBrücke!Feuer!“,ruftWerning.Schonfauchtdie
GranateausdemRohr.ImGewühlderSchlachtistnichtzuerkennen,obsie
trifft.RauchschwadenwabernüberdieKampfzone.

ÜberallschlagenjetztGranatenein.Esistoffensichtlich,dassderRusse
„durch“ist.Infanteristenströmenmiteinemlauten„Hurräh“überdieBrücke.
NochfeuerteinKönigstiger,aberderzweitescheintsichbereits
zurückgezogenzuhaben.

Dochessollteschlimmerkommen.EinT34schwenktnachlinksausund
steuertmithoherGeschwindigkeitaufdiePAKzu!

„VerdammteScheiße!Derkommtdirektaufunszu!“,brülltHanseninPanik.
DerT34istnurnoch20Meterentfernt.Esistzuspät.

„Weghier!“,istderletzteBefehl,derdemLeutnantnochbleibt.DerPanzer
kommtimmernäherundrasseltschonaufdenkleinenSchuttberg.Die3
Deutschenrennensoschnellsiekönnen.Hansenstolpertundstürzt.Rasch
greifendieKameradennachdemMunitionsschützenundhelfenihmwieder
auf.MiteinemgewagtenSprungvoneinerMauerdeszerstörten
GerichtsgebäudesrettensichdieSoldatenvorläufigdavorüberrolltzuwerden.

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InzwischenhatderT34diePAKerreichtundwalztsiezuSchrott.DieSituation
derdeutschenVerteidigeristverzweifelt.DieRussenhabenjetztetlichePanzer
aufdemdiesseitigenUferundfeuerngnadenlosaufalles,wassichbewegt.Es
istaugenscheinlich,dassdiedeutscheFrontindemBereichderBrückejetzt
jederzeitkollabierenkönnte.

DieswürdebedeutendasderRusseindieSaarlandstrasse(heute
Stresemannstrasse)vordringenkönnteunddasRegierungsviertelerreichen
würde.DannwäreesnurnocheinwenigmehralseinenKilometerbiszur
ReichskanzleiunddemFührerbunker...

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„Popeba!“-SturmaufdenReichstag

DieLage:NachdemdierussischenTruppenimNordenBerlinsden
WiderstandentlangdesEisenbahnringsimBereichWedding,Pankowund
WeißenseenacherbittertenKämpfengebrochenhabenundauchimSüden
derLandwehrkanalüberschrittenist,rückendieSowjetsaufdieletzte
BastiondesDrittenReichesvor:dieZitadelle,wiedasRegierungsviertel
rundumdieReichskanzleiunddenReichstaggenanntwird.

DieSowjettruppenstehenunterDruck.JosefStalinverlangtvonseinen
Heerführern,dassdiesowjetischeFahneam1.MaiaufdemReichstagweht.
DiesesGebäude,dasironischerweiseeigentlichfürdenParlamentarismus
steht,istfürdensowjetischenDiktatordasSynonymvonHitlersReich,
weitmehralsdieReichskanzlei.

DieZitadelleistgutgesichertundwirdvondenSS-EinheitendesSS-
GeneralmajorsWilhelmMohnkeverteidigt.Diesemstehen1200Mannzur
Verfügung–die„KampfgruppeMohnke“.

SchonbaldstoßendieerstenVorhutendes79.RussischenKorpsbisandie
Spreevor.DerReichstagliegtzumGreifennahe...

Aufklärungseinheitdes79.RussischenKorps/Moabit,28.April1945

PatrouillenführerJuriSawczukschultertseinleichtes7.62mm
Maschinengewehr.ÜberallwabertderRauchderbrennendenTrümmerinden
Strassen.DerrussischeAufklärungstruppder150.Infanteriedivisionistimmer
nochnichtaufdeutscheSoldatengestoßen.Esscheintfastso,alswennsichder
FeindhinterdieSpreezurückgezogenhat.

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JakolevzeigtaufeinamBodenliegendesStrassenschild:„Invalidenstrasse“,
liestervor.SawczukschautaufseinekleineKarte.DieSpreeistnochetwa300
Meterentfernt.ImmerwiederexplodierenArtilleriegranatenindenHäusern
rundumdieKreuzungInvalidenstrasse/AltMoabit-Strasse.DieRussen
wissen,dassdieGefahrnochaufdenletztenMeternvordemSiegdaseigene
Lebenzulassen,sehrrealist.AberBefehlistBefehl.

„AufklärungbiszurSpree.FeststellungderStärkederdeutschenBesatzung
derMoltkebrücke.“SolautendieBefehle.

PlötzlichistGewehrfeuerinunmittelbarerNähezuhören.Flugsspringendie
RotarmistenhintereinzerschossenesgepanzertesFahrzeug.Esistein
deutschesHalbkettenfahrzeugSdKfz.251,dassoffensichtlicheinen
Artillerietreffererhaltenhat.ObdieSchüsseihnengeltenlässtsichimChaos
derSituationnichtausmachen.ZuerstziehensieeinmaldieKöpfeeinund
sichernihrePositionnachallenSeiten.

„EsmachtkeinenSinnweitervorzurücken.DieDeutschenhabensichim
Vorfeldoffensichtlichnochverschanzt“,sagtderPatrouillenführerzuseinen
Männern.Trotzdemweißer,dassersonichtzuseinerEinheitzurückkommen
kann,wennersichkeineVorwürfederFeigheiteinhandelnwill.Ermuss
wissenwasaufderBrückelosist.

EineRuinezurRechtenscheintdieLösung.EinefreistehendeTreppeführtin
demteilweiseausgebombtenHauszueinemFenster.

„Alexander,ichgehdahoch.GebtmirFeuerschutz!“,erteiltSawczukseinen
beidenBegleiterneinenBefehl.DannnimmterseinePPSh-41inAnschlagund
beginnt-sichsokleinwiemöglichmachend-denWegnachoben.Diegrößte
GefahrsindindieserSituationdiedeutschenScharfschützen,dieunzählige
RotarmistenausverdecktenPositionenindenRuinenheraus,getötethaben.
AbererhatGlück–keinSchussertönt.EsdauertnureineMinutebiserandem
FensterdesvonBombenhalbweggerissenenHausessteht.

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ErhateinenperfektenBlicknachSüden.

„DerReichstag!“,murmeltderSoldat.EsisteinerhebendesGefühlfürihn.Er
istwahrscheinlichderersteSowjetsoldat,derdasGebäude,dasseinesolche
BedeutungfürStalinhat,vomBodenaussieht.ErmussüberseinenWeg
hierhinnachdenken.ErhattezudenerstenSoldatengehört,dieinderSchlacht
beiSmolensk1941dasersteMalindemKriegimOstenderWehrmacht
wirklichParoligebotenhatten.DasersteMalwarensichdieSowjetarmeeund
dieDeutschenaufAugenhöhebegegnet.

DiedramatischenNiederlagendererstenWochenhattenzueinerschnellen
Reorganisationgeführt.NeueAusrüstunghattezueinemPattinder
Kampfkraftgeführt.DasersteMalwarenauchdieDefizitederWehrmacht
offensichtlichgeworden,diezuvorvonSiegzuSieggeeiltwar.Eswareneben
nichtnurdiePanzerdivisionenundmotorisiertenVerbände,diedie
Wochenschauenzeigten,sonderndieMassewarenaufPferdefuhrwerke
angewieseneDivisionen,dieallesandereals„Elitedivisionen“darstellten.
SmolenskwarderentscheidendeHoffnungsschimmergewesen,auchwenn
sichdieRoteArmeezuerstnochbisfastnachMoskauhattezurückziehen
müssen.

DerOffiziernimmtseinFernglasundbetrachtetfasziniertdasGebäude.Nach
TausendenvonKilometern,indenensiealldasLandihrerVäterzurückerobert
hatten,istesvollbracht.ZwischenihmunddemHerzderdeutschen
Reichshauptstadtliegennurnoch500Meter.NunistesabernichtdieZeit,
seinenGedankennachzuhängen.ErmusseinengenauenBerichtabliefern.

SawczuknimmteinenkleinenBlockundnotiertschnell,wasersehenkann.

„Moltkebrückeintakt.Barrikadenerkennbar.EinigedeutscheSoldaten
bewachenZugänge.VerkehraufderBrücke,wahrscheinlichzurückgehende
Soldaten.KeinePanzeroderArtilleriesichtbar.EntlangdessüdlichenUfers
ausgebombte,abernochindenGrundmauernstehendedrei-bisvierstöckige
Häuser.DahinterbiszumReichstagsgebäudefreieFlächemitsichtbar

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geflutetengroßenBereich.“

Erkannnichtsausmachen,wasnichtauchausderLufterkennbarwar,aber
diesistschließlichaucheineErkenntnis.EineGranatekrachtkreischendinden
hinterenGebäudeteil.Sawczukschrecktauf.MiteinerweißenStaubwolke
kollabierteineInnenwanddesHauses.

EsisthöchsteZeit,sichdavonzumachen.ErpacktseinkleinesNotizbuch
wiederein,nimmtseineMaschinenpistoleundeiltdietrümmerübersäteTreppe
herunter...

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„Wirhaltennoch24Stunden“–DasEndeallerIllusionenim
Führerbunker

DieLage:Am29.AprilzerplatzendieletztenIllusionen,dassesnoch
irgendeinenEntsatzder„Zitadelle“gebenkönnte.Die„Zitadelle“umfasst
denBereichderRegierungsgebäuderundumReichstag,derReichskanzlei
unddenMinisterien.VerantwortlichfürdieSicherungundVerteidigungist
derSS-GruppenführerMohnke,der1200SoldatenderDivision
„Leibstandarte“fürdieseAufgabeheranzieht.

InzwischenhatKeitelberichtet,dassallevermeintlichenAngriffsspitzen
aufBerlinliegengebliebensind.AuchAdolfHitlerrealisiert,dassdasEnde
gekommenist...

HitlersassandemTischinseinemWohn-undArbeitsraumdesFührerbunkers.
Eswargerade6:00Uhrmorgens.Erhattebefohlen,dasserMohnkealleine
sprechenwollte.MohnkekamindenRaum,dessenkahlerBetonwiederganze
FührerbunkereinegespenstischeAtmosphäreausstrahlte.

„MeinFührer...“,begannderSS-Gruppenführer,aberHitlerhobseineHand.

„SchließenSiedieTürundsetzenSiesich,Mohnke“,sagteermitruhiger
Stimme.

Mohnketatwieihmbefohlenwordenwar.VorHitlerlageineKartevonBerlin.
DasGesichtdes„Führers“wirktefahl.Eswaroffensichtlich,dasserrealisiert
hatte,dassdasendgültigeEndekurzbevorstand.AmTagzuvorwardieletzten
HoffnungeninStaubzerfallen.

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DiegroßenErwartungen,dieaufdemVorstoßdesXX.Armeekorpsunterdem
GeneralWencklagen,warenamTagezuvorendgültigzerbrochen.Am26.
AprilhattenWencksTruppeneinenentschlossenenAngriffausdemRaum
BelziginRichtungPotsdamgestartetundeinigesowjetischeEinheiten,vor
allenTrosseundVersorgungstruppen,überrannt.

NacheinemVormarschvon18KilometernundeinemHeranrückenauf25
KilometernandasStadtzentrumBerlinsbiszudemDorfFerchwarfastso
etwaswieEuphorieimFührerbunkerausgebrochen.InvölligerVerkennung
dertatsächlichenLagewarmanernsthaftdavonausgegangen,dassdiesevöllig
abgekämpfteEinheitohneReserveninderLageseinwürdeeineWendedes
KampfesumBerlinherbeizuführen.

Docheskamwieeskommenmusste.DersowjetischeWiderstandhattesichum
denSchwielowseeherumversteiftundderAngriffverlorsichinerbitterten
Einzelgefechten.Wenckselberwaresvorallenauchdarumgegangeneinen
KorridorfüreineFluchtnachWestenzuschaffen,umsovieledeutsche
TruppenwiemöglichvordemZugriffderRussenzuretten.

DieNachricht,dassWencksAngriffliegengebliebenwarundauchdieweiteren
EntsatzangriffevonSteinerundderKampfgruppeHolstengescheitertwaren,
machtendasbereitsOffensichtlichenunzurendgültigenGewissheit.Eswar
nurnocheineFragederZeit,wanndieRussendieroteFahneüberganzBerlin
hissenwürden.

„Wenckistgescheitert,Mohnke.DasheißtesgibtkeineHoffnungmehr...wie
langekönnenSienochhalten?“,fragteHitlertonlos.

MohnkezögerteeinenMoment.Oberselbernichtwusste,oberdie
ungeschminkteWahrheitodereineweitereBeschönigungderLage,wiesooft
indenletztenTagengeschehen,abgebensollte?WasauchimmerdasZögern
ausgelösthatte,erentschiedsichdieKartenaufdenTischzulegen.

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„MeinFührer,dieRussenstehenbereitsinderVoßstrasseundamAdlon.
MeineMännerkämpfenmitallemEinsatz,dermöglichist,aber...“,erzögerte
einweiteresMal,„wirkönnennochmaximal24Stundenhalten.“

HitlerschauteaufdievorihmliegendeKarte,abereswarklar,dasserin
GedankenversunkenwarundnichtdieKartealssolchestudierte.Mohnke
wusste,dassersichkeineIllusionenmehrmachenkonnte,dassdasEnde
gekommenwar.Wasdiesbedeutete,wardemSS-Gruppenführernurzu
bewusst.UmdasSchweigenzubrechenfuhrerfort:

„Morgenistder1.Mai.Wirerwarten,dassdieRussendannallesindie
Schlachtwerfen,wassiehaben.“MohnkeließdenSatzsoimRaumestehen.Es
warunnötigauszuführen,wasdiesbedeutete.

Hitlerstandauf.Ernickte.

„IchdankeIhnenfürIhreEhrlichkeit,Mohnke.Jahrelangwarichvon
Schmeichlernumgeben.Aberlassenwirdasjetzt.Ichhabedortdrübeneinige
Unterlagen,dieichSiebittemitzunehmen.EssindAbschriftenmeines
Testaments.“

MohnkeblickteHitleran.

„Ichziehemichjetztzurück“,sagteer.DanngingerohneeinweiteresWortzu
sageninseinendanebenliegendenSchlafraum.Mohnkestandaufundverließ
ebenfallsdenArbeitsraum.

DasEndedesMannes,derMillionenvonTotenzuverantwortenhatte,dessen
VernichtungsmaschinerieunzähligeOpfergekostethatte,wargekommen.

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„DasFinaleamReichstag“

DieLage:Am30.April1945setzendierussischenTruppenzumfinalen
SturmaufdenReichstagunddasRegierungsviertelan.StalinsBefehlesind
eindeutig.Zum1.Mai-FeiertagmussdieroteFahneaufdemReichstag
wehen!Das79.KorpsgreiftmitallerWuchtüberdieMoltkebrückean.

DochdasGeländezwischenderMoltkebrückeunddemReichstagist
tückisch.DasamSpreeufergelegeneDiplomatenviertelbietetmitseinen
HäuserruinenidealeBedingungenfürdenHäuserkampf.Noch
problematischeristdieriesigegeflutetBaustellefürAlbertSpeers
Architekturprojekt„GroßeHalle“undeinwassergefluteterSchnitt,der
querüberdenKönigsplatzführt.DieserGrabenistnichtwiedieSowjets
glaubeneinPanzergraben,sonderneinSchachtfüreinegeplanteU-
Bahnstrecke.

VerteidigtwirdderBereichvoneinemwildenSammelsuriumanSS-
Einheiten,FallschirmjägernundVersprengtenausallenmöglichen
Einheiten,dienichtnurimBereichdesDiplomatenviertelshervorragend
eingegrabensind,sondernauchperfektpositionierteKampfständeinder
Krolloperhaben.DazugreifendieFlakgeschützedesFlakturmZooindie
Kämpfeein.OhneaufdieArtilleriezuwarten,startendiesowjetischen
Infanteristender150.Division–bereitsimZeitverzug-denAngriffauf
denReichstagüberdasoffeneGelände...

LeutnantWerningsiehtwieinderDunkelheitimmerwiederFlammen
hochschleudern.DieSowjetartilleriefeuertunerbittlichaufdiedeutschen
Stellungen.ImmerhinbietendieTrümmerderKrollopereinegewisse
Deckung.ImBereichderMoltkebrücketobtdieDurchbruchschlacht.Werning
istzufrieden,dassernichtbeidemStoßtruppdabeiist,derdiegeradevonden

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RussengenommeneSpreebrückeentwederimGegenangriffwiedernehmen
solloderzumindestdieSprengladungendetonierensoll,umsodieSowjetsim
VorfelddesKönigsplatzesabzuschneiden.

EinSS-Hauptsturmführer,dasÄquivalentzueinemHauptmannder
Wehrmacht,hatdieBefehlsgewaltindemrückwärtigenBereichderKrolloper.
WerningwarnachdemDurchbruchderRussenamLandwehrkanalmitden
wenigenüberlebendenKameradendesLVI.PanzerkorpsinRichtungdes
PotsdamerPlatzeszurückgegangen.DortwurdeninallerEileneue
Kampfgruppenimprovisiert.AberderTonhattesichmassivverändert.Erund
seineKameradenwarennunimBefehlsbereichderSS-EinheitenMohnkesund
der11.SS-Panzergrenadierdivision„Nordland“,diedieRegierungsgebäude
imBereichBerlin-Mitteverteidigten.

„Ihrda.Kommther.Einheit?“,sagtederSS-Mannineinemwenigkonzilianten
Tonfall.

„LeutnantWerning.PanzerdivisionMüncheberg“,erwidertWerningso
bestimmtwiemöglich.

„SieschließensichderVerteidigungderKrolloperanderHerwarthstrassean.
HabensienocheineausreichendeAusrüstunganWaffen?“

WerningschütteltdenKopfundzeigtaufseinebeidenMitstreiter.Erundseine
KameradenHansenundWawryczekhabenlediglichnocheink98Gewehr.

„Ichseheschon“,sagtderHauptsturmführer.„GehenSiedavornezuden
beidenSoldaten.DiewerdenSieneuausrüsten.“

DannwinktderSS-ManndienächstenMännerherbei.Werningundseine
KameradenlegenauchkeinenWertaufeinenweitergehendenAufenthalt.
ImmerwiedererleuchtenjetztExplosionendenBereichumdasdiplomatische
Quartierherum.DieSchlachttobtinvollerHärte.Schnellsinddie3Soldaten

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inihremneuenKampfstandangekommen.Erwirdvon2Fallschirmjägernder
9.FallschirmjägerdivisionundeinemVolkssturmmannbesetzt.

DieDreisalutieren.

„DerHauptsturmführersagte,ihrhätteteinenVorratanWaffenfüruns?“,fragt
Werning.

DerUnterfeldwebellachtleichtauf.

„Undichdachteschonihrbringtwasmit.Dasistalleswaswirnochhaben.“Er
zeigtaufeinMG42,dassnachNordeninRichtungSpreehintereinerReihe
vonSandsäckenaufgestelltistundaufeineKiste,inder3Panzerfäusteliegen.

„NehmtEuch“,sagterundhebtwiezurEntschuldigungdieHändehalbhoch.
DerandereFallschirmjägerstehtnunebenfallsaufundreichtWerningeine
MP.

„Irgendetwasitalienisches.Wirhabenabernurnoch2Magazine.Dannist
Schluss.NichtdassichfürmeineMPnochvielmehrhätte“,fügtderSoldat
hinzu.

„Danke“,sagtWerningundnimmtdieitalienischeMaschinenpistoleentgegen.

„Wirwissennichtwirklichwasdortobenlosist“,fährtderUnterfeldwebel
fort.

„MomentanlaufenGegenangriffegegendieMoltkebrücke.WennDumich
fragst,habendieRussensichschonaufunseremUferfestgesetzt.Istnureine
FragederZeit,wannsiehierauftauchen.“

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4Stundenspäter

DasRatternderMaschinengewehrevonSpreeuferwirdimmerintensiver.
WerningsitzthalbeingeschlafenineinerEckederSandsackstellung.Plötzlich
rütteltUnterfeldwebelReisdorfanseinerSchulter.

„Werning,siesinddurch.Jetztwirdesheiß!“

DerObergefreitegreiftnachseinerneuenErrungenschaft,deritalienischen
MP.DiePanzerfäustestehenbereit.DieNervositätbeiden5Soldaten,
besondersaberbeidemVolkssturmmann,einem56jährigenSchuhmacher
namensWillroth,istgreifbar.VonWestenhersindKanonenschlägezuhören.

„DieFlaktürmeamZoo.Unsere8,8erdort“,kommentiertWillrothlakonisch.
Erwohntseit21JahreninderReichshauptstadtundkenntsich
dementsprechendgutmitdenÖrtlichkeitenaus.

DannsehensiedieAngreifer.DiebrennendenHäuserimBereichdes
SchlieffenuferunddesInnenministeriumsbildeneineschaurigeKulissedieses
letztenAktesdesUntergangsBerlins.Erstschemenhafterkennbar,dannimmer
deutlichersindHundertevonMännernzusehen,dieüberdiefreieFläche
nördlichderKrolloperausderHerwarthstrassehervorpreschen.Esist
offensichtlich,dassdieVerteidigungamSpreeuferkollabiertseinmusste.

SchonsinddieFädenderLeuchtspurmunitionderweiterendeutschen
KampfständeimBereichderOperzusehen.DieRussenrennendirektins
FeuerderMaschinengewehre.ImmerweitereSturmtruppsdrängennach,als
wennsiesichdesWahnsinnsdieserAngriffsweisenichtbewusstseien.Wie
PuppengehenganzeReihenvonRotarmistenzuBoden.

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„DiemüssennichtmehrbeiSinnensein“,murmeltReisdorfleisevorsichhin.
NochmussderKampfstandnichtindasGefecht,oderbesserdasMassaker,
eingreifen.AberdenSoldatenschwant,dassdieseselbstmörderischeWeisezu
attackierennichtsGutesbedeutet.Esistallenklar,dassdieRussendie
Entscheidungwollen,kosteeswaseswolle.

InzwischenhabendieMassenanangreifendenrussischenInfanteristendieerste
StellungderVerteidigererreicht.DieSoldatenwerfenihreWaffenwegund
hebenpanischdieHände.DasMG42rauchtnochalsdieSowjetsoldatenaufdie
BrüstungdesKampfstandesspringen.

„Wirergebenuns,Kameraden!“,brülleneinigederDeutschen.

AberdieDeutschensindnichtdieKameradenderdurchdieschwerenVerluste
erschüttertenRotarmisten.BajonettebohrensichindieKörperdermit
erhobenenHändendortstehendenSoldaten,ganzeMagazinewerdenindiein
denEckendesKampfstandeshockendenDeutschengepumpt,Stiefeltrittelassen
keinenZweifeldaran,dassdieserKampfkeineGefangenenkennenwürde...

DieSchlachtzwischenSpreeundReichstagwareinederverlustreichsten
desgesamtenKampfesumBerlin.DievonStalinmassivunterDruck
gesetzteRoteArmeetriebihreDivisionenzuselbstmörderischen
FrontalangriffenohnePanzerunterstützungan.Spezielldie150.
InfanteriedivisionerlittgrauenhafteVerlusteindenKämpfenim
Spreebogen.DochauchdiedeutschenGegenangriffeaufdieüberdie
MoltkebrückevordringendenRussenbrachtenkeinenErfolg.Zwargelang
eseinzelnenSoldatensogar,dieanderBrückeangebrachten
Sprengladungenzudetonieren,aberlediglicheinTeilderBrückebrachein.
ÜberdienochintaktenSpurenkonntendieSowjetsinderFolgemassive
Panzerkräftenachziehen.

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DieSS-EinheitenMohnkeskämpfenmiteinerErbitterungohnegleichen.
DazuleistetendieinderKrolloperverschanztenDeutschenheftigsten
Widerstand.AlsdannimLaufedesTagesversuchtwurdezumReichstag
vorzudringen,nahmenauchnochdieFlakgeschützeimFlakturmim
BereichdesZoosdasFeueraufundzerschlugenallesowjetischen
Angriffsbemühungen,diedaraufhinvorerstabgebrochenwurden.

DurchdieRückschlägejetztuntereinembrutalenZeitdruckstehend,
gelingtesschließlicham30.AprilgegenAbenddenerbittertenWiderstand
imVorfelddesReichstagszubrechen.Diesistmöglich,weilamSpreeufer
dieletztenWiderstandsnestergenommensindundschwere
SelbstfahrlafettensowieT34undsogareinigeüberschwereStalin-Panzer
indieKämpfeeingreifen.

DerReichstagselberistteilweisezugemauertundalsdiesowjetischen
SoldatendasGebäudeerreichen,müssensieersteinmaldieEingänge
freisprengen.

NachschwerenNahkämpfeninnerhalbdesReichstagsgelingtesschließlich
denWiderstandderDeutschenStückfürStückauszuschalten.Diesalles
passiertunterunglaublichenOpfern.

Um10:50Uhram30.Aprilistesdannsoweit.DiesowjetischenSoldaten
dringenaufdasDachdesGebäudesvorundhissendieroteFahne.Nach5
JahreneinesgrauenhaftenKrieges,nachunfassbarenOpferndes
russischenVolkes,wehtdieSowjetfahneaufdemSymboldes
„Hitlerfaschismus“.

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„DasEnde“–HitlerbegehtSelbstmord

DieLage:WährendamReichstagdieletztendeutschenEinheitenin
erbittertenKämpfengegendieständigangreifendenSowjetsstehen,findet
imFührerbunkerdasletzteKapitelimLebenAdolfHitlersstatt.Um15:20
begehtermitseinerFrauEvaSelbstmord.DerMann,derunermessliches
LeidüberdieWeltgebrachthatte,wartot.DochdasSchicksaldes
„Führers“bedeutetenurwenigimuntergehendenBerlin...

DerstämmigeSS-ManntrugdieLeicheAdolfHitlersindenGartenoberhalb
desFührerbunkers.ImmerwiederkrachtenMörsergranateninunmittelbarer
NähedesAusgangsindenBoden.

„Los,dahintenstehendieKanister.Wirmüssenunsbeeilen“,sagteein
weitererSS-LeibwächterzudenTrägern,diediebeidenLeichenHitlersund
EvaBrauns,jetztEvaHitlers,hinaustrugen.

DerSS-SoldatließdieersteLeicheetwasunsanftineinenGranattrichterfallen.
DannwurdeauchEvadanebengelegt.

DerSoldatnahmdenerstenKanisterundgossdenTreibstoffüberdiebeiden
Leichen.ErnahmeinStreichholzundzündeteesan.Miteinerleichten
Verzögerungließeresfallen.EineStichflammeentzündetesich.Nachwenigen
SekundenbranntendieLeichnamelichterloh.

DerstämmigeSS-Leibwächterschauteauf.DieanderenMänner,diegeholfen
hatten,diebeidenausdemBunkerzuschaffen,blicktenihngespanntan.Aber
eswarnurzulapidar,waserzusagenhatte.

„Daswar ’s.Lasstunswiederhereingehen.Eswirdlangsamungemütlichhier.“

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WiezurUntermauerungseinerAussagefieleinerussischeMörsergranatein
unmittelbarerNäheindenGarten.DieMännerducktensichundliefenin
RichtungdesBunkereingangs.Esgabnunwichtigereszutunalssichumdie
LeichedesFührersundseinerFrauzukümmern.DieRussenwarennurnoch
wenigehundertMetervondemFührerbunkerentfernt.

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AusbruchnachDöberitz

DieLage:NachHitlersSelbstmordsammeltsichimBereichdesZooseine
weitereGruppe,diedenAusbruchnachWestenwagenmöchte.Diessind
Einheitender1.FlakdivisionsowiedieRestederPanzerdivision
„Müncheberg“undder18.Panzergrenadierdivision.ZwaristderKorridor
nachWesten,denWencksEinheitenüberTagefreigehaltenhaben,
inzwischeninsichzusammengefallen,abergeradeimWestteilder
ReichshauptstadtherrschtauchbeidensowjetischenTruppendasblanke
ChaosindenHäuserschluchtenderRiesenstadt.

BesonderswestlichderHavelgibtesnurrelativschwacherussische
Sicherungen.WennesdenausbrechendenTruppenteilengelingensollte
diesesWasserhinderniszunehmen,lägeeinDurchbruchandieElbeund
somitindierelativeSicherheitderamerikanischenAngriffsspitzenim
BereichdesMöglichen...

DieFlaksoldatenkommenmiteinpaarKanisternausderriesigenBetonburg
desFlakturmsamZoo.EssinddieletztenReserven.Schnellbringendiein
verdrecktenbläulichenUniformensteckendenMännerdenSpritzudem
Panther.

LeutnantWerningbeobachtetwiediePanzerbesatzungdesPanthersden
TreibstoffentgegennimmtunddenPantherauffüllt.ErbrauchtkeinExpertezu
sein,umzusehen,dassdieseTankfüllungnichtlangereichenwird.Aberdas
spieltkeineRolle.IneinerkurzenLagebesprechunghatermitbekommen,dass
esdiegrößteHerausforderungseinwirdamStadtranddieHavelzu
überquerenundsoindiefreieFlächeBrandenburgsdurchzubrechen.
InwieweitdieAnnahmen,diederMajorbeiderBesprechunggemachthatte,
wirklichzutrafen,standselbstredendindenSternen.Aberwasbliebaußer
daraufzuhoffen?KeinerwolltedienächstenJahreineinemsibirischen
Gefangenenlagerzubringen.DerWilledieamerikanischenLinienzuerreichen

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warstark.

NochvoreinigenWochenhättederLeutnantderDivision„Müncheberg“das
VorhabenalsblankenWahnsinneingeschätzt.Aberwasdamalsblanker
Wahnsinnwar,istheutederNormalzustand.BerlinisteineinzigesChaos.

WiederkommtderMajorzuderGruppe,indersichauchWerningund
Wawryzcekbefinden.EinzelneRaketensalveneinerrussischenKatjuscha
zischenüberdenFlakturmhinweg,aberniemandnimmtmehrNotizdavon.
KeinerderVersammeltenspringtinDeckung.DerplötzlicheTodwar
alltäglichgeworden.

„Gut,Kameraden,wirwerdeninGruppenzu50ManndurchdieKantstrasse
zumAdolf-Hitler-Platzvordringen.DieZivilistenwerdendurchdenU-Bahn-
Tunnelgehen.EbensodieVerwundeten.Wennallesklapptsammelnwirunsam
Olympiastadion.UnsereAufklärermelden,dassderRusseimganzenBereich
anscheinendnochkeinegefestigtePositionhat.

Diesbedeutet,dasswirwahrscheinlichnuraufeinzelneGruppenvonRussen
treffen.Feueristlediglichzueröffnen,wennunmittelbareGefahrdroht.Wir
werdenunsereMunitionnochbrauchen.Also,Männer,ichwünscheunsein
gutesGelingen!“

SchonspringenmiteinemlautenDröhnendieMotorenderletzten
verbliebenenPanzeran.AuchhiergibteskeineRegelnmehr.Werningsieht
wieaufeinemPanzerzweiVerwundeteaufTragenliegen.EtlicheSoldaten
sitzenaufdenDecks.ObsiesichdertödlichenGefahrbewusstsind?

EsherrschtFatalismus.NurnochraushieristdieDevise.Schonistdas
metallischeKlirrenderPanzerkettenzuhören.Langsambewegtsichdas
StahlungetümausseinerPositionhinterdemübelzugerichtetenBahnhof
ZoologischerGartenüberdieJoachimstalerStrasseinRichtungder
Kantstrasse.

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„Wirsinddran.Losauf“,sagtWawryzcekzuWerning.DerLeutnantnimmt
seineneueErrungenschaft,dierussischePPs-43,schultertsieundtrabtlos.
NachdemsiesichbeimDurchbruchderRussenanderKrolloperdurchden
Tiergartendavongepieselthatten,hatteerdieserussischeMaschinenpistolebei
einemgefallenenVolkssturmmanngefunden.SeinitalienischesModelhatteer
nurzugerneweggeworfen.

InseinerGruppesindetwa20Flaksoldatenund30MannderMüncheberg.
AbererkannkeineKameradenseineraltenEinheiterkennen.Womögensie
gebliebensein?

***

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DerRegenprasseltgegendieStahlhautdesführendenPanthers.Esgießtaus
Kübeln.EinkleinesRinnsalsammeltsichamRandvonWerningsStahlhelm
undtropftaufseineSchulter.

Werningdrehtsichum.Zwaristbisherallesüberraschendgutgelaufen,aber
esistdeutlich,dassdieMännerstarkerschöpftsind.Langsamnähertsichder
ZugderausbrechendenTruppendenSpandauerBrücken.Außereinigenwilden
FeuergefechtenmiteinzelnenrussischenPostenhatteeskeinegrößeren
Gefechtegegeben.

Eswaresoffensichtlich,dassderWestteilderStadtnochnichtimfestenGriff
derSowjetswar,diesichhöchstwahrscheinlichaufdieStadtmittemitden
Regierungsgebäudenkonzentrierten.WerninggreiftnachseinerFeldflasche.
SieistnurnochzueinemDrittelgefüllt.AberesistkeineZeit,Haltzumachen.

PlötzlichkommtvonderSpitzedesZugeseinHaltebefehl.

EinigeSoldatengehendurchdieReihenundgebeninkurzen,angebundenen
SätzeneineLagebeschreibung.Eswirdernst.

„DieSchulenburgbrückeistnochetwasmehralseinenKilometerentfernt.Die
Russenhabensiebesetzt,aberwirkennendieStärkeihrerTruppennicht.Die
ZivilistenhaltensichzurLinkenamBahndamminDeckung.Wirgreifenmit
denPanzernumgehendan.DieRussenmüssenunserenAusbruchinzwischen
bemerkthaben.JeschnellerwirüberdieHavelkommen,destoeherkönnen
wirinRichtungDöberitzentkommen“,erläuterteinFeldwebeldieSituation
gegenüberWerningsGruppe.

Dochesdauertnichtlange,bisdieRussenihrePräsenzbemerkbarmachen.
AufdenBahngleisenschlagenGranatenein.

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„AlleinDeckung“,schreitderFeldwebel.Werningducktsichnebendem
stählernenSchutzdesPanthers.VonhintenschreieneinigeKinder.Der
LeutnanthasstdieseSituation,indersichSoldatenumZivilistenkümmern
müssen.DieBürdeistsogewaltig.Aberesistwieesist.

DannröhrendiePanzerauf.DieführendeGruppemit4Panzergreiftdie
Brückean.WerningundWawryzceksinddabei.Esgibtoffenbargarkeinen
Plan.Oderbesser,derPlanisteinfrontalerAngriffaufdieBrückeohne
weitereAufklärung.AberdieZeitdrängt.JedeStundekönnenstarkerussische
ReserveneintreffenunddenmehrerehundertPersonenumfassenden
LindwurmanAusbrechendenzurAufgabezwingenodereherdirekt
zusammenschießen.

***

1Stundespäter

„Los,los,schneller,schneller!“,brülltFeldwebelSeibert.Kreischendschlägt
eineMörsergranateein.SeibertstehtamwestlichenUferderBrückeund
beobachtet,wiedieMännerüberdieBrückeeilen.DersowjetischeBeschussist
zumGlücknichtganzsoakkurat,abertrotzdemreichtes,umauchjetztschon
erheblicheVerlustezuverursachen.

Seibertschautsichum.DerKampfumdieBrückewarverbissengewesen,aber
zumGlückgabesnebenderkleinenrussischenSicherungnureine
VersorgungseinheitderRussenindemBereich,diesichrechtschnelldavon
gemachthatte.4PanjewagenstandenaneinemHaus,diesiejetzt
bereitmachten,umsiefürdiemitgehendenZivilistenzuverwenden.

VonderanderenStrassenseiteerschüttertdieersteExplosiondieLuft.Ein
Panthermussdranglauben–esgibtkeinenSpritmehr.Vonden5Fahrzeugen
musstensiebereits3sprengen.EinerhatteMotorenprobleme,undfürdie

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beidenanderenwarderTreibstoffzuNeigegegangen.

DerFeldwebelstudiertgeradedieKarte,alsdasunverkennbareDröhnenvon
Flugzeugenzuhörenist.NochimmeristdieBrückevollerMenschen,
panischeSchreiesindzuhören.

SchnelldrehtsichSeibertum.

3SturmoviksnähernsichvonNorden–diePestderLüfte.Ineinemweiten
BogendrehensiegenauaufdieBrückezu.DieeinzigeVerteidigungder
DeutschenisteinschweressowjetischesMGderrussischenBrückensicherung,
dasssiebeiderErstürmunghattenerbeutenkönnen.

„Verdammt...“,murmeltSeibert,derweiß,wassichjetztanbahnt.

MehrereSoldatenbemannendasMGundrichtenes.Immerhinzahltessich
jetztaus,dasssieinausreichenderZahlgeübteFlaksoldatendabeihaben.

DieSturmoviksfliegeningeringerHöhedirektaufdieBrückezu.Inwilder
FluchtstürmendieaufderBrückebefindlichenPersonenzurwestlichenSeite.
GrauenhafteSzenenderPanikspielensichab.

Dannsindsieda.DieBord-MGderSowjetseröffnendasFeuer.Nochliegtes
zukurzunddieKugelnschlagenimWasserderHavelein.Dasschwere
russischeMGderFlaksoldatenrattertwiewild.Dannklingteinerder
SchlachtfliegereineBombeaus.SietrifftdieBrücke,abernurdirektamRand.
TrotzdemistdieExplosionfürchterlich.EinQualmPilzschießthoch,
BrückenteileschleuderndurchdieLuft,einHagelanSplitternundTrümmern
duschtdienochaufderBrückeBefindlichen.Seibertsieht,wiedieBrücke
heftigschwankt.

DannbretterndieSowjetfliegerüberdenBereichhinweg.DieFlakmänner

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drehendasFlak-MGundfeuernwütendhinterdenSturmovikshinterher,aber
esistnatürlicheinesinnloseSache.

„Diekommengleichwieder!Schneller!“,brüllteinerausderMenge.
ImmerhinistdieBrückejetztweitgehendfrei–diemeistenhabenes
herübergeschafft.AberüberallliegenTote.WiedereinmalhatderTodreiche
Beuteeingefahren.DieBrückenerstürmungundderrussische
ArtilleriebeschusshabeneinenhartenBlutzollgefordert.

DazuwurdeneinigeSoldatenvondeneigenenPanzernüberrollt.Manbrauchte
keinMilitärexpertesein,umzuwissen,dassdieWahrscheinlichkeitdieses
ZugesdieElbezuerreichenehergeringwar.Aberdaswarjetztegal.Alsdie
letztendieBrückepassierthaben,sagtSeibertzudenFlaksoldatenandemMG:

„LosMänner,auf.DieArbeitistgetan!“

EinletztesMalblicktersichum.EineGranateschlägtmittenaufderBrücke
einundschleudertdenLeichnameinesGefallenenindieLuft...

DerAusbruchderSoldatenrundumdieSoldatender1.Flakdivisionwar
nureinervonetlichenAusbruchsversuchen.Dervielleichtprominenteste
VersuchwarderderSS-KampfgruppeMohnkeausdemBereichder
„Zitadelle“.DieserAusbruchausderReichskanzleischeitertezwar,aber
erlangtedadurcheinegewisseBerühmtheit,weilMartinBormannindieser
Gruppewar.WiewirheutewissenbegannerSelbstmord,alsklarwurde,
dasdierussischenTruppenimNordenBerlinsbereitsdenBereichkomplett
abgeriegelthatten.

InsgesamtgelangesnurwenigenEinheitendiedeutschenLinienander
Elbezuerreichen.DiemeistenGruppenwurdenfrüheroderspätervonden
Russengestelltundgefangengenommen.

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GejagtvonderRotenArmee–DasEndeim„Teufelsbruch“bei
Nauen

DieLage:NachdemgelungenemNiederkämpfendereherschwachen
russischenTruppenimBereichSpandaugelingtesderMassederSoldaten
undZivilistenbiszudemOrtDöberitzzugelangen.DochdieEreignisse
überschlagensich.DieGruppeverliertdeninnerenZusammenhangundes
entwickeltsicheineeherpanischeFluchtnachWesten.Dazukommtdas
nunauchüberalldierussischenPanzerspitzennachWestenstrebenund
tiefindasweiteLandBrandenburgsinRichtungderElbevordringen.

BeiNauenwirdderGroßteilderAusbrechendenerneutvon
Sowjetverbändengestelltundumkreist.DiesesMalgibteskeinEntrinnen.
DenmeistenbleibtnurdieAufgabe.LediglicheinzelnekleineGruppen
versuchenweiterhindieElbeunddamitdieamerikanischeFrontzu
erreichen.DochdieRussenlauernmittlerweilefastüberall...

KampfberichtVerteidigungvonBerlin/NARAP-136/OberstWillemer

„DasHin-undHerschwankenderFührung,dasAusteilenvonBefehlenund
Gegenbefehlen,hatteeinegroßeKonfusionbeidenTruppenausgelöst.
VieleKampfeinheitenhattendenWiderrufdesAusbruchsbefehlsnicht
erhalten,währendandereüberhauptkeineBefehleerhaltenhatten.Viele
EinheitenrücktendaherdurchdenU-Bahn-TunnelausdemZoobereicham
FunkturmundRuhlebenvorbeiinRichtungHavelaus.Andernördlichen
BrückebeiSpandauwurdemitPanzerunterstützungeinFrontdurchbruch
erzielt,diesaberunterschwerenVerlusten.EinzelneGrüppchenund
VersprengtengelangdieFluchtnachWesten,aberdieMassederTruppen
wurdeeingeschlossenundimoffenenGeländenördlichNauen
gefangengenommen.“

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TeufelsbruchnördlichNauen

DerTrossmarschiertapathischdieLandstrasseentlang.NocheinweiteresMal
hatsichderTreckaufgespalten.WährendsichderGroßteildernoch
verbleibendenZivilistenmiteinigenGruppendirektüberdieStrasseam
HauptbahnhofvonNauenvorbeinachWestenbewegt,hatsichdieGruppevon
WerningüberdenHavelländischenHauptkanalinRichtungKienberg
aufgemacht.ObdieTrennungklugist,vermagniemandmehrzusagen.Keiner
hateineAhnung,woderRusseschonstehtoderwoesnochfreiesGelände
gibt,umnachWestendurchzuschlüpfen.

DieStrasse,diedienochetwa150MannstarkeGruppegenommenhat,führt
zumTeufelshof,wieeinSchildsagt.

WerningblicktaufdasHolzschild.EsistmitSicherheitkeingutesOmen,denkt
er.SiemarschierenwiederaneinemGrabenvorbei,indemeinzerschossener
Pferdekarrenliegt.WerningwendetdenBlickab.Ersieht3Erwachsenenund2
kleineKinder.SiesindvondenMG-SalvenderrussischenJaksoder
Sturmoviksgroteskzugerichtetworden.Aucherblicktimmerwiedergen
Himmel.DieSowjetfliegersindeinePest.Ungehindertstürzensiesichauf
alles,wassichbewegt.EsgibtwederFlaknochJägeraufdeutscherSeite.Das
einzige,wasnochhelfenkannbeieinemAngriffisteinbeherzterSprungin
dennassenGrabennebenderStrasse.

WerningsTrosshatumfasstetwa100SoldatenverschiedensterEinheitenund
etwa50Zivilisten.Motorfahrzeugebesitzensienichtmehr,lediglichdreivon
PferdengezogeneWagensindindemTreck.

AllesindvölligerschöpftinGedankenversunken,alseinKnalldieLuft
zerreißt.

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DochesbleibtnichtbeieinemKnall.VonNordendröhnendieAbschüssevon
Panzerkanonen.

„Russenpanzer!“,brüllteinerderFlakmänner.Werningwirftsichaufden
Boden,wiealleanderenauch.DasLandistflach.DieT34sindausdem
WaldgebietzwischendemTeufelsbruchundPaarenhervorgepreschtund
stehenamWaldrandöstlichKienberg.DerschlimmsteFallisteingetreten.Die
RussenhabendieFluchtrouteabgeschnitten.

WerningsKameradWawryzcekkommtzuihmgekrochen.

„Wasmachenwirjetzt?“,sagtervölligaufgelöst.UmsieherumistjetztPanik
ausgebrochen.Die3PferdegespannesindanscheinenddasbevorzugteZielder
russischenPanzer.InnerhalbvonMinutenwerdensiezusammengeschossen.
DieGranatenkönnenfastnichtverfehlen,überallsinddieSchreieder
Verwundetenzuhören.

„IndieGräben,verdammtnochmal!“,brülltderHauptmannWiegand.Doch
plötzlichhörtderGranathagelauf.DierussischenPanzernehmenFahrtauf
unddrehennachNordeninRichtungBörnickeab.

DieerstenkriechenwiederausdemEntwässerungsgraben.DerTodhatreiche
Erntegehalten.Fast20TotehatderTreckzubeklagen.Alledrei
Pferdegespannesindvölligzerstört,nureineinzelnesPferdhatdasMassaker
überlebt.

Werningweiß,dassderTreckdasEndederReiseerreichthat.DieZivilisten
werdenesnichtbiszurElbeschaffen.Überhauptistesunmöglichmiteiner
größerenGruppedienunringsumüberallauftauchendenRussenzuvermeiden.

Werningwillschonvorschlagen,dasssichderTrecknochmalsaufspaltensoll,

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alserdielauteStimmevonHauptmannWiegandhört.

„Soldaten,Volksgenossen,esistsinnlosweiterzuziehen.DieRussenscheinen
überallihreVorhutenzuhaben.Siewerdenunsüberrollen.Ichentscheide
daher,dasswirfolgendeMassnahmendurchführen.Ichwerdemitden
ZivilistennachNauenzurückkehrenundwirwerdenunsdortdenRussen
ergeben.IchstelleesjedemSoldatenfreialleineoderinkleinenGruppen
weiterhinzuversuchendieamerikanischenLinienzuerreichen.Wergehen
willsollteesjetztmachen,bevorderRussezurückkommt.“

DieStimmedesHauptmannesoffenbarteinetiefeResignation.Zweirussische
JägerdonnernüberdenBruchhinweg,ohnesichumdenTreckzukümmern.
EineFraubrichtlautinTränenaus,alsdieFlugzeugeüberihnensind.

WerningblicktzuWawryzcek.Diesernicktnur.

„Wirmüssenesmindestensversuchen.IchwillnichtnachSibirien“,sagtermit
großerEntschlossenheit.Auch20weitereSoldatenwollenesversuchen,den
Durchbruchdochnochzuschaffen.

HauptmannWiegandkommtzuWerning.ErreichtihmseineMP40und
mehrereMagazine.AußerdemgibterdemLeutnanteinekleineschonrecht
lädierteLandkarte.

„Danke“,murmeltWerning.DieUntergangsstimmungistfastmitdenHänden
greifbar.

„VielGlückKameraden!“,sagtderHauptmann.DannerteilterBefehlkehrtzu
machenundnachNauenzurückzukehren.

WerningschautaufdieKarte.DannentscheidetersichnachkurzerAbsprache
mitWawryzcek,dieFluchtrouteentlangdesKanalszuversuchen.Nach20

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MinutenistderletzteSichtkontaktzudenZurückbleibendenentschwunden.
WerningschultertdieneueMP.VonNordenfliegenwiedersowjetische
SchlachtfliegeraufNauenzu.NureineMinutespätererschütternExplosionen
denRückraum.ObseinTreckgetroffenwurde?

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„BrückenkopfTangermünde“–DieArmeeWenckhältdie
Elblinie

DieLage:Am2.MaistelltderBefehlshaberderBerlinerVerteidigung,
GeneralderArtillerieWeidling,denKampfumBerlineinundkapituliert.
DieSchlachtumBerlinwarvorbei.ZehntausendegeschlageneVerteidiger
marschierteninlangenKolonnendurchdieStadt,umindiesowjetischen
Kriegsgefangenenlagergeführtzuwerden.DiemeistenwürdenihreHeimat
niemalsmehrwiedersehen.DiesowjetischenTruppenwüteninderStadt.
PlünderungenundVergewaltigungensindanderTagesordnung.

DochfürvieledeutscheEinheitenundFlüchtlingegiltesnoch,der
russischenSoldateskazuentkommen.BeiTangermündeverteidigtdie12.
ArmeedesGeneralsWenckdenBrückenkopfTangermünde.Ineinermehr
oderwenigeroffiziellenAbmachungmitdenAmerikanernerlaubendiese
denSoldatendieElbeüberdieschwerbeschädigteBrückezuüberschreiten
undsichsoinSicherheitzubringen.ZivilistenisteinÜberschreitender
Elbeuntersagt.

DieAmerikanerhabenschonseitTagendieLuftangriffeeingestellt.Als
aberdieSowjetsbeginnendenBrückenkopfausderLuftzuattackieren
kostetdieseinerseitsschwereOpfer,bedeutetaberauch,dasssichdie
AmerikanervonderElbezurückziehenundsojetztauchunzählige
ZivilistendasbuchstäblichrettendeUfererreichen.Auchdiewenigen
VersprengtenderAusbruchsgruppevonZoo,gejagtvondenRussen,
erreichendieElbe...

Kampfbericht12.Armee(Armee„Wenck“)/OberstReichhelm/NARAB-
606

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„Am2.5.frühdurchbrachenrussischeTruppendieFrontdesXXXXI.
Pz.K.undstiessenbisHavelbergvor,dasnochlängereZeithartnäckig
verteidigtwurde.DasXXXXI.Pz.K.schiedsomitfürdieweitereFührung
durchdasAOKaus,zumaldieMassederTruppenundderStabinden
Raumostw.Wittenbergeabgedrängtwordenwar.XXXIX.Pz.K.erhielt
denBefehl,dieVerteidigungderHavelvombisherigenlinkenFlügeldes
KorpsbisHavelbergeinschl.zuübernehmenunderstbeiweiterenstarken
feindlichenAngriffenamlinkenFlügelindieLinieMolkenberg–Kamern–
Wulkauauszuweichen.AnXX.A.K.ergingderBefehlfürdenRückzug,der
bereitsinderNacht1./2.5.begonnenwordenwar,indengrossen
BrückenkopfTangermünde.

EsmusstennocheinmalanFührungundTruppenHöchstanforderungen
gestelltwerden.Entscheidendwar,dassderdurchdieschnelleEntwicklung
derLagebeiXXXXI.Pz.K.entstandeneneueNordflügeldesBr.Kopfes
schnellstensdurcheinekampfgewohnteTruppegefestigtwurde;das
konntenurdurcheineTruppedesXX.A.K.geschehen!

Kampfbericht12.Armee(Armee„Wenck“)/OberstReichhelm/NARAB-
606

„LageentwicklungimKampfraumder12.Armeevom1.5.–7.5.einschl.
RückzugsbewegungenundBrückenkopfstellungen.

AmfrühenMorgendes3.MaihattedasAOKtrotzdernochimGange
befindlichenKämpfeundBewegungendiezuversichtlicheHoffnung,dass
nunmehrderRückzugindenBrückenkopfTangermündeplanmässigwürde
durchgeführtwerdenkönnen.DieganzeArmeewarentschlossen,den
KampfgegendenRussenbiszurletztenPatronezuführen;derKampf
gegendieAmerikanerwarschonseitlangemeingestelltworden.Ander
ElbestandenauchnurnochBeobachtungsposten.

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NunmehrwarauchderZeitpunktgekommen,wodasAOKdie
KapitulationsverhandlungenmitdemamerikanischenAOK9aufnehmen
konnte,weiljetztdemWestgegnerbindendeZusicherungenbezgl.der
ÜbergangsstellenundderÜberführunggeschlossenerEinheitengemacht
werdenkonnte.DerAbschubvonVerwundetenwarschonseitmehreren
TagenimGange.DerO.B.strebteeineehrenvolleÜbergabean(...)

LeutnantWerning/DivisionMünchebergberichtet:

WirhattendenOrtKammernweiträumigumgangen.Aneinemkleinenmit
BirkenbestandenenHügelmachtenwirHalt.Ichkonntesehen,dassWawryczek
völligerschöpftwar.ErließsichindashoheGrasfallen.Auchichkonnte
michkaumnochhalten.Wiesollteesweitergehen?Ichnahmerneutmeine
kleinevölligzerfledderteKarte.Erstjetztbemerkteich,dassichnochmeinen
Gasmaskenbehälterbeimirtrug.

EswarmirdieganzeZeitnichtaufgefallen,dassichdiesenvöllignutzlosen
AusrüstungsgegenstanddieganzeZeitmitgeschleppthatte.Ichmachteihnvon
demRiemenab,nahmihnundwarfihnmiteinemkräftigenWurfindashohe
GrasamHügelhang.

Wawryzcekwarinzwischeneingeschlafen.IchschauteaufdieKarte.Eswaren
nochetwa2KilometerbiszurElbe.WenndieGerüchte,dieumgegangen
waren,stimmten,standenaufderanderenSeitebeiStendaldieAmerikaner.

Aberobeswirklichstimmte?IchtrautederganzenSachenicht.Esgingen
vieleGerüchteum,ständigändertensichdieFronten.Ichblickteindenetwas
aufklarendenHimmel.ZweiFlugzeugewarenalskleinePunkteamHorizont
zusehen.Aberschnellwurdeichetwasnervös.Sieflogengenauindie
RichtungdesHügels.Nichtnurwarensieweitwegundwohlauchzuhoch,

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abervorsichtshalberzogichdenschlafendenWaywryzcekeinStückweiter
hintereineHecke.AuchichbliebhinterderHecke,währendichdieFlieger
weiterbeobachtete.

DannzischtensieüberdenHügelhinweg.Ichkonntedeutlichdie
Markierungenerkennen–eswareinblauroterKreis.Ichatmeteauf.Briten!
DieJägerhattenmichineineleichteEuphorieversetzt.WennhierdieJäger
derWestalliiertenflogen,waresvielleichtdochwahr,dasssieaufderanderen
SeitederElbewaren.

Auchichwareinwenigspätereingenickt.TrotzdesbeginnendenSommers
waresdurchdenRegennochempfindlichkalt.EinMotorengeräuschweckte
mich.IchlugtehinterderHeckehervor.BrennenderDurstüberkammich.Auf
derkleinenLandstrassefuhreinMilitärfahrzeugähnlicheines
Wehrmachtskübels.DieStrassewaretwa500Meterentfernt,aberschnell
konnteichdasFahrzeugmitbloßemAugealseinrussischesidentifizieren.Ob
sienachinRichtungWestenfliehendenDeutschensuchten?Mirwurdeklar,
dasswirhiernichtlängerbleibenkonnten.

MeinMagenmeldetesich.IchhattebeißendenHunger,aberaußereinemStück
RindefandsichüberhauptnichtsmehrinmeinemBrotbeutel.Ichkautedarauf,
inderHoffnung,eswürdehelfen,aberdiesbewirktedasGegenteil.

MeinMagenhatte„Lunte“gerochenundverlangtenachmehr.DerSowjetkübel
hattekurzgehaltenundeinOffiziersuchtedieFeldermitdemFernglasab.
Dannfuhrensieeinwenigspäterweiter.Ichatmeteauf.Abereswarklar,dass
wirhierwegmussten.

„Anton,losaufwachen“,knufteichdenKameradenindieSeite.Erstöhnte.

„DieRussensuchenhierallesab.Wirmüssenweiter,bissiehierdieGegend
abriegeln“,erklärteichihm.

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„Ja,ja,hastrecht“,erwiderteWawryzcekohnebesondereÜberzeugunginder
Stimme.

IchgriffnachmeinerMP40.Dannmarschiertenwirlos.Eswareinlocker
bewaldetesGebiet.ImHintergrundhörtenwirimmerwiederdasRumsenvon
Artillerie.Abereswarweitweg.EinwenigwardieGegendwieimtiefsten
Frieden.AberwirwusstenbeideumdietödlicheGefahr.Eskonntenjederzeit
russischePatrouillenauftauchen.PlötzlichöffnetesichdasWäldchenundgab
denBlicknachWestenfrei.WirsaheneineetwassumpfigeWiesen-odereher
Marschlandschaftvoruns–undaucheingraublauesBand.WirhattendieElbe
erreicht!

IchtaxiertedieSituation.Eswarenetwa500MeterbiszudemFluss.Ein
Schildsagte:„Schäferei500Meter“und„Schönfeld2Kilometer“.

Wirwusstenzwar,dassesbeiTangermündeweitersüdlicheineBrückegab,
aberunsereAngst,dortvondenAmerikanerngefangenundzurückgeschickt
zuwerden,warunseinfachzuhoch.Wawryzceksetztsichwiederaufeinen
Baumstumpf.IchfinganmirechteSorgenzumachen.ErwarmitdenKräften
amEnde.WennwirdieElbedurchschwimmenwollten,bedeutetedieshöchste
Gefahr.

ImnächstenMomenterschrakich.

„Kameraden“,tönteesvonrechts.Ichdrehtemichum.EinAdrenalinschub
schossdurchmeinenKörper.AberschnellgingderPegelwiederherunter.Ich
saheinenManninderblauenUniformderFlaktruppen.

IchnahmmeineHandandieStirn,fastsoalswennnochirgendeine
militärischeFormalitäteinenSinngemachthätte.

„AuchausBerlin?“,fragteich.

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„Ja,binmitderGruppedesGeneralmajorsSydowausgebrochen“,erwiderte
derFlaksoldat.Ichmusstelachen.ErwarindemselbenAusbruchsversuch.

„Wirauch“,sagteich.„Eshabenwohlnurwenigebishiergeschafft.“

MeinGegenübernickte.EswareinTrauerspielundmachtekeinenSinn,
darübernachzudenken.AusRichtungTangermündeetwa25Kilometersüdlich
warenheftigeExplosionenzuhören.DieSowjetluftwaffebombardierteden
deutschenBrückenkopfdort.

„WirwollenüberdieElbe.AbernichtdirektindieKriegsgefangenschaft.
DeswegenvermeidenwirTangermünde“,erläuterteichdemFlaksoldaten,der
HeinzBehringhieß.

„Wirsolltenunsbeeilen.DieSpitzenderRussensindschonimGebiet.Esist
nureineFragederZeit,wanndieerstengrößerenVerbändeauftauchenunddie
Elbeabriegeln.“

EswarhelllichterTag,aberangesichtsderSituationwareswichtigerschnell
zusein.WirkonntennichtbiszurDunkelheitwarten.Wirmusstenesjetzt
riskieren.FlugsmachtenwirunszuDrittaufzumElbufer.DieFelderboten
zwarkeineDeckung,abereswaroffensichtlichkeinefeindlichePatrouillein
demGebiet.AmUfersetztenwirunsersteinmal.

IchsahinwelchschlechtenZustandWawryzcekwar.Aberesfielmirschwer,
HeinznachseinerletztenRationzufragen.Aberdannpassiertedocheine
Überraschung.

HeinznahmseinenBrotbeutelundholteeinenkomplettenLaibBrotheraus.
Aberdaswarnochnichtalles–eine40ZentimeterlangeSalamiwurstfolgte.
AlsWawryzcekdassah,erwachtenauchinihmwiederdieLebensgeister.

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„HabtihrauchHunger?“,fragteHeinzvölligunbedarft.Ichhätteihnumarmen
können.

„Woherhastdudas?“,fragteichihn,währendmeinMagenoffenbarin
Verzückunggeriet.

„Naja,wirvonderFlakwarenschonimmerganzgutimOrganisieren“,
meinteHeinzmiteinemschelmischenGrinsen.

„Esmagjetztblödklingen,aberbeiNauenhatteeseinpaarZivilistenerwischt.
Tiefflieger.WassolltendieTotennochmiteinerUhranfangen?Dahabeich
michbedient.UndderBauereinpaarKilometervonhierwarineinennetten
Tauschinteressiert.“

SotraurigdieUmständediesesMahleswaren,sowenigschertedasunsere
Mägen.EswareinederbestenMahlzeiten,dieichjeinmeinemLebengehabt
hatte.AuchinmeinemtreuenKameradWawryzcekkehrtensichtbardie
Lebensgeisterzurück.NachdemEssensassenwirnocheinigeMinuten
schweigenddaundbeobachtetendenFluss.AufderanderenSeiteregtesich
nichts.DieExplosionen,dievonTangermündeherrührten,wurdenaber
stärker.Ichvermeintesogarherauszuhören,dassesArtillerieundkeine
Schlachtfliegerwaren.

„Ichdenkewirsollteneswagen“,sagteich.„DieRussenrückennäher.“

DieElbeflossruhig.IndieElberagtenBuhnen,kleineaufgeschüttete
Landzungen.Zwischen2BuhnenaufbeidenUferseitenwarenesetwa100
MeterAbstand.DadieElbemirrechtträgefliessenderschien,taxierteichein
Durchschwimmenalsmachbar.

IchschauteunserGepäckan.Eswarambesten,alleswegzuwerfen.

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„WenndrübendieAmissind,solltenwirbesserkeineWaffenmehr
dabeihaben“,sagteich.HeinzundAntonnickten.Hinterunswareinkleiner
Tümpel.Wirstandenaufundwarfenalleshinein.DieMP,dask98,unsere
Stahlhelme,jaselbstdieMunitionstaschen.Esüberkameinenschoneinwenig
einmulmigesGefühl,jetztkomplettunbewaffnetzusein,abereswarbesser
so.

MinutenspäterstiegenwiraneinerderBuhneninsWasser.Wirhattenuns
glücklicherweisenichtverkalkuliert.DasDurchschwimmendesFlusseswar
nichtweiterproblematisch,malvonderKältedesWassersabgesehen.Wir
merktenanfangsgarnicht,dassdieStrömungunsdocheinigesabverlangte.

Nureinmalerschrakichheftig.Ichwargegenetwasgestoßen,wassichbei
näheremHinsehenalseineimWassertreibendeLeicheerwies.DerTotehatte
einedeutscheWehrmachtsuniforman.AmSchlimmstenwar,wiesein
LeichnammichsozusagenmitaufgerissenenAugenanblickte.

SchnellmachteichmichvondemLeichnamlosundschwammweiter.Ich
verschwendetekeinenGedankendaran,ihnausdemWasserzuziehen.
WahrscheinlichwarereinOpferderrussischenLuftangriffebeiTangermünde
gewesen,vermuteteich.

AmanderenUfererreichtenwireineweitereindieElberagendeBuhne.Ich
hatteesgarnichtsobemerkt,aberichundauchdieanderenBeidenwarennun
dochvollkommenerschöpft.DieStrömungwarvielstärkeralswirbeidem
ruhigdahinfließendenFlussvermutethatten.EshatteallesunendlichKraft
gekostet.

„Geschafft“,riefunserKameradvonderFlakeuphorischaus.InderTatwurde
mirerstjetztbewusst,dasswirwohlbuchstäblichdasrettendeUfererreicht
habendürften.Dochwasjetzt?

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***

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Erstmalmusstenwirunszumindestrudimentärtrocknen.ZumGlückkamdie
SonnenunhinterdenWolkenhervor.NacheinerhalbenStundewarendie
UniformjackenundHosen,diewiraufdenÄsteneinigerimUfersaum
stehendenBäumenaufgehangenhatten,halbwegstrocken,auchweilwirsie
immerwiederausschüttelten.

Aberwirkonntennichtlängerwarten.WirmussteneinLagerfürdieNacht
finden,auchwenneserst2oder3UhramNachmittagwar.

TrotzdemwarendiefrühenMainächteoftmalsnochempfindlichkalt,undmit
dennochnassenUniformenkonntemansichdanndenTodholen.

EtwaswiderwilligzwängtenwirunsindieUniformen.Heinzfluchte
ununterbrochen.ErstelltesichinderTatetwaslinkischan,sodassichund
WawryzcekunsdiverseschmunzelndeGrinseinlagennichtverkneifenkonnten.

IchzogmeineKarteausderTasche.AberdasehschonargzerfledderteStück
PapierwardurchdieWassereinwirkungnunvölliginsichzusammengefallen
undzerrissvollständigbeimeinemVersuchesaufzufalten.

„Osterholz“,fielesmirplötzlichwiebeieinemBlitzein.Daswardernächste
WeilerodervielleichtauchnureinGehöft.

„Dannmallos“,erwiderteHeinz.

KaumhattenwirdenkleinenWald-undGebüschstreifenamUfersaum
verlassensahenwireinenkleinenFeldwegundeinGehöftineinpaarHundert
MeternEntfernung.DochschonkamdernächsteSchreck.VonNordennäherte
sicheinMilitärfahrzeug.

„Verdammt“,raunteWawryzcek.

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„Ruhigbleiben!UndHändehoch!“,sagteichbestimmt.Wirhattenkeine
Waffenmehr.SofortbefolgtenAntonundHeinzmeineAnweisungen.

DasFahrzeugkamnäher.EswareinamerikanischerJeep,wieichihnvonder
FrontbeiAachenmehrfachgesehenhatte.Meistjedochkokelndim
Strassengraben.

DasFahrzeugverlangsamtedieFahrt.Siehattenunsentdeckt.Nunwurdees
spannend.

DerWillieswarvon4Amerikanernbesetzt.VorderKühlerhaubeprangteeine
angeschweißteStahlstangeindieHöhe.AnderWestfronthatteichgehört,dass
dieAmisdiesegegenüberdieStrassegespannteDrähteanbrachten.Angeblich
warenderenSoldatenschonvonsolchenDrähtenenthauptetworden,wennsie
invollerFahrtindasHindernisprallten.Ichhatteniemalsetwasdavon
mitbekommen,dasswirsolcheFallenbeiunserenRückzügenanbrachten,aber
eshattewohlschonseinenGrund.

DerJeephielt.Wirbliebenstehen.EinAmerikanerstiegaus.Erhatteeinen
KarabinerinseinenArmgelehnt.Miteineretwasrüdewirkenden
Handbewegungzeigteerunsan,zudemFahrzeugzukommen.AufdemJeep
wareinschweresMaschinengewehrmontiert.EinzweiterAmerikanerlehnt
lässigdagegen.Aberichkonnteerkennen,dasserinHabachtstellungwar.

WirbefolgtendenBefehl.Insgeheimwarichfroh,dieAmiszusehen.In
gewisserWeisehatteichbiszudiesemMomentnichtgeglaubt,dasswiraus
demrussischenGebietherauswaren.Aberwasnun?WürdensieunsamEnde
nachalldenStrapazendenRussenwiederausliefern?

IchnahmdieHändeherunterundsalutierte.

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„LeutnantWerning.PanzerdivisionMüncheberg.“

IchhattekeineAhnungwiemansichbeidenAmerikanernmeldensollte.Der
Mannsagtezuerstnichts.DannetwasaufEnglisch,waskeinervonuns
verstand.WirzucktenmitdenSchultern.InzwischenwarderSoldat,deram
MGgestandenhatte,ausdemJeepausgestiegen.

Auchersalutiertenicht.

„Areyou...durchdasFlusskommen?“,radebrechteerinDeutsch.

„Jawohl!“,antworteteich.

„Papers...Papiers“,fuhrerfort.

IchgriffinmeineJackentasche.AuchmeinSoldbuchwarkomplettdurchnässt
undfolglichunbrauchbar.

DerAmerikanersahdenZustanddesBüchleinsundnicktemiteinem
Gesichtsausdruck,derwohlsagte:„Dashabtihrjagroßartighinbekommen.“

AlsichihmdasnasseSoldbuchreichte,winkteerab.

„Istgut“,sagteer.„Wisseneuch,waseinprisonercage,eineGefangeneslager
ist?“,fragteerwiederinbruchstückhaftenDeutsch.

DochohneeineAntwortabzuwarten,zeigteermitdemArminRichtung
Süden.

„YougehennachStendal.20MeilenvondieseOrt.Dasistdie

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Gefangeneslager.“

DannließerunsstehenundgingzuseinemJeepzurück.Seine3Kameraden
schienenschongelangweilt.Dochgeradealserlosfahrenwollte,hörtenwir
dasDröhneneinesherannahendenFlugzeuges.SchnellgingenwirindieKnie
undducktenuns.VonNordenkameineinmotorigerJägerimTiefflug
angerauscht.OhneseinenKurszuändernrauschteerüberunsweg.Eswarein
Russe–dierotenSterneaufdenTragflächenwarenklarerkennbargewesen.
IchidentifiziertedenFliegeralseineJak.

IchblickteaufdieAmerikanerindemJeep.Einervonihnenhatteeinegroße
amerikanischeFahneinbeidenausgestrecktenArmenundhieltsieausgebreitet
hoch.WildflattertesieimWind–alswäreesMagiehattesiedemrussischen
JägerdasZeichengegeben,denAngriffabzubrechen.

DannsetzteersichwiederundderJeepfuhrweg,ohneunsnocheinmaleines
Blickeszuwürdigen.

„AmbestenbesorgeichmiraucheineamerikanischeFahne.Scheinteine
beruhigendeWirkungaufdieRussenzuhaben“,scherzteHeinz.

Ichmusstelachen.Dochdannwurdeeswiederernst.

„IchwerdenichtnachStendalgehen.IchwillnichtinGefangenschaft.Ich
werdemichbisnachHamelndurchschlagen.Essindknapp150Kilometervon
hier“,sagteichtonloszumeinenMitstreitern.

Wawryzceknickte:„Ichwerdeesauchversuchen.“

IchwusstedaserausBrilonkam.Dieswarnur50oder60Kilometerweiter.
Heinzsagtenichts.

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„WasistmitDir,Heinz?“,fragteich.VölligunerwartetschossenihmTränenin
dieAugen.

„IchgehenachStendalzudenAmis.IchwohneinAllensteininOstpreußen.
Unddahinwerdeichbestimmtnichtzurückkehren.“

IchgabHeinzdieHandundwünschteihmGlück.Ichteilteihmnochmeine
Adressemit,diesehreinfachzumerkenwar.

Dannzogervondannen.WawryzcekundicherreichtenunsereHeimatorte
nacheinigenTagenFussmarsch.Dortverstecktenwiruns,bisdieGefahr
festgenommenunddochnochinKriegsgefangenschaftgeschicktzuwerden,
gebanntwar.WirbliebenengeFreunde.VonHeinzhabenwirniewiederetwas
gehört.

Am8.Mai1945waresschließlichvorbei.Deutschlandhattekapituliert.
DamitendeteauchdasletzteKapiteldeszweitenWeltkriegesinundum
Berlin.DieBemühungenderWehrmachtindenletztenTagenvorder
Kapitulationhattendazugeführt,dassnochhunderttausendeSoldaten
undZivilistendieElbeüberschreitenkonnten.DerBrückenkopfvon
TangermündeunddieSoldatenWencks,dieihnhielten,hattenGroßes
geleistet.

WirwissennichtwievieleMenschenschlussendlichdieSicherheitder
amerikanischenLinienerreichten,dochdieSchätzungist,dasses300000
Zivilistenund100000Soldatenwaren.Dabeisollnichtvergessenwerden,
dassesdieAmerikanerwaren,diedenDeutschenerlaubtenden
BrückenkopfTangermündezusichernundalldieverzweifeltenMenschen
inSicherheitzubringen.DiesemenschlichgroßeGesteeinesGegners,mit

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demDeutschlandnochimmerimKriegstand,kannnichthochgenug
eingeschätztwerden.

„DieArmeesahnurmehrnoch2Aufgabenundzwar:

a.

Die9.Armeeaufzunehmen,mitderinzwischendurchGen.Kdo.

XX.A.K.Funkverbindunghergestelltwordenwar(...)

EswardemAOKundallenunterstelltenTruppenklar,dassdieseAufgabe,
dienocheinmehrtägigesHaltendergewonnenenLinienbedingte,das
LetztevonOffizierundMannerforderte.DiesesOpferwurdeaberals
kameradschaftlichePflichtselbstverständlichinKaufgenommenundvon
denjungenSoldateninbeispiellosemHeldentumgetragen!

(Kampfbericht12.Armee(Armee„Wenck“)/OberstReichhelm/NARAB-
606)

Wehrmachtsbericht9.Mai1945(NARA)

«SeitMitternachtschweigennunanallenFrontendieWaffen.

AufBefehldesGroßadmiralshatdieWehrmachtdenaussichtslos
gewordenenKampfeingestellt.DamitistdasfastsechsjährigeRingenzu
Ende.EshatunsgroßeSiege,aberauchschwereNiederlagengebracht.Die
deutscheWehrmachtistamEndeeinergewaltigenÜbermachtehrenvoll
unterlegen.

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DerdeutscheSoldathatgetreuseinemEid,imhöchstenEinsatzfürsein
Volk,fürimmerUnvergesslichesgeleistet.

DieeinmaligeLeistungvonFrontundHeimatwirdineinemspäteren
gerechtenUrteilderGeschichteihreendgültigeWürdigungfinden.

DenLeistungenundOpfernderdeutschenSoldatenzuLande,zuWasser
undinderLuftwirdauchderGegnerdieAchtungnichtversagen(…)

DieWehrmachtgedenktindieserStundedenvordemFeindgebliebenen
Kameraden.

DieTotenverpflichtenunszubedingungsloserTreue,zuGehorsamund
DisziplingegenüberdemauszahllosenWundenblutendenVaterland»

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Impressum

RudolphMair/TrevorMcCleeland/GeroldvanRijk-Texte:

©CopyrightbyThorstenKurpjuhn

Johann-Büchelstr.2

56294Münstermaifeld

westfronthistory@gmail.com

AlleRechtevorbehalten.

Allrightsreserved.

TagderVeröffentlichung:17.06.2017

DasWerk,einschließlichseinerTeile,isturheberrechtlichgeschützt.Jede
VerwertungistohneZustimmungdesVerlagesunddesAutorsunzulässig.Dies
giltinsbesonderefürdieelektronischeodersonstigeVervielfältigung,
Übersetzung,VerbreitungundöffentlicheZugänglichmachung.

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