Dänische Gebietsverluste im 17. Jahrhundert an Schweden
In diesem Buch werden die grundlegenden Ereignisse und
Entwicklungslinien der dänischen Geschichte von der Wikin-
gerzeit und der Christianisierung bis heute übersichtlich und
kompetent dargestellt. Dabei stehen Gesellschaft und Wirt-
schaft im Mittelpunkt, die politische Geschichte bildet den
festen Rahmen und liefert die Chronologie.
Robert Bohn, geb. 1952, Dr. phil. habil., Prof., lehrt an der
Universität Flensburg Mittlere und Neuere Geschichte.
Schwerpunkte seiner Forschung: Geschichte Nordeuropas
und Norddeutschlands seit der Wikingerzeit sowie Seefahrts-
geschichte und regionale Zeitgeschichte.
Robert Bohn
DÄNISCHE
GESCHICHTE
Verlag C.H.Beck
Kurt Jürgensen in Erinnerung
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Bohn, Robert:
Dänische Geschichte / Robert Bohn. – Orig.-Ausg. –
München : Beck, 2001
(C.H. Beck Wissen in der Beck’schen Reihe ; 2162)
ISBN 3 406 44762 7
Originalausgabe
ISBN 3406447627
Umschlagentwurf von Uwe Göbel, München
© Verlag C.H. Beck oHG, München 2001
Gesamtherstellung: Druckerei C. H. Beck, Nördlingen
Printed in Germany
www.beck.de
Inhalt
I. Der Eintritt der Dänen in die Geschichte:
Wikinger und Reichsgründer ....................................
6
II.
Gesellschaft
und
Wirtschaft im Mittelalter ...............
12
III.
Großmachtzeit:
Innere
und äußere Konflikte ............
20
Unionszeit ................................................................. 32
V.
Bürgerkrieg
und
Reformation ................................... 45
VI. Der Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum.....
59
VII. Absolutismus: Der neue Staat ...................................
69
VIII.Aufklärung und Reformen..........................................
80
IX. Der Kleinstaat ........................................................... 90
X.
Industrialisierung
und politischer Wandel ................ 100
XI. Krisen und Kriege ..................................................... 106
XII. Der Wohlfahrtsstaat – Dänemark nach 1945 ............ 117
Literatur.............................................................................. 125
Register .............................................................................. 127
6
I. Der Eintritt der Dänen in die Geschichte:
Wikinger und Reichsgründer
In den letzten Jahrhunderten des ersten Jahrtausends n.Chr.
entstanden durch herrschaftliche Zusammenfassung von ein-
zelnen Stämmen beziehungsweise Stammesgruppen im Nor-
den Europas die in ihrer ethnischen, sozialen, kulturellen und
wirtschaftlichen Struktur aufs engste miteinander verwandten
skandinavischen Königreiche. Ihre frühe Geschichte ist – so-
wohl dynastisch als auch politisch – nahezu unentwirrbar
ineinander verflochten. Die spätere Nationalgeschichtsschrei-
bung der Dänen, Norweger und Schweden hat zu diesem
verwirrenden Bild dadurch beigetragen, daß sie bei der Her-
leitung ihrer jeweiligen Staatsgründungsmythen weitgehend
auf ein und dieselben materiellen Grundlagen zurückgegriffen
hat.
Im Laufe des 8. Jahrhunderts rückte das neue politische
Machtzentrum Europas, das Reich der Karolinger, immer nä-
her an Dänemark heran. Um 800 machte sich Karl der Große
die Sachsen Untertan, wodurch das Frankenreich zum unmit-
telbaren Nachbarn der Dänen wurde, was nicht ohne Kon-
flikte blieb. In nichtdänischen Texten aus jener Zeit (dänische
gibt es nicht) finden wir nun erstmals Berichte über die poli-
tischen Verhältnisse in Dänemark, das als ein einheitliches
Königreich aufgefaßt wurde, was es aber, wie die Forschung
gezeigt hat, tatsächlich noch nicht war. Denn lokale Große
waren noch relativ unabhängig von der Königsmacht. Gleich-
wohl scheint der Reichsbildungsprozeß schon vorangeschrit-
ten gewesen zu sein. Darauf deuten unter anderem organi-
sierte Abwehrmaßnahmen gegen das weitere Ausgreifen der
fränkischen Macht nach Norden. Wir erfahren, daß ein König
Godfred gegen die im östlichen Holstein siedelnden slawi-
schen Stämme zog, die mit Karl verbündet waren. Godfred
ließ auch das Danewerk, den schon einige Generationen
(seit etwa 700) bestehenden Befestigungswall am Ende der
Schlei, weiter ausbauen. Hier entstand die bedeutende däni-
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sehe Handelsstadt Hedeby (Haithabu), die spätere Drehschei-
be des Ost-West-Handels. Um sie zu fördern, ließ Godfred an
der nahegelegenen slawischen Küste Handelsorte zerstören,
beispielsweise Rerik, dessen Kaufleute Godfred nach Hedeby
verpflanzt haben soll. Er suchte mit seinen Seekriegern sogar
die Küstengewässer Frieslands heim, das nach dem Verfall der
merowingischen Macht im frühen 8. Jahrhundert einige Zeit
unter dänischem Einfluß gestanden zu haben scheint, nun aber
von den Franken beherrscht wurde. 810 kam Godfred in in-
nerdänischen Machtkämpfen zu Tode. Sein Neffe und Nach-
folger Hemming schloß ein Jahr darauf mit Karl dem Großen
Frieden, wobei erstmals die Eider als Südgrenze Dänemarks
festgelegt wurde. Hemming starb kurze Zeit später eines ge-
waltsamen Todes, wie überhaupt die fränkischen Quellen je-
ner Zeit von innerdänischen Auseinandersetzungen berichten,
in denen die Könige eine für die fränkischen Chronisten wun-
derliche Neigung zu plötzlichem Versterben zeigten.
Die Machtverhältnisse in Dänemark waren und blieben
wechselhaft. Sie sind aufgrund spärlicher Quellen auch nicht
mehr im einzelnen rekapitulierbar. Man weiß aber, was die
politische Herrschaft betrifft, daß der Sohn eines verstorbenen
Königs nicht ohne weiteres damit rechnen konnte, seinen
Vater zu beerben. Er mußte sich gegen Konkurrenten aus der
eigenen Sippe oder aus den Reihen der anderen Großen
durchsetzen. Er war dabei nicht nur vom Kriegsglück abhän-
gig, sondern auch von seiner Fähigkeit, Gefolgschaft (dän.
Hird) an sich zu binden. Hierbei war zweierlei wichtig: Die
Aura als erfolgreicher Krieger und Mehrer sowie das Vermö-
gen, die Gefolgsleute materiell zu belohnen. Die Gefolgschaft
war freiwillig, sie konnte jederzeit aufgesagt werden. Der Kö-
nig herrschte solchermaßen nicht über das Land (im wört-
lichen Sinn), sondern über eine Anhängerschaft, die zu ver-
größern er stets bestrebt sein mußte. Diese inneren machtpoli-
tischen Verhältnisse waren ein entscheidender Faktor für die
Wikingerzüge und die Ausweitung der dänischen Macht im
Nordseeraum. Allerdings kamen noch andere Faktoren hinzu,
die zusammengenommen erst die historische Epoche hervor-
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riefen, die gemeinhin Wikingerzeit genannt wird. Im Natio-
nalmythos gilt sie als dänische Großzeit schlechthin.
In der älteren Literatur wird oftmals eine Überbevölkerung
als Erklärung für die Wikingerzüge vorgebracht, zumal sich
die Dänen (und Norweger) auch überall in den eroberten Ge-
bieten als Siedler niederließen. Tatsächlich gab es in Skandi-
navien einen gewissen Bevölkerungsdruck. Im 8. Jahrhundert
hatte hier ein relativ warmes Klima mit ausreichend Nieder-
schlägen geherrscht, was dazu führte, daß ein großer Teil der
früher nur als Weide nutzbaren Flächen für den Getreide-
anbau herangezogen werden konnte. Dies sowie die Einfüh-
rung neuartiger Ackerbaugeräte wie Radpflug mit Streich-
blech bewirkten eine Verbesserung der Lebensmittelversor-
gung und damit einen Anstieg der Bevölkerungszahl. Doch
inzwischen weiß man, daß nach 800 keine Landnot herrschte,
sondern daß die Wikingerzeit im Gegenteil auch eine Zeit der
inneren Kolonisation war.
Daher ist neben den genannten machtpolitischen Verhält-
nissen im Innern vor allem die allgemeine politische und mili-
tärische Lage in Westeuropa als entscheidend anzusehen. Die-
ses bot am Ende des 8. Jahrhunderts, trotz der Ausdehnung
des fränkischen Großreiches unter Karl, vielerorts ein Bild der
politischen Zersplitterung – insbesondere auf den britischen
Inseln, gegen die sich die ersten großen Wikingerzüge richte-
ten. Nach dem Tode Karls des Großen 814 und der Drei-
teilung seines Reichs 843 wurden das west- und das ostfrän-
kische Reich ebenfalls Objekte der dänischen Wikingerzüge.
Neben die bereits genannten treten weitere Faktoren hinzu,
die diese Raub- und Eroberungsfahrten erst ermöglichten: Die
Entwicklung eines besonderen Schiffstyps sowie der Erwerb
nautischer Fähigkeiten, durch die die Skandinavier den an-
deren europäischen Völkern seefahrtstechnisch überlegen
wurden. Das Wikingerschiff war hochseetüchtig und seine Be-
satzung fähig, es über das offene Meer – Ostsee und Nordsee
(später auch den Nordatlantik) – zu navigieren, ohne daß
Sichtkontakt zur Küstenlinie gehalten werden mußte. Außer-
dem konnten sie damit bis zu den Oberläufen der großen
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Flüsse vordringen; sich mit den kleineren Schiffen sogar
kürzere Strecken über Land bewegen, um zu einem anderen
Flußlauf zu gelangen. Erst so war das Eindringen in das Frän-
kische Reich möglich.
Überall im Norden setzte um 800 die sogenannte Reichs-
sammlung, die großräumige Königsordnung mit der Tendenz
zur Zentralisierung und Territorialisierung der Herrschaft,
ein. Sie rief eine über Generationen andauernde Konfliktkon-
stellation hervor, bis sich schließlich das Einheitskönigtum
gegenüber den Kleinkönigen, Häuptlingen und sonstigen Gro-
ßen durchsetzen konnte. In dieser Auseinandersetzung wur-
den viele, die sich nicht unterordnen wollten, aus dem Land
gedrängt – oder sie gingen freiwillig. Das junge Einheitskönig-
tum mit ambitionierten Herrschern setzte sich oft auch selbst
expansionistische Ziele, die gleichermaßen der Herrschafts-
sicherung und der Machtausweitung dienen sollten.
Waren es zu Beginn des 9. Jahrhunderts noch Raubzüge
von einzelnen Wikingerhäuptlingen zur englischen, friesischen
oder fränkischen Küste gewesen, so nahmen diese Züge ab
etwa 840 sowohl an Häufigkeit als auch an Zahl der daran
beteiligten Krieger zu. Allmählich änderte sich auch ihr Cha-
rakter: Ab der Mitte des 9. Jahrhunderts waren es mitunter
große militärische Expeditionen, an denen Hunderte von
Schiffen und Tausende von Kriegern beteiligt waren. Der
Schlußpunkt dieser Entwicklung waren sozusagen staatliche
militärische Unternehmungen, die von Königen oder Ange-
hörigen des Königsgeschlechts geführt wurden.
Seit den 840er Jahren erfolgte Angriff auf Angriff. 845
kamen die Dänen unter dem berühmten Wikinger Ragnar
Lodbrok bis Paris, wo Karl der Kahle sie nur gegen eine hohe
Tributzahlung zum Abzug bewegen konnte. 885/86 wur-
de Paris abermals belagert, diesmal über ein Jahr lang, bis
Karl III. den Abzug wiederum teuer erkaufen konnte. An den
Unterläufen der nordfranzösischen Flüsse dauerten die Ver-
heerungen aber weiter an. Mitunter zogen die Dänen (oft im
Bunde mit Norwegern) jahrelang plündernd durchs fränki-
sche Land.
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Neben den Zügen ins Frankenreich gingen um die Mitte
des 9. Jahrhunderts Angriffe der Dänen nach England einher.
Die Zersplitterung der Insel in angelsächsische Teilreiche kam
diesen Unternehmungen sehr entgegen. Im letzten Drittel des
9. Jahrhunderts war alles Land von der Themse bis zum
Hadrianswall östlich einer Linie London – Chester in däni-
scher Hand. York wurde der Sitz des dänischen Wikinger-
königs Halfdan und die Stadt selbst ein blühendes Handels-
zentrum. Die keltischen bzw. angelsächsischen Kleinkönig-
reiche an den Rändern dieses dänischen Reiches, das bald die
Bezeichnung Danelag (Dänenrecht) erhielt, wurden tribut-
pflichtig. Hier in Mittelengland kam es nun gegen Ende
des Jahrhunderts aber auch zu einer allmählichen Assimilie-
rung – die Angelsachsen unterschieden sich ja kaum von den
Dänen, man sprach sogar fast die gleiche Sprache.
Mit der Seßhaftwerdung und dem Übergang zum Ackerbau
ebbten die Angriffe der Dänen Ende des 9. Jahrhunderts ab.
Das bot den angelsächsischen Königen Anfang des 10. Jahr-
hunderts die Möglichkeit, nach rund 70jähriger Dänenherr-
schaft wieder die Oberhoheit über das Danelag zu erlangen.
Dieser Zusammenbruch der Dänenherrschaft hing mit der in-
nenpolitischen Schwäche Dänemarks zusammen. Es war die
Zeit König Harald Blauzahns (ca. 960–87), der seine Herr-
schaft von zwei Seiten gefährdet sah: Einmal durch den deut-
schen Kaiser und zum anderen durch seinen eigenen Sohn
Svend, der unter dem Beinamen Gabelbart in die Geschichte
eingehen sollte.
Harald hatte Dänemark erstmals unangefochten unter einer
Krone geeint und dabei die Hilfe der Kirche in Anspruch ge-
nommen. Er erhob zudem Anspruch auf die Königsherrschaft
in Norwegen, die er zeitweise auch durchsetzen konnte. Zwar
war König Harald zum Christentum übergetreten, nicht aber
alle seiner Dänen – und auch nicht sein Sohn Svend, der von
dem räuberischen Wikingerberuf nicht lassen wollte. Viele
Gefolgsleute teilten diese Einstellung. Es kam zur unvermeid-
lichen Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn, in deren
Verlauf Harald 987 erschlagen wurde.
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Nun wurde Svend Gabelbart König von Dänemark (bis
1014), und mit ihm kam wieder ein Wikingerhäuptling von
altem Schrot und Korn an die Macht. Svend sicherte zunächst
seine Stellung zu Hause, dann in Norwegen, wo er im Jahre
1000 in der Seeschlacht von Svolder, der größten der Wikin-
gerzeit, im Zusammenwirken mit dem schwedischen König
Olof Skötkonung seinen norwegischen Widersacher Olav
Tryggvason besiegte, der dabei zu Tode kam.
Svend richtete die dänische Herrschaft nun auch wieder in
England auf. Er sandte mehrere Jahre hintereinander Flotten
gen Westen, und dem angelsächsischen König Ethelred dem
Ratlosen blieb keine andere Wahl, als sich der dänischen
Übermacht zu beugen. In diesen Jahren flossen riesige Summen
englischen Geldes, Silbers und Goldes nach Dänemark, das
sogenannte Dänengeld, insgesamt, so hat man berechnet, etwa
75000 Kilogramm – ein ungeheures Vermögen. Es war die
Zeit, in der in Dänemark die großen, mit hohen Ringwällen
versehenen Heerlager angelegt wurden, die Zeugnis ablegen
von der letzten großen Kraftentfaltung der dänischen Wikin-
gerzeit. Diese strategisch verteilten Lager waren Burgen gleich,
die dem König auch die Herrschaft im Innern sicherten. Sie
wurden bisher in Nordjütland (Fyrkat, Aggersborg), Fünen
(Nonnebakken) und auf Seeland (Trelleborg) ergraben und
dokumentiert. Der Durchmesser solcher Anlagen betrug bis
zu 240 Meter. In ihnen sieht die neuere dänische Forschung in
erster Linie einen Stützpunkt der inneren Herrschaft.
Das dänische Einheitskönigtum konnte sich in dieser Zeit
entscheidend festigen und in dem Nordseereich unter Knud
dem Großen (1018–1035), dem Sohn Svend Gabelbarts, seine
größte Machtentfaltung entwickeln. Im Unterschied zu sei-
nem Vater war Knud sich allerdings bewußt, daß er ohne das
Mitwirken der Kirche ein solches Reich nicht würde regie-
ren können. Die älteste dänische Königsurkunde bringt dies
zum Ausdruck: Im Frühjahr 1020 schickte Knud ein Schrei-
ben nach England, in dem er seinen Willen zur Regierung im
Bunde mit der katholischen Kirche verkündete. Und daß dies
nicht nur ein Lippenbekenntnis war, zeigte er dadurch, daß er
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die Kirche durch Bauten, Schenkungen und Privilegien förder-
te. Knud veranlaßte auch, daß englische Priester nach Däne-
mark kamen, um dort den Aufbau der Kirche voranzubrin-
gen. Vermutlich wollte er die dänische Kirche an die englische
binden, um dadurch den beiden Teilen seines Imperiums Zu-
sammenhalt zu verleihen. Gleichwohl blieb Dänemark (wie
das übrige Skandinavien) im Einflußbereich des Erzbistums
Bremen-Hamburg, woher auch die ersten Bischöfe kamen.
Um 1060 kam es zu einer grundlegenden kirchlichen Organi-
sation mit den acht Diözesen Schleswig, Ribe, Ärhus, Viborg,
Vendsyssel (Borglum), Odense, Roskilde und Lund.
Nach dem Tode Knuds fiel das dänische Nordseereich rasch
auseinander. Seine Nachfolger richteten ihr Interesse auf die
Festigung ihrer Macht und den Ausbau der Königsherrschaft
im eigentlichen Dänemark. Mit der normannischen Erobe-
rung Englands 1066 rückte die Insel endgültig aus den Mög-
lichkeiten dänischer Herrschaftsansprüche.
II. Gesellschaft und Wirtschaft im Mittelalter
Bereits in der Wikingerzeit war die dänische Gesellschaft durch
eine breitgefächerte soziale Differenzierung gekennzeichnet,
wobei allerdings noch regionale Besonderheiten zum Tra-
gen kamen. Die Forschung ermittelte Könige, Häuptlinge und
freie Bauern auf der einen und Knechte und Sklaven (dän.
Trajlle) auf der anderen Seite; aber auch Abstufungen dazwi-
schen. Gerade über die soziale und rechtliche Positionierung
dieser Zwischengruppen herrscht noch einige Ungewißheit. Es
gab unzweifelhaft viele Arme, die keine Knechte waren, und
es gab mehrere Bezeichnungen für Männer, deren gesell-
schaftlicher Rang zwischen dem eines freien Bauern und dem
der Angehörigen der obersten Kriegerkaste anzusiedeln ist.
Die zahlenmäßig größte Gruppe war die der Knechte/Skla-
ven (Trælle), die in sich recht differenziert war. Wirtschaftsge-
schichtlich betrachtet, waren es die Armen und Besitzlosen.
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Und da diese, wie zu allen Zeiten, kaum über politischen Ein-
fluß verfügten, haben sie fast keine Spuren hinterlassen.
Knecht konnte jeder werden, freiwillig, durch Schuld oder
Kauf oder durch Gefangennahme. Für bestimmte Vergehen
war die Strafe die Knechtschaft. Auch die Kinder eines in
Knechtschaft lebenden Paares wurden Knechte. Die meisten
Menschen, die sich in Knechtschaft befanden, hatten aber
einen Status, den man heute eher als Sklaverei bezeichnen
würde. Viele Wikingerzüge dienten denn auch eigentlich kei-
nem anderen Zweck, als solche Knechte oder Sklaven zu
bekommen – sei es bei den benachbarten skandinavischen
Stämmen oder anderswo. Diese mußten dann für den neuen
Herrn arbeiten, oder sie wurden als Handelsgut weiterver-
kauft – meist letzteres. Verkauft wurden sie überallhin. Der
Handel mit Sklaven erfolgte sowohl im Norden unter den
Wikingern (Skandinaviern) selbst als auch mit ,Abnehmern’
außerhalb der nordischen Welt, die zu den Nordleuten Ver-
bindung hatten. Vieles deutet darauf hin, daß die Sklaven die
wichtigste Handelsware der Wikinger waren und daß insbe-
sondere arabische Händler ihretwegen in den Norden fuhren.
In der sozialen Hierarchie über den Knechten/Sklaven stand
die breite Gruppe der freien Bauern, die in sich wiederum
deutlich abgestuft war. Zwar hatte jeder Freie auf den Thing-
versammlungen Stimmrecht, doch seine tatsächliche Stellung
in der Gesellschaft ergab sich aus seinem Besitz – an beweg-
lichen Gütern (einschließlich Trselle), aber vor allem an Grund
und Boden. Die Besitzverteilung war sehr ungleich, so daß
nur ein kleiner Teil der Bevölkerung realiter volle politische
Rechte ausübte. Große Grundbesitzer waren Häuptlinge, die
gewöhnlich auch die Priesterfunktion in ihrem Bezirk inne-
hatten. Diese altnordisch Gode genannte Stellung bezog sich
nicht nur auf die Durchführung der vorchristlichen Riten, wie
sie uns am schönsten in der altisländischen Literatur vermit-
telt werden, sondern beinhaltete auch die Leitung der Thing-
versammlungen und die Funktion als Richter, der, vom Thing
beraten, nach Gewohnheit Recht sprach. Diese Häuptlinge
hatten ihre eigenen Kriegerscharen. Doch war die Durchset-
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zung der Richtersprüche keine öffentlich-rechtliche Angele-
genheit, sondern eine privatrechtliche. Eine Exekutive im heu-
tigen Sinn und ein geschriebenes Recht entstanden erst nach
der Durchsetzung des Einheitskönigtums und der Christiani-
sierung. Allerdings wurde auch dann noch bis zum absolu-
tistischen Zeitalter nach verschiedenen Landschaftsrechten
Recht gesprochen.
Die tragende Säule im Wirtschaftsleben war die Landwirt-
schaft, wobei zum Ende der Wikingerzeit der Getreideanbau
gegenüber der Viehwirtschaft stärker in den Vordergrund trat.
Dies erforderte großflächige Rodungen, und ehedem große
Ländereien wurden in kleinere Einheiten aufgeteilt. Es war
die Zeit, in der die innere Kolonisation mit dem Entstehen
vieler Dörfer einsetzte, die bis in das hohe Mittelalter hinein
voranschritt. Dörfer mit der heutigen Endung auf -torp, -rup
oder -rod weisen auf diesen Ursprung hin. Gleichzeitig fand
eine Differenzierung der Besitzverhältnisse und Sozialstruk-
tur statt. Zum einen entstanden die großen Güter, die den
Magnaten, der Kirche oder dem König gehörten und die von
Verwaltern bewirtschaftet wurden, die über eine gewisse An-
zahl von Knechten geboten (noch bis ins frühe 13. Jahr-
hundert taucht die Bezeichnung Trælle auf). An diese Güter
waren zudem kleinere Bauernstellen gebunden, die über
wenig Land verfügten und deren Besitzer auf dem Gut
arbeitspflichtig waren. Als weitere Kategorie gab es die Höfe
mittlerer Größe, die teilweise eigenbesitzenden Bauern ge-
hörten, teilweise aber auch Magnaten, die das Land ver-
pachteten. Ein solcher – persönlich freier – Pachtbauer (dän.
Fsestebonde) hatte einen Teil des Hofertrags als naturale
Grundrente (dän. Landgilde) an den Grundherrn abzuführen.
Hier ist dieselbe, an die Bodenbesitzverhältnisse geknüpfte
gesellschaftliche Schichtung zu erkennen, wie sie uns auch im
kontinentalen Europa entgegentritt. In Dänemark ist diese
Struktur, Feudalismus genannt, zu dieser Zeit allerdings noch
nicht so scharf ausgeprägt. Der Anteil der freien und eigenbe-
sitzenden Bauern war vergleichsweise groß, und auch recht-
lich waren die Befugnisse der Grundbesitzer gegenüber den
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von ihnen abhängigen Bauern noch gering. Erst gegen Ende
des Spätmittelalters sollten sich auch in Dänemark die feuda-
len Strukturen mit der Zurückdrängung des Freibauerntums,
Durchsetzung der Schollenbindung (dän. Vornedskab), Ein-
führung der niederen Gerichtsbarkeit sowie Zunahme der
Dienstpflichten bzw. Fronarbeit (dän. Hoveri) und der Güter-
arrondierung des Adels ganz durchsetzen – übrigens als ein-
zigem skandinavischen Land. In Norwegen und Schweden
konnte sich das Freibauerntum mit allodialem Besitzrecht den
Begehrlichkeiten des Adels und der Krone mit Erfolg entge-
genstemmen. Die dänischen Magnaten, insbesondere die füh-
renden Adelsgeschlechter, besaßen am Ende des Mittelalters
Dutzende, mitunter sogar Hunderte von Höfen.
Daß in Dänemark das Freibauerntum so stark zurückging,
hing wesentlich mit der politischen und wirtschaftlichen Krise
des 14. Jahrhunderts zusammen. Die außenpolitischen Ver-
wicklungen der Krone erforderten ständig größere Mittel, die
der König überwiegend bei den Freibauern, die – abgesehen
von den Bewohnern der sogenannten Kaufstädte (dän. Keb-
stasder, d. h. Orte, in denen der Handel privilegiert war) – als
einzige Steuern an ihn entrichteten, zu erlangen suchte. Auch
die Dienstpflichten für die Krone wurden erhöht. Viele der
Freibauern sahen unter diesen Umständen einen Ausweg
darin, sich in die Obhut eines Adligen zu begeben, den Hof
an diesen zu veräußern, um wiederum gegen eine Grundrente
Pächter (Fasstebonde) dieses Hofes zu werden. Durch den
damit verbundenen Statuswechsel wurden sie dem Adligen
gegenüber nicht nur zins-, sondern auch dienstpflichtig, die
Pflichten gegenüber der Krone fielen fort – jedenfalls nomi-
nell, praktisch haben die Inhaber der Krone gegen den Wider-
stand der Magnaten immer wieder versucht, sich auch die
Arbeitskraft dieser Bauernschicht anzueignen.
Die Auswirkungen der Pestepidemie in der Mitte des
14. Jahrhunderts und eine Klimaverschlechterung (ab ca. 1260)
trugen ein übriges dazu bei, den Konzentrationsprozeß auf
dem Lande zu fördern. Die Bevölkerungszahl ging dramatisch
zurück, um cirka ein Drittel. Erst um 1800 sollte Dänemark
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wieder in etwa die Bevölkerungszahl erreichen, die es Anfang
des 14. Jahrhunderts aufgewiesen hatte, nämlich knapp über
eine Million Menschen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen
des Bevölkerungsrückgangs waren in einigen Regionen kata-
strophal: Ganze Landstriche verödeten. Zwar machte der
Pestbazillus vor den Magnaten nicht halt, und auch die Miß-
ernten trafen die großen Güter. Doch der Bauernstand, der
sich mehrheitlich sowieso schon am Rande des Existenzmini-
mums bewegte, wurde besonders hart getroffen. Die Folge
war eine sowohl wirtschaftliche als auch rechtliche Ver-
schlechterung: Die an ein adliges Gut gebundenen Pachthöfe
wurden zur gewöhnlichen bäuerlichen Wirtschaftsform.
Zudem veränderte sich im 14. Jahrhundert die Wirtschafts-
weise. Auch dies hing mit der knapper gewordenen bäuer-
lichen Arbeitskraft zusammen. Der arbeitsintensive Ackerbau
wurde mehr und mehr zugunsten der Viehzucht aufgegeben.
Viehprodukte waren angesichts der gesunkenen Getreideprei-
se außerdem profitabler. Vor allem in Jütland setzte sich die
Ochsenaufzucht durch, und für mehrere Jahrhunderte sollten
nunmehr alljährlich riesige Ochsenherden durch Jütland,
Schleswig und Holstein zur Elbe getrieben werden, von wo
aus sie auf die Märkte in Hamburg, Nordwestdeutschland
und Holland gebracht wurden. Entlang des Ochsenweges pro-
fitierten davon auch viele Futterlieferanten, Krüger, Händler
und Handwerker – und nicht zuletzt auch die Obrigkeit durch
allerlei Zollabgaben.
Voraussetzung für die Viehzucht war der Besitz von genü-
gend Boden, weshalb die Gutsbesitzer beständig nach Auswei-
tung ihres Grundbesitzes strebten. Das geschah in nicht gerin-
gem Ausmaß auch auf Kosten der untersten Adelsschichten,
die sich in der Krise des 14. Jahrhunderts bei ihren besser ge-
stellten Standesgenossen verschuldet hatte. Der Landhunger
der Magnaten machte nicht einmal vor den Gütern der Kirche
halt, die um die Mitte des 15. Jahrhunderts diesen Bestrebun-
gen kaum noch etwas entgegensetzen konnte.
Die Magnaten traten so immer deutlicher als klar abge-
grenzter, führender Stand hervor, als Aristokratie. Deshalb
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war es nur folgerichtig, daß um 1430 auch formell die Bedin-
gungen für die Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaftsklasse
festgelegt wurden.
In der Wikingerzeit setzte bereits die Gründung von Städten
ein. Damit hielt auch die Geldwirtschaft Einzug, und die Ar-
beitsteilung nahm zu. Denn Urbanisierung heißt Mobilisie-
rung von Kräften, die naturgegebene Grenzen überwinden:
Verkehr über große Entfernungen, Erfindung und Handha-
bung technischer Geräte, auch Steigerung der landwirtschaft-
lichen und handwerklichen Erzeugung. Diese Entwicklung
erforderte eine veränderte gesellschaftliche Organisation.
Deshalb bedeutete Urbanisierung nicht zuletzt auch Herr-
schaftsfestigung. Der Handel benötigte sichere Verkehrswege
und geschützte Märkte und damit die Präsenz von Macht.
Diese erhob Zölle, prägte Münzen und konnte aufgrund ihres
Gewaltmonopols den Handelsplatz kontrollieren. Organisier-
te Macht wurde zum ökonomischen Faktor. Kaufmännische
und königliche Interessenkonvergenz war dabei die treibende
Kraft. Der König erzielte seine Einnahmen hauptsächlich
durch den Handel und durch das Prägen von Münzen. Wa-
ren im 9. und 10. Jahrhundert fast ausschließlich arabische,
fränkische und englische Münzen im Umlauf, so nahm im
11. Jahrhundert der Anteil dänischer Münzen rapide zu, so
daß an dessen Ende kaum noch neue ausländische Geldstücke
nach Dänemark kamen. Das Münzwesen war nun völlig in
königlicher Hand, und es galten ausschließlich die Geldstücke
des regierenden Herrschers.
Erste königliche Handelsstädte waren bereits im 8. und
10. Jahrhundert Ribe und Hedeby/Schleswig. Im 11. Jahrhun-
dert kamen weitere Städte hinzu: Viborg und Odense, die
auf alte Thingplätze zurückgingen, Århus, Ålborg, Slagelse,
Roskilde und Lund. Letztere wurden die Zentren der Königs-
macht und der Kirche. Zwar betont bereits Adam von
Bremen in seiner Schilderung des Nordens um 1070, daß
Dänemark ein Land mit vielen großen Städten sei, und er
bezeichnet sie sogar als civitates, was eine fortgeschrittene
soziale und wirtschaftliche Ausgestaltung andeutet. Doch rea-
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liter dürfte es sich zu seiner Zeit noch überwiegend um Orte
mit einer bescheidenen Einwohnerzahl gehandelt haben. Erst
im 12. und 13. Jahrhundert entwickelte sich eine produk-
tive Stadtwirtschaft mit differenziertem Handwerk und Han-
del. In dieser von den Waldemaren (Waldemar I., Knud VI.,
Waldemar II.) geprägten Epoche schoß eine beträchtliche
Anzahl neuer Städte aus dem Boden, und schon ihre Endun-
gen auf -borg (-burg) oder -købing (-kauf) weisen darauf hin,
daß sie entweder im Umkreis einer Königsburg oder aus-
drücklich als Handelsstadt angelegt wurden. Der Kataster
Waldemars II. zählt rund vier Dutzend Orte auf, die Stadt-
recht besaßen.
Diese über das ganze Reich verteilten und in der Regel an
der Küste gelegenen Handelsstädte waren gewissermaßen En-
klaven, die sich in administrativer, jurisdiktioneller, sozialer
und wirtschaftlicher Hinsicht deutlich von ihrem Umland
abhoben. Der König war Stadtherr, sie wurden in ihrer Mehr-
zahl auch zu den Krongütern (dän. Kongelev) gerechnet. Er
verlieh ihnen Privilegien und garantierte ihre Sonderstellung,
und als Gegenleistung nahm er Zoll-, Markt- und Handels-
abgaben sowie einen besonderen Grundzins. Dies war ein we-
sentlicher Teil der Kroneinnahmen.
Was die innere Organisation der Städte und ihrer Einwoh-
ner anbelangt, so entwickelte sich bereits um 1200 eine
gewisse Selbstverwaltung, die eng mit dem Gildewesen ver-
knüpft war. Vor allem die dem Hl. Knud geweihten Schutzgil-
den, in denen sich die Kaufleute und Fernhändler organisier-
ten, waren tonangebend. Sie bildeten den Rat der Ältesten,
der die Stadt verwaltete. Später sollte sich mit der Verschär-
fung der wirtschaftlichen Konkurrenz der Hansestädte die
Überlegenheit von deren städtischer Ratsverfassung erweisen.
Insbesondere Lübeck, dessen Rat aus consules bestand, die
von den Bürgern gewählt worden waren, wurde nun Vorbild
für die dänischen Städte. Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts
(Tondern machte 1243 den Anfang) gelang es einigen, mit
königlicher Zustimmung Teile des lübischen Rechts in ihr dä-
nisches Stadtrecht einzufügen. Gleichzeitig wurden die Kom-
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petenzen des königlichen Vogts beschnitten. Das Vorbild der
Hansestädte wirkte auch auf die Organisation der Handwer-
ker in Zünften und machte sich zudem rein äußerlich im Bau-
stil und der Anlage der Städte immer deutlicher bemerkbar.
Im Unterschied zu den norddeutschen Hansestädten, wo sich
im frühen 15. Jahrhundert die Handwerker infolge von Auf-
ständen zeitweise eine Beteiligung an der Macht erkämpfen
konnten, blieben die Handwerker in den dänischen Städten
aber vom Stadtrat ausgeschlossen.
Das 12. und 13. Jahrhundert war nicht nur die Epoche der
Herausbildung der Grundherrschaft und Entwicklung des
Städtewesens, es war auch die Epoche der kirchlichen Macht-
entfaltung. Diese wiederum war aufs engste verquickt mit der
Festigung der Königsherrschaft. Die allmähliche Übertragung
römisch-katholischer Verwaltungsstrukturen auf säkulare Be-
reiche hat die staatliche Organisation und die Festigung des
Einheitskönigtums erst möglich gemacht. Mit der Etablierung
eines eigenen, aus der Erzdiözese Bremen-Hamburg heraus-
gelösten Erzbistums im Jahre 1104 in Lund, das für den gan-
zen skandinavischen Norden zuständig war, setzte sich die
Danisierung der hohen Geistlichkeit durch. Gleichzeitig hielt
gewissermaßen auch eine Europäisierung der klerikal gepräg-
ten Kultur Einzug, da eine Reihe der dänischen Kirchenfür-
sten, die in der Regel den führenden Adelsfamilien oder dem
Königshaus entstammten, ihre Ausbildung in den damaligen
Zentren der kirchlichen Gelehrsamkeit durchlaufen hatten.
Ein herausragendes Beispiel hierfür ist das Wirken des Erz-
bischofs Eskil Mitte des 12. Jahrhunderts, der mehrere Jahre
in Hildesheim verbracht hatte, mit Bernard von Clairvaux in
enger Verbindung stand und der – nicht zuletzt auch durch
Donationen – dafür sorgte, daß die Zisterzienser ins Land
kamen. Diese wiederum gaben bedeutende Impulse für die
Verbesserung der landwirtschaftlichen Technik. Aber auch
andere Orden konnten in dieser Zeit in Dänemark ihre Klö-
ster errichten. Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden
über das ganze Land verteilt knapp 50 Mönchs- und Non-
nenklöster, deren wirtschaftliche Grundlagen Land- und Guts-
20
besitz bildeten. Mit der Errichtung des Erzbistums Lund wur-
de in Dänemark auch der Kirchenzehnt eingeführt, der aller-
dings von der Landbevölkerung, vor allem was den sogenann-
ten Bischofszehnt betraf, nur widerwillig gezahlt wurde.
Noch im 14. Jahrhundert wurde der volle Bischofszehnt nur
in drei der acht Bistümer gezahlt.
Zwischen Adel und Klerus entstand dagegen – wie überall
in Europa – eine enge Verflechtung – nicht nur dadurch, daß
die hohe Geistlichkeit dem Adel entstammte, sondern auch
durch die mitunter großzügigen Testamentierungen zugunsten
von Bistümern und Klöstern. Auf diese Weise brachten bei-
spielsweise Bischof und Domkapitel von Roskilde bis zum
Ende des 14. Jahrhunderts rund 4000 Höfe in ihren Besitz –
ein Viertel aller Höfe auf Seeland. Auch die Krone stand bei
der Übertragung von Landbesitz an die Kirche nicht zurück –
allen voran Knud IV., der nicht zuletzt deshalb den Titel „der
Heilige“ erhielt.
III. Großmachtzeit: Innere und äußere Konflikte
Auch wenn Svend Estridsen 1069/70 noch einmal England in
alter Wikingermanier plünderte und sein Sohn Knud die Insel
wieder in sein dänisches Königreich einzuverleiben gedachte –
ohne jedoch jemals zur Tat zu schreiten –, war die Zeit der
dänischen Expansion nach Westen am Ende des 11. Jahrhun-
derts definitiv vorbei. Dänische Eroberungsversuche richteten
sich von nun an auf den Ostseeraüm.
Die Stellung des Königs war am Ende der Wikingerzeit trotz
des nun anerkannten Alleinkönigtums noch relativ schwach –
sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich. Er besaß, abgese-
hen von den Zöllen und Abgaben in den Königsstädten (d.h.
Kaufstädten), kein allgemeines Steuererhebungsrecht, und auch
Gesetze konnte er nicht erlassen. Letzteres war noch immer
das Vorrecht der Landschaftsthinge, von denen es drei gab:
je eines in Jütland, Seeland und Schonen. Deshalb existierten
21
auch drei unterschiedliche Landschaftsrechte. Die drei Thinge
besaßen zudem das Bestätigungsrecht für einen neugewählten
König. Eine allgemeine Steuerpflicht der Untertanen gegen-
über der Krone gab es zunächst nicht. Allerdings bestand für
jeden Freien die Pflicht zur Heerfolge, Leding genannt. Das
Königreich war dafür in Kreise unterteilt, von denen ein jeder
im Kriegsfall eine bestimmte Anzahl von Schiffen mit Besat-
zung dem König zur Verfügung stellen mußte. Kam jemand
der Ledingspflicht nicht nach, konnte der König ihm Strafen
auferlegen, die meist in der Abtretung von Grundbesitz be-
standen. In Friedenszeiten konnte der König in seiner Eigen-
schaft als Friedensherr von den Ledingspflichtigen eine Ersatz-
leistung einforden, gewöhnlich in Form von Ernteabgaben.
Mit der allgemeinen Veränderung des Militärwesens im
hohen Mittelalter änderte sich auch diese Ledingspflicht. Rit-
terheere mit gepanzerten Reitern zeigten sich dem Aufgebot
alter Ordnung überlegen. Pferde und Rüstungen konnten sich
aber nur die Großbauern und Magnaten leisten. Der leicht-
bewaffnete Bauer war nicht mehr gefragt, stattdessen mußte
er für die Entpflichtung von der Heerfolge der Krone eine
Steuer entrichten. Er wurde zum Steuerbauern. Großbauern
und Magnaten, die weiterhin für den König Waffendienst
verrichteten, blieben von der Steuerpflicht befreit. Es war dies
die Geburtsstunde des Feudaladels in Dänemark.
Das Königtum konnte seine wirtschaftliche Stellung da-
durch stärken, daß es sich beträchtlichen Grundbesitz aneig-
nete – durch Erbschaft, Eroberung oder durch erwähnte
Strafabtretungen. Auch die Regalien, die Schätze des Bodens
und der Strände, standen dem König zu. In die Verwaltung
wurden, wie schon bei den Königsstädten, Vögte eingesetzt,
die der lokalen Bevölkerung gegenüber die Königsmacht re-
präsentierten. Sichtbare Zeichen dieser Entwicklung waren
die königlichen Burgen, die am Ende des 12. Jahrhunderts
überall im Land errichtet wurden und um die herum in zu-
nehmendem Maße auch Kronland arrondiert wurde.
Allmählich gewann die Königsmacht im Zusammenwirken
mit der Kirche auch Einfluß auf die Gesetzgebung; zunächst
22
dadurch, daß die einzelnen Landschaftsrechte von Klerikern,
die im Kirchenrecht bewandert waren, systematisiert und
„verbessert“ wurden. Die Herleitung der königlichen Macht
von Gott erhielt auf diese Weise Eingang in die Gesetzestexte.
Es dauerte aber noch bis zum 12. Jahrhundert, ehe sich in
Dänemark die Monarchie von Gottes Gnaden mit Waldemar
dem Großen endgültig durchgesetzt hatte. Nach diesem Ver-
ständnis war Ungehorsam gegenüber dem König gleichbedeu-
tend mit Ungehorsam gegenüber Gott. Doch galt dies wohl-
gemerkt nur so lange, wie der König als rechter christlicher
Fürst auftrat und nicht als ungerechter Herrscher. Implizit
war hiermit auch das Aufsichtsrecht der Kirche über den
,rechten christlichen Fürsten’ eingeführt. Diese enge Verbin-
dung zwischen Gott, Kirche und König fand ihren symbo-
lischen Ausdruck darin, daß nun auch die Krönung des Kö-
nigs durch den Erzbischof eingeführt wurde.
Daß diese Entwicklung der Festigung der Königsmacht, die
mit der Herrschaft Waldemars I. ihren vorläufigen Abschluß
fand, nicht ohne Konflikte und Blutvergießen vonstatten ging,
zeigt sich allein schon daran, daß fünf seiner Vorgänger auf
dem dänischen Thron eines gewaltsamen Todes starben. Die
Machtverhältnisse waren noch keineswegs stabil und der eben
erst aus den Reihen der Großbauern erwachsene Adel nicht
bereit, seine Macht zugunsten eines einzelnen, der über ihm
stehen sollte, abzugeben. Hinzu kam, daß der Thron durch
die ihm zugewachsenen Ressourcen auch wirtschaftlich inter-
esssanter geworden war. Da Dänemark weiterhin ein Wahl-
reich war, stand der Königsthron theoretisch jedem Adligen
offen, wenngleich sich die Praxis durchgesetzt hatte, auf
den Thingen den ältesten Sohn eines verstorbenen Königs zu
wählen. In der weitverzweigten Königsfamilie, zu der auch
die unehelichen, aber vom König anerkannten Kinder gehör-
ten, gab es deshalb immer wieder einen, der der älteste Sohn
sein wollte, auch wenn er nicht an der Reihe war. Hieraus
resultierten mitunter Tragödien Shakespeareschen Ausmaßes.
Um diese Konfliktkonstellation zu entschärfen, ging man
dazu über, einen Thronprätendenten an der Königsmacht teil--
23
haben zu lassen, indem ihm gegen Leistung des Treueeids eine
Provinz an der Peripherie des Reiches als Lehen gegeben wur-
de. Allerdings konnte dies wiederum die Gefahr beinhalten,
daß dieser Prätendent sich hier eine Hausmacht schuf, die ge-
gen den König gerichtet werden konnte.
Beides, innerfamiliäre Auseinandersetzungen um die Thron-
folge und Einbeziehung der mächtigen Verwandtschaft an der
Peripherie in diesen Streit, führte Mitte des 12. Jahrhunderts
zu einem beinahe 30 Jahre währenden innerdynastischen
Kleinkrieg, dem eine ganze Reihe von Angehörigen der Königs-
familie zum Opfer fiel, u.a. auch König Niels. Erst 1157 fand
dieser Kampf um die Krone mit der Durchsetzung Walde-
mars I. ein Ende. Waldemar war der Kandidat der Kirche, der
insbesondere im mächtigen Bischof von Roskilde, Absalon,
seinen stärksten Verbündeten fand. Absalon, der spätere Erzbi-
schof von Lund und eigentliche politische Führer des Reiches,
entstammte einer der reichsten Adelsfamilien des Reiches, den
Hvide. Er gilt auch als der Gründer Kopenhagens, der hier eine
Burg errichtete, von der aus die Schiffahrt im Öresund kon-
trolliert werden konnte. Die Kirche hatte während dieser drei-
ßigjährigen Thronwirren das Reich praktisch zusammengehal-
ten. Die Aufgaben, die sich König Waldemar nun stellten,
galten nicht nur der Wiederherstellung der Königsmacht, son-
dern gingen auch einher mit den Interessen der Kirche, die wie-
derum von Absalon formuliert wurden. Dieser hatte erkannt,
daß ein eigenständiges Königtum, das nicht ständig von An-
sprüchen des deutschen Kaisers in Frage gestellt werden wollte,
nicht nur politisch und kirchlich, sondern auch historisch legi-
timiert werden müßte – ganz so wie in den anderen christ-
lichen Reichen des Abendlandes. Dieses war der Entstehungs-
hintergrund der „Dänischen Chronik“ des Saxo Grammati-
cus, die im Auftrag des Lundenser Erzbischofs erstellt wurde.
Auf Latein geschrieben, ist sie die bedeutendste mittelalter-
liche historiographische Schrift Dänemarks.
Die machtpolitischen Ambitionen Absalons und Waldemars
zielten auf die Ausweitung der dänischen Macht unter dem
Deckmantel der Pazifizierung und Christianisierung der Ge-
24
biete südlich der dänischen Inseln, wo der slawische Stamm
der heidnischen Wenden durch wiederholte Raub- und Plün-
derüngszüge zu einer ernsten Bedrohung Inseldänemarks (da-
mit sind die Inseln zwischen Jütland und Schonen gemeint)
geworden war. Waldemar reorganisierte das Ledingswesen
und führte nun, mit tatkräftiger Unterstützung Absalons, Jahr
für Jahr militärische Expeditionen ins Wendenland (d.h. ins
heutige Holstein und Mecklenburg) durch, die als Kreuzzüge
den besonderen Segen des Papstes erhielten. Deren Höhe-
punkte waren die Eroberung Rügens und die Zerstörung des
Kultzentrums der Wenden in Arkona. Diese dänische Expan-
sionspolitik entlang der südlichen Ostseeküste wurde von den
beiden Söhnen Waldemars, Knud VI. und Waldemar IL, fort-
gesetzt. 1185 mußten die wendischen Fürstentümer Mecklen-
burg und Pommern König Knud als obersten Lehnsherrn an-
erkennen, der seitdem den Titel ,König der Dänen und der
Wenden’ führte. Währenddessen unterwarf der jüngere Bru-
der Waldemar als Herzog von Schleswig die Grafschaft Hol-
stein sowie die unlängst gegründeten aufblühenden Hanse-
städte Hamburg und Lübeck. Nachdem Waldemar seinem
Bruder 1202 auf dem Thron nachgefolgt war, griff er sogar
bis nach Estland aus, was wiederum mit kirchlicher Zustim-
mung als Kreuzzug deklariert wurde. Hier nun ereignete sich
ein im dänischen Nationalmythos zentrales Ereignis, nämlich
das Niedersinken des Danebrog vom Himmel in der Schlacht
bei Lyndanisse im Jahre 1219 als Zeichen für die christlichen
Dänen, daß sie die heidnischen Esten besiegen würden. Fortan
sollte das weiße Kreuz auf rotem Grund Symbol des däni-
schen Königtums sein.
Das Ostseeimperium Waldemars II. (des Siegers, wie er fort-
an genannt wurde) dagegen bestand nur kurze Zeit, denn es
stand auf tönernen Füßen: Zum einen überforderte seine Auf-
rechterhaltung schlichtweg die dänischen Kräfte, zum anderen
gab es keine tragende Idee, die dieses heterogene Gebilde zu-
sammenhielt, und letztlich war es realiter nichts anderes als die
befristete Huldigung norddeutscher, slawischer, baltischer und
estnischer Fürsten gegenüber dem dänischen König als Lehns-
25
herrn. Bereits 1223 deutete sich der Zerfall der Macht an, und
das auf eine für Waldemar besonders schmachvolle Weise,
denn er geriet durch eine List in die Gefangenschaft norddeut-
scher Fürsten, in der er mehrere Jahre verbringen mußte, bis
eine riesige Summe Lösegeld für ihn aufgebracht war.
Den größten Nutzen aus den dänischen Eroberungen zog
letzten Endes nicht das dänische Königtum, sondern die deut-
schen Kaufleute, die unter der Pax Danica im Ostseeraum wie
an einer Perlenkette aufgezogen von Lübeck aus eine Hafen-
stadt nach der anderen bis nach Estland anlegten. Dies war
gewissermaßen das Rückrat des innerhalb kürzester Zeit ent-
stehenden mächtigen Hansebund unter Führung Lübecks,
das sich 1227 in der Schlacht bei Bornhöved (bei Segeberg)
zusammen mit den Holsteinern aus der dänischen Oberhoheit
befreite.
Die Auseinandersetzung mit dem Hansebund sollte – im
Positiven wie im Negativen – zu einem bestimmenden Faktor
in der dänischen Politik in den folgenden Jahrhunderten wer-
den. Die Hanse trug als Abnehmer und Lieferant einerseits
wesentlich zur Entwicklung des dänischen Wirtschaftslebens
bei und vermittelte überdies bedeutende kulturelle Impulse.
Sie strebte aber auch, vorweg Lübeck, stets nach Privilegien
durch den dänischen König, die ihre beherrschende Stellung
sichern bzw. ausweiten konnten. Dabei kam es mitunter zu
massiven Eingriffen in die dänische Politik und zu kriegeri-
schen Konflikten. Neben der Ausschaltung nichthansischer
Konkurrenten waren es vor allem zwei Interessen, die die han-
sischen Kaufleute in Dänemark hatten. Das eine (in erster Li-
nie der preußischen Hansestädte) war ein verkehrspolitisches,
nämlich die unbehinderte und möglichst zollfreie Durchfahrt
ihrer Koggen durch den Öresund und die Belte. Das andere
(vor allem Lübecks) waren die schonischen Heringsmärkte,
wo in jedem Herbst von Hansekaufleuten die von dänischen
Fischern im Öresund gefangenen gewaltigen Mengen Hering
aufgekauft, eingesalzen und auf den deutschen Markt ge-
bracht wurden. Dies war für die Hanse ein ungemein pro-
fitables Geschäft und ein starkes Fundament ihrer Wirtschafts-
26
macht. Ihr Handelsmonopol auf den Schonenmärkten kam
bei Streitfragen mit dem dänischen König regelmäßig auf die
Tagesordnung und sorgte für zusätzlichen Zündstoff. Als
schließlich im Laufe des 15. Jahrhunderts die Holländer in
diese hansische Domäne einbrachen und in Konfliktsituatio-
nen vom dänischen König als Gegengewicht zur Hanse in-
strumentalisiert wurden, stieg die Bereitschaft zu hansischen
Kriegszügen gegen Dänemark deutlich an.
Nach dem Tode Waldemars II. im Jahre 1241 kam es zu
einem rapiden Zerfall der Königsmacht durch dynastische
Auseinandersetzungen, die sich über beinahe einhundert Jahre
hinzogen und in ihrer Erscheinungsform und Intensität an die
Rosenkriege in England erinnern. Dänemark war nahe daran,
sich in Teilreiche aufzulösen bzw. zur Beute der Nachbarn zu
werden. In diesem Streit wurde auch der Keim für einen Kon-
flikt gelegt, der bis in das 20. Jahrhundert hinein wiederkeh-
rend für Unruhe sorgen sollte. Es ging hierbei um das Herzog-
tum Schleswig, das Erik IV., Waldemars Sohn, der noch zu
dessen Lebzeiten zum König gekrönt worden war, seinem
Bruder Abel als Lehen gab, um dessen allzu offensichtliches
Streben nach der Königskrone zu zügeln. Doch die Rechnung
ging nicht auf, denn Abel griff nun von seiner neuen und rei-
chen Hausmacht aus noch begehrlicher nach der Krone, wo-
bei ihn die Grafen von Holstein und die Stadt Lübeck unter-
stützten. Plündernd und brandschatzend zogen Abels Truppen
durchs dänische Land. Und nicht wie im Alten Testament
Abel, sondern Erik wurde – in Schleswig – erschlagen und
Abel daraufhin 1250 König. Doch schon zwei Jahre später
kam auch er – in einem Zug gegen die Friesen – zu Tode, so
daß der dritte der Brüder, Christopher, auf den Thron gelang-
te. Dieser Zweig der Familie konnte die Krone zwar verteidi-
gen, doch mußte er sich ständig gegen die Ansprüche der
Abel-Dynastie, also der Herzöge von Schleswig, die dort ihre
Machtposition ausbaute, sowie deren Holsteinische Verbün-
dete zur Wehr setzen. Das Herzogtum Schleswig begann seit
dieser Zeit, eine politische Sonderrolle zu spielen und Bestre-
bungen zu zeigen, sich auch staatsrechtlich aus der Monarchie
27
herauszulösen. Das ging schließlich so weit, daß sich die Her-
zöge von Schleswig in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhun-
derts offen mit den Gegnern Dänemarks verbündeten und für
einige Zeit sogar die Souveränität erlangten.
Ein weiteres oppositionelles Element war im 13. Jahrhun-
dert die Kirche, die in der Mitte des Jahrhunderts stärker auf-
treten konnte, weil der Papst nicht mehr auf die Unterstüt-
zung des dänischen Königs gegen den Kaiser angewiesen war.
Der Erzbischof in Lund scheute nun nicht mehr vor bewaffne-
ten Auseinandersetzungen mit der Krone zurück, um seine
Auffassung von kirchlicher Immunität und Eigenrecht durch-
zusetzen. Auch der dänische Adel nutzte die Schwäche der
Königsmacht, um seine politische und wirtschaftliche Stellung
im Reich zu verbessern. Er trat immer selbstbewußter als
eigener Stand auf, der als solcher ein Mitspracherecht bei der
Machtausübung einforderte. Seit den 1250er Jahren hielt er
regelmäßig Versammlungen ab, den sogenannten Danehof,
auf denen der König den Magnaten gegenüber Rechenschaft
ablegen sollte. Aus diesem Danehof heraus bildete sich einige
Zeit später der Reichsrat, der sich aus den Bischöfen und
den bedeutendsten Adligen zusammensetzte. Zusammen mit
diesem Reichsrat als Beratungsorgan sollte der König fortan
regieren, und um königlicher Willkür vorzubeugen, ließen
sich die Magnaten 1282 von König Erik Glipping eine Hand-
feste (Kapitulation) ausfertigen, die die politische Mitbestim-
mung des Adels regelte und ihm dazu Rechtsgarantien (keine
Gefangensetzung ohne Recht und Rechtsspruch) zusicherte.
Solche Handfesten, in denen das Verhältnis zwischen Krone
und Ständen, insbesondere dem Adel, geregelt wurde, hat
künftig jeder neugewählte König unterzeichnen müssen.
Im Ringen zwischen Adel, Kirche und Krone um die An-
eignung der bäuerlichen Arbeitskraft konnte der Adel mit der
Handfeste von 1282 einen weiteren Erfolg verbuchen, denn
darin wurden der Krone Grenzen hinsichtlich der Arbeitsbe-
lastung der Bauern für königliche Gewerke gesetzt.
Die Inhaber der Krone setzten in dieser Zeit der inneren
und äußeren Auseinandersetzungen alles daran, ihre militä-
28
rischen Ressourcen zu stärken, was sie vor allem durch die
Anwerbung ausländischer Landsknechte, in erster Linie deut-
schen, bewerkstelligten. Die Folge war, daß sich die Krise zu-
sehends verschärfte. Denn um die Landsknechte bezahlen zu
können, wurde die Zoll- und Steuerschraube angezogen. Erik
Glipping experimentierte sogar mit einer Münzverschlechte-
rung, so daß sich schließlich Magnaten und Kirche offen ge-
gen die Königsmacht stellten. Die dubiosen Umstände der
Ermordung Erik Glippings 1286, in die offensichtlich einige
Große verwickelt waren, trugen zu einer weiteren Trübung
des Verhältnisses zwischen Krone und Magnaten bei, das sich
auch in der Folgezeit nicht entspannte, zumal sein Sohn und
Nachfolger Erik Menved einer kostspieligen, kontinentalen
Hofhaltung zuneigte und außerdem eine aggressive Außenpo-
litik einschlug, mit der er seine innere Stellung glaubte festi-
gen zu können. Obgleich es ihm zeitweilig gelang, in Holstein,
Lübeck und Rostock sowie in Teilen Schwedens seine Lehns-
hoheit bestätigt zu bekommen, wurde er hier in ein anhalten-
des militärisches Engagement verwickelt, das die Krone teuer
zu stehen kam. Zudem erhoben sich 1313 in Teilen des däni-
schen Reiches die Bauern – nicht selten mit adliger Rücken-
deckung – gegen die königlichen Forderungen. Die Finanzen
der Krone wurden auf diese Weise mehr und mehr zerrüttet,
so daß Erik sowie sein Bruder und Nachfolger Christopher in
ihrer Geldnot sogar gezwungen waren, die politische Macht
zu kapitalisieren, indem sie bei den mächtigen Grafen von
Holstein Unsummen Geldes liehen, für die die Holsteiner eine
königliche Burg nach der anderen und viele der dänischen
Lehen, zuletzt fast das ganze Kronland, als Pfand bekamen.
Der größte Nutznießer war Graf Gerhard von Holstein
(Rendsburg), der sich dadurch zum faktischen Regenten
Dänemarks aufschwang. Es wurde nach Christophers Tod
nicht einmal ein neuer König gewählt. Gerhards Regiment
war hart und traf vor allem wieder die Bauern, denn seine
Bestrebungen zielten nicht nur auf deren wirtschaftliche Aus-
beutung, sondern liefen darauf hinaus, feudale Strukturen hol-
steinischen (also kontinentaleuropäischen) Zuschnitts zu schaf-
29
fen, die dem jütischen Landschaftsrecht und den dänischen
Bauernfreiheiten widersprachen. Als seine Herrschaft immer
rücksichtsloser wurde und seine Landsknechte auch für die
dänischen Magnaten zu einer ernsten Gefahr geworden wa-
ren, wurde Gerhard 1340 Opfer einer politischen Verschwö-
rung, die gleichsam zum Fanal für die Befreiung des dänischen
Landes von fremder Herrschaft wurde – denn inzwischen
hatte auch im schonischen Landesteil der schwedische König
Magnus Eriksson eine von den Holsteinern erkaufte Fremd-
herrschaft errichten können. Überall erhob man sich nun, und
das auf knapp 12 000 Mann bezifferte Heer der Holsteiner
zog sich nach anfänglicher Gegenwehr zurück, denn die
Söhne des Grafen hatten sich inzwischen darauf verständigt,
den teuren und letztlich unsicheren Machterhalt aufzugeben
und statt dessen anzustreben, die Pfandschaften wieder in
bare Münze umzuwandeln, anstatt diese möglicherweise
ganz zu verlieren. Für diesen Ausgleich bedurfte es nicht nur
des militärischen Rückzuges als Zeichen, sondern auch eines
Eingehens auf die Bestrebungen der Magnaten. Als Kom-
promißkandidaten für den seit acht Jahren vakanten däni-
schen Thron einigte man sich auf den Sohn Christophers IL,
Waldemar, der den Holsteinern den Vorzug deutscher Bin-
dung zu bieten schien, da seine Schwester mit dem Sohn des
Kaisers, dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg aus dem
Hause Witteisbach, verheiratet war. Waldemar, der später den
Beinamen Atterdag (etwa ,der Zögerliche’) erhielt (die Zeit-
genossen titulierten ihn zunächst noch ,der Böse’), sollte den
namensgleichen großen Vorgängern auf dem Thron alle Ehre
machen, ja diese an politischer Begabung und Geschick sogar
übertreffen. Das war 1340 noch nicht absehbar, denn erst
einmal mußte Waldemar die königliche Macht wieder festigen
und das Kronland zurückgewinnen. Ihm kam dabei zugute,
daß, abgesehen von den Holsteinern, auch andere auswärtige
Mächte ein Interesse an der Konsolidierung der Königsmacht
und an verläßlichen politischen Verhältnissen in Dänemark
hatten: Die Hanse, weil die chaotischen machtpolitischen
Zustände dort nicht ohne negative Auswirkungen auf ihren
30
Handel geblieben waren, der Brandenburger (eigentlich Wit-
telsbacher), damit ihm endlich die nicht unerhebliche Mitgift
seiner Ehefrau ausgezahlt werden konnte.
Waldemar war ein tüchtiger Intrigant, der mit dem schwe-
dischen und dem norwegischen König sowie norddeutschen
Fürsten wechselnde Bündnisse einging, die oft einander wider-
sprachen oder sogar gegeneinander gerichtet, aber stets und
emsig auf seinen Machtausbau gerichtet waren. Gleichzeitig
belastete er seine Untertanen mit immer neuen Steuern und
trieb systematisch die ehemaligen Krongüter ein. Bei letzterem
kam ihm zugute, daß er persönlich von der Pestepidemie ver-
schont blieb, während ihr nicht wenige Magnaten und deren
Familien zum Opfer fielen. Widerständigkeit wurde unbarm-
herzig niedergeschlagen und die alten dänischen Freiheitsrech-
te mit Füßen getreten. „Der Friede der Herren, Bürger und
Bauern wurde so gering geachtet, daß im ganzen Reich keine
Zeit zum Essen, Ruhen oder Schlafen war“, ist in einer see-
ländischen Chronik zu lesen. Mit dem Verkauf Estlands an
den Deutschen Ritterorden bekam Waldemar 1346 die nöti-
gen Gelder in die Hand, um die ärgsten auswärtigen Gläubi-
ger der Krone zufriedenzustellen und zudem die militärische
Basis zu schaffen, die es ihm in den folgenden Jahren ermögli-
chen sollte, die königliche Macht im ganzen Reich durch-
zusetzen und schließlich einen expansionistischen Kurs ein-
zuschlagen. Hierbei klangen erstmals deutlich vernehmbar
Bestrebungen der Krone Dänemark an, die bis in das späte
17. Jahrhundert hinein zu einer die Geschicke des Landes
maßgeblich beeinflussenden Konstante werden sollten: Die
Herrschaft über die Ostsee, das vielbeschriebene Dominium
Maris Baltici. Im Mittelpunkt der dänischen Interessen stand
dabei die Kontrolle über die Handelswege und -platze vom
Sund bis ins Baltikum. Die Hansestädte hatten seit über ein-
hundert Jahren gezeigt, welche Reichtümer aus dem Ost-
West-Handel gezogen werden konnten. Waldemar hatte er-
kannt, daß er, solange die Kroneinnahmen hauptsächlich aus
der bäuerlichen Arbeitskraft gezogen wurden, er auch stets
vom Adel abhängig sein würde. Die Krone mußte sich des-
31
halb zusätzliche Einkunftsquellen sichern, und am lohnend-
sten schien ihm die Beteiligung an den kaufmännischen Profi-
ten zu sein. Die Aussicht, bei ihnen durch Zölle und Steuern
schöne Gelder abschöpfen zu können, muß für Waldemar
derart verlockend gewesen sein, daß er sich auf ein militäri-
sches Abenteuer einließ, dessen Ausgang für ihn allerdings
mehr als zweifelhaft war. Zwar konnte Dänemark durch
Waldemars Eroberungen einen territorialen Zugewinn erzie-
len, die faktische Macht fiel jedoch in die Hand des Hanse-
bundes. Dieser unterstützte – bezogen auf Dänemark – zwar
zunächst Waldemars Konsolidierungsbestrebungen, um sich
dann aber, als dieser 1361 mit seinen Landsknechten die Insel
Gotland überfiel und die alte Hansestadt Visby besetzte, mit
aller militärischen Macht gegen ihn zu wenden. Dabei zog die
Hanse auch unzufriedene dänische Magnaten auf ihre Seite,
so daß die mühsam von Waldemar errungene dänische Einheit
wieder zerbrach. Was folgte, war ein erbitterter Seekrieg der
Hanse gegen Waldemar, der schließlich auch von seiner deut-
schen Verwandtschaft im Stich gelassen wurde. Dieser Krieg
gegen den Dänen nimmt auch in der Hansegeschichte eine
zentrale Bedeutung ein, konnten sich die Städte doch erstma-
lig auf ein einheitliches Vorgehen gegen eine fremde Macht
einigen und diesen Beschluß auch konsequent in die Tat um-
setzen. Das letzte Drittel des 14. Jahrhunderts wird denn auch
gemeinhin als Höhepunkt hansischer Macht bezeichnet, was
seinen deutlichen Ausdruck darin fand, daß die Städte 1370
im Vertrag von Stralsund nicht nur dem dänischen König den
Frieden diktierten, sondern dabei sogar die Begehrlichkeiten
ihrer verbündeten norddeutschen Fürsten auf dänisches Land
abwehren konnten. Die Insel Gotland wurde sogar bei Däne-
mark belassen, das der Hanse allerdings die Kriegskosten
ersetzen und das Recht einräumen mußte, bei künftigen Kö-
nigswahlen ein entscheidendes Wort mitzureden. Die wichtig-
sten Festungen in Schonen, vor allem am Sund, wurden der
Hanse für 15 Jahre als Pfand überlassen.
32
IV. Unionszeit
1375 starb Waldemar überraschend, und wieder schien es
hinsichtlich der Nachfolgerfrage zu Konflikten zu kommen,
denn Waldemar war ohne männlichen Erben. Doch seiner
Tochter Margarethe, seit 1363 verheiratet mit dem norwe-
gischen König Håkon, gelang es in geschickt geführten Ver-
handlungen, die Ansprüche ihres erst fünfjährigen Sohnes
Olav durchzusetzen, für den sie gemeinsam mit dem däni-
schen Reichsrat die Regentschaft ausüben sollte. Die däni-
schen Magnaten und die Hanse versprachen sich von dieser
Lösung einige Vorteile. Die Magnaten, weil noch während
Waldemars Regentschaft das alte Problem der Machtvertei-
lung zwischen König und den privilegierten Ständen wieder in
den Vordergrund gerückt war. Waldemar hatte sich geweigert,
eine Handfeste auszustellen, und seine Herrschaft im Innern
dadurch gefestigt, daß er landesweit seine Beamten auf die
königlichen Burgen und festen Orte verteilt hatte. Diese Ent-
wicklung glaubte man wieder zurückdrängen zu können. Die
Hanse versprach sich schlicht weitere wirtschaftliche Privile-
gien, vor allem in Norwegen.
Als Håkon 1380 verstarb, fiel seinem Sohn auch der nor-
wegische Thron zu, und auch hier übte nun Margarethe
im Namen des Sohnes die Regentschaft aus. Dies war der Be-
ginn der bis 1814 währenden dänisch-norwegischen Union
(oder wie es die norwegische Nationalgeschichtsschreibung
des 19. Jahrhunderts zu nennen pflegte: der „400jährigen
Nacht“ in der norwegischen Geschichte). Nach dem frühen
Tod ihres Sohnes wäre Margarethes Regentschaft nach gel-
tendem Staatsrecht eigentlich schon 1387 beendet gewesen,
denn ein neuer König hätte gewählt werden müssen. Doch
wieder konnte sie die Reichsräte der beiden Reiche auf ihre
Seite ziehen, die ihr als ,Regentin auf Lebenszeit’ huldigten.
Nur wenige Monate später, im März 1388, trug ihr auch ein
einflußreicher Teil der schwedischen Magnaten die Regent-
schaft der Krone Schweden als bevollmächtigte Frau’ an, denn
33
die schwedischen Magnaten waren unzufrieden mit ihrem
König Albrecht aus dem Hause Mecklenburg, der zu ihrem
Nachteil immer dreister seine norddeutschen Vasallen auf die
bedeutenden Posten im Reich gehoben hatte. Auch die mittel-
schwedischen Bergwerksunternehmer hatte er durch die Er-
hebung übermäßiger Zölle, mit denen Albrecht seine Kasse
auffüllen und zugleich die Hanse treffen wollte, gegen sich
aufgebracht. Margarethe scheint die Situation und die großen
Möglichkeiten, die sich ihren dynastischen Ambitionen boten,
schnell erfaßt zu haben. Im Süden Dänemarks beruhigte sie
die Lage vorerst, indem sie den Grafen von Holstein mit dem
Herzogtum Schleswig belehnte, das dieser sich sowieso schon
faktisch angeeignet hatte. Sie schickte nun ein Heer nach
Schonen, das gegen Albrecht antrat und diesen, der sie
noch kurz zuvor als „König Hosenlos“ verhöhnt hatte, Ende
Februar 1389 vernichtend schlug. Nur in Stockholm konnte
sich eine mecklenburgische Besatzung halten, unterstützt von
dort ansässigen deutschen Kaufleuten. Entsatz erhielt die
belagerte Stadt über See durch norddeutsche Seefahrer, vor-
nehmlich aus Rostock und Wismar, denen die Mecklenburger
Kaperbriefe gegen Dänemark ausstellten. Diese Lebensmittel-
lieferanten, die sog. Vitalienbrüder, gingen zum Schaden der
Handelsschiffahrt mehr und mehr dazu über, reine Piraterie
auch über den Ostseeraum hinaus zu betreiben. Unterdessen
schritt Margarethe unter eifriger Teilnahme der schwedischen
Stände mit ihrer Herrschaftssicherung voran. Sie strebte nach
einer raschen Lösung der Thronfolgefrage in allen drei nor-
dischen Reichen. In ihrem zum damaligen Zeitpunkt noch
unmündigen Großneffen Erich (Erik) von Pommern glaubte
sie einen geeigneten Kandidaten für die Kronen gefunden zu
haben. Schon 1388 ließ sie ihn vom norwegischen Reichsrat
als „rechten Erben des Reiches“ annehmen, sie selbst sollte
bis zur Mündigkeit Eriks die Regierungsgeschäfte ausüben.
Sollte Erik keinen männlichen Nachfolger haben, sollte die
Nachfolge auf den nächsten nach dem norwegischen Thron-
folgerecht übertragen werden. Es war somit nicht nur eine
Huldigung Eriks, sondern zugleich die Umwandlung Norwe-
34
gens in ein erbliches Königreich. Eriks Nachfolger konnten
daher ohne Huldigung das norwegische Erbe antreten. 1396
setzte sie die Nachfolge Eriks auch in Dänemark und Schwe-
den durch. Margarethe aber wollte mehr als einen in den ein-
zelnen Reichen angenommenen gemeinsamen Thronpräten-
denten. Alle Absprachen, die vorausgegangen waren, sollten
in einem einzigen, öffentlichen Akt vollzogen und dokumen-
tiert werden und universale Rechtskraft erlangen. So berief sie
die Spitzen des weltlichen und des geistlichen Adels der drei
Reiche zu einer Krönungsversammlung nach Kalmar, der da-
maligen Grenzfeste zwischen Dänemark und Schweden. Im
Anschluß an die Krönung Eriks fanden Verhandlungen über
die Regierungsmodalitäten statt, deren Ergebnisse in zwei
Dokumenten noch heute vorliegen: zum einen in dem Krö-
nungs- oder Huldigungsbrief vom 13. Juli 1397, zum anderen
im Unionsbrief vom 20. Juli 1397. Das erste Dokument ist ein
den damals gebräuchlichen Formen entsprechendes Doku-
ment, das allerdings nur die vollzogene Krönung und Huldi-
gung mit dem gegenseitigen Treueversprechen auf Lebenszeit
Margarethes und Eriks bestätigte sowie Margarethe General-
vollmacht für ihre Reichsverweserschaft gab.
Die zweite Urkunde dagegen, die den Keim für die über
hundert Jahre währenden Streitigkeiten zwischen Dänemark
und Schweden legte, ließ aufgrund formaler Abweichungen und
unpräziser Inhalte von vornherein die allgemeine Rechtsgül-
tigkeit zweifelhaft erscheinen. Die beiden Dokumente schie-
nen sich in gewisser Weise zu widersprechen: Das eine bestä-
tigte die königliche Personalunion über die drei Reiche; das
zweite aber brachte zum Ausdruck, daß man sich in Kalmar
offensichtlich nicht einigen konnte, wie die Herrschaftsform
realiter aussehen sollte. Eine einheitliche Regierung über alle
drei Reiche wurde anscheinend von der Mehrzahl der Ver-
sammelten nicht gewünscht. Immerhin wurde festgelegt, daß
die drei Reichsteile für alle Zukunft einen gemeinsamen Kö-
nig haben sollten. Den drei Reichsräten blieben jedoch noch
allerhand Befugnisse, auch sollten Recht und Gesetz in jedem
Reichsteil nach alter Gewohnheit bestehenbleiben. Die beiden
35
Dokumente belegen das Tauziehen um konstitutionelle Prin-
zipien zwischen der Königsmacht, die die Erblichkeit anstreb-
te, und dem Adel, der sich die Wahl des Throninhabers vor-
behalten wollte. Norwegen war ein Erbreich, Dänemark und
Schweden waren dies nicht.
Margarethes Regentschaft in Dänemark ist vor allem durch
eine Neuordnung der Finanzen und die Reorganisation des
Staatswesens gekennzeichnet. Die drei wichtigsten Reichsäm-
ter – Drost (Rechtswesen), Marschall (Militär) und Kammer-
meister (Finanzen) – wurden nach dem Tod ihrer Inhaber von
ihr nicht mehr besetzt, wodurch dem Adel ein bedeutendes
Instrumentarium zur Durchsetzung seiner Standesinteressen
abhanden kam. Auch achtete sie in ihrem Reich auf die Ein-
haltung der den Hansestädten in Stralsund 1370 gewährten
Privilegien. Darüber hinaus hielt sie sich zur Aufbesserung
der Finanzen an der weltlichen und kirchlichen Aristokratie
Dänemarks schadlos, indem sie umfassende Güterreduktionen
durchführte.
Erik von Pommern, der nach dem Tode Margarethes 1412
die Regentschaft in den drei Reichen übernahm, versuchte,
mehr Kapital aus der Handelspolitik zu ziehen. Um den Ein-
fluß der Hanse zurückzudrängen, begünstigte er das Eindrin-
gen der Holländer und Engländer in den Ostseeraum. Daß
dem Öresund als natürliche Sperre zwischen Nord- und Ost-
see dabei eine zentrale Bedeutung zukam, hatte er schon bald
erkannt. Er nutzte die sich hier bietenden Möglichkeiten und
gründete die Stadt und Festung Landskrona am östlichen Ufer
des Sundes, um hier englische und holländische Kaufleute an-
zusiedeln. Außerdem räumte er der Stadt Malmö größere
Handelsprivilegien ein und nahm 1417 Kopenhagen, das bis
dahin dem Bischof von Roskilde unterstand, als neuen Kö-
nigssitz in seinen Besitz. Aus denselben handelspolitischen
Gründen wurde beiderseits des Öresunds eine Reihe weiterer
Burgen von Erik angelegt, die ihm die Kontrolle dieser Was-
serstraße ermöglichten. Und so muß es nur konsequent er-
scheinen, daß er ab 1429 einen Zoll erhob, den jedes Schiff,
das den Sund passierte, bezahlen mußte. Dieser sogenannte
36
Sundzoll blieb, mit mehreren im Laufe der Zeit durchgeführ-
ten Modifikationen, bis 1857 bestehen. Im Spätmittelalter
und in der frühen Neuzeit war er eine der wichtigsten Ein-
nahmequellen der dänischen Krone.
Eriks rigorose Steuer- und Zollpolitik (man könnte ihn als
einen Früh- oder Vormerkantilisten bezeichnen) führte lang-
fristig nicht nur zu einer Konfrontation mit der Hanse mit
Lübeck an der Spitze. Es entwickelten sich auch sowohl in
Dänemark als auch in Schweden oppositionelle Kräfte, die
dem Unionskönig immer gefährlicher wurden und vor denen
er schließlich, 1439, kapitulieren mußte. Dazu kam in Nor-
wegen und Schweden der Mißmut des Reichsratsadels über
die Besetzung der einheimischen Schlösser und Lehen mit
dänischen Vögten, während weder Norweger noch Schweden
mit ähnlichen Aufgaben in Dänemark betraut wurden. Auch
die Kirche widersetzte sich zunehmend der Anwendung ihrer
Mittel für militärische Zwecke, die der Machtausweitung
Eriks dienten.
Aber erst ein Schlag von ganz unerwarteter Seite leitete den
Anfang vom Ende von Eriks Herrschaft ein: In der mittel-
schwedischen Bergbaulandschaft Dalarna hatte die selbstbe-
wußte großbäuerlich-bergbauunternehmerische Oberschicht
den Druck der von dänischen Vögten getragenen harten Steu-
erpolitik und Lokalverwaltung, aber auch die durch den
langjährigen Seehandelskonflikt zwischen Erik und der Hanse
verursachte Wirtschaftskrise besonders zu spüren bekommen.
Wirtschaftliche und soziale Bestrebungen wirkten hier zu-
sammen, als 1434 unter der Führung Engelbrekt Engelbrekts-
sons, eines kleinadeligen Gruben- und Hüttenbesitzers, ein
Aufstand gegen den Unionskönig und dessen Anhängerschaft
losbrach. Die allgemeine Unzufriedenheit im Lande führte zu
einem raschen Übergreifen der Aufstandsbewegung auf das
ganze schwedische Kernland, der sich bald der antidänische
weltliche und geistliche Hochadel anschloß. Die Unruhen
wurden sogar bis nach Norwegen hinübergetragen, wo die
Zwangsleistungen für den Unionsherrscher angesichts der seit
langem krisenhaften Wirtschaftslage des Landes besonders
37
das Bauerntum empört hatten. Doch konnte der Aufstand
hier mit Hilfe des inzwischen danizierten Adels niederge-
schlagen werden. In Schweden jedoch wurde Erik in einen
langwierigen Kleinkrieg verwickelt.
Der Aufruhr machte den Versuch Eriks, das wirtschaftliche
Übergewicht der Hansekaufleute im Norden zu brechen, zu-
nichte. Obwohl der Unionskönig in seinen Zielen scheiterte,
scheint ein kurzer Blick auf seine Ostseepolitik doch interes-
sant, in der er sich offensichtlich von weitreichenden Plänen
einer macht- und handelspolitischen Dominanz über diesen
Wirtschaftsraum leiten ließ. Die Ausgangslage war an sich
nicht ungünstig. Als Unionskönig herrschte Erik über alle
skandinavischen Häfen und dazu – was besonders wichtig
war – über die Zufahrten zur Ostsee. Auch an der Südküste
standen ihm durch seine pommerschen Besitzungen Stütz-
punkte zur Verfügung. Einer der Hauptkonkurrenten um die
Ostseeherrschaft, der Deutsche Orden, war seit der Niederla-
ge bei Tannenberg 1410 praktisch ausgeschaltet. Erik zögerte
nicht, jetzt vom Orden das knapp hundert Jahre zuvor
von Waldemar IV. verkaufte Estland zurückzufordern und zu
diesem Zweck Polen, mit dem sich Erik verbündete, gegen ihn
auszuspielen. Das Ziel war offenkundig: durch den Besitz der
Südküste der finnischen Bucht den lukrativen Novgoroder
Handel zu kontrollieren.
Doch als schließlich auch im Kernland Dänemark der
Hochadel, der im Reichsrat die politische Macht faktisch an
sich zu reißen vermocht hatte, dem König die Gefolgschaft
versagte und ihn entmachtete, zog sich Erik nach Gotland zu-
rück, von wo aus er sich durch Förderung der Seeräuberei an
seinen Gegnern schadlos hielt. Im Sommer 1439 sagte ihm
der dänische Reichsrat endgültig die Treue auf, da Erik gegen
den Willen des Rates versuchte, seinen Neffen Bogislav von
Pommern als Erben (nach norwegischem Thronfolgerecht)
einzusetzen. Im Herbst desselben Jahres folgte auch der
Reichsrat in Schweden diesem Schritt und setzte Erik nun
auch formal ab. Auch der vom dänischen Adel beherrschte
norwegische Reichsrat folgte wenig später.
38
Die erfolgreiche Fronde der dänischen und schwedischen
Magnaten gegen Erik wurde zum Preis einer neuerlich verfe-
stigten wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Hanse erkauft.
Als der dänische Reichsrat Erik absetzte, mußte er den wendi-
schen Städten für ihre Unterstützung ihre Privilegien erneuern
und auf ihren Wunsch eine Handelssperre gegen Holland und
Seeland anordnen. Die Holländer, inzwischen zu einer be-
achtlichen Seehandelsmacht geworden, setzten daraufhin ei-
nen Kaperkrieg gegen hansische und dänische Schiffe in
Gang, worauf Dänemark insofern einlenkte, als es 1441 die
Sundpassage für holländische Schiffe wieder freigab. Die
Holländer sicherten den Dänen zu, sie im Falle hansischer
Gegenmaßnahmen zu unterstützen.
Die Entwicklung in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun-
derts zeigt aber, daß die Nachfolger Eriks gelernt hatten,
die Konkurrenz zwischen Holland und der Hanse für ihre
Zwecke auszunutzen. Diese ganze Entwicklung ging mit einer
Festigung der Geldwirtschaft im dänischen Reich einher. Da-
bei suchte das dänische Münzsystem einen stärkeren An-
schluß an das lübische, was angesichts der engen wirtschaft-
lichen Verflechtung alich nahelag.
Ein grundlegender Zug der weiteren Entwicklung, und
zwar in allen drei nordischen Reichen, war der wachsende
Einfluß der Interessenvertretung des Hochadels, des Reichsra-
tes, auf die Politik auf Kosten der Königsmacht. Dem Reichs-
rat kam dabei zugute, daß die Thronfolgefrage stets mit der
Unionsfrage verbunden war, weshalb der Prätendent den Rä-
ten in den einzelnen Reichen Zugeständnisse machen mußte.
Allerdings beschränkte sich die Einflußnahme der Magnaten
de facto auf die Bereiche Steuerbewilligung und Thronfolge,
aus den Alltagsgeschäften hielten sie sich meist weitgehend
heraus, was dem König wiederum die Möglichkeit bot, die
Ämter nach seinem Gusto zu besetzen. Hierbei kamen zu-
nehmend Angehörige des Bürgertums zum Zuge, wodurch
dieser Stand politisch immer stärker aufgewertet wurde.
Nach der Absetzung Eriks in Dänemark 1439 wählte der
dänische Reichsrat 1440 den 25 jährigen Christopher (von
39
Bayern), einen Neffen Eriks, zum König, den die Räte schon
1438 als Reichsverweser eingesetzt hatten. Seine dem däni-
schen Adel gewährte Handfeste schränkte die königliche
Macht weiter ein und festigte den Ratskonstitutionalismus.
Nicht zuletzt aufgrund dieser Selbstbeschränkung Christo-
phers zogen die Räte der beiden anderen Reiche noch einmal
nach und bestätigten durch seine Wahl die Union. Christoph
blieb wenig eigener politischer Spielraum. Zudem wurde seine
nur siebenjährige Regentschaft schon bald von Konflikten ge-
trübt. In Dänemark gelang ihm nur mit Mühe die Nieder-
schlagung schwerer Bauernunruhen, die durch die zunehmend
verschlechterte wirtschaftliche und rechtliche Lage des Bauern-
tums hervorgerufen worden waren. In Schweden führte der
Reichsrat ein mehr oder weniger vom Unionskönig losgelöstes
Regiment. Hier schlugen auch immer deutlicher die wirt-
schaftlichen Partikularinteressen der mittelschwedischen Berg-
werks- und Hüttenbesitzer in politische Forderungen um, die
zwangsläufig denen des in Schweden ansässigen, dänisch
gesinnten Gutswirtschaftsadels entgegenliefen. Die solcher-
maßen in Gang gesetzte Zersplitterung der schwedischen Ma-
gnatenschicht sollte letzten Endes das Schicksal der Union be-
siegeln, wenngleich sich dieser Prozeß noch über rund
80 Jahre hinziehen sollte. Er war gekennzeichnet durch stete
dänische Versuche, die Union wieder aufzurichten – meist mit
Gewalt. Das konnte zeitweise immer dann gelingen, wenn
sich die .dänische’ Fraktion der schwedischen Magnaten, die
in der Regel in beiden Reichen Güter besaßen, gegen ihre
Widersacher durchsetzte. Doch konnten Zweckbündnisse ge-
nauso schnell zerbrechen, wie sie aus Eigensucht entstanden
waren. Ein erstes Beispiel lieferte die Nachfolgefrage Christo-
phers, der 1448 erst 32jährig und kinderlos gestorben war. In
Schweden konnte sich in Gestalt Karl Knutsson Bondes der
Führer der nationalen’ Fronde durchsetzen und zum König
wählen lassen. Obgleich er erkennen ließ, daß er sich auch
zum Unionskönig ausersehen fühlte, wählten Dänen und Nor-
weger in ihren Reichen einen anderen Kandidaten, nämlich
Christian von Oldenburg, den Neffen des mächtigen Schauen-
40
burgers Adolfs VIII., seines Zeichens nicht nur Graf von Hol-
stein, sondern auch Herzog von Schleswig. 1450 wurde in
Bergen sogar ein neuer Unionsvertrag zwischen dänischem
und norwegischem Reichsrat beschlossen, nach dem beide
Länder für alle Zukunft als selbständige und gleichberechtigte
Reiche in einer Personalunion vereint bleiben sollten. Damit
war für zwei der drei nordischen Reiche die Idee verwirklicht,
die Margarethe für den ganzen Norden angestrebt hatte. Daß
auch die schwedische Ratsaristokratie das Unionsprojekt
nicht gänzlich aufgegeben hatte, zeigte sich schon wenige Jah-
re später: Die machtpolitischen Konstellationen hatten sich
dort zu Ungunsten Karls verändert, der durch seine Gelüste
auf die norwegische Krone sein Reich in kostspielige militäri-
sche Verwicklungen trieb, die er durch Ausheben von Sonder-
steuern zu finanzieren gedachte. Die schwedischen Reichsräte,
angeführt vom Erzbischof von Uppsala, fielen einer nach dem
anderen von Karl ab, der schließlich 1457 vom Thron gejagt
wurde. Nun huldigte man auch in Schweden Christian I., der
den Privilegienforderungen des Reichsrates weit entgegen-
gekommen war. Es zeugt von Machtkämpfen innerhalb der
schwedischen Aristokratie und entbehrt auch nicht einer
kuriosen Note, daß der schwedische Reichsrat Karl Knutsson
noch zwei weitere Male (1464/65, 1467–70) auf den Thron
hievte, nämlich jedesmal dann, wenn die dänische Herrschaft
als zu drückend empfunden wurde. Doch stets wiederholte
sich das gleiche Spiel, daß erneute innerschwedische Macht-
kämpfe zur Rückbesinnung auf den Dänen (eigentlich Olden-
burger) führten, der im übrigen – wie seine Nachfolger bis ins
17. Jahrhundert – seinen Anspruch auf die schwedische Krone
nie aufgab. Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts setzte sich
aber unter tatkräftiger Mithilfe des schwedischen Bauern-
standes und kleinadeliger, unternehmerischer Schichten dieje-
nige politische Linie unter den schwedischen Magnaten
durch, die nach einer völligen Lösung aus der Union und nach
Bildung des frühneuzeitlichen schwedischen Nationalkönig-
tums strebte, das dann ab 1523 unter Gustav Wasa entstand.
Christians II. gewalttätiges Unterfangen, im November 1520
41
im sogenannten Stockholmer Blutbad einen neuen, ihm erge-
benen schwedischen Reichsrat durch Beseitigung des alten zu
schaffen, indem er unter dem Vorwurf der Ketzerei über 80
schwedische Adlige enthaupten ließ, hatte zum landesweiten
Aufstand und endgültigen Verlust Schwedens geführt.
Erfolgreicher als in Schweden war die Herrschaftsarrondie-
rung der Oldenburger im Süden des dänischen Kernreiches,
wo Christian I. 1460 nach dem Tode Adolfs VIII., der keinen
männlichen Erben hinterließ, in der Ständeversammlung zu
Ribe (Ripen) zum Herzog von Schleswig und Grafen von
Holstein gekührt wurde. Dabei kamen ihm zum einen die un-
terschiedlichen erbrechtlichen Bestimmungen und zum ande-
ren die Interessen der Ritterschaft der beiden Länder entge-
gen, die aus wirtschaftlichen und finanztechnischen Gründen
trotz deren unterschiedlicher staatsrechtlicher Bindung die
beiden Länder zusammenhalten wollte. Schleswig wäre als
dänisches Lehen an Christian – respektive seine jüngeren Brü-
der – gefallen und somit diese Einheit bei Durchsetzung eines
anderen Anwärters in Holstein zerbrochen. Denn die Pinne-
berger Nebenlinie der Schauenburger machte Ansprüche auf
Holstein geltend. Als Gegenleistung für die Wahl zum Grafen
von Holstein garantierte Christian die Eigenständigkeit von
Schleswig und Holstein (1474 wurde Holstein vom Kaiser
zum Herzogtum erhoben) gegenüber dem dänischen König-
reich, dazu „auf ewig“ die Einheit und Unteilbarkeit von
Schleswig und Holstein, auch die Einheit von deren Ständen
sowie die Teilhabe der Ritterschaft an der Landesherrschaft.
Das waren weitgehende, dazu im Detail kompliziert ausfor-
mulierte Regularien, die zwar die Länder im Interesse und zum
Nutzen der beteiligten Parteien vorerst befriedeten und vor den
ewigen Streitereien im Zusammenhang mit Erbfolgeregelungen
bewahrten, die langfristig aber bei unterschiedlicher Auslegung
der Ribener Bestimmungen zu neuen Konflikten führen soll-
ten. Noch vor Ablauf des Jahrhunderts fingen die dänischen
Monarchen an, das ständische Wahlrecht der Herzogtümer
zugunsten eines dynastischen Erbrechts auszuhebein, wodurch
auch die garantierte Unteilbarkeit mehr und mehr zur Fiktion
42
wurde. Denn nach dem Tode König Christians 1481 einigten
sich der neue König Hans und sein Bruder Frederik hinsichtlich
der Herzogtümer dahingehend, daß jeder der beiden sowohl in
Schleswig als auch in Holstein Herrschaftsteile bekommen soll-
te – und zwar in einer unübersichtlichen Gemengelage, die
nach außen hin den Eindruck der Einheit aufrechterhielt. Es
war dies der Ursprung der später so genannten königlichen
bzw. herzoglichen Teile der Herzogtümer.
Die drängendste innenpolitische Frage war für Christian I.
die Eindämmung der Macht des Reichsrates, dem er bei seiner
Wahl eine Handfeste mit weitgehenden Privilegien hatte aus-
stellen müssen. Es ging sowohl um politische als auch wirt-
schaftliche Interessen der Krone. Um seine mit hohen Kosten
verbundene Wahl in den Herzogtümern, die Abfindung der
anderen Erben sowie die diversen militärischen Verwicklun-
gen im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung des Uni-
onskönigtums finanzieren zu können, hatte Christian um-
fangreichen Kronbesitz an Adlige verpfändet, die dies wieder-
um als Hebel benutzten, um ihre Teilhabe an der Herrschaft
auszuweiten. Hier hatte er es in erster Linie dem finanzpoliti-
schen Geschick seiner Gemahlin Dorothea zu verdanken, daß
die Einlösung der Pfandschaften gelang. Die Verpfändung der
Orkney- und Shetlandinseln an seinen Schwiegersohn König
Jacob von Schottland als Mitgift für seine Tochter konnte
Christian allerdings nicht wieder einlösen.
Was das Zurückschneiden der politischen Einflußnahme
des Rates betraf, nutzte Christian die Tendenz, daß den
Magnaten die praktische Verwaltungsarbeit mehr und mehr
lästig fiel und sie sich lieber auf die Bewirtschaftung ihrer
Güter konzentrierten. Der König sorgte dafür, daß nun frei-
gewordene Ämter überwiegend mit Bürgerlichen besetzt wur-
den, die vor allem ihm und nicht den Reichsräten gegenüber
loyal waren. Dies trug nicht unwesentlich dazu bei, daß das
Bürgertum sich auch als politische Klasse zu verstehen be-
gann. Ein entscheidender Schritt hin zu ständischer Repräsen-
tation erfolgte 1468, als Christian eine Ständeversammlung
mit Vertretern des Adels, des Klerus und der Bürger einberief.
43
In richtiger Erwartung bewilligte diese Versammlung die vom
König den privilegierten Ständen, also Adel und Klerus, auf-
erlegten Extrasteuern. Eine entscheidende Stärkung der Kö-
nigsmacht bedeutete auch, daß es Christian gelang, seinen
Sohn Hans noch zu Lebzeiten als seinen Nachfolger aner-
kannt zu bekommen, womit das Wahlrecht des Reichsrates
neutralisiert wurde, das von den Räten bei Königswahlen
stets benutzt worden war, um günstige Handfesten zu erzwin-
gen. Im Gegenzug versuchten die Magnaten, einmal mehr auf
der Unionstastatur zu spielen und im Zusammenspiel mit den
schwedischen Räten demjenigen Prätendenten die Unions-
herrschaft anzubieten, der auf ihre Privilegienforderungen
einging. Zwar konnte der schwedische Reichsrat in diesem
Spiel Gewinne erzielen, der dänische jedoch mußte erkennen,
daß die Krone die letztlich stärkere Position innehatte. Das
hing auch wesentlich mit der dramatischen Veränderung des
Militärwesens zusammen, die zu dieser Zeit europaweit er-
folgte. Durch die Verbreitung von Feuerwaffen und Artillerie
hatte das adlige Reiteraufgebot ausgedient. Spezialisten des
Kriegshandwerkes waren jetzt gefragt, und diese ließen sich
nicht länger Standesinteressen zuordnen, sondern wurden
vom König über die Landesgrenzen hinweg angeworben. Die
Schwäche des dänischen und holsteinischen Adelsaufgebotes
zeigte sich besonders deutlich beim Feldzug von König Hans
und seinem Bruder Herzog Frederik gegen Dithmarschen im
Jahre 1500, als sie versuchten, die formal bestehende Ober-
hoheit über diesen Landesteil des Herzogtums Holstein auch
faktisch zu vollziehen. Die beweglichen, mit Feuerwaffen aus-
gerüsteten Dithmarscher Bauern fügten dem dänisch-holstei-
nischen Heer eine vernichtende Niederlage zu und konnten
dadurch für die beiden folgenden Generationen die Selbstän-
digkeit retten.
Die wirtschaftspolitischen Bestrebungen Christians I. zielten
in erster Linie auf die Stärkung des einheimischen Handels,
wozu auch sein Versuch zählte, Zugriff auf die Stadt Ham-
burg zu bekommen, um am hansischen Transit zu partizipie-
ren. Zwar war die Elbmetropole de jure noch eine schauen-
44
burgische, d. h. holsteinische Landstadt und keineswegs reichs-
frei, faktisch jedoch war sie aufgrund ihrer Wirtschaftsmacht
durchaus in der Lage, die hoheitsrechtlichen Ansprüche des
dänischen Königs und Herzogs von Holstein abzuwehren.
Dieser versuchte statt dessen wieder verstärkt die holländische
Karte zu spielen. Das korrespondierte durchaus mit den poli-
tischen und wirtschaftlichen Veränderungen im Ostseeraum.
An dessen östlichem Ende waren nach der Eroberung Novgo-
rods die Moskauer Zaren zu beträchtlicher Macht gelangt.
Die Moskowiter setzten ebenfalls auf den holländischen Han-
del, wodurch immer mehr holländische Schiffe in die Ostsee
kamen. Das Nachsehen hatten langfristig die Hansestädte des
westlichen Ostseeraumes, zumal eines ihrer wichtigsten wirt-
schaftlichen Fundamente, der Heringsfang, in eine schwere
Krise geriet.
Die dänischen Magnaten versuchten derweil, in Norwegen
ihre Position zu festigen. Hier war der einheimische Adel be-
sonders schwer vom Schwarzen Tod getroffen worden, so daß
es den Dänen ein leichtes gewesen war, freigewordene Lehen
zu besetzen. Diese Entwicklung führte schließlich dazu, daß
König Christian III. 1536 in seiner Handfeste niederschreiben
lassen konnte, daß Norwegen als selbständiges Reich zu exi-
stieren aufgehört habe und in Zukunft nicht anders als Jut-
land oder Schonen wie ein Teil des dänischen Reiches behan-
delt werden sollte.
Daneben verstärkten die Magnaten den Druck auf ihre
Pachtbauern, deren Frondienstpflichten ausgeweitet wurden.
Zudem wurden viele Dörfer und freie Höfe niedergelegt und
deren Land direkt den adligen Gütern zugeschlagen, die da-
durch im Laufe des 15. Jahrhunderts immer größer wurden.
Gleichzeitig fand innerhalb des Adels ein Konzentrationspro-
zeß statt, so daß sich die Zahl der Adelsfamilien verringerte;
um 1500 gab es nur noch etwa 250. Diese schlossen sich aber
hermetisch von nichtadeligen Schichten ab, u.a. dadurch, daß
der Erwerb von Adelsland durch Nichtadelige, insbesondere
reiche Kaufleute, ähnlich wie in Polen untersagt wurde. Dä-
nemark schlug hier also einen anderen Weg ein als beispiels-
45
weise England, wo gerade das Eindringen reicher, unterneh-
merischer Bürger in den niederen Adel (Gentry) zu einem dy-
namischen Moment der wirtschaftlichen Entwicklung wurde.
Nobilitierungen waren in Dänemark ab 1513 ohne Zustim-
mung des Reichsrates nicht mehr zulässig. Auch der rechtliche
Status des Bauernstandes verschlechterte sich, indem der
Reichsrat die Gelegenheit von Bauerriunruhen nutzte, um ihm
das Tragen von Waffen, seit alters her ein Zeichen des freien
Mannes, vom König untersagen zu lassen. Überhaupt war die
Stellung der Bauern in der Gesellschaft von einer zunehmen-
den Entrechtung gekennzeichnet und – vor allem in Insel-
dänemark – ihr Abgleiten in eine Leibeigenschaft kontinental-
europäischen Zuschnitts unübersehbar.
V. Bürgerkrieg und Reformation
Als Christian II. 1513 seinem Vater Hans auf dem Thron
nachfolgte, trat das Verhältnis zwischen Königsmacht und
Adel in eine neue kritische Phase. Die Magnaten waren be-
reits durch Christians bürgerfreundliche Politik als Vizekönig
in Norwegen (1506–13) aufgeschreckt und trachteten – ver-
geblich – danach, ihre Privilegien durch eine strenge Hand-
feste abzusichern. Bedenklich schien ihnen schon der große
Einfluß der niederländischen Kauffrau Sigbrit Willoms, de-
ren Tochter Dyveke Christian seit seiner Zeit in Bergen als
Mätresse hielt. Auf Sigbrits Rat ist es wohl im wesentlichen
zurückzuführen, daß niederländische Vorbilder in Staatsver-
waltung und Wirtschaftspolitik zum Zuge kamen. Aber Chri-
stian war auch selbst eine Zeitlang in den Niederlanden ge-
wesen und hatte die dortige Kunst und den Kommerz
schätzen gelernt. Insbesondere die niederländische Handels-
bürgerkultur scheint ihn beeindruckt zu haben. Sigbrit selbst
diente als eine Art Finanzministerin – und das nicht zum
Schaden der Krone. Den Magnaten gelang es zu diesem Zeit-
punkt noch nicht, den auf Schloß Gottorf residierenden Her-
46
zog Frederik gegen seinen Neffen auszuspielen. Denn an Fre-
derik waren, da Dänemark nominell noch ein Wahlreich war,
die Magnaten mit dem Angebot der Königskrone gegen Pri-
vilegienbestätigung herangetreten, doch hatte dieser in rich-
tiger Einschätzung der realen Machtverhältnisse den Coup
abgelehnt. Christian hatte nicht nur starke Verbündete in
Dänemark, sondern durch seine Heirat der Schwester des spä-
teren Kaisers Karls V. auch außerhalb. Außerdem erhielt er
seit 1518 Subsidien aus Frankreich.
Christians antiadlige und bürgerfreundliche Politik kam
deutlich in zwei Gesetzen des Jahres 1522 zum Ausdruck, mit
denen er die dänische Wirtschaft reformieren wollte. Handel
und Handwerk sollten allein den Städten vorbehalten sein,
der bis dato zulässige Außenhandel des Adels und des Kle-
rus mit eigenen landwirtschaftlichen Produkten wurde einge-
schränkt, die Kirche durfte keinen Grund mehr erwerben, und
auch der Verkauf von Pachtbauern wurde untersagt. Schließ-
lich forcierte Christian die bereits von seinen Vorgängern
betriebene Stärkung des bürgerlichen Elements in der Staats-
verwaltung, indem er auf Kosten des Adels bürgerliche Lehns-
männer einsetzte. Im Besitz der drei nordischen Kronen strebte
Christian augenscheinlich danach, ein großes nordeuropäi-
sches, vom Handel getragenes Reich zu etablieren. Fast aller
Widerstand schien niedergeschlagen.
Die Handelsbeschränkungen trafen insbesondere den jüt-
ländischen Adel und dessen Viehausfuhr nach Norddeutsch-
land und in die flandrischen und holländischen Städte zu
einem Zeitpunkt, als die Nachfrage nach Tierprodukten von
Jahr zu Jahr gestiegen war. Von Jütland aus begann sich denn
auch die Adelsfronde gegen Christian zu bilden, der sich
die Magnaten der anderen dänischen Landschaften in dem
Augenblick anschlossen, als Christian infolge des Stockhol-
mer Blutbades von 1520 immer tiefer in die Niederschlagung
des von Gustav Wasa geführten und von Lübeck finanzierten
schwedischen Aufstandes verstrickt wurde. Dieses teure mili-
tärische Engagement zehrte an den Ressourcen der Krone und
machte die Frondeure noch entschlossener, die schließlich
47
Herzog Frederik in Schleswig-Gottorf für ihre Sache gewin-
nen konnten. Unter dessen Führung wurde ein Heer aufge-
stellt, das gegen die Hauptstadt und gegen Christian in
Marsch gesetzt wurde. Der allerdings zog es überraschender
Weise vor, einer Schlacht aus dem Wege zu gehen, obwohl das
Stadtbürgertum hinter ihm stand, und sich zur habsburgi-
schen Verwandtschaft seiner Frau nach Holland abzusetzen.
Der dänische Reichsrat kündigte ihm umgehend den Treueeid,
und so verlor Christian 1523 nicht nur die dänische Krone,
sondern auch die schwedische. Gleichzeitig setzte der Reichs-
rat Christians Handelsgesetzgebung wieder außer Kraft.
In der jahrhundertelangen Auseinandersetzung zwischen
Königs- und Adelsmacht, zwischen Eingewalt und Ratskon-
stitutionalismus hatte sich somit der Adel noch einmal durch-
setzen können. Doch es sollte einer seiner letzten großen poli-
tischen Erfolge bleiben. Denn obschon der Reichsrat die Ma-
gnaten in den alten Privilegienstand zurückversetzte, konnte
das Rad der wirtschaftlichen – und damit auch gesellschaft-
lichen – Entwicklung nicht zurückgedreht werden. Und dieses
Rad lief in einer Welt des dramatischen wirtschaftlichen Um-
bruchs unaufhaltsam zugunsten des Handelsbürgertums.
Herzog Frederik war nun vom Reichsrat gewählter König
von Dänemark. Bei seiner Huldigung hatte er eine für die Kö-
nigsmacht ungünstige Handfeste unterschrieben, die es weit-
gehend dem Reichsrat überließ, Dänemark zu regieren, der
dies zu seinem Vorteil zu nutzen wußte. Dänemark gewann in
dieser Zeit den Charakter einer Adelsrepublik. Zwei Fragen
prägten Frederiks I. – kurze – Königszeit, und beide sollten
auch auf Dauer das Geschick des Landes bestimmen. Zum
einen war das die ständige Bedrohung durch den landflüchti-
gen König Christian II., und zum anderen war es das Luther-
tum, das auch in Dänemark immer mehr Anhänger fand.
Christian II. hoffte, in den Niederlanden nicht nur Bündnis-
partner gegen seinen Onkel zu gewinnen, sondern auch end-
lich die Mitgift seiner Frau zu bekommen, mit der er ein Lands-
knechteheer hätte anwerben können. Während seines Auf-
enthaltes in den Niederlanden scheint Christian eine gewisse
48
Sympathie für den Protestantismus entwickelt zu haben, was
dazu beitrug, daß die Habsburger noch weniger Grund hat-
ten, die fällige Mitgift zu zahlen. Dagegen fand Christian im
holländischen Handelsbürgertum einige Geldgeber, und so
war es ihm im Jahre 1531 möglich, Schiffe und Landsknechte
zu beschaffen. Mit einer gutgerüsteten Flotte begab er sich im
selben Jahr auf den Weg nach Norwegen, wo er aus seiner
Zeit als Vizekönig noch die meisten Anhänger zu haben
glaubte. Zu seinem Unglück geriet diese Flotte bei der Über-
fahrt über die Nordsee in einen Sturm, und ein großer Teil der
Truppen und der Ausrüstung ging dabei verloren. Christian
aber erreichte mit dem Rest den Oslofjord und begann mit
der Belagerung der Festung Akershus, deren Besatzung ihn im
Gegensatz zu den Bürgern der Stadt Oslo nicht willkommen
hieß. Inzwischen aber war die Kunde von Christians norwegi-
schem Landgang auch zu König Frederik nach Dänemark
gedrungen, und auch der rüstete nun eine Flotte und schickte
sie unter dem Kommando des Bischofs von Odense, Knud
Gyldenstierne, in den Oslofjord. Allerdings kam es dort nicht
zu einem Waffengang zwischen den beiden Parteien, sondern
Christian ließ sich gegen das Versprechen freien Geleits zu ei-
nem Treffen mit Frederik überreden. Er schöpfte nicht einmal
Argwohn, als ihm auf der Höhe von Kopenhagen mitgeteilt
wurde, daß er bis Schleswig weitersegeln müsse, weil sein
Onkel inzwischen dort residiere. Erst in der süddänischen
Inselwelt wurde ihm klar, daß er in eine Falle getappt war.
Den Rest seines Lebens, fast 28 Jahre, sollte er in Gefangen-
schaft verbringen – wenngleich mit einer seinem Stand zuste-
henden Dienerschaft. Fast gleichzeitig traf ihn ein weiterer
Schicksalsschlag, denn sein bei der habsburgischen Verwandt-
schaft weilender Sohn Hans, der legitime Erbe der drei nordi-
schen Kronen, starb plötzlich.
Schon vor diesen Ereignissen hatte sich die lutherische Leh-
re im dänischen Reich verbreitet, wozu insbesondere ein jun-
ger Priester mit Namen Hans Tausen beitrug, der bei Luther
in Wittenberg studiert hatte und nach seiner Rückkehr in Jut-
land und Fünen die lutherischen Predigten verkündete. Die
49
dänischen Bischöfe protestierten zwar beim König gegen die
nach ihrer Meinung ketzerische Agitation, doch Frederik er-
laubte Tausen weiterzupredigen. Ja er stellte ihm sogar einen
persönlichen Schutzbrief aus und ließ die Bildung von lutheri-
schen Gemeinden zu, die nicht mehr unter der Kontrolle der
Bischöfe standen. Diese mußten 1526 sogar hinnehmen, daß
Frederik bestimmte, daß fortan nicht mehr der Papst, sondern
der dänische Erzbischof die dänischen Bischöfe zu bestätigen
habe. Es war ein entscheidender Schritt in Richtung Los-
lösung von Rom. Natürlich verfolgte der König bei dem
Bestreben, sich die Kirche gefügig zu machen, auch Eigenin-
teressen. Denn die katholische Kirche hatte auch in Däne-
mark gewaltige Reichtümer insbesondere in Form von Boden-
besitz angehäuft, die dem Zugriff der Krone entzogen waren.
Dies und die Eigengerichtsbarkeit hatten die Kirche zu einer
zweiten Macht neben der Krone werden lassen. Insofern war
es in Frederiks Sinn, die Lutheraner gewähren zu lassen.
Andere Prediger folgten Tausen nach, und so breitete sich
die Lehre Luthers recht schnell zunächst in den Städten aus.
Hier richtete sich die Empörung vor allem gegen die Bettel-
orden, die einen immer stärkeren Zugriff auf den Handel mit
dem Umland gewonnen hatten, so daß die Kaufleute mit
vielen Waren nicht mehr frei handeln konnten. Ansonsten
hebt sich der Verlauf der Reformation in Dänemark vom
übrigen Europa ab. Sie war zwar auch hier mit gesellschaft-
lichen Gegensätzen verknüpft, doch nicht so ausgeprägt, daß
es deshalb zum Bürgerkrieg kam. Der verheerende Bürger-
krieg, der Dänemark in der Mitte der 1530er Jahre heimsuch-
te, hing in erster Linie wieder mit der Königsfrage und damit
verbundenen wirtschaftlichen Interessen zusammen. Daß als
eines seiner Ergebnisse der Protestantismus als Staatsreligion
in Dänemark eingeführt wurde, war eine Folgeerscheinung.
Dieser innere Konflikt, der das Land nahezu verwüstete,
hat später den Namen Grafenfehde bekommen, obwohl er
mit einer Fehde im herkömmlichen Sinn gar nichts zu tun hat-
te. 1533 war Frederik I. gestorben, und der zu diesem Zeit-
punkt mächtige – und mehrheitlich katholische – Reichsrat
50
zögerte, seinen Sohn Christian, seines Zeichens Herzog von
Schleswig und Holstein, zum Nachfolger zu wählen. Denn die-
ser Christian war überzeugter Lutheraner, der in seinen Her-
zogtümern bereits den lutherischen Gottesdienst eingeführt
hatte. Allerdings wurde der Schleswig-Holsteiner von einigen
Magnaten und vom gesamten niederen Adel unterstützt.
Zudem war er der legitime Thronfolger, und die einzige
ernsthafte Alternative wäre die Wiedereinsetzung des unter
Hausarrest stehenden Christian II. gewesen. In dieser Lage
beschloß der Reichsrat, die Königswahl vorerst aufzuschieben
und das Land selbst zu regieren, bis die Religionsfrage geklärt
wäre. Alle Macht lag nun bei den Bischöfen und den Magna-
ten. Doch die machten die Rechnung ohne die divergierenden
Kräfte, die ihre Stunde gekommen sahen, um ihre Interessen –
notfalls mit Gewalt – durchzusetzen. In der Bürgerschaft der
Städte – vorneweg Kopenhagen und Malmö – sah man die
Chance, den bürgerfreundlichen Christian II. wieder auf den
Thron zu setzen. Diese Bestrebungen wurden, was auf den er-
sten Blick merkwürdig erscheinen mag, von dem alten Feind
Christians II., der Hansestadt Lübeck, unterstützt. Auf den
zweiten Blick erscheint die Unterstützung jedoch nicht mehr
so sonderbar, denn in diesen ersten Jahrzehnten des 16. Jahr-
hunderts hatten sich Entwicklungen eingestellt, die die Hanse-
städte, insbesondere Lübeck, zunehmend beunruhigten und
die mit der frühneuzeitlichen Globalisierung zusammenhin-
gen. Nicht mehr das Mittelmeer und die Ostsee waren die
wichtigsten Handelsmeere, sondern der Atlantik. Die an ihn
grenzenden oder an seinen Zufahrten gelegenen europäischen
Staaten, wie die Niederlande, England, Frankreich, Portugal
und Spanien sahen reichen Zeiten entgegen, während die
alten Handelsmächte an den Binnenmeeren, die Hanse genau-
so wie die oberitalienischen Städte, von den Zentren des
Welthandels ins Abseits gerückt waren und sich immer mehr
mit einer Zuliefererrolle abfinden mußten.
In Lübeck war zu dieser Zeit, als in Dänemark die Thron-
folgefrage auf der Tagesordnung stand, der ebenso ungestü-
me wie ambitiöse Bürgermeister Jürgen Wullenweber an der
51
Macht. Wullenweber, den innerstädtische Auseinandersetzun-
gen auf den Bürgermeisterposten gebracht hatten, war ein
entschiedener Vorkämpfer des Luthertums. Durch ihn konnte
sich die neue Lehre, die vom alten Rat lange behindert wor-
den war, in der Hansestadt im Mai 1531 mit der Verabschie-
dung der neuen, von Johannes Bugenhagen entworfenen Kir-
chenordnung endgültig durchsetzen. Wegen seines großen
Einflusses auch in den skandinavischen Ländern wurde Bu-
genhagen auch Reformator des Nordens genannt.
Wullenweber hoffte, daß, wenn er mithelfen würde, Chri-
stian II. zu befreien und wieder auf den dänischen Thron zu
setzen, Lübeck durch den gestiegenen Einfluß in Dänemark
seine Machtposition im Norden ausbauen und so den Handel
der Stadt wieder ankurbeln könnte. Diese Einflußnahme
schien um so mehr geboten, als in Schweden der mit lübi-
schem Geld an die Macht und auf den Thron gekommene
Gustav Wasa sich anschickte, die Rückzahlung der lübischen
Kredite zu stoppen und überhaupt die Verträge aufzukündi-
gen, mit denen Lübeck eine Art Monopolstellung im schwedi-
schen Außenhandel erkauft hatte. Gustav Wasa begann jetzt
sogar, immer offensichtlicher die holländischen Konkurrenten
Lübecks zu begünstigen. Lübeck war somit nicht nur durch
die Veränderungen des Welthandels, sondern mehr noch
durch den Verlust seiner politischen und merkantilen Domi-
nanz im Ostseeraum in eine schwierige Lage geraten, zumal
sich bei Verhandlungen mit Dänemark und Schweden heraus-
gestellt hatte, daß es bei seinen Bestrebungen, den alten Status
quo wiederherzustellen, nur von wenigen Hansestädten unter-
stützt wurde – so richtig eigentlich nur von Rostock und
Wismar. Vor allem die preußischen Hansestädte hatten schon
seit einiger Zeit eine eigene handelspolitische Richtung einge-
schlagen und ihrerseits eine Festigung der Kontakte mit den
Holländern gesucht. Sie wandten sich nun in scharfer Form
gegen Lübecks Ansinnen, die Holländer – insbesondere durch
militärische Maßnahmen – aus der Ostsee auszuschließen.
Zwischen Wullenweber und den führenden dänischen Bür-
gerkreisen wurde eine politische Absprache getroffen, die bei
52
Wiedereinsetzung Christians II. der Travestadt Handelsprivi-
legien zusicherte.
Als man in Dänemark gewahr wurde, daß Lübeck eine
Flotte rüstete, festigte sich dort unter den Magnaten die hanse-
feindliche Front, in die sich sogar Gustav Wasa von Schweden
einreihte. Denn diesen mußte eine Wiedereinsetzung Christi-
ans II. besonders beunruhigen, war der doch formaliter auch
noch schwedischer König und hatte diesen Anspruch nie auf-
gegeben. Lübeck mußte damit rechnen, im Falle einer krie-
gerischen Auseinandersetzung eine breite Koalition aus Däne-
mark, Schweden, Holland und den beiden Herzogtümern
gegen sich zu haben. Als Bündnisgenossen konnte es lediglich
den französischen König Franz I., den Gegner Karls V., und
Heinrich VIII. von England, ebenfalls Gegner Karls und vor
allem der Holländer, gewinnen. WuUenweber verkündete, daß
Lübeck den gefangengehaltenen Christian II. als legitimen dä-
nischen König anerkenne und diesen unter seinen Schutz stelle.
Für seine Befreiung und damit die „Wiederherstellung des
Rechts“ gewann WuUenweber den Grafen Christoph von Ol-
denburg, einen nahen Verwandten der beiden Christians, der
für den anstehenden Kampf zugleich die notwendigen Land-
truppen beibringen wollte. Christoph wurden zudem gewisse
Hoffnungen auf den dänischen Thron gemacht, denn Chri-
stian IL war nicht mehr der Jüngste. Auch nach einem Ersatz
für den widerspenstigen Gustav Wasa schaute WuUenweber
sich um und fand ihn in dem Grafen Johann von Hoya, dem
Schwager des Schweden. Nach diesen beiden nun, den Grafen
von Oldenburg und Hoya, ist der Krieg benannt worden, der
sich zwischen 1534 und 1536 hinzog und Dänemark verwüstete.
Lübecks Ziele wurden zunächst dadurch begünstigt, daß
die Bürgerschaft der Städte, vor allem der beiden wichtigsten,
Kopenhagen und Malmö, und der überwiegende Teil der Bau-
ern in ihrer Gegnerschaft zum Adel sowie zur katholischen
Geistlichkeit zu Christian II. standen und dem Grafen Chri-
stoph die Treue schworen. Der Krieg begann im Frühjahr des
Jahres 1534 mit dessen Einfall in Holstein. Gleichzeitig erho-
ben sich die Bürger Malmös und besetzten das dortige Schloß.
53
Christoph landete nun auf Fünen, setzte von dort nach See-
land über und zog kurz darauf in Kopenhagen ein. Lübeck
beherrschte damit den Sund. Als sich auch die jütischen Bau-
ern offen gegen Herzog Christian von Schleswig und den Adel
auflehnten, schien der Sieg der Koalition sicher. Dies um so
mehr, als die jütischen Bauern sogar ein wohlgerüstetes Rit-
terheer des jütischen Adels vernichtend zu schlagen vermoch-
ten. Der Bauernaufstand breitete sich über ganz Jütland aus,
die Bauern stürmten die Herrenhöfe und brannten sie nieder.
Es war nurmehr eine Frage der Zeit, daß die ganze kimbri-
sche Halbinsel überrannt und damit ganz Dänemark in der
Hand Christophs und seiner Verbündeten sein würde. Die Geg-
ner des Grafen schwächte am meisten, daß sie sich nicht über
die Thronfolge einigen konnten, weil Katholiken und Luthe-
raner im Reichsrat einander gegenüberstanden. In dieser aus-
weglosen Lage rief der lutherische Reichsrat Mogens Goye die
jütländischen Adligen zu einem Herrentag in der Kirche von
Ry in Mittel Jütland zusammen, auf dem er mit Unterstützung
des niederen Adels und unter Androhung von Gewalt die Wahl
Herzog Christians zum dänischen König durchsetzen konnte.
Die Bischöfe und die katholischen Reichsräte mußten sich
fügen, obgleich ihnen klar war, daß damit auch das Ende des
Katholizismus in Dänemark besiegelt sein würde.
Herzog Christian kam nun als Christian III. nach Jütland
und brachte den kriegserprobten holsteinischen Grafen und
Feldherrn Johann Rantzau mit, der umgehend die Gegenwehr
im geteilten Land organisierte. Als erstes ließ er einen Hand-
streich durchführen, der sich letzten Endes als entscheidend
für den Ausgang des Konfliktes erweisen sollte. Es gelang
nämlich, Travemünde zu erobern, womit Lübeck von der of-
fenen See abgeschnitten war und auch keinen Kontakt mehr
zu seiner Kriegsflotte hatte. Diese war nun in zunehmendem
Maße dem Kaperkrieg dänischer, schwedischer und hollän-
discher Schiffe ausgesetzt. In der zunehmend schwieriger wer-
denden militärischen Lage und angesichts ständig steigen-
der Lasten wuchs in der Hansestadt die Opposition gegen die
Politik Wullenwebers. Dem alten, von Wullenweber entmach-
54
teten Rat gelang es in dieser Situation, in seine alten Rechte
zurückzukommen. Viele Anhänger Wullenwebers aus dem
mittleren Bürgertum und der Handwerkerschaft wurden nach
und nach ausgeschaltet. Im November 1534 schloß Lübeck
einen Teilfrieden mit Christian III., der allerdings nur Hol-
stein betraf. Rantzau hatte inzwischen die Stadt Aalborg, die
Schlüsselstellung Nordjütlands und Hochburg der Aufständi-
schen, erobert. Die Bürger der Stadt und rund 2000 Bauern,
die sich dort verschanzt hatten, waren dabei in den Straßen
hingemetzelt worden, die Stadt wurde geplündert und an-
schließend ganz Nordjütland unterworfen.
Im nächsten Jahr, 1535, unternahm Rantzau einen Kriegs-
zug nach Fünen, der mit der vernichtenden Niederlage der
Truppen Christophs von Oldenburg endete. Gleichzeitig muß-
te sich die lübische Flotte bei Svendborg der vereinigten däni-
schen und schwedischen Flotte geschlagen geben. Zwar hiel-
ten sich noch einige dänische Städte, so Kopenhagen und
Malmö, für Lübeck jedoch hatte der Krieg faktisch ein Ende
gefunden, und damit begann der unaufhaltsame politische
Abstieg der einst so mächtigen Hansestadt. Ein kaiserliches
Mandat verlangte sogar unter Androhung der Reichsacht
die Wiederherstellung der alten Stadtverfassung. Wullenweber
und seine Anhänger im Rat sahen sich zum Rücktritt ge-
zwungen. Die alten Herrschaftsverhältnisse waren wiederher-
gestellt – mit Ausnahme der Kirchenverfassung, denn Lübeck
blieb lutherisch.
Als die „Fehde“ 1536 mit der Kapitulation Kopenhagens
beigelegt war, berief Christian III. im August einen Reichstag
dorthin ein, auf dem er durch einen Handstreich alle katholi-
schen Bischöfe gefangennehmen ließ. Sie wurden nur gegen
die Eidesversicherung freigelassen, daß sie allen Widerstand
gegen die Reformation aufgäben. Auf einer großen Ver-
sammlung auf dem Alten Markt (Gammel Torv) erreichte der
König, daß alle Stände beschlossen, die alte Kirchenordnung
abzuschaffen. Damit war die Reformation sozusagen offiziell
eingeführt. Jetzt mußte sie nur noch praktisch durchgeführt
werden. Zwei Fragen standen dabei im Vordergrund: die
55
wirtschaftliche Entmachtung des Klerus und die Neubeset-
zung der hohen geistlichen Ämter. Zunächst wurden im gan-
zen Land überzeugte Lutheraner als Bischöfe eingesetzt, die in
ihren Bistümern die von Luther anerkannte neue Kirchenord-
nung einführten. Die ehedem katholischen Pfarrer durften
gegen die Verpflichtung, nur noch die lutherische Lehre zu
predigen, in ihren Ämtern bleiben, wurden von den Bischöfen
aber regelmäßig visitiert. Die meisten Pfarrer scheinen sich
dazu bereitgefunden zu haben, was theologisch dadurch er-
leichtert wurde, daß ja kein neuer Glaube im eigentlichen
Sinn eingeführt, sondern die christliche Lehre zu ihren evan-
gelischen Ursprüngen zurückgeführt und durch den Protestan-
tismus von den papistischen Verfehlungen gereinigt worden
war. Zahlreiche evangelische Aufklärungsschriften entstanden
in jener Zeit, Psalmbücher, Predigtsammlungen usw., und
erstmals wurde auch die (lutherische) Bibel ins Dänische
übersetzt – dazu auch Luthers Katechismus, das wichtigste
Büchlein für die neue Kirche. Am aktivsten war bei all dem
Hans Tausen, der von Christian III. inzwischen zum Bischof
von Ribe ernannt worden war. Denn der König war jetzt
Summus Episcopus, oberster Kirchenherr, Krone und Kirche
waren eins. Die Bischöfe der neuen Kirche, es waren wie
zuvor sieben (mit Schleswig acht), unterschieden sich von de-
nen der alten Kirche dadurch, daß sie gewissermaßen Beamte
der Krone waren, die keinen Sitz im Reichsrat mehr einnah-
men. Sie hatten über ihr geistliches Amt hinaus überhaupt
nichts mehr zu sagen, und das vermehrte die Macht des
Königs neben dem wirtschaftlichen Zugewinn noch zusätzlich.
Gleich nach der Versammlung in Kopenhagen hatte Chri-
stian III. alles Kirchengut für die Krone eingezogen. Während
die Güter der Krone vor der Reformation etwa ein Sechstel
des ganzen Landes ausgemacht hatten, wuchsen sie mit der
Einziehung des Kirchenlandes auf knapp zwei Drittel. Aller-
dings gab es auch hierbei einige dänische Besonderheiten. Die
großen Herrenklöster wurden zwar königliche Lehnshöfe und
mußten Abgaben aufbringen, aber sie konnten weiterhin Klö-
ster sein. Ihr katholischer Kirchen- und Klosterdienst konnte
56
weitergehen. Im Grunde traten nur zwei wesentliche Ände-
rungen ein: Klöster und Kirchen durften nicht länger Grund
und Boden als Seelengeschenke entgegennehmen, und die
Klöster durften keine neuen Nonnen und Mönche mehr auf-
nehmen. Diejenigen, die bei der Reformation schon in den
Klöstern waren, konnten entweder in das weltliche Leben zu-
rückkehren, zu Glaubensgenossen in das katholische Europa
gehen oder bis zu ihrem Tode in ihren dänischen Klöstern
bleiben. In dem Maße, wie im Laufe der Zeit deren Insassen-
zahl abnahm, wurden Klöster zusammengelegt. Das ist der
Grund für die dänische Besonderheit, daß katholische Klöster
mit Nonnen und Mönchen, mit Äbten und Äbtissinnen mehr
als 30 Jahre nach der Reformation bestanden haben.
Der infolge der Reformation durchgeführte Einzug des
kirchlichen Grundbesitzes brachte der Krone nicht nur mehr
als eine Verdreifachung ihrer Güter, sondern es wurden, um
diese möglichst effektiv zu nutzen, auch einige Reformen in
Gang gesetzt, die auf Dauer zu durchgreifenden Veränderun-
gen der gesamten Staatsverwaltung führten. Ausgangspunkt
war eine Verringerung der Zahl der königlichen Lehen sowie
deren Umwandlung von Dienstlehen, über die deren Inhaber
frei verfügen konnte, in Rechenschaftslehen, über die, wie der
Name schon sagt, gegenüber der Krone Rechenschaft abgelegt
werden und der Inhaber den über ein bestimmtes Maß hinaus-
gehenden Überschuß an die königliche Rentkammer abführen
mußte. Hierdurch wurde die Stellung der Lehnsinhaber grund-
sätzlich verändert: War der Lehnsmann früher Krieger, der für
seinen Waffendienst vom König mit Teilen des Reiches belehnt
wurde, wurde er nun zum Verwalter des Reiches, der darüber
Buch zu führen hatte. Bis etwa 1600 sind innerhalb eines hal-
ben Jahrhunderts knapp zwei Drittel der Lehen zu Rechen-
schaftslehen geworden, während sich entsprechend der Anteil
der Dienstlehen auf etwa ein Achtel verringerte. Für viele
Kleinadelige hatte der Prozeß der Lehnszusammenlegung die
Folge, daß sie in den Bauernstand zurückfielen.
Christian III. besaß nach dem Ende des Bürgerkrieges eine
Machtvollkommenheit wie keiner seiner Vorgänger auf dem
57
Thron. Aber auch der Hochadel war gestärkt. Verlierer waren
die Bürger und Bauern. Der Adel hatte dem Monarchen für
sein Einverständnis des Kirchengütereinzugs dessen Zuge-
ständnis abgetrotzt, daß Dänemark weiterhin ein Wahlreich
sein solle. Auch wurde der Außenhandel der Magnaten zum
Nachteil der Kaufleute wieder freigegeben, was sich unmittel-
bar in einer Intensivierung der Bewirtschaftung der adligen
Güter niederschlug.
Die unter Christian III. eingeleitete Modernisierung der
Staatsverwaltung war umfassend und spiegelte deutlich den
Einfluß seiner deutschen, heißt holsteinischen Ratgeber wi-
der. Die .inneren’ Angelegenheiten – wozu auch Schweden
zählte – wurden fortan von der Dänischen Kanzlei (Danske
Kancelli) in dänischer Schriftsprache erledigt, während die
,äußeren’ Angelegenheiten, wozu auch die Herzogtümer rech-
neten, von der Deutschen Kanzlei (Tyske Kancelli) in deutscher
oder lateinischer Schriftsprache bearbeitet wurden. Es wurde
eine Rentkammer eingerichtet, die sich der Staatsfinanzen an-
nahm und dabei besonderen Wert auf die ordnungsgemäßen
Steuerzahlungen legte. Dänemark befand sich mit diesen ad-
ministrativen Reformen im Einklang mit der europäischen
Entwicklung auf dem besten Weg zum frühmodernen Finanz-
staat. Dazu gehörte auch die Systematisierung des Rechtswe-
sens. Der Adel mußte sich einer Entwicklung anpassen, die
seine alten Standesideale noch mehr in Frage stellte als die
Veränderungen auf dem Gebiet der Kriegstechnik. In den
ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts war mehrfach deut-
lich geworden, daß das militärische Ritterideal der Vergan-
genheit angehörte. Das Gebot der Stunde hieß, sich an die
Spitze der militärtechnischen Entwicklung zu setzen und Offi-
zier einer Landsknechtstruppe im landesherrlichen Dienst zu
werden. Die Alternative war, sich Fachkenntnisse in der
Staatsverwaltung anzueignen, wenn man sich nicht auf die
Verwaltung der eigenen Güter beschränken wollte. Es war die
Zeit, in der dänische Adelsfamilien deshalb ihre Söhne auf
Ausbildungsreisen nach Europa schickten. Zurück in Däne-
mark, erhielten sie bevorzugt Ämter und Lehen und damit
58
Möglichkeiten, den Ruhm und Reichtum ihrer Familien zu
mehren. Auf diese Art und Weise schälte sich immer deut-
licher eine hochadlige Schicht heraus, die nicht nur weitläufig
begütert war, sondern die sich im Vergleich zu den Standesge-
nossen auch dadurch auszeichnete, daß die wichtigsten
Staatsämter von Generation zu Generation in ihren Reihen
blieben, wobei nur rund ein Dutzend Familien im wesent-
lichen die Macht unter sich teilten.
Wie schon seine Vorgänger trug auch Christian III. zur wei-
teren Verwirrung der Schleswig-Holstein-Frage bei. Seinen auf
Schloß Gottorf residierenden Bruder Adolf machte er in den
Herzogtümern zum Mitregenten, indem diesem zu gleichen
Teilen, das heißt nach Ertragskraft und nicht nach territoria-
ler Gleichheit, in einigen Ämtern die erblichen Herrschafts-
rechte zuerkannt wurden. Um auch seinen zweiten Bruder
Hans zufriedenzustellen, trennte er um Hadersleben einige
Ämter aus dem königlichen Anteil heraus und gab sie die-
sem als Lehen. Diese Teile fielen zwar bald (1581) wieder an
die Krone zurück, weil Hans keine Erben hinterließ, doch war
es unter Frederik II. 1564 zu einer neuerlichen Subdivision
des königlichen Anteils gekommen, um Erbansprüche seines
Bruders Johann (dem Stammvater der Sonderburger Linie) zu
befriedigen. Auf diese Weise erhielten die Herzogtümer drei
regierende Herren, allerdings unter dem Fortbestehen unge-
teilter Stände gemäß dem Ribener Vertrag von 1460, der die
Einheit der Herzogtümer forderte. Daß hier, bei der Betei-
ligung von vier Parteien an der Landesherrschaft, Konflikte
vorprogrammiert waren, liegt auf der Hand.
Schließlich regelte Christian III. auch das Verhältnis zu sei-
nem Vorgänger Christian II., dessen Hausarrest mehr oder
weniger aufgehoben wurde. Das Schicksal dieser beiden
Könige blieb bis zu beider Ende auf merkwürdige Weise mit-
einander verknüpft. Sie starben auch fast gleichzeitig im Jahre
1559, der 78jährige Christian II. zehn Tage später als Chri-
stian III., der am Neujahrstag verstorben war.
59
VI. Der Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum
Die Epoche zwischen 1559, dem Herrschaftsantritt Frederiks
II., und 1721, dem Ende des Großen Nordischen Krieges, ist
gekennzeichnet durch mehrere große Kriege, in denen es zum
einen um Grenzrevisionen ging, zum anderen und vor allem
aber um die Dominanz im Norden, insbesondere im Ostsee-
raum. In diesen rund 160 Jahren haben sich die wirtschaftli-
chen, gesellschaftlichen und schließlich die politischen Struktu-
ren und Machtverhältnisse in Dänemark vollständig verändert.
Das Land wurde zum einen politisch und kulturell sozusagen
europäisiert. Bis dahin war Dänemark, genauso wie Schweden,
ein in jeder Hinsicht rückständiges Reich an der Peripherie
Europas, das von den großen Mächten nicht sonderlich beach-
tet wurde. Zum anderen verlor Dänemark unwiederbringlich
seine Vorherrschaft im Norden und im Ostseeraum.
Aufgrund der dynamischen Wirtschaftskonjunktur im We-
sten Europas, die wesentlich durch das Einströmen amerika-
nischen Silbers hervorgerufen wurde, erlebte auch Dänemark
nach dem Bürgerkrieg eine wirtschaftliche Blüte. Hauptnutz-
nießer waren zunächst die Magnaten, die die ständig steigen-
de Nachfrage insbesondere der niederländischen Städte nach
Getreide und Viehprodukten ausschöpften. Untersuchungen
haben gezeigt, daß die Preissteigerungen bei dänischem Ge-
treide und Vieh bedeutend größer waren als bei Importwaren
aus Westeuropa, was für die dänischen Exporteure ein unge-
mein günstiges Tauschverhältnis bedeutete. Die Getreidepreise
beispielsweise vervierfachten sich bis zum Jahrhundertende.
Dies schlug sich wiederum in den Bodenpreisen nieder: Inner-
halb eines halben Jahrhunderts stiegen diese in Dänemark um
das Sechsfache. Zwar durften nur Adlige sogenanntes Adels-
land, d.h. steuerbefreites Land, besitzen, doch innerhalb des
Adelsstandes herrschte eine große Konkurrenz um Landbe-
sitz, die die Spekulation anheizte und den Konzentrationspro-
zeß förderte. Die Tendenz ging zu großflächigen Gutswirt-
schaften durch Arrondierung umliegenden Landes – entweder
60
durch Kauf oder durch Bauernlegen. Anfang des 17. Jahrhun-
derts gab es etwa 500 Gutsbesitzer in Dänemark, aber nur
170 von ihnen besaßen etwa drei Viertel des Adelslandes, was
etwa einem Drittel allen Landes entsprach. Zusammen mit
dem größten Grundbesitzer, dem König, verfügten sie über
rund 85 Prozent des dänischen Bodens. Die vielen im Renais-
sancestil erbauten dänischen Herrenhäuser und Schlösser zeu-
gen von dieser wirtschaftlichen Blüte und der profitablen
Abschöpfung bäuerlicher Arbeit. Denn die adligen Grundbe-
sitzer legten größten Wert darauf, daß der bäuerliche Pacht-
zins in Naturalien – insbesondere Getreide – entrichtet wurde.
Die rege Bautätigkeit der Magnaten stimulierte wiederum den
Binnenmarkt durch die Nachfrage nach handwerklicher Ar-
beit und Beschaffung von Baumaterial.
Mit der Hochkonjunktur für landwirtschaftliche Erzeug-
nisse ging eine Differenzierung der gesellschaftlichen Verhält-
nisse unter den nichtadligen Schichten auf dem Lande einher.
Durch Bevölkerungszuwachs war das Arbeitskräfteangebot so
günstig wie seit der Agrarkrise des 14. Jahrhunderts nicht
mehr. Gleichwohl hielten sich die Magnaten eingedenk der
Bauernunruhen der 1530er Jahre zurück, die Lage auszunut-
zen. Den Pachtbauern wurde durch ein königliches Dekret
von 1551 sogar eine Verbesserung ihres Status gewährt, in-
dem festgelegt wurde, daß sie vom Grundherrn nicht von
ihren Höfen vertrieben werden durften, solange sie ihren
Pflichten nachkamen. Seit etwa 1600 konnten sie gewohnheits-
rechtlich zudem damit rechnen, daß sie ihren Pachthof an
einen Sohn oder Schwiegersohn weitergeben durften. Die
Pachtbauern partizipierten auf diese Weise am Aufschwung
der Wirtschaftskonjunktur. Sie profitierten wie die Grundbe-
sitzer vom Anwachsen der untersten sozialen Schicht, der
Kätner und Tagelöhner, die sie für einen Hungerlohn für sich
arbeiten lassen konnten. Entsprechend waren die Verhältnisse
in den Städten. Hier arbeiteten die großen Kaufleute Hand in
Hand mit den Gutsbesitzern und besorgten allmählich ganz
und gar deren Im- und Export. Für sie kam es deshalb darauf
an, sich mit den Magnaten gutzustellen – allen voran mit dem
61
König als dem größten Landbesitzer. Die Großkaufleute fin-
den wir deshalb unter den bedeutendsten Kreditoren der Kro-
ne, wenn diese in kriegerischen Konflikten Geld brauchte. Auch
in den Städten wuchs die Zahl der Menschen aus den unter-
sten sozialen Schichten verhältnismäßig rasch an, weshalb
Kaufleute, Handwerker und in den Küstenorten zunehmend
auch Reeder ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung hatten.
Die Lebensumstände dieser städtischen Tagelöhner waren in
der Regel noch schlimmer als die ihrer Schicksalsgenossen auf
dem Lande. Denn aufgrund der ständig steigenden Lebensmit-
telpreise konnten sie oft nicht einmal das tägliche Brot erwer-
ben. Durch den mehr und mehr über die Kaufleute abge-
wickelten Export landwirtschaftlicher Produkte erlebten die
Handelsstädte einen Aufschwung, der trotz der politischen
Niederlage des Bürgertums nach der Entmachtung Chri-
stians II. zu wachsendem Selbstbewußtsein der kapitalstarken
Handelsbürger führte. Gefördert wurde diese Entwicklung
dadurch, daß in Dänemark wie in Westeuropa merkantilisti-
sches Gedankengut eine staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik
entstehen ließ. Warenproduktion und Warenaustausch sollten
den Reichtum des Landes (eigentlich der Krone) mehren, und
die wichtigsten Akteure hierbei waren die Kaufleute. Deshalb
war es nur folgerichtig, daß ihr Wirkungsfeld von der Krone
privilegiert wurde, indem Handel und Handwerk allein den
Städten vorbehalten blieben. Selbst der bäuerliche Warenaus-
tausch durfte nur noch in der nächstgelegenen Kaufmanns-
stadt abgewickelt werden. Marktgesetze sowie Bestimmungen
bezüglich der Währung, Gewichte und Maße dienten der Ver-
einheitlichung des Wirtschaftsraumes. Die Landwirtschaft
sollte, was den Binnenmarkt betrifft, billige Nahrungsmittel
in die Städte liefern, damit die Löhne der Arbeiter niedrig
gehalten und die Gewinne der Produzenten aus Exportwaren
gesteigert werden konnten. Privilegien für Handelskompanien
mit klar definiertem Auftrag, wie die 1602 gestiftete Isländi-
sche Kompanie, die das Handelsmonopol mit der Atlantikin-
sel erhielt, vor allem aber die ab 1616 entstandenen Kompa-
nien für den Handel mit Asien, Afrika (1656) und Westindien
62
(1671) zeugen davon, daß die dänische Wirtschaftspolitik der
westeuropäischen nacheiferte. Bis zum Beginn des 16. Jahr-
hunderts lag der dänische Außenhandel noch überwiegend in
den Händen ausländischer Händler und Reeder – zunächst
der Hanse-, dann der holländischen Kaufleute. Der gestiege-
nen Bedeutung des Seehandels und der Aufmerksamkeit des
Königs dafür entsprachen die Neuordnung des Seerechts
durch Frederik II. und die von ihm initiierten Sicherungsmaß-
nahmen der dänischen Fahrwasser.
Daß der Adel dem Bedeutungszuwachs des Bürgertums
keine wesentlichen Hemmnisse in den Weg legte, lag zum
einen daran, daß er wirtschaftlich davon profitierte, und zum
anderen an der Tatsache, daß sich sein Standesideal verändert
hatte. Erst im 16. Jahrhundert hat er sich gewissermaßen euro-
päisiert und dabei auch ein gesteigertes Bedürfnis nach höfi-
scher Repräsentation entwickelt, das kaum noch Raum ließ
für merkantiles oder bäuerliches Auftreten. Daß Burgund und
Frankreich dabei eine gewisse Vorbildfunktion ausübten, wird
allein schon am Baustil der vielen in jenem Jahrhundert ent-
standenen Schlösser und Herrenhäuser deutlich.
Wenngleich sich der wirtschaftliche Schwerpunkt allmäh-
lich in die Städte verlagerte, muß man sich diese noch recht
bescheiden vorstellen. Kopenhagen zählte um 1600 etwa
20 000 Einwohner, die nächstgrößeren Orte Malmö, Helsin-
gör, Odense, Älborg und Ribe waren schon bedeutend kleiner
und hatten höchstens 4000 Einwohner. Die übrigen Kaufstäd-
te waren über die Region hinaus wirtschaftlich unbedeutend
und eher Ansammlungen von Kleinhändlern, Zunfthandwer-
kern, Ackerbürgern oder Fischern. Im Sinne des Merkantilis-
mus betrieben die Regenten, allen voran Christian IV., aber
eine zielstrebige Urbanisierungspolitik. Neue Städte wurden
gegründet, insbesondere an der Peripherie und in lohnend
scheinenden Produktionsregionen (wie dem norwegischen
Bergbau), bestehende Städte wurden ausgebaut. Es sollten
nicht nur reine Handelsstädte sein, wie beispielsweise Glück-
stadt, sondern zugleich auch Festungsstädte, die die Herr-
schaftsansprüche des dänischen Königs markierten. Zudem
63
wurde mit dem Aufbau einer Kriegsflotte begonnen, die Reich
und Handel schützen sollte. Denn die auswärtigen Mächte,
insbesondere der schwedische Erzrivale, strebten ebenfalls
nach Machterweiterung durch Zugriff auf den Handel und
dessen Umschlagplätze. Vor allem der profitable Baltikum-
und Rußlandhandel zog die Begehrlichkeit an. Die russischen
Rohstoffe waren für die Kaufleute und Reeder in den großen
westeuropäischen Seehandelsstädten, insbesondere den engli-
schen und niederländischen, seit dem frühen 17. Jahrhundert
von allergrößter Bedeutung. Das spiegelt sich in den rasant
angewachsenen Sundpassagen niederländischer Schiffe, aber
auch darin, daß englische Seefahrer, um Konflikten in der
Ostsee aus dem Weg zu gehen, eine andere Route zum russi-
schen Markt suchten und fanden, nämlich die zum Weißen
Meer nach Archangelsk. Die alten Hansestädte an der balti-
schen Küste erstrahlten angesichts der blühenden Handels-
konjunktur in neuem Glanz, allen voran Riga, die Metropole
an der Dünamündung, aber auch Danzig, der Hauptverschif-
fungshafen von polnischem Getreide.
Die Kontrolle über die Ostseezugänge war für Dänemark
wie schon zu Zeiten hansischer Vormachtstellung auch in
der frühen Neuzeit ein zweischneidiges Schwert. Zum einen
garantierte sie in Form der dort von den Schiffen und deren
Ladung erhobenen Zollabgaben die bedeutendste Einnahme-
quelle für die Krone und zudem nicht zu unterschätzende
Verhandlungsoptionen in Konfliktlagen. Zum anderen aber
war sie auch stets Anlaß ausländischer Intervention. Im letz-
ten Drittel des 16. Jahrhunderts kam das unverkennbare Stre-
ben der Krone Schweden nach einem ungehinderten Zugang
zur Westsee und Territoriengewinn zu Lasten Dänemarks hin-
zu. Denn für die aufstrebende schwedische Wirtschaftsmacht
war die Umzingelung durch Dänemark und die Abschnürung
von den Seehandelsrouten ein ständiges Ärgernis: Im Westen
lag außer dem dänischen Kernland (mit den südschwedischen
Besitzungen Halland, Schonen und Blekinge) als riesiges Boll-
werk das dänische Norwegen, zu dem seinerzeit noch die
Provinz Bohuslen gehörte, die bis zur Mündung des Götaflus-
64
ses hinunterreichte. Im Osten kontrollierte die Krone Däne-
mark durch ihre Inselbesitzungen (Bornholm, Gotland, Ösel)
die Ostseefahrwasser. Schweden hatte allein an der Mündung
des Götaflusses einen Zipfel Land, über den ein mehr oder
weniger ungehinderter Zugang zur Westsee möglich war. So
recht entwickeln konnte sich hier ein Umschlaghafen jedoch
nicht, denn durch die ständige Bedrohung durch die Dänen
und wiederholte Feldzüge wurden schwedische Versuche einer
Stadtgründung lange im Keim erstickt. Erst zu Beginn des
17. Jahrhunderts sollte durch die kraftvolle Politik Gustav
Adolfs eine dauerhafte Stadtanlage möglich werden: das nicht
zuletzt dank holländischer und schottischer Siedler schnell
wachsende Göteborg.
Noch etwas beunruhigte die Schweden: Frederik II. machte
keinen Hehl daraus, daß die Wiedererrichtung der Union für
ihn ein politisches Ziel darstellte und er seinen schwedischen
Kollegen Erik XIV., der 1560 seinem Vater Gustav Wasa auf
dem Thron nachfolgte, als bäuerischen Usurpator ohne stan-
desgemäße Herrschaftslegitimation betrachtete. Erik seiner-
seits sah Frederik als deutschen Thronräuber an. Die relative
Stabilität des bilateralen Verhältnisses, das unter Christian III.
und Gustav Wasa zu beider Nutzen zustande gekommen war,
schien in Frage gestellt. Hinzu kam, daß Erik XIV. durch sei-
ne Eigensinnigkeit (er sollte 1569 von seinem jüngeren Bruder
Johan wegen vorgeblicher geistiger Umnachtung abgesetzt
werden) die Lage nicht vereinfachte.
Doch den Auslöser für neuerliche militärische Auseinander-
setzungen zwischen den beiden skandinavischen Rivalen bil-
dete eine Entwicklung am anderen Ende der Ostsee: das Aus-
greifen Ivans IV. nach Westen mit dem offensichtlichen
Bestreben, Livland unter die Zarenkrone zu bringen. Der
aufgeschreckte Rat der Stadt Reval hatte noch zu Lebzeiten
Christians III. die Unterwerfung der Stadt unter die dänische
Krone angeboten, doch der Däne hatte zur Vermeidung un-
wägbarer militärischer Verwicklungen keine eindeutige Stel-
lungnahme abgegeben. Seinem in dieser Hinsicht risikofreudi-
geren Sohn und Nachfolger kam indes Erik XIV. 1561 durch
65
den schwedischen Einmarsch in Reval und Teilen Estlands
zuvor, den der Rat der Stadt Reval und die Ritterschaft
von Harrien und Wierland durch Huldigung sanktionierten.
Damit waren Dänemarks Pläne vorerst durchkreuzt, im Balti-
kum die Herrschaft über Ösel hinaus zu erweitern. Dies trug
wesentlich zur Hebung der Kriegsstimmung nicht nur bei
Frederik, sondern auch bei den um ihn gescharten führenden
dänischen Adelskreisen bei, zumal deren Selbstsicherheit
durch die Eroberung Dithmarschens 1559 einen starken Auf-
trieb bekommen hatte.
Doch das Werben eines großen Landsknechteheeres konnte
den Schweden nicht verborgen bleiben, und vermutlich erfuh-
ren sie auch von den gegen sie gerichteten Absprachen Däne-
marks mit Lübeck und Polen-Litauen. Lübeck glaubte, sein
altes Spiel mit den beiden skandinavischen Reichen noch ein-
mal erfolgreich wiederholen zu können, um verlorengegange-
nen politischen Einfluß und wirtschaftliche Macht zurückzu-
gewinnen. Polen-Litauen war Konkurrent Schwedens bei der
Aneignung der Konkursmasse des Livländischen Ordens.
Doch Schweden ergriff im Mai 1563 die Initiative, indem
ohne Kriegserklärung eine vor Bornholm liegende dänische
Flotte angegriffen und teilweise versenkt wurde. Schon hier
zeichnete sich die Überlegenheit der Schweden zur See ab. An-
dererseits waren die Dänen dank ihres kriegserprobten Söld-
nerheeres zu Lande überlegen und führten im Süden und
Westen des Nachbarreiches Verheerungsfeldzüge durch, ohne
allerdings eine Entscheidung herbeiführen zu können. Die
Leidtragenden waren in erster Linie die Bauern. Tausende von
Höfen wurden geplündert und in Asche gelegt. Doch auch den
Schweden gelangen Verheerungszüge in die dänischen Provin-
zen Halland, Blekinge und Schonen sowie nach Norwegen.
Dieser Krieg belastete die Finanzen der Krone so stark, daß
Frederik sich gezwungen sah, Geld beim Adel und bei seiner
deutschen Verwandtschaft zu leihen. Er griff in seiner Not so-
gar zum Mittel der Münzverschlechterung. Der Staatsbank-
rott konnte schließlich nur dadurch abgewendet werden,
daß Frederik sich herabließ, den von seinem Vater verstoße-
66
nen Juristen und Finanzpolitiker Peder Oxe als Ratgeber aus
dem Exil zurückzurufen. Oxe ordnete das Steuerwesen neu,
belastete Adel und Bauern dabei mit Sondersteuern und über-
zeugte Frederik 1566 schließlich, die im Jahr zuvor verhängte
Sundsperre aufzuheben. Gerade dieser Eingriff in die Schiff-
fahrt zwischen Nord- und Ostsee hatte nicht nur eine Haupt-
einnahmequelle der Krone zum Versiegen gebracht. Er hatte
auch die Gefahr des Eingreifens der Holländer in den Konflikt
zuungunsten Dänemarks heraufbeschworen. Denn der Han-
del mit Polen und dem Baltikum war der Lebensnerv der Nie-
derlande, und jede Behinderung der schwerbeladenen Getrei-
deschiffe ließ in den niederländischen Städten die Lebensmit-
telpreise in die Höhe schnellen. So auch im Jahr 1565/66, als
die Getreidekrise durch den sich zuspitzenden Konflikt mit
Spanien noch verschärft wurde.
Mit der Wiederöffnung des Sundes zeigte sich sogleich auch
der finanzielle Nutzen der bereits 1548/49 geänderten Art der
Zollveranlagung, die sich nun nicht mehr pauschal nach den
Schiffen, sondern nach dem Wert der geladenen Waren richte-
te. Die Einkünfte aus dem Sundzoll konnten schon innerhalb
eines Jahres um das Dreifache gesteigert werden und betrugen
1567 rund 132 000 Taler. Mit dieser Finanzspritze wurden
neue Landsknechte geworben, die Krieg und Verwüstung un-
ter Führung Daniel Rantzaus noch einmal tief in die südlichen
schwedischen Landschaften hineintrugen. Doch in die mittel-
schwedischen Kernlandschaften drangen auch sie nicht vor, so
daß sich die Kriegführung wieder auf Brandschatzungen in
der Peripherie der beiden Reiche beschränkte. Schließlich wa-
ren die beiden Parteien so erschöpft, daß 1570 in Stettin ein
Friede vereinbart wurde, der keiner Seite irgendeinen mate-
riellen Gewinn brachte. Der schwedische König konnte aller-
dings erreichen, daß sein dänischer Kollege den Anspruch auf
die schwedische Krone aufgab. Damit war deutlich geworden,
daß die Idee des skandinavischen Unionskönigtums endgültig
der Vergangenheit angehörte.
Der Krieg hatte Dänemark zwar die gewaltige Summe von
fünf Millionen Talern gekostet, doch stand an seinem Ende
67
die Krone keineswegs verarmt da, wie es bei früheren Kriegen
der Fall gewesen war. Denn die von Peder Oxe herbeigeführ-
ten Änderungen in der Finanz- und Staatsverwaltung zahlten
sich nun aus. Ein in diesem Zusammenhang bedeutender Ein-
griff war die Umstellung der Lehnsverfassung. Dabei wurde
zum einen die Zahl der Lehnsgüter (Domänen) durch Zu-
sammenlegungen reduziert. Zum anderen ging die Krone da-
zu über, sie nicht mehr durch von der Krone entlohnte Ver-
walter oder Lehnsmänner bewirtschaften zu lassen, sondern
sie gegen einen bestimmten Zins an Adlige zu verpachten.
Dadurch wurde das wirtschaftliche Risiko auf die Pächter ab-
gewälzt, während die Krone mit dem festen Zins rechnen
konnte. Hatten im 14. Jahrhundert ähnliche Maßnahmen der
Lehnsverpachtung die Krone entscheidend geschwächt, dien-
ten sie nun der Stabilisierung der Königsmacht. Daß es so
war, hing nicht unwesentlich damit zusammen, daß der König
unbestrittener Eigentümer der Güter blieb.
Den Preis des Krieges aber zahlten wieder einmal in der
Hauptsache die dänischen Bauern. Im östlichen Reichsteil,
insbesondere in Schonen und Blekinge, waren unzählige Höfe
durch schwedische Vergeltungszüge zerstört worden. Die als
außerordentlich für die Dauer des Krieges proklamierten Ab-
gaben der Bauern wurden mit Zustimmung des Adels in stän-
dige umgewandelt. Der große Steuer- bzw. Zinsdruck trieb
sowohl die Frei- als auch die Adelsbauern in immer stärkerem
Maße in den „Schutz“ entweder der Krone oder des adligen
Gutsbesitzers. Hinzu kam, daß die Arbeits- und Spanndienste
in einem Umfang verschärft wurden, daß die eigene Bauern-
stelle kaum noch rentabel bewirtschaftet werden konnte. Aus
Pachtbauern wurden dann durch Einziehen des Landes in
Gutswirtschaften landlose Häusler.
Das machtpolitische Kräfteverhältnis im Norden wurde
dann endgültig durch den Dreißigjährigen Krieg vollständig
umgekehrt. Durch die Bedrängnis, in die die norddeutschen
protestantischen Fürsten nach den Vorstößen Tillys und Wal-
lensteins geraten waren, sahen sich die beiden Könige des
Nordens veranlaßt, in das Kriegsgeschehen einzugreifen. Zu-
68
erst tat dies Christian IV. in seiner Eigenschaft als Oberst des
Niedersächsischen Kreises. Aber sein Versuch, die kaiserlichen
Truppen zurückzuwerfen, scheiterte 1626 in der vernichten-
den Niederlage bei Lutter am Barenberge (im nördlichen
Harzvorland). Sie zog den Eroberungs- und Verheerungszug
der Kaiserlichen bis weit nach Jütland nach sich. Mit dem
Frieden von Lübeck 1629 verabschiedete sich Dänemark von
der deutschen Kriegsbühne. Dafür trat Schweden auf den
Plan, dessen Erfolge auf dem Kontinent Dänemarks Stellung
im Norden ins Wanken brachten. Christian IV. sah sich nun-
mehr von zwei Seiten bedroht: von den Kaiserlichen und von
den Schweden. Letztere glaubte er durch Behinderung ihrer
Schiffahrt durch den Öresund wirtschaftlich schädigen und
durch ein intrigantes Spiel hinter den Kulissen isolieren zu
können. Deshalb nutzte Schweden ab 1643 seine militärische
Macht, um den alten Rivalen in einer Reihe erfolgreicher
Schlachten in die Knie zu zwingen. 1645, im Frieden von
Brömsebro, gingen die Inseln Gotland und Ösel, die norwegi-
schen Provinzen Jämtland und Härjedalen sowie Halland (für
30 Jahre verpfändet) verloren. Was in Dänemarks Lage ver-
schlimmernd hinzukam, war, daß Schweden sich drei Jahre
später in den Friedensschlüssen von Münster und Osnabrück
einige norddeutsche Territorien sichern konnte (Vorpommern,
Wismar, Bremen und Verden), von denen aus es eine perma-
nente militärische Bedrohung für Dänemark darstellte und
dessen Revanchismus im Zaum halten konnte. Dieser war in
den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts nach der inne-
ren Neuordnung der Monarchie wieder deutlich vernehmbar.
Die dänischen Ambitionen richteten sich dabei zusätzlich auf
das reiche Hamburg, das als zur dänischen Krone gehörig
proklamiert und als eine Art Ersatz für die Landverluste in
Südschweden betrachtet wurde. Die Versuche, die Hansestadt
in Besitz zu nehmen, gipfelten 1688 in der monatelangen Be-
lagerung der Stadt, die aber letzten Endes erfolglos blieb.
69
VII. Absolutismus. Der neue Staat
Nach dem Tod Christians IV. ging die Macht nicht unmittelbar
auf seinen Sohn über, sondern fiel an den Reichsrat, denn Dä-
nemark war – trotz Christians protoabsolutistischen Allein-
herrschaftsanspruchs – formell noch immer ein Wahlreich. Es
konnte in der Wahlversammlung für die Vertreter des Adels,
der Geistlichkeit und der Bürger der Kauf Städte (den Bauern-
stand vergaß man einzuladen) keinen Zweifel geben, daß allein
Christians noch einziger lebender legitimer Sohn Frederik,
Fürstbischof von Bremen, als Kandidat in Frage käme. Doch
machte der hochadelige Reichsrat seine Zustimmung von der
Annahme einer neuen Handfeste abhängig, die im Vergleich
mit der Handfeste Christians IV. eine erhebliche Erweiterung
seiner Machtbefugnisse vorsah. Die Position des Reichsrates
als die politische Vertretung des Hochadels wurde in ihr über-
aus deutlich hervorgehoben und zugleich festgestellt, daß der
König ohne Zustimmung des – meist 23köpfigen – Reichsrates
keinen Krieg erklären oder Steuern ausschreiben dürfe. Außer-
dem ließ sich der Adel bei dieser Gelegenheit seine wirtschaft-
lichen Vorrechte ausweiten. Kurzum: alle wichtigen wirtschaft-
lichen und politisch-rechtlichen Fragen wurden an die Zustim-
mung des Reichsrates und der von ihm besetzten Reichsämter
gebunden. Die Krone und der Nichtadel mußten sich einmal
mehr der Macht der Magnaten beugen, deren Regime deutlich
oligarchische Tendenzen zeigte. Dies mußte zwangsläufig zu
Spannungen nicht nur mit den Bürgern, sondern auch dem nie-
deren Adel führen, die beide die Wahlbedingungen notgedrun-
gen akzeptieren und schriftlich bestätigen mußten. Die politi-
sche Sprengkraft der Handfeste von 1648 sollte sich bereits
zehn Jahre später, 1658/60, in einer existentiellen Krise des
Staates zeigen, die von den Magnaten erst heraufbeschworen
und dann nicht gemeistert wurde.
Die politische Entwicklung in Dänemark lag durchaus im
Trend der Zeit. Wie hier standen in der Mitte des 17. Jahr-
hunderts vielerorts in Europa die Monarchen auf scheinbar
70
schwachen Füßen. In England ließ Oliver Cromwell den Kö-
nig sogar köpfen und die Republik einführen, und auch in den
Niederlanden wurden die Oranier zeitweilig vom Thron ver-
trieben. Selbst in Frankreich war die Krone durch den Auf-
stand der sogenannten Fronde in Gefahr geraten. Doch aus
dieser Krise sollten die Monarchien letztlich gestärkt hervor-
gehen. Denn die gesellschaftlich und politisch aufstrebenden,
gegen den Hochadel gerichteten Kräfte sammelten sich um
die Krone und verhalfen ihr noch im selben Jahrhundert zu
neuer und bisher nicht gekannter Machtfülle, die – seit der
Französischen Revolution – die Bezeichnung Absolutismus
erhielt. In Dänemark wurde diese absolute Stellung des
Königs sogar als erstem Land verfassungsrechtlich verankert.
Dabei sah es 1648 noch nicht danach aus, daß Frederik III.
Schritt für Schritt binnen weniger Jahre die Machtverhältnisse
zu seinen Gunsten würde umkehren können. Einen ersten Er-
folg konnte er bereits 1650 verbuchen, als im königlichen Teil
der Herzogtümer das Erstgeborenenrecht bei der Erbfolge ein-
geführt wurde. Damit war diese Nachfolgeregelung praktisch
auch in ganz Dänemark gültig, denn sonst wäre – bei einer
abweichenden Erbfolgewahl – logischerweise die Bindung
zwischen Herzogtümern und Dänemark in Gefahr geraten.
Des weiteren kam ihm die Inkompetenz des Reichsrates
zugute. Dieser zeigte sich den verwaltungstechnischen und
finanzpolitischen Herausforderungen der Zeit nicht gewach-
sen. Dringend nötige Reformen, durch die Dänemark mit den
anderen europäischen Volkswirtschaften, insbesondere auch
dem Konkurrenten Schweden, hätte Schritt halten kön-
nen, wurden aufgeschoben. Ständischer Machterhalt war die
Handlungsmaxime des Reichsrates. Der Stillstand in der Dä-
nischen Kanzlei, dem politischen Verwaltungszentrum, war
symptomatisch dafür, wie der Administration die Aufgaben
über den Kopf wuchsen. Die adligen Kanzleisekretäre waren
in jeder Hinsicht hoffnungslos überfordert. Eine Modernisie-
rung’ der Staatsverwaltung ohne adlige Vorrechte war un-
ausweichlich. Nicht zuletzt auch durch die sich verschärfende
Finanzkrise verlor der Reichsrat mehr und mehr an Rückhalt.
71
Die militärischen Konflikte hatten viel Geld gekostet, und
immer öfter mußten die staatlichen Einnahmen durch die Er-
hebung von Sondersteuern aufgebessert werden. Diese wur-
den vom Reichsrat beschlossen, der davon aber nicht ge-
troffen wurde, da der Adel weiterhin das Privileg der Steuer-
freiheit genoß. Somit waren es wieder die nichtprivilegierten
Bevölkerungsschichten, die diese finanziellen Lasten zu tragen
hatten. Insgesamt muß man mit einer Zunahme der Steuern
um 550 Prozent in der ersten Jahrhunderthälfte rechnen, ohne
daß die zunehmende Verschuldung der Krone eingedämmt
werden konnte. Die Ausgaben des Staates für den Hof und
das Militär betrugen zeitweise das Doppelte der regulären
Einnahmen. Die Krone geriet dabei immer stärker in die
Schuldnerschaft bürgerlicher Krediteure, überwiegend Groß-
kaufleute der Hauptstadt, die ein Viertel der gesamten Staats-
schuld von rund 5 Millionen Reichstalern bei sich verbuchen
konnten. Auch die Verschuldung bei niederländischen und
deutschen Kaufleuten und Finanziers war astronomisch hoch.
Die Staatskrise erreichte ihren Höhepunkt in einem neuer-
lichen Revanchekrieg mit Schweden, in dem Dänemark ab
1657 schwerste Verluste erlitt. Frederik III. und die führenden
Reichsräte hatten angesichts der militärischen Verwicklungen
Schwedens in Polen die Stunde für günstig gehalten, die 1645
verlorenen Gebiete zurückzugewinnen. Ermuntert wurden die
Dänen von den Niederländern, die über die hohe Zollbela-
stung ihres Handels mit Danzig durch die Schweden verärgert
waren. Auch andere Staaten, die sich über die zunehmende
schwedische Dominanz im Ostseeraum sorgten, signalisierten
ihr Einverständnis. Doch noch bevor der dänische Aufmarsch
richtig in Gang gekommen war, zog sich der schwedische Kö-
nig Karl X. Gustav überraschend aus Polen zurück und warf
seine kriegserfahrene und gut organisierte Militärmaschinerie
gegen Dänemark, dessen Festlandterritorien bereits im Herbst
1657 in schwedischer Hand waren. Den Schweden kam neben
eigenem strategischen Geschick und dänischem Unvermögen
ein überaus strenger Winter zu Hilfe. In einem wagemutigen
Unternehmen setzte Karl Gustav im Januar/Februar 1658 mit
72
seinen Truppen über die zugefrorenen Belte nach Fünen, Lol-
land und Seeland über und stand schon bald vor der dänischen
Hauptstadt. Hilfe von außen konnten die Dänen angesichts
der zugefrorenen Gewässer nicht erwarten. Um zu retten, was
noch zu retten war, willigte Frederik Ende Februar 1658 in
Roskilde überhastet in ein Friedensangebot (sog. Panikfrieden
von Roskilde) ein, durch das die letzten dänischen Besitzun-
gen jenseits des Sundes, immerhin ein Drittel Dänemarks, an
Schweden verlorengingen, nämlich Schonen, Blekinge, Hall-
land und das norwegische Bohuslen sowie – zeitweilig – Born-
holm und das Tröndelag (Trondheim). Ein halbes Jahr später
flackerte der Krieg aber wieder auf, weil der schwedische
Kriegskönig die vermeintliche Schwäche der Dänen nutzen
wollte, um das Land endgültig in ein Vasallenverhältnis her-
abzudrücken. Doch die Truppen Karl Gustavs schafften es
trotz anderthalbjähriger Belagerung nicht, das inzwischen zur
Festung ausgebaute Kopenhagen zu erobern. Außerdem er-
hielt Dänemark diesmal militärische Hilfe von den Nieder-
landen und Brandenburg. Als dann im Februar 1660 der
schwedische König überraschend starb, zeigte sich angesichts
der mittlerweile prekären militärischen Lage und des politi-
schen Drucks der Großmächte die adelige Vormundschaftsre-
gierung des minderjährigen Karl XI. zu neuerlichem Friedens-
schluß bereit. Dank Frankreichs Intervention konnten die
Schweden den territorialen Zugewinn von 1658 sichern,
allein Bornholm und das Tröndelag fielen an Dänemark zu-
rück.
Dieser dreijährige Krieg mit Schweden endete für Däne-
mark weitaus katastrophaler als alle früheren Kriege. Nicht
nur der Verlust uralter dänischer Landschaften jenseits des
Öresunds war zu beklagen, auch auf Seeland und in Jütland
gab es durch die Züge erst der schwedischen, dann der
niederländischen und brandenburgischen Truppen enorme
materielle Verluste. Regionale Untersuchungen deuten auf die
Zerstörung jedes dritten Bauernhofes hin, die Bevölkerungs-
einbußen lagen bei 20 Prozent im Landesdurchschnitt. Auch
finanziell lag der Staat am Boden.
73
In dieser Situation berief Frederik III. im September 1660
die Stände (Adel, Geistlichkeit und Bürger) nach Kopenhagen,
um über die Lösung der Staatsschuld zu beraten. Es war seit
langem das erste Mal, daß alle Stände zusammenkamen, denn
seit Generationen hatte der hochadlige Reichsrat quasi ge-
wohnheitsrechtlich die ständischen Rechte allein wahrge-
nommen und dergleichen Ständeversammlungen verhindert.
Die Bürger der Hauptstadt, auf deren entschiedene und auf-
opferungsvolle Haltung bei der Belagerung Kopenhagens es
wesentlich zurückzuführen war, daß es die dänische Monar-
chie überhaupt noch gab, erkannten nun die Chance, die Pri-
vilegien des durch den Krieg diskreditierten Adels zu beseiti-
gen. Deutlich unterstützt wurden sie von der Geistlichkeit, die
seit langem für die Stärkung der Königsmacht eintrat. Die
Position des Adels war zum einen dadurch geschwächt, daß
Teile von ihm, die über Besitzungen in Schonen verfügten,
durch Paktieren mit den Schweden diskreditiert waren;
zum anderen dadurch, daß der Adel durch die seit Jahrzehn-
ten anhaltende Krise in der Landwirtschaft wirtschaftlich ge-
schwächt und – mehr noch als die Krone – bei bürgerlichen
Darlehensgebern verschuldet war.
Noch während der Belagerung hatte das Kopenhagener
Bürgertum gegen die Gewährung weiterer Kredite von Fre-
derik das Versprechen erhalten, hinsichtlich des Erwerbs von
privilegiertem Grundeigentum (einschließlich den dazugehö-
rigen adligen Freiheiten) und beim Zugang zu staatlichen Äm-
tern mit dem Adel gleichgestellt zu werden. Den Bürgern ging
es, was die Finanzen betrifft, in der Ständeversammlung nicht
so sehr darum, ebenfalls von den Steuern befreit zu werden,
als vielmehr darum, daß die adlige Steuerbefreiung aufgeho-
ben würde. Da der Adel in dieser Frage hartnäckig auf seinen
überkommenen Rechten beharrte, wurde der König gewis-
sermaßen als Schiedsrichter angerufen. Die Steuerreformpläne
von Bürgertum und Geistlichkeit, der Kern der Reichstagsde-
batten im September 1660, liefen darauf hinaus, daß eine all-
gemeine, im wesentlichen auf den Landbesitz zugeschnittene
Besteuerung eingeführt werden sollte. Die Verringerung der
74
Staatsschuld sollte durch Verkauf und Verpachtung von Kron-
land – auch und vor allem an Nichtadlige – erreicht werden.
Auch wünschten die Bürger die Wahlen zum Reichstag unab-
hängig von Standesbeschränkungen. Den König vermochten
Priesterstand und Bürgervertretung letztlich mit einer gemein-
samen Resolution „Über eine Erbregierung“ auf ihre Seite zu
bringen: Frederik sollte nicht nur allein über die strittige Steu-
erfrage entscheiden können, sondern dem König sollte auch
die Erblichkeit der Krone zufallen. Damit wären die zwei we-
sentlichen Grundpfeiler des Ratskonstitutionalismus beseitigt:
Steuerbewilligungs- und Königswahlrecht. Es war gewisser-
maßen ein Staatsstreich, der sich hier anbahnte, denn die zur
Zustimmung zur Resolution aufgerufene Adelsversammlung
wurde massiv unter Druck gesetzt, u.a. indem die Stadttore
geschlossen und zusätzliche Wachen aufgestellt wurden, da-
mit sich keiner der Magnaten der Abstimmung entziehen
konnte. Am 13. Oktober 1660 brach der Widerstand des
Adels zusammen. Frederik erhielt dessen Zustimmung zur
Erblichkeit der Krone sowohl für seine männlichen als auch
seine weiblichen Nachkommen. Hinsichtlich der Steuerfrage
willigte der Adel in die Berufung eines paritätisch besetzten
Ständeausschusses ein, der darüber im einzelnen beraten und
dem König Vorschläge zur Entscheidung unterbreiten sollte.
Damit war – gerade auch aufgrund der weiterhin bestehenden
Unversöhnlichkeit im Ausschuß – der König faktisch von al-
len Parteien als oberste Entscheidungsinstanz anerkannt, noch
bevor dessen Alleinherrschaft (dän. Enevælde) staatsrechtlich
verankert wurde. Denn natürlich legte Frederik die ihm von
den Ständen übertragenen Befugnisse zu seinen Gunsten aus.
Als erstes wurde von ihm noch im Oktober die Handfeste von
1648 kassiert. Unmittelbar darauf ließ er sich von allen Stän-
devertretern öffentlich vor dem Schloß die Erbhuldigung ent-
gegenbringen. Dabei wurde auch der auf dem Reichstag nicht
vertretene Bauernstand einbezogen, indem kurzerhand einige
Bauern aus der Umgebung herbeigebracht wurden, die für
den gesamten Bauernstand den Treueeid ablegen mußten. Die
gänzliche Entmachtung des Reichsrates und dessen Ende mar-
75
kierte die Verfrachtung seines Archivs ins königliche Schloß.
Den Schlußpunkt hinter den Umwälzungsprozeß setzte Fre-
derik am 10. Januar 1661 mit der Erb- und Alleinherrschafts-
akte, die er von allen Ständevertretern unterzeichnen ließ. In
ihr wurden protokollartig die Ereignisse des Herbstes 1660
zusammengefaßt und festgehalten, daß wegen der „Inkonve-
nienzen“ die Stände dem König die Erblichkeit der Krone über-
tragen und das Wahlrecht aufgegeben hätten. Wie sehr sich
die Machtverhältnisse inzwischen zugunsten der Krone ver-
lagert hatten und wie zielstrebig Frederik die staatsrechtliche
Legitimierung seiner Alleinherrschaft voranbringen konnte,
kommt darin zum Ausdruck, daß er sich in der Akte mehr
abzeichnen ließ, als tatsächlich stattgefunden hatte: Die Stände
hätten ihm nämlich außer dem Erbrecht „alle Iura Majestatis,
absolute Regierung und alle Regalien“ übertragen. Somit war
Frederik legaliter, in Form eines Herrschaftsvertrages, in den
Besitz der absoluten Regierungsmacht gelangt, wobei die
rechtsphilosophische Anlehnung an Thomas Hobbes ins Auge
fällt. Allerdings hat die dänische lutherische Orthodoxie diese
naturrechtliche Begründung der absoluten Königsherrschaft
später in eine theokratische umgewandelt.
Ihre verfassungsrechtliche Grundlage erhielt die neue Re-
gierungsform fünf Jahre später im November 1665 durch das
Königsgesetz, die Lex Regia, das fast 200 Jahre, bis 1849, das
dänische Staatsgrundgesetz bleiben sollte. Die Lex Regia stellt
im Kontext der europäischen Verfassungsgeschichte ein Uni-
kat dar, indem der königliche Absolutismus nur hier grundge-
setzlich festgeschrieben wurde. Das „vollkommen unerschüt-
terliche und unwidersprechliche ... auf ewige Zeit“ gültige
Königsgesetz, das im übrigen erst 1709 vollständig veröffent-
licht wurde, regelte in großer Ausführlichkeit die Erbfolge
und legte die evangelisch-lutherische Konfession als alleinige
des Monarchen und des Reiches fest. Der König erhielt die
uneingeschränkte legislative Gewalt, das Recht, Krieg zu füh-
ren und Bündnisse zu schließen, Steuern und Zölle zu erheben
sowie die Behörden des Reiches personell nach Gutdünken
zu besetzen. Obwohl durch Herrschaftsvertrag zustande ge-
76
kommen, sollte es kein Aufkündigungrecht dieses Vertrages
geben.
Nach dem „vertragsförmigen Staatsstreich“, wie die Ereig-
nisse in der Geschichtsschreibung genannt wurden, begann die
Modernisierung’ des dänischen Staates. Bereits im Sommer
1661 wurden neue Ständeprivilegien erlassen, die zwar die be-
stehenden Besitzverhältnisse auf dem Land bestätigten, jedoch
die Steuerfreiheit des Adels beseitigten und dem Bürgertum den
Zugang zu Grundbesitz und allen Beamtenstellen öffneten.
Generell wurde nun jeglicher Grundbesitz besteuert, wozu in
den folgenden Jahren Steuermatrikel, die das ganze Königreich
umfaßten, erstellt wurden. Die Schulden des Staates verringerte
die Krone in kürzester Zeit durch die Veräußerung von Kron-
land (zu überhöhten Preisen) an ihre bürgerlichen Kreditoren,
wodurch sie zwar rund 40 Prozent ihres Grundbesitzes verlor,
zugleich aber auch wieder kreditwürdig wurde.
Mit den finanzpolitischen Veränderungen gingen grund-
legende Reformen in der Staatsverwaltung sowohl auf zentra-
ler wie regionaler Ebene einher. Das Aufbrechen des adligen
Stellenmonopols führte zu einer fachlichen anstelle der per-
sonal-territorialen Geschäftseinteilung. Nach schwedischem
Vorbild wurden fünf Kollegien als oberste Reichsbehörden ge-
schaffen, die über einen Geheimen Rat mit dem König ver-
bunden waren. Nach deutschem Vorbild wiederum wurde das
Königreich in Ämter gegliedert, die an die Stelle der älteren
Lehnsverfassung traten. Zwar konnte sich der Adel überwie-
gend die herausgehobene Stellung in diesen Ämtern sichern,
nämlich die des sogenannten Amtmannes, doch die faktische
Verwaltung der Ämter lag in den Händen des bürgerlichen
Amtsschreibers und seiner Unterbeamten, die der Zentral-
regierung in Kopenhagen direkt zugeordnet waren.
Wirkten bei der ‚Modernisierung’ von Verwaltung und Re-
gierung andere Staaten als Vorbilder, so gewannen dänische
Reformen auf dem Gebiet des Rechtswesens Vorbildcharakter,
namentlich für Preußen, Schweden und Rußland, ja es wurde
sogar als ein Modell für die Gesetzgebung in der absolutisti-
schen Epoche bezeichnet. Diese Rechtsreform begann mit der
77
Einrichtung des Obersten Gerichts (dän. Højesteret), das an
die Stelle des Recht sprechenden Herrentags (Reichsrat und
Adelsvertreter) trat, und wurde 1683 abgeschlossen mit der
Verabschiedung eines neuen Gesetzbuches, des „Danske Lov“
(Dänisches Recht), das die Gesetze an die neuen politischen
Gegebenheiten anpaßte, indem es die bestehende Gesetzge-
bung zusammenfaßte, systematisierte und vereinheitlichte.
Die überkommene regionale, lokale und patrimoniale Ge-
richtsbarkeit blieb bestehen, wurde allerdings ebenfalls syste-
matisiert und vereinheitlicht.
Die gesellschaftlichen Verhältnisse auf dem Land wurden
von den absolutistischen Reformen nicht berührt. Die Abhän-
gigkeit der Bauern von den Grundherren wurde im Gegenteil
stabilisiert, indem die meisten gutsherrlichen Privilegien ga-
rantiert wurden. Die Krone war aus zwei Gründen an einer
starken Gutsherrenschicht interessiert: sozial als Ordnungs-
faktor und wirtschaftlich als Getreideproduzent. Die Entwick-
lung der Gutsherrschaft nahm denn auch in den folgenden
Jahrzehnten schärfere Formen an, insbesondere durch eine
Steigerung der bäuerlichen Fronarbeit.
Ein weiteres Charakteristikum der absoluten Königsherr-
schaft war die Neuordnung des Militärwesens und dessen
zentrale und gleichsam überdimensionale Stellung im Staat. In
Friedenszeiten mußte dafür rund die Hälfte der Staatsausga-
ben aufgebracht werden, in Kriegszeiten flossen sogar rund
vier Fünftel des Staatshaushaltes ans Militär. Um 1690 kam
auf 50 Einwohner ein Soldat, rund zehn Jahre später standen
diesen 50 Einwohnern bereits zwei Soldaten gegenüber. Damit
war die dänisch-norwegische Monarchie einer der am stärk-
sten militarisierten Staaten Europas. Der König verfügte jetzt
über ein bedeutendes stehendes, professionell ausgebildetes
Heer, das bei den Offizieren zu etwa zwei Dritteln aus Deut-
schen bestand. Das adlige Reiteraufgebot war abgeschafft,
statt dessen mußte der Adel aus den Erträgen seiner Güter
zum Unterhalt der neuen Berufsreiterei beitragen. Auch die
Bauern wurden belastet, indem fünf Durchschnittshöfe einen
Soldaten zu stellen hatten, der – neben seinem Hofdienst –
78
regelmäßig an sonntäglichen Exerzitien und Übungen teil-
nehmen mußte. Diese Bauernmiliz wurde gewissermaßen das
Rückgrat der dänischen Landesverteidigung. Dazu wurde eine
umfassende Militärverwaltung aufgebaut, deren wichtigste
Funktionsträger auf lokaler bzw. regionaler Ebene die Kriegs-
kommissare waren.
Zwei Motive standen für den Unterhalt einer solch kostspie-
ligen Militärmacht im Vordergrund: zum einen die innere
Sicherheit, d.h. die Sicherung der absoluten Königsmacht.
Denn zumindest in der ersten Zeit des Absolutismus fürchtete
der König noch ein Aufbegehren des entmachteten Adels. Zum
anderen stand weiterhin die Rückeroberung der südschwedi-
schen Provinzen auf der politischen Agenda der Krone. Objek-
tiv betrachtet verlangte auch die sicherheitspolitische Lage der
Monarchie eine starke militärische Stellung. Durch den Verlust
Südschwedens war das wirtschaftliche und politische Zentrum
Kopenhagen an die Peripherie des Reiches gerückt und damit
verwundbar geworden. In die Sicherung der Hauptstadt wurde
deshalb besonders investiert. In einem Zeitalter, in dem die
Macht zur See eine Rolle wie nie zuvor spielte, wollte auch Dä-
nemark nicht zurückstehen, und angesichts der langen Küsten-
linien – insbesondere in Norwegen – und der unzähligen Inseln,
auf denen der Danebrog wehte, konnte es dies auch gar nicht.
Deshalb spielte der – teure – Ausbau der Kriegsflotte eine be-
sondere Rolle. Ihre Bewährungsprobe bestand sie erfolgreich in
einem weiteren Revanchekrieg mit Schweden 1675–78, dem
sogenannten Schonischen Krieg, als sie im Juni 1676 vor Öland
und im Juli 1677 in der Bucht von Koge die zahlenmäßig über-
legene schwedische Flotte zweimal besiegte. Trotz der Seeherr-
schaft konnte das Kriegsziel aber nicht erreicht werden, da sich
das dänische Heer in Südschweden nicht entscheidend durch-
setzen konnte, obwohl es von der Bevölkerung als Befreier be-
grüßt und durch Freischärler unterstützt wurde. Der Krieg
endete für Dänemark politisch mit dem status quo ante, für die
dänische Bevölkerung der südschwedischen Provinzen mit
einer rigorosen Schwedifizierung, die für viele die Vertreibung
von den Gütern und Höfen bedeutete, die schwedischen Mili-
79
tärs übereignet wurden. Schweden schuf auf diese Weise ge-
genüber Dänemark eine Militärgrenze, die sich 1710 bewährte,
als während des Großen Nordischen Krieges (1700–1721)
nach der schwedischen Niederlage 1709 bei Poltawa (Ukraine)
Dänemark im Frühjahr 1710 eine neuerliche Rückeroberung
versuchte. Dieser Versuch scheiterte aber kläglich, und Däne-
mark spielte in diesem Krieg in der Folgezeit nur noch eine pas-
sive Rolle. Im Frieden von Nystad (1721) wurde Schweden von
den Großmächten der südschwedische Besitzstand garantiert.
Die dänische Außenpolitik änderte sich danach grundle-
gend: Die Rückeroberung Schönens, Hallands und Blekinges
wurde von der politischen Agenda genommen. Die außenpoli-
tische Maxime war von nun an, sich aus europäischen Kon-
flikten herauszuhalten, was auch rund einhundert Jahre lang
gelang. Das bedeutete aber nicht, daß der Staat abrüstete, im
Gegenteil: Ein starkes Militär wurde weiterhin für notwendig
erachtet, doch nunmehr – was die Außenpolitik betrifft – zur
Absicherung der Neutralität. In dieser Hinsicht kam es wäh-
rend des Siebenjährigen Krieges (1756–63) und des Amerika-
nischen Unabhängigkeitskrieges (1776–83) sogar zu einer po-
litisch-militärischen Annäherung an den ,Erzfeind’ Schweden.
Die Militarisierung des Staates führte zu einer weiteren
Verschlechterung der Rechtsstellung der bäuerlichen Bevölke-
rung. Zwar wurde auch die miserable Agrarkonjunktur in
den Jahrzehnten um 1700, die den Grundbesitzern Probleme
bei der Besetzung der Pachthöfe bereitete, als Argument heran-
gezogen, doch offiziell diente die Verpflichtung zur bäuer-
lichen Landmiliz als Grund für die Verschärfung der Schollen-
bindung (dän. Stavnsbåndet) für Männer zwischen 14 und
30 Jahren im Jahre 1733.
Die Gutsbetriebe wirtschafteten im Zeichen der allgemei-
nen landwirtschaftlichen Krise, die durch die Kriege der zwei-
ten Hälfte des 17. Jahrhunderts und durch Seuchen verschärft
wurde, an der Grenze der Rentabilität. Zum Rettungsanker
nicht weniger Güter wurde in diesen Krisenjahren die Einfüh-
rung der Meiereiwirtschaft. Milch, Butter und Käse fanden in
den Städten, vor allem Kopenhagen, steigenden Absatz, so
80
daß die sogenannten HoUändereien die traditionelle Land-
wirtschaft mancherorts fast verdrängten – insbesondere auf
Seeland. Dies hatte für die einfachen Bauern wiederum nega-
tive Folgen. Denn die Güter benötigten nun zunehmend Wei-
deland für die Milchkühe, so daß die Gutsbesitzer Hofstellen
niederlegten. Auf diese Weise verschwanden zwischen 1670
und 1700 rund 70 Dörfer. Gleichzeitig wurden die Fron-
dienstpflichten für die Häusler und Kätner erweitert.
VIII. Aufklärung und Reformen
Die bedeutendste Leistung der dänischen absoluten Monar-
chie war die Mobilisierung der oberen sozialen Schichten
(Bürgerliche wie Kleinadlige), die sich zu einer dienstadlig-
bürokratischen Elite des Landes herausbildeten. Der alte Ge-
burtsadel wurde, wenngleich ihm seine Besitzrechte belassen
wurden, durch einen neuen absolutistischen Rangadel poli-
tisch abgelöst. Mit der Abschaffung des Ständestaates wurde
der Adelsbegriff von der Krone gewissermaßen neu definiert
und in Form von drei Rangordnungen (1671, 1679, 1693) in
barocker Systematik rechtlich verankert. Die Inhaber der
obersten Ränge wurden deutlich vor den Geburtsadel gestellt
und mit neugeschaffenen Grafschaften bzw. Baronien als Fi-
deikomisse eng an die Krone gebunden. Im Laufe von nur
einer Generation wandelte sich Dänemark von einem mittel-
alterlichen selbstverwalteten Ständestaat in einen frühmoder-
nen zentralistischen Verwaltungsstaat. Für die weitere innere
Entwicklung war bedeutsam, daß sich in der neuen Führungs-
elite ab dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts die Ideen
der Aufklärung festsetzten und somit gesellschaftsreformeri-
sche Kräfte politisch mächtig werden konnten.
Einen ersten reformpolitischen Höhepunkt erlebte Däne-
mark Anfang der 1770er Jahre, in dem der Leibarzt des gei-
stesschwachen Christian VII., Johann Friedrich Struensee, die
zentrale Rolle spielte. Der deutschstämmige, von den Ideen
81
der Aufklärung erfüllte junge Arzt nutzte seine besondere
Stellung am Hofe, um innerhalb kürzester Zeit zunächst zum
Kabinettssekretär und dann zum Geheimminister und Grafen
zu avancieren, dem eine diktatorische Macht zufiel. Hilfreich
war ihm dabei auch sein intimes Verhältnis zur Königin.
Struensee erließ mit königlicher Generalvollmacht eine Sturz-
flut von Gesetzen und Verordnungen (ungefähr 600 in 16 Mo-
naten), die eine Modernisierung der Staatsverwaltung und
Liberalisierung der Wirtschaft herbeiführen sollten. Besonders
angelegen war ihm der Bauernstand, dessen Lage Struensee
durch Lockerungen der Frondienste zu verbessern suchte. Die
Aufgabe der merkantilistischen Schutzzollpolitik führte zum
Zusammenbruch dänischer Manufakturen, die bis dahin
durch die Abschnürung der ausländischen Konkurrenz auf
Kosten des Staates künstlich am Leben gehalten worden
waren. Tausende von Lohnarbeitern wurden arbeitslos. Durch
seinen Reformeifer und sein hochnäsiges Agieren schuf
Struensee sich im Establishment bald mächtige Feinde, die
schließlich Anfang 1772 seinen jähen Sturz herbeiführten und
ihn nach einem Schauprozeß im April desselben Jahres in
Kopenhagen öffentlich hinrichten ließen.
Nach Struensees Sturz übernahm der konservative Empor-
kömmling Ove Høegh-Guldberg die Regierung, in der zum
ersten Mal seit Einführung des Absolutismus nur Minister
saßen, die in der dänischen Monarchie geboren waren. Eines
ihrer wichtigsten Ziele war es, neben der Annullierung der
Struenseeschen Reformen die dänische Sprache und Kul-
tur aufzuwerten und gleichzeitig den, nach Ansicht vieler Dä-
nen, übermächtig gewordenen fremden (d.h. deutschen) Ein-
fluß zurückzudrängen. Bereits einen Monat nach dem Sturz
Struensees wurde Dänisch als Amtssprache in dänischen und
norwegischen Angelegenheiten sowie als Kommandosprache
in der Armee festgeschrieben. 1776 wurde das Eindringen von
Ausländern in die Ämter von der Regierung Høegh-Guld-
berg mit dem sogenannten Indigenatsgesetz eingedämmt. Nur
in der Monarchie geborene Untertanen des dänischen Kö-
nigs sollten fortan öffentliche Ämter bekleiden dürfen. Zuvor
82
saßen z.B. im Regierungskollegium neben Deutschen nur ein
Däne und ein Holsteiner. Das Gesetz wurde von allen be-
grüßt, selbst von den Holsteinern, die bereits eine heraus-
ragende Rolle im Staat spielten. Mit diesem Gesetz leitete die
Regierung Høegh-Guldberg eine neue Entwicklung in der
Monarchie ein. Das Selbstbewußtsein des dänischen Bürger-
tums wurde gestärkt, und das Bewußtsein einer eigenständi-
gen dänischen Kultur wuchs an, obgleich der deutsche Einfluß
im politischen und auch kulturellen Leben weiterhin spürbar
war. Aber der Keim war gelegt für einen Nationalismus, der
zunächst noch latent blieb, doch im folgenden Jahrhundert zu
scharfen nationalen Gegensätzen zwischen deutsch und dä-
nisch führen sollte.
Von der Regierung Høegh-Guldberg wurde zur Kontrolle
der königlichen Entscheidungsfindung eine neue politische
Führungsinstitution ins Leben gerufen, der geheime Staatsrat,
der den König bei den Kabinettsvorlagen beraten sollte. Diese
Staatsratsverfassung blieb bis zum Ende des Absolutismus
1849 in Kraft, wiewohl der reale Einfluß des Rats von der je-
weiligen Person des Königs abhängig war.
Das Gedankengut der Aufklärung manifestierte sich in Dä-
nemark politisch in erster Linie in einer Reformgesetzgebung,
die seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts der Landbe-
völkerung und Agrarwirtschaft zugute kam. Alle dänischen
Regierungen seit 1766, dem Herrschaftsantritt Christians VII.,
waren mit der Bauernfrage beschäftigt. Auch hatte man nach
der Jahrhundertmitte hier und da mit Flurbereinigungsmaß-
nahmen begonnen, die aber einen eher experimentellen Cha-
rakter besaßen. Einen ersten echten Fortschritt brachte 1781
ein Erlaß, der es Bauern unter bestimmten Voraussetzungen
erlaubte, sich aus dem altertümlichen Flurzwang zu lösen und
ihren Besitz zu arrondieren. Bis dahin war die Flurbereinigung
nur in etwa zwei Prozent aller Dörfer durchgeführt worden.
Zu diesem Zeitpunkt war die dänische Landwirtschaft im
westeuropäischen Vergleich noch in jeder Hinsicht rückstän-
dig und unproduktiv. Insbesondere die Getreidewirtschaft war
durch die veralteten Anbautechniken (Dreifelderwirtschaft),
83
den Flurzwang (Gemengelage) und die feudalen Produktions-
verhältnisse an ihre Ertragsgrenzen gestoßen. Zwar hatten be-
reits einige dänische Reformpublizisten den Zusammenhang
zwischen bäuerlicher Hörigkeit, Frondiensten und Flurzwang
auf der einen und geringem Ertrag auf der anderen Seite er-
kannt, doch in weiten Kreisen der Gutsbesitzer war noch lan-
ge nach der Jahrhundertmitte die Ansicht vorherrschend, der
Bauer müsse streng gehalten und zur Arbeit angeleitet, wenn
nicht gar gezwungen werden, da ansonsten der Schlendrian
die Oberhand gewinnen würde. Klagen der Gutsbesitzer an
die Obrigkeit über die Dumpfheit und Faulheit der Bauern,
insbesondere der Häusler und Kätner, waren gang und gäbe.
Verbunden waren sie mit Forderungen nach Ausweitung der
niederen Strafgerichtsbarkeit, um Arbeitssäumige an Ort und
Stelle abstrafen zu können. So wurde der die Peitsche schwin-
gende gutsherrliche Reitervogt eine alltägliche Erscheinung
im Leben der Landbevölkerung. Insofern war es aus der Sicht
der Gutsbesitzer auch konsequent, eine Steigerung der Erträge
durch Einziehen von Bauernland anzustreben, indem Pacht-
bauern in schollengebundene Einlieger umgewandelt wurden,
die noch stärker unter der Knute des Gutsherrn standen.
Obwohl bereits einige fortschrittliche Gutsbesitzer mit der
Modernisierung ihrer Betriebe begonnen hatten, beschritt die
überwiegende Mehrzahl der Magnaten zunächst diesen alt-
hergebrachten Weg einer noch direkteren Aneignung der bäu-
erlichen Arbeitskraft. Daß dieser Weg auf lange Sicht aber in
eine Sackgasse münden würde, sollte sich bald herausstellen.
Denn eine wesentliche Steigerung der Erträge setzte in erster
Linie umfassende Reformen der Rechtsverhältnisse auf dem
Lande voraus. Die makroökonomischen Umstände dafür wa-
ren nach der Jahrhundertmitte ausgesprochen günstig. Seit
den 1740er Jahren waren in Folge eines stetigen Bevölke-
rungsanstiegs in Westeuropa, vor allem in England und den
Niederlanden, die Preise für landwirtschaftliche Produkte,
insbesondere für Getreide, erheblich gestiegen. Kapitalinve-
stitionen in die Verbesserung der Agrartechnik schienen nun
lohnend wie kaum zuvor. Begünstigt wurde dies noch da-
84
durch, daß aufgrund einer verhältnismäßig langen Friedens-
zeit in Dänemark der Geldbedarf der Krone und damit die
Steuerlast geringer wurden.
Bereits 1755 war durch die Regierung eine öffentliche De-
batte darüber in Gang gesetzt worden, wie die Wirtschaft des
Reiches, verbessert werden könnte. Die überraschend breite
und landesweite Beteiligung führte zu einer ganzen Reihe von
Vorschlägen, die gesammelt, systematisiert und in gedruckter
Form (in acht Bänden) veröffentlicht wurden. Dieses Werk –
„Danmarks og Norges Œconomiske Magazin“ – diente als
Grundlage für die umfassende Reformgesetzgebung, die sich
seit der Regentschaft des Kronprinzen Frederik (ab 1808
Frederik VI.) über ein halbes Jahrhundert hinziehen sollte.
Frederik hatte 1784 als junger Mann staatsstreichartig die
faktische Macht von seinem Vater Christian VII. übernom-
men. Es begann nun eine neue sozial- und wirtschaftspoliti-
sche Ära – zwar nicht schlagartig, aber doch merklich. Um
den Prinzregenten sammelten sich einige deutschstämmige
Magnaten, wie die Grafen Andreas Peter Bernstorff, Christian
und Ludwig Reventlow und Ernst Schimmelmann, die reich
begütert und welterfahren waren und im Geiste des aufgeklär-
ten Absolutismus die Monarchie reformieren wollten. Poli-
tisch diente Preußen, wirtschaftlich England als Vorbild.
Doch anders als bei der englischen Gutswirtschaft wollten die
Reformer die dänische Bauernschaft konservieren, die sie bei
einer völlig freien Separierung von Bauernland zugunsten der
Gutswirtschaften in ihrer Existenz gefährdet sahen. Das frei
gewordene Bauernland sollte deshalb nicht zu den Eigenlän-
dereien der Gutsbesitzer geschlagen werden dürfen. Kein Hof
durfte aufgegeben werden. 1786 wurde eine Landkommission
eingesetzt, in der Christian Reventlow und der aus Norwegen
stammende Jurist Christian Colbjørnsen die tonangebenden
Kräfte waren. Von den Gutsbesitzern unabhängige Taxatoren
wurden im Lande herumgeschickt, um den Wert der Bauern-
höfe bei Ablauf der Pachtfristen zu schätzen. Ein entscheiden-
der gesetzgeberischer Schritt erfolgte am 20. Juni 1788 mit
der Aufhebung der Schollenbindung. Dies und die Minderung
85
der Frondienstpflichten, die gänzliche Beseitigung des Flur-
zwanges sowie die den Pachtbauern nun eröffnete Möglichkeit,
ihre Hofstelle käuflich zu erwerben, haben innerhalb einer Ge-
neration die Verhältnisse auf dem Land grundsätzlich verän-
dert. Den Erwerb der Pachthöfe erleichterte die Regierung
durch Geldanleihen. Bis 1807 wurden etwa Dreiviertel des
Bauernlandes in Inseldänemark und rund die Hälfte in Jütland
separiert. Die meisten Bauern waren dadurch zu frei wirtschaf-
tenden Landwirten geworden. Eine Befreiung von der Willkür
der Gutsbesitzer stellte auch die durch die Aufhebung der
Schollenbindung notwendig gewordene Umstellung der Mili-
tärausschreibungen für die Landmiliz auf nunmehr staatliche
Behörden dar. Durch Aufhebung des Flurzwanges und Arron-
dierung wurden viele Höfe aus dem Dorf hinausverlegt, so daß
die dänische Kulturlandschaft einen völlig anderen Charakter
erhielt: Der inmitten seiner Felder liegende Bauernhof wurde
zum typischen dänischen Landschaftsbild, die aus dem Mittel-
alter überkommene Dorfgemeinschaft büßte ihre Funktion ein.
Aus England kamen neue Anbaumethoden und neue Acker-
baugeräte. Alte, ausgemergelte Böden konnten wieder urbar
gemacht und unter den Pflug genommen werden. Wirtschaft-
lich erwiesen sich die Reformen der ersten Periode bis 1800 als
sehr erfolgreich: Die Getreideproduktion Dänemarks hat sich
in diesen rund zwanzig Jahren verdoppelt.
Aber nicht alle feudalen Zöpfe wurden in diesen Jahren ab-
geschnitten. Die Reformen blieben gewissermaßen auf halbem
Wege stecken, weil der Widerstand der mächtigen Gutsbe-
sitzer zusehends stärker wurde. Niedere Gerichtsbarkeit und
Hofdienste blieben bei den abhängigen Pachtbauern bestehen.
Insbesondere für Häusler und Kätner hatte sich kaum etwas
geändert, sie waren die eigentlichen Verlierer der Agrarrefor-
men. Sie verfügten über kein oder nur sehr wenig Land, mit
dem sie sich kaum selbst ernähren konnten und deshalb ge-
zwungen waren, auf Bauernhöfen oder Gütern zu arbeiten.
Durch die Flurbereinigungen verloren sie zudem die Möglich-
keit, von der Allmende Futter für das wenige Vieh, daß sie
möglicherweise hatten, zu bekommen; auch die Möglichkeiten
86
des Brennholzsammelns waren nunmehr stark begrenzt. Die
sozialen Unterschiede auf dem Land prägten sich deshalb
schärfer aus als zuvor, es entstand neben der Schicht der land-
besitzenden Bauern ein in halbfeudaler Abhängigkeit lebendes
Agrarproletariat, das erst im Zuge der politischen Reformen
des späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhunderts „befreit“ wurde.
Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts war diese Schicht zah-
lenmäßig stärker als die der Bauern. Die Chance für tüchtige
Häusler, Bauernland zu erwerben und in die Bauernschicht zu
wechseln, war aufgrund der im Laufe des frühen 19. Jahrhun-
derts enorm gestiegenen Landpreise äußerst gering.
Durch die Bauernbefreiung und Landreformen war gleich-
wohl der in der alten dänischen Agrargesellschaft besonders
scharf ausgeprägte Gegensatz zwischen frei und unfrei aufge-
hoben, soziale Spannungen dadurch entschärft worden, bevor
sie – wie in Frankreich – einen gewaltsamen Ausbruch erhiel-
ten. Die neben den wirtschaftlichen Auswirkungen bedeu-
tendste gesellschaftliche Folge der Reformen war das Entste-
hen einer ländlichen Mittelschicht freier Bauern, deren politi-
sche Loyalität sich der Staat durch Rechtsgarantien sichern
konnte. Der Gutsherr stand nicht länger als Instanz der Ob-
rigkeit zwischen Staat und Bauern. Das Verhältnis zwischen
Gutsbesitzer und Pachtbauer wurde zu einer privatrechtlichen
Angelegenheit zweier Bürger des Staates. Der landbesitzende
und auch der Pachtbauer wurden zum Staatsbürger, dessen
politisches Gewicht seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhun-
derts bei der Demokratisierung des politischen Systems immer
deutlicher spürbar wurde.
Wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen spielten sich
zwischen 1750 und 1850 nicht nur auf dem Lande ab. Die
städtischen Gewerbe lösten sich in dieser Epoche ebenfalls aus
ihren feudalen Bindungen. Auch hier waren es Krisenerschei-
nungen, die Reformen erzwangen. Vor allem das Textil- und
das Glasgewerbe litten unter der englischen Konkurrenz, ob-
wohl sie noch bis in die 1780er Jahre hinein vom Staat stark
subventioniert wurden. Ausländischen Manufakturisten wur-
de im 18. Jahrhundert die Niederlassung in Dänemark mit
87
Privilegien schmackhaft gemacht, die Arbeitslöhne wurden
auf äußerst niedrigem Niveau gehalten, und außerdem wur-
den strenge Qualitätskontrollen eingeführt, um das Vertrauen
der Konsumenten zu gewinnen. Trotzdem war der Import ste-
tig gestiegen, so daß schließlich die Einfuhr solcher Güter, die
auch in Dänemark hergestellt wurden, ganz verboten wurde.
Es war im Grunde die gleiche Handelspolitik, die schon Chri-
stian IV. verfolgt hatte, um das dänische Manufakturgewerbe
in Gang zu setzen. Doch wie damals führten auch im letzten
Drittel des 18. Jahrhunderts die gleichen Ursachen zum Schei-
tern. Hauptsächlich war es der Mangel an billiger Arbeits-
kraft, unter dem die städtischen, protoindustriellen Gewerbe
litten. Denn durch die ständige Ausweitung der Schollenbin-
dung und der Frondienste war die in Dänemark verfügbare
Arbeitskraft überwiegend in der Landwirtschaft gebunden.
Die Zahl der Lohnarbeiter war gering. In England waren die
Verhältnisse zu dieser Zeit ganz anders. Hier wurde die Indu-
strielle Revolution gerade aufgrund der immens gestiegenen
Zahl freier Lohnarbeiter erst ermöglicht. Mit der Abschaffung
der staatlichen Subventionen verschwanden in Dänemark bis
1800 die meisten Manufakturen.
Für andere städtische Gewerbe, insbesondere den Handel,
war die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Blütezeit.
Innerhalb von 50 Jahren wuchs die dänische Handelsflotte
von 30 000 Tonnen auf 75 000, sie wurde damit zu einer der
größten Europas. Die dänischen Kaufleute und Reeder waren
die Gewinner des Kolonialkrieges zwischen England und
Frankreich (1756–63) und des Amerikanischen Unabhängig-
keitskrieges (1776–83) sowie schließlich der französischen
Revolutionskriege. Unter der neutralen dänischen Flagge
wurde ein immer größerer Teil des europäischen Überseehan-
dels abgewickelt. Politisch wurde dies durch eine aktive Neu-
tralitätspolitik abgesichert, die die dänische Flotte im Bündnis
mit anderen Neutralen vor den Kaperfahrern der Kriegfüh-
renden zu sichern suchte. Vor allem während des Amerikani-
schen Unabhängigkeitskrieges waren die Gewinne der däni-
schen Kaufleute und Reeder gewaltig. Es war ihnen nunmehr
88
auch möglich, sich aus althergebrachten Organisationsformen
zu lösen. Der Kompaniehandel war bis dahin in der Über-
seefahrt vorherrschend: Die Krone, Kaufleute, Gutsbesitzer,
höhere Beamte, Kapitäne steckten eine bestimmte Geldsumme
in die gemeinsame Ausrüstung eines oder mehrerer Schiffe.
Nach Abschluß einer Handelsreise wurde der Gewinn unter
den Kompagnons aufgeteilt. Im 17. Jahrhundert hatte Däne-
mark im Gleichklang mit den großen europäischen Handels-
mächten überseeische Kolonien erworben – wenngleich in
äußerst bescheidenem Maße. 1620 wurde an der indischen
Ostküste der Handelsstützpunkt Trankebar angelegt, 1658
konnte in der westafrikanischen Guineabucht eine Kolonie
erworben werden, von der aus afrikanische Sklaven nach
Westindien verbracht wurden. Dort hatte Dänemark die klei-
ne Antilleninsel St. Thomas in seinen Besitz gebracht, der
später durch den käuflichen Erwerb von St. Croix arrondiert
wurde. Es entwickelte sich ein auf königliche Monopole ge-
stützter atlantischer Dreieckshandel, in dem der Verkauf von
afrikanischen Sklaven und/oder die Ausbeutung von deren
Arbeitskraft die zentrale Rolle spielte. Am Endpunkt dieses
Handelssystems stand die Verschiffung von Kolonialwaren,
vor allem von Rohrzucker und Tabak, von den westindischen
Plantagen nach Kopenhagen, das als alleiniger Einfuhrhafen
für Dänemark privilegiert wurde. Die dänische Hauptstadt
erlebte in diesen Jahren einen enormen Aufschwung. Bis zum
Ende des 18. Jahrhunderts stieg ihre Einwohnerzahl auf über
100 000. Mehr als ein Zehntel der Bevölkerung des König-
reiches (ohne Norwegen und die Herzogtümer) lebte hier. Es
war die Drehscheibe des nordeuropäischen Marktes, denn
Kaufleute nicht nur aus den anderen dänischen Städten, son-
dern aus dem ganzen Ostseeraum bezogen von hier die west-
indischen und auch asiatischen Güter. Die zweitgrößte däni-
sche Stadt, Odense, hatte zu diesem Zeitpunkt nicht einmal
6000 Einwohner, was die bedeutende Stellung Kopenhagens
noch deutlicher sichtbar macht. Doch auch die Handelsstädte
in der zweiten Reihe wie Odense, Alborg, Aarhus, Helsing0r
und Flensborg profitierten insgesamt vom dänischen Über-
89
seehandel und der Expansion Kopenhagens. Kaufleute und
Reeder in diesen Städten verdienten gutes Geld am Verkauf
landwirtschaftlicher Produkte in die Hauptstadt oder in der
regen Küstenschiffahrt bei der Versorgung des Binnenmarktes.
Durch die großen Profite in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts waren mehr und mehr Kaufleute in die Lage
versetzt worden, ein oder mehrere Schiffe für die Überseefahrt
allein und nicht mehr in Kompanien auszurüsten und dadurch
den ganzen Handelsgewinn einzustreichen. Wachstum der
landwirtschaftlichen Produktion und blühender Fernhandel
waren die wichtigsten Triebkräfte der wirtschaftlichen Ent-
wicklung gegen Ende des Jahrhunderts.
Gesellschaftlich wirkte sich dies dahingehend aus, daß ein
selbstbewußtes Handelsbürgertum entstand, das sich auch
immer stärker politisch bemerkbar machte. Aus ihm rekru-
tierten sich beispielsweise die Lesezirkel, die in der Haupt-
stadt aufklärerisches Gedankengut aus dem westeuropäischen
Ausland diskutierten. Zeitschriften und Zeitungen begannen
regelmäßig zu erscheinen, wie seit 1749 Berlingske Tidende,
und schufen eine Öffentlichkeit, in der alles Althergebrachte
einer kritischen Betrachtung unterzogen wurde: die Adels-
privilegien, die Ungleichheit vor dem Gesetz, die Lage der
Bauern usw. Begünstigt wurde dies durch eine im europäi-
schen Vergleich ungewöhnliche Toleranz der Obrigkeit ge-
genüber dieser Presse. 1770 ließ Struensee sogar die Zensur
abschaffen, die nach seinem Sturz – formal – auch nicht
wieder eingeführt wurde. Im Zeichen der Aufklärung setzte
am Ende des Jahrhunderts eine im Lande bis dahin nicht
erlebte Blüte des kulturellen Lebens ein, die sich insbesondere
in der Dichtung niederschlug. Es war eine ausgeprägt bür-
gerliches Kulturleben, das sich auch nach der Jahrhundert-
wende fortsetzte und – mit aus Deutschland übernommenen
Elementen der Romantik versehen – in das sogenannte dä-
nische Goldene Zeitalter mündete mit Lichtgestalten wie
Adam Oehlenschläger (1779–1850), Hans Christian Ander-
sen (1805–1875) und Soren Kierkegaard (1813–1855), um nur
einige zu nennen.
90
IX. Der Kleinstaat
Mit der Französischen Revolution änderten sich zusehends
die außenpolitischen Rahmenbedingungen, die Dänemark ein
Jahrhundert lang Frieden und wirtschaftlichen Aufschwung
gebracht hatten. Die Regierung war insbesondere um den
blühenden Seehandel besorgt. Nach dem Beginn des franzö-
sisch-englischen Krieges 1793 erklärte Dänemark, wie in den
vorangegangenen Kriegen der europäischen Mächte auch,
seine Neutralität und forderte von den Kriegführenden deren
Respektierung. Doch blieb der britischen Regierung nicht
verborgen, daß Dänemark französischen und niederländi-
schen Reedern den Wechsel zur dänischen Flagge gestattete,
weshalb dänische Schiffe von britischen Kaperfahrern nicht
verschont blieben. Im Vertrauen auf seine große Kriegsflotte
erklärte Dänemark 1800, daß es seine Handelsflotte unter
den Schutz dieser Kriegsflotte stelle und sich dem bewaffneten
Neutralitätsbund Schwedens, Preußens und Rußlands an-
schließe. Die Antwort der Briten ließ nicht lange auf sich war-
ten: Ende März 1801 tauchte die Royal Navy unter Admiral
Nelson im Öresund auf und zwang die Dänen nach einer gro-
ßen Seeschlacht auf der Kopenhagener Reede am 2. April zur
Kapitulation. Es war gleichsam der Anfang vom Ende der
alten dänisch-norwegischen Monarchie. Dänemark war nicht
mehr Herr seiner Außenpolitik, sondern wurde von den Bri-
ten zu Wohlverhalten gezwungen. Das rief im Lande Verbitte-
rung hervor, weshalb die vorsichtige Hinwendung der Regie-
rung zu Napoleon nach dessen großen Siegen auf dem Kon-
tinent von allen politischen Kräften im Lande getragen wurde.
Nach der Verkündung der napoleonischen Kontinentalsperre
fürchtete London das Übertreten der dänischen Flotte in fran-
zösische Dienste. Da Dänemark eine englische Allianzforde-
rung – nicht zuletzt unter französischem Druck – ausschlug,
wurde die Royal Navy erneut in den Öresund geschickt, wo
sie im September 1807 mehrere Tage lang Kopenhagen bom-
bardierte. Die Wirkung war verheerend: Rund 2000 Einwoh-
91
ner kamen zu Tode, 1000 Gebäude wurden zerstört, doch für
das dänische Selbstwertgefühl besonders schockierend war,
daß Dänemark seine Flotte als Kriegsbeute an die Engländer
ausliefern mußte. Die Verbitterung war in Dänemark so groß,
daß das Land nun offen auf die Seite Napoleons trat, dessen
Truppen an der Südgrenze des Königreiches lagen. Mit den
wenigen verbliebenen Resten seiner Kriegsflotte – allerdings
nur kleinen Einheiten – sowie mit Kanonen bestückten Han-
delsschiffen führte Dänemark in den folgenden Jahren einen –
nicht sonderlich erfolgreichen – Kaperkrieg gegen England.
Dieser hatte allerdings für den norwegischen Reichsteil kata-
strophale Auswirkungen, denn die Royal Navy unterbrach
den Kontakt zwischen den beiden Reichsteilen, so daß die
Versorgung Norwegens mit Lebensmitteln, vor allem Getrei-
de, abbrach. Die Folge war eine schwere Hungersnot in Nor-
wegen, der Unzählige zum Opfer fielen. Die mehr oder weni-
ger erzwungene Anlehnung an Frankreich war so stark, daß
für Dänemark ein Allianzwechsel, wie ihn die ehedem franzö-
sischen Verbündeten nach Napoleons Niederlagen vollzogen,
nicht möglich war. Deshalb stand das Königreich am Ende
des Krieges neben Frankreich als Verlierer da. Im Frieden von
Kiel wurde es im Januar 1814 gezwungen, seine Provinz
Norwegen an Schweden und die Insel Helgoland an England
abzutreten. Schweden sollte, weil es rechtzeitig auf die Seite
der antinapoleonischen Allianz gewechselt war, dadurch für
den Verlust Finnlands an Rußland entschädigt werden. Auf
dem Wiener Kongreß erhielt Dänemark gewissermaßen als
Kompensation das Herzogtum Lauenburg zugesprochen.
Das dänische Wirtschaftsleben war am Ende des Krieges
vollkommen zerrüttet, der Staat war bankrott. Noch drama-
tischer als der Handel war die Landwirtschaft von der Krise
betroffen, da ehemalige wichtige Absatzmärkte (Norwegen)
weggefallen waren oder sich durch Schutzzölle (England)
verschlossen. Die Rentabilität in der dänischen Landwirt-
schaft war während der ganzen 1820er Jahre gering, viele
Höfe wurden zwangsversteigert, bittere Armut breitete sich
auf dem Lande und in den Landstädten aus. Die Preise für
92
dänisches Getreide sanken auf ein Viertel des Vorkriegsstan-
des. Wie schon hundert Jahre zuvor wurde die dänische
Landwirtschaft durch die Krise gezwungen, Produktionsmittel
und Produktionsverhältnisse zu modernisieren. Verbesserte
Anbaumethoden und neue Gerätschaften hielten – vom Staat
finanziell unterstützt – allmählich Einzug, gleichzeitig wurde
die Milchviehwirtschaft intensiviert. Um 1830 konnte wieder
rentabel produziert werden, und es setzte nunmehr eine land-
wirtschaftliche Hochkonjunktur ein, die bis in das letzte
Jahrhundertdrittel anhielt. Das lag nicht nur an der verbesser-
ten Produktivität, sondern in gleichem Maße an der Auswei-
tung der Absatzmärkte im Zusammenhang mit dem Bevölke-
rungswachstum in Europa. Von besonderer Bedeutung war
die Industrialisierung in Großbritannien, wohin in steigendem
Maße dänische Produkte abgesetzt wurden. Nach der Auf-
hebung der britischen Protektionszölle ging die Hälfte der
dänischen landwirtschaftlichen Produktion, in erster Linie
Getreide, über die Nordsee. Aber auch schon vorher war im
Zuge der Lockerung der englischen Schutzzölle die Insel der
wichtigste Markt für die dänische Landwirtschaft geworden.
Bezeichnend ist auch, daß gewissermaßen im Gegenzug eng-
lisches Kapital die Rolle der Hamburger Banken im dänischen
Kreditwesen übernahm. Damit entstand eine wirtschaftliche
Abhängigkeit, die über einhundert Jahre andauern sollte.
Allein zwischen 1830 und 1870 vervierfachten sich die däni-
schen Exporte. Gleichzeitig wuchs der Wohlstand der däni-
schen Bauern und deren Möglichkeiten, die betriebliche
Modernisierung weiter voranzubringen. Alte, schwere Holz-
geräte wurden durch leichtere aus Eisen ersetzt, größere Höfe
und Güter wandten bereits Dreschwerke an, die Mechanisie-
rung und auch die Nutzung der Dampfkraft breiteten sich
mehr und mehr aus.
Mit den gestiegenen Verdienstmöglichkeiten kam auch die
Abwicklung letzter feudaler Produktionsverhältnisse wieder
in Gang, die während der Napoleonischen Kriege und in der
Zeit danach ins Stocken geraten war. Dies äußerte sich insbe-
sondere in der bis 1853 erfolgten nahezu gänzlichen Ablösung
93
der Hofdienstpflichten. Aber auch die Differenzierung in der
Landwirtschaft setzte sich fort, wobei die Zahl der unteren
Schichten, der Kätner, Häusler und Landarbeiter, überpropor-
tional zunahm. Insgesamt stieg die Zahl der in der Landwirt-
schaft Beschäftigten zwischen 1830 und 1870 um 50 Prozent
auf rund 500 000 Menschen. Gut die Hälfte davon gehörte
zur Schicht der Kätner und Häusler, die kein oder nur sehr
geringes Land besaßen und an einen Gutsbetrieb gebunden
waren. Durch die Landreformen und die Agrarkonjunktur
war zur Mitte des 19. Jahrhunderts aber eine bäuerliche Mit-
telschicht entstanden, der über die Hälfte des dänischen Bo-
dens ganz oder in Erbpacht gehörte.
Mit den Reformen auf dem Lande waren auch politische
Reformen unerläßlich geworden. Die Juliereignisse des Jahres
1830 in Frankreich hatten dem Hof in Kopenhagen vor
Augen geführt, daß sich das Volk nicht länger von der poli-
tischen Mitsprache ausschließen ließ. Zwar waren die Ver-
hältnisse in Dänemark noch weit von denen in Frankreich
entfernt, doch auch hier im Norden hatte sich liberales politi-
sches Denken immer lauter artikuliert, und Frederik VI.
konnte sich dem nicht ganz verschließen, wollte er seine ab-
solute Stellung bewahren. Bereits auf dem Wiener Kongreß
hatte er der Einrichtung von Ständeversammlungen, zumin-
dest in den zum Deutschen Bund gehörenden Landesteilen,
zustimmen müssen, ohne dies anschließend in die Tat umzu-
setzen. Um einer drohenden politischen Radikalisierung mit
unabsehbaren Folgen vorzubeugen, entschloß sich Frederik
nunmehr, diesen Schritt nachzuholen und sogar auf ganz
Dänemark auszuweiten. Im Mai 1831 gab er einen Erlaß
heraus, durch den in vier Teilen des Reiches (Jütland, Insel-
dänemark, Schleswig und Holstein) jeweils beratende Stände-
versammlungen gewählt werden sollten. Für die weitere poli-
tische Entwicklung in Dänemark war von größter Bedeutung,
daß durch die Wahlordnung zu diesen ersten Ständewahlen
seit 1660 der politischen Privilegierung des Adels eine Absage
erteilt wurde und das Wahlrecht allein an Grundbesitz ge-
knüpft wurde, wobei Eigentums- und Pachtbauern gleichge-
94
stellt wurden. Das heißt, daß bäuerliche Wähler dieselben
politischen Rechte erhielten wie Aristokraten und Besitzbür-
ger. Ausgeschlossen blieben die grundeigentumslosen länd-
lichen und städtischen Schichten, zu denen – kurios genug –
auch niedere Beamte und Dorfpfarrer zählten. Insgesamt er-
hielten landesweit etwa drei Prozent der Bevölkerung das
Stimmrecht, in Kopenhagen waren es nur 1,4 Prozent.
Auch wenn die ab 1835 etablierten Ständeversammlungen
nur Beratungsorgane waren, die den Monarchen zu nichts
verpflichteten, dienten sie doch der politischen Formierung
einer Gesellschaftsschicht, nämlich der Bauern, die der däni-
schen Politik spätestens ab dem letzten Drittel des 19. Jahr-
hunderts ihr besonderes Gepräge geben sollte. Wurden hier
von den bäuerlichen Sprechern zunächst die Hoffnungen auf
Weiterführung der Agrarreformen und die endgültige Bauern-
befreiung artikuliert, so gewannen zunehmend auch allge-
meinpolitische Fragen an Gewicht. Vor allem wuchs die Kri-
tik an der absolutistischen Staatsverfassung und der Art der
ständischen Repräsentation selbst. Es waren zwei weitere ge-
sellschaftliche Gruppen, die mit den bestehenden Verhältnis-
sen aus unterschiedlichen Gründen unzufrieden waren und
dies zunehmend zum Ausdruck brachten: zum einen die wach-
sende Schicht der Häusler und Kätner sowie der Handwerks-
gesellen, zum anderen eine – zahlenmäßig noch geringe –
Gruppe von Beamten und Akademikern. Während die Erst-
genannten vornehmlich eine Statusangleichung an die Besitz-
bauern im Auge hatten, waren die Vorstellungen der Letztge-
nannten von der europäischen bürgerlichen Emanzipation
geprägt und zielten auf radikale Änderungen des politischen
Systems, also Beseitigung des Absolutismus, und Liberalisie-
rung der Wirtschaft. Hier verbanden sie sich mit den Interes-
sen der Handwerksgesellen, die in den 1840er Jahren noch
immer in eine starre Zunftordnung aus der Zeit des Früh-
absolutismus gezwängt waren, wenngleich diese in einigen
Handwerken in der Praxis schon hier und da ausgehöhlt
worden war. Immer unverhohlener wurde die Beseitigung des
Absolutismus und die Aufhebung der auf diesen zurückge-
95
führten berufsständischen Beschränkungen gefordert. Gleich-
zeitig nahm die politische Radikalisierung auf dem Lande zu,
wo sogenannte Bauernagitatoren umherzogen, um die länd-
lichen Unterschichten darüber aufzuklären, daß ihr Schicksal
nicht gottgewollt, sondern von Klasseninteressen abhängig
war und durch politische Forderungen verändert werden
könnte. Es ging vor allem um die Ablösung der letzten feu-
dalen Bindungen, die Abschaffung des Pachtsystems und die
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Bislang waren näm-
lich nur Bauern wehrpflichtig. Die politische Agitation auf
dem Land nahm bis 1845 einen solchen Umfang an, daß sich
der absolutistische Staat entschloß, dagegen einzuschreiten,
indem alle politischen Versammlungen verboten wurden. Das
hatte zum einen zur Folge, daß die bäuerlichen Forderungen
noch radikaler wurden und nun sogar die absolute Monarchie
in Frage gestellt wurde; zum anderen, und das war für das
politische Leben der folgenden Jahrzehnte von entscheidender
Bedeutung, führte dies zu einem Zusammengehen der Bauern
mit dem nationalliberalen Bürgertum. 1846 gründeten libe-
rale Bürger die „Gesellschaft der Bauernfreunde“ (Bondeven-
nernes Selskab), die die politischen, gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Forderungen der Bauern zusammenfaßte und
in Zeitungen artikulierte. Durch diese politische Allianz drang
zugleich Gedankengut in die Bauernschaft, das sich im Bür-
gertum und in der Akademikerschaft seit Jahren immer mehr
durchgesetzt hatte und das – nunmehr auf eine breite gesell-
schaftliche Basis gebracht – zu einer tödlichen Bedrohung des
Mehrvölkerstaates werden sollte. Gemeint ist der Nationalis-
mus. Der Gegensatz zwischen Dänisch und Deutsch und die
daran geknüpften verfassungsrechtlichen und sozioökonomi-
schen Fragen wurden zum alles beherrschenden Thema.
Der Dreh- und Angelpunkt war das Problem Schleswig-
Holstein. Seit 1581 wurden die Herzogtümer Schleswig und
Holstein von zwei Herren regiert: dem König von Dänemark
und dem Herzog von Gottorf – beide aus dem Hause Olden-
burg, das schon seit dem Vertrag von Ribe 1460 die Landes-
herren gestellt hatte. In einer unübersichtlichen Gemengelage
96
gab es seitdem nicht nur die königlichen und die gottorfischen
Anteile, sondern darüber hinaus noch gemeinsam regierte
Landesteile. Trotz der dynastischen Verbindungen kam es im
Laufe der Zeit zu einer Entfremdung der beiden Teilhaber, die
sich in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und danach zu
einem tiefen Gegensatz entwickelte. Der Herzog von Gottorf
strebte nach Souveränität, wie sie die deutschen Fürstentümer
auch erlangt hatten; der König bestand – zumindest was das
Herzogtum Schleswig als Bestandteil des dänischen Königrei-
ches betraf – auf seiner Lehnshoheit gegenüber dem Herzog.
In den Kriegen mit Schweden in der Mitte des 17. Jahrhun-
derts unterstützten die Gottorfer den dänischen Erzfeind mit
dem Ergebnis, daß das Herzogtum 1658 (Frieden von Ros-
kilde) von Dänemark formell völlig unabhängig wurde. Doch
bereits 1721 konnte der dänische König nach der Niederlage
Schwedens im Nordischen Krieg ganz Schleswig an sich brin-
gen. Gottorf wurde auf seine holsteinischen Besitztümer redu-
ziert und Kiel die neue Residenz dieses Duodezfürstentums,
das aufgrund unzureichender Verwaltung und Korruption
innerlich zerrüttet und zu einer eigenständigen Außenpolitik
nicht in der Lage war. Doch durch die enge dynastische Ver-
bindung mit Rußland blieben die Gottorfer für den Hof in
Kopenhagen ein ernst zu nehmender Faktor. Herzog Karl
Friedrich hatte Anna Petrowna, eine Tochter Peters des Gro-
ßen, geheiratet. Ihr Sohn Karl Peter Ulrich wurde 1762 als
Peter III. russischer Zar, doch wurde er schon ein Jahr später
ermordet. Seine Gemahlin folgte ihm daraufhin als Katha-
rina II. auf dem Zarenthron. Unter dem Zaren Peter hatte
Dänemark ein Erstarken Gottorfs zu erwarten gehabt, Katha-
rina indes suchte den Ausgleich. Durch die maßgebliche Mit-
wirkung Caspar von Salderns (auf russischer Seite) und Johann
Bernstorffs (auf dänischer Seite) kam es 1773 nach intensiven
Verhandlungen zum Vertrag von Zarskoje Zelo, mit dem die
Gottorfische Frage gelöst wurde. Es war ein Tauschvertrag:
Der russische Großfürst und Thronfolger Paul, der Erbe Gott-
torfs, verzichtete zugunsten des Königs von Dänemark sowohl
auf seine schleswigschen als auch seine holsteinischen und die
97
gemeinsam regierten Anteile. Dafür erwarb die jüngere, im
Fürstbistum Lübeck regierende gottorfische Linie von Däne-
mark die Herrschaftsrechte in den Grafschaften Oldenburg
und Delmenhorst, die seit 1667 mit Dänemark in Personal-
union verbunden gewesen waren. Die königlichen, gemein-
schaftlich regierten und die herzoglich-großfürstlichen Teile
Schleswigs und Holsteins waren nun im dänischen soge-
nannten Gesamtstaat vereint – und damit die Zeit der Landes-
teilungen und inneren Gegensätze vorerst vorüber.
Holstein war damit das dritte Glied des dänischen Staates
geworden. Das spiegelte sich auch in der Staatsideologie wi-
der. Der Gesamtstaat wurde in Allegorien mit den drei gleich-
berechtigten Kindern Dänemark, Norwegen und Holstein ab-
gebildet. Programmatisch war auch der Titel eines neuen
Schulbuches, das 1777 erschien: „Große und gute Taten von
Dänen, Norwegern und Holsteinern“. In ihm wird das Zu-
sammenleben der verschiedenen Völker im absolutistischen
Staat propagiert. Das Vaterland ist aber nicht Dänemark,
Norwegen oder Holstein, sondern der Gesamtstaat und die
Integrationsfigur der absolutistische Monarch. Noch 1801
haben sich Kieler Dozenten und Studenten, als sie von der
Schlacht auf der Kopenhagener Reede erfuhren, als „brave
Dänen“ bezeichnet. Nach den Napoleonischen Kriegen wur-
den die beiden südlichen Teile des Gesamtstaates, Holstein
und Lauenburg, Mitglieder des Deutschen Bundes, der däni-
sche König somit auch Bundesfürst. Damit entstand ein schier
unlösbares verfassungsrechtliches Problem. Denn gemäß
Wiener Bundesakte hatten Holstein und Lauenburg einen An-
spruch auf eine Verfassung, Schleswig natürlich nicht. Da
aber aufgrund des Vertrages von Ribe Schleswig und Holstein
nicht voneinander getrennt werden sollten, war es – selbst
wenn der dänische König gewollt hätte – nicht möglich, Hol-
stein eine neue Verfassung zu geben und gleichzeitig in
Schleswig die Lex Regia beizubehalten. Als Frederik VI. gegen
Ende seiner langen Regierungszeit doch noch in die Errich-
tung von Ständeversammlungen im Gesamtstaat einwilligte,
war es schon zu spät, um die verfassungsrechtlichen Gegen-
98
sätze zu entschärfen, denn inzwischen hatten sie sich unauf-
löslich mit nationalen Forderungen verschränkt.
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Neuordnungen
des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts hatten die Her-
zogtümer nicht betroffen. Tatsächlich behielten sie ihre spät-
mittelalterliche Verfassungs- und Rechtsstruktur bei, die
durch vielerlei Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten gekenn-
zeichnet war. In den Jahren nach 1815 entstand hier eine
Verfassungsdiskussion, die immer weitere Kreise zog und im
Vormärz mit nationalem und liberalem Gedankengut ver-
knüpft wurde. Die deutschen Schleswig-Holsteiner wollten
die Ablösung der absolutistischen Regierungsform und hatten
die Eingliederung beider Herzogtümer in den Deutschen Bund
vor Augen. Ihnen standen die dänischen Nationalliberalen
gegenüber, deren Ziel der dänische Einheitsstaat bis zur Eider
als Südgrenze unter Verzicht auf Holstein und Lauenburg
war. Im Landesteil Schleswig kam der Sprachenstreit als
Katalysator des nationalen Konflikts hinzu. Der Gegensatz
zwischen Deutsch und Dänisch erhielt noch dadurch eine
verschärfende Note, daß die dänischen Nationalliberalen Vor-
reiter des politischen Skandinavismus wurden, der erstmals so
etwas wie eine gesamtnordische Identität formulierte, in der
das Deutschtum keinen Platz mehr hatte.
Der Konflikt eskalierte nach dem Tode Christians VIII. im
Januar 1848, als dessen Nachfolger Frederik VII. von den
Nationalliberalen die Zusage einer Verfassungsänderung ab-
gerungen wurde, wozu im März in Kopenhagen eine konsti-
tuierende Nationalversammlung einberufen wurde. In dieser
Situation sahen die Deutschen in den Herzogtümern ihre
Chance, durch eine eigene schleswig-holsteinische Verfassung
und Bildung einer eigenen Regierung die drohende Inkorpora-
tion in den Einheitsstaat abzuwenden. Dies führte im Revolu-
tionsjahr 1848 zu einem dreijährigen Bürgerkrieg in Schleswig
und Jütland, in den durch ein Mandat der Frankfurter Pauls-
kirchenversammlung auch Preußen verwickelt wurde, das
dabei allerdings zur Enttäuschung der Aufständischen eigene
Großmachtinteressen verfolgte. Der Krieg endete 1851 unter
99
dem Diktat der Großmächte mit dem Status quo ante, d.h.
der Wiederherstellung des Gesamtstaates, in dem allerdings
die Verfassungsfrage noch komplizierter geworden war. Denn
inzwischen war im Juni 1849 in Dänemark ein neues Grund-
gesetz in Kraft getreten, daß die absolutistische Regierungs-
form ablöste und einen Zweikammerreichstag aus Folketing
und Landsting mit liberalisiertem Wahlrecht etablierte. Die
Regierung wurde zwar weiterhin vom König ernannt, war
aber hinsichtlich ihrer Gesetzesvorlagen de facto von der
Reichstagsmehrheit abhängig. Dies war der Durchbruch des
Parlamentarismus in Dänemark. In den Herzogtümern dage-
gen blieb nach der Niederlage der Demokraten formell die
überkommene absolutistische Staatsform in Kraft.
In Dänemark nahm seit der ersten Reichstagsversammlung
auf der Grundlage der neuen Verfassung die Formierung der
politischen Parteien deutlicher Gestalt an, wobei die Vertre-
tungen der Bauern und des liberalen Bürgertums die führen-
den Kräfte waren, denen eine – nicht sehr homogene – Grup-
pe von höheren Beamten und Gutsbesitzern gegenüberstand,
die allein die Gegnerschaft zur neuen Verfassung verband.
Innenpolitisch gelang es dem Bündnis von Bauern und Natio-
nalliberalen, die Reformen voranzubringen, die eine wesent-
liche Voraussetzung des wirtschaftlichen Fortschritts wurden.
Doch außenpolitisch führten die Nationalliberalen den Staat
in eine Krise, die in eine Katastrophe münden sollte. Denn ent-
gegen den Bestimmungen des Londoner Vertrages von 1852,
die die Einheit Schleswig-Holsteins garantierten, arbeiteten die
Nationalliberalen weiter beharrlich an der Durchsetzung ihres
Eider-Programms, d.h. der Eingliederung Schleswigs. Dabei
nahm der Sprachenstreit unaufhörlich an Schärfe zu. Wieder
war es der Versuch der Verfassungsausweitung bis zur Eider bei
gleichzeitiger Ausgliederung Holsteins und Lauenburgs, der
1863 zum Eingreifen des Deutschen Bundes führte. Da die
dänische Regierung in falscher Einschätzung der außenpoli-
tischen Lage nicht bereit war, die Londoner Bestimmungen
wiederherzustellen, und ein diesbezügliches Ultimatum des
Bundes zurückwies, schritten Österreich und Preußen Anfang
100
1864 zur Bundesexekution, die zu einer vernichtenden militä-
rischen Niederlage Dänemarks und dem Verlust der Herzog-
tümer führte. Statt an der Eider verlief die dänische Südgrenze
nun an der Königsau, d.h. von unmittelbar südlich von Kol-
ding im Osten nach südlich von Ribe im Westen. Lauenburg,
Holstein und – vorerst – auch Schleswig schieden damit aus der
dänischen Geschichte aus. Dänemark war nun tatsächlich zu
einem nationalen Einheitsstaat geworden, doch anders als die
nationalliberale Führung beabsichtigt hatte.
X. Industrialisierung und politischer Wandel
Der Durchbruch der kapitalistischen Produktionsweise voll-
zog sich in Dänemark ab der Mitte des 19. Jahrhunderts im-
mer sichtbarer. Es handelte sich zunächst um einen Agrarkapi-
talismus, der durch landwirtschaftliche Reformen von oben
ermöglicht worden war. Diese förderten zum einen den Kon-
zentrationsprozeß der landwirtschaftlichen Produktionsmittel,
vor allem indem zum Vorteil der Gutswirtschaften Agrarland
arrondiert und rentabler gemacht wurde. Zum anderen lösten
sie die Produktionsverhältnisse aus feudalen Beziehungen und
verwandelten sie in privatrechtliche, pekuniär vermittelte. Die
Obrigkeit zog sich aus der Gestaltung dieser Produktionsver-
hältnisse zurück. Die Arbeitskraft der besitzlosen, stetig wach-
senden Landbevölkerung wurde zur Ware, die von den Landbe-
sitzern flexibler und gewinnbringender angeeignet werden
konnte. Die Aneignung dieser Arbeitskraft durch außeröko-
nomische Zwangsmaßnahmen, ein Kennzeichen feudaler Ver-
hältnisse, verschwand. Bis zum Ende des Jahrhunderts wur-
den auch die letzten Reste des überkommenen Pachtsystems
beseitigt.
Wieder war es der englische Markt, der die Modernisierung
der landwirtschaftlichen Technik und Organisation voran-
trieb. Denn dort stieg mit dem Bevölkerungswachstum und
der Industrialisierung die Nachfrage nach dänischen Fleisch-
101
waren und hochwertigen Molkereiprodukten sowie Getreide.
Die Beschickung des englischen Marktes war auch der Haupt-
grund für die Gründung Esbjergs als Nordseehafen, der die
Funktion der verlorengegangenen holsteinischen Häfen über-
nehmen sollte.
Hatten zunächst die Gutswirtschaften an der Spitze der
landwirtschaftlichen Produktion gelegen, so wurden sie späte-
stens ab den 1880er Jahren von den in Molkerei- und Flei-
schereigenossenschaften organisierten Bauern abgelöst. Diese
Genossenschaftsbewegung und die sie begleitende flächendek-
kende Einrichtung von Sparkassen wurde zum deutlichsten
Ausdruck für die Umstrukturierung in der Landwirtschaft
in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Insbesondere
kleinere und mittlere Betriebe konnten sich durch sie ent-
falten. Jetzt hielten durch verstärkte Investitionstätigkeit
industrielle Produktionsmethoden nach und nach Einzug, die
Arbeitsabläufe auf den Bauernhöfen wurden immer stärker
mechanisiert und dadurch effektiviert, und in den expandie-
renden Lebensmittelfabriken wurde die Nutzung der Dampf-
kraft ständig verbessert.
Obwohl das Land auch eine sogenannte Gründerzeit er-
lebte, entstanden in Dänemark keine großen Industrieanlagen
wie in anderen Ländern. Das lag zum einen an fehlenden
Rohstoffvorkommen, zum anderen an der zu geringen Bin-
nennachfrage. Nennenswerte industrielle Unternehmen sind
in erster Linie in der Metallverarbeitung (Werften, Eisengieße-
reien), der Textilherstellung und dem Bauwesen (Ziegeleien)
zu finden. Dagegen wurden am Ende des 19. Jahrhunderts
bei der Intensivierung der Lebensmittelproduktion die Fun-
damente für eine typische dänische Kleinindustrie gelegt, die
bis in unsere Zeit von erheblicher Bedeutung bleiben sollte,
nämlich die sogenannte Werkstattindustrie, d. h. die Fertigung
von Geräten in kleinen Serien, Wartung und Reparatur.
Der Durchbruch der Industrialisierung wird von der däni-
schen Geschichtsschreibung – je nach Sichtweise – unter-
schiedlich datiert. Diejenigen, die ihr Hauptaugenmerk auf
Organisations- und Finanzierungsfragen richten, sehen ihren
102
Beginn im Einzug eines modernen Bankwesens um 1870. Da-
gegen setzen Sozialhistoriker, ausgehend von Strukturverän-
derungen im großstädtischen Handwerk und Entstehen der
Lohnarbeiterklasse, den Zeitpunkt noch vor den Krieg von
1864. Ausgeprägte Wirtschaftshistoriker wiederum vertreten
den Standpunkt, von Industrialisierung könne erst gegen Ende
der 1890er Jahre die Rede sein, als die industrielle Produktion
in der dänischen Volkswirtschaft statistisch signifikant durch-
schlug und dem primären Sektor gleichwertig wurde. Zu die-
sem Zeitpunkt war auch ein modernes Verkehrsnetz entstan-
den: Eisenbahn- und Dampfschifflinien verknüpften nahezu
lückenlos die einzelnen Teile des Landes miteinander und re-
volutionierten den Warenaustausch und die soziale Mobilität.
Ein Drittel der rund zwei Millionen Einwohner Dänemarks
lebte gegen Jahrhundertende in den Städten, in denen in den
beiden vorangegangenen Jahrzehnten vor allem die Arbei-
terquartiere rasant gewachsen waren. Das Heer der Lohn-
arbeiter war zum Ende des Jahrhunderts auf rund 200 000 ge-
stiegen, etwa die Hälfte davon lebte in Kopenhagen, dessen
Dominanz als Wirtschaftszentrum noch stärker geworden
war. Die Mehrzahl dieser Arbeiter war inzwischen politisch
formiert und hatte in der Sozialdemokratischen Partei ihr
Sprachrohr gefunden.
Eine Generation zuvor war die Organisation der Arbeiter
noch von bürgerlichen Liberalen in Szene gesetzt worden. In
vielen Orten wurden damals Arbeitervereine mit volkspäd-
agogischen Ambitionen gegründet, die in der Tradition der
ländlichen Aufklärungs- und Bildungsarbeit standen, die mit
dem Namen des Klerikers und Pädagogen Nikolai Grundt-
vig, des Gründers der dänischen Volkshochschulbewegung,
verknüpft war. Eine gewerkschaftliche und politische Organi-
sation und Agitation mit sozialistischem Gedankengut ent-
stand erst um 1870, hatte aber schon 1872 in der Hauptstadt
bei einem Streik der Maurergesellen den ersten gewaltsamen
Konflikt mit der Obrigkeit zu bestehen. Der herausragende
Agitator war der Postbedienstete Louis Pio, dessen Vorfahren
aus Frankreich stammten. Er schuf Verbindungen zu den so-
103
zialistischen Bewegungen auf dem Kontinent und gründete
1871 die dänische Sektion des Internationalen Arbeiterver-
eins, die im Laufe eines halben Jahres zur Beunruhigung der
Behörden auf 9000 Mitglieder anwuchs. Die Reaktion der
Regierung auf die erstarkende Arbeiterbewegung war in Dä-
nemark im Prinzip nicht anders als andernorts in Europa,
wenngleich nicht so scharf wie beispielsweise in Deutschland
unter Bismarck. Gleichwohl gab es auch in Dänemark poli-
zeiliche Überwachung, Versammlungsverbote und gerichtliche
Verfolgung – von Arbeitsentlassungen und Schikanen der Un-
ternehmer ganz zu schweigen. Pio zum Beispiel wurde beim
Streik 1872 verhaftet und zu zweieinhalb Jahren Gefäng-
nis verurteilt. Nach seiner Entlassung nahm er die politische
Agitation wieder auf, die er nunmehr sozialdemokratisch
nannte. Zu einer eigentlichen Parteigründung war man zu
diesem Zeitpunkt aber noch nicht gelangt, da Rivalitäten in
der Führung und zwischen einzelnen Berufsgruppen dagegen-
standen. Die Arbeiterbewegung war zudem ein getreues Ab-
bild der besonderen dänischen Industrialisierung. Genau wie
diese stand sie lange im Schatten der ländlichen und klein-
städtisch-handwerklichen Produktionsverhältnisse. Die Domi-
nanz der Landwirtschaft im dänischen Wirtschaftsleben führ-
te – wenn man von Kopenhagen absieht – zu einer relativ
schwachen und zersplitterten Bürgerschaft, die von einem
starken Kleinbürgertum umgeben war. Das wirkte sich auch
auf die Arbeiterbewegung aus, die in ihrer Etablierungsphase
sehr stark im Handwerk verankert war. Auch wenn im Laufe
der Zeit der Anteil der Fabrikarbeiter zunahm, wurde er nie-
mals so groß, daß das kleinbürgerlich-handwerkliche Element
verschwand. Das war auch der Grund dafür, daß die dänische
Arbeiterbewegung nicht den Radikalisierungsgrad erreichte
wie in den Nachbarländern. Es fehlten auch ganz einfach die
Arbeitermassen aus großen Schlüsselindustrien.
1876 kam es zur Gründung der Sozialdemokratischen Par-
tei, die in der deutschen Sozialdemokratie in jeder Hinsicht
ihr Vorbild sah. Bereits zwei Jahre später wurde die Gewerk-
schaftsbewegung organisatorisch aus der Sozialdemokratie
104
herausgelöst, um auch jene Arbeiter und Handwerker zu
gewinnen, die letztere ablehnten. Ihren großen Durchbruch
erzielte die organisierte Arbeiterbewegung jedoch erst im
Laufe der späten 80er Jahre, als sich im Zuge eines erneuten
Wirtschaftsaufschwungs insbesondere die Gewerkschaftsbe-
wegung überall im Lande verankern konnte. Die einzelnen
Fachgewerkschaften schlossen sich 1898 unter einem Dach-
verband (später Landesorganisation, LO, genannt) zusam-
men, der eng mit der Sozialdemokratischen Partei verbunden
war. Im Gegenzug vereinigten sich auch die Unternehmer zur
Dänischen Arbeitgebervereinigung, die im Frühsommer 1899
die erste landesweite Kraftprobe mit dem Gewerkschafts-
verband wagte. Es zeigte sich bei diesem mehrmonatigen
Arbeitskampf, daß keine der beiden Parteien die Oberhand
gewinnen konnte, so daß erstmalig ein Abkommen für die
künftige Regelung von Arbeitskonflikten getroffen wurde, das
später so genannte ,Grundgesetz des Arbeitsmarktes’. Da-
durch und durch ein 1910 eingerichtetes ständiges Schiedsge-
richt erhielten die späteren Arbeitskämpfe einen fast parla-
mentarischen Anstrich. Die Anerkennung ihrer Rechte durch
die Gegenpartei stärkte die Arbeiterbewegung auf lange Sicht,
obgleich es vorübergehend wegen der Vereinbarungen zu Ge-
werkschaftsaustritten kam.
Nicht nur die Partner des Arbeitsmarktes organisierten
sich. Im politischen Raum vollzogen sich in Dänemark in
den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts weitere
wirkungsmächtige Differenzierungen. Die auf dem linken Flü-
gel noch immer dominierende Kraft war die Venstre, die
Linke – heute eine konservative Partei. Damals war sie ein
eigentümliches, seit Anfang des Jahrhunderts links von den
Konservativen stehendes Zweckbündnis von Bauernbewegung
– mit starker Verankerung in dem von Grundtvigs religiöser
Volkspädagogik geprägten Bauerntum Jütlands – und libera-
len Intellektuellen Kopenhagens. In den 80er Jahren wurde
immer deutlicher, daß dieses Bündnis unnatürlich war, denn
die großstädtische Intelligenz entwickelte in wichtigen Fra-
gen wie Landesverteidigung, Sozial- und Kulturpolitik dem
105
Bauernkonservativismus gegenläufige Standpunkte. So kam es
zwangsläufig zu einer Abspaltung der Intelligenziafraktion
unter Führung Viggo Hørups, des Gründers der Zeitung
„Politiken“. Zunächst war diese Fraktion als radikaler Club’
weiter in der Venstre tätig, doch 1905 kam es über Steuerre-
formfragen zum endgültigen Bruch und zur Gründung einer
selbständigen linksliberalen Partei, der Radikalen Venstre, die
seitdem als Zünglein an der Waage eine zentrale Rolle im
dänischen politischen Leben spielt.
Der große Gegenspieler von Venstre und Sozialdemokraten
waren die Konservativen, die sich seit den 1870er Jahren als
parlamentarische Fraktion enger zusammenschlossen und sich
H0Jre (Rechte; ab 1915 Konservative Volkspartei) nannten.
Die Konservativen dominierten die politische Szene und stell-
ten seit der Katastrophe von 1864 ununterbrochen den vom
König berufenen Staatsminister (damals noch Konseilsprsesi-
dent genannt). Zwanzig Jahre lang hatte der Gutsbesitzer
J. B.S. Estrup diese Position inne. Er schürte und instrumen-
talisierte eine nationalistische Stimmung im bürgerlichen und
großbäuerlichen Lager, wobei er insbesondere die Verteidi-
gungsfrage zum Kernpunkt seiner Agitation gegen die Linke
machte. Von 1884 bis 1894 regierte Estrup gegen die Mehr-
heit des Folketings, indem er vom König provisorische Haus-
haltsgesetze unterzeichnen ließ. Hort des dänischen Nationa-
lismus, vor allem seiner jütischen Spielart, waren am Ende des
Jahrhunderts auch die Grundtvigschen Volkshochschulen ge-
worden, die der „Erfindung von Traditionen“ (Hobsbawn)
stark Vorschub leisteten.
Der Durchbruch des Parlamentarismus, der sogenannte Sy-
stemwechsel, konnte erst 1901 bewerkstelligt werden, als sich
der König den Forderungen von Sozialdemokraten und Libe-
ralen nach parlamentarischer Verantwortlichkeit der Regie-
rung nicht mehr verschließen konnte. Die Regierungen sollten
von nun an mit Rücksicht auf die Kräfteverhältnisse im Fol-
keting gebildet werden. Den Nutzen daraus zog aufgrund des
weiterhin eingeschränkten (Männer-)Wahlrechts und der be-
sonderen Wahlkreiszuschnitte die Venstre, deren Regierungen
106
in den folgenden Jahren eine Reihe von Reformen durchführ-
ten, deren wichtigste die Einführung der progressiven Ein-
kommenssteuer war. Weitere Reformen betrafen die Moderni-
sierung des Schulwesens, auf dem Arbeitsmarkt wurde das
kollektive System der Tarifabkommen durch eine Reihe von
Gesetzen stabilisiert, und außerdem wurde die staatliche An-
erkennung und finanzielle Unterstützung von Arbeitslosen-
kassen beschlossen. Ein anderes Reformvorhaben, auf das das
linke politische Lager drängte, blieb allerdings aufgrund des
massiven Widerstands der Konservativen vorerst ungelöst,
nämlich das allgemeine Wahlrecht für Frauen und Männer
sowie eine neue, den veränderten sozialen Verhältnissen an-
gepaßte demokratische Verfassung. Die immer stärkere Ein-
gliederung der Frauen in den Arbeitsmarkt förderte deren
Emanzipation aus traditionellem Rollenverhalten. Zwar wur-
de 1908 auf kommunaler Ebene das Frauenwahlrecht einge-
führt, doch die Wahlen zum Folketing und die zweite Kam-
mer, den Landsting, blieben davon vorerst unberührt. Der
Ausbruch des Ersten Weltkrieges ließ die innenpolitischen
Auseinandersetzungen über Verfassungsfragen zunächst ver-
stummen.
XI. Krisen und Kriege
Die Stimmung in Dänemark war seit der Annexion Schleswig-
Holsteins durch den preußischen Staat und den Eindeut-
schungsmaßnahmen in Nordschleswig dezidiert antideutsch.
Bei Kriegsausbruch im Sommer 1914 wurden Heer und Flotte
mobilisiert, denn man befürchtete, daß das Land wegen der
Kontrolle der Zufahrtswege in die Ostsee Ziel britischer oder
deutscher Militäroperationen werden könnte. Doch die Royal
Navy hielt sich zurück. Und von deutscher Seite ließ man es
mit der Forderung nach Verminung des Großen Beltes, der
Dänemark sofort nachkam, bewenden. Im übrigen war man
in Berlin vollauf zufrieden mit der positiven Antwort der
107
dänischen Regierung auf die Anfrage in den Mobilmachungs-
tagen, ob Dänemark gegenüber Deutschland eine wohlwol-
lende Neutralität einnehmen werde. Dies entsprach der von
allen politischen Parteien getragenen Einsicht der dänischen
Führung in das Unausweichliche angesichts der geographischen
Lage. Von der linksliberalen Regierung (Radikale Venstre) un-
ter C. Th. Zahle wurden auch alle antideutschen Demonstra-
tionen unterbunden, um den übermächtigen Nachbarn im
Süden nicht zu verstimmen. Auch die Nordschleswig-Frage
sollte nicht debattiert werden.
Außenpolitische Absicherung suchte Dänemark bei den
skandinavischen Nachbarn, indem es sich deren Neutralitäts-
proklamation anschloß. Es kam zu einer Wiederannäherung
mit Schweden, nachdem das Verhältnis wegen der deutsch-
freundlichen Haltung Schwedens einige Zeit gestört gewesen
war. Sichtbarer Ausdruck des interskandinavischen neutralen
Schulterschlusses waren die Dreikönigstreffen in Malmö im
Dezember 1914 und in Oslo im November 1917.
Dänemark unterhielt während des ganzen Krieges Handels-
verbindungen mit beiden kriegführenden Seiten, was von
Deutschland und Großbritannien stillschweigend geduldet
wurde. Allerdings war die dänische Handelsflotte zunächst
der Minengefahr und später dem deutschen Ubootkrieg aus-
gesetzt, was sich in hohen Verlustziffern widerspiegelte: Etwa
700 Seeleute verloren ihr Leben. Die Nachfrage nach däni-
schen Waren, insbesondere Agrarprodukten, führte im Lande
in der ersten Kriegshälfte zu einer Hochkonjunktur, die aber
von Anfang an konsensual von einer Regierungskommission
staatlich reguliert wurde, damit bei den ungebundenen
Marktmechanismen nicht nur wenige davon profitierten und
die schlechter Gestellten noch mehr verlören. In den „dunklen
Jahren des Krieges“ wurden so die Fundamente des Wohl-
fahrtsstaates gelegt, wie später hervorgehoben wurde. Zu-
nächst aber litten weite Bevölkerungsteile in der zweiten
Kriegshälfte infolge von Rohstoffmangel (vor allem Brenn-
stoff) und Rationierungen immer größere Not. Die Arbeiter-
bewegung wuchs und wurde radikaler, insbesondere ihr syn-
108
dikalistischer Flügel. Das förderte die Bereitschaft der bürger-
lich-liberalen politischen Elite, die gemäßigte Sozialdemokra-
tie an der politischen Verantwortung teilhaben zu lassen.
Bereits 1915 war unter dem Eindruck großer Wahlerfolge
der Sozialdemokraten und Linksliberalen die Verfassungs-
diskussion wieder in Gang gekommen, die noch im selben
Jahr im Zeichen des innenpolitischen Burgfriedens zu einem
neuen Grundgesetz führte, das den endgültigen Durchbruch
der parlamentarischen Demokratie brachte: allgemeines und
gleiches Wahlrecht für Männer und Frauen für beide Kam-
mern, wobei allerdings das Wahlalter mit 25 Jahren für Fol-
keting und 35 Jahren für Landsting recht hoch lag. Außerdem
wurde das Verhältniswahlrecht eingeführt, das die frühere
Benachteiligung der Linken bei der Stimmenbewertung besei-
tigte.
Gegen Kriegsende schöpfte die dänische Volksgruppe in
Nordschleswig neue Hoffnung auf eine Wiedervereinigung
mit dem Mutterland. Um irredentistische Bewegungen zu
verhindern, war hier das Dänentum von der preußischen Ob-
rigkeit starken kulturellen und politischen Einschränkungen
unterworfen worden. Die wehrpflichtigen Dänen in Nord-
schleswig mußten gleichwohl als preußische Staatsangehörige
in der Reichswehr dienen, etwa 5000 fielen an den Fronten.
Der politische Vertreter der Dänen im Berliner Reichstag, der
Abgeordnete H. P. Hansen, pochte gegen Kriegsende immer
lauter auf das Selbstbestimmungsrecht der Dänen und sah
sich dabei im Einklang mit den diesbezüglichen Erklärungen
des amerikanischen Präsidenten Wilson. Die Forderungen der
dänischen Volksgruppe fanden schließlich Berücksichtigung
im Versailler Friedensvertrag, in dem zwecks neuer Grenz-
ziehung in Schleswig eine Volksabstimmung festgelegt wur-
de. In Dänemark herrschte jedoch Uneinigkeit darüber, wie
weit die territorialen Forderungen gehen sollten. Den extre-
men Vorstellungen der Nationalisten, das historische Herzog-
tum Schleswig – wenigstens aber die Gebiete nördlich der
Schlei – für Dänemark zurückzugewinnen, stand die reali-
stische Haltung der Regierung gegenüber, das Ergebnis der
109
Volksabstimmung zu akzeptieren, die einen neuen Grenzver-
lauf von unmittelbar nördlich von Flensburg nach südlich von
Tondern ergeben hatte. Die Agitation der Nationalisten stei-
gerte sich, nachdem die Einwohner Flensburgs mehrheitlich
für Deutschland votiert hatten, so sehr, daß sich der König im
Frühjahr 1920 zu einem Verfassungsbruch hinreißen ließ, in-
dem er die linksliberale Regierung Zahle absetzte, obwohl
diese im Folketing die Mehrheit besaß. Dieser letzte Versuch
eines dänischen Königs, in der Politik eine aktive Rolle zu
spielen, wurde zwar von den Konservativen und Nationallibe-
ralen gestützt, stieß jedoch bei den Linksparteien, namentlich
den Sozialdemokraten und der 1919 entstandenen Kommuni-
stischen Partei, auf erbitterten Widerstand. Deren Drohen mit
Generalstreik und Ausrufen der Republik ließ Christian X.,
das Schicksal ausländischer Herrscherkollegen vor Augen,
schließlich einlenken und Neuwahlen ausschreiben, womit die
sogenannte Osterkrise beigelegt wurde.
Die Wahlen im April 1920 brachten mit etwa einem Drittel
der Wählerstimmen die weiterhin in der Bauernschaft veran-
kerte Venstre an die Regierung, die von den Konservativen
gestützt wurde. Als zweitstärkste politische Kraft nicht weit
hinter der Venstre konnten sich bereits die Sozialdemokraten
etablieren. Dänemarks Wirtschaft litt zu dieser Zeit unter ei-
ner starken Nachkriegsdepression mit erheblichem Preisver-
fall – bei landwirtschaftlichen Produkten bis zu 40% – und
sinkender industrieller Produktion. 1922 erschütterten Ban-
kenkonkurse das Land, und große Handelsgesellschaften, die
spekulativ auf eine Nachkriegskonjunktur gesetzt hatten, gin-
gen bankrott. Das Straßenbild wurde immer mehr durch Ar-
beitslose geprägt, Demonstrationen der Gewerkschaften und
Arbeiterparteien wurden eine nahezu alltägliche Erscheinung.
Es waren die Jahre der großen Arbeitskämpfe. Die Situation
wurde durch eine Wirtschaftspolitik verschärft, die das
Schwergewicht auf die Abwicklung der staatlichen Len-
kungsmaßnahmen aus der Kriegszeit und Liberalisierung der
Arbeitsschutzbestimmungen legte. Die Arbeitgeber wurden
dadurch in die Lage versetzt, die Arbeitslöhne signifikant zu
110
kürzen. Diese sanken zwischen 1921 und 1924 in Industrie
und Handwerk um durchschnittlich 30%.
Die Krisensituation brachte nach den Wahlen 1924 erstma-
lig die Sozialdemokraten unter Führung von Thorvald Stau-
ning an die Regierung, doch blieb diese Minderheitsregierung
nur eine knapp zweijährige Episode, da sie mit ihren arbeits-
marktpolitischen Gesetzesvorlagen im Parlament immer wie-
der scheiterte.
Das Hin und Her zwischen Venstre und Sozialdemokraten
in den 1920er Jahren war im Grunde der politische Ausdruck
dafür, daß sich die dänische Gesellschaft und Wirtschaft in
einer Übergangsphase befand. War bis dahin die Landwirt-
schaft der dominierende Erwerbszweig gewesen und die Bau-
ern die politisch stärkste Klasse, deren Sprachrohr Venstre
war, so war inzwischen dem Industriekapital und der von ihm
erzeugten Arbeiterklasse immer mehr Bedeutung zugeflos-
sen. Das zeigte sich nicht nur in den Anteilen der industriel-
len Produktion am Bruttonationalprodukt, sondern wurde
zwangsläufig auch in ordnungs- und gesellschaftspolitischen
Vorstellungen deutlich, die denen des Bauerntums entgegen-
liefen. Selbst für die meisten Industriellen war die ihrer klas-
senkämpferischen Inhalte entkleidete Sozialdemokratie im
Vergleich zur Bauernvertretung eine modernere Alternative,
wenn es galt, einen politischen Bündnispartner für die Siche-
rung ihrer wirtschaftlichen Interessen zu finden. Da die däni-
sche Industrie im Unterschied zur Landwirtschaft auf dem
Weltmarkt nicht konkurrenzfähig war, sollte der Staat subsi-
diär tätig werden. Und dafür bot sich dem Industriekapital
die Sozialdemokratie an, da deren Klientel ebenfalls an einer
blühenden dänischen Industrie gelegen sein mußte. Auf diese
Weise fand nicht nur die politische Integration der sozial-
demokratischen Arbeiterbewegung in den dänischen Staat
statt, sondern gleichzeitig erhielten ihre Sozialingenieure die
Möglichkeit, ihre Gesellschaftsvorstellungen in ein politisches
Handlungsprogramm einzubringen. Dies war die Geburts-
stunde des dänischen Sozialstaates, in dem der Wohlfahrtsge-
danke die zentrale Rolle spielt.
111
Trotz der schweren Wirtschaftskrisen und Arbeitskämpfe
ist somit in Dänemark in den 1920er und besonders 30er Jah-
ren eine ganz andere und dem südlichen Nachbarn vollkom-
men gegenläufige politische Entwicklungslinie zu beobach-
ten. Im Jahr 1929 wurde nach dem erneuten Scheitern einer
Venstre-Regierung mit der sozialdemokratisch-linksliberalen
Mehrheitsregierung eine sozialdemokratische politische Hege-
monie eingeleitet, die bis in die erste Hälfte der deutschen
Okkupation dauern sollte, konkret bis zum 29. August 1943,
als die dänische Regierung aufgrund der Verhängung des Aus-
nahmezustandes durch den Wehrmachtbefahlshaber zurück-
trat. Diese 14jährige politische Stabilität muß angesichts der
erheblichen wirtschaftlichen Probleme des Landes in den 30er
Jahren erstaunen – Probleme, die in anderen Ländern, insbe-
sondere in Deutschland, den Antidemokraten gewaltigen Zu-
lauf brachten.
Die Wirtschaftskrise erreichte in Dänemark zur Jahreswen-
de 1932/33 mit einer Arbeitslosigkeit von knapp 44% aller
organisierten Arbeiter ihren Höhepunkt. Die Landwirtschaft
litt schwer an einer miserablen Exportkonjunktur. So blieb es
nicht aus, daß auch in Dänemark radikale Parteien am lin-
ken und rechten Rand des politischen Spektrums einen gewis-
sen Zulauf erhielten. Am rechten Rand hatten sich bereits seit
Ende der 20er Jahre politische Gruppierungen gebildet, die
offen Sympathien für den deutschen Nationalsozialismus
zeigten. Von einem wirklichen Einfluß der NS-Ideologie in
Dänemark war aber nicht einmal andeutungsweise etwas zu
spüren. Die zahlreichen, sich selbst auch so nennenden natio-
nalsozialistischen Gruppierungen und Parteien konnten in der
dänischen Bevölkerung weder eine größere Anhängerschaft
noch viele Wählerstimmen für sich gewinnen. Zwar verspür-
ten die Konservativen eine Zeitlang eine gewisse Affinität zu
Hitlerdeutschland. Das war aber weniger dem Nationalsozia-
lismus geschuldet als vielmehr dem starken Staat, den man
sich auch in Dänemark wünschte. Doch behielten auch in die-
ser Partei die demokratischen Kräfte letztlich die Oberhand.
Der dänische Nationalismus war durch den Zugewinn Nord-
112
Schleswigs gewissermaßen saturiert und schied dadurch – an-
ders als es in Deutschland der Fall war – in den 1920er und
30er Jahren als konstitutives Element für faschistisches Den-
ken aus. Abgesehen davon hatten sich die dänischen Sozial-
demokraten mit nationalen Positionen versöhnt, die sie noch
Jahre zuvor zum Teil energisch zugunsten des Internationa-
lismus zurückgewiesen hätten. Nation und Arbeiterklasse –
jedenfalls die sozialdemokratisch gebundene – standen sich
nicht länger unversöhnlich gegenüber. Ein weiterer Grund für
die geringe Bedeutung nazistischer Gruppierungen ist darin zu
sehen, daß anders als in Deutschland oder auch Italien die
dänische Kommunistische Partei ein von Moskau alimentier-
tes Schattendasein führte und politisch marginalisiert war –
wenngleich die DKP 1932 zwei Mandate im Folketing er-
obern konnte und 1939 sogar noch ein Mandat hinzugewann.
Es gab keinen Selbstzerfleischungskampf der linken Parteien,
der der antidemokratischen Rechten zugute kam.
Für die innenpolitische Entwicklung und die Stabilität der
Demokratie entscheidend war der Ende Januar 1933 ge-
schlossene historische Pakt zwischen sozialdemokratischer
Arbeiterbewegung und der von der Venstre repräsentierten
Bauernschaft, mit dem für die beiden von der Wirtschaftskrise
am härtesten getroffenen Bevölkerungsschichten ein Krisen-
bewältigungsprogramm realisiert werden sollte. Die Regie-
rung Stauning erhielt die Unterstützung der Liberalen für das
Verbot von Aussperrungen sowie die Zustimmung für Sozial-
hilfe- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Zu letzterem ge-
hörte der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere
durch den Bau von Brücken – am bedeutendsten war die
1935 fertiggestellte Brücke über den Kleinen Belt, die Jütland
mit Fünen verband.
Im Gegenzug stimmte die sozialdemokratisch geführte Re-
gierung einer Abwertung der Krone sowie Schutzzöllen zu,
um die Exporte der Bauern wieder in Gang zu bringen. Zu-
dem wurden durch Fördermaßnahmen Kätnerstellen geschaf-
fen, die rund 15 000 Kleinbauernstellen begründeten. Das
dafür benötigte Land wurde hauptsächlich durch staatlichen
113
Aufkauf aus Gutsbesitz herausgetrennt, dessen Ackerareal
sich dadurch um etwa ein Drittel verringerte. Damit konnte
der ländlichen Armut die Spitze gebrochen werden.
Der Pakt legte den Grundstein für eine expansive Wirt-
schaftspolitik, die in der ganzen zweiten Hälfte der 30er Jahre
andauern sollte. Die Staatsfinanzen wurden massiv eingesetzt,
um die Kaufkraft der Bevölkerung aufrechtzuhalten und den
Konsum anzukurbeln, wodurch wiederum Beschäftigung ge-
schaffen werden konnte. Dabei wurde jedoch streng darauf
geachtet, daß die Zahlungsbilanz im Außenhandel nicht nega-
tiv wurde.
Auf dem Gebiet der Außenpolitik wurde die Lage für Dä-
nemark in den dreißiger Jahren zusehends komplizierter.
Hatte die Einbindung in den Völkerbund dem Land nach dem
Ersten Weltkrieg einen politischen Spielraum ermöglicht, der
– trotz weiterhin verfochtener Neutralität – zu einer engeren
Zusammenarbeit mit anderen Kleinstaaten Nord- und West-
europas führte, so sah sich die Regierung in Kopenhagen nach
Hitlers Machtantritt zu einem vorsichtigeren außenpolitischen
Kurs genötigt. Denn die Grenzfrage schien nun auf deutscher
Seite wieder auf die Tagesordnung zu kommen. Zwar deutete
der Abbruch des ,Ostersturmes’ 1933, als einige Schleswiger
Nationalsozialisten durch einen spektakulären Marsch zur
Grenze deren Revision erzwingen zu können glaubten, durch
allerhöchste Parteistellen darauf hin, daß Berlin das Thema
nicht zu forcieren gedachte. Auch hatte kein führender deut-
scher Nationalsozialist öffentlich gefordert, daß Nordschles-
wig „heim ins Reich“ geholt werden müßte. Doch mit der
Aufkündigung der Versailler Verträge durch Hitler konnten
auch im Süden des Königreiches deutsche Grenzrevisionsfor-
derungen nicht ausgeschlossen werden.
Kopenhagen war gegenüber Berlin angesichts der immer
aggressiver auftretenden deutschen Außenpolitik sowohl bila-
teral als auch international um stete Zurückhaltung bemüht.
Die in Dänemark selbst von verschiedener Seite und allgele-
gentlich an die Regierung herangetragene Forderung, sich die
bestehende Südgrenze von Deutschland offiziell bestätigen zu
114
lassen, wurde von der Regierung Stauning nicht beachtet.
„Politik der Unsichtbarkeit“ wurde diese Haltung gegenüber
NS-Deutschland genannt. Und der Protagonist dieser Linie
war Außenminister Peter Munch, der der Radikalen Venstre
angehörte.
Doch trotz der äußersten Zurückhaltung im Völkerbund
bei Sanktionsforderungen gegenüber Deutschland, trotz stän-
digen Eingehens auf deutsche Wünsche, wie 1938 das Ein-
räumen der Benutzung dänischer Hoheitsgewässer durch
deutsche Kriegsschiffe: eine verbindliche Grenzgarantie kam
aus Berlin nicht. Als Hitler im Zusammenhang mit der Sude-
tenkrise äußerte, daß es, wenn dieses Problem gelöst sei, für
Deutschland in Europa kein territoriales Problem mehr gäbe,
wurde dies in Dänemark von vielen Stellen mit großer Er-
leichterung aufgenommen und als die erhoffte Grenzgarantie
interpretiert. Umgehend wandte sich aber der deutsche Ge-
sandte in Kopenhagen, Renthe-Fink, an die Regierung mit
dem Hinweis, Hitlers Aussage dürfe keineswegs auf die deut-
sche Minderheit in Nordschleswig bezogen werden.
Trotz eines am 31. Mai 1939 auf deutsche Initiative abge-
schlossenen Nichtangriffsvertrages und der noch am 1. Sep-
tember 1939 abgegebenen Neutralitätserklärung wurde Däne-
mark ein halbes Jahr später ebenfalls Opfer der national-
sozialistischen militärischen Aggression. Das Hauptziel der
Wehrmacht im Norden war zwar Norwegen, doch Dänemark
lag nun einmal auf dem Weg dorthin und wurde aus strategi-
schen und logistischen Gründen gebraucht.
Nach dem deutschen Überfall am 9. April 1940 und der –
abgesehen von den ersten Stunden – ohne Gegenwehr erfolg-
ten militärischen Besetzung sollte Dänemark allerdings, da
formell fortwährend souverän und sich selbst regierend, völ-
kerrechtlich und praktisch eine Ausnahme unter den von
Hitlerdeutschland besetzten Ländern einnehmen. Dies war
nicht zuletzt die Folge eines Besatzungsregimes, das Däne-
mark, anders als andere Staaten, weder einer deutschen Zivil-
verwaltung noch Militärverwaltung unterstellte, sondern
formell und weitgehend auch praktisch die grundlegenden ge-
115
seilschaftlichen, politischen und rechtlichen Verhältnisse im
Lande unberührt ließ. Alle politischen und Verwaltungsin-
stanzen blieben – zumindest in den ersten Jahren – in Funk-
tion. Es war das Ergebnis einer Besatzungspolitik, die – jeden-
falls in der ersten Hälfte – bestrebt war, vergleichsweise maß-
voll zu sein und Rücksicht auf die Dänen zu nehmen. Bis weit
in das Jahr 1942 hinein konnten die Besatzer es dabei belas-
sen, da die dänische (Sammlungs-)Regierung ihren Forderun-
gen in allen wesentlichen Punkten stets nachkam. Deren „Zu-
sammenarbeitspolitik“ ging so weit, daß sie die Rekrutierung
eines „Frikorps Danmark“ für den Einsatz an der deutsch-
sowjetischen Front tolerierte. Sie ließ sich sogar dazu bringen,
den Beitritt Dänemarks zum Antikominternpakt zu erklären.
Doch ab Sommer 1942 entstanden mit der wachsenden
dänischen Widerstandsbewegung und deren Sabotagetätigkeit
Probleme, die zu einer Krise in der Besatzungsregelung führ-
ten. Im Mai 1942 war Thorvald Stauning gestorben, dessen
Autorität wesentlich dafür gesorgt hatte, daß die Bevölkerung
die „Zusammenarbeitspolitik“ mittrug. Ein Zeichen für einen
neuen besatzungspolitischen Kurs wollte das Hitlerregime im
Herbst 1942 mit der Abberufung Renthe-Finks und der In-
stallation des SS-Gruppenführers Werner Best als neuen
Reichsbevollmächtigten setzen, der sich auch nicht mehr als
Gesandter akkreditieren ließ. Daß Berlin aber dennoch wei-
terhin an ,guten’ Beziehungen mit Kopenhagen gelegen war,
zeigt die Tatsache, daß es im März 1943 die verfassungsmä-
ßig anstehenden Parlamentswahlen zuließ, an der alle Parteien
(außer der verbotenen KP) teilnehmen durften und die ohne
deutsche Repression abliefen – auch dies eine Ausnahme im
besetzten Europa. Die Wähler bestätigten mit ihrem Votum
den Kurs der Regierung.
Im August 1943 kam es in Fragen der Widerstandsbekämp-
fung schließlich doch zum politischen Bruch; die dänische
Regierung trat zurück, aber die „Staatskollaboration“ (Hans
Kirchhoff) hörte damit nicht auf, sie wurde durch eine ,Regie-
rung’ der Staatssekretäre weitergeführt. Die dänische Ge-
sandtschaft in Berlin blieb bestehen, und das Auswärtige Amt
116
war weiterhin deutscher ‚Partner’, weil Dänemark von deut-
scher Seite weiterhin als souveräner Staat betrachtet wurde.
Zwar gab es durch Best gewisse Modifikationen, aber wider
Erwarten keine grundlegende Wende im Besatzungsregime. Es
wurde allerdings verschärft, um vor allem dem wachsenden
Widerstand und der Sabotage zu begegnen. Im Oktober 1943
kam deutsche Sicherheitspolizei nach Dänemark, das Land
bekam einen Höheren SS- und Polizeiführer und einen Be-
fehlshaber der Sicherheitspolizei, und seit 1944 praktizierte
Best sein Verordnungsrecht, mit dem er nun direkt in innere
dänische Angelegenheiten eingriff. In einer einzigartigen soli-
darischen Aktion verhalf die dänische Bevölkerung Anfang
Oktober 1943 ihren jüdischen Mitbürgern, die bis dahin von
der Besatzungsmacht weitgehend unbehelligt geblieben wa-
ren, nun aber in die deutschen Tötungslager deportiert wer-
den sollten, zur Flucht nach Schweden. Ab August 1944
übernahm die Besatzungsmacht praktisch die ausübende Ge-
walt, nachdem die dänische Polizei entwaffnet und interniert
worden war, und ihre Maßnahmen gegen die Widerstandsbe-
wegung wurden zunehmend brutaler.
Obwohl der Krieg durch die Blockade der Alliierten und
deutsche Lieferschwierigkeiten gewisse wirtschaftliche Ein-
schränkungen zur Folge hatte und auch gelegentliche Bom-
benangriffe der RAF den Krieg nach Dänemark führten, war
die faktische Lage nicht als regelrechter Kriegszustand im
völkerrechtlichen Sinne anzusehen. Dänemark wurde auch
nicht in den Krieg auf deutscher Seite hineingezogen. Selbst
nachdem die politische Zusammenarbeit am 29. August 1943
abgebrochen und kurzzeitig durch den militärischen Ausnah-
mezustand ersetzt worden war, schien unklar, ob Kriegszu-
stand herrschte. Kriegsrechtlich gesehen, kann wohl erst da-
von gesprochen werden, als Dänemark als alliierte Macht
anerkannt wurde. Das geschah bei der Befreiung am 5. Mai
1945 nach der deutschen Teilkapitulation in Norddeutschland.
Die fünfjährige Okkupation stellte den absoluten histo-
rischen Tiefpunkt der deutsch-dänischen Beziehungen dar.
Während sie auf deutscher Seite bis heute, wenn überhaupt,
117
eher als eine Episode im Gesamtzusammenhang des Zwei-
ten Weltkrieges wahrgenommen wird, ist sie für Dänemark
noch immer ein unbewältigtes Trauma, das sich in vieler-
lei Form und nicht zuletzt in tagespolitischen Äußerungen
Luft verschafft. Das Mißtrauen gegenüber dem Nachbarn im
Süden sitzt tief, und auch die (Vor-)Urteile über die Deut-
schen, die in der Besatzungszeit geprägt wurden, haben wei-
ter Bestand – trotz allgelegentlich an der Oberfläche ge-
pflegter Harmonie. Dies zeigten in den Europadebatten der
vergangenen Jahrzehnte immer wieder die von allen politi-
schen Richtungen instrumentalisierten antideutschen Ressen-
timents.
XII. Der Wohlfahrtsstaat – Dänemark nach 1945
Der Gründungsmythos des modernen Dänemark zieht eine
direkte Entwicklungslinie von den Agrarreformen des späten
18. Jahrhunderts über die Grundtvigsche Volksbildungs- und
-aufklärungstätigkeit, die Arbeiterbewegung und die Wahl-
rechtsreformen zur Entstehung und Ausformung des Wohl-
fahrtsstaates. 1934 tauchte im neuen Parteiprogramm der So-
zialdemokraten erstmalig das Schlagwort „Dänemark für das
Volk“ auf, und seitdem begann die Regierung Stauning –
nicht zuletzt auch unter dem Eindruck der Auswirkungen der
Weltwirtschaftskrise – zielbewußt ihre Reformarbeit. Schon
im Jahr zuvor war eine neue Sozialgesetzgebung verabschiedet
worden, die an die Stelle der überkommenen Armenfürsorge-
gesetze trat. Es wurde nun ein Rechtsanspruch der wirt-
schaftlich Schlechtergestellten sowie der unverschuldet in Not
Geratenen auf staatliche Hilfe festgeschrieben, wobei der
Staat einen Teil der vorher kommunalen Aufgaben übernahm.
Ein Finanzausgleich zwischen den Kommunen sollte einheit-
liche Lebensbedingungen im ganzen Land sichern. Schließ-
lich wurden Krankenversicherungspflicht, Arbeitslosen- und
Rentenversicherung neu geregelt. Das strategische reform-
118
politische Bündnis zwischen Sozialdemokraten und Radikale
Venstre hatte auch in der Nachkriegszeit Bestand. In den mei-
sten von einem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten ge-
bildeten Regierungen waren die Linksliberalen als Juniorpart-
ner vertreten – oder sie saßen mit den Sozialdemokraten auf
der Oppositionsbank.
Als der Krieg zu Ende war und auch in Dänemark sichtbar
wurde, was das deutsche Besatzungsregime in anderen Län-
dern angerichtet hatte, mußte man feststellen, daß das Land
relativ glimpflich davongekommen war. Trotz des individuel-
len Leids war die Zahl der Toten verhältnismäßig gering,
waren die Zerstörungen – abgesehen von Verkehrseinrichtun-
gen – kaum der Rede wert, und die wirtschaftlichen Lasten
wurden vor allem durch die Gewinne der Landwirtschaft
nahezu aufgewogen.
Das traditionelle politische System war im Laufe des letzten
Kriegsjahres durch den Macht- und Ansehenszuwachs der
Widerstandsbewegung zunehmend in Frage gestellt worden.
Dazu hatte auch beigetragen, daß erst die Aktionen dieser
Widerstandsbewegung dazu führten, daß die Westalliierten
Dänemark als Verbündeten anerkannten. Das politische Or-
gan dieser dänischen Resistance, der Freiheitsrat, hatte im
November 1943 einen Forderungskatalog für die Nachkriegs-
zeit aufgestellt, mit dem die etablierten Parteien nach dem
Ende der Besatzungsherrschaft einen Kompromiß eingehen
mußten. Die Kernforderungen waren strafrechtliche Verfol-
gung von Landesverrätern und Kollaborateuren, Wiedergut-
machung für die Opfer sowie Aufgabe der dänischen Neutra-
lität und Anschluß an die Westmächte. Diese drei Themen
sollten – neben wirtschaftspolitischen – die dänische Innen-
politik in den folgenden Jahren beherrschen. Dabei zeigte
sich, daß das taktische Geschick der etablierten Politiker viele
der radikalen Forderungen der Resistanceführer, die zudem
schnell in die Parteienpolitik integriert wurden, abschwächen
konnte. Das politische System der Vorkriegszeit konnte
schon nach wenigen Monaten wieder stabilisiert werden. Aus
den ersten Nachkriegswahlen im Herbst 1945 ging die Ven-
119
stre als Sieger hervor, so daß Dänemark erstmals seit 16 Jah-
ren wieder eine bürgerliche Regierung erhielt. Zwar konnte
die KP bei diesen Wahlen massive Stimmengewinne zu La-
sten der Sozialdemokraten verbuchen, womit die Wähler den
Einsatz der Kommunisten in der Widerstandsbewegung hono-
rierten, doch schon zwei Jahre später gewannen die Sozial-
demokraten ihre Stärke zurück und bildeten eine Minder-
heitsregierung.
Die drängendste außenpolitische Frage, die sich den Regie-
rungen nach dem Ende des Krieges stellte, war die der Positio-
nierung Dänemarks im Zusammenhang mit den entstehenden
politischen Blöcken. Zwar gehörte das Land zu den Grün-
dungsmitgliedern der Vereinten Nationen, doch da die poli-
tische Neutralität und das Engagement im Völkerbund
in der Zwischenkriegszeit die deutsche Okkupation nicht hat-
ten verhindern können, orientierten sich die Dänen nunmehr
in Richtung einer aktiven militärischen Bündnispolitik. Zwei
Lösungen boten sich an: zum einen die Integration in das ent-
stehende westliche atlantische System, zum anderen ein
Bündnis der skandinavischen Staaten. Letztere Alternative
wurde 1948 von den regierenden schwedischen Sozialdemo-
kraten ins Spiel gebracht, die ihre Schwesterparteien in Däne-
mark und Norwegen dafür ebenfalls interessieren konnten.
Der damalige dänische Ministerpräsident Hans Hedtoft ging
sogar so weit zu erklären, daß Dänemark nicht geneigt sei,
sich der Blockpolitik der Großmächte anzuschließen. Doch
die Verhandlungen zwischen den drei skandinavischen Staa-
ten scheiterten Anfang 1949: Schweden hatte die Ausweitung
seines Neutralitätsmodells auf die skandinavischen Nachbar-
länder vor Augen, während Norwegen die USA und Großbri-
tannien als Garantiemächte in irgendeiner Form in dieses
Bündnis eingebunden sehen wollte, was wiederum in Schwe-
den auf Widerstand stieß. Der Kalte Krieg und die Teilung
Europas sowie die Machtausweitung der Sowjetunion im Ost-
seeraum ließen die dänische Führung nun ganz auf die atlan-
tische Karte setzen, und so gehörte das Land (ebenso wie
Norwegen) im April 1949 zu den Gründungsmitgliedern der
120
NATO – mit einem Vorbehalt hinsichtlich der Stationierung
von Atomwaffen auf dänischem Territorium.
Die internordische Zusammenarbeit war durch dieses
sicherheitspolitische Votum indes nicht zusammengebrochen.
Sie hatte bereits tiefe Wurzeln geschlagen, da seit Beginn des
Jahrhunderts insbesondere auf sozial- und wirtschaftspoli-
tischem Gebiet eine Abstimmung der Gesetzgebung stattfand
und sich auch die kulturpolitische Kooperation seit dieser
Zeit in der Gründung einiger Vereinigungen niederschlug.
1951 wurde von Hans Hedtoft der Gedanke eines nordischen
Parlamentes wieder aufgegriffen, der allerdings insbesondere
bei den bürgerlichen Parteien in Norwegen auf heftigen Wi-
derstand stieß. Deshalb kam es nicht zu der engen, formali-
sierten parlamentarischen Kooperation, doch wurde 1952
immerhin der Nordische Rat als beratendes Organ gebildet,
das von Parlamentariern aus Dänemark, Norwegen, Schwe-
den und Island (ab 1955 auch Finnland) beschickt wurde. Ei-
ne Ergänzung erhielt dieses Gremium 1971 durch die Grün-
dung des Nordischen Ministerrates, in dem die Regierungen
der nordischen Staaten zusammenkommen. Diese beiden Or-
gane wurden zwar immer wieder als zahnlose Organisationen
beschrieben, wenn es um die Lösung ernster Probleme ging,
doch haben sie in besonderem Maße die internordische Inte-
gration befördert, die zu einer nahezu vollkommenen Anglei-
chung der Lebensverhältnisse und der politischen Kultur ge-
führt hat. Dazu hat auch wesentlich die fast hegemoniale
Stellung der Sozialdemokraten in der Politik der genann-
ten Länder beigetragen, deren gesellschaftspolitisches Modell
des dritten Weges zwischen Sowjetsozialismus und westlichem
Kapitalismus von der Bevölkerung in einem Maße akzeptiert
wurde, daß selbst in Phasen bürgerlicher Regierungen diese
als gute Sachwalter dieses Modells dienten, wie mitunter
überspitzt hervorgehoben worden ist. Allerdings hat der
skandinavische Wohlfahrtsstaat in Dänemark nicht solche
Verästelungen hervorgebracht wie in den nördlichen Nach-
barländern, da die dänische Gesellschaft, wie einmal treffend
formuliert wurde, stets von zwei Kräften gelenkt wird: zum
121
einen vom sozialistischen Gleichheitsideal, zum anderen vom
Liberalismus. Dies drückt sich auch sinnfällig in den Regie-
rungsbildungen und dem nahezu regelmäßigen Wechsel zwi-
schen Sozialdemokraten und Venstre aus, wobei die überwie-
gende Mehrzahl der 24 Regierungen (nämlich 21) seit Kriegs-
ende Minderheitskabinette waren. Der Zwang zum Konsens,
um bei Abstimmungen parlamentarische Ad-hoc-Mehrheiten
zu gewinnen, förderte eine besondere dänische politische Kul-
tur, in der trotz gelegentlich harter Auseinandersetzungen in
der Sache stets die Bereitschaft zum Dialog und Eingehen auf
die Argumente des anderen vorhanden ist. Auf parlamentari-
scher Ebene findet die politische Debatte seit 1953 nur noch
im Folketing statt, weil durch die im selben Jahr verabschie-
dete neue Verfassung die zweite Kammer, der Landsting, ab-
geschafft wurde.
Auch wirtschaftspolitisch setzten die Dänen nach dem
Krieg lange Zeit auf eine Zusammenarbeit mit den skandina-
vischen Nachbarn. Es herrschte weitgehend Einigkeit darin,
daß für das Land eine Freihandelspolitik das beste wäre. Die
Sozialdemokraten verfolgten diese Linie, um die Grundlagen
für die Wohlfahrtspolitik zu schaffen, während die Liberalen
den Freihandel sowieso prinzipiell befürworteten. Ab 1948
profitierte Dänemark von der Marshallplanhilfe, durch die
zum einen die Währung gestützt wurde und zum anderen die
Importe von Rohstoffen und Maschinen (vor allem aus den
USA) gefördert wurden, was wiederum zu einer durchgreifen-
den Modernisierung und Rationalisierung in Landwirtschaft
und Industrie führte. Durch die Mitgliedschaft in der OEEC,
dem Vorläufer der OECD, wurde Dänemark schon in der
unmittelbaren Nachkriegszeit in die Internationalisierung der
Wirtschaft einbezogen. Doch herrschte darüber hinaus Unei-
nigkeit hinsichtlich der Einbindung in supranationale Organi-
sationen. Modelle wie das der Beneluxstaaten oder die Mon-
tanunion wurden für Nordeuropa zwar angedacht, erwiesen
sich in der Umsetzung aber als schwierig und wurden schließ-
lich von der internationalen Entwicklung überholt. Denn nun
kam Ende der fünfziger Jahre die westeuropäische Wirtschaft-
122
liehe Integration auf die Tagesordnung, und für Dänemark
stellte sich damit die Beitrittsfrage. Trotz prinzipieller Befür-
wortung insbesondere durch die Venstre waren es die Rück-
sichtnahme auf Großbritannien, dem damals noch wichtig-
sten Absatzmarkt, sowie die Orientierung nach Norden, die
zu diesem Zeitpunkt einen Beitritt verhinderten. Politisch und
ideologisch kam den Dänen dagegen die Freihandelszone
EFTA entgegen, zu deren Gründungsmitgliedern sie gehörten,
obwohl diese wirtschaftlich wenig Gewinn brachte, weil die
Landwirtschaft ausgeklammert blieb. Es mußten deshalb be-
zogen auf die Landwirtschaft weiterhin bilaterale Verträge
mit den Hauptabnehmerländern getroffen werden.
Die EG-Debatte verstummte indes auch in den sechziger
Jahren nicht. Besonders die Landwirtschaft machte sich für
einen Beitritt stark, und in dem Maße, wie die internationale
Konkurrenzkraft der dänischen Industrie wuchs, stieg auch in
diesen Kreisen das Interesse an einer Mitgliedschaft. Ent-
scheidend war auch, daß die Bedeutung Großbritanniens als
Handelspartner stark zurückging, dagegen aber der kontinen-
tale Markt, voran der deutsche, an Bedeutung gewann. Als
sich 1967 eine breite parlamentarische Mehrheit für eine EG-
Mitgliedschaft fand, scheiterte der dänische Beitrittswunsch
an der starren Haltung Präsident de Gaulles, der keine Erwei-
terung der Gemeinschaft wollte, wobei er aber in erster Linie
an England dachte. Erst nach der Entmachtung de Gaulles
war der Weg in die EG für Dänemark frei, dem sich nun auch
Großbritannien anschloß. Zwar sind die Dänen seit 1973 in
der Europäischen Gemeinschaft, doch hat sich in der Bevölke-
rung eine gehörige Portion Euroskeptizismus gehalten, der bei
den verschiedenen Reformvorhaben der Gemeinschaft (ab
1993 EU) regelmäßig zum Ausdruck kam. So konnte die Re-
gierung die Zustimmung des Volkes zum Maastricht-Vertrag
1993 erst im zweiten Anlauf und nach Nachverhandlungen
über dänische Sonderbestimmungen gewinnen, denn das Re-
ferendum hatte im Jahr zuvor nach bitteren politischen De-
batten den Maastricht-Gegnern die Mehrheit gebracht. Ähn-
lich verhielt es sich mit der europäischen Währungsunion: Die
123
Einführung des Euro wurde im September 2000 per Volksent-
scheid abgelehnt, obwohl die großen Parteien und die Wirt-
schaft dafür plädiert hatten.
Dänemark hat in den letzten 25 Jahren – wie andere Indu-
strieländer auch – einen einschneidenden gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Wandlungsprozeß erlebt. Die fünfziger
und insbesondere sechziger Jahre waren eine Epoche des steti-
gen wirtschaftlichen Wachstum gewesen, in der der Ausbau
des Wohlfahrtsstaates konsensual vorangetrieben wurde, wo-
bei in der Wohlfahrtsgesetzgebung das Prinzip des Universalis-
mus verankert wurde, d. h. des Anspruches nicht nur Bedürfti-
ger, sondern aller Einwohner auf Leistungen des Staates. Im
selben Zeitraum wurde das Bildungswesen grundlegend refor-
miert: Ausgehend von einer Umstrukturierung der Grund-
schulen, erlebten die Gymnasien und die Hochschulen explo-
sionsartige Zuwächse, neue Universitäten wurden gegründet.
Gleichzeitig fand in der Wirtschaft eine zweite industrielle
Revolution statt, die nicht nur Auswirkungen auf die Beschäf-
tigungsstruktur hatte, sondern auch gewissermaßen zu einer
Urbanisierung der Provinz führte, indem die industrielle Fer-
tigung von den traditionellen großstädtischen Zentren an den
Rand mittelgroßer Städte verlagert wurde, wo die in der Land-
wirtschaft freigewordenen Arbeitskräfte genutzt werden konn-
ten. Der Dienstleistungssektor spielte in dieser Entwicklung
eine immer größer werdende Rolle. Erleichtert wurde der Pro-
zeß durch einen weiteren Ausbau der Verkehrswege. Neue
Wohnstrukturen bildeten sich heraus, die vorstädtische Eigen-
heimsiedlung wurde zum Sinnbild der Wohlstandsgesellschaft.
Auch in der politischen Landschaft kam es zu Veränderun-
gen, die allerdings erst in der Wirtschaftskrise der siebziger
Jahre sichtbar wurden. Die sogenannten Erdrutschwahlen von
1973 haben die Parteienlandschaft nachhaltig durcheinander-
gebracht. Bis dahin konnten die vier traditionellen Parteien
stets rund 90% der Wähler an sich binden, 1973 fiel dieser
Anteil auf unter 60%. An beiden Rändern des politischen
Spektrums waren Protest-Gruppierungen entstanden, um die
sich eine wachsende Klientel Unzufriedener scharte. Am be-
kanntesten wurde die Steuerprotestpartei des Mogens Gli-
strup, die populistisch gegen die hohe Steuerbelastung und
das Anwachsen des öffentlichen Sektors agitierte. Am linken
Rand bildeten sich – ausgehend von studentischem, außerpar-
lamentarischem Protest – sogenannte neue soziale Bewegun-
gen, von denen die Umweltschutz- und die Frauenbewegung
nicht nur die dauerhaftesten, sondern auch die einflußreich-
sten wurden.
Die politische Zersplitterung und die wirtschaftliche Krise
mit einer ständig ansteigenden Arbeitslosenquote stellten das
politische Establishment vor große Herausforderungen. Die
konservativen Regierungen unter Poul Schlüter haben in den
achtziger Jahren die Antwort in einer Einschränkung der
öffentlichen Ausgaben und im Zurückschrauben wohlfahrts-
staatlicher Leistungen gesucht, wodurch zwar der Haushalt
stabilisiert werden konnte, doch die Zahl der Arbeitslosen
weiter zunahm. Harte Arbeitskämpfe waren die Folge. Nach
einer elfjährigen Regierungszeit Schlüters mit wechselnden
bürgerlichen Koalitionen konnte sich 1993 das traditionelle
Bündnis aus Sozialdemokraten und Linksliberalen unter Poul
Nyrup Rasmussen wieder durchsetzen. Die wirtschaftspoli-
tische Linie Schlüters wurde im Prinzip beibehalten, wobei
allerdings – begünstigt vom internationalen Wirtschaftsauf-
schwung – wieder ein stärkeres Augenmerk auf die Sicherung
des Wohlfahrtsstaates gelegt wurde. Investitionen der öffent-
lichen Hand, Beschäftigungs- und Weiterbildungsprogramme
sowie eine Flexibilisierung der Arbeitsgesetzgebung haben
einen starken Abbau der Arbeitslosigkeit ermöglicht, so daß
Dänemark, was die Wirtschaftsdaten angeht, am Beginn des
neuen Jahrtausends im europäischen Vergleich einen vorderen
Platz einnimmt.
125
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127
Personenregister
Abel (Kg.) 26
Erik v.Pommern (Kg.) 33–39
Absalon 23, 24
Erik XIV. (schwed. Kg.) 64
Adam v.Bremen 17
Eskil 19
Adolf Hz. v. Schleswig 58
Estrup, J. B. S. 105
Adolf VIII. Gf. v.Holstein 40, 41
Ethelred (angels. Kg.) 11
Albrecht v. Mecklenburg 33
Andersen, Hans Christian 89
Franz I. (franz. Kg.) 52
Anna Petrowna (russ. Zarin) 96
Frederik I. (Kg.) 42, 43, 46–49
Frederik II. (Kg.) 58, 62, 64–66
Bernard v. Clairvaux 19
Frederik III. (Kg.) 69–75
Bernsdorff, Andreas 84
Frederik VI. (Kg.) 84, 93, 97
Bernstorff, Johann 96
Frederik VII. (Kg.) 98
Best, Werner 115, 116
Bismarck, Otto 103
Gerhard Gf. v. Holstein 28, 29
Bogislav v. Pommern 37
Glistrup, Mogens 124
Bugenhagen, Johannes 51
Godfred (Kg.) 6, 7
Geye, Mogens 53
Christian I. (Kg.) 39–43
Grundtvig, Nikolai 102, 104, 105,
Christian II. (Kg.) 40, 45–48,
117
50–52, 58, 59, 61
Gustav Adolf (schwed. Kg.) 64
Christian III. (Kg.) 44, 50, 53–58,
Gustav Wasa (schwed. Kg.) 40, 46,
64
51,
52,
64
Christian IV. (Kg.) 62, 68, 69, 87
Christian VII. 80, 82, 84
Håkon (norw. Kg.) 32
Christian VIII. (Kg.) 98
Halfdan 10
Christian X. (Kg.) 109
Hans (Kg.) 42, 43, 45, 48
Christoph Gf. v. Oldenburg
Hans Hz. v. Hadersleben 58
52–54
Hansen,
H.P.
108
Christopher I. (Kg.) 26
Harald Blauzahn (Kg.) 10
Christopher II. (Kg.) 28, 29
Hedtoft, Hans 119, 120
Christopher v. Bayern (Kg.) 38, 39
Heinrich VIII. (engl. Kg.) 52
Colbjørnsen, Christian 84
Hemming (Kg.) 7
Cromwell, Oliver 70
Hitler, Adolf 113, 114
Hobbes,
Thomas
75
de Gaulles, Charles 122
Høegh-Guldberg, Ove 81, 82
Dorothea 42
Hørup, Viggo 105
Engelbrekt Engelbrektsson 36
Ivan IV. (russ. Zar) 64
Erik Glipping (Kg.) 27, 28
Erik IV. (Kg.) 26
Jacob (Kg. v. Schottland) 42
Erik Menved (Kg.) 28
Johan III. (schwed. Kg.) 64
Johann Gf. v. Hoya 52
Peter III. (russ. Zar) 96
Johann Hz. v. Sonderburg 58
Pio, Louis 102, 103
Karl d. Große 6–8
Ragnar Lodbrok 9
Karl d. Kahle (westfr. Kg.) 9
Rantzau, Daniel 66
Karl Friedrich Hz. v. Gottorf 96
Rantzau, Johann 53, 54
Karl III. (westfr. Kg.) 9
Rasmussen, Poul Nyrup 124
Karl Knudsson Bonde 39, 40
Renthe-Fink, Cecil 114, 115
Karl V. (Ks.) 46, 52
Reventlow, Christian 84
Karl X. Gustav (schwed. Kg.) 71,
Reventlow, Ludwig 84
72
Karl XI. (schwed. Kg.) 72
Saldern, Caspar v. 96
Katharina II. (russ. Zarin) 96
Saxo Grammaticus 23
Kierkegaard, Seren 89
Schimmelmann, Ernst 84
Knud d. Große (Kg.) 11, 12
Schlüter Poul 124
Knud Gyldenstierne 48
Shakespeare 22
Knud IV. d.Heilige (Kg.) 20
Stauning, Thorvald 110, 112, 114,
Knud VI. (Kg.) 18, 24
115,117
Struensee, Johann F. 80, 81, 89
Ludwig v. Brandenburg 29
Svend Estridsen (Kg.) 20
Luther, Martin 48, 49
Svend Gabelbart (Kg.) 10, 11
Magnus Eriksson (schwed. Kg.) 29
Tausen, Hans 48, 49, 55
Margarethe I. (Kg.) 32–35, 40
Tilly, Johan 67
Munch, Peter 114
Waldemar I. d. Große (Kg.) 18,
Napoleon 90, 91
22–24
Nelson, Horatio 90
Waldemar II. d. Sieger (Kg.) 18,
Niels (Kg.) 23
24–26
Waldemar IV. Atterdag (Kg.)
Oehlenschläger, Adam 89
29–32, 37
Olav (norw. Kg.) 32
Wallenstein, Albrecht 67
Olav Tryggvason (norw. Kg.) 11
Willoms, Dyveke 45
Olof Skötkonung (schwed. Kg.) 11
Willoms, Sigbrit 45
Oxe, Peder 66, 67
Wilson, Woodrow 108
Wullenweber,
Jürgen
50–54
Paul (russ. Zar) 96
Peter I. d. Große 96
Zahle, C.Th. 107, 109