Literarische Strömungen der Jahrhundertwende Friedrich Nietzsche - Also sprach Zarathustra
Nie zuvor war die deutsche Literatur stilistisch und formal so vielgestaltig wie in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Zwar hatte der Naturalismus seine stilbildende Kraft bereits Ende des 19. Jahrhunderts verloren, doch wirkte er noch in das Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg, vor allem im Theaterschaffen fort. Die naturalistischen Künstler, die stark durch den wissenschaftlichen Positivismus der Zeit beeinflusst waren, widmeten sich oft sozialkritischen Stoffen, was auf massive Kritik seitens Kaiser Wilhelms II. stieß. Als bekanntester Repräsentant darf Gerhart Hauptmann gelten, dessen Drama "Die Weber" (1892 zunächst als "De Waber" erschienen) seine Bedeutung bis heute nicht verloren hat.
Abgelöst - oder wie der Theoretiker der Epoche, Hermann Bahr (1863-1934), sagte: "überwunden" - wurde der Naturalismus von einer Vielzahl neuer Richtungen, die allein die Abkehr von ihm und der Gesellschaft des Kaiserreichs einte. Obwohl auch sie in Großstädten wie Berlin, Wien und München beheimatet waren, organisierten sich ihre Vertreter eher in exklusiven Zirkeln, wie dem George-Kreis oder dem "Jungen Wien". Für den literarischen Impressionismus, die Neoromantik oder den Symbolismus sind "décadence", "Geheimnis", "Schönheit" und "Seele" Schlüsselbegriffe;
Friedrich Nietzsche und die Künstler der französischen Moderne des 19. Jahrhunderts sind die Ahnherren der neuen Kunst. Durch ihre Vermittlung erfährt auch die deutsche Romantik eine Neubewertung. Man glaubte, die Welt sei nur im Ästhetischen zu retten; der Dichter wird erneut zum Seher. Bedeutende, zumeist hermetische Dichtung wird von Stefan George, Rainer Maria Rilke und Hugo von Hofmannsthal geschaffen. Die gegennaturalistische Kunst bildete für viele Literaten jedoch nur eine Übergangsphase in ihrer Entwicklung, so für Hermann Hesse, Thomas oder Heinrich Mann. Letzterer liefert in seinem Roman "Der Untertan" eine Abrechnung mit der spießbürgerlichen Welt der wilhelminischen Ära.
Der literarische Expressionismus machte es sich zum Ziel, die nuancierte, feinsinnige Betrachtung durch eine ausdrucksstarke, "expressive" Dichtung zu ersetzen, um so wieder zum "wahrhaften Menschen" und seinem "Wesen" vorzudringen. Er erlebte in der Zeit vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine kurze, intensive Blüte. Die Expressionisten litten am Sinnverlust in der Welt ihrer Väter; ihre Literatur richtete sich gegen Gewalt, Kapital und Staat und versteht sich - durchaus politisch - als eine "Dichtung der Weltveränderung". Sie will zerstören, um zum neuen Leben zu gelangen. Die sehr facettenreiche Bewegung, zu deren bedeutendsten Vertretern Gottfried Benn, Else Lasker-Schüler, Georg Heym oder Georg Trakl zählen, ist von August Strindberg (1849-1914), der Lebensphilosophie und wiederum Nietzsche beeinflusst und hält bis in die Mitte der Zwanziger Jahre an.
Im wilhelminischen Deutschland ist die Literatur zu einer Institution von gesamtgesellschaftlicher Relevanz geworden. Gerade durch ihre Distanz zum Geist der Zeit gibt sie über diesen Auskunft, und gerade das macht sie bis heute bedeutsam.
Jahrhundertwende
Welche Jahrhundertwende? Natürlich die vom 19. zum 20. Jahrhundert! Aber warum wird ein kalendarischer Begriff (und noch dazu ein nicht ganz eindeutiger) zur Bezeichnung einer literarischen Epoche verwendet? Offensichtlich, weil die Zeit der homogenen Epochenstile in der deutschsprachigen Literatur endgültig vorüber ist. Schon der kurzlebige Naturalismus der 1890er Jahre drückt nur noch eine literarische Perspektive unter anderen aus. Und in den Jahren um 1900 zeigt die deutschsprachige Literaturszene unübersehbar eine bis dahin ungekannte Pluralität der Stilrichtungen. Ein Anfänger von damals, Thomas Mann, hat dies später rückblickend beschrieben: "Merkwürdig genug: der Naturalismus war an der Tagesordnung, und Gerhart Hauptmann galt als sein Fahnenträger [...] die geisterhaften Suggestionen der späten Ibsen-Stücke waren da; die vom französischen Parnass herstammende, esoterische Spracherneuerung Stefan Georges [...]; die kulturgesättigte [....], wienerisch-mürbe Kunst Hugo von Hofmannsthals; der pathetisch-moralisierende Sexual-Zirkus Frank Wedekinds; Rilke und sein so neuer, so verführerischer lyrischer Laut, all das behauptete Gleichzeitigkeit, war Willensausdruck dieser sehr reich bewegten Zeit [...]." Und das Bild wird noch vielfältiger, wenn man z.B. die damals so erfolgreiche, zivilisationskritische "Heimatkunstbewegung" hinzunimmt, oder die Tradition der proletarischen Literatur, oder die beiden großbürgerlichen Jungautoren Thomas und Heinrich Mann, oder auch einen Zeitgenossen wie Karl May...
Zu konstatieren ist, dass die Literatur dieser Jahre weder eine einheitliche Weltsicht noch eine gemeinsame Sprache besitzt; das kann man sehr allgemein als fortschreitende Differenzierung erklären, wie sie für alle Bereiche moderner Gesellschaften kennzeichnend ist. Eine spezifischere Erklärung könnte darauf abheben, daß all die genannten Autoren und literarischen Strömungen sich in einer kritischen Spannung und Distanz zur Realität des wilhelminischen (oder auch habsburgischen) Kaiserreichs befinden und sie auf die eine oder andere Weise auch artikulieren. Dabei geht es an der Oberfläche gegen die geistfeindliche, autoritäre und waffenstarrende Fassade des Kaiserreichs, in der Tiefenstruktur aber gegen den gerade um 1900 kulminierenden Prozeß der ökonomischen, industriellen und technologischen Modernisierung, der Entwicklung zum Finanz- und Monopolkapitalismus. Damit geraten die Künstler, die sich bislang noch als Repräsentanten des gesellschaftlichen Ganzen fühlen durften, endgültig ins Abseits, sie werden - auf jeweils verschiedene Art - zum "Opponenten der Gesellschaft, zu ihrem Außenseiter" (Hans Schwerte). Als Abgrenzungs- und Kampfbegriff für die meisten dieser Tendenzen gewinnt der - aus dem französischen Symbolismus übernommene - Begriff der "Moderne" an Faszinationskraft. (Die künstlerische "Modernität" war insofern, auch wenn das heute seltsam klingt, Gegenprogramm zur gesellschaftlichen "Modernisierung".)
Der "Stilpluralismus" der Jahrhundertwende (Viktor Zmegac) ist insofern nicht nur ein ästhetisches Oberflächenphänomen, sondern Resultat eines grundsätzlich neuen, sagen wir ruhig: modernen Verhältnisses von Literatur und Gesellschaft. Die Literatur wird hier auf bisher ungekannte Weise mit ihrer eigenen Machtlosigkeit angesichts der harten gesellschaftlichen Tatsachen konfrontiert - und reagiert darauf mit experimenteller Pluralisierung. Eben dies macht die Literatur der Jahrhundertwende um 1900 auch und gerade für die Beobachter an der Jahrhundertwende von 2000 zu einem faszinierenden und vielleicht lehrreichen Gegenstand.
Also sprach Zarathustra
"Für meine Generation war er das Erdbeben der Epoche und seit Luther das größte deutsche Sprachgenie." Dies schreibt Gottfried Benn zu Friedrich Nietzsche und kennzeichnet damit die eruptive Gewalt, die seinen Werken innewohnt - Nietzsche ist der Philosoph, der mit ausdrucksvoller Geste und lyrischem Empfinden Dichtung schreibt; Nietzsche ist der Dichter, der in seinen Gleichnissen, Träumen, Gesängen und Gedichten philosophiert und theologisiert. Das Wort vom Gesamtkunstwerk muss hier erwähnt werden, denn so will Nietzsche den Zarathustra verstanden wissen. In Ecce Homo schreibt er: "Man darf vielleicht den ganzen Zarathustra unter die Musik rechnen." Und an anderer Stelle bezeichnet er das Werk als "fünftes Evangelium."
Die Grenzen zwischen Dichtung, Musik, Philosophie und Theologie sind unscharf geworden, und Nietzsche geht mit allem, was ihm zur Verfügung steht - Geist, Seele und letztlich auch Körper -, daran, diese unscharfen Grenzen zu überprüfen, ihre Durchlässigkeit zu zeigen und sie zu überschreiten. Möglich geworden ist dies, weil der Urgrund jener Grenzen hinfällig geworden ist: "Gott ist tot", verkündet Nietzsche - und es sei betont, dass er es verkündet, keineswegs behauptet. Gott ist tot: die Ungeheuerlichkeit dieser Aussage wird solange missverstanden, solange sie unter dem Vorwand der Blasphemie bekämpft wird - Scheingefechte auf einem Terrain, das längst verloren ist. Die Folgen dessen, was Nietzsche konstatieren muss, treten erst im Laufe des 20. Jahrhunderts immer deutlicher zutage und sind mit Namen wie Auschwitz, Hiroshima oder Vucovar auf schreckliche Weise verbunden.
Umwertung aller Werte, Wille zur Macht, Lehre vom Übermenschen und ewige Wiederkehr des Gleichen sind Schlagworte, die vor allem eines bezeichnen: die grausame, aber auch zukunftsweisende, vielleicht sogar ermutigende Aktualität Nietzsches. Zukunftsweisend erscheint sie, da sich Nietzsche wie kaum ein anderer den Widersprüchen und Unsicherheiten ausliefert, die aus den philosophischen Bemühungen um Sinngebung resultieren. Grausam wird seine Aktualität, da es gerade diese Widersprüche und Unsicherheiten sind, derer sich die blonden Bestien, die Schergen der Macht und des reduzierenden, reduzierten Denkens bedienen, um damit ihre Tötungsmaschinerie zu rechtfertigen. Nietzsche sieht dies voraus; er will - ganz entgegen seinem sonst so ausschweifenden und unbezähmbaren Denken - Zäune um seine Gedanken haben, damit sich nicht andere unberechtigt auf ihn berufen können: ein verzweifelter Versuch, rückgängig zu machen, was nicht mehr rückgängig zu machen ist - wie der 'Tod Gottes', wie das Wissen um die Atombombe, wie das Wissen um Genmanipulationen. Erschreckend ist ebenso, mit welcher Selbstverständlichkeit eintritt, was er vorhergesehen hat und in welcher Weise es sich heute manifestiert. Der Tod Gottes, den Zarathustra ausruft, ist der logische Schlusspunkt eines Prozesses, der sich in der abendländischen Philosophie seit der Aufklärung vollzogen hat und dessen Auswirkungen heute mehr denn je zu spüren sind. Jener Gott, der einst alle Kräfte in der Hand hatte, muss sie nun ihrer Unbändigkeit überlassen - ein Auseinanderstieben des vorher Festgefügten und Geordneten ist die Folge. Nichts anderes besagt das Wort von der Umwertung aller Werte: der Mensch wird auf sich selbst zurückgeworfen, nachdem ihm die Möglichkeit genommen ist, seine Existenz auf einen Gott, auf ein Reich außerhalb der Erde zu gründen. "Einst war der Frevel an Gott der größte Frevel, aber Gott starb, und damit starben auch diese Frevelhaften. An der Erde zu freveln ist jetzt das Furchtbarste, und die Eingeweide des Unerforschlichen höher zu achten als den Sinn der Erde!" Der neue Mensch ist der Mensch in seiner physischen Existenz, der allein dem Sinn der Erde verpflichtet ist, "ein Übergang und ein Untergang", Bewegung ohne sinngebende Stütze, ohne göttliches Zentrum.
Zweierlei sei als Konsequenz dessen genannt: das gewaltige Anschwellen vordergründig sinnstiftender Begriffe, die aber auf nichts anderes mehr verweisen können als auf sich selbst, weil ihre Inhalte längst verloren sind, und die mit dem nächsten Wechsel der Mode von ebensolchen Begriffen abgelöst werden. All dies mündet in dem aufgeblähten Spiel einer in die Ästhetik flüchtenden Industrie des 'Sinn-Konsums', die dem Zwang erlegen ist, ständig Neues anbieten zu müssen, das es, hinterherhastend, sich anzueignen gilt und das sich vom Alten nicht mehr unterscheidet. Ewige Wiederkehr des Gleichen, täglich tausendfach erprobt, in Game-Shows und Videospielen für ein auf Sensationen versessenes Publikum, das sich von seiner eigenen Langeweile ablenken lässt und dazu nur bunt aufgemachte Langeweile benötigt.
Als zweite Konsequenz des Gottesverlustes kann die Hinwendung zur lebenswichtigen Bedeutung der Erde gesehen werden. Sie erscheint heute - Ende des 20. Jahrhunderts, nicht mehr vor, sondern bereits inmitten der ökologischen Katastrophe - dringlicher und bedenkenswerter denn je. Denn wenn auch Nietzsches Forderung nach dem dionysischen Konzept des neuen Menschen, dessen Denken sich der technologischen Auslöschung der Natur entgegenstellt, mittlerweile Allgemeingut sämtlicher esoterischer Erlösungsbewegungen geworden sein mag, so hat sich de facto bislang nur wenig geändert: immer brutaler wird die Zerstörung des Lebensraumes, die Selbstzerstörung des Menschen, der sich von einem Denken nicht lösen kann, das in (finanziell) rechenbaren Dimensionen der Verwertung gefangen ist.
Also fordert Nietzsche den neuen Menschen - einen Neubeginn aus sich selbst, ähnlich dem der Natur im Sinne der griechischen physis, demjenigen, das aus sich selbst ist.
Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen.
Ja, zum Spiele des Schaffens, meine Brüder, bedarf es eines heiligen Ja-sagens: seinen Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt sich der Weltverlorene.
Ein Spiel, eine Bewegung aus sich selbst, ist auch der Zarathustra-Text, der von einer irritierenden Offenheit der Gedanken und der Sprache gekennzeichnet ist. Er präsentiert kein geschlossenes System, keine logisch aufbauende Argumentation, die ableitend und folgernd darlegen will. Satz für Satz, Absatz für Absatz wird der Leser mit Behauptungen und Gedanken konfrontiert, die einander teils stützen, sich teils wiederholen oder manchmal sogar widersprechen. Leerstellen dominieren den Text: Paradoxa, Diskontinuitäten, unverbunden Nebeneinander gestelltes, Rätselfiguren ergeben eine Zeichenvielfalt, die immer in Bewegung ist. "Man teilt sich nie Gedanken mit: man teilt sich Bewegungen mit, mimische Zeichen, welche von uns auf Gedanken hin zurück gelesen werden", so Nietzsche. Er schafft eine Dynamik der Begriffe, denen von keinem religiösen oder ideologischen Zentrum mehr eine feste Bedeutung zugewiesen wird und die nun - befreit - immer in Gefahr sind, in die endgültige Sinnlosigkeit abzugleiten: Es ist ein subversiver Akt, der sich letztlich auch gegen das Buch selbst richtet. Der Bedeutungsgehalt der Worte und Bilder ändert sich je nach Funktion und Zusammenhang. Was bleibt, ist Unbestimmtheit, Bewegung und ständiger Übergang, Grenzen, deren Funktion darin besteht, überschritten zu werden.
Ein Gesamtkunstwerk ist der Zarathustra, freilich ein monologisches; Nietzsche kann den romantischen Grund, der auch ihn bestimmt, nicht verhehlen. Das Problem des Künstlers als das eines individualistischen, subjektiven Geistes, das die Ästhetik von der Romantik bis hinein ins 20. Jahrhundert bestimmt, findet ein großes Beispiel im Zarathustra. Dabei gelingen Nietzsche Passagen wie z. B. das Nachtlied, die zum Schönsten gehören, was die deutsche Literatur zu bieten hat.
"Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen [...] Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden [...] Eine Begierde nach Liebe ist in mir, die redet selber die Sprache der Liebe [...] Ich kenne das Glück des Nehmenden nicht [...] Ein Hunger wächst aus meiner Schönheit [...] Nacht ist es: ach dass ich Licht sein muss! Und Durst nach Nächtigem! Und Einsamkeit! [...]"
Wiener Moderne
Wien war im ausgehenden 19. Jahrhundert eine rasch wachsende, multiethnische Stadt, in der sich auch soziale, nationale und religiöse Gegensätze aneinander rieben. Die Frauen begannen ihre Rechte einzumahnen, Industrie und Verkehr entwickelten sich stürmisch, der Doppelstaat Österreich-Ungarn krachte in seinem Gefüge.
Wie in Architektur, Malerei und Musik fand auch in der Literatur um die Jahrhundertwende ein Generationswechsel statt; das neue stilistische Spektrum reichte von - teilweise nostalgischer - Auflösung ins Ornament bis zur klaren Umsetzung von Funktion in Form.
Die kulturwissenschaftlichen Bezeichnungen für diese Epoche pendeln prompt zwischen innovatorisch getönten Kennzeichnungen und Endzeitetiketten: also Moderne, Jung-Wien oder Jugendstil versus Dekadenz oder Fin de Siècle.
Wir möchten mit dem interaktiven Lernpaket Literatur in der Wiener Moderne Wissen über diese faszinierende Zeit breit und leicht verfügbar machen: Die Literatur stellen wir dabei zwar ins Zentrum, doch zugleich versuchen wir, diesen Gegenstand in umfassende (kultur-)geschichtliche Zusammenhänge im Ganzen der k.u. k. Monarchie zu stellen.
Gegenströmungen zum Naturalismus 1890-1920
Die Wiener Moderne; Kaffeehausliteratur; Junges Wien:
Wien war um die Jahrhundertwende wichtiges kulturelles Zentrum und in verschiedenen Kunstrichtungen führend. Bedeutende Komponisten sind z.B.: Gustav Mahler.
Künstler gründeten die Wiener Sezession (Künstlervereinigung). Prunkbauten wie die Wiener Ringstrasse.
Jüdische Künstler wie Kraus, Schnitzler, Mahler oder Freud spielten eine wichtige Rolle. Sie waren liberal gesinnt. Nur durch die Hetze der Medien und Politik kam es zur Judenfrage. Sie seien an allem schuld.
Große Bedeutung hatten die Kaffeehäuser. Sie waren Treffpunkt der Literaten, Schauspieler, Journalisten und Künstler. Man diskutierte über politische, literarische, politische Frage und las sich gegenseitig neue Werke vor.
Im Kaffeehaus Griensteidl entsteht die Gruppe Jungwien (Schnitzler und Hofmannsthal). Ein typischer Kaffeehausliterat war Peter Altenberg (Cafe Zentral) er hatte schon die Kaffeehaussucht. Friedrich Torberg beschreibt in seinen Werk "Die Tante Jolesch" die typische Wiener Atmosphäre um die Jahrhundertwende.
Als Hauptstadt der Donaumonarchie und mit Kaiser Franz Josef I war Wien auch politisches Zentrum. Vielvölkerstaat viele Probleme.
Wirtschaftlich gesehen war Wien und Prag wesentlich besser dran, als Galizien, die Alpenländer, Serbien, Bukowina.
Dekadenzliteratur (hinfällig, brüchig) Themen: Verfall, Sterben, Untergang)
Wichtigste Vertreter der Wiener Literaturszene: Hugo von Hofmannsthal, Stefan Zweig,
Peter Altenberg, Friedrich Torberg, Arthur Schnitzler, Egon Friedell.
Arthur Schnitzler: 1862-1931
Jude, Sohn eines Arztes, selber Arzt, naturwissenschaftliche Ausbildung, guter Kontakt zu Sigmund Freud, Interesse an der Psychoanalyse, spät geheiratet, geschieden, Freund ist Hugo von Hofmannsthal. Kompliziertes Verhältnis zu den Frauen.
Milieu und Personen in seinen Werken:
Vertreter der gehobenen Gesellschaft wie Reiche, Offiziere, Studenten, Künstler, feine Damen.
Prostituierte, das "süße Mädel" aus der Vorstadt; aus niedrigstem Stand, naiv, einfach, ehrlich und zeigt echte Gefühle.
Themen:
Beziehung zwischen Mann und Frau, Kritik an Doppelmoral, Sexualität, Todesfurcht, Lüge und Wahrheit, Bewusstseinszustände, seelische Entwicklung.
Dramen: Der Reigen, Liebelei
Epik: Leutnant Gustl
Impressionismus:
Der Begriff stammt aus der bildenden Kunst. Wichtige Maler sind Claude Monet und Max Liebermann. Der Impressionismus setzt sich zuerst in Frankreich und später in ganz Europa durch.
Das wichtigstes Merkmal ist Abkehr vom Naturalismus und Abwendung von der Politik. Die Dichter zeichnen sich durch verfeinerte Wahrnehmungs- und Reizempfindlichkeit aus. Die Natur wir wahrheitsgetreu wiedergegeben. Detailtreue.
Der einmalige Augenblick wird festgehalten. Die Farben sind hell und leuchtend.
In der impressionistischen Literatur dominieren Stimmungsbilder und die Erzähltechnik des inneren Monologs.
Peter Altenberg - Der Landungssteg.
Jugendstil, Ästhetizismus:
Dieser Begriff ist ebenfalls der bildenden Kunst entlehnt. Das Ornament steht hier im Vordergrund. Typischer Vertreter war Gustav Klimt.
Motive sind Linien, Schlangenlinie, alles Fließende, Pflanzen, bewegte Wasser, Schwan, Haare die starr und leblos zu einem Ornament werden.
Die Wiener Werkstätten bemühen sich, alle Bereiche wie Schmuck, Geschirr, Möbel, Kleider, Stoffe, Briefmarken durchformt und ästhetisch gestaltet.
Der Dichter greift in die Natur ein.
Man wendet sich gegen protzige Bauten (Wiener Ringstrasse) und fordert einen neuen Baustil.
Es wurde ein Ausstellungsgebäude für die Wiener Sezession gebaut. Auffallendes Merkmal ist hier eine aus Ornament bestehende goldene Kuppel.
Weitere Jugendstilbauten sind die Wohnhäuser auf der linken Wienzeile und die Kirche am Steinhof.
Literaten waren Hugo von Hofmannsthal (ein Monarchist) und Rainer Maria Rilke.
Bürgerliche Literatur vor dem 1. Weltkrieg
Thomas Mann (1875-1955): stammt aus einer gutbürgerlichen, wohlhabenden Familie. Vater ist Deutscher, von ihm hat er die Frohnatur, Mutter ist Brasilianerin, von ihr hat er das Künstlerische Sinnliche. Bereits frühe Erfolge als Schriftstelle. 1905 heiratet er Katja Pringsheim, hat 3 Kinder mit ihr, die alle schriftstellerisch tätig sind. Thomas Mann sieht sich als Bildungsbürger, als Vertreter der europäischen humanistischen Kultur. Seiner Meinung nach sind Politik und Kunst unvereinbar. Ist sehr unpolitisch.
Beziehung zu Bruder Heinrich Mann:
viele Auseinandersetzungen wegen ihrer unterschiedlichen politischen und künstlerischen Ansichten. Der Kontakt wurde lange Zeit abgebrochen.
Thomas Mann lehnt den Nationalsozialismus von Anfang an ab. Die Gefahr liege in der Verbreitung des Mythischen, Geistfeindlichen, Irrationalen, Rauschhaften. In der Erzählung „Mario und der Zauberer“ warnt er vor den Gefahren des NS.
1933 Emigration: in die Schweiz, später in die USA und wird 1944 amerikanischer Staatsbürger. Wortführer gegen den Faschismus gemeinsam mit seinem Bruder Heinrich.
1936: Ausbürgerung aus Deutschland: Thomas Mann ändert seine Einstellung, politische Stellungnahme ist notwendig!
Im Exil: Reden gegen NS Regime, unterstützt Regimegegner, gibt Exilzeitschrift heraus. Die Brüder stärken den Widerstand gegen den Faschismus.
Werke von Thomas Mann:
Die Buddenbrooks, Der Zauberberg, Tod in Venedig, Dr. Faustus, Mario und der Zauberer.
Merkmale seiner Dichtung:
genaue Beobachtung, detaillierte Schilderung des bürgerlichen Milieus
Gegensatz zwischen Bürgern und Künstlern
soziale Ursachen und Spannungen bleiben im Hintergrund
keine politischen Themen
direkte Leseanreden (auktorial)
ironische Schreibweise: Humor und Ironie als Mittel der Kritik
Betonung der Rationalität.
Heinrich Mann: (1871-1950) sieht sich als politisch engagierter Schriftsteller, schreibt aus sozialer Überzeugung und übt scharfe Kritik am Wilhelminismus. Berühmte Werke: Professor Unrat, Der Untertan.
1933 flieht er nach Frankreich, 1940 in die USA wird Drehbuchautor.
Die Buddenbrooks: erhielt 1929 den Nobelpreis
Geschildert wird der Verfall einer Lübecker Kaufmannsfamilie deren Wohlstand innerhalb von vier Generationen geistig, körperlich und moralisch zerfällt. Es wird aber nur ein Zeitraum von 40 Jahren umfasst. Der letzte der Buddenbrooks ist Hanno, kein Bürger sondern Künstler. Er ist der Musik Wagners verfallen, ist übersensibel und lebensuntüchtig, damit ist der Untergang der Familie besiegelt. Hanno stirbt im Alter von 15 Jahren an Typhus. Die Hagenströms sind im Roman die wirtschaftlichen Neubürger, sie kaufen am Schluss das Haus der Buddenbrooks.
Mit der Wirklichkeitsmontage überträgt Mann dokumentarisches Material in die fiktive Handlung (autobiographische Teile sind auch dabei).
Literatur der Weimarer Republik (1918-1933)
Politische und wirtschaftliche Situation:
1918 Ende des 1. Weltkrieges
1919 Friedensvertrag von Versailles (Reparationszahlungen)
Weimarer Republik 1918-1933, sehr instabil, Reichspräsident Hindenburg war
gewähltes Staatsoberhaupt.
Inflation, Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit
1933 Machtergreifung Hitlers - vorerst Reichskanzler (1934 wir er Reichspräsident)
Literaturbetrieb und literarische Richtungen:
Sondergesetze regeln den Kulturbetrieb: Zensur; Verbote, Beschlagnahmungen;
Literaturprozesse, Bücherverbrennungen.
Tendenz zur Bestsellerliteratur, Vorliebe für Unterhaltungsliteratur, Trivialliteratur (= vermittelt Volksbildung im Sinne der Regierenden und zeichnet eine Traumwelt vor, welche die triste Wirklichkeit vergessen lassen soll).
Aufschwung der neuen Medien = Presse, Radio, Film
Es gibt unterschiedliche literarische Richtungen z.B.: völkische Literatur, bürgerliche Literatur, politische Literatur