Keller wurde am 19.7.1819 in Zürich geboren. Sein Vater war Drechsler. Nach dem frühen Tod des Vaters (1824) besuchte er bis 1834 verschiedene Schulen. Einen Studienaufenthalt in München - mit dem Ziel, Maler zu werden - brach er ab und begann seine literarischen Studien. Seine erste Gedichtsammlung (1846) verhalf ihm zu einem Stipendium in Zürich. 1848-1850 studierte Keller in Heidelberg Geschichte, Philosophie und Literatur. 1850-1855 lebte er in Berlin und danach wieder in Zürich als freier Schriftsteller. Von 1861 bis 1876 war er Erster Staatsschreiber des Kantons Zürich, danach widmete er sich nur noch seinen literarischen Arbeiten. Keller starb am 16.7.1890 in Zürich. Werke u.a.:1846 Gedichte 1851 Neuere Gedichte 1854/55 Der grüne Heinrich (1. Fassung) 1856 Die Leute von Seldwyla 1872 Sieben Legenden 1876 Romeo und Julia auf dem Dorfe 1878 Züricher Novellen 1879/80 Der grüne Heinrich (Neufassung) 1886 Martin Salander
Der bürgerliche Realismus 1848-1885: Politische und gesellschaftliche Situation:
beginnt mit dem Scheitern der bürgerlichen Revolution von 1848/49
endet in den 80er Jahren mit dem Vormarsch einer neuen Schriftstellergeneration
gebildete Bürgertum verzichtet weitgehend auf politische Macht und Mitsprache, überlässt dem Adel und Militär die politische Führung und erkauft sich so Wohlstand, soziale Ruhe und Ordnung
Vereinigung Deutschlands (1871) bringt enormen wirtschaftlichen Aufschwung
Ô hoch entwickelter Industriestaat
Österreich-Ungarn wird das industrielle Wachstum aus Angst der Regierung vor sozialen Unruhen u. hohe militärische Ausgaben verhindert.
Soziale Folgen der Industrialisierung (Anwachsen der Städte, finanzielle Not und unwürdige Lebensbedingungen der Industriearbeiter)
Verdreifachung der Bevölkerung (1860-1890) durch Erfindung neuer Medikamente und Erfolge in der Behandlung des Kindbettfiebers
In den späten 80er Jahren werden Kinderarbeit, Krankenfürsorge, Arbeitszeit und Arbeitslosenfürsorge gesetzlich geregelt
Karl Marx's Theorien kommen erst in den 90er
Für Dichter bedeutet dies, dass wahre Menschlichkeit nicht lebbar ist, in ihren Werken verweisen sie auf bestehende Traditionen und vermeiden radikale Darstellungen gesellschaftlicher und politischer Konflikte
Literarisches Leben: Aufschwung der Literatur durch
drucktechnische Fortschritte
Verbilligung und Vereinfachung des Literaturversandes durch die rasche Entwicklung des Postwesens
Bessere Schulbildung und Verringerung der Analphabeten
Langsames Reduzieren der Arbeitszeit und Erhöhung der Einkommen bürgerlicher Schichten
Lockerung der Zensur
Leihbüchereien und Volksbibliotheken entstehen
Billige Kolportageliteratur (Hausierhandel) wird angeboten
Wochen-Zeitschriften entstehen (1853 "Gartenlaube" Ô Grundstein für Massenpresse), diente zur Erziehung der Bürger zur Sitte und Moral
Ende des Jahrhunderts entwickelte sich die Illustrierte
Autoren müssen sich den Massenproduktionen und dem Geschmack des breiten Lesepublikums anpassen unterwerfen
Im Realismus herrscht grundsätzlich ein friedliches Nebeneinander von ästhetisch hochwertiger Literatur und Unterhaltungsliteratur, die vor gesellschaftspolitischen Zeitproblemen flüchtet, auch biedermeierliche Idyllen zeichnet oder exotische Abenteuer zum Thema hat z.B. Karl May. Poetischer bzw. epischer Realismus: Name stammt vom Dichter Otto Ludwig, er wendet sich gegen die Romantik u. Klassik (rücken Fantasie in den Vordergrund) und gegen tagespolitische Thematik des Vormärz. Merkmale der Literatur: vorwiegend bürgerliches Milieu (kein Arbeitermilieu); möglichst realistische Beschreibungen; objektive Schreibweise, Erzähler hält sich mit Wertungen zurück; Vorliebe für Epik Vertreter: Gottfried Keller mit Romeo und Julia auf dem Dorfe, Wilhelm Raabe, Theodor Strom Theodor Fontane (1819-1898): Apotheker, Journalist, Kriegsberichterstatter, Theaterkritiker, schrieb Balladen und Reisebücher, Schöpfer des deutschen realistischen Gesellschaftsromans z.B. Effi Briest, der (in der) im Berliner Adel- und Großbürgermilieu als Unterhaltungsroman gelesen wurde, andererseits ist dieser Roman auch ein kunstvoll gebauter epischer Text Ô Der Roman beschreibt wie eine junge Frau tragisch scheitert und schließlich stirbt, weil die handelnden Personen an traditionell-moralischen Werthaltungen gebunden sind. Effi Briest heiratet 17jährig den um 21 Jahre älternen Baron von Instetten, ein Jugendfreund ihrer Mutter. Sie vereinsamt nach kurzer Ehe. Ihr Mann ist lieb und gut, aber kein guter Liebhaber, Sie geht eine kurze Liebschaft mir Major Crampas ein. Nach Jahren findet ihr Mann Liebesbriefe von Crampas, erschießt seinen Rivalen und läßt sich von Effi scheiden. Das gemeinsame Kind wird ihm zugesprochen. Effi darf nicht zurück in ihr Elternhaus, so lebt sie in ärmlichen Verhältnissen in Berlin. Nach einem Wiedersehen mit ihrer Tochter stirbt sie.
Biedermeier und Vormärz 1815-1848: Wirtschaftliche Situation: Zunehmende Industrialisierung wirtschaftliche und soziale Umwältzungen Viele Erfindungen Eisenbahn, Dampfschiff, Telegraph, Papiermaschine Große soziale Gegensätze Verarmung der Handwerker Politische Situation: Nach Napoleons Sturz absolutistische Regierung (Metternich) Bürgertum und Arbeiter keine politischen Rechte Gegner des Regimes wurden mit allen Mitteln unterdrückt polizeiliche Schikanen, scharfe Zensur Opposition wurde dennoch immer stärker versch. Freiheitskämpfe, 1848 Revolution Buchmarkt und Zensur: Freie Schriftsteller scheiterten meist an der finanziellen Situation Nach Wiener Kongreß kam es zu einer steigenden Buchproduktion neuer Literaturmarkt Große Gefahr sah Regime in der Literatur Ô durch Erfindung der Papiermaschine und der Schnellpresse Ô Zeitungswesen und Buchhandel sprunghafter Anwuchs. Vorzensur wurde eingeführt, betroffen sind alle Publikationen unter 20 Bögen (Zeitschriften, Zeitungen, Flugblätter), Autoren versuchten durch Sammelbände und großen Schriften der Vorzensur zu umgehen. Scharfe Zensur Ô Verbot und Beschlagnahmung (Goethes "Faust", Schillers "Tell")
Literatur: Zwei Großgruppen: in der Literatur des Vormärz (der Restauration) Politisch engagierten Dichter sie kritisierten das System, hofften auf eine bessere Zukunft Das junge Deutschland Schrieben gegen die Zensur und den Absolutismus. Themen: Emanzipation, Bildung, Gleichheit, Freiheit Ende 1835 wurden die gesamten Schriften des jungen Deutschlandes verboten. Verbot wegen Zerstörung der Sittlichkeit, Zucht und Ordnung. Heinrich Heine: Deutschland, Ein Wintermärchen Tendenzdichter drückten ihren Unmut über politisches und kulturelles Klima aus, und zwar durch Ausrufe, politische Streit- u. Schmähschriften, lyrische Texte, die zu konkreten politischen Aktionen aufrufen. Auf Kunst legen die Dichter wenig Wert, die Lyrik soll Mittel im politischen Emanzipationskampf sein. In den Prosatexten findet die Situation des Arbeiterstandes zum ersten Mal anklang.
Georg Büchner (1813-1837) geboren in Darmstadt, studierte Medizin und Naturwissenschaft in Straßburg und in Gießen, war begeistert von der Idee des franz. Sozialismus, gründete den Geheimbund "Gesellschaft für Menschenrechte", mußte nach Straßburg fliehen, Dozent für Naturwissenschaften in Zürich, Starb mit 24 an Typhus, Schrieb in seinen letzten 2 Lebensjahren auch literarische Werke
(Aufgrund der Zensur und des Verein- und Versammlungsverbotes mussten viele Studenten, Schriftsteller und Intellektuelle ins Exil oder in den Untergrund gehen) veröffentlichte mit 20 Jahren die Flugschrift "der hessische Landbote" (darin prangerte er die sozialen Mißstände an, bringt Statistiken über Hunger und Armut, fordert zum offen Widerstand gegen die Machthaber auf) Zum hessischen Landboten: Gründung 1834, Friedrich Ludwig Weidig überarbeitet und redigierte den Text Büchners - er schwächte den Text ab, es wurden zw. 700 und 1000 Exemplare gedruckt, 1835 starb Weidig an den Folgen der Haft.
Woyzeck Außenseiterdrama - offenes Drama Inhalt: Im Mittelpunkt des unvollendeten sozialen Dramas steht ein einfacher macht- und sprachloser Mensch, der in seiner Verzweiflung und Auflehnung zum Mörder an seiner Geliebten und Mutter seines Kindes wird. Der Dramatext basiert auf der Lebensgeschichte des J. Chr. Woyzeck, eines trunksüchtigen Soldaten und Friseurs, der seine Lebensgefährtin Christina Woost 1821 im Streit ersticht. Er wird nach dreijährigem Prozess - das Urteil verzögert sich, weil Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Täters auftraten - 1824 hingerichtet.
Neuer Menschentyp im Drama: der tragische Held aus unterer Gesellschaftsschicht, Woyzeck lebt in Armut, leidet an Wahnvorstellungen und Angstträumen wird von seiner Umwelt unterdrückt ist Sinnbild des wehrlosen, gequälten Menschen materialistische Weltanschauung: Mensch ist von Herkunft und Milieu abhängig sein Handeln ist geprägt von der Umwelt Woyzeck wird in seiner Ausweglosigkeit zum Verbrecher Mitschuld am Mord haben: Hauptmann (er vertritt die herrschenden Moralvorstellungen) Marie und Tambourmajor (Maries Ehebruch wird durch Milieu und Armut beeinflußt, sucht Trost in der Bibel) Doktor (Vertreter der experimentellen Naturwissenschaft, behandelt Menschen wie Tiere Offene Dramenform: (Gegensatz zum klassischen - aristotelischen Drama); Austauschbarkeit; Selbständigkeit der Szenen (4 Handschriften sind überliefert, jeweils mit unterschiedlicher Szenenfolge); keine geschlosse Form keine Einheit von Ort, Zeit, Handlung; die Handlung verläuft nicht linear; 1 Thema wird von verschieden Seiten betrachtet; offener Schluß; keine Lösung wird angeboten.