ten Violine. Er ist schon acht Tage krank, und niemand sieht nach ihm. Geld hat er keinen Pfennig, und jetzt ist auch meines ausgcgangen."
Aus Neugicrde, und ein wenig auch zur Selbstbestrafung, ging ich mit zu Agostino, dem er Milch und Medizin in seine Dach kam mer brach te, eine recht elende Dachkam-mer, dem er das Bett frisch aufschiittelte, das Zimmer liif-tete und eine hiibsche kunstgerechte Kompresse um den fiebernden Kopf machte, alles rasch und żart und sachkun-dig, wie eine gute Krankenschwester. Am gleichen Abend sah ich ihn, bis in die Morgcnstunden, in der City-Bar musi-zieren.
Mit Hermine sprach ich oft lange und sachlich iiber Maria, iiber ihrc Hande, Schultern, Hiiften, iiber ihre Axt zu la-chen, zu kiissen, zu tanzen.
„Hat sie dir das schon gezeigt?“ fragte Hermine einmal und beschrieb mir ein besonderes Spici mit der Zunge beim KuG. Ich bat sie, es mir doch selbst zu zeigen, doch wieś sic mich ernsthaft ab. „Das kommt spater", sagte sie, „noch bin ich nicht deine Geliebte."
Ich fragte sie, woher sie denn Marias KuGkiinste und man-chc geheime, nur dem liebenden Mann bekannte Besonder-heiten ihres Ixibes kenne.
„Oh“, rief sie, „wir sind doch Freunde. Glaubst du denn. wir hatten Geheimnisse voreinander? Ich habe oft genug bei ihr geschlafen und mit ihr gespielt. Nun ja, du hast da ein schónes Madchcn erwischt, die kann mehr ais andre.“ „Ich glaube doch, Hermine, daG auch ihr noch Geheimnisse voreinander habt. Odcr hast du ihr auch iiber mich alles ge sagt, was du weiGt?"
„Nein, das sind andere Sachen, die sie nicht verstehen wiirde. Maria ist wunderbar, du hast Gliick gehabt, abcr zwischen dir und mir gibt es Dinge, von denen sie keine Ahnung hat. Ich habe ihr viel iiber dich gesagt, natiirlich, viel mehr, ais dir damals lieb gewesen ware - ich mufite sic doch fur dich verfiihren. Aber verstehcn, Frcund, so wic ich dich verstehe, wird Maria dich nie und keine andere Ich habe auch von ihr noch einiges zugelernt - ich weifi iiber dich, soweit Maria dich kennt, Bescheid. Ich kenne dich beinah so gut, wie wenn wir oft miteinander gcschla fen hatten."
Ais ich wieder mit Maria zusammenkam, war es mir wun derlich und geheimnisvoll, zu wissen, dafi sie Hermine cbenso an ihrcm Herzen gehabt hatte wie mich, dafi sic dereń Glieder, Haar und Haut genau so befiihlt, gekiifit, nckostet und gepriift habe wie die meinen. Neue indi rckte, komplizierte Beziehungen und Verbindungen tauch-ten vor mir auf, neue Liebes- und Lebensmóglichkeiten, und ich dachte an die tausend Seelen des Steppenwolftrak-tates.
In jener kurzeń Zeit, zwischen meinem Bekanntwerden mit Maria und dem grofien Maskenball, war ich geradezu glikk-lich und hatte dabei doch nicmals das Gefuhl, dies sei nun eine Erlósung, eine erreichte Seligkeit, sondern spiirte sehr ilcutlich, dafi dies alles Vorspiel und Vorbereitung sei, dafi alles heftig nach vorwarts drange, dafi das Eigentliche erst komme.
Vom Tanzen hatte ich so viel gelernt, dafi es mir nun móg-lich schien, den Bali mitzumachen, von dem mit jedem l agę mehr die Rede war. Hermine hatte ein Geheimnis, nie blieb fest dabei, mir nicht zu verraten, in welcher Mas-kcntracht sie erscheinen werde. Ich weęde sie schon erken-ncn, meinte sie, und sollte ich es daran fehlen lassen, so werde sie mir helfen, aber vorher diirfe ich nichts wissen. So war sie auch gar nicht neugierig auf meine Masken-pl.ine, und ich beschlofi, mich gar nicht zu kostiimieren. Maria, ais ich sie zum Bali einladen wollte, erklartc mir, dafi sie fiir dies Fest schon einen Kavalier habe, besafi auch wirklich schon eine Eintrittskarte, und ich sah etwas nittauscht, dafi ich das Fest nun allein werde besuchen iniissen. Es war der vornehmste Kostiimball der Stadt, der .illjiihrlich in den Globussalen von der Kiinstlerschaft ver-.iiistaltet wurde.
Iii diesen Tagen sah ich Hermine wenig, aber am Tag vor dcm Bali war sie eine Weile bei mir - sie kam, um ihre Ein-uittskarte abzuholen, die ich besorgt hatte - und safi fried-llch bei mir in meinem Zimmer, und da kam es zu einem i icsprach, das mir merkwurdig war und tiefen Eindruck machte.
.lis geht dir jetzt eigentlich recht gut“, sagte sie, „das Tan-M-n bekommt dir. Wer dich vier Wochen nicht mehr gese-i>«.*n hat, wiirde dich kaum wiederkennen."
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