190. Burgundischc Mdtrner- und Frauctu hleidung: (von links nach rechts) Mamwr rock mit Zaddelung an Armeln und Sendelbinde; Frnuciu kleid mit Hdnge= armeln, Hornerhaubc;
DIE BURCUNDISCHE MODĘ
Ehe die spatmittela 1 terliche Modę am Ende des 15. Jahrhunderts in einem phantastischen Fórmen= und Farbenakkord ausklang, erlebte sie am Hofe von Burgund noch einmal eine groGartige Bliitezeit. Wahrend Frankreich im Hundertjahrigen Krieg gegen Engiand schwere Niederlagen erlitt, iibemahm Burgund, der machtigste und zu= gleich prachtigste der franzosischen Fiirstenhófe, die Fiihrung in der Modę. Macht und Wohlstand Burgunds beruhten auf dem Reichtum seiner Stadte — das burgundische Territorium war das stadtereichste Gebiet der Welt. Handel und Handwerk, insbesondert’ die Textilindustrie, nahmen einen groSen Aufschwung. Ais Mittler im Handel zwischen
Frau mit Fliigelhaubc; Mdnnerrock mit zwei Armelójfnungcn, Kastorhul • Bronze= statuetten aus der l.Halfte des iy]ahr-hunderts von ]acques de Gerines • Amsterdam, Rijksmuseum
Nord und Siid erlangten viele Stadte eine fiihrende Rolle und standen in ihrer wirt= schaftlichen und kulturellen Bedeutung kaum hinter den italienischen Stadten zurutk. In Burgund jedoch stromten die materiellen und kulturellen Errungenschaften in einem Zentrum zusammen, dem herzoglichen Hot. Daher blieb in Burgund im Gegensatz zu Italien, wo bereits die burgerliche Kultur und Modę der Renaissancezeit sich herauszu^ bilden begann, der Hof tonangebend fur Modę und Kultur. Seine Bedeutung fiir das gesellschaftlich=kulturelle Leben wurde urn so groGer, je mehr die Stadte mit dem Aus= bau der Zentralgewalt, die schlieGlich bereits absolutistische Formen annahm, ihre ur= spriinglichen Freiheiten und ihren Wohlstand einbiiGten. lhr wirtschaftlicher Niedergang, der die materiellen Fundamente des burgundischen Staatswesens erschiitterte, trug dazti bei, daG die ohnehin nur lose miteinander verbundenen burgundischen Provinzen bald wieder auseinanderfielen und zwischen Frankreich und Deutschland aufgeteilt wurden.
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