34615 Obraz9 (32)

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eingespeichelt, aber unverdaut wieder von sich gibt. Das nahm ich zu mir, eine ganze Spalte lang. Und alsdann fraG ich ein gutes Stiick von der Leber, die man aus dem Leib ei nes totgeschlagenen Kalbes geschnitten hatte. Wunderlich! Das Beste war der Elsasser. Ich habe die wilden heftigen Weine nicht gern, wenigstens nicht fiir den Alltag, die mii starken Reizen um sich werfen und beruhmte Speziaige schmacke haben. Ich liebe am meisten ganz reine, leichte, bescheidene Landweine ohne besondere Namen, man kann viel davon vertragen, und sie schmecken gut und freundlich nach Land und Erde und Himmel und Gehólz. Ein Becher Elsasser und ein Stiick gutes Brot. das ist die beste alier Mahlzeiten. Nun aber hatte ich schon eine Portion Leber in mir, aparter Genufi fiir mich, der selten Fleisch ist, und hatte den zweiten Becher vor mir stehen. Auch das wat wunderlich, dafi da irgendwo in griinen Talern von gesun-den braven Menschen Reben gebaut wurden und Wein ge keltert wurde, damit hicr und dort in der Welt, weit von ih nen entfemt, einige enttauschte, still schóppelnde Biirget und ratlose Steppenwólfe sich ein wenig Mut und Laune aus ihren Bechern saugen konnten.

Meinetwegen, mochte es wunderlich sein! Es war gut, e! half, die Laune kam. Ober den Wortbrei des Zeitungsarti kels stieg mir nachtraglich ein erleichterndes Gelachter auf, und urplótzlich fiel mir die vergessene Melodie jenes Bla serpiano wieder an, wie eine kleine spiegelnde Seifenblasi stieg sie in mir hoch, glanzte, spiegelte bunt und klein di< ganze Welt und ging sanft wieder auseinander. Wenn e: móglich gewesen war, dafi diese himmlische kleine Melodii heimlich in meiner Seele wurzelte und eines Tages in mi ihre holde Blume wieder mit allen lieben Farben empoi trieb, konnte ich da ganz verloren sein? War ich auch eii verirrtes Tier, das seine Umwelt nicht begriff, so war docl ein Sinn in meinem tórichten Leben, etwas in mir gab Ani wort, war Empfanger fiir Anrufe aus femen hohen Welten in meinem Gehirn waren tausend Bilder gestapelt: Giottosche Engelscharen aus einem kleinen blauen Kii chengewólbe in Padua, und neben ihnen gingen Hamle und die bekranzte Ophelia, schóne Gleichnisse aller Traue und alles Mifiverstandnisses in der Welt, da stand im brer nenden Ballon der Luftschiffer Gianozzo und stieB ins Hon mig Attila Schmelzle seinen neuen Hut Ln der Hand, stieG der Borobudur sein Skulpturengebirg in die Liifte. Und mochten alle diese schónen Gestalten auch in tausend an-ilern Herzen leben, es waren noch zehntausend andere, un-lirkannte Bilder und Klange da, dereń Heimat und sehen-drs Auge und hórendes Ohr einzig in mir innen lebte. Die lilie Hospitalmauer mit dem alten, verwitterten, fleckigen (iraugriin, in dereń Rissen und Verwitterungen tausend I 11 sken zu ahnen waren - wer gab ihr Antwort, wer lieG sie in seine Seele ein, wer liebte sie, wer empfand den Zauber ilirc-r żart hinsterbenden Farben? Die alten Biicher der Mitnche, mit den sanft leuchtenden Miniaturen, und die 'im ihrem Volk vergessenen Biicher der deutschen Dichter

i    * u zwcihundert und vor hundert Jahren, alle die abgegrif-lencn und stockfleckigen Bandę, und die Drucke und l l.mdschriften der alten Musiker, die festen, gelblichen No-H iibliitter mit ihren erstarrten Tontraumen - wer hórte ihre k< istvollen, ihre schelmischen und sehnsiichtigen Stimmen, m i trug ein Herz voll von ihrem Geist und ihrem Zauber • I u i ch eine andere, ihnen entfremdete Zeit? Wer gedachte mich jener kleinen, zahen Zypresse hoch am Berge iiber ' "ibbio, die von einem Steinsturz geknickt und gespalten wili und doch das Leben festgehalten und einen neuen,

I >.ii lichen Notwipfel getrieben hatte? Wer ward der fleiGi-ri u llausmutter im ersten Stock und ihrer blanken Arauka-i" gerecht? Wer las nachts iiberm Rhein die Wolkenschrif-

ii    n der ziehenden Nebel? Es war der SteppenwoLf. Und wer suchte iiber den Triimmern seines Lebens den zerflat-"■iiiden Sinn, litt das scheinbar Unsinnige, lebte das schein-I> ii Verriickte, hoffte heimlich im letzten irren Chaos noch « Hicnbarung und Gottesnahe?

I. Ii hielt meinen Becher fest, den die Wirtin mir wieder fiil-Ini wollte, und stand auf. Ich brauchte keinen Wein mehr.

I )ic goldne Spur war aufgeblitzt, ich war ans Ewige erin-"<ti, an Mozart, an die Sterne. Ich konnte wieder fiir eine iiundc atmen, konnte leben, durfte dasein, brauchte nicht i.iii.ilen zu leiden, mich nicht zu furchten, mich nicht zu ' lumen.

I »i'i vom kalten Wind gezauste diinne Spriihregen klirrte mu die Laternen und blitzte mit glasigem Geflimmer, ais li ml die still gewordene StraGe hinaustrat. Jetzt wohin?

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