nun stand es so, daj! Alleinsein und Unabbdngigkeit nicbt mehr sein Wunscb und Ziel war, sondem sein Los, seine Verurteilung daj! der Zauberwunsch getan und nicht mehr zuruckzunehmen war, daj! es nichts mehr half wenn er voll Sehnsucbt und guten Willens die Arme ausstreckte und z u Biruiung und Gemeinsamkeit bereit war: man Hej! ihn jetzt allein. Dabei war er nicht etwa verhaj!t und den Menschen zuwider. Im Gegenteil, er hatte sehr viele Freunde. Viele hatten ihn gem. Aber es war immer nur Sympathie und Freundlich-keit, was er fand, man lud ihn ein, man bescbenkte ihn, schrieb ibm nette Briefe, aber nahe an ihn heran kam niemand Bindung ent-stand nirgends, sein Leben zu teilen war niemand gewillt und fdhig. Es umgab ihn jetzt die Luft der Einsamcn, eine stille Atmosphdre, ein Weggleiten der Umwelt, eine Unfdhigkeit zu Beziehungen, gegen welche kein Wille und keine Sehnsucbt etwas vermochte. Dies war eins der wichtigen Kennzeichen seines Lebens.
Ein anderes war, daj! er zu den Selbstmórdern gehorte. Hi er mujl ge-sagt werden, daj! es falsch ist, wenn man nur jene Menschen Selbst-mbrder nennt, welche sich wirklich umbringen. Unter diesen sind so-gar ciele, die nur gewissermajlen aus Zufall Selbstmorder werden, zu dereń Wesen das Selbstmórdertum nicht nowendig gehórt. Unter den Menschen ohne Persónlichkeit, ohne starkę Prdgung obne starkęs Schicksal, unter den Dutzend- und Ilerdenmenschen sind mambę, die durch Selbstmord umkommen, ohne darum in ibrer ganzen Si-gnatur und Prdgung dem Typus der Selbstmorder anzugehbren, wdh-rend wiederum von jenen, welche dem Wesen nach zu den Selbstmór-dem zdblen, sehr ciele, ińelleicht die meisten, niemals tatsdchlich Hand an sich legen. Der „Selbstmorder" - und Harry war einer -braucht nicht notwendig in einem besonders starken Verhdltnis zum Tode zu leben - dies kann man tun, auch ohne Selbstmorder zu sein. Aber dem Selbstmorder ist es eigentumlich, daj! er sein Ich, ei-nerlei, ob mit Recht oder Unrecht, ais einen besonders gefdhrlichen, zweifelhaften und gefdbrdeten Keim der Natur empfindet, daj! er sich stets aujlerordentlich exponiert und gefdhrdet vork.ommt, so, ais stiinde er auf allerschmalster Felsenspitze, wo ein kleiner Stój! von aujSen oder eine winzige Schwdcbe von innen genugt, urn ihn ins Leere fallen zu lassen. Diese Art von Menschen ist in ibrer Schick-salslinie dadurcb gekennzeicbnet, daj! der Selbstmord fur sie die wabrscheinlichste Todesart ist, wenigstens in ibrer eigenen Yorstel-lung. Yoraussetzung dieser Stimmung welche fast immer schon in friiher Jugend sichtbar wird und diese Menschen ihr Leben lang be-gleitet, ist nicht etwa eine besonders schwache Lebenskraft, man fin-
U t im Gegenteil unter den „Selbstmordern" altfierordentlhh zdhe, Inrehrlicbe und auch kiihne Naturen. Aber so d ',e es Naturen gibt, die bei der kleinsten Erkrankung zu Fieber nei£en’ so ne’&en diese Naturen! die wir „Selbstmorder ’ heifien und die s*ets Se^r empftnd-liih und sensibel sind, bei der kleinsten Erscbuttlrun& dazu, sich internie der Vorstellung des Selbstmorder binzugeb1*1, Natleń wir eine Wissenschaft, die den Mut und die VerantwortubSs^raft besdfie, sich mit dem Menschen zu beschdftigen, statt blofi mit den Mecbanismen der Lebenserscbeinungen, hdtten wir etwas wie ltne Anthropologie, et was wie eine Psychologie, so wdren diese pptsachen jedem bekana!.
IFas wir hier iiber die Selbstmorder sagten, bezi^jt f'ch alles selbst-eerstdndlich nur auf die Oberfldche, es ist Psychol°&'e’ a^° em Stuck Pbysik. Metaphysisch betrachtet, siebt die Sache dnde™ und viel^ klatce aus, denn bei solcher Betrachtung stellen die ,'Selbstmorder sich uns dar ais die vom Schuldgefiihl der Individualion ^ etr°ffenen, ais /etie Seelen, welchen nicht mehr die Yollendung und Ausgestaltung ibrer selbst ais Lebensziel erscheint, sondem ihrt siuftósung, zuruck ■nr Mutter, zuruck zu Gott, zuruck ins Ali. Von d‘e*en Naturen and sehr viele nollkommen unfdhig, jemals den rtttlen Selbstmord zu hegeben, weil sie dessen Sunde tief erkannt babi*1' uns s'nd s'ie dennoch Selbstmorder, denn sie sehen im Tod, f>_ nn Feben “en ErlSser, sie sind bereit, sich wegzuwerfen und binzugeben, auszu-liischen und zum Anfang zuruckzukehren.
Wie jede Kraft auch zu einer Schwdche werden lkdnn (M unter Um-Udnden werden mufi), so kann umgekehrt der tyl,ische Selbstmorder aus seiner anscheinenden Schwdche oft eine Krdft “nd eine Stutze macben, ja er tut dies aujlerordentlich haufig. i11 d!esefi Fdllen ge-hiirt auch der Harrys, des Steppenwol/es. Wie rffiusen e v°n sejnes~ tdeichen, machte er aus der Yorstellung, dafi ihm )eder Stunde der W cg in den Tod offensteht, nicht blofi ein jugenjltcb-melanchol,sches Phantasiespiel, sondem baute sich aus ebendiese,n 6 f.n*en, e'nen Prost und eine Stutze. Zwar rief in ihm, wie in d ™ ‘Menschen sei-ner Art, jede Erscbutterung, jeder Schmerz, jede e eb(ns &ef°~ fort den Wunsch wach, sich durch den Tod zu entziehe”/{U™h lc!> aber schuf er sich aus dieser Neigunggerade eine Jerr> , tentce l'bilosophie. Die Vertrautheit mit dem GedanWn’ lJener otp
ausgang bestdndig offenstehe, gab ihm Kraft, rrtdc,lt!^n ne‘jSlenS auf das Auskosten von Scbmerzen und ublen Zudan en’ Jenn et ihm recht elendging. konnte er zuweilen mit gfiinm,Ser re e> el~ ner Art Schadenfreude, empfinden: „Ich bin doch neugterig zu se en,
9