der so unmenschlich gelacht und seinen unsterblichen Spali mit mir getrieben hatte. Nun erst verstand ich Goethes La chen, das Lachen der Unsterblichen. Es war ohne Gegen-stand, dies Lachen, es war nur Licht, nur Helligkeit, es war das, was iibrigbleibt, wenn ein echter Mensch durch die Lei den, Laster, Irrtumer, Leidenschaften und Mifiverstandnissc der Menschcn hindurchgegangen und ins Ewige, in den Weltraum durchgestofien ist. Und die „Ewigkeit" war nichts andres ais die Erlosung der Zeit, war gewissermafien ihrc Riickkehr zur Unschuld, ihre Riickverwandlung in den Raum.
Ich suchte Maria an dem On, wo wir an unsem Abenden zu speisen pflegten, doch war sie noch nicht gekommen. In dem stillen Vorstadtkneipchen saG ich wartend am gc deckten Tisch, mit meinen Gedanken noch bei unsrem Qe sprach. Alle diese Gedanken, die da zwischen Hermine und mir aufgetaucht waren, erschienen mir so tief vertraut, so altbekannt, so aus meiner eigensten Mythologie und Bil derwelt geschópft! Die Unsterblichen, wie sie im zeitlosen Raum leben, entriickt, Bild geworden, und die kristallnc Ewigkeit wie Ather um sie gegossen, und die kiihle, steru haft strahlende Heiterkeit dieser auBerirdischen Welt -woher denn war dies alles mir so vertraut? Ich sann, und es fielen mir Stucke aus Mozarts „Cassations", aus Bach* „Wohltempericrtem Klavier“ ein, und uberall in dieser Mu sik schien mir diese kiihle sternige Helligkeit zu leuchten, diese Atherklarheit zu schwingen. Ja, das war es, diese Mu sik war so etwas wie zu Raum gefrorene Zeit, und iiber ilu schwang unendlich eine ubermenschliche Heiterkeit, ein ewiges góttliches Lachen. Oh, und dazu paGte ja auch dci alte Goethe meines Traumes so gut! Und plótzlich hórtc ich dies unergriindliche Lachen um mich her, hórte die Unsterblichen lachen. Bezaubert saB ich, bezaubert suchte ich aus der Westentasche meinen Bleistift hervor, suchte nach Papier, fand die Weinkarte vor mir liegen, drehte sic um und schrieb auf ihre Riickseitc, schrieb Verse, die ich erst anderntags in meiner Tasche wiederfand. Sie lautc ten:
Immer wieder aus der Erde Talern Dampft zu uns empor des Lebens Drang,
Wilde Not, berauschter Uberschwang,
Blutiger Rauch von tausend Henkersmahlern,
Krampf der Lust, Begierde ohne Ende,
Mórderhande, Wuchererhande, Beterhande,
Angst- und lustgepeitschter Menschenschwarm Dunstet schwiil und faulig, roh und warm,
Atmet Seligkeit und wilde Briinste,
Frifit sich selbst und speit sich wieder aus,
Brutet Kriege aus und holde Kiinste,
Schmiickt mit Wahn das brennende Freudenhaus, Schlingt und zehrt und hurt sich durch die grellen Jahrmartksfreuden ihrer Kinderwelt,
Hebt fur jeden neu sich aus den Wcllen,
Wie sie jedem einst zu Kot zerfallt.
Wir dagegen haben uns gefunden In des Athcrs sterndurchglanztem Eis,
Kennen keine Tage, keine Stunden,
Sind nicht Mann noch Weib, nicht jung noch Greis. Eure Sunden sind und eure Angste,
Euer Mord und eure geilen Wonnen Schauspiel uns gleichwie die kreisenden Sonnen, Jedcr einzige Tag ist uns der langste.
Still zu eurem zuckenden Leben nickend,
Still in die sich drchenden Sterne blickend Atmen wir des Weltraums Winter ein,
Sind befreundet mit dem Himmelsdrachen,
Kiihl und wandellos ist unser ewiges Sein,
Kuhl und sternhell unser ewiges Lachen.
I ).mn kam Maria, und nach ciner hciteren Mahlzeit ging ich mit ihr in unser Zimmerchen. Sie war an diesem Abend lioner, wiirmer und inniger ais je und gab mir Zartlichkei-icn und Spielc zu kosten, die ich ais das Letzte an Hingabe itnpfand.
Maria", sagte ich. „du bist heut vcrschwenderisch wie eine 1 •tirtin. Mach uns bcide nicht ganz tot, morgen ist doch der
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