denen, so tief verachteten Welt der Bummler und Vergnu-gungsmcnschen, in dieser glatten, klischierten Wclt der Marmortischchen, der Jazzmusik, der Kokorten, der Hand-lungsreisenden! Betriibt sog ich meinen Tee und starrte in die halbelegante Menge. Zwei schónc Madchen zogen meine Blicke an, beide gutc Tanzerinnen, denen ich mit Be-wunderung und Neid nachblickte, wie sie clastisch, schón, fróhlich und sicher dahintanzten.
Da erschien Hermine wieder und war mit mir unzufrieden. Ich sei nicht hier, schalt sic, urn ein solches Gesicht zu ma-chen und regungslos am Teetisch zu sitzen, ich móge mir jetzt bitte einen Ruck geben und tanzen. Wie, ich kennc niemanden? Das sei ganz unnótig. Ob denn gar keine Madchen da seien, die mir geficlen?
Ich zeigte ihr die eine, schónere, die eben in unsrer Nahe stand und in ihrem hiibschen Sammetróckchen, mit den kurzgeschnittenen kraftigen Blondhaaren und den vollen, fraulichen Armen entziickend aussah. Hermine bestand darauf, dafi ich sofort hingehe und sie auffordere. Ich wehrte mich verzweifelt.
„Ich kann doch nicht!" sagte ich ungliicklich. „Ja, wenn ich ein hiibscher junger Kerl ware! Aber so ein alter steifer Trottel, der nicht einmal tanzen kann - sie wiirde mich ja auslachen!"
Verachtlich sah Hermine mich an.
„Und ob ich dich auslache, ist dir natiirlich einerlei. Was du fur ein Feigling bist! Das Ausgelachtwerden riskiert ein je-der, der sich einem Madchen nahert; das ist der Einsatz. Also riskiere, Harry, und im schlimmsten Fali lali dich eben auslachen - sonst ist es mit meinem Glauben an deinen Ge* horsam vorbei.“
Sie gab nicht nach. Beklommen stand ich auf und ging auf das schóne Madchen zu, ais eben die Musik wieder an-fing.
„Ich bin eigentlich nicht frei“, sagte sie und blickte mich neugierig aus den grofien frischen Augen an, „aber mein Tanzcr scheint in der Bar driiben hangenzubleiben. Na, kommen Sie!"
Ich umfaSte sie und tat die ersten Schritte, noch verwun-dert dariiber, dafi sie mich nicht weggeschickt hatte, da merkte sie schon, wie es mit mir stehe, und ubernahm die
Fiihrung. Sie tanzte wunderbar, und mich nahm es mii, ich vcrgafi fur Augenblickc alle meine Tanzpflichten und Re geln, schwamm einfach mit, ftihlte die straffen Huften. die raschen geschmeidigen Knie meincr Tanzerin. sah ihr in das jungę, strahlende Gesicht, gestand ihr, dafi ich heutc /um erstenmal in meinem Leben tanze. Sie lachelte und rrmunterte mich und antwortete auf meine entzuckicn filicke und schmeichelnden Worte wunderbar geschmeidig, nicht mit Worten, aber mit Jeisen entziickenden Bewegun-gen, die uns nahrer und reizender zusammenbrachten. Fest liielt ich die rechte Hand iiber ihrer Taille, folgte begliickt und eifrig den Bewegungen ihrer Bcine, ihrer Arme, ihrer Schultern, trat ihr zu meinem Erstaunen kein einziges Mai auf die Fiifie, und ais die Musik zu Ende war, blieben wir beide stehen und klatschten, bis der Tanz nochmals gespielt wurde und ich nochmals eifrig, verliebt und andachtig den Ritus vollzog.
Ais der Tanz zu Ende war, allzu friih, zog das schóne Sam-metmadchen sich zuriick, und plótzlich stand Hermine ne-hen mir, die uns zugcsehen hatte.
..Merkst du was?“ lachte sie lobend. „Hast du entdeckt, dafi brauenbeine keine Tischbeine sind? Na, bravo! Den Fox kannst du jetzt, Gott sei Dank. morgcn gehen wir auf den Boston los, und in drei Wochen ist Maskenball in den Glo-hussalen."
I s war Tanzpause, wir hatten uns gesetzt, und nun kam .nich der htibsche jungę Herr Pablo, der Saxophonblaser, nickte uns zu und setzte sich neben Hermine. Er schien mit litr sehr gut Freund zu sein. Mir aber, gestehe ich, wollte bei jenem ersten Zusammensein dieser Herr durchaus nicht gdallen. Schón war er, das war nicht zu leugnen, schon von Wuchs und schón von Gesicht, weiter Vorziige aber konnte m h an ihm nicht entdecken. Auch das mit der Vielsprachig-kcit machte er sich leicht, er sprach namlich uberhaupt nichts, nur Worte wie bitte, danke, jawohl, gewifi, hallo und ahnliche, die er allerdings in mehreren Sprachen konnte. Nein, er sprach nichts, der Senior Pablo, und er schien auch nicht eben viel zu denken, dieser hiibsche Caballero. Seine 1'rschaftigung war das Saxophonblascn in der Jazzkapelle, und diesem Beruf schien er mit Liebc und Leidenschaft ob-/uliegen, manchmal klatschte er wahrend des Musiziercns
95