Obraz3 (6)

Obraz3 (6)



Schóne, die Vcrchrung der grofien Dichtcr oder die Vereh-rung der Heiligen, der ist ein Narr und ein Riiter Don Qui-chotte. Gut. Und mir ist es ebenso gegangcn, mein Freund! Ich war ein Madchen von guten Gaben und dafiir bestimmi. nach einem hohen Vorbild zu leben, hohe Forderungen an mich z u stellen, wiirdige Aufgaben zu erfiillcn. Ich konnie ein gro Ges Los auf mich nehmen, die Frau eines Kónigs sein, die Geliebte eines Revolutionars, die Schwester eines Genies, die Mutter eines Martyrers. Und das Leben hat mir nur erlaubt, eine Kurtisane von leidlich gutem Geschmack zu werden - schon das ist mir schwer genug gemacht wor-den! So ist es mir gegangen. Ich war eine Weile trostlos, und ich habe langc Zeit die Schuld an mir selbcr gesucht. Das Leben, dachte ich, mufi doch schliefilich immer recht haben, und wenn das Leben meine schonen Traume ver-hóhnte, so dachte ich, es werden eben meine Traume dumm gewesen sein und unrecht gehabt haben. Aber das half gar nichts. Und weil ich gute Augen und Ohren hattc und auch etwas neugierig war, sah ich mir das sogenannic Leben recht genau an, meine Bckannten und Nachbarn, fiinfzig und mehr Menschen und Schicksale, und da sah ich, Harry: meine Traume hatten recht gehabt, tausendmal recht, ebenso wie deine. Das Leben aber, die Wirklichkeit, hatte unrecht. Dafi eine Frau von meiner Art keine andcrc Wahl fand, ais an einer Schreibmaschine im Dienst eines Geldverdicners armlich und sinnlos zu altern oder einen solchen Geldverdiener um seines Geldes willen zu heiraten oder aber eine Art von Dirne zu werden, das war ebensowe nig richtig, ais daft ein Mensch wie du einsam, scheu und verzweifelt nach dcm Rasiermesser greifen muG. Bei mit war das Blend vielleicht mehr materiell und moralisch, bel dir mehr geistig - der Weg war der gleiche. Glaubst du, ich konne deine Angst vor dem Foxtrott, deinen Widerwillcit gegen die Bars und Tanzdielen, dein Sichstrauben gegen Jazzmusik und all den Kram nicht verstehen? Allzu gut ver-steh ich sie, und ebenso deinen Abscheu vor der Politik, deine Trauer iiber das Geschwatz und verantwortungslosr Getue der Parteien, der Presse, deine Verzweiflung iibci den Krieg, iiber den gewesenen und iiber die kommenden. uber die Art, wie man heute denkt, liest, baut, Musik machi, Feste feiert, Bildung betreibt! Recht hast du, Steppenwoll, uusendmal recht, und doch muGt du untergehen. Du bist iiir diese einfache, beąueme, mit so wenigem zufriedene Welt von heute viel zu anspruchsvoll und hungrig, sie speit dich aus, du hast fur sie eine Dimension zuviel. Wer heute leben und seines Lebens froh werden will, der darf kein Mensch sein wie du und ich. Wer start Gedudel Musik, statt Vcrgniigen Freude, statt Geld Seele, statt Betrieb eclite Ar-bcit, statt Spielerei echte Leidenschaft verlangt, fur den ist iliese hiibsche Welt hier keinc Heimat...“

Sie blickte zu Boden und sann.

I lermine", rief ich zartlich. „Schwester, wie gute Augen du lust! Und doch hast du mich den Foxtrott gelehrt! Aber wie meinst du das: daG Menschen wie wir, Menschen mit einer Dimension zuviel, hier nicht leben kónnen? An was liegt das? Ist das nur in unsrer heutigen Zeit so? Oder war das immer?"

Ich weiG nicht. Ich will zur Ehre der Welt annehmen, es i i bloG unsere Zeit, es sei blofi eine Krankheit, ein mo-incntanes Ungliick. Die Fiihrcr arbeiten stramm und erfolg-icich auf den nachsten Krieg los, wir andern tanzen unter-Icssen Foxtrott, verdienen Geld und essen Pralines - in nner solchen Zeit muG ja die Welt recht bescheiden ausse-lit-n. Hoffen wir, daG andere Zeiten besser waren und wie-der besser sein werden, reicher, weiter, tiefer. Aber uns ist l imit nicht geholfen. Und vielleicht ist es immer so gewe-icn..

Immer so wie heute? Immer nur eine Welt fur Politiker, Schieber, Kellner und Lebemanner, und keine Luft fur Menschen?"

„Nun ja, ich weiG es nicht, niemand weiG das. Es ist auch ei-nerlei. Aber ich denke jetzt an deinen Liebling, mein l ieund, von dem du mir zuweilen erzahlt und auch Bricfe 'orgelesen hast, an Mozart. Wie war es denn mit dem? Wer li ii zu seincn Zeiten die Welt regiert, den Rahm abge-■ hópft, den Ton angegeben und etwas gegolten: Mozart ■der die Geschaftemacher, Mozart oder die flachen Dut-'•ndmenschen? Und wie ist er gestorben und begraben norden? Und so, meine ich, ist es vielleicht immer gewesen imkI wird immer sein, und das, was sie in den Schulen W cltgeschichte' heiGen und was man da auswendig lernen " ii' fur die Bildung, mit allen den Hclden, Genics, gro-

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