71349 Obraz 8 (6)

71349 Obraz 8 (6)



von Gelittenhabcn, von Góttcrhumor geboren. Ich wandte mich um, durchfroren und beseligt von dicsem Lachen, und da kam Mozart gegangen, lachend ging er an mir yoriiber, schlenderte gelassen auf eine der Logenturen zu, óffnete sie und trat ein, und ich folgte ihm begierig, dem Gott meiner Jugend, dem lebenslangen Ziel meiner Liebe und Vereh-rung. Dic Musik erklang weiter. Mozart stand an der Logen-briistung, vom Theater war nichts zu sehen, den grenzenlo-sen Raum fullte Finsternis.

„Sie sehen“, sagte Mozart, „es geht auch ohne Saxophon. Obwohl ich diesem famosen Instrument gewifi nicht zu nahe treten mochte.“

„Wo sind wir?“ fragte ich.

„Wir sind im letzten Akt des ,Don Giovanni‘, Leporello liegt schon auf den Knien. Eine vortreffliche Szene, und auch die Musik kann sich hóren lassen, nun ja. Wenn sie auch noch allerlei sehr Menschlichcs in sich hat, man spiirt doch schon das Jenseits heraus, das Lachen - nicht?“

„Es ist die letzte groGe Musik, die geschrieben worden ist“, sagte ich feierlich wie ein Schullehrer. „GewiC, es kam noch Schubert, es kam noch Hugo Wolf, und auch den armen herrlichen Chopin darf ich nicht yergessen. Sie runzeln die Stirn, Macstro - o ja, auch Beethoven ist ja da, auch er ist wunderbar Aber das alles,'so schon es sei, hat schon etwas von Bruchstiick, von Auflósung in sich, ein Werk von so yollkommenem Gufi ist seit dem ,Don Giovanni‘ nicht mehr von Menschen gemacht worden."

„Strengen Sie sich nicht an", lachte Mozart, furchtbar spot-tisch. „Sie sind ja wohl selber Musikant? Nun, ich habe das Metier aufgegeben, ich habe mich zur Ruhe gesetzt. Nur spaSeshalber sehe ich zuwcilen dem Betrieb noch zu."

Er hob die Hiinde, ais dirigierte er, und ein Mond oder sonst ein bleiches Gestirn ging irgendwo auf, uber die Brii-stung blickte ich in unmefibare Raumtiefen. Nebel und Wolken zogen darin, Gebirge dammerten und Meergestade. unter uns dehnte sich weltenweit eine wiistenahnliche Ebene. In dieser Ebene sahen wir einen ehrwiirdig ausse-henden alten Herrn mit langem Bartę, der mit wehmiitigem Gesicht einen gewaltigen Zug von einigen zehntausend schwarzgekleideten Miinnern anfuhrte. Er sah betriibt und hoffnungslos aus, und Mozart sagte:

„Sehen Sie, das ist Brahms. Er strebt nach der Erlósung. aber damit hat es noch eine gutc Weile.“

Ich erfuhr, daB die schwarzen Tausende alle die Spieler jc-ner Stimmen und Noten waren, welche nach góttlichem Ui teil in seincn Partiturcn iiberfliissig gewesen waren.

„Zu dick instrumentiert, zuviel Materiał vcrgeudet“, nickte Mozart.

Und gleich darauf sahen wir an der Spitze eines ebenso gro Ben Heeres Richard Wagner marschieren und fiihlten, wie die schwercn Tausende an ihm zogen und sogen; miide mit Dulderschritten sahen wir auch ihn sich schleppen.

„In meiner Jugendzeit", bemerkte ich traurig, „galten diesc beiden Musikanten fur die denkbar gróBten Gegensatze." Mozart lachte.

„Ja, das ist immer so. Aus einiger Entfernung gesehen, pile gen solche Gegensatze einander immer ahnlicher zu wet den. Das dicke Instrumentieren war iibrigens weder Wag ners noch Brahms’ persónlicher Fehler, es war ein Irrtum ihrer Zeit.“

„Wie? Und fur den miissen sie nun so schwer biifien?" riel ich anklagend.

„Selbstverstandlich. Es ist der Instanzenweg. Erst wenn sie die Schuld ihrer Zeit abgetragen haben, wird sich zeigen, ob noch so viel Persónliches ubrig ist, dafi sich eine Abrccli nung dariiber lohnt."

„Aber sie konnen doch beide nichts dafur!“

„Natiirlich nicht. Sie konnen auch nichts dafiir, dafi Adam den Apfel gefressen hat, und miissen es doch biiBen."

„Das ist aber furchtbar."

„GewiB, das Leben ist immer furchtbar. Wir konnen nichts dafiir und sind doch verantwortlich. Man wird geboren, und schon ist man schuldig. Sie miissen einen merkwiirdigen Religionsunterricht genossen haben, wenn Sie das nicht wufiten."

Mir war recht elend geworden. Ich sah mich selbst. einen todmiiden Pilger, durch die Wiiste desjenseits ziehen, be-laden mit den vielen entbehrlichen Biichern, die ich ge-schrieben, mit all den Aufsatzen, mit allen den Feuilletons, gefolgt vom Heer der Setzer, die daran hatten arbeiten, vom Heer der Leser, die das alles hatten schlucken miissen. Mein Gott! Und Adam und der Apfel und die ganze iibrigc

171


Wyszukiwarka

Podobne podstrony:
79096 Obraz0 (14) ben. Zugleich dachte ich: so, wie ich jetzt mich anziehe und ausgehe, den Profess
Obraz4 wanie tych trudności, wzrośnie skuteczność ich działania, a przez to poczucie kompetencji li
Obraz0 (107) 56 jest skutecznym sposobem ich zwalczania, bez najmniejszej szkody dla innych owadów.
Obraz0 (86) 56 jest skutecznym sposobem ich zwalczania, bez najmniejszej szkody dla innych owadów.
55777 Obraz4 wanie tych trudności, wzrośnie skuteczność ich działania, a przez to poczucie kompeten
73264 Obraz3 (70) Nikt w otoczeniu mc traktuje ich poważnie Ora także me potrafią być poważni AZKN
Obraz6(1) 161 Konstrukcje zdaniowe z miejscownikiem (zwierzęta i ich mieszkania) ..... p ,, . __
Obraz9 ■Bp.V . Projekt konstrukcyjny i /ulu fundamentów i ich charakterystycznych przekrojów I, (i
Obraz 10 Technologia betonu1. Składniki betonu i ich zadania Beton jest wyprodukowanym sztucznie ka

więcej podobnych podstron