tien, sondern iiberall) schon so gut »eingeubt« in dieses Handwerk, dafi es in keiner Weise der sogen, »Boulevardpresse« des Westens zu-riicksteht, sie manchmal sogar iibertrifft, da es durch seine Monopol-lage so erstarkte, dafi es jedes gegenteilige oder kritische Denken aus-schaltet, und dies gestattet ihm ein Manipulieren mit der óffentlichen Meinung, so wie es will, ohne jedes Mafi und Kriterium. Dies ist wie-der der kiirzeste Weg zu dem, was Lukacs »Prostitution« nennt.5
Aber aus der widerspriichlichen Lagę unserer Mittelklasse, dereń ideologischer Kampfer und Lautsprecher gerade das Zeitungswesen ist, ergibt sich eine doppelte »Prostitution«, verdoppelt durch ein we-sentliches Moment: wenn namlich die biirgerliche Presse des Westens und in der Welt im allgemeinen ganz normal und offen die Interessen der eigenen Klasse vertritt, so befindet sich unser Zeitungswesen wie ein Zwitter in der »nicht beneidenswerten« Lagę, dafi es sich offiziell auf die Interessen der Arbeiterklasse und des Sozialismus berufen mufi, faktisch aber und oft auch perfide die Interessen der eigenen Mittelklasse verteidigen oder durchbringen soli, was in einer nackten Perversion resultiert und so kónnten wir - wenn wir uns an die Be-stimmung von Lukacs halten - zum Unterschied von der biirgerlichen »gewóhnlichen Prostitution« unsere spezifische »perverse Zeitungs-prostitution« bekommen (im Stil der bis zu Ende durchgefuhrten »se-xuellen Revolution« auch auf diesem Gebiet!). U maber nicht nur bei blofien Behauptungen zu bleiben (die dann mancher ais Phantasie-produkte bezeichnen wird), wollen wir eine der neuesten typisch zei-tungsmafiigen Perversionen »grofien Stils« anfiihren (unter den bisher fast zahllosen): In der Nummer vom 1. Mai(!) d. J. 1971 bringt Vje~ snik unter dem Titel »Links, linker - und jenes dritte« auf eineinhalb Seiten (S. 11 und 12) Berichte seiner Auslandskorrespondenten, unter denen gleich unter der Oberschrift in Blockbuchstaben MODE-MARX hervorsticht (es handelt sich um einen Bericht aus der Bundesrepublik Deutschland), und dies gibt der geschickten pervers-prostituierten Tendenz der Redaktion den Grundton, »unaufffallig« der Leserschaft einzuhammern (wie dies systematisch jeden Tag gemacht wird), alles in der durchsichtigen Absicht, Marx, den Marxismus und das »Linke« herabzusetzen! Denn Marx ist eine ganz gewóhnliche Modę, wifit Ihr liebe Leser, und die Linke und »Das Linke«-tja, man kann heute nicht mehr wissen, was rechts und was links ist, wie das auch die ganze Welt annimmt, und das sieht man deutlich aus den Berichten unserer Berichterstatter! Und so weiter in dem Sinn. Hier sind »grofie Meister
der Hinterlist« am Werk und menschlich schon »verbrauchte« Kon-junkturritter!
s Ober die Verdinglichung in der kapitalistischen Gesellschaft sprechend meint Lukacs: »Am groteskesten zeigt sich diese Struktur im Journalismus, wo gerade die Subjcktivitat selbst, das Wissen, das Temperament, die Ausdrucksfahigkeit zu einem abstraktcn, sowohl von der Personlichkeit des »Besitzers« wie von dem materiell--konkreten Wesen der behandelten Gegenstande unabhangigen und eigensetzlich in Gang gebrachten Mechanismus wird. Die »Gcsinnungslosigkeit« der Journalisten, die Prostitution ihrer Erlebnisse und Oberzeugungen ist nur ais Gipfelpunkt der kapitalistischen Verdinglichung begreifbar*. - Georg Lukics, Geschichte und Klas-senbewufitsein, Luchterhand Verl. Neuwied und Berlin 1970, S. 194.
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