Kategorie des Nationalen nicht Sache des Verstandes, sondern des Herzens, des Gefuhls ist. Der, der dieses Gefiihl nicht hat - so wird ein Vaterlandsfreund das sagen - hat nicht das Recht, iiber die Na-tion zu diskutieren. Ober die Nation griibelt man nicht, man theore-tisiert nicht, fur die Nation kampft man, stirbt man, die Nation liebt man ais Kern des eigenen Kerns, ais Wesen des eigenen Wesens, man nimmt sie mit der Muttermilch auf, sie ist Blut und Boden, das Ver-miichtnis unserer Yorfahren, das Heilige des Heiligen, der Ruf, keine Befriedung anzunehmen, sie kann nicht Gegenstand begrifflicher Schulfifolgerungen sein, ruhiger leidenschaftloser Analysen. Man mufi also gleich betonen, daft gerade weil das Gefiihl der nationalen Zuge-hórigkeit viele dieser Ziige tragt, die Nation auch Beute manipulati-ver Operationen gerade jener werden kann, die mit diesem irrationa-len4 Enthusiasmus rechnen, die aber vóllig »iiber« den Interessen einer Nation stehen, und so werden sie - wie uns die Geschichte be-weist - in der Regel morgen bercitwillig, ohne mit der Wimper zu zucken, die wichtigsten Interesen eben dieser Nation verraten, fur die sie so riihrend rezitiert haben und patriotische Tranen vergossen. Wenn Patriotismus nur auf Gefiihl beruht, warum sollten sie nicht einfach ihre Gefiihle andern, ohne dabei etwas zu verletzen, denn ge-gen ein solches Vorgehen gibt es kein rationales Argument, da er einfach nie auf ihnen beruhte, sondern eben nur auf Gefiihlen, die - wie wissen - veranderlich sind. Deshalb ist es auch gar nicht verwunder-lich, daft die feurigstcn, gefiihlvollsten Nationalisten oft zu Dienern des Fremden und der Besatzersoldateska werden - es ist fast natiir-lich. Diesc Spielerei mit Gefiihlen ist charakteristisch auch heute fur eine Reihe gerade dieser Leute, die den Willen haben, fremde Gefiihle auszuniiłzen, an der Spitze aller móglichen sogen. nationalen Kultur-ereignisse zu stehen, die tief verwurzelten Gefiihle anderer anspre-chend, dieselben Gefiihle, die sie unter minimalen Druck leichtfertig wechseln.5 In diesem Sinn glaube ich tatsuchlich, dafi Hegel6 im Recht
499